Zur Reform der Tötungsdelikte Mord und Totschlag, §§ 211, 212, 213 StGB
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§ 211
Mord
(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.
(2) Mörder ist, wer aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen, heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken, einen Menschen tötet.
§ 212
Totschlag
(1) Wer einen Menschen tötet, ohne Mörder zu sein, wird als Totschläger mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren bestraft.
(2) In besonders schweren Fällen ist auf lebenslange Freiheitsstrafe zu erkennen.
Tötet jemand einen anderen Menschen, muss zur Abgrenzung zwischen Mord und Totschlag untersucht werden, ob dieser bei der Tat bestimmte Mordmerkmale im Sinne des § 211 StGB erfüllt hat. Ist dies der Fall so lautet der Schuldspruch zwingend lebenslange Freiheitsstrafe. Hat der Täter sich hingegen wegen Totschlages gem. § 212 StGB strafbar gemacht, so beläuft sich der Strafrahmen auf fünf bis 15 Jahre. Diese Regelungen werden sowohl in historischer als auch in systematischer Hinsicht seit Langem kritisiert.
Nationalsozialistischer Ursprung der Normen
Zum einen wird beanstandet, dass § 211 StGB seinen historischen Ursprung in der Zeit des Nationalsozialismus hat. Roland Freisler, damaliger Richter des sog. Volksstrafgerichthofes des Dritten Reiches und zuvor Staatssekretär im Reichsjustizministerium war wesentlich an der Gesetzgebung des § 211 StGB beteiligt. Sowohl die Struktur der Norm in Abgrenzung zum Totschlag nach § 212 StGB („Mörder ist“) als auch die Mordmerkmale „Heimtücke“ und „niedrigen Beweggründe“ stammen aus dieser Zeit. Die Einteilung der Tatbestände erfolgte anhand eines Täterstrafrechtes, indem sich die Tatbestände an der Persönlichkeit des Täters und nicht an der Tathandlung als solchen orientierten. Dieses Gesinnungsstrafrecht diente im Nationalsozialismus dazu, Angeklagte, die im Widerspruch zur nationalsozialistischen Ideologie standen, anzuprangern. In diesem Sinne hieß es: „Mörder wird man nicht – man ist es“ (Erich Schmidt-Leichner, Mitarbeiter Freislers).
Systemwiderspruch
Diese Einteilung der Tatbestände aufgrund tätertyporientierter Mordmerkmale widerspricht zudem dem heutigen System des Strafgesetzbuches, das sich an der konkreten Tathandlung orientiert (z.B. „Einen Diebstahl begeht“, § 242 StGB).
Heimtücke: „Mordmerkmal der Schwachen“
Einer der gewichtigsten Kritikpunkte an der aktuellen Fassung des Mordparagraphen ist das Mordmerkmal der Heimtücke. Heimtücke ist das bewusste Ausnutuzen der Arg- und Wehrlosigkeit des Opfers in feindlicher Willensrichtung.
Zur Veranschaulichung der sog. „Haustyrannenfall (BGHSt 48, 255): Nachdem ein Mann seine Ehefrau 20 Jahre lang schwer misshandelte, erschoss diese ihn im Schlaf mit dessen Revolver. Nach drei Selbstmordversuchen und einer Fehlgeburt sah die Ehefrau ihre Lage als aussichtslos an und fürchtete weitere Angriffe ihres Ehemannes. Aufgrund der weitverzweigten Rocker-Beziehungen ihres Mannes und Aussichtslosigkeit ihrer Situation sah sie sich nicht in der Lage staatliche oder sonstige Hilfe in Anspruch zu nehmen. Nach strengem Normverständnis des § 211 StGB muss die Ehefrau wegen Mordes (Heimtücke) zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt werden. Tötet der Mann hingegen seine Frau im Rahmen der häuslichen Gewalt, wird er grundsätzlich wegen Totschlags nach § 212 StGB zu fünf bis 15 Jahren verurteilt. Die Tatsache, dass die schwache Frau nicht wusste, wie sie sich gegen ihren gewalttätigen und körperlich überlegenen Ehemann wehren kann und ihn aufgrund dessen im Schlaf mit einem Revolver tötet oder ihn vergiftet, führt somit zu einer Strafverschärfung. Ein moralisch eher fragwürdiges Ergebnis
Verstoß gegen das Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 GG
Zudem ist für den Laien nicht erkennbar, wo die Unterscheidung zwischen dem § 211 StGB und § 212 StGB liegt. Wie Bundesjustizminister Heiko Maas (SPD) bereits auf einer Tagung des Deutschen Anwaltsvereines vortrug erfolge eine Unterscheidung im Volksmund meist dadurch, ob die Tat aus einer überlegten vorsätzlichen Tötung (Mord) oder aus einer Tötung im Affekt (Totschlag) erfolge. Diese Abgrenzung entspricht der Fassung des Mordparagraphen des Reichsstrafgesetzbuches von 1872 bis 1941 („Wer vorsätzlich einen Menschen tötet, wird, wenn er die Tödtung mit Überlegung ausgeführt hat, wegen Mordes mit dem Tode bestraft.“, § 211 StGB a.F.). Das heute gültige Strafgesetzbuch grenzt den Mord vom Totschlag hingegen durch die Hinzuziehung von in § 211 StGB aufgezählten Mordmerkmalen ab. Dieser Umstand widerspricht dem Bestimmtheitsgebot aus Art. 103 Abs. 2 GG und § 1 StGB. Danach muss eine strafrechtliche Norm so konkret sein, dass der durchschnittliche Bürger die Tragweite und den Anwendungsbereich des Tatbestandes erkennen und durch Auslegung ermitteln kann. Gleiches trifft auf das Mordmerkmal der „niedrigen Beweggründe“ zu. Es besteht somit ein Bedarf an klaren und einfachverständlichen Normen zu den Tötungsdelikten.
Unflexibler Strafrahmen
Zudem schreibt § 211 StGB bei Erfüllung eines Mordmerkmales zwingend die lebenslange Freiheitsstrafe vor. Dem Gericht wird in Anwendung des Paragraphen somit die Flexibilität genommen, einzelfallgerecht und mit der Rechtssicherheit im Einklang zu entscheiden. Zur Lösung dieses Konfliktes wendet der Bundesgerichtshof die sog. Rechtsfolgenlösung an (BGHSt 30, 105). Liegen die Voraussetzungen der Heimtücke vor und zusätzlich außergewöhnliche, schuldmindernde Umstände, so kann das Gericht den Strafrahmen auf Rechtsfolgenseite in Anwendung des § 49 StGB mildern. Da der erforderliche Verweis auf eine mögliche Milderung nach § 49 StGB im Tatbestand des § 211 StGB jedoch fehlt, werden sie Richter zu einer sehr weiten Rechtsfortbildung zum Teil fragwürdigen Entscheidungen genötigt. Um die Norm rechtsstaatlichen Erfordernissen anzupassen, ist eine Reform des Paragraphen somit überfällig.
Aktuelle Reformbestrebungen
Bereits in den achtziger Jahren hat der Deutsche Juristentag eine Reform des § 211 StGB als notwendig erachtet. Zum Beginn der aktuellen Reformbewegung kam es jedoch erst in den vergangenen zwei Jahren.
Der Deutsche Anwaltsverein fordert in einem ersten Entwurf im Januar 2014 einen einheitlichen Mordparagraphen, der durch die Orientierung an der Tathandlung der Systematik des Strafgesetzbuches angepasst wird („Wer einen Menschen tötet,…“). Nach dieser Ansicht soll jemand, der einen anderen Menschen tötet, mit Freiheitsstrafe nicht unter fünf Jahren oder mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft werden.
Darüber hinaus hat sich auf Anregen des Bundesjustizministers Heiko Maas im Mai 2014 eine Expertengruppe zusammengefunden, um Vorschläge zur Reform der Tötungsdelikte zu erarbeiten. Die Kommission besteht unter anderem aus Fachleuten der Strafrechtswissenschaft, Kriminologie Psychiatrie sowie Praktikern aus den Bereich Justiz, Rechtanwaltschaft und Polizei.
Kritik am Reformbestreben
Der Reformierung des Mordparagraphen stehen jedoch nicht alle positiv gestimmt gegenüber. Zum einen wird hervorgebracht, dass die vergangene Rechtsprechung beweise, dass ein Reformbedarf schlicht nicht bestehe. Der aktuelle § 211 StGB habe sich bereits dadurch bewährt, dass das Bundesverfassungsgericht die Anwendung des § 211 StGB durch die Gerichte mehrfach bestätigt hat. Eine solche rechtspolitische Sicherheit, die sich über Jahrzehnte aufgebaut habe, dürfe man nicht der Systematik willen reformieren. Außerdem sei zu befürchten, dass die Abschaffung der zwingenden Rechtsfolge „lebenslänglich“ dazu führe, dass mildere Strafen verhängt werden. Damit einher geht die Befürchtung, dass die Schaffung eines einheitlichen Tötungsparagraphen dazu führe, dass auch die Verjährung des Mordes abgeschafft werde.
Ob und in welcher Gestalt es Bundesjustizminister Heiko Maas gelingt sein Reformvorhaben wie geplant in dieser Legislaturperiode durchzubringen, bleibt abzuwarten.
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(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.
(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.
(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.
(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.
(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.
(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.
(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.
(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.
(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.
(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.
Eine Tat kann nur bestraft werden, wenn die Strafbarkeit gesetzlich bestimmt war, bevor die Tat begangen wurde.
(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.
(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.
(1) Ist eine Milderung nach dieser Vorschrift vorgeschrieben oder zugelassen, so gilt für die Milderung folgendes:
- 1.
An die Stelle von lebenslanger Freiheitsstrafe tritt Freiheitsstrafe nicht unter drei Jahren. - 2.
Bei zeitiger Freiheitsstrafe darf höchstens auf drei Viertel des angedrohten Höchstmaßes erkannt werden. Bei Geldstrafe gilt dasselbe für die Höchstzahl der Tagessätze. - 3.
Das erhöhte Mindestmaß einer Freiheitsstrafe ermäßigt sich im Falle eines Mindestmaßes von zehn oder fünf Jahren auf zwei Jahre, im Falle eines Mindestmaßes von drei oder zwei Jahren auf sechs Monate, im Falle eines Mindestmaßes von einem Jahr auf drei Monate, im übrigen auf das gesetzliche Mindestmaß.
(2) Darf das Gericht nach einem Gesetz, das auf diese Vorschrift verweist, die Strafe nach seinem Ermessen mildern, so kann es bis zum gesetzlichen Mindestmaß der angedrohten Strafe herabgehen oder statt auf Freiheitsstrafe auf Geldstrafe erkennen.
(1) Der Mörder wird mit lebenslanger Freiheitsstrafe bestraft.
(2) Mörder ist, wer
aus Mordlust, zur Befriedigung des Geschlechtstriebs, aus Habgier oder sonst aus niedrigen Beweggründen,
heimtückisch oder grausam oder mit gemeingefährlichen Mitteln oder
um eine andere Straftat zu ermöglichen oder zu verdecken,
einen Menschen tötet.