Handelsfirma: Handelsregistereintrag darf nur bei wesentlichen Irreführungen verweigert werden
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Hinweis: Durch die Liberalisierung des Firmenrechts muss sich die Firmenbezeichnung nicht mehr nach dem Unternehmensgegenstand richten. Es ist ausreichend, wenn die Firma Unterscheidungskraft besitzt und keine Angaben enthält, die zur Irreführung über verkehrswesentliche geschäftliche Verhältnisse geeignet sind (OLG Stuttgart, 8 W 82/12).
Die Entscheidung im Einzelnen lautet:
OLG Stuttgart Beschluss vom 08.03.12 (Az: 8 W 82/12)
Handelsregisterrecht: Durch die Liberalisierung des Firmenrechts kann von einer wesentlichen Irreführung im Sinne des § 18 Abs. 2 S. 1 HGB bei einer Sachfirma nicht allein deshalb ausgegangen werden, weil sie den Unternehmensgegenstand für Dritte nicht erkennen lässt. Selbst das Abstellen auf den Tätigkeitsbereich bedarf einer großzügigen Beurteilung. Denn die Grenzen zur Fantasiefirma sind fließend, nachdem eine Firma nicht nur als Sach- und Personenfirma gebildet werden kann, sondern auch als Fantasiefirma sowie als Kombination aus diesen Möglichkeiten. § 18 Abs. 2 S. 2 HGB hat zudem eine deutliche Verminderung des Prüfungsaufwandes des Registergerichts im Eintragungsverfahren bewirkt. Zu berücksichtigen hat es nur noch eine „ersichtliche“ Irreführung. Seine Prüfungsintensität ist damit auf ein „Grobraster“ reduziert.
Auf die befristete Beschwerde der Antragstellerin wird die Zwischenverfügung vom 8. Dezember 2011 bzw. 17. Januar 2012 des Amtsgerichts Stuttgart - Registergericht -, HRB 738529, aufgehoben.
Die Sache wird zur weiteren Behandlung der Anmeldung der Firmenänderung zur Eintragung in das Handelsregister vom 23. November 2011 (Urkundenrolle Nr. .../2011 J des Notars ..., S.) unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Senats an das Amtsgericht - Registergericht - S. zurückverwiesen.
Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Eine Kostenentscheidung im Übrigen ist nicht veranlasst.
Gründe:
Die im Handelsregister Stuttgart unter der Firma „... USA International Verwaltungs GmbH“ eingetragene Antragstellerin hat die Eintragung der Firmenänderung in „... Solar USA International GmbH“ in das Handelsregister am 23. November 2011, Eingang beim Registergericht am 30. November 2011, angemeldet.
Der Gegenstand des Unternehmens ist in § 2 des Gesellschaftsvertrags angegeben mit:
„1. Gegenstand des Unternehmens der Gesellschaft ist die Übernahme und Verwaltung von Beteiligungen im eigenen Vermögen an Unternehmen aller Art im In- und Ausland sowie die Übernahme der Geschäftsführung und Vertretung für solche Unternehmen.
2. …“
Die ... Solar Gruppe möchte ihre sämtlichen Beteiligungen an ausländischen Unternehmen, insbesondere an Unternehmen der Solarbranche, in deutsche Holding-Gesellschaften einbringen. Diese sollen neu gegründet und schon bestehende Unternehmen umfirmiert werden, wie vorliegend zur Eintragung angemeldet.
Insoweit wurden bereits im Handelsregister des Amtsgerichts Stuttgart eingetragen die „... Solar Australien International GmbH“ am 14. November 2011 (Neueintragung), die „... Solar Griechenland International GmbH“ am 1. Dezember 2011 (Firmenänderung) und die „... Solar Österreich International GmbH“ am 22. November 2011 (Neueintragung). Sitz der Gesellschaften ist jeweils ... und Geschäftsführer .... Der Gegenstand der drei Unternehmen ist identisch mit dem zuvor zitierten der hier zu beurteilenden Registeranmeldung.
Die für diese zuständige Rechtspflegerin des Registergerichts Stuttgart hat - entgegen der vorherigen Handhabung - mit Zwischenverfügung vom 8. Dezember 2011 bzw. 17. Januar 2012 unter Nachfristsetzung bis 17. Februar 2012 beanstandet, dass die beabsichtigte Firmierung zur Irreführung geeignet sei. Nach dem Unternehmensgegenstand handle es sich um eine reine Verwaltungsgesellschaft, eine Tätigkeit in der Solarbranche sei nicht gegeben.
Hiergegen hat die Antragstellerin durch den bevollmächtigten Notar am 16. Februar 2012 Beschwerde eingelegt, auf deren Begründung im einzelnen verwiesen wird.
Die Rechtspflegerin hat nicht abgeholfen und die Akte mit Beschluss vom 1. März 2012 dem Oberlandesgericht zur Entscheidung vorgelegt. Sie beruft sich unter anderem auf die Stellungnahme der IHK Region S., Bezirkskammer B., vom 17. Februar 2012. Eine gegenteilige Äußerung der IHK Region Stuttgart vom 2. September 2011 befindet sich ebenfalls in den Akten. Im Übrigen wird Bezug genommen auf die Darlegung der Auffassung der Rechtspflegerin in dem Nichtabhilfe-/Vorlagebeschluss.
Die befristete Beschwerde ist statthaft (§§ 374 Nr. 1, 382 Abs. 4, 58 Abs. 1 FamFG) und wurde form- und fristgerecht gemäß §§ 58 ff. FamFG erhoben. Die Beschwerdeberechtigung der beteiligten Gesellschaft, in deren Namen und mit deren Vollmacht der Notar das Rechtsmittel eingelegt hat, ergibt sich aus § 59 Abs. 1 FamFG.
Die Beschwerde ist auch begründet.
Nach § 18 Abs. 2 S. 1 HGB darf die Firma keine Angaben enthalten, die geeignet sind, über die geschäftlichen Verhältnisse, die für die angesprochenen Verkehrskreise wesentlich sind, irrezuführen. Dabei wurde durch das Handelsrechtsreformgesetz eine weitgehende Änderung und Liberalisierung des früher geltenden veralteten Firmenrechts eingeführt und darüber hinaus durch § 18 Abs. 2 S. 2 HGB eine deutliche Verminderung des Prüfungsaufwandes des Registergerichts im Eintragungsverfahren bewirkt. Dieses hat nur noch eine „ersichtliche“ Irreführung zu berücksichtigen. Hierdurch soll die Prüfungsintensität auf ein „Grobraster“ reduziert werden.
Im Rahmen der Liberalisierung des Firmenrechts muss auch der Begriff „Sachfirma“, auf den die Rechtspflegerin abstellt, weiter gefasst werden. Hierunter fällt eine Firma, die von ihrem äußeren Erscheinungsbild auf (irgend)einen Unternehmensgegenstand/Tätigkeitsbereich Bezug nimmt. Nachdem eine Firma nicht nur als Sach- und Personenfirma gebildet werden kann, sondern auch als Fantasiefirma sowie als Kombination aus diesen Möglichkeiten, sind die Grenzen zur Fantasiefirma fließend und der frühere Streit, ob die Sachfirma den Unternehmensgegenstand für Dritte im Wesentlichen erkennen lassen muss, ist hinfällig. So kann auch eine Sachfirma gewählt werden, die nicht den Gegenstand des Unternehmens offenbart.
Unter Berücksichtigung dieser Liberalisierung des Firmenrechts kann schon nicht von einer wesentlichen Irreführung im Sinne des § 18 Abs. 2 S. 1 HGB ausgegangen werden. Denn die Firmenbezeichnung muss sich - auch bei einer Sachfirma - nicht mehr nach dem Unternehmensgegenstand richten. Der Tätigkeitsbereich der Beteiligten Z. 1 als Holding-Gesellschaft der ... Solar Gruppe soll jedoch in der Verwaltung von deren Beteiligungen an ausländischen Unternehmen, insbesondere solchen der Solarbranche - hier in den USA -, bestehen, wodurch aber der von der Rechtspflegerin geforderte Bezug zu dem Sachbegriff „Solar“ gegeben wäre.
Hinzu kommt, dass es sich vorliegend um eine Kombination aus Personen- und Sachfirma handelt, nachdem an erster Stelle der Name des Geschäftsführers in die Firma aufgenommen ist, der wiederum eng verbunden ist mit dem Zusatz „Solar“, wie einer Recherche im Internet ohne weiteres entnommen werden kann.
Zu Recht weist die Beschwerdeführerin auch darauf hin, dass der Sachbegriff „Solar“ im Hinblick auf den Unternehmensgegenstand und die geplante Tätigkeit für die angesprochenen Verkehrskreise als Veräußerer von Unternehmensbeteiligungen (Investoren, geschäftserfahrene Mehrheitsgesellschafter und Geschäftsführer) nicht von wesentlicher Bedeutung ist. Aber selbst der durchschnittlich informierte, aufmerksame und verständige Durchschnittsverbraucher, z. B. ein Investor einer Fondsgesellschaft, kann sich ohne großen Aufwand über die Verwaltungstätigkeit des Unternehmens durch eine Internetrecherche informieren.
Des Wegfalls des Sachbegriffs „Solar“ und der auch geforderten Aufnahme des Zusatzes „Verwaltungs“ zu GmbH bedarf es demnach nicht, um eine Irreführung im Sinne des § 18 Abs. 2 S. 1 HGB zu vermeiden.
Die zur Eintragung angemeldete Firmenänderung enthält vielmehr - entgegen der Auffassung der Rechtspflegerin - keine Angaben, die geeignet wären, über geschäftliche Verhältnisse, die für die angesprochenen Verkehrskreise wesentlich sind, irrezuführen (§ 18 Abs. 2 S. 1 HGB).
Darüber hinaus ist das Registergericht auch nach § 18 Abs. 2 S. 2 HGB bezüglich seiner Prüfungsintensität auf ein „Grobraster“ beschränkt, da die Eignung zur Irreführung nur berücksichtigt werden darf, wenn sie ersichtlich ist. Danach können lediglich Angaben beanstandet werden, bei denen die Täuschungseignung nicht allzu fern liegt und ohne umfangreiche Beweisaufnahme bejaht werden kann.
Hiervon kann entsprechend den vorstehenden Ausführungen nicht ausgegangen werden. Und hiervon ist auch das Registergericht Stuttgart bislang nicht ausgegangen, wie die bereits vorgenommenen zwei Neueintragungen und die Firmenänderung bei einem identischen Sachverhalt zeigen. Die Ersichtlichkeit der Eignung zur Irreführung bei der gewählten Firmierung kann allein deshalb nicht angenommen werden.
Die Stellungnahme der Bezirkskammer Böblingen vom 17. Februar 2012 führt im Übrigen zu keiner anderen Beurteilung.
Abgesehen davon, dass sie sich im Widerspruch befindet zu der früheren Auskunft der IHK Region Stuttgart vom 2. September 2011, wird insoweit die vom Gesetzgeber gewollte Liberalisierung des Firmenrechts erneut eingeschränkt, was aber gerade § 18 Abs. 2 HGB und auch § 4 GmbHG nicht entspricht.
Danach war die Zwischenverfügung des Registergerichts vom 8. Dezember 2011/17. Januar 2012 aufzuheben. Dieses hat erneut über die Handelsregisteranmeldung der Firmenänderung unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Senats zu entscheiden.
Eine Kostenentscheidung ist nicht veranlasst. Die Gerichtsgebührenfreiheit ergibt sich aus § 131 Abs. 3 KostO.
Die Voraussetzungen für die Zulassung der Rechtsbeschwerde gemäß § 70 FamFG liegen nicht vor.
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Tenor
1. Auf die befristete Beschwerde der Antragstellerin wird die Zwischenverfügung vom 8. Dezember 2011 bzw. 17. Januar 2012 des Amtsgerichts Stuttgart - Registergericht -, HRB 738529,
aufgehoben.
2. Die Sache wird zur weiteren Behandlung der Anmeldung der Firmenänderung zur Eintragung in das Handelsregister vom 23. November 2011 (Urkundenrolle Nr. .../2011 J des Notars ..., Stuttgart) unter Zugrundelegung der Rechtsauffassung des Senats an das
Amtsgericht - Registergericht - Stuttgart
zurückverwiesen.
3. Die Entscheidung ergeht gerichtsgebührenfrei. Eine Kostenentscheidung im Übrigen ist nicht veranlasst.
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(1) Die Firma muß zur Kennzeichnung des Kaufmanns geeignet sein und Unterscheidungskraft besitzen.
(2) Die Firma darf keine Angaben enthalten, die geeignet sind, über geschäftliche Verhältnisse, die für die angesprochenen Verkehrskreise wesentlich sind, irrezuführen. Im Verfahren vor dem Registergericht wird die Eignung zur Irreführung nur berücksichtigt, wenn sie ersichtlich ist.
Registersachen sind
- 1.
Handelsregistersachen, - 2.
Genossenschaftsregistersachen, - 3.
Partnerschaftsregistersachen, - 4.
Vereinsregistersachen.
(1) Die Beschwerde steht demjenigen zu, der durch den Beschluss in seinen Rechten beeinträchtigt ist.
(2) Wenn ein Beschluss nur auf Antrag erlassen werden kann und der Antrag zurückgewiesen worden ist, steht die Beschwerde nur dem Antragsteller zu.
(3) Die Beschwerdeberechtigung von Behörden bestimmt sich nach den besonderen Vorschriften dieses oder eines anderen Gesetzes.
(1) Die Firma muß zur Kennzeichnung des Kaufmanns geeignet sein und Unterscheidungskraft besitzen.
(2) Die Firma darf keine Angaben enthalten, die geeignet sind, über geschäftliche Verhältnisse, die für die angesprochenen Verkehrskreise wesentlich sind, irrezuführen. Im Verfahren vor dem Registergericht wird die Eignung zur Irreführung nur berücksichtigt, wenn sie ersichtlich ist.
Die Firma der Gesellschaft muß, auch wenn sie nach § 22 des Handelsgesetzbuchs oder nach anderen gesetzlichen Vorschriften fortgeführt wird, die Bezeichnung "Gesellschaft mit beschränkter Haftung" oder eine allgemein verständliche Abkürzung dieser Bezeichnung enthalten. Verfolgt die Gesellschaft ausschließlich und unmittelbar steuerbegünstigte Zwecke nach den §§ 51 bis 68 der Abgabenordnung kann die Abkürzung „gGmbH“ lauten.
(1) Die Rechtsbeschwerde eines Beteiligten ist statthaft, wenn sie das Beschwerdegericht oder das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug in dem Beschluss zugelassen hat.
(2) Die Rechtsbeschwerde ist zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder - 2.
die Fortbildung des Rechts oder die Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert.
(3) Die Rechtsbeschwerde gegen einen Beschluss des Beschwerdegerichts ist ohne Zulassung statthaft in
- 1.
Betreuungssachen zur Bestellung eines Betreuers, zur Aufhebung einer Betreuung, zur Anordnung oder Aufhebung eines Einwilligungsvorbehalts, - 2.
Unterbringungssachen und Verfahren nach § 151 Nr. 6 und 7 sowie - 3.
Freiheitsentziehungssachen.
(4) Gegen einen Beschluss im Verfahren über die Anordnung, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung oder eines Arrests findet die Rechtsbeschwerde nicht statt.