Verkehrsrecht: Schutzhelmpflicht – Turban statt Sturzhelm – keine Ausnahme bei Sikh

erstmalig veröffentlicht: 05.11.2019, letzte Fassung: 19.10.2022
Zusammenfassung des Autors

Die Verpflichtung zum Tragen eines Schutzhelmes beim Motorradfahren beeinträchtigt einen gläubigen Sikh in seiner Religionsfreiheit. Die Pflicht ist edoch gerechtfertigt, da sie verfassungsrechtlich geschützen Gütern Dritter dient.

Streifler&Kollegen - Anwalt für Verkehrsrecht Berlin

In einem bis zum BVerwG „getriebenen“ Verfahren hatte ein gläubiger Sikh um eine Ausnahmegenehmigung von der Pflicht zum Tragen eines Schutzhelms beim Motorradfahren gekämpft. Begründung: Die Schutzhelmpflicht verletze ihn als gläubigen Sikh in seiner Religionsfreiheit. Er sei aus religiösen Gründen verpflichtet, einen Turban zu tragen.Die Klage hatte beim VG zunächst keinen Erfolg. Der VGH Baden-Württemberg hatte in der Berufung die Verwaltungsbehörde verpflichtet, über den Antrag noch einmal zu entscheiden. Sie habe verkannt, dass eine Ausnahme auch aus religiösen Gründen in Betracht komme. Es bestehe aber keine unmittelbare Pflicht der Behörde, die beantragte Ausnahmegenehmigung zu erteilen. Dagegen richtete sich die Revision des Klägers, mit der er über die Verpflichtung zur erneuten Entscheidung hinaus erreichen wollte, dass ihm eine Ausnahmegenehmigung erteilt wird. Damit hatte er beim Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) keinen Erfolg.

Das BVerwG sieht zwar in der Pflicht, beim Motorradfahren einen geeigneten Schutzhelm zu tragen, für den Kläger als gläubigen Sikh eine mittelbare Beeinträchtigung seiner Religionsausübungsfreiheit. Er werde hierdurch zwar nicht daran gehindert, seinen Glauben auszuüben. Allerdings müsse er auf das Motorradfahren verzichten, wenn er die von ihm aus religiösen Gründen als verbindlich empfundene Pflicht zum Tragen eines Turbans befolge. Diese Einschränkung sei aber auch mit Blick auf die durch das Grundgesetz geschützte Religionsfreiheit grundsätzlich gerechtfertigt und vom Kläger hinzunehmen. Sie diene nämlich anderen, ebenfalls verfassungsrechtlich geschützten Rechtsgütern Dritter. Die Helmpflicht solle nämlich nicht nur den Motorradfahrer selbst, sondern auch die körperliche und psychische Unversehrtheit anderer Unfallbeteiligter und der Rettungskräfte schützen. 

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 4


(1) Die Freiheit des Glaubens, des Gewissens und die Freiheit des religiösen und weltanschaulichen Bekenntnisses sind unverletzlich. (2) Die ungestörte Religionsausübung wird gewährleistet. (3) Niemand darf gegen sein Gewissen zum Kriegsdienst mit

Straßenverkehrs-Ordnung - StVO 2013 | § 46 Ausnahmegenehmigung und Erlaubnis


(1) Die Straßenverkehrsbehörden können in bestimmten Einzelfällen oder allgemein für bestimmte Antragsteller Ausnahmen genehmigen1.von den Vorschriften über die Straßenbenutzung (§ 2);2.vorbehaltlich Absatz 2a Satz 1 Nummer 3 vom Verbot, eine Autobah

Straßenverkehrs-Ordnung - StVO 2013 | § 21a Sicherheitsgurte, Rollstuhl-Rückhaltesysteme, Rollstuhlnutzer-Rückhaltesysteme, Schutzhelme


(1) Vorgeschriebene Sicherheitsgurte müssen während der Fahrt angelegt sein; dies gilt ebenfalls für vorgeschriebene Rollstuhl-Rückhaltesysteme und vorgeschriebene Rollstuhlnutzer-Rückhaltesysteme. Das gilt nicht für 1. (weggefallen)2. Personen beim

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Bundesverwaltungsgericht Urteil, 4. Juli 2019 - 3 C 24.17

bei uns veröffentlicht am 26.05.2022

Die Helmpflicht (vgl.: § 21 a Abs. 2 Satz 1 StVO) beim Motorradfahren kann eine Beeinträchtigung der Religionsfreiheit darstellen. Sie ist jedoch im folgenden Fall hinzunehmen, da sie dem Schutz anderer verfassungsrechtlich geschützter

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