Kaufrecht: Auslegung einer Formularklausel zur Rückkaufverpflichtung des Herstellers bei Vertragsbeendigung

bei uns veröffentlicht am07.02.2010

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Rechtsanwalt Dirk Streifler - Partner

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Zusammenfassung des Autors
Anwalt für Kaufrecht - Zivilrecht - BSP Bierbach, Streifler & Partner PartGmbB
Der BGH hat mit dem Urteil vom 09.12.2009 (Az: VIII ZR 91/08) folgendes entschieden: Eine Formularklausel in einem Kfz-Vertragshändlervertrag, nach der sich der Hersteller verpflichtet, von dem Händler bei Beendigung dieses Vertrages auf Verlangen fabrikneue Ersatzteile, die näher bezeichnete Voraussetzungen erfüllen, zurückzukaufen, ist dahin auszulegen, dass der Rückkaufanspruch entfällt, wenn die Zusammenarbeit auf der Grundlage eines mit dem beendeten Vertrag im Wesentlichen übereinstimmenden Vertrags fortgesetzt wird. Das ist nicht der Fall, wenn der Händler sich auf der Grundlage des bisherigen Vertrags auf den Ersatzteilgroßhandel spezialisiert hatte und dieser Großhandelstätigkeit des Händlers durch eine Umstrukturierung des Vertriebssystems des Herstellers zu einem wesentlichen Teil der Boden entzogen worden ist.

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des 1. Kartellsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main vom 4. März 2008 aufgehoben.

Die Sache wird zur neuen Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Revisionsverfahrens, an das Berufungsgericht zurückverwiesen.


Tatbestand:

Die Klägerin war aufgrund eines Händlervertrages für Vertrieb und Service seit dem 1. Januar 1997 Vertragshändlerin der Beklagten. Unter der Geltung dieses Vertrages belieferte die Klägerin auch Wiederverkäufer, insbesondere freie Werkstätten, Tankstellen und sogenannte "Autorisierte O. -Servicebetriebe" (AOS) mit O. -Ersatzteilen. Ihr Umsatz aus dem Weiterverkauf von Ersatzteilen machte 50 % ihres Gesamtteileumsatzes aus. Diese Großhandelstätigkeit der Klägerin wurde von der Beklagten durch jährliche Mitteilung von Verkaufsrichtzahlen und Einräumung besonderer Boni gefördert.

Die Beklagte kündigte den Vertrag ‑ ebenso wie die Verträge ihrer anderen Vertragshändler ‑ im Hinblick auf die durch das Inkrafttreten der Gruppenfreistellungsverordnung Nr. 1400/2002 notwendig gewordene Umstrukturierung ihres Vertriebsnetzes zum 30. September 2003. Zu diesem Stichtag nahm die Beklagte auch eine Umstrukturierung des Ersatzteilhandels vor, indem sie insgesamt 15 Handelsunternehmen aus der O. -Vertriebsorganisation als sogenannte "Regionale Stützpunktlager" (RSL) einrichtete und im Übrigen den Teilehandel selbst übernahm. Bei einigen der als RSL tätigen Unternehmen handelt es sich um ehemalige Vertragshändler wie die Klägerin, die bereits während der zuvor geltenden Händlerverträge eine Großhandelsfunktion für O. -Ersatzteile wahrgenommen hatten. Die Klägerin erhielt kein Vertragsangebot für einen RSL-Vertrag. Die Parteien schlossen jedoch mit Wirkung zum 1. Oktober 2003 einen neuen Händlervertrag für den Neuwagenvertrieb und einen Servicepartnervertrag für das Werkstattgeschäft.

Die Klägerin nimmt die Beklagte auf Rückkauf von Ersatzteilen in Anspruch. Der zum 30. September 2003 gekündigte Händlervertrag enthält in Art. 7 der Zusatzbestimmungen (im Folgenden: ZB-HV) für den Fall der Vertragsbeendigung folgende Regelung:
"UNTERSTÜTZUNG NACH VERTRAGSBEENDIGUNG
7.1 Rechte und Pflichten von O. [Beklagte] zum Kauf RÜCKNAHMEFÄHIGER GEGENSTÄNDE
Bei Beendigung dieses VERTRAGES ist O. auf Verlangen des VERTRAGSHÄNDLERS verpflichtet, die RÜCKNAHMEFÄHIGEN GEGENSTÄNDE zu den in nachstehendem Artikel 7.2 bestimmten Preisen zu kaufen. …

Die Bestimmungen dieses Artikels 7 lassen weitere Ansprüche des VERTRAGSHÄNDLERS betreffend RÜCKNAHMEFÄHIGE GEGENSTÄNDE aus Gesetzes- oder Richterrecht im Fall einer von O. zu vertretenden Beendigung dieses VERTRAGES unberührt.

7.2 RÜCKNAHMEFÄHIGE GEGENSTÄNDE
Die RÜCKNAHMEFÄHIGEN GEGENSTÄNDE und deren Preise sind:

(d) fabrikneue O. -TEILE
(i) die sich noch in zum Wiederverkauf geeigneten Originalverpackungen und nicht angebrochenen Lieferpartien befinden …; und
(ii) die in den bei Vertragsbeendigung gültigen Preislisten für Teile als lieferbar aufgeführt sind…; und
(iii) die der VERTRAGSHÄNDLER direkt von O. oder einer von O.
bezeichneten anderen Bezugsquelle gekauft hat.

Für die Rücknahme der O. -TEILE gelten die von O. veröffentlichten Händlerpreise, die an dem Tage gültig sind, an dem die Kündigung wirksam wird, abzüglich aller von O. beim Bezug der jeweiligen O. -TEILE gewährten Nachlässe und zuzüglich der dem VERTRAGSHÄNDLER tatsächlich entstehenden Verpackungs- und Verladungskosten bis zur Höhe von 5% dieser Händlerpreise.

7.3 Pflichten des VERTRAGSHÄNDLERS
O. ist nur dann verpflichtet, RÜCKNAHMEFÄHIGE GEGENSTÄNDE nach Artikel 7.1 zu kaufen, wenn der VERTRAGSHÄNDLER die nachstehenden Bestimmungen einhält.

Der VERTRAGSHÄNDLER wird O. innerhalb von sechs Monaten nach Wirksamwerden der Kündigung dieses VERTRAGES eine vollständige und aufgeschlüsselte Aufstellung sämtlicher RÜCKNAHMEFÄHIGER GEGENSTÄNDE außer KRAFTFAHRZEUGEN einreichen. Er wird diese RÜCKNAHMEFÄHIGEN GEGENSTÄNDE bis zum Erhalt der schriftlichen Versandanweisungen, die O. ihm innerhalb eines Monats nach Eingang seiner Aufstellung erteilen wird, aufbewahren. Innerhalb eines Monats nach Erhalt dieser Anweisungen wird der VERTRAGSHÄNDLER diese RÜCKNAHMEFÄHIGEN GEGENSTÄNDE unter Verauslagung der Transportkosten an die in diesen Anweisungen angegebenen Bestimmungsorte, zu dem in diesen Anweisungen angegebenen Tag und mit den in diesen Anweisungen angegebenen Transportmitteln zum Versand bringen. …

7.4 Bezahlung durch O.
O. wird nach Erhalt der RÜCKNAHMEFÄHIGEN GEGENSTÄNDE an den von O. angegebenen Bestimmungsorten und nach deren Überprüfung dem VERTRAGSHÄNDLER den Betrag bezahlen, der dem Preis der von O. gekauften RÜCKNAHMEFÄHIGEN GEGENSTÄNDE nebst den vom VERTRAGSHÄNDLER verauslagten Kosten für normalen Transport entspricht. …"

Die Klägerin begehrt unter Berufung auf Art. 7 ZB-HV die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung von 224.039,24 € nebst Zinsen Zug um Zug gegen Herausgabe und Übereignung der von ihr näher bezeichneten O. -Ersatzteile sowie die Feststellung, dass sich die Beklagte mit der Rücknahme dieser Teile in Annahmeverzug befindet. Darüber hinaus macht die Klägerin einen Anspruch auf Erstattung vorprozessualer Rechtsverfolgungskosten in Höhe von zuletzt 2.534,20 € nebst Zinsen geltend.

Das Landgericht hat die Klage abgewiesen. Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg gehabt. Mit ihrer vom Senat zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Klagebegehren weiter.


Entscheidungsgründe:

Die Revision der Klägerin hat Erfolg.

Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:

Der Klägerin stehe ein Anspruch auf Teilerücknahme aus Art. 7.1 ZB-HV nicht zu, weil das zwischen den Parteien bestehende Vertragshändlerverhältnis nicht im Sinne dieser Klausel beendet worden sei. Zwar setze diese Bestimmung ihrem Wortlaut nach für das Entstehen eines Rückkaufanspruchs lediglich die Beendigung "dieses Vertrages" voraus. Setzten die Parteien ihre Geschäftsbeziehung aber ‑ wie hier ‑ im Rahmen eines neuen Vertragshändlervertrages nahtlos fort, so bedürfe es einer den Interessen beider Parteien gerecht werdenden einschränkenden Auslegung der Klausel. Schließe sich unmittelbar im Anschluss an einen beendeten ein neuer Vertragshändlervertrag an und führten die Parteien die Zusammenarbeit damit im Wesentlichen unverändert fort, so fehle es am Wegfall der weiteren Nutzungs- und Amortisationsmöglichkeiten, weil der Händler die Ersatzteile nach wie vor verwenden und verkaufen könne. Verständige Parteien hätten deshalb den Fall, dass es ‑ wie hier ‑ aus Anlass einer Gesetzesänderung zur Beendigung des Vertragsverhältnisses komme, sogleich aber ein dem bisherigen Vertragsverhältnis entsprechender Neuvertrag zwischen denselben Vertragsparteien geschlossen werde, von der Ersatzteil-Rücknahmepflicht ausgenommen. Etwas anderes folge auch nicht daraus, dass die Klägerin sich bis zur Beendigung des ersten Vertrages zusätzlich zu ihrer Tätigkeit als Vertragshändler als Teilegroßhändler betätigt habe und der Teilegroßhandel infolge der Umstrukturierung entfallen sei.

Selbst wenn man dementgegen einen Rückkaufanspruch grundsätzlich bejahen wollte, wäre dieser ‑ wegen der Fortsetzung des Vertragsverhältnisses im Übrigen ‑ auf die auf den Großhandel entfallenden Teile beschränkt. Denn es bestehe jedenfalls kein Anlass, ehemalige Großhändler hinsichtlich des Rückgabeanspruchs besser zu stellen als sonstige Vertragshändler, die bei Fortsetzung des Vertragshändlerverhältnisses keinen Rückgabeanspruch hätten. Die Klägerin habe aber auch in der Berufungsinstanz nicht schlüssig dargelegt, woraus sich ergebe, dass es sich bei den von ihr aufgeführten Ersatzteilen nur um solche Teile handele, die sie zum Zwecke des Wiederverkaufs und nicht für das eigene Reparaturgeschäft angeschafft habe.

Diese Beurteilung hält der rechtlichen Nachprüfung nicht stand. Ein Rückkaufanspruch der Klägerin aus Art. 7.1 ZB-HV kann nicht mit der vom Berufungsgericht gegebenen Begründung verneint werden.

Der Senat kann die vom Berufungsgericht vorgenommene Auslegung der Formularbestimmung in Art. 7.1 ZB-HV unbeschränkt nachprüfen. Ansatzpunkt für die bei einem Formularvertrag gebotene objektive, nicht am Willen der konkreten Vertragspartner zu orientierende Auslegung ist in erster Linie der Vertragswortlaut; dieser setzt für den Rückkaufanspruch nach Art. 7.1 ZB-HV, wie das Berufungsgericht nicht verkannt hat, lediglich voraus, dass "dieser Vertrag", also der zum 30. September 2003 gekündigte Händlervertrag für Vertrieb und Service, beendet ist. Nach dem Wortlaut des Vertrages ist der von der Klägerin geltend gemachte Rückkaufanspruch somit gegeben. Davon ist auch das Berufungsgericht ausgegangen.

Das Berufungsgericht hat jedoch gemeint, dass der Klägerin trotz des für sie sprechenden Wortlauts von Art. 7.1 ZB-HV kein Rückkaufanspruch nach dieser Bestimmung zustehe. Art. 7.1 ZB-HV bedürfe einer "einschränkenden" beziehungsweise "ergänzenden" Auslegung für den Fall, dass das Vertragsverhältnis durch Abschluss eines neuen Händlervertrages fortgesetzt werde; das sei hier der Fall, weil die Parteien unmittelbar im Anschluss an den beendeten einen neuen Vertragshändlervertrag geschlossen und damit ihre Zusammenarbeit im Wesentlichen unverändert fortgesetzt hätten. Dem kann nicht gefolgt werden.

Der Senat hat bereits entschieden, dass der Rückkaufanspruch aus Art. 7.1 ZB-HV jedenfalls dann besteht, wenn die Vertragsparteien ihre Geschäftsbeziehung im Anschluss an den beendeten Händlervertrag im Rahmen eines Service-Partner-Vertrages fortsetzen. Eine den Wortlaut einschränkende Auslegung von Art. 7.1 ZB-HV, die zum Ausschluss des Anspruchs führen würde, hat der Senat insoweit ebenso abgelehnt wie eine entsprechende ergänzende Vertragsauslegung. Für den hier vorliegenden Fall, in dem die Parteien ihre Zusammenarbeit nicht nur im Rahmen eines Werkstattvertrags, sondern auch mit einem (neuen) Händlervertrag über den Vertrieb von Neufahrzeugen fortgesetzt haben, gilt nichts anderes, weil darin aufgrund der von der Beklagten vorgenommenen Umstrukturierung ihres Ersatzteilgeschäfts entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts eine im Wesentlichen unveränderte Fortsetzung der Zusammenarbeit nicht gesehen werden kann.

Der Art. 7.1 ZB-HV zugrunde liegende Regelungsplan geht dahin, für alle Fälle einer Beendigung der Zusammenarbeit auf der Grundlage dieses (oder eines im Wesentlichen damit übereinstimmenden Vertrages) den ehemaligen Händlern einen Anspruch auf Rückkauf der Ersatzteile durch die Beklagte einzuräumen. Dahinter steht der Gedanke, dass die Vorhaltung des Ersatzteillagers sinnlos wird, wenn das Vertragshändlerverhältnis endet, und dass zugleich der Vertragshändler die Ersatzteile in diesem Fall regelmäßig nur unter unzumutbaren Schwierigkeiten absetzen kann.

Daraus ergibt sich, dass eine Vertragsbeendigung im Sinne des Art. 7.1 ZB-HV dann nicht vorliegt und damit ein Rückkaufanspruch ausscheidet, wenn die Zusammenarbeit auf der Grundlage eines mit dem beendeten Vertrag im Wesentlichen übereinstimmenden Vertrags fortgesetzt wird. Dies hat das Berufungsgericht richtig gesehen. Ein solcher Ausnahmefall ist aber entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht schon dann gegeben, wenn sich ‑ wie hier ‑ an den bisherigen Händlervertrag, der sowohl das Neuwagen- als auch das Werkstattgeschäft umfasste, ein neuer Händlervertrag (für den Vertrieb von Neufahrzeugen) und ein Service-Partner-Vertrag (für das Werkstattgeschäft) anschließen. Der bloße Abschluss solcher Verträge reicht für die Annahme einer im Wesentlichen unveränderten Fortführung der Zusammenarbeit nicht aus. Es kommt vielmehr auf die konkrete Ausgestaltung der neuen Verträge, das heißt darauf an, ob die Geschäftsbeziehung auch hinsichtlich des Ersatzteilgeschäfts im Wesentlichen unverändert fortgeführt wird. Dies ist nur dann der Fall, wenn dem weiteren Absatz der Ersatzteile durch den Vertragshändler im Vergleich zur bisherigen Geschäftsbeziehung keine unzumutbaren Schwierigkeiten entgegen stehen. Inwieweit die Absatz- und Amortisationsmöglichkeiten bei einer Kombination von neuem Händler- und neuem Servicevertrag unverändert fortbestehen und deshalb einer Vertragsbeendigung im Sinne des Art. 7.1 ZB-HV und damit einem Rückkaufanspruch entgegen stehen, hängt deshalb von einem Vergleich der alten und neuen Verträge und der sich daraus ergebenden Ausgestaltung der bisherigen und der zukünftigen Geschäftsbeziehung ab.

Ein Ausnahmefall, in dem der Rückkaufanspruch trotz Beendigung des ursprünglichen Händlervertrags wegen im Wesentlichen unverändert fortgeführter Geschäftsbeziehung ausgeschlossen ist, liegt hier entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht vor. Auch wenn die Parteien ihre Zusammenarbeit sowohl im Neuwagengeschäft als auch im Servicebereich fortgesetzt haben, liegt hinsichtlich des Ersatzteilgeschäfts, das Bestandteil des beendeten Händlervertrags war, keine im Wesentlichen unveränderte Zusammenarbeit vor, bei der die Klägerin keine unzumutbaren Schwierigkeiten hätte, ihre auf der Grundlage des früheren Vertrages angeschafften Ersatzteile abzusetzen. Denn die Umstrukturierung des Vertriebssystems der Beklagten hat nach den rechtsfehlerfreien und unangegriffenen Feststellungen des Berufungsgerichts zu gravierenden Änderungen für das Ersatzteilgeschäft geführt, die es der Klägerin auf der Grundlage der neuen Verträge nicht mehr ermöglichen, das Ersatzteilgeschäft in der bisherigen Weise fortzuführen.

Im Vertriebssystem der Beklagten, das bis zum 30. September 2003 bestanden hatte, lief der Ersatzteilgroßhandel über einzelne Vertragshändler, zu denen auch die Klägerin gehörte. Sie hatte Wiederverkäufer, insbesondere freie Werkstätten, Tankstellen und sogenannte "Autorisierte O. -Servicebetriebe" (A. ) mit Ersatzteilen beliefert. Ihr Umsatz aus dem Weiterverkauf von Ersatzteilen hatte 50 % ihres Gesamtteileumsatzes ausgemacht. Dieser Ersatzteilgroßhandel der Klägerin, der von der Beklagten durch jährliche Mitteilung von Verkaufsrichtzahlen und Einräumung besonderer Boni gefördert worden war, entfiel im Zuge der von der Beklagten zum 30. September 2003 vorgenommen Umstrukturierung ihres Ersatzteilgeschäfts, die dahin ging, dass die Beklagte den Teilehandel über 15 Handelsunternehmen, zu denen die Klägerin nicht mehr gehört, organisierte (Regionale Stützpunktlager) und im Übrigen den Teilehandel selbst übernahm. Es liegt auf der Hand, dass hierdurch der Großhandelstätigkeit der Klägerin jedenfalls zu einem wesentlichen Teil der Boden entzogen worden ist.

Das Berufungsgericht hat jedoch gemeint, dass der Klägerin gleichwohl kein Rückkaufanspruch zustehe, weil die hierdurch verursachten Absatzschwierigkeiten ihrem unternehmerischen Risiko zuzuordnen seien. Die Klägerin habe frei entscheiden können, ob sie neben ihrer Vertragshändlertätigkeit auch Großhändlerin habe sein wollen und in welchem Umfang sie dafür ein Ersatzteillager aufgebaut habe; eine vertragliche Pflicht habe insoweit nicht bestanden. Eine Pflicht des Herstellers zur Rücknahme von Vertragsware bestehe aber nur insoweit, als der Vertragshändler verpflichtet sei, ein Lager einzurichten und fortlaufend zu unterhalten (Depotpflicht); die Rücknahmepflicht des Herstellers sei das Korrelat der Depotpflicht des Händlers.

Die vom Berufungsgericht vorgenommene Risikoverteilung ist mit Art. 7.1 ZB-HV nicht vereinbar. Rechtlich stand der von der Klägerin betriebene Ersatzteilgroßhandel nicht "neben" der Vertragshändlertätigkeit der Beklagten. Auch der Ersatzteilgroßhandel beruhte auf dem zum 30. September 2003 beendeten Händlervertrag. Eine andere vertragliche Grundlage dafür besteht nicht und wird auch vom Berufungsgericht nicht angeführt. Die einschlägigen Bestimmungen des Händlervertrags sind daher auch auf das Ersatzteilgeschäft anzuwenden. Art. 7.1 ZB-HV gilt deshalb auch für die zum Weiterverkauf im Großhandel angeschafften Ersatzteile. Nach Art. 7.1 ZB-HV ist der Rückkaufanspruch in seinem Bestand und seinem Umfang nicht von einer Depotpflicht des Händlers abhängig. Der Rückkaufanspruch bezieht sich vielmehr auf alle Ersatzteile, die unter der Geltung des beendeten Händlervertrags angeschafft worden waren. Denn die Beklagte hat, wie der Senat bereits entschieden hat, in Art. 7.1 ZB-HV ungeachtet der Lagerhaltungspflicht der Vertragshändler für den Fall der Beendigung des Vertragsverhältnisses die Pflicht zum Rückkauf aller "rücknahmefähigen Gegenstände" übernommen, ohne diese Pflicht auf einen ‑ von ihr nicht vorgegebenen ‑ Mindestlagerbestand zu beschränken.

Die Klage ist auch nicht, wie das Berufungsgericht im Rahmen einer Hilfserwägung gemeint hat, unschlüssig, weil der Rückkaufanspruch jedenfalls auf die den bisherigen Ersatzteilgroßhandel betreffenden Teile beschränkt sei und die Klägerin nicht im Einzelnen dargelegt habe, dass es sich bei den in der Anlage K 16 zur Klageschrift aufgeführten Ersatzteilen (nur) um solche Teile handele, die sie zum Zwecke des Wiederverkaufs und nicht für das eigene Reparaturgeschäft angeschafft habe. Dies trifft nicht zu. Der Rückkaufanspruch ist nicht auf die den bisherigen Ersatzteilgroßhandel betreffenden Teile beschränkt.

Auf die vom Berufungsgericht vorgenommene Differenzierung danach, ob die Ersatzteile von der Klägerin zum Zwecke des Weiterverkaufs oder zur Verwendung im (eigenen) Werkstattgeschäft angeschafft wurden, kommt es nach dem Vertragswortlaut von Art. 7.1 ZB-HV, wie auch die Beklagte einräumt, nicht an. Der Rückkaufanspruch nach Art. 7 ZB-HV erfasst, wie ausgeführt, den gesamten Ersatzteillagerbestand, der unter der Geltung des zum 30. September 2003 beendeten Händlervertrages angeschafft wurde.

Ausgenommen von der Rückkaufpflicht sind nur die Teile, zu deren Bevorratung als Mindestbestand der bisherige Händler nach dem neuen Servicevertrag verpflichtet ist. Das Berufungsgericht hat nicht festgestellt, dass die Klägerin etwa die Rückgabe von Gegenständen verlangte, die sie nach dem neuen Servicevertrag vorzuhalten hat. Dies macht auch die Beklagte nicht geltend. Revisionsrechtlich ist deshalb davon auszugehen, dass die Klägerin nur solche Gegenstände zurückgeben will, die sie nicht ‑ nach dem neuen Vertrag ‑ vorrätig halten muss.

Da das Berufungsurteil mit der gegebenen Begründung keinen Bestand haben kann, ist es aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO). Die Sache ist nicht zur Endentscheidung reif, weil es weiterer tatrichterlicher Feststellungen zur Rücknahmefähigkeit der von der Klägerin zum Rückkauf angebotenen Ersatzteile bedarf. Die Sache ist deshalb zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 563 Abs. 1 Satz 1, Abs. 3 ZPO).

Gesetze

Gesetze

2 Gesetze werden in diesem Text zitiert

Zivilprozessordnung - ZPO | § 563 Zurückverweisung; eigene Sachentscheidung


(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen. (2) Das Berufungsgerich

Zivilprozessordnung - ZPO | § 562 Aufhebung des angefochtenen Urteils


(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben. (2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen

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(1) Insoweit die Revision für begründet erachtet wird, ist das angefochtene Urteil aufzuheben.

(2) Wird das Urteil wegen eines Mangels des Verfahrens aufgehoben, so ist zugleich das Verfahren insoweit aufzuheben, als es durch den Mangel betroffen wird.

(1) Im Falle der Aufhebung des Urteils ist die Sache zur neuen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Die Zurückverweisung kann an einen anderen Spruchkörper des Berufungsgerichts erfolgen.

(2) Das Berufungsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung zugrunde gelegt ist, auch seiner Entscheidung zugrunde zu legen.

(3) Das Revisionsgericht hat jedoch in der Sache selbst zu entscheiden, wenn die Aufhebung des Urteils nur wegen Rechtsverletzung bei Anwendung des Gesetzes auf das festgestellte Sachverhältnis erfolgt und nach letzterem die Sache zur Endentscheidung reif ist.

(4) Kommt im Fall des Absatzes 3 für die in der Sache selbst zu erlassende Entscheidung die Anwendbarkeit von Gesetzen, auf deren Verletzung die Revision nach § 545 nicht gestützt werden kann, in Frage, so kann die Sache zur Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden.