Vormundschaft: Kein genereller Vorrang von Rechtsanwälten vor Jugendämtern
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Das OLG hat zwar die Einsetzung des Vormunds aufgehoben. Die Entscheidung des Amtsgerichts habe die Beweggründe für die getroffene Auswahl nicht erkennen lassen. Die Richter haben es aber abgelehnt, einen Rechtsanwalt als Vormund einzusetzen. Sie haben die Sache vielmehr an das Amtsgericht zurückverwiesen. Dieses muss nun neu entscheiden. Dabei müsse es nach Ansicht des OLG vorrangig prüfen, ob ein ehrenamtlicher Vormund für die Betreuung des Kindes gefunden werden könne. Sei dies nicht möglich, bestehe kein genereller Vorrang eines Berufsvormunds, also beispielsweise eines Rechtsanwalts, vor einem Amtsvormund einer Gemeinde oder eines Kreises. Werde ein Vormund bestellt, sei das Wohl des Kindes entscheidend. Für die Auswahlentscheidung des Gerichts müssten deshalb u.a. folgende Kriterien abgewogen werden: Fremdsprachenkenntnisse oder besondere Fachkenntnisse des Vormunds, die für das Kind von Interesse sind (z.B. Kenntnisse im Ausländer- und Asylrecht oder Erfahrungen mit traumatisierten Kindern), sowie Kenntnisse über Integrationsmöglichkeiten des Kindes. Bei Rechtsanwälten müsse sichergestellt sein, dass der ausgewählte Vormund im Einzelfall das notwendige zeitliche und persönliche Engagement für das Kind aufbringen könne. Eine Behörde dürfe demgegenüber bei personellen Engpässen nichts unversucht lassen, diese zu beheben.
Die Entscheidung im Einzelnen lautet:
OLG Celle, Beschluss vom 14.1.2016, (Az.: 12 UF 2/16).
Gründe:
Das nunmehr 16 Jahre alte Kind hat die Staatsbürgerschaft des Landes A.. Es ist als Flüchtling nach Deutschland gekommen und befindet sich in der Obhut des Landkreises S.. Derzeit besteht kein Kontakt zu den Eltern, da sich diese auf der Flucht befinden sollen.
Mit Schreiben vom 6. November 2015 hat der Landkreis beim Familiengericht angeregt, das Ruhen der elterlichen Sorge festzustellen und einen Vormund zu bestellen. Weiter wurde angeregt, einen Ergänzungspfleger für den Aufgabenkreis Vertretung in asyl- und ausländerrechtlichen Angelegenheiten zu bestellen.
Das Familiengericht hat - ohne Anhörung der Beteiligten - mit Formularbeschluss vom 12. November 2015 festgestellt, dass die elterliche Sorge ruht, und die elterliche Sorge einem Vormund übertragen. Das Jugendamt des Landkreises S. ist zum Vormund bestellt worden.
Der Landkreis wendet sich mit seiner Beschwerde dagegen, dass das Jugendamt als Vormund des betroffenen Kindes bestellt worden ist. Er hat zunächst beantragt, den Beschluss insoweit aufzuheben und einen namentlich benannten Rechtsanwalt zum Vormund zu bestellen und zugleich festzustellen, dass diese Vormundschaft berufsmäßig geführt wird. Der Rechtsanwalt soll weiter im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durch einstweilige Anordnung zum Vormund bestellt werden. Die Auswahl des Jugendamtes als Vormund sei fehlerhaft. Nach der gesetzlichen Regelung seien vorrangig ehrenamtlich tätige Personen als Vormund zu bestellen. Soweit solche nicht zur Verfügung stünden, seien Vormundschaftsvereine oder Berufsvormünder zu bestellen. Eine Amtsvormundschaft sei nur dann anzuordnen, wenn andere Personen oder Vereine als Vormünder nicht zur Verfügung stünden. Dem Familiengericht sei auf elektronischem Wege eine Liste mit Namen und Anschriften von Personen übersandt worden, die sich gegen Vergütung als Vormund zur Auswahl stellten. Es handele sich überwiegend um Rechtsanwälte, die bereits aufgrund ihrer fachlichen Ausbildung als geeignet anzusehen seien. Die gültige Zulassung als Rechtsanwalt zeuge von einwandfreier polizeilicher Führung. Da das Familiengericht es unterlassen habe, diese Personen als Vormund in Betracht zu ziehen, liege ein schwerwiegender Ermessensfehler vor. Das Jugendamt hat ergänzend beantragt, die Entscheidung aufzuheben und das Verfahren an das Amtsgericht zurückzuverweisen.
Eine Eilentscheidung sei geboten. Das Abwarten einer Entscheidung im normalen Verfahrensgang liefe dem Kindeswohl zuwider, da ungenutzte Zeit zur Integration verstreichen würde.
Die fristgerecht eingelegte Beschwerde des Jugendamtes ist zulässig. Gem. § 162 Abs. 3 S. 2 FamFG bedarf es nicht der Feststellung einer besonderen Beschwer des Jugendamtes, die im Übrigen angesichts der angeordneten Verpflichtung, die Vormundschaft für das betroffene Kind zu übernehmen, zu bejahen wäre, § 59 Abs. 1 FamFG.
Die internationale Zuständigkeit der deutschen Gerichte, die bei Fällen mit Auslandsberührung in jeder Lage des Verfahrens von Amts wegen zu prüfen und zu beachten ist, folgt im vorliegenden Falle jedenfalls aus Art. 8 Abs. 1 der Verordnung Nr. 2201/2003 des Rates vom 27.11.2003. Diese Verordnung ist stets anwendbar, wenn das betreffende Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaates hat, vgl. Art. 61 lit. a Brüssel II a-VO. Grundsätzlich sind nach Art. 8 Abs. 1 Brüssel II a-VO die Gerichte des Staates für die Sorgerechtsregelung international zuständig, in dem das Kind seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Neben der körperlichen Anwesenheit eines Kindes werden weitere Faktoren für die Annahme des gewöhnlichen Aufenthalts - in Abgrenzung einer nur vorübergehenden Anwesenheit - herangezogen, namentlich eine gewisse Integration in ein soziales und familiäres Umfeld sowie die Dauer des Aufenthalts. Der gewöhnliche Aufenthalt an einem Ort wird dabei grundsätzlich schon dann begründet, wenn sich aus den Umständen ergibt, dass der Aufenthalt an diesem Ort auf eine längere Zeitdauer angelegt ist und der neue Aufenthaltsort künftig anstelle des bisherigen Daseinsmittelpunkts treten soll. Minderjährige, die zusammen mit ihren Eltern oder mit dem sorgeberechtigten Elternteil oder mit Zustimmung des oder der Sorgeberechtigten in ein anderes Land übersiedeln, erwerben deshalb mit dem Umzug am neuen Wohnort einen neuen gewöhnlichen Aufenthalt.
Hier ist das Kind als unbegleiteter minderjähriger Flüchtling nach Deutschland gekommen. Ungeachtet der Frage, ob zu diesem Zeitpunkt bereits familiäre und soziale Bindungen an die Bundesrepublik Deutschland bestanden, ist jedenfalls zum Zeitpunkt der Entscheidung von einem gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland auszugehen. Das Kind lebt bis auf weiteres in einer Einrichtung.
In der Sache ist gemäß Art. 15 Abs. 1 Haager Übereinkommen über die Zuständigkeit, das anzuwendende Recht, die Anerkennung, Vollstreckung und Zusammenarbeit auf dem Gebiet der elterlichen Verantwortung und der Maßnahmen zum Schutz von Kindern vom 19.10.1996 deutsches Recht anwendbar. Nach Art. 15 Abs. 1 KSÜ gilt das lex fori-Prinzip: Ist die Zuständigkeit eines Vertragsstaates begründet, wendet dieser sein eigenes Recht an. Dabei ist unerheblich, ob das betroffene Kind Angehöriger eines Vertragsstaates oder eines Drittstaates ist.
Das Rechtsmittel des Landkreises führt zur Aufhebung der Bestellung des Vormundes und Zurückverweisung des Verfahrens an das Familiengericht. Von der Beschwerde wird zutreffend beanstandet, dass die Entscheidung unter einem schweren Ermessensfehler leidet, weil das Familiengericht das ihm zustehende Ermessen nicht ausgeübt hat.
Nach § 1773 BGB erhält ein Minderjähriger einen Vormund, wenn er nicht unter elterlicher Sorge steht. Hier wurde das Ruhen der elterlichen Sorge für das Kind festgestellt, so dass ein Vormund zu bestellen ist. Grundsätzlich ist die Person zum Vormund zu bestellen, die von den Eltern benannt worden ist, § 1776 BGB. Ist eine solche Benennung durch die Eltern nicht feststellbar, so hat das Familiengericht nach Anhörung des Jugendamtes den Vormund auszuwählen, § 1779 Abs. 1 BGB. Die zu treffende Auswahlentscheidung eröffnet dem Familiengericht ein Ermessen.
Zu einer ordnungsgemäßen Ermessensentscheidung gehört zunächst die Feststellung, welche Personen als Vormund geeignet sind. Das vorliegende familiengerichtliche Verfahren mangelt daran, dass es unterlassen wurde, von Amts wegen zu ermitteln , welche Personen als Vormund in Betracht kommen. Eine Anhörung des Jugendamtes nach § 1779 Abs. 1 BGB hat nicht stattgefunden. Da in der Anregung des Jugendamtes vom 6. November 2015 ein Vorschlag für die Person des Vormundes nicht enthalten war, wäre insoweit eine Rückfrage an das Jugendamt geboten gewesen.
Aus der angefochtenen Entscheidung bzw. dem in der Akte dokumentierten Verfahrensablauf ergeben sich keine Ermittlungen des Familiengerichts zur Auswahl eines geeigneten Vormundes. Warum hier das Jugendamt zum Vormund bestellt worden ist, ist auch nicht begründet worden. Der Senat kann deswegen nicht nachvollziehen, ob und gegebenenfalls nach welchen Kriterien das Gericht das ihm obliegende Ermessen nicht ausgeübt hat. Die Auswahlentscheidung ist daher fehlerhaft und kann keinen Bestand haben.
Gem. § 69 Abs. 1 S. 3 FamFG hebt der Senat die angefochtene Entscheidung auf und verweist auf den Antrag des beschwerdeführenden Landkreises das Verfahren an das Gericht des ersten Rechtszuges zurück. Es sind weitere Ermittlungen durchzuführen, die sinnvollerweise ortsnah von dem Familiengericht zu tätigen sind. Zudem hat das Familiengericht dann Gelegenheit, die gebotene Anhörung des Kindes durchzuführen.
Der Senat hat gem. § 68 Abs. 3 FamFG davon abgesehen, die Beteiligten anzuhören. Zudem verspricht eine Anhörung zu dem allein entscheidungserheblichen Gesichtspunkt der Nichtausübung des Ermessens keine weiteren Erkenntnisse. Die erforderlichen Anhörungen sind im weiteren Verfahren nach der Zurückverweisung durchzuführen.
Der Antrag des Landkreises, eine einstweilige Anordnung zu erlassen und den vorgeschlagenen Rechtsanwalt zum Vormund zu bestellen, ist in der Sache nicht begründet.
Ob es dem Wohl des betroffenen Kindes dient, den vorgeschlagenen Rechtsanwalt als Vormund zu bestellen, bedarf weiterer Aufklärung. Diese Aufklärung kann im Eilverfahren mit den beschränkten Erkenntnismöglichkeiten nicht geleistet werden; zudem würde letztlich die Entscheidung in der Hauptsache vorweggenommen werden.
Im Übrigen besteht kein Eilbedürfnis, denn die rechtliche Vertretung des Jugendlichen ist in der Zeit bis zum Abschluss des Verfahrens über die Auswahl des Vormundes gewährleistet. Gemäß § 42 a Abs. 3 S. 1 SGB VIII ist das Jugendamt während der vorläufigen Inobhutnahme berechtigt und verpflichtet, alle Rechtshandlungen vorzunehmen, die zum Wohl des Jugendlichen erforderlich sind.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 81 Abs. 1 FamFG. Es entspricht billigem Ermessen, von der Erhebung von Gerichtskosten abzusehen. Im Übrigen trägt jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selber.
Für das weitere Verfahren weist der Senat auf Folgendes hin: Ist für ein minderjähriges Kind ein Vormund zu bestellen, so ist zunächst die Person berufen, die von den Eltern des Mündels als Vormund benannt ist, § 1776 BGB.
Ist eine solche Bestimmung der Eltern nicht festzustellen, ist eine Person auszuwählen, die nach ihren persönlichen Verhältnissen und ihrer Vermögenslage sowie nach den sonstigen Umständen zum Führen der Vormundschaft geeignet ist. Bei der Auswahl unter mehreren geeigneten Personen sind der mutmaßliche Wille der Eltern, die persönlichen Bindungen des Mündels, die Verwandtschaft oder Schwägerschaft mit dem Mündel sowie das religiöse Bekenntnis des Mündels zu berücksichtigen, § 1779 Abs. 2 BGB. Stets ist die Person auszuwählen, die das Wohl des Mündels am besten fördern kann. Dabei ist insbesondere in den Blick zu nehmen, in welcher Betreuungssituation sich das Kind befindet und welche Aufgaben von dem Vormund zu erledigen sind.
Bei der Auswahl einer geeigneten Person als Vormund ist stets als erstes zu prüfen, ob ein ehrenamtlich tätiger Vormund zur Verfügung steht. Dies ergibt sich aus § 1791 b Abs. 1 S. 1 BGB. Bei Personen, zu denen der Mündel eine besondere persönliche Bindung hat, oder Verwandten, ist vorrangig zu prüfen, ob sie als Vormund geeignet sind. Stehen solche Verwandte nicht zur Verfügung, so ist zu erwägen, ob Dritte, die bereit und in der Lage sind, die Vormundschaft auszuüben, in Betracht kommen. Im Hinblick darauf, dass es in der Bevölkerung ein großes Engagement für Flüchtlinge gibt, erscheint es nicht ausgeschlossen, dass sich geeignete Personen finden lassen, die bereit sind, eine Vormundschaft ehrenamtlich zu übernehmen.
Soweit ein ehrenamtlich tätiger Vormund nicht zur Verfügung steht, kommt gleichermaßen
- n berufsmäßig tätiger Vormund,
- ein Vormundschaftsverein oder
- ein Amtsvormund
in Betracht.
Entgegen der in der Beschwerde geäußerten Ansicht gibt es keinen Vorrang des Berufsvormundes vor einer Amtsvormundschaft. Zwar ergibt sich aus den Regelungen in §§ 1779, 1791 b und c sowie 1887 und 1889 Abs. 2 BGB, dass der ehrenamtliche Einzelvormund Vorrang vor dem Berufsvormund hat. Einen Vorrang des Berufsvormundes vor einer Amtsvormundschaft lässt sich jedoch nicht den Vorschriften des BGB entnehmen. Soweit die Beschwerdebegründung zur Verstärkung der dort vertretenen Auffassung zum Vorrang des Berufsvormundes aus der Gesetzesbegründung zur Neufassung von § 55 Abs. 4 KJHG bzw. § 56 Abs. 4 SGB VIII zitiert , ist anzumerken, dass der dort zitierte Gedanke, „die von dem Gesetzgeber gewünschte stärkere Inanspruchnahme von Einzelpersonen oder Vereinen für die Aufgaben des Vormundes [solle] gefördert werden“, keine Umsetzung im Gesetzestext gefunden hat. Der Gesetzgeber hat davon abgesehen, ein klares Rangverhältnis zwischen Berufsvormund und Amtsvormund zu schaffen. Der Sachverhalt ist anders geregelt als im Betreuungsrecht. Mangels einer entsprechenden Vorrangregelung ist von einem Gleichrang auszugehen.
Soweit das Familiengericht dann abzuwägen hat, ob für ein Mündel ein Berufsvormund zu bestellen oder die Amtsvormundschaft des Jugendamtes anzuordnen ist, sind unter anderem folgende Kriterien zu berücksichtigen und gegeneinander abzuwägen:
- Grundsätzlich ist die Vormundschaft zu wählen, die dem Wohl des Mündels am besten dient.
- Gibt es Fremdsprachenkenntnisse, die eine Verständigung mit dem Mündel erleichtern?
- Gibt es Fachkenntnisse, die für den betroffenen Mündel von besonderem Nutzen sind ?
- Hat der Vormund dieselbe Religionszugehörigkeit wie das Mündel?
- Gibt es besondere Kenntnisse über die Möglichkeiten, vorbereitenden Deutschunterricht für den Mündel zu organisieren und einen angemessenen Schulbesuch anzuleiten?
- Kann der Vormund den Kontakt zu den Eltern des Kindes herstellen?
Soweit der beschwerdeführende Landkreis darauf verweist, angesichts des derzeitigen Zustroms von Flüchtlingen fehle das Personal, um Amtsvormundschaften entsprechend der gesetzlichen Vorgaben, insbesondere § 56 SGB VIII, führen zu können, ist anzumerken, dass staatliche Stellen grundsätzlich gehalten sind, das zur Erfüllung ihrer Aufgaben notwendige Personal einzustellen. Ob eine andere Beurteilung geboten ist, wenn der Landkreis nachweist, dass trotz intensiver Suche nach geeignetem Personal die Stellen nicht besetzt werden können, ist an dieser Stelle nicht zu entscheiden. Der Landkreis hat bislang nicht substantiiert dargetan, dass seine Bemühungen um die Gewinnung von Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ohne Erfolg geblieben sind.
Da der Maßstab der Entscheidung stets das Wohl des betroffenen Mündels ist, ist die Erwägung, dass mit der Bestellung eines Berufsvormundes der Justizhaushalt belastet wird, unerheblich. Das Wohl des Mündels ist gegenüber solchen Erwägungen vorrangig, so dass jeweils der am besten geeignete Vormund zu bestellen ist.
Soweit vorgeschlagen wird, Rechtsanwälte als Vormund einzusetzen, weist der Senat darauf hin, dass man zwar davon ausgehen kann, dass ein Rechtsanwalt aufgrund seiner Berufsausbildung in der Lage sein wird, die wirtschaftlichen und rechtlichen Angelegenheiten des Mündels zu betreuen. Zu beachten ist jedoch, dass ein Vormund anstelle der Eltern tritt und insbesondere für die Person des Kindes zu sorgen hat, § 1793 Abs. 1 BGB. Insbesondere hat er mit dem Mündel persönlichen Kontakt zu halten und soll ihn i. d. R. einmal pro Monat in seiner üblichen Umgebung aufsuchen, § 1793 Abs. 2 BGB. Neben den rechtlichen Kenntnissen werden weitere Qualifikationen erwartet. So bieten die Mitarbeiter des Jugendamtes aus Sicht des Mündels regelmäßig den Vorteil sozialpädagogischer Qualifikation. Darüber hinaus wird zu beachten sein, dass auch ein Berufsvormund nicht mehr Vormundschaften übernimmt, als nach § 55 Abs. 2 S. 4 SGB VIII ein Bediensteter des Jugendamtes übernehmen soll. Dabei dürfte die Höchstgrenze von 50 Vormundschaften für einen Rechtsanwalt, der i. d. R. weitere Mandate bearbeitet, deutlich zu hoch angesetzt sein. Bei einer solchen Vielzahl von Vormundschaften kann nicht erwartet werden, dass der Rechtsanwalt neben seinen sonstigen beruflichen Aufgaben das notwendige zeitliche und persönliche Engagement in jedem Einzelfall aufbringen kann.
Da es sich bei der Entscheidung über die Auswahl eines Vormundes um eine Angelegenheit handelt, die die Person des Mündels betrifft, ist dieser persönlich anzuhören, wenn er das 14. Lebensjahr vollendet hat, § 159 Abs. 1 S. 1 FamFG. Von einer persönlichen Anhörung darf nur aus schwerwiegenden Gründen abgesehen werden. Wird von der gebotenen Anhörung abgesehen, muss dies in der Entscheidung begründet werden.
Soweit das Jugendamt zu Beginn des Verfahrens angeregt hat, neben einem Vormund einen Ergänzungspfleger für den „Aufgabenkreis Vertretung in asyl- und ausländerrechtlichen Angelegenheiten“ zu bestellen, wird darauf hingewiesen, dass im Regelfall die Voraussetzungen für die Einrichtung einer solchen Ergänzungspflegschaft nicht vorliegen. Allein der Umstand, dass einem Vormund die Sachkunde für das asyl- und ausländerrechtliche Verfahren fehlt, rechtfertigt nicht die Bestellung eines Ergänzungspflegers. Verfügt der Vormund nicht über die zur sachgerechten Besorgung einzelner Geschäfte des Mündels erforderliche Sachkunde, ist es seine Sache, diesen Mangel an Eignung in eigener Verantwortung durch die Inanspruchnahme fachspezifischer Hilfen auszugleichen. Insoweit befindet sich der Vormund in der gleichen Situation wie die Eltern eines Kindes, die sich bei Bedarf der Hilfe von Fachleuten bedienen. Dies gilt in gleicher Weise für den Einzelvormund wie für den Amtsvormund. Aus Art. 6 der am 1. Januar 2014 in Kraft getretenen Verordnung Nr. 604/2013 ergibt sich insoweit nichts anderes.
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(1) Das Gericht hat in Verfahren, die die Person des Kindes betreffen, das Jugendamt anzuhören. Unterbleibt die Anhörung wegen Gefahr im Verzug, ist sie unverzüglich nachzuholen.
(2) In Verfahren nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs ist das Jugendamt zu beteiligen. Im Übrigen ist das Jugendamt auf seinen Antrag am Verfahren zu beteiligen.
(3) In Verfahren, die die Person des Kindes betreffen, ist das Jugendamt von Terminen zu benachrichtigen und ihm sind alle Entscheidungen des Gerichts bekannt zu machen. Gegen den Beschluss steht dem Jugendamt die Beschwerde zu.
(1) Die Beschwerde steht demjenigen zu, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist.
(2) Wenn ein Beschluss nur auf Antrag erlassen werden kann und der Antrag zurückgewiesen worden ist, steht die Beschwerde nur dem Antragsteller zu.
(3) Die Beschwerdeberechtigung von Behörden bestimmt sich nach den besonderen Vorschriften dieses oder eines anderen Gesetzes.
(1) Das Beschwerdegericht hat in der Sache selbst zu entscheiden. Es darf die Sache unter Aufhebung des angefochtenen Beschlusses und des Verfahrens nur dann an das Gericht des ersten Rechtszugs zurückverweisen, wenn dieses in der Sache noch nicht entschieden hat. Das Gleiche gilt, soweit das Verfahren an einem wesentlichen Mangel leidet und zur Entscheidung eine umfangreiche oder aufwändige Beweiserhebung notwendig wäre und ein Beteiligter die Zurückverweisung beantragt. Das Gericht des ersten Rechtszugs hat die rechtliche Beurteilung, die das Beschwerdegericht der Aufhebung zugrunde gelegt hat, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.
(2) Der Beschluss des Beschwerdegerichts ist zu begründen.
(3) Für die Beschwerdeentscheidung gelten im Übrigen die Vorschriften über den Beschluss im ersten Rechtszug entsprechend.
(1) Hält das Gericht, dessen Beschluss angefochten wird, die Beschwerde für begründet, hat es ihr abzuhelfen; anderenfalls ist die Beschwerde unverzüglich dem Beschwerdegericht vorzulegen. Das Gericht ist zur Abhilfe nicht befugt, wenn die Beschwerde sich gegen eine Endentscheidung in einer Familiensache richtet.
(2) Das Beschwerdegericht hat zu prüfen, ob die Beschwerde an sich statthaft und ob sie in der gesetzlichen Form und Frist eingelegt ist. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen.
(3) Das Beschwerdeverfahren bestimmt sich im Übrigen nach den Vorschriften über das Verfahren im ersten Rechtszug. Das Beschwerdegericht kann von der Durchführung eines Termins, einer mündlichen Verhandlung oder einzelner Verfahrenshandlungen absehen, wenn diese bereits im ersten Rechtszug vorgenommen wurden und von einer erneuten Vornahme keine zusätzlichen Erkenntnisse zu erwarten sind.
(4) Das Beschwerdegericht kann die Beschwerde durch Beschluss einem seiner Mitglieder zur Entscheidung als Einzelrichter übertragen; § 526 der Zivilprozessordnung gilt mit der Maßgabe entsprechend, dass eine Übertragung auf einen Richter auf Probe ausgeschlossen ist. Zudem kann das Beschwerdegericht die persönliche Anhörung des Kindes durch Beschluss einem seiner Mitglieder als beauftragtem Richter übertragen, wenn es dies aus Gründen des Kindeswohls für sachgerecht hält oder das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun. Gleiches gilt für die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks von dem Kind.
(5) Absatz 3 Satz 2 und Absatz 4 Satz 1 finden keine Anwendung, wenn die Beschwerde ein Hauptsacheverfahren betrifft, in dem eine der folgenden Entscheidungen in Betracht kommt:
- 1.
die teilweise oder vollständige Entziehung der Personensorge nach den §§ 1666 und 1666a des Bürgerlichen Gesetzbuchs, - 2.
der Ausschluss des Umgangsrechts nach § 1684 des Bürgerlichen Gesetzbuchs oder - 3.
eine Verbleibensanordnung nach § 1632 Absatz 4 oder § 1682 des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
(1) Das Gericht kann die Kosten des Verfahrens nach billigem Ermessen den Beteiligten ganz oder zum Teil auferlegen. Es kann auch anordnen, dass von der Erhebung der Kosten abzusehen ist. In Familiensachen ist stets über die Kosten zu entscheiden.
(2) Das Gericht soll die Kosten des Verfahrens ganz oder teilweise einem Beteiligten auferlegen, wenn
- 1.
der Beteiligte durch grobes Verschulden Anlass für das Verfahren gegeben hat; - 2.
der Antrag des Beteiligten von vornherein keine Aussicht auf Erfolg hatte und der Beteiligte dies erkennen musste; - 3.
der Beteiligte zu einer wesentlichen Tatsache schuldhaft unwahre Angaben gemacht hat; - 4.
der Beteiligte durch schuldhaftes Verletzen seiner Mitwirkungspflichten das Verfahren erheblich verzögert hat; - 5.
der Beteiligte einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einem kostenfreien Informationsgespräch über Mediation oder über eine sonstige Möglichkeit der außergerichtlichen Konfliktbeilegung nach § 156 Absatz 1 Satz 3 oder einer richterlichen Anordnung zur Teilnahme an einer Beratung nach § 156 Absatz 1 Satz 4 nicht nachgekommen ist, sofern der Beteiligte dies nicht genügend entschuldigt hat.
(3) Einem minderjährigen Beteiligten können Kosten in Kindschaftssachen, die seine Person betreffen, nicht auferlegt werden.
(4) Einem Dritten können Kosten des Verfahrens nur auferlegt werden, soweit die Tätigkeit des Gerichts durch ihn veranlasst wurde und ihn ein grobes Verschulden trifft.
(5) Bundesrechtliche Vorschriften, die die Kostenpflicht abweichend regeln, bleiben unberührt.
(1) Das Gericht hat das Kind persönlich anzuhören und sich einen persönlichen Eindruck von dem Kind zu verschaffen.
(2) Von der persönlichen Anhörung und der Verschaffung eines persönlichen Eindrucks nach Absatz 1 kann das Gericht nur absehen, wenn
- 1.
ein schwerwiegender Grund dafür vorliegt, - 2.
das Kind offensichtlich nicht in der Lage ist, seine Neigungen und seinen Willen kundzutun, - 3.
die Neigungen, Bindungen und der Wille des Kindes für die Entscheidung nicht von Bedeutung sind und eine persönliche Anhörung auch nicht aus anderen Gründen angezeigt ist oder - 4.
das Verfahren ausschließlich das Vermögen des Kindes betrifft und eine persönliche Anhörung nach der Art der Angelegenheit nicht angezeigt ist.
(3) Sieht das Gericht davon ab, das Kind persönlich anzuhören oder sich einen persönlichen Eindruck von dem Kind zu verschaffen, ist dies in der Endentscheidung zu begründen. Unterbleibt eine Anhörung oder die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks allein wegen Gefahr im Verzug, ist sie unverzüglich nachzuholen.
(4) Das Kind soll über den Gegenstand, Ablauf und möglichen Ausgang des Verfahrens in einer geeigneten und seinem Alter entsprechenden Weise informiert werden, soweit nicht Nachteile für seine Entwicklung, Erziehung oder Gesundheit zu befürchten sind. Ihm ist Gelegenheit zur Äußerung zu geben. Hat das Gericht dem Kind nach § 158 einen Verfahrensbeistand bestellt, soll die persönliche Anhörung und die Verschaffung eines persönlichen Eindrucks in dessen Anwesenheit stattfinden. Im Übrigen steht die Gestaltung der persönlichen Anhörung im Ermessen des Gerichts.