Urteils-Kommentar zu Bundesgerichtshof Urteil, 6. März 2024 - 6 StR 367/23 von Dirk Streifler
Authors
Bundesgerichtshof Urteil, 6. März 2024 - 6 StR 367/23
Bundesgerichtshof
Urteil vom 6. März 2024
Az.: 6 StR 367/23
Tenor
1. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft wird das Urteil des Landgerichts Stendal vom 8. Mai 2023 mit den zugehörigen Feststellungen aufgehoben, soweit von einer erweiterten Einziehung von Taterträgen abgesehen worden ist.
2. Die Sache wird insoweit zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine Strafkammer des Landgerichts Magdeburg zurückverwiesen.
- Von Rechts wegen -
Gründe
Das Landgericht hatte die Angeklagten im ersten Rechtsgang wegen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu Gesamtfreiheitsstrafen verurteilt und gegen sie als Gesamtschuldner die Einziehung des Wertes von Taterträgen in Höhe von 36.000 Euro angeordnet; von der Anordnung einer erweiterten Einziehung hatte es abgesehen. Auf die Revisionen der Staatsanwaltschaft hob der Senat mit Urteil vom 5. Oktober 2022 das landgerichtliche Urteil mit den zugehörigen Feststellungen hinsichtlich der Nichtannahme bandenmäßigen Handelns, der Gesamtstrafenaussprüche und insoweit auf, als von einer erweiterten Einziehung von Taterträgen abgesehen worden war, und verwies die Sache in diesem Umfang zu neuer Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurück. Im zweiten Rechtsgang hat das Landgericht die Angeklagten jeweils wegen bandenmäßigen Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge zu Gesamtfreiheitsstrafen verurteilt; von einer erweiterten Einziehung von Taterträgen hat es erneut abgesehen. Die Staatsanwaltschaft wendet sich mit einer Verfahrensrüge sowie der Rüge der Verletzung sachlichen Rechts gegen die unterbliebene Anordnung der erweiterten Einziehung. Die vom Generalbundesanwalt hinsichtlich der Sachrüge vertretenen Rechtsmittel haben Erfolg.
I.
1. Nach den Feststellungen betrieb der Angeklagte R. S. mehrere Jahre lang eine Gaststätte. Im Jahr 2012 übergab er den Betrieb an seinen Sohn, den Angeklagten N. S. , blieb jedoch in der Gaststätte als Angestellter tätig und verdiente dort ein monatliches Nettogehalt von etwa 1.000 Euro. Der Gaststättenbetrieb wurde 2017 geschlossen. Anschließend bezog R. S. vorübergehend Arbeitslosengeld. Von April 2020 bis zu seiner Inhaftierung im November 2020 war er als Reinigungskraft beschäftigt und erzielte ein monatliches Nettogehalt von 700 Euro.
N. S. war seit 2009 erwerbstätig und verdiente monatlich 3.000 Euro brutto. Aufgrund von Steuerschulden in Höhe von 54.000 Euro wurde im Jahre 2017 über sein Vermögen ein privates Insolvenzverfahren eröffnet. Im Sommer 2018 wurde das Arbeitsverhältnis gekündigt. Anschließend bezog er Arbeitslosengeld in Höhe von monatlich etwa 1.200 Euro und verdiente seit 2020 als geringfügig Beschäftigter zusätzlich ein monatliches Nettogehalt von 450 Euro.
Seit Ende 2019 betrieben die Angeklagten eine Cannabisplantage, um sich durch den Verkauf von Marihuana eine dauerhafte Einnahmequelle zu verschaffen. Es kam zu vier Anbauzyklen. Insgesamt erwirtschafteten sie durch den Verkauf des Marihuanas einen Ertrag von 36.000 Euro.
Bei einer Durchsuchung wurde in dem von R. S. und seiner Ehefrau bewohnten Gebäudeteil in einem Hohlraum hinter einer Wandverkleidung Bargeld in Höhe von 70.000 Euro gefunden, aufgeteilt in sieben Bündel zu je 10.000 Euro, die jeweils in Aluminiumfolie eingewickelt waren. Ferner wurde ein auf R. S. zugelassener Mercedes-Benz CLS sichergestellt, dessen Kaufpreis er in bar bezahlt hatte, zudem ein Audi R8, ein BMW 520 und eine Ducati, deren jeweilige Eigentümerin eine Bank war, sowie ein BMW X5 und ein BMW i8, die im Eigentum der Ehefrau des Angeklagten R. S. standen und deren Kaufpreise ebenfalls in bar entrichtet worden waren.
Das Amtsgericht Burg stellte im Jahre 2016 ein gegen die Angeklagten laufendes Strafverfahren wegen gewerbsmäßigen Betrugs gemäß § 153a Abs. 2 StPO ein. Die Betrugstaten sollen in der Zeit vom 22. Dezember 2010 bis zum 11. April 2013 verübt worden sein. Weitere Verfahren gegen N. S. wegen Betrugs in drei Fällen stellte das Landgericht Stendal gemäß § 153a Abs. 2 StPO ein. Außerdem sind weitere Strafverfahren gegen die Angeklagten wegen Unterschlagung und Betrugs in drei Fällen rechtshängig.
2. Das Landgericht hat eine Einziehung der bei den Angeklagten aufgefundenen, den Einziehungsbetrag von 36.000 Euro übersteigenden Vermögenswerte abgelehnt. Eine erweiterte Einziehung von Taterträgen nach § 73a StGB scheide aus, weil nicht ausgeschlossen werden könne, dass die sichergestellten Vermögensgegenstände Taten zuzuordnen seien, hinsichtlich derer eine Verfahrenseinstellung nach § 153a StPO erfolgt sei, oder solchen Taten, die Gegenstand eines noch anhängigen Verfahrens seien. Außerdem hätten die Angeklagten im Tatzeitraum legale Einkünfte erzielt und vereinzelt Zahlungen aus Versicherungsverträgen sowie einem Bausparvertrag erhalten. Angesichts dieser legalen Einkünfte könne allenfalls der bemakelte Anteil nach § 73a StGB eingezogen werden. In Ermangelung belastbarer Tatsachen sei jedoch eine Schätzung dieses Anteils nicht möglich.
II.
Die Revisionen der Staatsanwaltschaft haben mit der Sachrüge Erfolg. Die unterbliebene Anordnung einer erweiterten Einziehung von Taterträgen (§ 73a Abs. 1 StGB) beziehungsweise des Wertes von Taterträgen (§ 73a Abs. 1, § 73c Satz 1 StGB) begegnet durchgreifenden rechtlichen Bedenken. Die ihr zugrundeliegende Beweiswürdigung der Strafkammer hält - auch eingedenk des eingeschränkten revisionsgerichtlichen Prüfungsmaßstabs (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Urteil vom 26. August 2020 - 6 StR 100/20, NStZ-RR 2020, 355; Beschluss vom 7. Juni 1979 - 4 StR 441/78, BGHSt 29, 18, 20) - rechtlicher Prüfung nicht stand. Sie erweist sich in mehrfacher Hinsicht als lückenhaft.
1. Dies gilt zunächst mit Blick darauf, dass das Landgericht eine erweiterte Einziehung von Taterträgen bzw. des Wertes von Taterträgen mit der Begründung abgelehnt hat, die bei den Angeklagten sichergestellten Vermögenswerte stammten nicht ausschließbar aus Taten, die Gegenstand anderer - noch rechtshängiger oder nach § 153a StPO eingestellter - Strafverfahren seien.
a) Die Anwendung des § 73a Abs. 1 StGB, auch in Verbindung mit § 73c Satz 1 StGB, setzt voraus, dass die Herkunft der Einziehungsgegenstände aus rechtswidrigen Taten feststeht, aber eine sichere Zuordnung zu konkreten oder zumindest konkretisierbaren einzelnen Taten nach Ausschöpfung aller Beweismittel ausgeschlossen ist (vgl. BGH, Beschlüsse vom 19. August 2020 - 3 StR 219/20; vom 8. November 2018 - 4 StR 297/18, NStZ 2019, 271 Rn. 8). Sofern die betreffenden Gegenstände einzelnen rechtswidrigen Herkunftstaten zugeordnet werden können oder könnten, und sei es erst nach weiteren Ermittlungen oder Beweiserhebungen, scheidet eine erweiterte Einziehung von Taterträgen bzw. des Wertes von Taterträgen aus. Vielmehr ist dann eine Einziehung von Taterträgen nach § 73 Abs. 1 StGB bzw. des Wertes von Taterträgen nach § 73c Satz 1 StGB einem (gesonderten) Verfahren wegen dieser anderen Straftaten vorbehalten. § 73a Abs. 1 StGB ist damit subsidiär gegenüber § 73 Abs. 1 StGB (st. Rspr.; vgl. etwa BGH, Beschlüsse vom 21. Dezember 2021 - 3 StR 381/21, NStZ-RR 2022, 109; vom 9. Januar 2020 - 4 StR 345/19; vom 16. Juli 2019 - 2 StR 268/19, BGHR StGB § 73a Abs. 1 Einziehung 2).
b) Hieran gemessen erweisen sich die Erwägungen des Landgerichts zur Nichtanwendbarkeit des § 73a StGB als lückenhaft. Dem angefochtenen Urteil lässt sich nicht entnehmen, aufgrund welcher Tatsachen die Strafkammer die Überzeugung gewonnen hat, die bei den Angeklagten sichergestellten Vermögensgegenstände könnten einzelnen rechtswidrigen Herkunftstaten zugeordnet werden.
aa) Es fehlt bereits an einer ausreichenden Darstellung der etwaigen Herkunftstaten. Das Urteil teilt sowohl zu den nach § 153a StPO eingestellten als auch zu den noch anhängigen Verfahren lediglich Eckdaten mit (Tatvorwurf, Tatzeitraum und Schadenshöhe bei den Betrugstaten). Es bleibt aber unklar, welches konkrete Verhalten den Angeklagten in diesen Verfahren zur Last gelegt wurde. Ebenfalls offen bleibt, ob die Angeklagten aus den ihnen vorgeworfenen Taten überhaupt Geld - gegebenenfalls in welcher Höhe - oder Waren erlangten.
bb) Überdies verhalten sich die Urteilsgründe nicht dazu, aufgrund welcher Erwägungen es das Landgericht für möglich erachtet hat, dass die bei den Angeklagten sichergestellten Vermögensgegenstände einer oder mehrerer der verfahrensfremden Taten zugeordnet werden könnten. Insbesondere bleibt offen, welche Tatsachen aus Sicht der Strafkammer für die Annahme gesprochen haben, dass der sichergestellte hohe Bargeldbetrag aus den eingestellten oder noch rechtshängigen Betrugstaten stammen könnte. Dabei hätte sich das Landgericht nicht nur mit dem äußeren Tatbild dieser Taten und den dort ermittelten Geld- und Kontobewegungen, sondern auch mit den Gründen auseinandersetzen müssen, die zur Einstellung der Strafverfahren nach § 153a StPO im Jahre 2016 führten. Denn eine etwaige im Vorfeld dieser Verfahrenseinstellung erfolgte Schadenswiedergutmachung würde dafür sprechen, dass sich Taterträge aus diesen Betrugstaten bei der Durchsuchung im Jahre 2020 nicht mehr im Vermögen der Angeklagten befanden. Sollten hingegen bei den getroffenen Opportunitätsentscheidungen Nachweisschwierigkeiten eine Rolle gespielt haben, könnte dieser Umstand für eine Unaufklärbarkeit des Geschehens und damit gegen die Möglichkeit einer vorrangigen Einziehung nach § 73 StGB sprechen.
cc) Mit Blick auf die Frage, ob der bei den Angeklagten sichergestellte Bargeldbetrag von 70.000 Euro aus einer der nach § 153a StPO eingestellten oder einer noch anhängigen Betrugstat stammen könnte, fehlt es zudem an einer Auseinandersetzung mit den zeitlichen Abläufen. Vor dem Hintergrund, dass die im Jahr 2016 eingestellten Betrugstaten bereits zwischen 2010 und 2014 begangen worden sein sollen, versteht es sich nicht von selbst und hätte der Erörterung bedurft, aufgrund welcher Umstände trotz des erheblichen zeitlichen Abstands zwischen den Taten und der Sicherstellung des Bargelds im November 2020 eine Zuordnung des Geldes zu diesen Taten in Betracht kam.
2. Auch soweit die Strafkammer es für möglich erachtet hat, dass die bei den Angeklagten sichergestellten hochwertigen (und zum Teil in bar bezahlten) Fahrzeuge sowie der sichergestellte Bargeldbetrag von 70.000 Euro ganz oder zum Teil aus legalen Einkünften stammen, erweist sich ihre Beweiswürdigung als lückenhaft.
Insofern fehlt es bereits an einer umfassenden Würdigung der Einkommensverhältnisse der Angeklagten. Angesichts ihrer festgestellten Einkünfte im Tatzeitraum der verfahrensgegenständlichen Betäubungsmittelstraftaten - der Angeklagte R. S. erzielte ein monatliches Nettoeinkommen von 700 Euro, der Angeklagte N. S. bezog Arbeitslosengeld von etwa 1.200 Euro und verdiente darüber hinaus 450 Euro aus einer geringfügigen Beschäftigung - lassen sich die bei der Durchsuchung vorgefundenen Vermögenswerte nicht ohne Weiteres erklären.
Zudem wäre insbesondere mit Blick auf den in einem Versteck aufgefundenen und in Alufolie eingewickelten Bargeldbetrag von 70.000 Euro zu erörtern gewesen, ob nicht die Auffindesituation, die glatte Summe und die konkrete Stückelung (sieben Bündel zu je 10.000 Euro) jedenfalls in einer Gesamtschau für ein - auch in voller Höhe - vom legalen Vermögen separiertes Vermögen deliktischer Herkunft sprechen.
III.
1. Die Sache bedarf daher im Hinblick auf die Frage des Vorliegens der Voraussetzungen einer erweiterten Einziehung von Taterträgen (§ 73a StGB) - gegebenenfalls i.V.m. § 73c Satz 1 StGB - neuer Verhandlung und Entscheidung. Der Senat hat von der Möglichkeit des § 354 Abs. 2 Satz 1 Var. 2 StPO Gebrauch gemacht, die Sache an ein anderes Landgericht zurückzuverweisen.
2. Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat auf Folgendes hin:
a) Für die Frage, ob sich das Tatgericht außerstande sieht, die Einziehungsgegenstände den abgeurteilten oder anderen rechtswidrigen Taten zuzurechnen, gelten wie für den Nachweis der deliktischen Herkunft (vgl. BGH, Urteil vom 18. September 2019 - 1 StR 320/18, NStZ 2020, 149) gemäß § 261 StPO die allgemeinen Maßstäbe der freien Beweiswürdigung und der richterlichen Überzeugungsbildung. Eine voreilige Anwendung von § 73a StGB verbietet sich ebenso wie eine den Anforderungen von § 261 StPO nicht genügende Nichtanordnung einer erweiterten Einziehung (vgl. NK-StGB/Saliger, 6. Aufl., § 73a Rn. 8; LK-StGB/Lohse, 13. Aufl., § 73a Rn. 16).
Mit dem Subsidiaritätsgrundsatz soll verhindert werden, dass die Strafjustiz vorschnell auf Abschöpfungsmaßnahmen - wie Maßnahmen nach § 73a StGB und § 76a Abs. 4 StGB - zurückgreift, denen nach der Gesetzessystematik nur eine Auffangfunktion zukommt und die mit einem höheren Irrtumsrisiko und einer größeren Eingriffsintensität verbunden sind (vgl. BGH, Beschluss vom 4. April 2013 - 3 StR 529/12, NStZ-RR 2013, 207; LK/Lohse, aaO, Rn 15; Rönnau/Begemeier, ZStW 2021, 287, 311). Andererseits wollte der Gesetzgeber mit der Vermögensabschöpfungsreform sowohl dem Straftäter als auch der Rechtsgemeinschaft durch effektive Instrumentarien der Vermögensabschöpfung vor Augen führen, dass eine strafrechtswidrige Vermögensmehrung von der Rechtsordnung nicht anerkannt wird und deshalb keinen Bestand haben kann (vgl. BR-Drucks. 418/16, S. 71; BVerfGE 156, 354, 410 Rn. 151). Die Unaufklärbarkeit der konkreten Herkunftstat muss daher, soweit an der deliktischen Herkunft des Vermögens keine Zweifel bestehen, grundsätzlich zur Beendigung und nicht zur Perpetuierung der strafrechtswidrigen Vermögenslage führen.
Aus diesem Grund vermag allein die theoretische Möglichkeit, dass eine verfahrensfremde Straftat die Herkunftstat darstellen könnte, einen Vorrang von § 73 StGB gegenüber § 73a StGB nicht zu begründen. Vielmehr müssen konkrete Anhaltspunkte dafür sprechen, dass die betreffenden Vermögenswerte auch tatsächlich einer konkreten Straftat zugeordnet werden können (vgl. BGH, Beschluss vom 21. Dezember 2021 - 3 StR 381/21, NStZ-RR 2022, 109; Köhler/Burkhard, NStZ 2017, 665, 670). Andernfalls entstehen mit dem Sinn und Zweck der §§ 73 ff. StGB unvereinbare Abschöpfungslücken. Denn insbesondere bei sichergestelltem Bargeld, dessen genaue Herkunft sich naturgemäß nur schwer rekonstruieren lässt, kann ein "Einziehungspatt" entstehen, wenn im Falle mehrerer Strafverfahren jedes Tatgericht gezwungen wäre, eine erweiterte Einziehung jeweils mit Verweis auf die weiteren Strafverfahren und einer dort nur theoretisch in Betracht kommenden Einziehung nach § 73 StGB abzulehnen. Gelingt nämlich eine Tatzuordnung auch in den Folgeverfahren nicht oder kommt es zu Freisprüchen oder Verfahrenseinstellungen, drohte - trotz der uneingeschränkten richterlichen Überzeugung, dass es sich um Erträge aus Straftaten handelt - die Einziehung des strafrechtswidrig erlangten Vermögens schließlich zu scheitern (vgl. Rönnau/Begemeier, aaO, 298; Weber, BtMG, 6. Aufl., § 33 Rn. 169; Peters/Bröckers, Vermögensabschöpfung im Strafverfahren, Rn. 302).
b) § 73a StGB sieht lediglich eine Einziehung derjenigen Gegenstände vor, die durch oder für eine rechtswidrige Tat erlangt sind, und enthält keine Rechtsgrundlage für die erweiterte Einziehung des mit dem Erlös aus einer anderen Straftat erworbenen Surrogats (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. Mai 2022 - 4 StR 114/22; vom 21. September 2021 - 3 StR 158/21, NStZ-RR 2022, 12; vom 4. Juli 2019 - 4 StR 590/18). Das neue Tatgericht wird jedoch zu prüfen haben, ob die Fahrzeuge mit Erlösen aus anderen Straftaten erworben wurden und somit die Anordnung der erweiterten Einziehung des Wertes von Taterträgen gemäß § 73a Abs. 1 i.V.m. § 73c Satz 1 StGB in Betracht kommt (vgl. BGH, Beschlüsse vom 25. Mai 2022 - 4 StR 114/22; vom 3. November 2020 ‒ 6 StR 258/20; vom 21. September 2021 ‒ 3 StR 158/21, aaO; Zivanic, NZWiSt 2023, 212). Der Senat weist mit Blick auf die vom Landgericht geäußerten Bedenken, einer Einziehungsanordnung stehe die fehlende Beteiligung der Eigentümer der Fahrzeuge entgegen, auf § 424 Abs. 1 StPO hin.
c) Eine Verfahrenseinstellung nach § 153a StPO steht einem Freispruch nicht gleich. Als kondiktionsähnliche Maßnahme ohne Strafcharakter (vgl. BGH, Beschluss vom 4. Juli 2023 - 5 StR 145/23, NJW 2023, 3304 Rn. 21) kann die Einziehung von Taterträgen gemäß § 76a Abs. 3 StGB in einem selbständigen Einziehungsverfahren auch nach einer Einstellung des Strafverfahrens nach § 153a StPO angeordnet werden (vgl. BVerfGE 156, 354; BbgVerfG, NJW 1997, 451).
Wesentliche Feststellungen des Urteils
Subsidiarität der erweiterten Einziehung (§ 73a StGB): Die erweiterte Einziehung nach § 73a StGB kommt nur dann zum Tragen, wenn eine Einziehung nach § 73 StGB nicht möglich ist. Dies bedeutet, dass die Herkunft der Vermögenswerte aus Straftaten zwar feststehen muss, eine genaue Zuordnung dieser Vermögenswerte zu einer bestimmten Tat jedoch nicht gelingt. Sollten durch weitere Ermittlungen oder Beweiserhebungen konkrete Verbindungen zu bestimmten Taten hergestellt werden, bleibt § 73 StGB vorrangig. Der BGH betonte somit die nachrangige Rolle des § 73a StGB, der nur dann greifen darf, wenn andere Optionen ausgeschöpft sind und die deliktische Herkunft des Vermögens feststeht, ohne es einer bestimmten Tat zuordnen zu können.
Beweiswürdigung und freie Überzeugungsbildung: Das Tatgericht ist bei der Entscheidung über die Einziehung verpflichtet, alle Beweismittel auszuschöpfen und die deliktische Herkunft der Vermögensgegenstände nach den allgemeinen Grundsätzen der Beweiswürdigung gemäß § 261 StPO zu prüfen. Eine vorschnelle Anwendung des § 73a StGB ist nicht zulässig. Es muss sorgfältig geprüft werden, ob die Einziehungsgegenstände tatsächlich nicht konkret zugeordnet werden können, bevor die erweiterte Einziehung als Maßnahme in Betracht gezogen wird. Der BGH macht somit deutlich, dass der Weg zur erweiterten Einziehung nur dann offensteht, wenn das Gericht nach umfassender Prüfung der Beweislage zu dem Schluss kommt, dass keine konkrete Tat festgestellt werden kann.
Vermeidung von rechtlichen Unsicherheiten bei der Einziehung: Ein zentrales Thema des Urteils war die Frage, wie mit Fällen umzugehen ist, bei denen Vermögenswerte zwar offensichtlich aus Straftaten stammen, aber nicht exakt einer bestimmten Tat zugeordnet werden können. Der BGH betonte, dass Vermögensgegenstände – wie in diesem Fall 70.000 Euro Bargeld und mehrere teure Fahrzeuge – auch dann eingezogen werden dürfen, wenn die Möglichkeit besteht, dass diese aus verschiedenen bekannten Straftaten stammen. Es wäre unzulässig, Vermögenswerte von der Einziehung auszunehmen, nur weil sie theoretisch auch aus anderen Straftaten herrühren könnten, ohne dass für diese Annahme konkrete Anhaltspunkte vorliegen. Die bloße Unsicherheit über die genaue Herkunft der Vermögensgegenstände darf also nicht dazu führen, dass illegales Vermögen letztlich unangetastet bleibt. Der BGH verdeutlichte damit, dass das Gesetz den Schutz der Vermögensabschöpfung und die Vermeidung von rechtlichen Blockaden, die der Strafverfolgung entgegenstehen, bevorzugt.
Relevanz des Urteils
Das Urteil des BGH bringt wichtige Klarstellungen zur Anwendung der erweiterten Einziehung nach § 73a StGB. Insbesondere wird deutlich, dass die Rechtsprechung einen weiten Interpretationsspielraum zulässt, wenn es darum geht, die deliktische Herkunft von Vermögensgegenständen zu bewerten. Dabei stellt der BGH klar, dass eine Einziehung nicht daran scheitern darf, dass verschiedene theoretische Szenarien zur Herkunft der Vermögensgegenstände denkbar sind, solange die tatsächliche Zuordnung zu einer bestimmten Straftat nicht möglich ist. Dies stärkt die Handlungsfähigkeit der Justiz bei der Bekämpfung von Vermögensdelikten und der Abschöpfung illegal erworbener Gewinne.
Fazit
Mit diesem Urteil hat der BGH die Anwendungsgrenzen und Voraussetzungen der erweiterten Einziehung nach § 73a StGB weiter präzisiert. Es wird klargestellt, dass das Gesetz keinen Raum für Spekulationen lässt, wenn es um die Einziehung rechtswidrig erlangten Vermögens geht. Das Tatgericht muss alle Beweismittel ausschöpfen, bevor es zur erweiterten Einziehung greift, darf aber auch keine rechtlichen Lücken entstehen lassen, durch die deliktisch erworbene Vermögenswerte dem Zugriff der Justiz entzogen bleiben. Der BGH hat damit einen wichtigen Beitrag zur Effektivität der Vermögensabschöpfung und zur Durchsetzung der strafrechtlichen Gerechtigkeit geleistet.
Annotations
Über das Ergebnis der Beweisaufnahme entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Inbegriff der Verhandlung geschöpften Überzeugung.