Urteils-Kommentar zu Bundesgerichtshof Urteil, 6. März 2024 - 6 StR 367/23 von Dirk Streifler

bei uns veröffentlicht am12.09.2024

Autoren

Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Zusammenfassung des Autors

Der Bundesgerichtshof (BGH) hat in seinem Urteil vom 6. März 2024 wesentliche Aspekte zur erweiterten Einziehung nach § 73a StGB klargestellt. Die Entscheidung befasst sich insbesondere mit der Frage, unter welchen Voraussetzungen die erweiterte Einziehung von Taterträgen zulässig ist, wenn eine konkrete Zuordnung der Vermögensgegenstände zu bestimmten Straftaten nicht zweifelsfrei möglich ist. Die Richter verdeutlichten dabei die Anforderungen an die Beweisführung und das Verhältnis zwischen der regulären Einziehung (§ 73 StGB) und der erweiterten Einziehung (§ 73a StGB).

Wesentliche Feststellungen des Urteils

Subsidiarität der erweiterten Einziehung (§ 73a StGB): Die erweiterte Einziehung nach § 73a StGB kommt nur dann zum Tragen, wenn eine Einziehung nach § 73 StGB nicht möglich ist. Dies bedeutet, dass die Herkunft der Vermögenswerte aus Straftaten zwar feststehen muss, eine genaue Zuordnung dieser Vermögenswerte zu einer bestimmten Tat jedoch nicht gelingt. Sollten durch weitere Ermittlungen oder Beweiserhebungen konkrete Verbindungen zu bestimmten Taten hergestellt werden, bleibt § 73 StGB vorrangig. Der BGH betonte somit die nachrangige Rolle des § 73a StGB, der nur dann greifen darf, wenn andere Optionen ausgeschöpft sind und die deliktische Herkunft des Vermögens feststeht, ohne es einer bestimmten Tat zuordnen zu können.

Beweiswürdigung und freie Überzeugungsbildung: Das Tatgericht ist bei der Entscheidung über die Einziehung verpflichtet, alle Beweismittel auszuschöpfen und die deliktische Herkunft der Vermögensgegenstände nach den allgemeinen Grundsätzen der Beweiswürdigung gemäß § 261 StPO zu prüfen. Eine vorschnelle Anwendung des § 73a StGB ist nicht zulässig. Es muss sorgfältig geprüft werden, ob die Einziehungsgegenstände tatsächlich nicht konkret zugeordnet werden können, bevor die erweiterte Einziehung als Maßnahme in Betracht gezogen wird. Der BGH macht somit deutlich, dass der Weg zur erweiterten Einziehung nur dann offensteht, wenn das Gericht nach umfassender Prüfung der Beweislage zu dem Schluss kommt, dass keine konkrete Tat festgestellt werden kann.

Vermeidung von rechtlichen Unsicherheiten bei der Einziehung: Ein zentrales Thema des Urteils war die Frage, wie mit Fällen umzugehen ist, bei denen Vermögenswerte zwar offensichtlich aus Straftaten stammen, aber nicht exakt einer bestimmten Tat zugeordnet werden können. Der BGH betonte, dass Vermögensgegenstände – wie in diesem Fall 70.000 Euro Bargeld und mehrere teure Fahrzeuge – auch dann eingezogen werden dürfen, wenn die Möglichkeit besteht, dass diese aus verschiedenen bekannten Straftaten stammen. Es wäre unzulässig, Vermögenswerte von der Einziehung auszunehmen, nur weil sie theoretisch auch aus anderen Straftaten herrühren könnten, ohne dass für diese Annahme konkrete Anhaltspunkte vorliegen. Die bloße Unsicherheit über die genaue Herkunft der Vermögensgegenstände darf also nicht dazu führen, dass illegales Vermögen letztlich unangetastet bleibt. Der BGH verdeutlichte damit, dass das Gesetz den Schutz der Vermögensabschöpfung und die Vermeidung von rechtlichen Blockaden, die der Strafverfolgung entgegenstehen, bevorzugt.

Relevanz des Urteils

Das Urteil des BGH bringt wichtige Klarstellungen zur Anwendung der erweiterten Einziehung nach § 73a StGB. Insbesondere wird deutlich, dass die Rechtsprechung einen weiten Interpretationsspielraum zulässt, wenn es darum geht, die deliktische Herkunft von Vermögensgegenständen zu bewerten. Dabei stellt der BGH klar, dass eine Einziehung nicht daran scheitern darf, dass verschiedene theoretische Szenarien zur Herkunft der Vermögensgegenstände denkbar sind, solange die tatsächliche Zuordnung zu einer bestimmten Straftat nicht möglich ist. Dies stärkt die Handlungsfähigkeit der Justiz bei der Bekämpfung von Vermögensdelikten und der Abschöpfung illegal erworbener Gewinne.

Fazit

Mit diesem Urteil hat der BGH die Anwendungsgrenzen und Voraussetzungen der erweiterten Einziehung nach § 73a StGB weiter präzisiert. Es wird klargestellt, dass das Gesetz keinen Raum für Spekulationen lässt, wenn es um die Einziehung rechtswidrig erlangten Vermögens geht. Das Tatgericht muss alle Beweismittel ausschöpfen, bevor es zur erweiterten Einziehung greift, darf aber auch keine rechtlichen Lücken entstehen lassen, durch die deliktisch erworbene Vermögenswerte dem Zugriff der Justiz entzogen bleiben. Der BGH hat damit einen wichtigen Beitrag zur Effektivität der Vermögensabschöpfung und zur Durchsetzung der strafrechtlichen Gerechtigkeit geleistet.

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