Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 23. April 2014 - A 1 K 2662/13 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens beider Rechtszüge.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
Der nach seinen Angaben am ...1995 in El Aaiún (Laâyoune; Ajun) geborene Kläger stammt aus dem von Marokko verwalteten Territorium Westsahara und gehört der Volksgruppe der Saharaui (Sahraoui) an. Er ist ledig, muslimischen Glaubens und spricht Arabisch sowie etwas Spanisch und Deutsch. Vor seiner Ausreise lebte er in El Aaiún. Er wurde nach seiner auf dem Landweg erfolgten Einreise nach Deutschland im Herbst 2011 behördlich erfasst.
Am 07.12.2011 beantragte er seine Anerkennung als Asylberechtigter. Bei der Anhörung beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) am 18.04.2013 gab er an, er habe bis zur Ausreise im Dezember 2010 in seinem Geburtsort gelebt, wo er auch sechs Jahre lang die Schule besucht habe. Auf einem Platz bei seiner Heimatstadt (Camp Kdemizi) habe eine Art Dauerdemo stattgefunden. Sie hätten dort ausharren wollen, bis ihre Rechte vom marokkanischen Staat anerkannt würden. Ihr Vorbild seien die Aufstände in den anderen arabischen Staaten wie Tunesien und Ägypten gewesen. Über Mundpropaganda seien die Jugendlichen mit ihren Freunden und Bekannten zusammen gekommen und hätten ihr Zelt dort im Lager aufgeschlagen. Es seien etwa 800 Personen gewesen. Sie hätten Transparente hochgehalten, auf denen sie ihr Recht auf Schulausbildung, arbeitsgerechte Bezahlung und anderes gefordert hätten. Wenn man kein Geld habe, könne man seine Kinder nicht zur Schule schicken. Es herrsche auch viel Korruption. Wenn eine Versammlung länger als 40 Tage dauere, seien die Vereinten Nationen beziehungsweise deren Hilfsorganisationen für die Verwaltung solcher Lager zuständig. Aus diesem Grund hätten die marokkanischen Behörden alles daran gesetzt, ihre Versammlung vorher aufzulösen. Gegen 4 Uhr morgens seien sie von den Sicherheitskräften im Lager angegriffen worden. Diese hätten das ganze Lager umzingelt und nur eine Lücke gelassen, um in Richtung Stadt zu fliehen. Sie hätten Wasserwerfer eingesetzt und die Demonstranten mit Schlagstöcken malträtiert. Für den marokkanischen Staat sei die Lage sehr unangenehm gewesen, da mehrere Fernsehsender da gewesen seien, wie zum Beispiel Al Djazeera oder das spanische Fernsehen. Die Regierung habe das Lager um jeden Preis auflösen wollen. Sie hätten nicht kontrollieren, sondern Leute verhaften und vertreiben wollen, und das sei ihnen gelungen. Die Demonstranten seien gefilmt worden, und viele Häuser seien danach durchsucht worden. Bei ihm zu Hause seien sie auch gewesen. Die Polizei habe ihr Lager vor dem Camp aufgeschlagen und habe die Demonstranten beobachtet. Zwei Tage vor dem Eingriff sei ein 14 Jahre altes Kind im Lager getötet worden. Der Junge sei von einem Polizisten erschossen worden, mit dem er Streit gehabt habe. Zu dem Streit sei es gekommen, weil die marokkanischen Sicherheitskräfte die Leute nie respektierten, und das habe sich der Junge nicht gefallen lassen. Es sei daraufhin zu Tumulten gekommen, weil die Menge aufgebracht gewesen sei; das Ganze sei auch gefilmt worden. Viele seien getötet, andere verhaftet worden und wiederum andere hätten fliehen können, so wie er. Er sei zuerst nach Hause gegangen, und als es hell geworden sei, habe er seine Koffer gepackt und sei nach Mauretanien gefahren. Dort habe er sich fünf Monate lang bei einem Onkel in Nouakchott aufgehalten; danach sei er drei Monate lang bei seinem Bruder in Annaba in Algerien gewesen. Von dort aus sei er über Tunesien mit dem Frachtschiff nach Italien gefahren. Sein Bruder habe ihm bei der Ausreise geholfen. Das Geld dafür habe er von seinen Geschwistern erhalten. Wenn er zurückkehren würde, müsse er zunächst wegen der Teilnahme an dem Lager ins Gefängnis, da die Aktion der Regierung Probleme bereitet habe. Viele seiner Freunde seien zurzeit im Gefängnis.
Mit Bescheid vom 19.07.2013 lehnte das Bundesamt (1.) den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter als offensichtlich unbegründet ab und stellte (2.) fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht vorliegen. Außerdem stellte es (3.) fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen. Der Kläger wurde (4.) zur Ausreise aufgefordert, ihm wurde die Abschiebung nach Marokko angedroht. Das Bundesamt führte aus, die Voraussetzungen für eine Ablehnung als offensichtlich unbegründet gemäß § 30 Abs. 3 AsylVfG lägen nicht vor. Bei Würdigung des gesamten Vorbringens seien dem Sachverhalt (jedoch) weder glaubhafte noch greifbare Anhaltspunkte dafür zu entnehmen, dass sich der Kläger aufgrund einer beachtlichen Verfolgung außerhalb seines Herkunftslandes aufhalte. Gemäß § 30 Abs. 2 AsylVfG sei ein Asylantrag insbesondere offensichtlich unbegründet, wenn nach den Umständen des Einzelfalls (wie hier) offensichtlich sei, dass sich der Ausländer nur aus wirtschaftlichen Gründen oder um einer allgemeinen Notsituation oder einer kriegerischen Auseinandersetzung zu entgehen im Bundesgebiet aufhalte.
Am 02.08.2013 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben und seinen bisherigen Vortrag ergänzt und vertieft.
Mit Beschluss vom 29.11.2013 hat das Verwaltungsgericht die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung in dem Bescheid vom 19.07.2013 angeordnet.
Mit Urteil vom 23.04.2014 hat das Verwaltungsgericht - nach Anhörung des Klägers durch den Einzelrichter in der mündlichen Verhandlung vom 17.04.2014 - den Bescheid des Bundesamtes vom 19.07.2013 hinsichtlich Nr. 2 bis 4 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Zur Begründung hat es ausgeführt, der Kläger befinde sich aufgrund erlittener beziehungsweise bei einer Rückkehr nach Westsahara nicht mit hinreichender Sicherheit auszuschließender Verfolgungshandlungen in Form von physischer Gewalt und möglicherweise unverhältnismäßiger Strafverfolgung oder Bestrafung, die anknüpfe an seine politische Grundhaltung zugunsten oppositioneller Bestrebungen gegenüber der Besatzungsmacht Marokko, außerhalb seines Herkunftslandes. Das Gericht sehe keinen Anlass, an den insgesamt schlüssigen und vor dem Hintergrund der öffentlichen Berichterstattung über die Vorfälle in der Westsahara auch nachvollziehbaren Angaben des Klägers zu zweifeln. Nach dem Bericht des Auswärtigen Amts über die asyl- und abschieberelevante Lage im Königreich Marokko (Stand: April 2013) vom 23.06.2013 habe Marokko 1975 nach dem Abzug der spanischen Kolonialmacht das südlich angrenzende Territorium der Westsahara besetzt, das nach marokkanischer Auffassung nunmehr Teil des eigenen Staatsgebietes sei. Etwa 80.000 Saharauis (Einwohner der Westsahara, zu denen sich der Kläger zähle) seien daraufhin 1976 nach Algerien (Tindouf) geflüchtet, hätten dort eine Exilregierung gegründet und mit Unterstützung Algeriens und Libyens bis 1991 einen Guerillakrieg gegen die marokkanischen Streitkräfte geführt. Am 06.09.1991 hätten Marokko und die Befreiungsbewegung Frente Polisario, vermittelt durch die UNO, einen Waffenstillstand geschlossen. Seitdem gebe es keinen offenen bewaffneten Konflikt mehr. Im weit überwiegenden Teil der Westsahara übe Marokko die effektive Staatsgewalt aus. Die Vereinten Nationen hätten sich bislang ohne Erfolg bemüht, die Parteien zu einer Einigung über die Zukunft des Gebietes zu bewegen (vgl. zur Geschichte und politischen Situation in Westsahara auch informativ die Vorbemerkung zu einer Großen Anfrage von Abgeordneten des Bundestags in BT-Drs. 17/13602). Saharauis genössen innerhalb Marokkos uneingeschränkte Bewegungsfreiheit. Mit Ausnahme von Polisario-Angehörigen und Personen, die sich für die Unabhängigkeit der Westsahara einsetzten, könnten sie Pässe erhalten und das Land verlassen. Auch Kontakte zu westlichen politischen Beobachtern und Botschaftsvertretern seien ihnen möglich. Die Behörden überwachten die politische Betätigung von Saharauis allerdings schärfer als die anderer marokkanischer Staatsangehöriger. Sympathisanten der Polisario beziehungsweise politisch aktive Unterstützer der Unabhängigkeit der Westsahara würden immer wieder schikaniert; Polizei und paramilitärische Einheiten gingen weiterhin scharf gegen Personen vor, die der Unterstützung der Unabhängigkeit des Territoriums oder der Polisario verdächtigt würden. Die Menschenrechtslage in der Westsahara bleibe undurchsichtig. Da es sich bei diesem Thema um ein Tabuthema handle, komme es anlässlich politischer Aktivitäten auch immer wieder zu einem robusten Vorgehen der Sicherheitskräfte. So seien unter anderem im Zusammenhang mit dem Besuch des persönlichen Gesandten des Generalsekretärs der UNO, Christopher Ross, in Laâyoune seitens politischer Aktivisten Vorwürfe über ein gewaltsames Vorgehen der Sicherheitskräfte erhoben worden. Zugleich habe Ross aber mit allen gewünschten Gesprächspartnern - auch mit Polisario-Aktivisten - Gespräche führen können. Auch an Juan Méndez, den Sonderberichterstatter der UNO für Folter, seien vor und während seines Besuches in Laâyoune eine Vielzahl von Fällen und Anfragen herangetragen worden. Deren Bewertung stehe noch aus und bleibe unter anderem seinem Abschlussbericht, der voraussichtlich im März 2013 vorliegen werde, vorbehalten. Auch die Bundesregierung spreche in ihrer Antwort auf die bereits erwähnte Große Anfrage davon, dass die allgemeine Menschenrechtslage und insbesondere konkrete Einzelfälle gegenüber der marokkanischen Regierung regelmäßig angesprochen würden, auch zusammen mit EU-Partnern. Im Februar 2013 habe der Regionalbeauftragte für Nah- und Mittelost und Maghreb im Auswärtigen Amt die Westsahara besucht. In dessen Gesprächen mit saharauischen Nichtregierungsorganisationen im Bereich der Menschenrechte hätten diese Einschränkungen im Bereich der Vereins- und Demonstrationsfreiheit sowie exzessive Gewalt von Seiten der Sicherheitskräfte kritisiert. Zu dem vom Kläger angesprochenen Prozess vor einem Militärgericht in Salé habe die Bundesregierung geäußert, dass die deutsche Botschaft in Rabat den Prozess beobachtet habe und hierzu mit Menschenrechtsorganisationen in Kontakt stehe. Die UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte habe ihre Besorgnis über die Verhandlung vor einem Militärgericht ausgedrückt. Das UNO-Flüchtlingshilfswerk (UNHCR) habe außerdem bemängelt, dass die Vorwürfe der Angeklagten, sie seien gefoltert worden, nie untersucht worden seien. Die Bundesregierung teile die von den Vereinten Nationen geäußerten Kritikpunkte und habe sie in hochrangigen bilateralen Gesprächen mit Marokko angesprochen. Vor diesem Hintergrund sei die Gefahr einer menschenrechtswidrigen Behandlung bei einer Rückkehr des Klägers nicht mit der - für ihn als vorverfolgt ausgereisten Flüchtling erforderlichen - hinreichenden Sicherheit auszuschließen.
Gegen dieses Urteil hat die Beklagte am 26.05.2014 die Zulassung der Berufung beantragt und zur Begründung ausgeführt, das Urteil des Verwaltungsgerichts beruhe auf einer Abweichung von der übergeordneten Rechtsprechung. Es stellt eine Divergenz zur Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Urteile vom 27.04.2010 - 10 C 5.09 - und vom 01.06.2011 - 10 C 10.10 -) dar, wenn ein Gericht - wie geschehen - beim Flüchtlingsstatus (noch) den herabgestuften und nicht den Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anwende. Das Urteil des Verwaltungsgericht beruhe auch auf der Abweichung. Es bestünden stichhaltige Gründe, die für eine Widerlegung der Wiederholungsträchtigkeit der vom Verwaltungsgericht festgestellten Vorverfolgungssituation sprächen. Die Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der Qualifikationsrichtlinie betreffe den inneren Zusammenhang zwischen der früher erlittenen oder unmittelbar drohenden Verfolgung und der befürchteten künftigen. Einen solchen belegten daher keine Quellenaussagen, die sich - wie die hier vom Verwaltungsgericht allein angeführten - ausschließlich zur allgemeinen Situation in einem Land verhielten.
Zudem dürfte der seit den für die Ausreise maßgeblichen Ereignissen verstrichene Zeitraum - jedenfalls im Rahmen einer Gesamtbetrachtung - Gewicht haben. Wegen der Zeit- und Faktizitätsbedingtheit einer asylrechtlichen Gefahrenprognose seien Fallkonstellationen denkbar, in denen der Ablauf einer längeren Zeitspanne im Zusammenhang mit anderen Faktoren eine vergleichsweise höhere Bedeutung als in anderen Rechtsgebieten zukomme.
10 
In die gebotene Rückkehrprognose werde außerdem einzufließen haben, dass es sich den Schilderungen nach um ein „Einmalereignis“ gehandelt habe, das zum Ausreiseentschluss geführt habe. Ein in individualisierbarer Weise besonderes Auftreten des Klägers im Rahmen der Teilnahme im Camp Kdemizi sei weder gerichtlich festgestellt noch evident und vom Kläger für sich auch nicht in Anspruch genommen worden. Auskünfte dazu, dass ein Rückkehrer, der dort einfacher Teilnehmer gewesen sei, bei heutiger Rückkehr deswegen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit noch staatliche Konsequenzen zu erwarten hätte, fehlten. Auch anderweitig habe das Verwaltungsgericht nicht konkret auf die Person des Klägers bezogen festgestellt, dass er etwa ausweislich einer konkret und gezielt ihm geltenden Suche oder gar eines ergangenen Haftbefehls staatlicherseits gesucht worden wäre.
11 
Die Erkenntnisquellen ließen keine durchgreifenden Umstände für die Ansicht erkennen, dass zurückkehrende Saharauis grundsätzlich gegenüber anderen Rückkehrern nach Marokko einer gesteigerten Gefährdung ausgesetzt wären. Saharauis genössen innerhalb Marokkos nicht nur uneingeschränkte Bewegungsfreiheit. Auch hinsichtlich der Behandlung bei Rückkehrern zeigten sich keine maßgeblichen Anhaltspunkte für eine ihnen gegenüber selektiv regelmäßig andere Vorgehensweise. Das Stellen eines Asylantrags im Ausland sei nicht strafbar und werde nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amtes von den Behörden nicht als Ausdruck oppositioneller Gesinnung gewertet. Aus den letzten Jahren seien keine Fälle bekannt, in denen es zu einem Gerichtsurteil wegen der Stellung eines Asylantrags oder wegen des in einem Asylantrag enthaltenen Vorbringens gekommen wäre. Es lägen derzeit auch keine Erkenntnisse darüber vor, dass im Hinblick auf zurückkehrende politische Aktivisten wie denen der Bewegung „20. Februar" oder auch Salafisten Ausnahmen gemacht würden.
12 
Mit Beschluss vom 11.02.2015 hat der Senat die Berufung wegen Divergenz zugelassen (A 9 S 1094/14).
13 
Am 26.02.2015 hat die Beklagte die Berufung unter Bezugnahme auf ihr Zulassungsvorbringen begründet.
14 
Die Beklagte beantragt,
15 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 23.04.2014 - A 1 K 2662/13 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
16 
Der Kläger beantragt,
17 
die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, ihm subsidiären Schutz nach § 4 Abs. 1 AsylG in Verbindung mit § 60 Abs. 2 AufenthG zu gewähren,
weiter hilfsweise die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass nationale Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen,
und den Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 19.07.2013 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.
18 
Zur Begründung verweist der Kläger auf seine bisherigen Angaben und hebt hervor, er habe 15 Tage lang an dem Protestcamp teilgenommen, bevor es geräumt worden sei. Hierbei sei das Camp von Sicherheitskräften umzingelt worden. Anschließend seien die Demonstranten mit Wasserwerfern und Schlagstöcken auseinandergetrieben worden. Im Rahmen der Räumung sei es zu zahlreichen Menschenrechtsverletzungen durch die marokkanischen Sicherheitskräfte gekommen. Zahlreiche Teilnehmer der Camps seien schwer verletzt oder getötet worden. Amnesty International gebe im Bericht vom 20.12.2010 die Vorfälle vom November 2010 wieder. Nach den Demonstrationen und deren Auflösung sei es zu einer Verhaftungswelle gekommen. Bei den Inhaftierten seien zahlreiche Fälle von Folter und Misshandlung dokumentiert worden. Ein marokkanisches Militärgericht habe hohe Strafen gegen die „24 von Gdeim Izik“ verhängt. Acht Angeklagte seien zu lebenslanger, vier zu 30 Jahren und acht weitere zu 25 Jahren Haft verurteilt worden. Das Gericht habe es als erwiesen angesehen, dass die Verurteilten als Täter oder Komplizen und Mitglieder einer kriminellen Bande schuldig am Tod von elf „marokkanischen Besatzern“ gewesen seien. Er befürchte, bei einer Rückkehr nach Marokko aufgrund seiner aktiven Teilnahme an den Protestcamps verhaftet zu werden. Viele seiner Freunde und Bekannten, die an dem Protestcamp teilgenommen hätten, seien zu langjährigen Gefängnisstrafen verurteilt worden.
19 
Der Kläger ist in der mündlichen Verhandlung des Senats persönlich angehört worden. Insoweit wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung vom 03.11.2016 verwiesen.
20 
Dem Senat liegen die Akte des Bundesamts sowie die Akten des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf diese Akten, die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie die in das Verfahren eingeführten Auskünfte verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
21 
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die ordnungsgemäß geladene Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war. Denn sie wurde in der Ladung hierauf hingewiesen (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).
22 
Die Berufung der Beklagten ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (I.) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (II.), keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes (III.) und keinen Anspruch auf die Feststellung des Bestehens eines nationalen Abschiebungsverbots (IV.).
I.
23 
Für die Beurteilung des Begehrens des Klägers ist auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat abzustellen (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG). Maßgeblich in rechtlicher Hinsicht ist deshalb das zuletzt durch Art. 6 des Integrationsgesetzes vom 31.07.2016 (BGBl I S. 1939) geänderte Asylgesetz.
24 
Die erstinstanzlich gestellten Klageanträge sind im Hinblick auf die aktuelle Rechtslage, insbesondere auf die seit 01.12.2013 geltenden §§ 3 ff. AsylG (vgl. Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28.08.2013, BGBl I S. 3474), wie folgt zu verstehen und entsprechend in der mündlichen Verhandlung gestellt worden (vgl. zum Folgenden auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 05.10.2016 - A 10 S 332/12 -, juris):
25 
Der auf die Verpflichtung zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerichtete Hauptantrag ist weder durch die genannte noch durch sonstige Gesetzesnovellen berührt worden.
26 
Der auf die Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG in der zum Zeitpunkt des Ergehens des verwaltungsgerichtlichen Urteils geltenden Fassung gerichtete erste Hilfsantrag ist nunmehr als Antrag auf die Verpflichtung zur Gewährung subsidiären Schutzes auszulegen. Denn in § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG sind die bisher in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG enthaltenen Abschiebungsverbote zusammengefasst worden (vgl. BT-Drs. 17/13063, S. 25).
27 
Der auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG „weiter hilfsweise“ gestellte Hilfsantrag kann ohne Änderung weiterverfolgt werden; die Vorschriften sind nicht geändert worden.
II.
28 
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 4 AsylG.
29 
Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG oder das Bundesamt hat nach § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG von der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG abgesehen. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl 1953 II S. 559), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugungen oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
30 
Nach § 3a Abs. 1 AsylG (vgl. auch Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl EU L 337/9; so genannte Qualifikationsrichtlinie - QRL -) gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die 1. auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist, oder 2. in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Nach § 3a Abs. 2 AsylG (vgl. Art. 9 Abs. 2 QRL) können als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG u. a. gelten: 1. die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, 2. gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, 3. unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, 4. Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, 5. Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen, 6. Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind. Nach § 3a Abs. 3 AsylG (vgl. Art. 9 Abs. 3 QRL) muss zwischen den Verfolgungsgründen und den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1128/14 -, juris Rn. 24 a.E.).
31 
Der Charakter einer Verfolgungshandlung erfordert, dass das Verhalten des betreffenden Akteurs im Sinne einer objektiven Gerichtetheit auf die Verletzung eines nach § 3a AsylG (Art. 9 QRL) geschützten Rechtsguts selbst zielt (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014, a.a.O., - juris Rn. 26 m.w.N.).
32 
Der für die Beurteilung zugrunde zu legende Prognosemaßstab ist der der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014, a.a.O., juris Rn. 27 ff.). Die relevanten Rechtsgutsverletzungen müssen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser aus dem Tatbestandsmerkmal „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung“ des Art. 2 Buchstabe d QRL abzuleitende Maßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr abstellt („real risk“); dieser Maßstab ist kein anderer als der der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 -, BVerwGE 146, 67 Rn. 32). Er setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des gesamten zur Prüfung gestellten und relevanten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände die dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine qualifizierende bzw. bewertende Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines vernünftig denkenden und nicht übertrieben furchtsamen Menschen gerade in der Lage des konkreten Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar einzuschätzen ist. Unzumutbar kann eine Rückkehr in den Heimatstaat auch dann sein, wenn ein mathematischer Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50 Prozent für eine politische Verfolgung gegeben ist. In einem solchen Fall reicht zwar die bloße theoretische Möglichkeit einer Verfolgung nicht aus. Ein vernünftig denkender Mensch wird sie außer Betracht lassen. Ergeben jedoch die Gesamtumstände des Falls die „reale Möglichkeit“ einer flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Ein verständiger Betrachter wird bei der Abwägung aller Umstände daneben auch die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in seine Betrachtung einbeziehen. Wenn nämlich bei quantitativer Betrachtungsweise nur eine eher geringere mathematische Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung besteht, kann es auch aus der Sicht eines besonnenen Menschen bei der Überlegung, ob er in seinen Heimatstaat zurückkehren kann, einen ganz erheblichen Unterschied bedeuten, ob er z. B. lediglich eine Gefängnisstrafe von einem Monat oder aber Folter oder gar die Todesstrafe riskiert. Auch gilt: Je unabwendbarer eine drohende Verfolgung erscheint, desto unmittelbarer steht sie bevor. Je schwerer der befürchtete Verfolgungseingriff ist, desto weniger kann es dem Gefährdeten zugemutet werden, mit der Flucht zuzuwarten, bis der Verfolger unmittelbar vor der Tür steht. Das gilt auch dann, wenn der Eintritt der befürchteten Verfolgung von reiner Willkür abhängt, das befürchtete Ereignis somit im Grunde jederzeit eintreten kann, ohne dass allerdings im Einzelfall immer gesagt werden könnte, dass dessen Eintritt zeitlich in nächster Nähe bevorsteht. Die allgemeinen Begleitumstände, z.B. eine Willkürpraxis, die Repressionsmethoden gegen bestimmte oppositionelle oder verwundbare Gruppen, sind allgemeine Prognosetatsachen.
33 
Für die Beurteilung sind alle Akte zu berücksichtigen und einzustellen, denen der Ausländer ausgesetzt war oder die ihm gedroht hatten, um festzustellen, ob unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände diese Handlungen als Verfolgung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 QRL gelten können.
34 
Zur Erstellung der erforderlichen Prognose sind objektiviert die Prognosetatsachen nach den allgemeinen Maßstäben des verwaltungsverfahrensrechtlichen und verwaltungsgerichtlichen Regelbeweismaßes der Überzeugungsgewissheit zu ermitteln und festzustellen. Diese Tatsachen liegen regelmäßig teils in der Vergangenheit, teils in der Gegenwart. Sie müssen sodann in einer Gesamtschau verknüpft und gewissermaßen in die Zukunft projiziert werden. Auch wenn insoweit - wie sich bereits aus dem Gefahrbegriff ergibt - eine beachtliche Wahrscheinlichkeit ausreicht und deshalb ein „voller Beweis“ nicht erbracht werden kann, ändert dies nichts daran, dass das Gericht von der Richtigkeit seiner verfahrensfehlerfrei gewonnenen Prognose drohender Verfolgung die volle Überzeugung gewonnen haben muss.
35 
Der der Prognose zugrunde zu legende Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist unabhängig davon, ob bereits Vorverfolgung oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG (vgl. Art. 15 QRL) vorliegt (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014, a.a.O., juris Rn. 34 m.w.N.). Die Tatsache, dass ein Ausländer bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden ernsthaft bedroht war, ist allerdings ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Ausländers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden (vgl. Art. 4 Abs. 4 QRL); es besteht die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Den in der Vergangenheit liegenden Umständen wird Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft beigelegt. Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadenstiftenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland wiederholen werden. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden; hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Die nach Art. 4 Abs. 4 QRL maßgebenden stichhaltigen Gründe, die gegen eine erneute Verfolgung sprechen, können bei richtigem Verständnis der Norm letztlich keine anderen Gründe sein als die, die im Rahmen der „Wegfall der Umstände-Klausel“ des Art. 11 Abs. 1 Buchstabe e und f QRL maßgebend sind. Dafür spricht, dass der EuGH diese Grundsätze in einen Kontext mit der „Wegfall der Umstände-Klausel“ gestellt hat. Nur wenn die Faktoren, welche die Furcht des Flüchtlings begründeten, dauerhaft beseitigt sind, die Veränderung der Umstände also erheblich und nicht nur vorübergehend ist, wird die Beweiskraft der Vorverfolgung entkräftet. Würden mit Blick auf ein bestimmtes Herkunftsland statusrechtliche Entscheidungen wegen veränderter Umstände aufgehoben, ist es gerechtfertigt, dem Vorverfolgten im Asylverfahren die Umstände, welche die geänderte Einschätzung der Verfolgungssituation als stichhaltige Gründe leiten, entgegenzuhalten. In diesem Fall bleibt ihm dann die Möglichkeit, unter Hinweis auf besondere, seine Person betreffende Umstände nach Maßgabe des allgemeinen Wahrscheinlichkeitsmaßstabs erneut eine ihn treffende Verfolgung geltend zu machen.
36 
Gemessen an diesen Grundsätzen ist dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zuzuerkennen. Der Kläger befindet sich nicht aus begründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb seines Herkunftslandes. Der Senat konnte aufgrund des bisherigen Ablaufs des Asylverfahrens und insbesondere aufgrund der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung und des in ihr von seiner Person gewonnenen Eindrucks nicht die erforderliche Überzeugung davon gewinnen, dass die nach seinem Vorbringen fluchtauslösende Teilnahme an einem Protestcamp im Jahre 2010 der Wahrheit entspricht. Selbst wenn man indes als wahr unterstellt, dass der Kläger seinen Angaben entsprechend an dem Protestcamp teilgenommen hat, würden die dann zugrunde zu legenden Tatsachen nach der Überzeugung des Senats keine Verfolgungsgefahr im oben genannten Sinne begründen.
37 
An der Glaubwürdigkeit des Klägers bestehen schon deshalb erhebliche Zweifel, weil seine Angaben zum zeitlichen Geschehensablauf nicht nachvollziehbar, sondern gänzlich widersprüchlich sind. Bereits die beim Bundesamt gemachten Angaben sind nicht miteinander vereinbar. So soll das Protestcamp vom 13. bis zum 27. oder 28.11.2010 stattgefunden haben. Nach der gewaltsamen Auflösung des Lagers will der Kläger nach einer Übernachtung zu Hause unmittelbar nach Mauretanien ausgereist sein. Andererseits gab er auch an, erst im Dezember 2010 seine Heimatstadt verlassen zu haben. Sein Erscheinen in Deutschland Ende Oktober 2011 erklärte er vor dem Bundesamt damit, dass er sich nach seiner Flucht fünf Monate in Mauretanien, drei Monate in Algerien, eine Woche in Tunesien und 15 Tage in Italien aufgehalten habe. Von sämtlichen Zeitangaben wich der Kläger bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung, zum Teil in gravierendem Maße, ab. So behauptete er nunmehr, das Lager habe am 11.11.2010 (bzw. nach seiner Richtigstellung auf eine weitere Frage am 01.11.2010) begonnen und ungefähr zehn Tage gedauert. Er sei eine bis zwei Wochen in Mauretanien gewesen, dann ungefähr einen Monat in Algerien, zwei Wochen in Tunesien. Von Tunesien nach Deutschland habe es insgesamt ungefähr 15 Tage gedauert. Auf den Vorhalt des Vorsitzenden, dass er doch angeblich erst im Herbst 2011 nach Deutschland gekommen sei, also erst fast ein Jahr nach dem Lager, hat er lediglich geäußert, es sei schon lange her und er wisse es nicht mehr. Die Ungereimtheiten des Vortrags sind so offensichtlich, dass sie kaum auflösbar erscheinen. Der Kläger ließ auch auf Vorhalt keinen Beitrag zur Auflösung der Widersprüche erkennen.
38 
Gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben zu seinem Verfolgungsschicksal sprechen auch die Angaben des Klägers zu seinen angeblichen Erlebnissen im Protestlager vor und nach dem Eingreifen der Sicherheitskräfte. Die Glaubhaftmachung der Fluchtgründe setzt eine schlüssige, nachprüfbare Darlegung voraus. Der Asylsuchende muss unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich - als wahr unterstellt - ergibt, dass ihm bei verständiger Würdigung politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Jedenfalls in Bezug auf die in seine eigene Sphäre fallenden Ereignisse und persönlichen Erlebnisse hat er eine Schilderung abzugeben, die geeignet ist, seinen Anspruch lückenlos zu tragen (BVerwG, Urteil vom 24.03.1987 - 9 C 321.85 -, NVwZ 1987, 701, m.w.N.). Daran fehlt es hier. Der Kläger machte lediglich sehr oberflächliche und stereotype Angaben, vermittelte aber nicht den Eindruck einer persönlichen Betroffenheit.
39 
Hinzu kommt, dass sich die dem Senat vorliegenden, veröffentlichten Erkenntnisse zu dem Protestlager auch nicht mit den Angaben des Klägers decken. Danach wurde das Protestlager bereits im Oktober 2010 eine längere Zeit betrieben, ehe es am 8./9. November 2010 gestürmt und geräumt wurde. In einer Information des Bundesamtes - Informationszentrum Asyl und Migration - heißt es zu den Vorkommnissen: „Zwischen dem 8. und 9. November 2010 kam es zu Zusammenstößen zwischen marokkanischen Sicherheitskräften und sahrauischen Zivilisten in Gdeim Izik, einem Wüstengebiet 16 km von Al Aaiun entfernt, wo 20.000 Sahrauis friedlich für eine Verbesserung ihrer sozialen und ökonomischen Situation demonstrierten. Dabei wurden 4.500 Menschen verletzt, 2.000 festgenommen“ (Bundesamt, Informationszentrum Asyl und Migration, Der Westsaharakonflikt, Juni 2014). In Presseberichten war auch von bis zu 14.000 Protestcamp-Teilnehmern (taz vom 23.10.2010), geschätzten 15.000 Bewohnern des Zeltlagers (NZZ vom 05.11.2010) beziehungsweise mehr als 10.000 demonstrierenden Saharauis (FAZ vom 10.11.2010) die Rede. Die Zeltstadt sei zunächst von marokkanischen Truppen umstellt worden, die Zugang und Versorgung kontrolliert hätten (FAZ vom 10.11.2010). Ein Jugendlicher sei getötet worden, nachdem das Fahrzeug, dessen Insasse er gewesen sei, an einem Kontrollpunkt nicht angehalten habe (FAZ vom 10.11.2010). Mit einer großangelegten Operation hätten marokkanische Sicherheitskräfte das Lager schließlich unter Einsatz von Tränengas und Wasserwerfern angegriffen und zum Teil niedergebrannt. Die Saharauis hätten mit Molotowcocktails und Schlagstöcken geantwortet. Polizisten seien erstochen, gesteinigt oder verbrannt worden (FAZ vom 10.11.2010). Die Zahl der ums Leben gekommenen Sicherheitskräfte wurde später mit acht beziffert, während die Polisario von mindestens elf getöteten Saharauis sprach (FAZ vom 11.11.2010). Die Sicherheitskräfte versuchten durch Ausgangssperren, Zugangssperren für ausländische Journalisten sowie Repressalien gegen die Anführer der Demonstranten die Lage zu „stabilisieren“ (FAZ vom 11.11.2010). Das Protestlager fand ausgehend von diesen Angaben in einem anderen Zeitraum als vom Kläger angegeben und mit einer wesentlich größeren Teilnehmerzahl als der vom Kläger angenommenen (800) statt.
40 
Selbst wenn man unterstellt, dass die Angaben des Klägers zutreffen, er habe an dem Protestcamp teilgenommen, würde dies keine Gefahr der politischen Verfolgung begründen. Angesichts der Tatsache, dass das Protestlager tausende Teilnehmer hatten, darunter - so auch der Kläger in seiner Anhörung - ganze Familien mit kleinen Kindern, erscheint es wirklichkeitsfremd, dass der marokkanische Staat ein Interesse daran haben könnte, jeden Teilnehmer aufzuspüren und mit Sanktionen zu belegen. Unabhängig davon ist auch die Annahme, alle Teilnehmer seien fotografiert oder gefilmt worden und dadurch polizeilich identifiziert, nicht haltbar. Bei der Räumung des Lagers setzten die Sicherheitskräfte Gewalt ein, wobei es nach den vorliegenden Berichten auch darum ging, gewaltsamen Widerstand zu brechen. Der Senat geht ferner davon aus, dass saharauische Aktivisten, soweit sie sich bei dem Lager als Anführer exponierten oder als gewalttätig auffielen, vom marokkanischen Staat belangt wurden, wobei neben Verhaftungen auch Verurteilungen und Misshandlungen stattgefunden haben dürften (vgl. Amnesty International, Rights Trampled - Protests, Violence and repression in Western Sahara, MDE 29/019/2010, wo u.a. von bis zu 200 Verhafteten die Rede ist). Eine Bedrohung des Klägers lässt sich daraus indes nicht ableiten. Bereits beim Bundesamt hat er selbst angegeben, sich friedlich verhalten und keine Probleme gemacht zu haben. Zudem war er zum Zeitpunkt, als das Lager gestürmt wurde, erst 15 Jahre alt. Es gibt keinen tragfähigen Anhaltspunkt dafür, dass der Kläger unter diesen Umständen in das Blickfeld möglicher Verfolger geraten sein könnte. Dies gilt umso mehr, als dem Vortrag des Klägers nicht geglaubt werden kann, Sicherheitskräfte hätten die Wohnung seiner Eltern auf der Suche nach ihm oder seinem Bruder aufgesucht. Diese beim Bundesamt gemachte Angabe hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung auch nicht wiederholt. Die Behauptung, sein älterer Bruder habe ebenfalls am Protestlager teilgenommen, erscheint schon deshalb zweifelhaft, weil der Kläger bei seiner Anhörung vor dem Senat auf die ausdrückliche Befragung nach anderen Verwandten im Camp zunächst lediglich angab, es sei noch ein Cousin im Lager gewesen. Erst auf den in einem anderen Zusammenhang erfolgten Vorhalt, er habe seinen Bruder bisher nicht erwähnt, korrigierte sich der Kläger dahingehend, dass auch der Bruder im Lager gewesen und sogar noch immer flüchtig sei. Der Kläger erweckte auch an dieser Stelle in hohem Maße den Eindruck der Unglaubwürdigkeit. Auch fiel auf, dass er sich vom Konkreten auf die allgemeine Aussage verlegte, es seien „alle jungen Männer“ damals da gewesen. Die Schilderungen des Klägers waren auch sonst so farblos und unbeteiligt, dass ihnen kein Glauben geschenkt werden kann.
41 
Eine Verfolgungsgefahr für den Kläger lässt sich auch nicht aus den allgemeinen Verhältnissen betreffend Saharauis in Marokko ableiten. Hierzu lässt sich dem Bericht des Auswärtigen Amts über die asyl- und abschieberelevante Lage im Königreich Marokko vom 25.01.2016, Stand: Dezember 2015, - soweit hier von Bedeutung - entnehmen:
42 
„Meinungs- und Pressefreiheit sind ausgeprägt und werden in Anspruch genommen. Allerdings bestehen rechtliche Einschränkungen: Die Überschreitung „roter Linien“ (Person und Rolle des Königs, Islam als Staatsreligion, territoriale Integrität (Westsahara)) wird strafrechtlich geahndet. Einschränkungen der Versammlungs- und Vereinsfreiheit betreffen insbesondere diese Bereiche (Lagebericht, S. 4). … Staatliche Repressionsmaßnahmen gegen bestimmte Personen oder Personengruppen wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sind nicht festzustellen. Insbesondere gibt es keine Berichte zu extralegalen Tötungen, Verschwinden von Personen oder willkürlichen Verhaftungen. Offiziell und rechtlich gibt es keine politischen Gefangenen in Marokko (Lagebericht, S. 7). Mit Sanktionen für sich und teilweise auch seine Angehörigen muss jedoch rechnen, wer bei den verfassungsrechtlich geschützten und strafrechtlich bewehrten Tabuthemen Rolle der Monarchie, Islam als Staatsreligion und territoriale Integrität (gemeint ist die Zugehörigkeit der völkerrechtlich umstrittenen Westsahara zu Marokko) die offizielle Linie in Frage stellt. Marokkanische NROen sind der Auffassung, dass Strafverfahren zu anderen Tatbeständen (z.B. Ehebruch, Steuervergehen) oftmals nur als Deckmantel zur Verfolgung oder Einschüchterung politisch Andersdenkender sowie kritischer Journalisten dienen (Lagebericht, S. 8). … Kundgebungen in der Westsahara, die die Zugehörigkeit des Gebiets zu Marokko in Frage stellen, werden immer aufgelöst, auch unter Gewaltanwendung gegenüber den Demonstranten. NROen, die im Verdacht stehen, sich für die Unabhängigkeit der Westsahara einzusetzen, haben generell einen schwierigen Stand (Lagebericht, S. 9). … Nach dem Abzug der spanischen Kolonialmacht besetzte Marokko 1975 das südlich angrenzende Territorium der Westsahara, das nach marokkanischer Auffassung Teil des Staatsgebietes ist. Etwa 80.000 Sahraouis (Einwohner der Westsahara) flüchteten daraufhin 1976 nach Algerien (Tindouf), gründeten dort eine Exilregierung und führten mit Unterstützung Algeriens und Libyens bis 1991 einen Guerillakrieg gegen die marokkanischen Streitkräfte. Am 6. September 1991 schlossen Marokko und die Befreiungsbewegung Frente Polisario einen durch die VN vermittelten Waffenstillstand. Seitdem gibt es keinen offenen bewaffneten Konflikt mehr. Im weit überwiegenden Teil der Westsahara übt Marokko die effektive Staatsgewalt aus. Die Vereinten Nationen bemühen sich bislang ohne Erfolg, die Parteien zu einer Einigung über die Zukunft des Gebietes zu bewegen. Sahraouis genießen innerhalb Marokkos uneingeschränkte Bewegungsfreiheit. Mit Ausnahme von Polisario-Angehörigen und Personen, die sich für die Unabhängigkeit der Westsahara einsetzen, können sie Pässe erhalten und das Land verlassen. Auch Kontakte zu westlichen politischen Beobachtern und Botschaftsvertretern sind möglich. Die Behörden überwachen die politische Betätigung von Sahraouis allerdings enger als die anderer marokkanischer Staatsangehöriger. Sympathisanten der Polisario bzw. politisch aktive Unterstützer der Unabhängigkeit der Westsahara werden immer wieder schikaniert. Polizei und paramilitärische Einheiten gehen unvermindert gegen Personen vor, die der Unterstützung der Unabhängigkeit des Territoriums oder der Polisario verdächtigt werden (Lagebericht, S. 16).“
43 
Diesen Angaben entnimmt der Senat, dass lediglich exponierte Verfechter einer unabhängigen Westsahara - unter Umständen auch asylrelevanten - Repressionen durch den marokkanischen Staat ausgesetzt sein können. Zu diesem Personenkreis zählt der Kläger aber nicht.
44 
Zur Behandlung von Rückkehrern ist bekannt, dass das Stellen eines Asylantrags im Ausland nicht strafbar ist und nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amts von den Behörden nicht als Ausdruck oppositioneller Gesinnung gewertet wird. Den Behörden ist bekannt, dass Asylanträge auch dazu dienen, eine längerfristige Aufenthaltsmöglichkeit im Ausland zu erlangen. Aus den letzten Jahren sind keine Fälle bekannt, in denen es zu einem Gerichtsurteil oder staatlichen Repressionsmaßnahmen wegen der Stellung eines Asylantrags oder wegen des in einem Asylantrag enthaltenen Vorbringens gekommen wäre (Lagebericht, S. 22). Auch die Stellung des Asylantrags löst somit für den Kläger keine Verfolgungsgefahr aus.
III.
45 
Der Kläger hat auch nicht den von ihm hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes. Plausible Anhaltspunkte dafür, dass ihm in seiner Heimat ein ernsthafter Schaden im Sinne von § 4 Abs. 1 AsylG drohen könnte, bestehen nach dem Gesagten nicht.
IV.
46 
Schließlich hat der Kläger auch nicht den weiter hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf die Feststellung des Bestehens eines nationalen Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AsylG. Auch insoweit gilt, dass für den Senat kein Sachverhalt ersichtlich ist, der das Vorliegen der genannten Verbote zu begründen in der Lage wäre.
V.
47 
Die Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung und Fristsetzung in der durch die erfolgreiche Inanspruchnahme des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO gesetzlich (§ 37 Abs. 2 AsylG) auf 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens verlängerte Ausreisefrist ist bezüglich des Klägers nicht zu beanstanden. Sie findet ihre Grundlage in § 34 Abs. 1 AsylG in Verbindung mit § 59 AufenthG.
VI.
48 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 30 RVG.
49 
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

Gründe

 
21 
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die ordnungsgemäß geladene Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war. Denn sie wurde in der Ladung hierauf hingewiesen (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).
22 
Die Berufung der Beklagten ist nach Zulassung durch den Senat statthaft und auch im Übrigen zulässig. Sie ist auch begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Beklagte zu Unrecht verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (I.) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (II.), keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes (III.) und keinen Anspruch auf die Feststellung des Bestehens eines nationalen Abschiebungsverbots (IV.).
I.
23 
Für die Beurteilung des Begehrens des Klägers ist auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat abzustellen (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG). Maßgeblich in rechtlicher Hinsicht ist deshalb das zuletzt durch Art. 6 des Integrationsgesetzes vom 31.07.2016 (BGBl I S. 1939) geänderte Asylgesetz.
24 
Die erstinstanzlich gestellten Klageanträge sind im Hinblick auf die aktuelle Rechtslage, insbesondere auf die seit 01.12.2013 geltenden §§ 3 ff. AsylG (vgl. Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28.08.2013, BGBl I S. 3474), wie folgt zu verstehen und entsprechend in der mündlichen Verhandlung gestellt worden (vgl. zum Folgenden auch VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 05.10.2016 - A 10 S 332/12 -, juris):
25 
Der auf die Verpflichtung zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerichtete Hauptantrag ist weder durch die genannte noch durch sonstige Gesetzesnovellen berührt worden.
26 
Der auf die Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG in der zum Zeitpunkt des Ergehens des verwaltungsgerichtlichen Urteils geltenden Fassung gerichtete erste Hilfsantrag ist nunmehr als Antrag auf die Verpflichtung zur Gewährung subsidiären Schutzes auszulegen. Denn in § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG sind die bisher in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG enthaltenen Abschiebungsverbote zusammengefasst worden (vgl. BT-Drs. 17/13063, S. 25).
27 
Der auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG „weiter hilfsweise“ gestellte Hilfsantrag kann ohne Änderung weiterverfolgt werden; die Vorschriften sind nicht geändert worden.
II.
28 
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 4 AsylG.
29 
Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG oder das Bundesamt hat nach § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG von der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG abgesehen. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl 1953 II S. 559), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugungen oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
30 
Nach § 3a Abs. 1 AsylG (vgl. auch Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl EU L 337/9; so genannte Qualifikationsrichtlinie - QRL -) gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die 1. auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist, oder 2. in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Nach § 3a Abs. 2 AsylG (vgl. Art. 9 Abs. 2 QRL) können als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG u. a. gelten: 1. die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, 2. gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, 3. unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, 4. Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, 5. Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen, 6. Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind. Nach § 3a Abs. 3 AsylG (vgl. Art. 9 Abs. 3 QRL) muss zwischen den Verfolgungsgründen und den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1128/14 -, juris Rn. 24 a.E.).
31 
Der Charakter einer Verfolgungshandlung erfordert, dass das Verhalten des betreffenden Akteurs im Sinne einer objektiven Gerichtetheit auf die Verletzung eines nach § 3a AsylG (Art. 9 QRL) geschützten Rechtsguts selbst zielt (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014, a.a.O., - juris Rn. 26 m.w.N.).
32 
Der für die Beurteilung zugrunde zu legende Prognosemaßstab ist der der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014, a.a.O., juris Rn. 27 ff.). Die relevanten Rechtsgutsverletzungen müssen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser aus dem Tatbestandsmerkmal „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung“ des Art. 2 Buchstabe d QRL abzuleitende Maßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr abstellt („real risk“); dieser Maßstab ist kein anderer als der der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 -, BVerwGE 146, 67 Rn. 32). Er setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des gesamten zur Prüfung gestellten und relevanten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände die dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine qualifizierende bzw. bewertende Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines vernünftig denkenden und nicht übertrieben furchtsamen Menschen gerade in der Lage des konkreten Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar einzuschätzen ist. Unzumutbar kann eine Rückkehr in den Heimatstaat auch dann sein, wenn ein mathematischer Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50 Prozent für eine politische Verfolgung gegeben ist. In einem solchen Fall reicht zwar die bloße theoretische Möglichkeit einer Verfolgung nicht aus. Ein vernünftig denkender Mensch wird sie außer Betracht lassen. Ergeben jedoch die Gesamtumstände des Falls die „reale Möglichkeit“ einer flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Ein verständiger Betrachter wird bei der Abwägung aller Umstände daneben auch die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in seine Betrachtung einbeziehen. Wenn nämlich bei quantitativer Betrachtungsweise nur eine eher geringere mathematische Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung besteht, kann es auch aus der Sicht eines besonnenen Menschen bei der Überlegung, ob er in seinen Heimatstaat zurückkehren kann, einen ganz erheblichen Unterschied bedeuten, ob er z. B. lediglich eine Gefängnisstrafe von einem Monat oder aber Folter oder gar die Todesstrafe riskiert. Auch gilt: Je unabwendbarer eine drohende Verfolgung erscheint, desto unmittelbarer steht sie bevor. Je schwerer der befürchtete Verfolgungseingriff ist, desto weniger kann es dem Gefährdeten zugemutet werden, mit der Flucht zuzuwarten, bis der Verfolger unmittelbar vor der Tür steht. Das gilt auch dann, wenn der Eintritt der befürchteten Verfolgung von reiner Willkür abhängt, das befürchtete Ereignis somit im Grunde jederzeit eintreten kann, ohne dass allerdings im Einzelfall immer gesagt werden könnte, dass dessen Eintritt zeitlich in nächster Nähe bevorsteht. Die allgemeinen Begleitumstände, z.B. eine Willkürpraxis, die Repressionsmethoden gegen bestimmte oppositionelle oder verwundbare Gruppen, sind allgemeine Prognosetatsachen.
33 
Für die Beurteilung sind alle Akte zu berücksichtigen und einzustellen, denen der Ausländer ausgesetzt war oder die ihm gedroht hatten, um festzustellen, ob unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände diese Handlungen als Verfolgung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 QRL gelten können.
34 
Zur Erstellung der erforderlichen Prognose sind objektiviert die Prognosetatsachen nach den allgemeinen Maßstäben des verwaltungsverfahrensrechtlichen und verwaltungsgerichtlichen Regelbeweismaßes der Überzeugungsgewissheit zu ermitteln und festzustellen. Diese Tatsachen liegen regelmäßig teils in der Vergangenheit, teils in der Gegenwart. Sie müssen sodann in einer Gesamtschau verknüpft und gewissermaßen in die Zukunft projiziert werden. Auch wenn insoweit - wie sich bereits aus dem Gefahrbegriff ergibt - eine beachtliche Wahrscheinlichkeit ausreicht und deshalb ein „voller Beweis“ nicht erbracht werden kann, ändert dies nichts daran, dass das Gericht von der Richtigkeit seiner verfahrensfehlerfrei gewonnenen Prognose drohender Verfolgung die volle Überzeugung gewonnen haben muss.
35 
Der der Prognose zugrunde zu legende Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist unabhängig davon, ob bereits Vorverfolgung oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG (vgl. Art. 15 QRL) vorliegt (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014, a.a.O., juris Rn. 34 m.w.N.). Die Tatsache, dass ein Ausländer bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden ernsthaft bedroht war, ist allerdings ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Ausländers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden (vgl. Art. 4 Abs. 4 QRL); es besteht die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Den in der Vergangenheit liegenden Umständen wird Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft beigelegt. Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadenstiftenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland wiederholen werden. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden; hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Die nach Art. 4 Abs. 4 QRL maßgebenden stichhaltigen Gründe, die gegen eine erneute Verfolgung sprechen, können bei richtigem Verständnis der Norm letztlich keine anderen Gründe sein als die, die im Rahmen der „Wegfall der Umstände-Klausel“ des Art. 11 Abs. 1 Buchstabe e und f QRL maßgebend sind. Dafür spricht, dass der EuGH diese Grundsätze in einen Kontext mit der „Wegfall der Umstände-Klausel“ gestellt hat. Nur wenn die Faktoren, welche die Furcht des Flüchtlings begründeten, dauerhaft beseitigt sind, die Veränderung der Umstände also erheblich und nicht nur vorübergehend ist, wird die Beweiskraft der Vorverfolgung entkräftet. Würden mit Blick auf ein bestimmtes Herkunftsland statusrechtliche Entscheidungen wegen veränderter Umstände aufgehoben, ist es gerechtfertigt, dem Vorverfolgten im Asylverfahren die Umstände, welche die geänderte Einschätzung der Verfolgungssituation als stichhaltige Gründe leiten, entgegenzuhalten. In diesem Fall bleibt ihm dann die Möglichkeit, unter Hinweis auf besondere, seine Person betreffende Umstände nach Maßgabe des allgemeinen Wahrscheinlichkeitsmaßstabs erneut eine ihn treffende Verfolgung geltend zu machen.
36 
Gemessen an diesen Grundsätzen ist dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zuzuerkennen. Der Kläger befindet sich nicht aus begründeter Furcht vor Verfolgung außerhalb seines Herkunftslandes. Der Senat konnte aufgrund des bisherigen Ablaufs des Asylverfahrens und insbesondere aufgrund der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung und des in ihr von seiner Person gewonnenen Eindrucks nicht die erforderliche Überzeugung davon gewinnen, dass die nach seinem Vorbringen fluchtauslösende Teilnahme an einem Protestcamp im Jahre 2010 der Wahrheit entspricht. Selbst wenn man indes als wahr unterstellt, dass der Kläger seinen Angaben entsprechend an dem Protestcamp teilgenommen hat, würden die dann zugrunde zu legenden Tatsachen nach der Überzeugung des Senats keine Verfolgungsgefahr im oben genannten Sinne begründen.
37 
An der Glaubwürdigkeit des Klägers bestehen schon deshalb erhebliche Zweifel, weil seine Angaben zum zeitlichen Geschehensablauf nicht nachvollziehbar, sondern gänzlich widersprüchlich sind. Bereits die beim Bundesamt gemachten Angaben sind nicht miteinander vereinbar. So soll das Protestcamp vom 13. bis zum 27. oder 28.11.2010 stattgefunden haben. Nach der gewaltsamen Auflösung des Lagers will der Kläger nach einer Übernachtung zu Hause unmittelbar nach Mauretanien ausgereist sein. Andererseits gab er auch an, erst im Dezember 2010 seine Heimatstadt verlassen zu haben. Sein Erscheinen in Deutschland Ende Oktober 2011 erklärte er vor dem Bundesamt damit, dass er sich nach seiner Flucht fünf Monate in Mauretanien, drei Monate in Algerien, eine Woche in Tunesien und 15 Tage in Italien aufgehalten habe. Von sämtlichen Zeitangaben wich der Kläger bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung, zum Teil in gravierendem Maße, ab. So behauptete er nunmehr, das Lager habe am 11.11.2010 (bzw. nach seiner Richtigstellung auf eine weitere Frage am 01.11.2010) begonnen und ungefähr zehn Tage gedauert. Er sei eine bis zwei Wochen in Mauretanien gewesen, dann ungefähr einen Monat in Algerien, zwei Wochen in Tunesien. Von Tunesien nach Deutschland habe es insgesamt ungefähr 15 Tage gedauert. Auf den Vorhalt des Vorsitzenden, dass er doch angeblich erst im Herbst 2011 nach Deutschland gekommen sei, also erst fast ein Jahr nach dem Lager, hat er lediglich geäußert, es sei schon lange her und er wisse es nicht mehr. Die Ungereimtheiten des Vortrags sind so offensichtlich, dass sie kaum auflösbar erscheinen. Der Kläger ließ auch auf Vorhalt keinen Beitrag zur Auflösung der Widersprüche erkennen.
38 
Gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben zu seinem Verfolgungsschicksal sprechen auch die Angaben des Klägers zu seinen angeblichen Erlebnissen im Protestlager vor und nach dem Eingreifen der Sicherheitskräfte. Die Glaubhaftmachung der Fluchtgründe setzt eine schlüssige, nachprüfbare Darlegung voraus. Der Asylsuchende muss unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt schildern, aus dem sich - als wahr unterstellt - ergibt, dass ihm bei verständiger Würdigung politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Jedenfalls in Bezug auf die in seine eigene Sphäre fallenden Ereignisse und persönlichen Erlebnisse hat er eine Schilderung abzugeben, die geeignet ist, seinen Anspruch lückenlos zu tragen (BVerwG, Urteil vom 24.03.1987 - 9 C 321.85 -, NVwZ 1987, 701, m.w.N.). Daran fehlt es hier. Der Kläger machte lediglich sehr oberflächliche und stereotype Angaben, vermittelte aber nicht den Eindruck einer persönlichen Betroffenheit.
39 
Hinzu kommt, dass sich die dem Senat vorliegenden, veröffentlichten Erkenntnisse zu dem Protestlager auch nicht mit den Angaben des Klägers decken. Danach wurde das Protestlager bereits im Oktober 2010 eine längere Zeit betrieben, ehe es am 8./9. November 2010 gestürmt und geräumt wurde. In einer Information des Bundesamtes - Informationszentrum Asyl und Migration - heißt es zu den Vorkommnissen: „Zwischen dem 8. und 9. November 2010 kam es zu Zusammenstößen zwischen marokkanischen Sicherheitskräften und sahrauischen Zivilisten in Gdeim Izik, einem Wüstengebiet 16 km von Al Aaiun entfernt, wo 20.000 Sahrauis friedlich für eine Verbesserung ihrer sozialen und ökonomischen Situation demonstrierten. Dabei wurden 4.500 Menschen verletzt, 2.000 festgenommen“ (Bundesamt, Informationszentrum Asyl und Migration, Der Westsaharakonflikt, Juni 2014). In Presseberichten war auch von bis zu 14.000 Protestcamp-Teilnehmern (taz vom 23.10.2010), geschätzten 15.000 Bewohnern des Zeltlagers (NZZ vom 05.11.2010) beziehungsweise mehr als 10.000 demonstrierenden Saharauis (FAZ vom 10.11.2010) die Rede. Die Zeltstadt sei zunächst von marokkanischen Truppen umstellt worden, die Zugang und Versorgung kontrolliert hätten (FAZ vom 10.11.2010). Ein Jugendlicher sei getötet worden, nachdem das Fahrzeug, dessen Insasse er gewesen sei, an einem Kontrollpunkt nicht angehalten habe (FAZ vom 10.11.2010). Mit einer großangelegten Operation hätten marokkanische Sicherheitskräfte das Lager schließlich unter Einsatz von Tränengas und Wasserwerfern angegriffen und zum Teil niedergebrannt. Die Saharauis hätten mit Molotowcocktails und Schlagstöcken geantwortet. Polizisten seien erstochen, gesteinigt oder verbrannt worden (FAZ vom 10.11.2010). Die Zahl der ums Leben gekommenen Sicherheitskräfte wurde später mit acht beziffert, während die Polisario von mindestens elf getöteten Saharauis sprach (FAZ vom 11.11.2010). Die Sicherheitskräfte versuchten durch Ausgangssperren, Zugangssperren für ausländische Journalisten sowie Repressalien gegen die Anführer der Demonstranten die Lage zu „stabilisieren“ (FAZ vom 11.11.2010). Das Protestlager fand ausgehend von diesen Angaben in einem anderen Zeitraum als vom Kläger angegeben und mit einer wesentlich größeren Teilnehmerzahl als der vom Kläger angenommenen (800) statt.
40 
Selbst wenn man unterstellt, dass die Angaben des Klägers zutreffen, er habe an dem Protestcamp teilgenommen, würde dies keine Gefahr der politischen Verfolgung begründen. Angesichts der Tatsache, dass das Protestlager tausende Teilnehmer hatten, darunter - so auch der Kläger in seiner Anhörung - ganze Familien mit kleinen Kindern, erscheint es wirklichkeitsfremd, dass der marokkanische Staat ein Interesse daran haben könnte, jeden Teilnehmer aufzuspüren und mit Sanktionen zu belegen. Unabhängig davon ist auch die Annahme, alle Teilnehmer seien fotografiert oder gefilmt worden und dadurch polizeilich identifiziert, nicht haltbar. Bei der Räumung des Lagers setzten die Sicherheitskräfte Gewalt ein, wobei es nach den vorliegenden Berichten auch darum ging, gewaltsamen Widerstand zu brechen. Der Senat geht ferner davon aus, dass saharauische Aktivisten, soweit sie sich bei dem Lager als Anführer exponierten oder als gewalttätig auffielen, vom marokkanischen Staat belangt wurden, wobei neben Verhaftungen auch Verurteilungen und Misshandlungen stattgefunden haben dürften (vgl. Amnesty International, Rights Trampled - Protests, Violence and repression in Western Sahara, MDE 29/019/2010, wo u.a. von bis zu 200 Verhafteten die Rede ist). Eine Bedrohung des Klägers lässt sich daraus indes nicht ableiten. Bereits beim Bundesamt hat er selbst angegeben, sich friedlich verhalten und keine Probleme gemacht zu haben. Zudem war er zum Zeitpunkt, als das Lager gestürmt wurde, erst 15 Jahre alt. Es gibt keinen tragfähigen Anhaltspunkt dafür, dass der Kläger unter diesen Umständen in das Blickfeld möglicher Verfolger geraten sein könnte. Dies gilt umso mehr, als dem Vortrag des Klägers nicht geglaubt werden kann, Sicherheitskräfte hätten die Wohnung seiner Eltern auf der Suche nach ihm oder seinem Bruder aufgesucht. Diese beim Bundesamt gemachte Angabe hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung auch nicht wiederholt. Die Behauptung, sein älterer Bruder habe ebenfalls am Protestlager teilgenommen, erscheint schon deshalb zweifelhaft, weil der Kläger bei seiner Anhörung vor dem Senat auf die ausdrückliche Befragung nach anderen Verwandten im Camp zunächst lediglich angab, es sei noch ein Cousin im Lager gewesen. Erst auf den in einem anderen Zusammenhang erfolgten Vorhalt, er habe seinen Bruder bisher nicht erwähnt, korrigierte sich der Kläger dahingehend, dass auch der Bruder im Lager gewesen und sogar noch immer flüchtig sei. Der Kläger erweckte auch an dieser Stelle in hohem Maße den Eindruck der Unglaubwürdigkeit. Auch fiel auf, dass er sich vom Konkreten auf die allgemeine Aussage verlegte, es seien „alle jungen Männer“ damals da gewesen. Die Schilderungen des Klägers waren auch sonst so farblos und unbeteiligt, dass ihnen kein Glauben geschenkt werden kann.
41 
Eine Verfolgungsgefahr für den Kläger lässt sich auch nicht aus den allgemeinen Verhältnissen betreffend Saharauis in Marokko ableiten. Hierzu lässt sich dem Bericht des Auswärtigen Amts über die asyl- und abschieberelevante Lage im Königreich Marokko vom 25.01.2016, Stand: Dezember 2015, - soweit hier von Bedeutung - entnehmen:
42 
„Meinungs- und Pressefreiheit sind ausgeprägt und werden in Anspruch genommen. Allerdings bestehen rechtliche Einschränkungen: Die Überschreitung „roter Linien“ (Person und Rolle des Königs, Islam als Staatsreligion, territoriale Integrität (Westsahara)) wird strafrechtlich geahndet. Einschränkungen der Versammlungs- und Vereinsfreiheit betreffen insbesondere diese Bereiche (Lagebericht, S. 4). … Staatliche Repressionsmaßnahmen gegen bestimmte Personen oder Personengruppen wegen ihrer Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen ihrer politischen Überzeugung sind nicht festzustellen. Insbesondere gibt es keine Berichte zu extralegalen Tötungen, Verschwinden von Personen oder willkürlichen Verhaftungen. Offiziell und rechtlich gibt es keine politischen Gefangenen in Marokko (Lagebericht, S. 7). Mit Sanktionen für sich und teilweise auch seine Angehörigen muss jedoch rechnen, wer bei den verfassungsrechtlich geschützten und strafrechtlich bewehrten Tabuthemen Rolle der Monarchie, Islam als Staatsreligion und territoriale Integrität (gemeint ist die Zugehörigkeit der völkerrechtlich umstrittenen Westsahara zu Marokko) die offizielle Linie in Frage stellt. Marokkanische NROen sind der Auffassung, dass Strafverfahren zu anderen Tatbeständen (z.B. Ehebruch, Steuervergehen) oftmals nur als Deckmantel zur Verfolgung oder Einschüchterung politisch Andersdenkender sowie kritischer Journalisten dienen (Lagebericht, S. 8). … Kundgebungen in der Westsahara, die die Zugehörigkeit des Gebiets zu Marokko in Frage stellen, werden immer aufgelöst, auch unter Gewaltanwendung gegenüber den Demonstranten. NROen, die im Verdacht stehen, sich für die Unabhängigkeit der Westsahara einzusetzen, haben generell einen schwierigen Stand (Lagebericht, S. 9). … Nach dem Abzug der spanischen Kolonialmacht besetzte Marokko 1975 das südlich angrenzende Territorium der Westsahara, das nach marokkanischer Auffassung Teil des Staatsgebietes ist. Etwa 80.000 Sahraouis (Einwohner der Westsahara) flüchteten daraufhin 1976 nach Algerien (Tindouf), gründeten dort eine Exilregierung und führten mit Unterstützung Algeriens und Libyens bis 1991 einen Guerillakrieg gegen die marokkanischen Streitkräfte. Am 6. September 1991 schlossen Marokko und die Befreiungsbewegung Frente Polisario einen durch die VN vermittelten Waffenstillstand. Seitdem gibt es keinen offenen bewaffneten Konflikt mehr. Im weit überwiegenden Teil der Westsahara übt Marokko die effektive Staatsgewalt aus. Die Vereinten Nationen bemühen sich bislang ohne Erfolg, die Parteien zu einer Einigung über die Zukunft des Gebietes zu bewegen. Sahraouis genießen innerhalb Marokkos uneingeschränkte Bewegungsfreiheit. Mit Ausnahme von Polisario-Angehörigen und Personen, die sich für die Unabhängigkeit der Westsahara einsetzen, können sie Pässe erhalten und das Land verlassen. Auch Kontakte zu westlichen politischen Beobachtern und Botschaftsvertretern sind möglich. Die Behörden überwachen die politische Betätigung von Sahraouis allerdings enger als die anderer marokkanischer Staatsangehöriger. Sympathisanten der Polisario bzw. politisch aktive Unterstützer der Unabhängigkeit der Westsahara werden immer wieder schikaniert. Polizei und paramilitärische Einheiten gehen unvermindert gegen Personen vor, die der Unterstützung der Unabhängigkeit des Territoriums oder der Polisario verdächtigt werden (Lagebericht, S. 16).“
43 
Diesen Angaben entnimmt der Senat, dass lediglich exponierte Verfechter einer unabhängigen Westsahara - unter Umständen auch asylrelevanten - Repressionen durch den marokkanischen Staat ausgesetzt sein können. Zu diesem Personenkreis zählt der Kläger aber nicht.
44 
Zur Behandlung von Rückkehrern ist bekannt, dass das Stellen eines Asylantrags im Ausland nicht strafbar ist und nach Erkenntnissen des Auswärtigen Amts von den Behörden nicht als Ausdruck oppositioneller Gesinnung gewertet wird. Den Behörden ist bekannt, dass Asylanträge auch dazu dienen, eine längerfristige Aufenthaltsmöglichkeit im Ausland zu erlangen. Aus den letzten Jahren sind keine Fälle bekannt, in denen es zu einem Gerichtsurteil oder staatlichen Repressionsmaßnahmen wegen der Stellung eines Asylantrags oder wegen des in einem Asylantrag enthaltenen Vorbringens gekommen wäre (Lagebericht, S. 22). Auch die Stellung des Asylantrags löst somit für den Kläger keine Verfolgungsgefahr aus.
III.
45 
Der Kläger hat auch nicht den von ihm hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes. Plausible Anhaltspunkte dafür, dass ihm in seiner Heimat ein ernsthafter Schaden im Sinne von § 4 Abs. 1 AsylG drohen könnte, bestehen nach dem Gesagten nicht.
IV.
46 
Schließlich hat der Kläger auch nicht den weiter hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf die Feststellung des Bestehens eines nationalen Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AsylG. Auch insoweit gilt, dass für den Senat kein Sachverhalt ersichtlich ist, der das Vorliegen der genannten Verbote zu begründen in der Lage wäre.
V.
47 
Die Ausreiseaufforderung mit Abschiebungsandrohung und Fristsetzung in der durch die erfolgreiche Inanspruchnahme des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 VwGO gesetzlich (§ 37 Abs. 2 AsylG) auf 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens verlängerte Ausreisefrist ist bezüglich des Klägers nicht zu beanstanden. Sie findet ihre Grundlage in § 34 Abs. 1 AsylG in Verbindung mit § 59 AufenthG.
VI.
48 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Gerichtskosten werden nach § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert bestimmt sich nach § 30 RVG.
49 
Die Revision wird nicht zugelassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 03. Nov. 2016 - A 9 S 303/15 zitiert 15 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 4 Subsidiärer Schutz


(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt: 1. die Verhängung oder Vollstreckung der To

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3 Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft


(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich1.aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 83b Gerichtskosten, Gegenstandswert


Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 59 Androhung der Abschiebung


(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfal

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 102


(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende di

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 34 Abschiebungsandrohung


(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn 1. der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,2. dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wir

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3a Verfolgungshandlungen


(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die 1. auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen n

Rechtsanwaltsvergütungsgesetz - RVG | § 30 Gegenstandswert in gerichtlichen Verfahren nach dem Asylgesetz


(1) In Klageverfahren nach dem Asylgesetz beträgt der Gegenstandswert 5 000 Euro, in den Fällen des § 77 Absatz 4 Satz 1 des Asylgesetzes 10 000 Euro, in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes 2 500 Euro. Sind mehrere natürliche Personen an demselb

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 37 Weiteres Verfahren bei stattgebender gerichtlicher Entscheidung


(1) Die Entscheidung des Bundesamtes über die Unzulässigkeit nach § 29 Absatz 1 Nummer 4 des Antrags und die Abschiebungsandrohung werden unwirksam, wenn das Verwaltungsgericht dem Antrag nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung entspricht.

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 60 Auflagen


(1) Ein Ausländer, der nicht oder nicht mehr verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, und dessen Lebensunterhalt nicht gesichert ist (§ 2 Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes), wird verpflichtet, an dem in der Verteilentscheidung nach §

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 05. Okt. 2016 - A 10 S 332/12

bei uns veröffentlicht am 05.10.2016

Tenor Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 28. Juni 2010 - A 4 K 4167/09 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden Rechtszügen.Die

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 27. Aug. 2014 - A 11 S 1128/14

bei uns veröffentlicht am 27.08.2014

Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 10. April 2014 - A 12 K 2210/13 - wird zurückgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Berufungsverfahrens.Die Revision wird nicht zugelassen.
11 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 03. Nov. 2016 - A 9 S 303/15.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 12. März 2019 - 8 B 18.30274

bei uns veröffentlicht am 12.03.2019

Tenor I. Die Berufung wird zurückgewiesen. II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben. III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. IV. Die Revisio

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Urteil, 13. Feb. 2019 - 8 B 18.30257

bei uns veröffentlicht am 13.02.2019

Tenor I. Die Berufung wird zurückgewiesen. II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben. III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. IV. Die Revision

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Endurteil, 12. März 2019 - 8 B 18.30252

bei uns veröffentlicht am 12.03.2019

Tenor I. Die Berufung wird zurückgewiesen. II. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben. III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. IV. Die Revision wird

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Endurteil, 13. Feb. 2019 - 8 B 18.30261

bei uns veröffentlicht am 13.02.2019

Tenor I. Die Berufung wird zurückgewiesen. II. Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben. III. Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. IV. Die Revision wir

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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 28. Juni 2010 - A 4 K 4167/09 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt in erster Linie die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
Der am … 1968 geborene Kläger ist ein Staatsangehöriger Sri Lankas tamilischer Volkszugehörigkeit. Ihm wurde am 20.08.2008 in Colombo ein Reiseausweis ausgestellt. Er reiste am 04.09.2008 über den Flughafen Düsseldorf in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sogleich nach der Einreise wurde er von der Bundespolizei vernommen; hinsichtlich des Ergebnisses wird auf die darüber angefertigten Protokolle verwiesen.
Am 17.09.2008 stellte der Kläger beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen Asylantrag. Er wurde am 09.10.2008 zu seinem Begehren angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses wird auf die Niederschrift über die Anhörung verwiesen.
Am 09.11.2009 hat der Kläger (Untätigkeits-)Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben. Dieses hat mit Urteil vom 28.06.2010, nachdem die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet hatten, die Beklagte verpflichtet, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus: Ungeachtet, ob der Kläger bereits politische Verfolgung erlitten habe oder unmittelbar von ihr bedroht gewesen sei, habe er aufgrund der derzeitigen politischen Lage in Sri Lanka zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt bei einer Rückkehr in sein Heimatland mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit einer politischen Verfolgung zu rechnen. Auch nach (vorläufiger) Beendigung des Bürgerkriegs habe sich die Sicherheitslage noch nicht spürbar entspannt und der Ausnahmezustand bleibe bestehen. Es komme weiterhin zu einer Vielzahl von Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte, aber auch durch Dritte. Aus der Gesamtsituation ergebe sich, dass der Kläger jedenfalls für den Fall einer Rückkehr mit hinreichender Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung befürchten müsse. Denn der aus dem Norden stammende Kläger, der sich im Süden oder in Colombo niederlassen müsste, nachdem die Freizügigkeit immer noch in erheblichem Umfang eingeschränkt sei, müsse für den Fall einer Rückkehr damit rechnen, dass er dem Anfangsverdacht, der LTTE zuzugehören, ausgesetzt sei. Hieraus ergebe sich das konkrete Risiko, von den Sicherheitskräften verhaftet zu werden. Das Ende dieser Haft, die keiner gerichtlichen Kontrolle mehr unterliege, sei nicht abzusehen und mit dem Risiko erheblicher Misshandlungen verbunden. Diese erheblichen Gefahren, die an die unterstellte Unterstützung der LTTE anknüpften, begründeten unabhängig von einer Vorverfolgung die Gefahr politischer Verfolgung, sie stellten eine politisch motivierte Verfolgung dar, die an die tamilische Volkszugehörigkeit und die damit verbundene Vermutung der LTTE-Unterstützung anknüpfe.
Auf Antrag der Beklagten vom 27.07.2010 hat der damals zuständige 12. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg mit Beschluss vom 16.02.2012 - A 12 S 1863/10 - die Berufung gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil zugelassen. Mit einem am 05.03.2012 eingegangenen Schriftsatz vom 29.02.2012 hat die Beklagte die Berufung unter Stellung eines Antrags begründet. Sie macht im Wesentlichen geltend: Nach dem bisherigen klägerischen Vorbringen könne keine individuell erlittene Vorverfolgung oder eine Ausreise unter dem Druck bevorstehender Verfolgung festzustellen sein. Das Vorbringen des Klägers in den verschiedenen Verfahrensstadien sei erkennbar zu unterschiedlich geblieben, ohne dass sich dafür nachvollziehbare Gründe zeigten oder er dies anderweitig überzeugend hätte erklären können. Allein wegen der Zugehörigkeit zur tamilischen Volksgruppe drohe ihm keine beachtlich wahrscheinliche Verfolgung.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 28. Juni 2010 - A 4 K 4167/09 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt:
die Berufung zurückzuweisen,
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hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, ihm subsidiären Schutz zu gewähren,
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weiter hilfsweise festzustellen, dass nationale Abschiebungsverbote hinsichtlich Sri Lanka bestehen.
12 
Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil und führt ergänzend aus, er habe eine extralegale Entführung dargelegt, wobei allein diese Entführung und die Drohung mit einer Gefahr für Leib und Leben ein traumatisches Ereignis darstellten, das im Zusammenhang mit der Angst um die Familie dazu führe, dass bei einer Abschiebung oder Rückkehr ein so genanntes Wiederholungstrauma einsetze.
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Der Kläger ist in der Berufungsverhandlung zu den Gründen seines Asylbegehrens angehört worden; hinsichtlich seiner Angaben wird auf Anlage 1 der Niederschrift über die mündliche Verhandlung verwiesen.
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In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger folgenden Hilfsbeweisantrag gestellt (Anlage 2 der Niederschrift):
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Zum Beweis der Tatsachen,
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dass es aufgrund der 6-jährigen Dauer des Verfahrens beim VGH Baden-Württemberg bei einer Dauer von über 8 Jahren des Asylverfahrens insgesamt ein gravierender Vertrauensverstoß ist bzw. es gegen Treu und Glauben verstößt, jetzt nun nach dieser langen Zeit vom Urteil des Verwaltungsgericht Stuttgart abzuweichen, dass dies zum jetzigen Zeitpunkt eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 MRK wäre, ihm nach 8 Jahren Asylverfahren und 6 Jahren in der Rechtsstellung als Asylberechtigten diese nach dieser langen Dauer des Verfahrens wegzunehmen, und dass dies wegen der Dauer des Verfahrens und bei einer Aufhebung des verwaltungsgerichtlichen Urteils zu einer gravierenden psychischen Reaktion führen würde, auch im Sinne einer psychischen Erkrankung,
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wird beantragt,
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1. ein Gutachten eines sachverständigen Universitätsprofessors für Europäisches Recht einzuholen und
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2. ein Gutachten von Herrn Dr. ..., Facharzt für psychosomatische Medizin, Psychotherapie und Psychoanalytik, ... …, ...,
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einzuholen.
21 
Dem Senat liegen die Akten des Bundesamts und die Akten des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor. Hierauf sowie auf die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof gewechselten Schriftsätze wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
22 
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war. Denn auf diese Möglichkeit war in der Ladung zum Termin hingewiesen worden (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).
23 
Die nach Zulassung durch den 12. Senat des erkennenden Gerichtshofs statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg. Denn die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (I.) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (II.), keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter (III.), keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes (IV.) und keinen Anspruch auf die Feststellung des Bestehens eines nationalen Abschiebungsverbots (V.). Dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsbeweisantrag ist nicht zu entsprechen (VI.).
I.
24 
Für die Beurteilung des Begehrens des Klägers ist auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat abzustellen (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG). Maßgeblich in rechtlicher Hinsicht ist deshalb das zuletzt durch Art. 6 des Integrationsgesetzes vom 31.07.2016 (BGBl I S. 1939) geänderte Asylgesetz.
25 
Die erstinstanzlich gestellten Klageanträge sind im Hinblick auf die aktuelle Rechtslage, insbesondere auf die seit 01.12.2013 geltenden §§ 3 ff. AsylG (vgl. Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28.08.2013, BGBl I S. 3474), wie folgt zu verstehen und entsprechend in der mündlichen Verhandlung gestellt worden:
26 
Der auf die Verpflichtung zur Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a GG und zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerichtete Hauptantrag ist weder durch die genannte noch durch sonstige Gesetzesnovellen berührt worden.
27 
Der auf die Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG in der zum Zeitpunkt des Ergehens des verwaltungsgerichtlichen Urteils geltenden Fassung gerichtete erste Hilfsantrag ist nunmehr als Antrag auf die Verpflichtung zur Gewährung subsidiären Schutzes auszulegen. Denn in § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG sind die bisher in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG enthaltenen Abschiebungsverbote zusammengefasst worden (vgl. BT-Drs. 17/13063, S. 25).
28 
Der auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG „höchsthilfsweise“ gestellte Hilfsantrag kann ohne Änderung weiterverfolgt werden; die Vorschriften sind nicht geändert worden.
II.
29 
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 4 AsylG.
30 
1. Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG oder das Bundesamt hat nach § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG von der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG abgesehen. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl 1953 II S. 559), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugungen oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
31 
Nach § 3a Abs. 1 AsylG (vgl. auch Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl EU L 337/9; so genannte Qualifikationsrichtlinie - QRL -) gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die 1. auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist, oder 2. in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Nach § 3a Abs. 2 AsylG (vgl. Art. 9 Abs. 2 QRL) können als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG u. a. gelten: 1. die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, 2. gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, 3. unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, 4. Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, 5. Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen, 6. Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind. Nach § 3a Abs. 3 AsylG (vgl. Art. 9 Abs. 3 QRL) muss zwischen den Verfolgungsgründen und den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1128/14 - juris Rn. 24 a.E.).
32 
Die Verfolgung kann nach § 3c AsylG (vgl. Art. 6 QRL) ausgehen von 1. dem Staat, 2. Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder 3. nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, im Sinne des § 3d AsylG (vgl. Art. 7 QRL) Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
33 
Der Charakter einer Verfolgungshandlung erfordert, dass das Verhalten des betreffenden Akteurs im Sinne einer objektiven Gerichtetheit auf die Verletzung eines nach § 3a AsylG (Art. 9 QRL) geschützten Rechtsguts selbst zielt (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1128/14 - juris Rn. 26 m.w.N.).
34 
Der für die Beurteilung zugrunde zu legende Prognosemaßstab ist der der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1128/14 - juris Rn. 27 ff.). Die relevanten Rechtsgutsverletzungen müssen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser aus dem Tatbestandsmerkmal „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung“ des Art. 2 Buchstabe d QRL abzuleitende Maßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr abstellt („real risk“); dieser Maßstab ist kein anderer als der der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67 Rn. 32 = NVwZ 2013, 936 Rn. 32). Er setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des gesamten zur Prüfung gestellten und relevanten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände die dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine qualifizierende bzw. bewertende Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines vernünftig denkenden und nicht übertrieben furchtsamen Menschen gerade in der Lage des konkreten Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar einzuschätzen ist. Unzumutbar kann eine Rückkehr in den Heimatstaat auch dann sein, wenn ein mathematischer Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50 Prozent für eine politische Verfolgung gegeben ist. In einem solchen Fall reicht zwar die bloße theoretische Möglichkeit einer Verfolgung nicht aus. Ein vernünftig denkender Mensch wird sie außer Betracht lassen. Ergeben jedoch die Gesamtumstände des Falls die „reale Möglichkeit“ einer flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Ein verständiger Betrachter wird bei der Abwägung aller Umstände daneben auch die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in seine Betrachtung einbeziehen. Wenn nämlich bei quantitativer Betrachtungsweise nur eine eher geringere mathematische Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung besteht, kann es auch aus der Sicht eines besonnenen Menschen bei der Überlegung, ob er in seinen Heimatstaat zurückkehren kann, einen ganz erheblichen Unterschied bedeuten, ob er z. B. lediglich eine Gefängnisstrafe von einem Monat oder aber Folter oder gar die Todesstrafe riskiert. Auch gilt: Je unabwendbarer eine drohende Verfolgung erscheint, desto unmittelbarer steht sie bevor. Je schwerer der befürchtete Verfolgungseingriff ist, desto weniger kann es dem Gefährdeten zugemutet werden, mit der Flucht zuzuwarten, bis der Verfolger unmittelbar vor der Tür steht. Das gilt auch dann, wenn der Eintritt der befürchteten Verfolgung von reiner Willkür abhängt, das befürchtete Ereignis somit im Grunde jederzeit eintreten kann, ohne dass allerdings im Einzelfall immer gesagt werden könnte, dass dessen Eintritt zeitlich in nächster Nähe bevorsteht. Die allgemeinen Begleitumstände, z. B. eine Willkürpraxis, die Repressionsmethoden gegen bestimmte oppositionelle oder verwundbare Gruppen, sind allgemeine Prognosetatsachen.
35 
Für die Beurteilung sind alle Akte zu berücksichtigen und einzustellen, denen der Ausländer ausgesetzt war oder die ihm gedroht hatten, um festzustellen, ob unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände diese Handlungen als Verfolgung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 QRL gelten können.
36 
Zur Erstellung der erforderlichen Prognose sind objektiviert die Prognosetatsachen nach den allgemeinen Maßstäben des verwaltungsverfahrensrechtlichen und verwaltungsgerichtlichen Regelbeweismaßes der Überzeugungsgewissheit zu ermitteln und festzustellen. Diese Tatsachen liegen regelmäßig teils in der Vergangenheit, teils in der Gegenwart. Sie müssen sodann in einer Gesamtschau verknüpft und gewissermaßen in die Zukunft projiziert werden. Auch wenn insoweit - wie sich bereits aus dem Gefahrbegriff ergibt - eine beachtliche Wahrscheinlichkeit ausreicht und deshalb ein „voller Beweis“ nicht erbracht werden kann, ändert dies nichts daran, dass das Gericht von der Richtigkeit seiner verfahrensfehlerfrei gewonnenen Prognose drohender Verfolgung die volle Überzeugung gewonnen haben muss.
37 
Die Gefahr eigener Verfolgung für einen Ausländer, der die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begehrt, kann sich nicht nur aus gegen ihn selbst gerichteten Maßnahmen ergeben, sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (zur so genannten Gruppenverfolgung vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1128/14 - juris Rn. 30 ff.). Dabei ist je nach den tatsächlichen Gegebenheiten auch zu berücksichtigen, ob die Verfolgung allein an ein bestimmtes unverfügbares Merkmal wie die Religionszugehörigkeit anknüpft oder ob für die Bildung der verfolgten Gruppe und die Annahme einer individuellen Betroffenheit weitere Umstände oder Indizien hinzutreten müssen. Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt - abgesehen von den Fällen eines (staatlichen) Verfolgungsprogramms - ferner eine bestimmte „Verfolgungsdichte“ voraus, welche die „Regelvermutung“ eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen. Ob eine in dieser Weise spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin „wegen“ eines der in § 3b AsylG genannten Merkmale erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten.
38 
Für die Gruppenverfolgung (wie auch für jede Individualverfolgung) gilt weiter, dass sie mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, d. h. wenn keine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die auch vom Zufluchtsland aus erreichbar sein muss (vgl. § 3e AsylG, Art. 8 QRL).
39 
Diese ursprünglich zum Asylgrundrecht für die unmittelbare und die mittelbare staatliche Gruppenverfolgung entwickelten Grundsätze können prinzipiell auf die Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure übertragen werden, wie sie durch § 3c Nr. 3 AsylG (vgl. Art. 6 Buchstabe c QRL) ausdrücklich als flüchtlingsrechtlich relevant geregelt ist.
40 
Ob Verfolgungshandlungen das Kriterium der Verfolgungsdichte erfüllen, ist von den Tatsachengerichten aufgrund einer wertenden Betrachtung im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung zu entscheiden. Dabei muss zunächst die Gesamtzahl der Angehörigen der von Verfolgungshandlungen betroffenen Gruppe ermittelt werden. Weiter müssen Anzahl und Intensität aller Verfolgungsmaßnahmen, gegen die Schutz weder von staatlichen Stellen noch von staatsähnlichen Herrschaftsorganisationen im Sinne des § 3c Nr. 1 und 2 AsylG einschließlich internationaler Organisationen zu erlangen ist, festgestellt und hinsichtlich der Anknüpfung an ein oder mehrere unverfügbare Merkmale im Sinne von § 3b AsylG nach ihrer objektiven Gerichtetheit zugeordnet werden. Alle danach gleichgleichgearteten, auf eine nach denselben Merkmalen zusammengesetzte Gruppe bezogenen Verfolgungsmaßnahmen müssen schließlich zur ermittelten Größe dieser Gruppe in Beziehung gesetzt werden, weil eine bestimmte Anzahl von Eingriffen, die sich für eine kleine Gruppe von Verfolgten bereits als bedrohlich erweist, gegenüber einer großen Gruppe vergleichsweise geringfügig erscheinen kann. Diese Maßstäbe haben auch bei der Anwendung der Richtlinie 2011/95/EU Gültigkeit.
41 
Der der Prognose zugrunde zu legende Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist unabhängig davon, ob bereits Vorverfolgung oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG (vgl. Art. 15 QRL) vorliegt (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1128/14 - juris Rn. 34 m.w.N.). Die Tatsache, dass ein Ausländer bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden ernsthaft bedroht war, ist allerdings ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Ausländers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden (vgl. Art. 4 Abs. 4 QRL); es besteht die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Den in der Vergangenheit liegenden Umständen wird Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft beigelegt. Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadenstiftenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland wiederholen werden. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden; hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Die nach Art. 4 Abs. 4 QRL maßgebenden stichhaltigen Gründe, die gegen eine erneute Verfolgung sprechen, können bei richtigem Verständnis der Norm letztlich keine anderen Gründe sein als die, die im Rahmen der „Wegfall der Umstände-Klausel“ des Art. 11 Abs. 1 Buchstabe e und f QRL maßgebend sind. Dafür spricht, dass der EuGH diese Grundsätze in einen Kontext mit der „Wegfall der Umstände-Klausel“ gestellt hat. Nur wenn die Faktoren, welche die Furcht des Flüchtlings begründeten, dauerhaft beseitigt sind, die Veränderung der Umstände also erheblich und nicht nur vorübergehend ist, wird die Beweiskraft der Vorverfolgung entkräftet. Würden mit Blick auf ein bestimmtes Herkunftsland statusrechtliche Entscheidungen wegen veränderter Umstände aufgehoben, ist es gerechtfertigt, dem Vorverfolgten im Asylverfahren die Umstände, welche die geänderte Einschätzung der Verfolgungssituation als stichhaltige Gründe leiten, entgegenzuhalten. In diesem Fall bleibt ihm dann die Möglichkeit, unter Hinweis auf besondere, seine Person betreffende Umstände nach Maßgabe des allgemeinen Wahrscheinlichkeitsmaßstabs erneut eine ihn treffende Verfolgung geltend zu machen.
42 
2. Dem Kläger ist die Flüchtlingseigenschaft nicht aus individuellen Verfolgungsgründen zuzuerkennen. Der Senat konnte aufgrund des bisherigen Ablaufs des Asylverfahrens und insbesondere aufgrund der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung und des in ihr von seiner Person gewonnenen Eindrucks nicht die erforderliche Überzeugung davon gewinnen, dass die nach seinem Vorbringen fluchtauslösende Entführung und Erpressung durch die EPDP oder die Karuna-Gruppe der Wahrheit entspricht. Vielmehr spricht nach Auffassung des Senats vieles dafür, dass der Kläger den wahren Grund für seine Ausreise nach wie vor für sich behält.
43 
An der Glaubwürdigkeit des Klägers bestehen zunächst aus dem Grund ganz erhebliche Zweifel, dass er im zeitlichen Zusammenhang mit seiner Einreise im September 2008 nicht miteinander in Einklang zu bringende Angaben zu den Gründen seiner Flucht gemacht hat. So gab er bei der Bundespolizei im Wesentlichen an, er habe schon seit zwei Jahren versucht, Sri Lanka zu verlassen, sei seit über zehn Jahren Mitglied der LTTE, habe lange Zeit das sri-lankische Militär mit Bargeld bestochen und müsse damit rechnen, vom Militär grundlos verhaftet zu werden. Von einer Entführung und Erpressung durch Mitglieder tamilischer regierungsnaher Organisationen war nicht im Ansatz die Rede. Es besteht für den Senat keine Veranlassung, daran zu zweifeln, dass der Kläger die in den Wortprotokollen über die Vernehmungen niedergelegten Angaben gemacht hat. Nicht zuletzt wurden die Vernehmungen, bei denen ein Dolmetscher für die tamilische Sprache eingebunden war, ausweislich von beigefügten Vermerken dem Kläger vorgelesen und von ihm genehmigt. Plausible Gründe dafür, dass die Vernehmungen unrichtig wiedergegeben worden sein könnten, hat der Kläger im Übrigen auch in der mündlichen Verhandlung nicht gemacht; er hat sich - darauf angesprochen - mehrmals darauf beschränkt zu bestreiten, die in den Protokollen festgehaltenen Angaben gemacht zu haben. Eine ganz andere Verfolgungsgeschichte hat der Kläger dann in seiner Anhörung beim Bundesamt erzählt: Grund für seine Ausreise sei gewesen, dass Leute ihn mitgenommen und von ihm Geld verlangt hätten; dann hätten sie ihn wieder gehen lassen. Auf Nachfragen des Anhörenden berichtete er unter anderem, die Entführung habe am 14.04.2008 stattgefunden, er sei sechs Tage in einem Haus festgehalten und ihm sei dann eine dreimonatige Zahlungsfrist gewährt worden.
44 
Die angebliche Entführung und Erpressung hat der Kläger dann auch in der mündlichen Verhandlung als Ereignis genannt, das bei ihm erst den Entschluss zur Flucht ins Ausland hat reifen lassen. Allerdings konnte er dem Senat nicht den Eindruck vermitteln, von etwas tatsächlich Erlebtem zu berichten; es spricht vielmehr viel dafür, dass der Kläger ein Schicksal, das andere Personen erlitten haben, auf sich projiziert hat. Auf die eingangs seiner Anhörung gestellte Frage nach dem Grund seiner Ausreise nannte der Kläger in einigen wenigen Sätzen lediglich Eckpunkte der angeblichen Entführung und Erpressung. Wesentlich ausführlicher, detailreicher und nach Einschätzung des Senats durchaus glaubhaft wurden dann erst die Schilderungen seines Reisewegs, auf die sich die Fragestellung indes überhaupt nicht erstreckte. Die gezielten Nachfragen brachten dann auch keine Ausführungen, die den Schluss zulassen könnten, dass sich das Geschehen tatsächlich so wie vom Kläger behauptet ereignet hat. In diesem Zusammenhang merkt der Senat an, dass ihm selbstverständlich bewusst ist, dass die Erinnerung an Ereignisse mit zunehmendem Zeitablauf nachlässt; allerdings wäre die vom Kläger behauptete Entführung und Erpressung ein so einschneidendes Ereignis gewesen, dass auch nach über acht Jahren zu erwarten gewesen wäre, dass der Kläger zumindest einige für die Richtigkeit seiner Angaben sprechende Details hätte schildern können. Das hat er indes nicht getan. Auf die gezielten Fragen antwortete er meist wortkarg. Einzelheiten zu dem Raum etwa, in dem er immerhin sechs Tage festgehalten worden sein will, konnte er mit Ausnahme solcher, die letztlich nur ein geringes Maß an Einfallsreichtum erfordern (angebliche Größe, weiße Wandfarbe, Licht an der Decke) nicht liefern. Angaben dazu, ob der Raum Fenster hatte, wie er möbliert war und dabei insbesondere, ob er eine als solche zu bezeichnende Schlafgelegenheit hatte, wie sie eigentlich zu erwarten gewesen wären, machte der Kläger nicht. Auf die Forderungen der Entführer angesprochen verwies der Kläger stets nur auf deren Verlangen von Geld. Mit welchen Nachteilen die Entführer für den Fall der Nichtzahlung gedroht haben, war dem Kläger keiner nähren Erwähnung wert. Blass blieben auch die Ausführungen zu der angeblichen Folter. Nachdem er zunächst lediglich die Behauptung von Folter in den Raum gestellt hatte, verwies er auf Nachfrage nur darauf, dass er geschlagen worden sei. Auf weitere Nachfrage gab er sodann an, er sei mit Stiefeln getreten und mit einem Holzknüppel geschlagen worden. Wie viele Personen ihn angeblich geschlagen und getreten haben, welche Körperstellen betroffen waren und ob und welche Verletzungen er infolge der Misshandlungen erlitten hat, blieb unerwähnt. Hinzu kommt, dass es sich insoweit um gesteigertes Vorbringen handelt, da der Kläger die Thematik „Folter“ erstmals vor dem Senat erwähnt hat. Auf entsprechenden Vorhalt hat er lediglich erklärt, er sei wohl bei seiner Anhörung nicht ausdrücklich danach gefragt worden. Sollte er allerdings tatsächlich gefoltert worden sein, erscheint es fernliegend, dass er auf diesen Umstand nicht von sich aus hingewiesen hätte.
45 
Gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben zu seinem Verfolgungsschicksal sprechen auch seine Angaben zu dem weiteren Geschehen nach seiner angeblichen Freilassung. Davon, dass die Erpresser bereits im Juni 2008 bei ihm zu Hause vorbeigekommen seien, wie er es in seiner Anhörung beim Bundesamt erzählt hat, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht berichtet. Vielmehr verwies er darauf, dass die Erpresser seine bisherige Unterkunft am 20.07.2008, dem Tag des angeblichen Fristablaufs, aufgesucht hätten. Diese Angabe passt allerdings in keiner Weise zu den Ausführungen seiner Ehefrau in dem dem Bundesamt vorgelegten Brief vom 15.10.2008, wonach die Entführungsbande jetzt häufiger zu ihr nach Hause komme. Erst nach zahlreichen, eindringlichen Nachfragen, nicht zuletzt seines Prozessbevollmächtigten, gab der Kläger an, dass es auch nachfolgend - zuletzt im Jahr 2009 oder im Jahr 2010 - Probleme gegeben habe. In diesem Zusammenhang hat der Kläger auch einerseits angegeben, seine Ehefrau lasse sich durch ihren Bruder bei Besuchen der Erpresser verleugnen. Andererseits gab der Kläger an, es gebe Probleme, wenn die Erpresser seine Ehefrau sehen.
46 
Offenbleiben kann nach Vorstehendem, ob die Entführung und Erpressung überhaupt von flüchtlingsschutzrelevanter Bedeutung gewesen wären. In Betracht käme hier lediglich eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure (vgl. § 3c Nr. 3 AsylG). Der Kläger hat auf die Frage, weshalb er als Opfer der Entführung und Erpressung ausgewählt worden sei, geantwortet, dies sei geschehen, weil er wohlhabend gewesen sei. Diese Aussage ist zunächst erstaunlich, will der Kläger die - nach seiner Angabe in der mündlichen Verhandlung, die nicht mit der Angabe in der Anhörung beim Bundesamt übereinstimmt (damals: drei Millionen Rupien) - für die Organisation der Ausreise gezahlten zwei Millionen Rupien insbesondere durch den Verkauf von Goldschmuck seiner Frau und die Aufnahme eines Darlehens aufgebracht haben. Der Aussage lässt sich aber vor allem entnehmen, dass sich der Kläger zumindest im Wesentlichen als Opfer krimineller Machenschaften sah; eine Verbindung mit seiner tamilischen Volkszugehörigkeit oder gar seiner behaupteten Unterstützungstätigkeiten für die LTTE war für den Senat nicht erkennbar.
47 
Eine staatliche Verfolgung hat der Kläger schon nicht als Grund für seine Ausreise behauptet. Nicht zuletzt da dem Kläger offensichtlich ohne Probleme ein Reiseausweis ausgestellt wurde und er legal und ungehindert das Land verlassen konnte, bestehen hierfür auch keine hinreichenden Anhaltspunkte. Die vom Kläger erst auf Nachfragen angeführten Unterstützungstätigkeiten für die LTTE (Helfen beim Aufbauen und Dekorieren einer Bühne) waren, die Richtigkeit der Angaben unterstellt, allenfalls von untergeordneter Bedeutung. Dass er konkret durch sie ins Visier der Sicherheitskräfte geraten sein könnte, hat er bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung gerade nicht vorgetragen. Es blieb insoweit bei der allgemein gehaltenen Behauptung, Armeeangehörige hätten die Veranstaltungen an den Großheldentagen überwacht.
48 
3. Auch eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wegen Gruppenverfolgung kommt nicht in Betracht.
49 
Tamilen waren zum Zeitpunkt der Ausreise des Klägers im August 2008 keiner Gruppenverfolgung ausgesetzt (dazu a). Sie sind es auch heute nicht (dazu b).
50 
a) Die Lage in Sri Lanka stellt sich im Hinblick auf den Asylantrag des Klägers und bezogen auf den Zeitpunkt seiner Ausreise im Wesentlichen wie im Urteil des erkennenden Gerichtshofs vom 09.11.2010 (A 4 S 703/10, juris) bezogen auf das Jahr 2007 dar. Dort heißt es (a.a.O. Rn. 46 ff.):
51 
Die Lage in Sri Lanka stellte sich 2007 nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnissen wie folgt dar:
52 
In Sri Lanka lebten 2007 geschätzt 20,01 Millionen Menschen. Der Anteil der tamilischen Bevölkerung lag ungefähr bei 10 % (Fischer-Weltalmanach 2010, S. 474). Nach den Angaben des Ministeriums für Volkszählung und Statistik lebten 2006 im Großraum Colombo 2.251.274 Einwohner, davon waren 247.739 tamilische Volkszugehörige sri-lankischer Staatsangehörigkeit und 24.821 indische Tamilen (vgl. UK Home Office, Country of Origin Report Sri Lanka vom 15.11.2007, S. 122, Nr. 20.13).
53 
Die innenpolitische Lage Sri Lankas war von dem jahrzehntelangen ethnischen Konflikt zwischen Singhalesen und Tamilen bestimmt. Das Waffenstillstandsabkommen zwischen der Regierung [und] der tamilischen Rebellenorganisation Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) aus dem Februar 2002 war von Präsident Rajapakse im Januar 2008 offiziell aufgekündigt worden, nachdem es von beiden Seiten seit langem nicht mehr eingehalten worden war. Bereits ab November 2005 war es zu einer drastischen Zunahme von Waffenstillstandsverletzungen durch die LTTE und die im Jahr zuvor von ihr abgespaltene, mit der Regierung kollaborierende Karuna-Gruppe unter „Oberst Karuna“ (Muralitharan Vinayagamurthi), einem ehemaligen Vertrauten des LTTE-Führers Prabahakaran, gekommen. Seit April 2006 hatte die Regierung versucht, die LTTE, die zu diesem Zeitpunkt noch den Norden und Osten des Landes kontrollierte, mit offensiven Maßnahmen zurückzudrängen. Ab Mitte 2006 war es dann zu großflächigen, längeren Kampfhandlungen gekommen. Unterstützt von den paramilitärischen Einheiten der Karuna-Gruppe, die sich als Vertretung der Ost-Tamilen verstand, konnten die Streitkräfte im Juli 2007 nach den vorhergehenden Rückzug der LTTE-Soldaten die letzten von der LTTE gehaltenen Stellungen im Osten Sri Lankas einnehmen (Lagebericht des AA vom 07.04.2009, Stand März 2009, S. 5).
54 
Eine systematische und direkte Verfolgung bestimmter Personen oder Personengruppen wegen Rasse, Nationalität oder politischer Überzeugung von Seiten der Regierung fand seit dem Waffenstillstandsabkommen von 2002 nicht statt (Lageberichte des AA vom 26.06.2007, Stand Juni 2007, S. 6 und vom 05.02.2008, Stand Februar 2008, S. 7). Allerdings standen Tamilen im Generalverdacht, die LTTE zu unterstützen, und mussten mit staatlichen Repressionen rechnen. Sie wurden nicht allein aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit systematisch verfolgt. Sie sind aber - durch ihre tamilische Sprache und die entsprechenden Einträge in Ausweiskarten für die Sicherheitskräfte leicht identifizierbar - in eine Art Generalverdacht der Sicherheitskräfte geraten. Die ständigen Razzien, Pkw-Kontrollen und Verhaftungen bei Vorliegen schon geringster Verdachtsmomente richteten sich vor allem gegen Tamilen. Durch die Wiedereinführung des „Terrorism Prevention Act“ Ende 2006 - ein Notstandsgesetz, das Verhaftungen ohne Haftbefehl und eine Inhaftierung bis zu 18 Monaten erlaubt, wenn die Behörden insbesondere den Verdacht terroristischer Aktivitäten haben (vgl. SFH, Sri Lanka, Aktuelle Situation, Update vom 11.12.2008, S. 3) - war die richterliche Kontrolle solcher Verhaftungen kaum mehr gewährleistet. Wer verhaftet wurde, musste mit längerer Inhaftierung rechnen, ohne dass es zu weiteren Verfahrensschritten oder gar einer Anklageerhebung hat kommen müssen (Lagebericht des AA vom 05.02.2008, Stand Februar 2008, S. 8). So wurden am 30. und 31.12.2005 im Rahmen der von Militär und Polizei in Colombo durchgeführten Operation „Strangers Night III.“ 920 Personen, die weit überwiegende Mehrheit Tamilen, verhaftet (Human Rights Watch, Return to War - Human Rights under Siege - August 2007, S. 74).
55 
Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) hat in seiner Stellungnahme zum Bedarf an internationalem Schutz von Asylsuchenden aus Sri Lanka vom 01.02.2007, die eine Zusammenfassung und Teilübersetzung der „UNHCR Position on the International Protection Needs of Asylum-Seekers from Sri Lanka (December 2006)“ enthält, unter anderem ausgeführt, dass von der sich dramatisch verschlechternden Menschenrechtslage im besonderem Maße Tamilen aus dem Norden und Osten des Landes betroffen seien. Aus der Stellungnahme ergibt sich, dass bei dem Verdacht, dass sie Verbindungen zur LTTE unterhalten, Menschenrechtsverletzungen durch die staatlichen Behörden oder mutmaßlich von der Regierung gestützte Paramilitärs drohten (S. 2). Für Tamilen aus Colombo bestand aufgrund der im April bzw. Dezember 2006 drastisch verschärften Sicherheitsbestimmungen ein erhöhtes Risiko, willkürlichen, missbräuchlichen Polizeimaßnahmen - insbesondere Sicherheitskontrollen, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, Hausdurchsuchungen oder Leibesvisitationen - unterworfen zu werden. Tamilen aus Colombo waren darüber hinaus besonders gefährdet, Opfer von Entführungen, Verschleppungen oder Tötungen zu werden. Zwischen dem 20.08.2006 und dem 02.09.2006 waren Presseberichten zufolge mehr als 25 Tamilen entführt worden, nur zwei Personen waren bis zum Dezember 2006 wieder freigekommen (S. 2 f.). Diese Maßnahmen zur Bekämpfung der dauernden Bedrohung durch terroristische Attacken im Großraum Colombo waren teilweise für die gesamte tamilische Minderheit bedrohlich und stellten ihre Sicherheit in Frage. Extralegale Tötungen, die seit jeher Teil des Konflikts gewesen waren, wurden seit Dezember 2005 auch in signifikanter Zahl von Regierungsseite verübt. Viele Taten sind an gewöhnlichen Personen begangen worden, die kaum erkennbar in Verbindung zu dem Konflikt standen. Teilweise handelte es sich um Teile eines Musters, die LTTE anzugreifen, teilweise geschahen sie aus politischen Motiven. Sie konnten aber auch einen kriminellen Hintergrund haben (Asylsuchende aus Sri Lanka, Position der SFH vom 01.02.2007 S. 5).
56 
Die International Crisis Group hat in ihrem Bericht vom 14.06.2007 (Sri Lanka’s Human Rights Crisis, Asia Report N. 135) unter anderem festgehalten, dass die Anzahl der Verschwundenen in den letzten achtzehn Monaten nur schwerlich mit Sicherheit festzustellen sei. Verschiedene verlässliche Quellen berichteten von mehr als 1.500 Betroffenen, wobei das Schicksal von mindestens 1.000 Personen unklar gewesen sei. Die höchste Anzahl von Betroffenen sei in den von der Regierung kontrollierten Bereichen Jaffnas festzustellen gewesen. Dort seien 731 Fälle registriert worden, in 512 Fällen gebe es noch keine Aufklärung. Im Großraum Colombo sei es zu mehr als 70 berichteten Fällen von Entführungen und des Verschwindenlassens gekommen. Die meisten der Betroffenen seien junge tamilische Volkszugehörige gewesen, die der Zusammenarbeit mit der LTTE verdächtigt worden seien. Auch eine Vielzahl von Personen ohne Verbindung zur LTTE seien Opfer dieses Verschwindenlassens geworden.
57 
Human Rights Watch (HRW) geht in seinem Bericht aus dem August 2007 (Return to War - Human Rights under Siege -) davon aus, dass Entführungen und Fälle des Verschwindenlassens seit August 2006 auch in Colombo zu einer weitverbreiteten Erscheinung geworden seien. Die Organisation gelangt auf der Grundlage von Gesprächen mit 26 Familien von verschwundenen Personen zu dieser Aussage (S. 53 f.). Landesweit geht HRW für den Zeitraum vom 14.09.2006 bis zum 25.02.2007 von 2.020 Fällen Entführter oder sonst verschwundener Personen aus. „Ungefähr 1.134 Personen“ seien lebend wieder aufgefunden worden, die anderen seien weiterhin vermisst (S. 7).
58 
Nach dem Country Report on Human Rights Practices zu Sri Lanka des U.S. Department of State 2007 vom 11.03.2008 waren extralegale Tötungen in Jaffna an der Tagesordnung. Zwischen dem 30.11.2007 und dem 02.12.2007 sind nach zwei Bombenangriffen der LTTE in und um Colombo beinahe 2.500 tamilische Volkszugehörige in der Hauptstadt und geschätzte 3.500 Tamilen im ganzen Land verhaftet worden. Die Inhaftierten, überwiegend männliche tamilische Zivilisten sollen allein aufgrund ihrer tamilischen Nachnamen verhaftet worden sein. Die überwiegende Mehrheit von ihnen wurde bald wieder freigelassen. Zum Jahreswechsel waren nur noch zwölf von 372 im Boosa detention camp Inhaftierten in Gewahrsam.
59 
Aus diesen Erkenntnissen lässt sich selbst dann, wenn alle Angaben zutreffen sollten, zum Zeitpunkt der Ausreise des Klägers Ende November 2007 nicht auf eine Gruppenverfolgung der Gruppe der (jüngeren männlichen) Tamilen schließen. Ein staatliches Verfolgungsprogramm lässt sich nicht feststellen. Nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amts wurde keine Volksgruppe gezielt allein wegen eines unveränderlichen Merkmals verfolgt. Die Anzahl der festzustellenden Übergriffe lässt nicht ohne weiteres auf die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit eines jeden Gruppenmitglieds schließen. Selbst wenn alle Übergriffe im Großraum Colombo zwischen November 2005 und Dezember 2007 dem sri-lankischen Staat zuzurechnen wären - tatsächlich sind dabei auch Übergriffe der LTTE und „rein kriminelle Übergriffe“ mit dem Ziel der Lösegelderpressung unter den registrierten Fällen - und alle Inhaftierungen - auch die von bloß kurzer Dauer von nicht mehr als drei Tagen - gezählt werden, ist das Verhältnis von 3.400 Verhaftungen zu mehr als 240.000 tamilischen Einwohnern angesichts des Zeitraums von zwei Jahren nicht geeignet, eine Regelvermutung der Gefährdung eines jeden Gruppenmitglieds zu rechtfertigen. Zieht man darüber hinaus in Betracht, dass 2.500 der Inhaftierten nach kurzer Zeit wieder freigelassen worden sind und damit keine Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 RL 2004/83/EG erdulden mussten, ergibt sich eine Betroffenheit von 0,3 % der gesamten tamilischen Bevölkerung. Dieser - für die Bewertung des Standards der Achtung der Menschenrechte insoweit gleichwohl hohe - Prozentsatz der Betroffenen innerhalb eines Zweijahreszeitraums führt nicht zum Schluss auf die erforderliche aktuelle Gefahr der Betroffenheit jedes Gruppenmitglieds.
60 
Zu einer anderen Beurteilung bezogen auf den Zeitpunkt August 2008 besteht kein Anlass. Auch der Kläger hat nichts vorgetragen, was eine abweichende Beurteilung rechtfertigen würde.
61 
b) Die Lage in Sri Lanka stellt sich im Hinblick auf den Asylantrag des Klägers derzeit wie folgt dar:
62 
aa) Bezogen auf den Zeitpunkt November 2010 führte der erkennende Gerichtshof in seinem Urteil vom 09.11.2010 aus (a.a.O. Rn. 57 ff.):
63 
Am 19.05.2009 hat der sri-lankische Staatspräsident Mahinda Rajapakse in einer Parlamentsansprache den Sieg der Regierungstruppen über die tamilische Separatistenorganisation LTTE verkündet. Tags zuvor war nach den Angaben des Militärs bei einem der letzten Gefechte der LTTE-Anführer Velupillai Prabhakaran ums Leben gekommen, nachdem zuvor fast die gesamte militärische und politische Führung der LTTE umgekommen war. Der seit 1983 mit Unterbrechungen währende Bürgerkrieg war damit beendet (Lagebericht des AA vom 02.09.2009, Stand: August 2009, S. 6). Hunderttausende Menschen mussten während des Bürgerkriegs ihre Heimatorte im tamilischen Norden und Osten des Landes verlassen. Als Binnenvertriebene suchten sie Zuflucht in weniger gefährdeten Gebieten des Landes. Viele entschieden sich auch dafür, ins Ausland zu gehen. In der Ostprovinz konnten die Binnenvertriebenen inzwischen bis auf einige Ausnahmen in ihre Heimatgemeinden zurückkehren (Lagebericht des AA vom 16.06.2010, Stand: Juni 2010, S. 8). Rund 300.000 Zivilpersonen waren in den letzten Monaten des Bürgerkriegs im von der LTTE gehaltenen, kontinuierlich schrumpfenden Gebiet eingeschlossen. Notgedrungen zogen sie mit den LTTE-Verbänden mit und waren in der zuletzt nur wenige Quadratkilometer ausmachenden Kampfzone im Nordwesten des Landes allen Schrecken dieser Kämpfe ausgesetzt. Nach deren Beendigung brachte sie die Armee in geschlossenen Lagern hauptsächlich in Vavuniya im nördlichen Vanni unter, zu denen nationale und internationale Hilfsorganisationen lange nur eingeschränkt Zugang hatten. Die Regierung begründete diese Lagerunterbringung mit der Notwendigkeit, sich unter den Binnenvertriebenen verbergende ehemalige LTTE-Kämpfer herauszufiltern, und der Unmöglichkeit, die Betroffenen in noch verminte Heimatorte zurückkehren zu lassen. Einigen wenigen wurde die Rücksiedlung im Juni 2009 gestattet. Im August 2009 begann dann sehr zögerlich ein Rücksiedlungsprozess, der im Oktober größeren Umfang annahm und sich ab Dezember wieder verlangsamte, da die Herkunftsorte der Verbliebenen (im Juni 2010 waren noch knapp 60.000 Personen in Lagern untergebracht) noch erheblich zerstört und vermint sind. Einem gesonderten Regime unterliegen die geschlossenen, so genannten „Rehabilitationslager“, in denen rund 8.000 ehemalige LTTE-Kämpfer (bzw. Personen, die insoweit verdächtigt werden) untergebracht sind. Zu diesen Lagern haben weder das IKRK noch Hilfsorganisationen Zugang. Die Antiterrorgesetze von 1979 (Prevention of Terrorism Act) haben weiter Bestand. Die umfangreichen Sicherheitsvorkehrungen insbesondere in Colombo, einschließlich der zahlreichen Kontrollpunkte von Polizei und Militär, werden aufrecht erhalten (Lagebericht des AA vom 16.06.2010, Stand: Juni 2010, S. 9 f.).
64 
Zu den Insassen der „Rehabilitationslager“ hat Human Rights Watch festgestellt, dass zwar die meisten der Verdächtigten in den letzten Wochen der Kampfhandlungen und in der Zeit unmittelbar danach inhaftiert worden seien, dass aber auch neue Inhaftierungen, nämlich im Oktober 2009, erfolgt seien (Human Rights Watch, Legal Limbo - The Uncertain Fate of Detained LTTE Suspects in Sri Lanka, Februar 2010, S. 6).
65 
In unterschiedlichen Bereichen kommt es zu staatlichen repressiven Maßnahmen, die Anzeichen für eine systematische Verfolgung bestimmter Personen oder Personengruppen wegen ihrer Rasse, Nationalität, Religion oder politischer Überzeugung aufweisen. Davon sind nicht nur Tamilen betroffen, sondern auch regierungskritische Singhalesen. So werden oppositionelle Parlamentsabgeordnete, die der Regierung gefährlich werden können, unter fadenscheinigen Vorwürfen verhört, verhaftet oder bedroht. Der Generalverdacht, dass jeder Tamile ein Anhänger, Unterstützer oder gar Mitglied der LTTE war und ist, wird im singhalesischen Teil der Gesellschaft von vielen geteilt, insbesondere bei den staatlichen Sicherheitskräften (Lagebericht des AA vom 16.06.2010, Stand: Juni 2010, S. 10 f.).
66 
Für eine systematische Verfolgung von Tamilen allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit gibt es keine Anhaltspunkte, sie müssen aber - durch ihre tamilische Sprache und die entsprechenden Einträge in Ausweiskarten für die Sicherheitskräfte leicht identifizierbar - jederzeit mit staatlichen Repressionen rechnen. Die ständigen Razzien und Hausdurchsuchungen, schikanösen Behandlungen (Beleidigungen, langes Warten, exzessive Kontrolle von Fahrzeugen, Erpressung von Geldbeträgen) bei den zahlreichen Polizeikontrollen im Straßenverkehr und Verhaftungen richten sich vor allem gegen Tamilen, wobei aus dem Norden und Osten stammende Tamilen darunter noch in höherem Maße zu leiden haben. Durch Anwendung des Prevention of Terrorism Act ist die richterliche Kontrolle solcher Verhaftungen kaum mehr gewährleistet. Wer verhaftet wird, muss mit längerer Inhaftierung rechnen, ohne dass es zu weiteren Verfahrensschritten oder einer Anklageerhebung kommen muss. Die Situation hat sich seit Beendigung der Kampfhandlungen nicht verbessert (Lagebericht des AA vom 16.06.2010, Stand: Juni 2010, S. 11).
67 
Ein Asylantrag im Ausland, der von vielen in Sri Lanka als legitimer Versuch angesehen wird, sich einen Aufenthaltsstatus zu verschaffen, begründet in aller Regel noch keinen Verdacht, der LTTE nahe zu stehen. Rückkehrer, die aus den nördlichen oder östlichen Landesteilen stammen und sich nun erstmals in Sri Lanka niederlassen wollen, müssen indes einen Anfangsverdacht und entsprechendes Misstrauen bis zu Schikanen durch die Sicherheitsorgane gegenwärtigen. Mindestens ebenso stark steht unter Verdacht, wer bereits früher als Anhänger der LTTE auffällig geworden war. Das Ende der Kampfhandlungen hat diesbezüglich nicht zu einer Entspannung geführt. Am 26.05.2010 wurde am Flughafen Colombo bei der Einreise eine in Deutschland ansässige Sri-Lankerin unter dem Verdacht der LTTE-Unterstützung festgenommen, die nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden in Deutschland für die LTTE Gelder eingesammelt und im Frühjahr letzten Jahres Demonstrationen organisiert haben soll. Belastbaren Berichten anderer Botschaften zufolge gibt es Einzelfälle, in denen zurückgeführte Tamilen nach Ankunft in Colombo unter LTTE-Verdacht festgenommen wurden (Lagebericht des AA vom 16.06.2010, Stand: Juni 2010, S. 24).
68 
Aus dem „Report of Information Gathering Visit to Colombo, Sri Lanka, 23. bis 29. August 2009“ vom 22.10.2009 des „U.K. Foreign and Commonwealth Office Migration Directorate“ (FCO), für den sowohl staatliche sri-lankische Stellen als auch Nichtregierungsorganisationen befragt wurden, ergibt sich, dass unabhängig von ihrer Volkszugehörigkeit nicht freiwillig nach Sri Lanka zurückkehrende Personen dem Criminal Investigation Department zur Feststellung der Staatsangehörigkeit und Kontrolle des Vorstrafenregisters überstellt werden. Die Befragung kann mehr als 24 Stunden dauern. Die Betroffenen werden erkennungsdienstlich behandelt. Abhängig vom Einzelfall ist eine Überstellung an den Geheimdienst (State Intelligence Service) oder das Terrorist Investigation Department zum Zwecke der Befragung denkbar. Jeder, der wegen eines Vergehens gesucht wird, muss mit seiner Verhaftung rechnen. Vorbestrafte oder Personen mit Verbindungen zur LTTE werden weitergehend befragt und gegebenenfalls in Gewahrsam genommen. Laut Nichtregierungsorganisationen würden Tamilen aus dem Norden und Osten des Landes einer genaueren Überprüfung als andere unterzogen. Verschiedene Faktoren, nämlich ein offener Haftbefehl, Vorstrafen, Verbindungen zur LTTE, eine illegale Ausreise, Verbindungen zu Medien oder Nichtregierungsorganisationen und das Fehlen eines Ausweises (ID Card) oder anderer Personaldokumente, erhöhten das Risiko, Schwierigkeiten bei der Einreise zu bekommen, einschließlich einer möglichen Ingewahrsamnahme (S. 5). Hingegen konnte keine der befragte Quellen angeben, dass sichtbare Narben einen Einfluss auf die Behandlung bei der Einreise haben könnten. Im Falle, dass der Verdacht einer Verbindung zur LTTE bestünde, könnten solche Narben Anlass zu einer Befragung sein, jedoch würden diesbezüglich keine körperlichen Untersuchungen durchgeführt (S. 16).
69 
Überwiegend hätten die Befragten angegeben, dass die Anzahl der Razzien (cordon and search operations) in den letzten Monaten nicht zurückgegangen sei. Es gebe keine Informationen zu der Anzahl möglicher Festnahmen. Grundsätzlich seien junge männliche Tamilen, die aus dem Norden oder Osten des Landes stammten, im Zuge von Razzien einem besonderen Festnahmerisiko ausgesetzt. Die bereits genannten Faktoren erhöhten das Risiko. Tamilen ohne Beschäftigung oder „legitimen Aufenthaltsgrund“ würden ebenfalls mit großer Wahrscheinlichkeit als verdächtig angesehen (S. 5).
70 
Nach ganz überwiegender Meinung der Befragten hat es - wenn überhaupt - seit Juni 2009 nur noch sehr wenige Entführungen / Fälle des Verschwindenlassens gegeben. Die Entführungen erfolgten demzufolge sowohl zur Lösegelderpressung als auch aus politischen Gründen. Die Nichtregierungsquellen stimmten weitgehend darin überein, dass die Sicherheitskräfte in den meisten Fällen in gewisser Weise beteiligt seien und die Polizei keine ernsthaften Ermittlungen durchführe (S. 5 f.). Bei den Straßenkontrollen im Großraum Colombo, die nach Angabe der meisten Befragten nicht nennenswert reduziert worden seien, würde es nur sehr selten zu Festnahmen kommen. Seit Juni 2009 seien keine bekannt geworden.
71 
Der Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 16.06.2010 und der (ältere) Bericht des U.K. Foreign and Commonwealth Office Migration Directorate ergänzen sich. Jedenfalls die hier zitierten allgemeinen Feststellungen (S. 5 f.), die auf mindestens weit überwiegend übereinstimmenden Angaben der Befragten beruhen, sind geeignet, die insoweit knapper gehaltenen Aussagen der Lageberichte zu den Gefährdungen von Tamilen zu illustrieren. Eine Gruppenverfolgung der Gruppe der (jüngeren männlichen) Tamilen (im wehrfähigen Alter) lässt sich auf der Basis der wiedergegebenen Erkenntnisse nicht feststellen. Insbesondere angesichts des Umstands, dass Verhaftungen bei Razzien ebenso selten geworden sind wie an Straßenkontrollpunkten und Fälle des Verschwindenlassens ebenfalls kaum mehr vorkommen, lässt sich eine generelle staatliche oder staatlich tolerierte Verfolgung der Gruppe der Tamilen nicht feststellen. Anderes lässt sich auch nicht aus dem Fortbestehen der „rehabilitation camps“ schließen. Denn jedenfalls gibt es keine Hinweise darauf, dass nach deren Begründung noch Personen in einer für die Annahme einer Gruppenverfolgung aller - jedenfalls der im wehrfähigen Alter befindlichen - Tamilen relevanten Größenordnung in diese Lager verbracht worden sind. Aus dem vom Kläger zitierten Bericht von Human Rights Watch, Legal Limbo, The Uncertain Fate of Detained LTTE Suspects in Sri Lanka, ergibt sich unter Bezugnahme auf den „Indian Express“ vom 28. Oktober 2009, dass mindestens 300 LTTE Kader, die sich unter den Binnenvertriebenen versteckt hätten, verhaftet worden seien. Damit ist weder ein Bezug zu der Gruppe aller Tamilen oder jedenfalls derjenigen im wehrfähigen Alter aufgezeigt noch ergibt sich aus den berichteten Vorkommnissen, dass diese bis zum Tag der mündlichen Verhandlung gleichsam an der Tagesordnung gewesen wären.
72 
Die Einlassung des Klägers, aus dem zitierten Bericht von Human Rights Watch ergebe sich eine Zunahme der Fälle des Verschwindenlassens, vermag stichhaltige Indizien für eine Gruppenverfolgung aller (wehrfähigen) Tamilen nicht darzutun. Den dortigen Ausführungen im Unterkapitel „Concerns about Possible Enforced Disappearances“ sind vielmehr zunächst zwei Einzelfälle des Verschwindens nach Ende des Bürgerkriegs zu entnehmen. Darüber hinaus wird über eine Internierung von Dutzenden von Personen aus dem Lager „Menik Farm“ berichtet. Es wird weiter geschildert, dass das Schicksal der internierten Personen häufig - bis zum Tag des Berichts - unklar geblieben sei. Daraus lässt sich ein erhöhtes Risiko für solche Personen ableiten, die aus Sicht der Behörden im Verdacht stehen, mit der LTTE zusammengearbeitet haben, nicht jedoch eine Gruppenverfolgung aller (jungen männlichen) Tamilen. Der gegen alle Tamilen gerichtete so genannte „Generalverdacht“ führt offenkundig für sich genommen noch nicht regelmäßig zu Übergriffen der Sicherheitsbehörden. Vielmehr kommt es auf individuell gefahrerhöhende Umstände an, bei deren Vorliegen im Einzelfall eine begründete Furcht vor Verfolgung anzunehmen sein kann.
73 
Auch aus dem vom Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegten Gutachten des European Center for Constitutional and Human Rights „Study on Criminal Accoutability in Sri Lanka as of January 2009“ aus dem Juni 2010 lässt sich die von ihm behauptete Gruppenverfolgung nicht ableiten. Dem Bericht lässt sich entnehmen, dass die Anzahl der in den „welfare centers“ in Gewahrsam gehaltenen Personen von 280.000 (zwischen März 2008 und Juni 2009) bis in den Januar 2010 auf rund 80.000 abgenommen hat. Dem Bericht, der sich mit den Zuständen in den Lagern beschäftigt, ist nicht zu entnehmen, dass sri-lankische Staatsangehörige nach ihrer Wiedereinreise dazu gezwungen worden wären, in solchen Lagern zu leben. Weiter beschäftigt sich das Gutachten unter Zitierung des bereits erwähnten Berichts von Human Rights Watch aus dem Februar 2010 mit der Behandlung von der LTTE-Mitgliedschaft Verdächtigten. Auch diesen Ausführungen ist nichts zu einer anhaltenden Verhaftungswelle - wie sie für die Annahme einer Gruppenverfolgung notwendig wäre - nach Beendigung des Bürgerkriegs und in den folgenden Monaten im Jahr 2009 zu entnehmen.
74 
Schließlich führt insoweit der Verweis des Klägers auf die Lageeinschätzung der International Crisis Group vom 17.02.2010, die sein Prozessbevollmächtigter im „Parallelverfahren“ (A 4 S 693/10) vorgelegt hat, nicht zum Erfolg seiner Klage. Dem Bericht ist zwar zu entnehmen, dass das Vorgehen der Regierung im Norden und Osten des Landes zur Verängstigung und Entfremdung der Minderheiten führe. Das aus dieser Behandlung aber ein systematisches Ausgrenzen der tamilischen Minderheit aus der staatlichen, übergreifenden Friedensordnung im Sinne einer Entrechtung abzuleiten wäre, ergibt sich weder aus diesem Bericht noch aus der Gesamtschau. Ebenso wenig lässt sich ein staatliches Verfolgungsprogramm hinsichtlich aller Tamilen oder auch nur der im wehrfähigen Alter befindlichen Gruppenmitglieder feststellen. Anderes kann möglicherweise für die im Zuge der Beendigung der kriegerischen Auseinandersetzungen unmittelbar in den rehabilitation camps Inhaftierten oder die aus den Flüchtlingslagern „herausgefilterten“, in rehabilitation camps verbrachten Personen gelten. Jedoch ist ein solches systematisches Vorgehen gegenüber etwa in Colombo lebenden Tamilen nicht feststellbar.
75 
Die rechtliche Einschätzung zur fehlenden begründeten Furcht vor einer Gruppenverfolgung entspricht auch der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (Urteile vom 08.07.2009 - 3 A 3295/07.A - und vom 24.08.2010 - 3 A 864/09.A -) und - der Sache nach - des UK Asylum and Immigration Tribunal (TK (Tamils - LP updated) Sri Lanka CG [2009]UKAIT 00049 RdNr. 73).
76 
bb) Erst recht ist die Annahme einer Gruppenverfolgung zum derzeitigen Zeitpunkt (Oktober 2016) nicht gerechtfertigt.
77 
(1) In Sri Lanka leben nach Auskunft des Auswärtigen Amts (Länderinformation, Stand: Februar 2015) 20,7 Millionen Menschen. Der Anteil der Sri-Lanka-Tamilen beträgt 11,2 % (auch Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 7); es ist mithin von etwa 2,3 Millionen Volkszugehörigen auszugehen. „Indian Tamils“ machen 4,2 % der Bevölkerung aus.
78 
Am 08.01.2015 wurde Maithripala Sirisena bei der Präsidentenwahl, bei der die Wahlbeteiligung bei 81,5 % lag, zum Präsidenten Sri Lankas gewählt. Er setzte sich mit 51,28 % der Stimmen gegen den bisherigen Amtsinhaber Rajapaksa durch, der 47,58 % erhielt. Am 17.08.2015 fanden Parlamentswahlen statt, die nach Einschätzung des Auswärtigen Amts frei und fair waren (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 6). Die Tamilenpartei ITAK erhielt 4,62 % der Stimmen und damit 16 Mandate, sie stellt mit Rajavarothiam Sampanthan den Oppositionsführer (a.a.O.).
79 
Mit dem Amtsantritt Sirisenas am 09.01.2015 hat sich die politische Situation in Sri Lanka nach Einschätzung des Auswärtigen Amts (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 5) erheblich zum Positiven verändert. Demokratie und Rechtsstaat seien gestärkt worden. Die Menschenrechte, insbesondere die Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit würden wieder respektiert. Die Betätigungsmöglichkeiten der politischen Opposition seien nicht mehr eingeschränkt (a.a.O. S. 7). Menschenrechtsorganisationen hätten größere Freiräume (a.a.O. S. 6). So genannte Verschwundenen-Fälle seien seit dem Amtsantritt der neuen Regierung nicht mehr bekannt geworden (a.a.O. S. 12).
80 
Das Auswärtige Amt merkt in seinem jüngsten Lagebericht aber auch an, dass insbesondere im Norden und Osten noch nicht alle Menschenrechtsverletzungen abgestellt seien (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 5). Einzelne Menschenrechtsvertreter würden dort vom Sicherheitsapparat verfolgt und ihre Gesprächspartner würden gelegentlich noch von Sicherheitskräften ausgefragt (a.a.O. S. 6, auch S. 7; vgl. auch Amnesty Report 2016, Sri Lanka, mit dem Hinweis auf Berichte von Menschenrechtsverteidigern zu Überwachungen durch die Polizei und das Militär im Norden und Osten sowie Befragungen). Die Polizei wende mitunter noch immer unverhältnismäßigen Zwang an (a.a.O. S. 7; vgl. auch Amnesty Report 2016, Sri Lanka, mit dem Hinweis auf Beschwerden über die Anwendung unverhältnismäßiger Gewalt bei Polizeieinsätzen im Zusammenhang mit Demonstrationen). Als Beispiel nennt das Auswärtige Amt die Beendigung friedlicher Studentendemonstrationen mittels Tränengas, Wasserwerfern und Schlagstöcken (a.a.O. S. 7); es verweist zudem auf Angaben Internationaler Organisationen und Presseberichte, wonach Folter weiterhin gelegentlich zur Erpressung von Geständnissen angewandt wird (a.a.O. S. 11; vgl. auch Amnesty Report 2016, Sri Lanka, mit dem Hinweis auf Berichte über Folter und andere Misshandlungen). Auch sollen Misshandlungen bei der Festnahme von Verdächtigen sowie in Gefängnissen weiter vorkommen (a.a.O. S. 12).
81 
Amnesty International (Amnesty Report 2016, Sri Lanka) verweist darüber hinaus auf Berichte über ungeklärte Todesfälle in Polizeigewahrsam; Häftlinge würden häufig an Verletzungen sterben, die den Schluss zuließen, dass sie gefoltert und misshandelt worden seien.
82 
Nach Angaben des Auswärtigen Amts hat die neue Regierung zahlreiche Schritte unternommen, um die Wiederversöhnung zwischen den verschiedenen Gemeinschaften im Land voranzubringen (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 5). Sie suche aktiv den Dialog mit der tamilischen Diaspora (auch a.a.O. S. 10). Amnesty International berichtet zudem darüber (Amnesty Report 2015, Sri Lanka), dass im Jahr 2015 am Jahrestag der Beendigung des bewaffneten Konflikts öffentliche Gedenkfeiern von Tamilen im Wesentlichen erlaubt waren (vgl. auch Human Rights Watch, Sri Lanka After the Tigers, 19.02.2016, mit dem Hinweis, dass Gedenkfeiern für verstorbene Tamilen mittlerweile erlaubt seien), und fügt hinzu, dass über eine starke Polizeipräsenz bei derartigen Zusammenkünften berichtet worden sei (vgl. auch Human Rights Watch, Time to seize the Moment in Sri Lanka, 25.05.2016). Insbesondere Human Rights Watch macht aber auch darauf aufmerksam, dass ein Erfolg versprechender Versöhnungsprozess, der unter anderem auch eine Aufarbeitung der beiderseitigen Kriegsverbrechen beinhaltet, noch nicht wirklich ins Werk gesetzt worden ist (vgl. etwa die Beiträge „Time to seize the Moment“ [25.05.2016] und „Unfinished Business in Sri Lanka“ [01.09.2016]).
83 
Nach Einschätzung des Auswärtigen Amts gibt es gegenüber Tamilen im Norden und Osten seit dem Amtsantritt Sirisenas „keine direkten staatlichen Repressionen mehr“ (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 7). In Sri Lanka gebe es keine diskriminierende Gesetzgebung, Verwaltungspraxis oder Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis (a.a.O. S. 8). Der von der Polizei angewendete unverhältnismäßige Zwang richte sich nicht gegen eine bestimmte Gruppe (a.a.O. S. 7). Während die Anwendung von Folter früher vor allem Tamilen betroffen habe, sollen mittlerweile Singhalesen in gleichem Maß betroffen sein (a.a.O. S. 11 unter Berufung auf Berichte von Human Rights Watch und lokale Menschenrechtsorganisationen; Human Rights Watch [Time to seize the Moment in Sri Lanka, 25.05.2016] spricht von „continued reports of the torture of detainees“ [fortgesetzten Berichten über die Folter von Inhaftierten]).
84 
Das Auswärtige Amt führt weiter aus, dass der infolge des langjährigen Bürgerkriegs umfassende Sicherheitsapparat nach Ende des Konflikts 2009 kaum reduziert wurde und insbesondere im Norden und Osten noch stark vertreten ist (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 6, auch S. 7; vgl. auch Human Rights Watch, Unfinished Business in Sri Lanka, 01.09.2016). Es verweist zudem darauf, dass nach Angaben der sri-lankischen NGO Groundviews 2015 noch immer mindestens 181 von ehemals ca. 12.000 LTTE-Mitgliedern oder -Symphatisanten, die sich bei Kriegsende gestellt hätten, ohne Gerichtsurteil inhaftiert seien; bis November 2015 seien 38 davon gegen Kaution freigelassen worden (a.a.O. S. 12).
85 
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe weist in ihrer Auskunft vom 22.04.2016 „Sri Lanka: Gefährdung bei Rückkehr und Zugang zu medizinischer Versorgung in Haft“ darauf hin (S. 3), dass Berichte der NGO Freedom from Torture und International Truth & Justice Project Sri Lanka vom Januar 2016 insgesamt 27 Fälle dokumentierten, in denen tamilische Personen durch sri-lankische Sicherheitskräfte gefoltert, willkürlich verhaftet oder entführt worden seien. Der jüngste in dem letztgenannten Bericht dokumentierte Fall (von insgesamt 20 Fällen) habe sich im Dezember 2015 zugetragen (vgl. a.a.O. S. 4). Während der Verhöre seien mehrere der Betroffenen beschuldigt worden, die LTTE wiederaufbauen zu wollen oder das Land in Unruhe zu bringen. 19 der Personen seien Opfer von Entführungen mittels weißer Lieferwagen geworden („White Van Abduction“). 16 der Personen hätten in der Vergangenheit eine Funktion der LTTE auf niedriger Stufe gehabt.
86 
Der Prevention of Terrorism Act (s. o. aa und a) ist weiterhin in Kraft (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 7 und 12; auch Amnesty Report 2016, Sri Lanka, und Human Rights Watch, UN Human Rights Council: High Commissioner’s Report on human rights of Rohingya Muslims and other minorities in Burma/Maanmar and on Sri Lanka, 30.06.2016). Das Auswärtige Amt führt aus, die Regierung gebe an, 181 Personen seien auf seiner Grundlage inhaftiert, wobei die Mehrheit tamilischer Herkunft sei, die Zivilgesellschaft gehe hingegen von rund 250 Personen aus (a.a.O. S. 7). Die Schweizerische Flüchtlingshilfe verweist darauf, dass verschiedene Schätzungen „sich auf bis über 200 Personen“ beliefen (Auskunft vom 22.04.2016, S. 6). Amnesty International zitiert eine Erklärung des Oppositionsführers Sampanthan vor dem Parlament, dass noch 217 Personen auf der Grundlage der Bestimmungen des PTA inhaftiert seien (Amnesty Report 2016, Sri Lanka). Nach Angaben der Schweizerischen Flüchtlingshilfe wird er „weiterhin eingesetzt, um tamilische Personen zu verhaften, welche der angeblichen Verbindungen zur LTTE verdächtigt werden“ (Auskunft vom 22.04.2016, S. 6; entsprechend Amnesty Report 2016, Sri Lanka; ferner Human Rights Watch, Time to seize the Moment in Sri Lanka, 25.05.2016). Die Flüchtlingshilfe verweist auch auf eine sri-lankische Zeitung, die von Verhaftungen von Militärpersonal unter dem PTA berichtet hat.
87 
Rückkehrer müssen nach Einschätzung des Auswärtigen Amts grundsätzlich keine staatlichen Repressalien gegen sich fürchten, jedoch müssen sie sich nach Rückkehr Vernehmungen durch die Immigration, das National Bureau of Investigation und das Criminal Investigation Department stellen; ob es zur Anwendung von Gewalt kommt, ist nicht bekannt (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 13). Mit solchen Vernehmungen ist insbesondere zu rechnen, wenn die rückkehrende Person keinen gültigen sri-lankischen Reisepass vorlegen kann; Fälle diskriminierender Behandlung solcher Personen (auch von Tamilen) sind dem Auswärtigen Amt nicht bekannt (a.a.O. S. 14). Bei der Einreise mit gültigem sri-lankischem Reisepass würden die Einreiseformalitäten zumeist zügig erledigt; dies gelte auch für Zurückgeführte (a.a.O. S. 14).
88 
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe führt in ihrer Auskunft vom 22.04.2016 aus (S. 1), dass es auch nach Amtsantritt des neuen Präsidenten zu Verhaftungen von tamilischen Rückkehrenden kam. Die Verhaftungen schienen oft mit angeblichen Verbindungen zur LTTE zusammenzuhängen. Eine zuvor erfolgte illegale Ausreise könne bei der Rückkehr ebenfalls zu einer Verhaftung führen. Die Flüchtlingshilfe führt nach diesen einleitenden Bemerkungen unter Berufung auf verschiedene Quellen einzelne Fälle auf. So verweist sie zunächst auf einen Bericht der Zeitung Ceylon News vom 19.04.2016, wonach ein aus Mullaitivu stammender Tamile bei seiner Rückkehr aus Doha am 12.04.2016 durch das Terrorist Investigation Department am Flughafen aufgegriffen und anschließend sieben Stunden verhört worden sei (a.a.O. S. 1 f.). Anschließend sei er mit der Aufforderung freigelassen worden, am nächsten Morgen das TID-Büro in Colombo aufzusuchen. Am folgenden Tag sei er dort verhaftet worden. Die Flüchtlingshilfe spricht außerdem etwa den Fall eines tamilischen Journalisten an, der nach seiner Rückkehr nach Sri Lanka durch die sri-lankischen Behörden verhaftet worden sei (a.a.O. S. 2). Der Journalist und Aktivist sei im Jahr 2012 nach Australien geflohen und habe sich aufgrund der positiven Signale der aktuellen sri-lankischen Regierung für die Rückkehr entschieden. Er sei nach der Inhaftierung auf Kaution freigelassen worden. Ihm seien aber Auslandsreisen für fünf Jahre untersagt worden und er müsse sich jeden Monat im berüchtigten vierten Stock des Hauptquartiers des CID in Colombo melden. Unter Berufung auf TamilNet führt die Flüchtlingshilfe auch aus, dass viele tamilische Rückkehrende aus dem Nahen Osten in der jüngsten Zeit durch den sri-lankischen Militärgeheimdienst verhaftet worden seien (a.a.O. S 2). Die Flüchtlingshilfe zitiert schließlich etwa auch aus einem Bericht der International Crisis Group, wonach weiterhin rückkehrende tamilische Personen unter Anwendung des Prevention auf Terror Act (PTA) wegen des Verdachts auf zurückliegende LTTE-Verbindungen verhaftet würden; viele würden in durch das Militär betriebene Rehabilitationsprogramme geschickt.
89 
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe trägt in der Auskunft vom 22.04.2016 auch vor, dass das International Truth & Justice Project Sri Lanka im Januar 2016 zu dem Schluss gekommen sei, dass tamilische Personen, welche aus dem Ausland zurückkehrten, überwacht würden (a.a.O. S. 4). So gebe es weiterhin ein umfangreiches Netzwerk von tamilischen Informanten, welche Rückkehrende beobachteten. Das sichere Verlassen des Flughafens sei deswegen keine Garantie für die spätere Sicherheit. Die Flüchtlingshilfe gibt ferner die Einschätzung von International Truth & Justice Project wieder, dass es für tamilische Personen im Ausland noch nicht sicher sei, nach Sri Lanka zurückzukehren, wenn die betroffene Person in der Vergangenheit eine Verbindung zur LTTE aufweise (a.a.O. S. 5).
90 
(2) Diese Erkenntnisse lassen, selbst wenn sich alle Angaben zu flüchtlingsschutzrelevanten Menschenrechtsverletzungen als zutreffend erweisen sollten, zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht den Schluss auf eine Gruppenverfolgung von Tamilen, auch nicht vom männlichen Tamilen aus dem Norden, zu. Ein staatliches Verfolgungsprogramm lässt sich nach wie vor nicht feststellen. Auch die Zahl an Verhaftungen und Überwachungen von Tamilen sowie an ihnen gegenüber vorgenommene Handlungen, die als Folter einzustufen sind, lässt nicht annähernd auf die Gefahr schließen, dass (nahezu) jedes Gruppenmitglied mit solchen Maßnahmen zu rechnen hat. Dabei ist auch zu bedenken, dass nicht jede Verhaftung mit anschließendem Verhör schon eine Menschenrechtsverletzung darstellt.
91 
Der nach den vorliegenden Erkenntnismitteln bestehenden, im Vergleich zu den Jahren 2008 und 2010 deutlich verbesserten Gesamtsituation der Tamilen in Sri Lanka hat der Kläger nichts entgegengehalten.
III.
92 
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG.
93 
1. Gemäß Art. 16a Abs. 1 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Eine Verfolgung ist dann eine politische, wenn sie dem Einzelnen in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine religiöse Grundentscheidung oder an für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen, gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen (BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. - BVerfGE 80, 315; jüngst etwa Kammerbeschluss vom 09.03.2016 - 2 BvR 348/16 - juris Rn. 12). Politische Verfolgung ist grundsätzlich staatliche Verfolgung (BVerfGE 80, 315). An gezielten Rechtsverletzungen fehlt es bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Heimatstaat zu erleiden hat, wie Hunger, Naturkatastrophen, aber auch bei den allgemeinen Auswirkungen von Unruhen, Revolutionen und Kriegen (BVerfGE 80, 315, 335). Ob eine gezielte Verletzung von Rechten vorliegt, die Verfolgung mithin „wegen“ eines Asylmerkmals erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (BVerfGE 80, 315, 335).
94 
Das Asylgrundrecht des Art. 16a Abs. 1 GG beruht auf dem Zufluchtgedanken, mithin auf dem Kausalzusammenhang Verfolgung - Flucht - Asyl (BVerfGE 80, 315, 344). Nach dem hierdurch geprägten normativen Leitbild des Grundrechts ist typischerweise asylberechtigt, wer aufgrund politischer Verfolgung gezwungen ist, sein Land zu verlassen und im Ausland Schutz und Zuflucht zu suchen, und deswegen in die Bundesrepublik Deutschland kommt. Atypisch, wenn auch häufig, ist der Fall des unverfolgt Eingereisten, der hier gleichwohl Asyl begehrte und dafür auf Umstände verweist, die erst während seines Hierseins entstanden sind oder deren erst künftiges Entstehen er besorgt (sog. Nachfluchttatbestände).
95 
Nach diesem normativen Leitbild des Asylgrundrechts gelten für die Beurteilung, ob ein Asylsuchender politisch Verfolgter im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG ist, unterschiedliche Maßstäbe je nachdem, ob er seinen Heimatstaat auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar drohender Verfolgung verlassen hat oder ob er unverfolgt in die Bundesrepublik Deutschland gekommen ist (BVerfGE 80, 315, 344).
96 
Ergibt die rückschauende Betrachtung, dass der Asylsuchende vor landesweiter politischer Verfolgung geflohen ist, so kommt eine Anerkennung als Asylberechtigter regelmäßig in Betracht. Ergibt sie eine lediglich regionale Verfolgungsgefahr, so bedarf es der weiteren Feststellung, dass der Asylsuchende landesweit in einer ausweglosen Lage war. Steht fest, dass Asylsuchende wegen bestehender oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung ausgereist ist und dass ihm auch ein Ausweichen innerhalb seines Heimatstaates im beschriebenen Sinn unzumutbar war, so ist er gemäß Art. 16a Abs. 1 GG asylberechtigt, es sei denn, er kann in seinem eigenen Staat wieder Schutz finden. Daher muss sein Asylantrag Erfolg haben, wenn die fluchtbegründenden Umstände im Zeitpunkt der Entscheidung ohne wesentliche Änderung fortbestehen. Ist die Verfolgungsgefahr zwischenzeitlich beendet, kommt es darauf an, ob mit ihrem Wiederaufleben zu rechnen ist; eine Anerkennung als Asylberechtigter ist nicht geboten, wenn der Asylsuchende vor erneuter Verfolgung hinreichend sicher sein kann. Gleiches gilt, wenn sich - bei fortbestehender regional begrenzter politischer Verfolgung - nach der Einreise in den Geltungsbereich des Grundgesetzes eine zumutbare inländische Fluchtalternative eröffnet.
97 
Hat der Asylsuchende seinen Heimatstaat unverfolgt verlassen, so kann sein Asylantrag nach Art. 16a Abs. 1 GG nur Erfolg haben, wenn ihm aufgrund von beachtlichen Nachfluchttatbeständen politische Verfolgung droht (BVerfGE 80, 315, 345 f.). Droht diese Gefahr nur in einem Teil des Heimatstaates, so kann der Betroffene auf Gebiete verwiesen werden, in denen er vor politischer Verfolgung hinreichend sicher ist, es sei denn, es drohen dort andere unzumutbare Nachteile oder Gefahren.
98 
2. Der Anerkennung des Klägers als Asylberechtigten steht entgegen, dass nach Überzeugung des Senats die nach dem Vorbringen des Klägers fluchtauslösende Entführung und Erpressung durch die EPDP oder die Karuna-Gruppe nicht der Wahrheit entspricht (s. o. II. 2.) und er zum Zeitpunkt der Ausreise nicht Mitglied einer verfolgten Gruppe war (s. o. II. 3. a) sowie er ein solches auch zum heutigen Zeitpunkt nicht ist (s. o. II. 3. b bb).
IV.
99 
Der Kläger hat weiterhin nicht den von ihm hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes. Plausible Anhaltspunkte dafür, dass ihm in Sri Lanka ein ernsthafter Schaden i. S. v. § 4 Abs. 1 AsylG drohen könnte, bestehen nach dem Gesagten nicht.
V.
100 
Der Kläger hat schließlich auch nicht den weiter hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf die Feststellung des Bestehens eines nationalen Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AsylG. Auch insoweit gilt, dass für den Senat kein Sachverhalt ersichtlich ist, der das Vorliegen der genannten Verbote zu begründen in der Lage wäre.
VI.
101 
Dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsbeweisantrag ist nicht zu entsprechen.
102 
1. a) Soweit der Antrag auf die Einholung eines Gutachtens eines sachverständigen Universitätsprofessors für Europäisches Recht gerichtet ist, zielt der Antrag auf die Klärung einer Rechtsfrage, nicht aber auf eine dem (Sachverständigen-)Beweis zugängliche Tatsachenfrage. Die Ermittlung der Rechtslage und die Anwendung der einschlägigen Vorschriften auf einen konkreten Fall ist ureigene Aufgabe der Rechtsprechung (vgl. § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 293 ZPO: s. a. Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 293 Rn. 1, nicht zuletzt unter Hinweis auf den Grundsatz „iura novit curia“). Die Ermittlung der Rechtslage ist infolgedessen in aller Regel keine Tatsachenfeststellung. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der die Ermittlung ausländischen Rechts sowie der ausländischen Rechtspraxis im Verwaltungsprozess nicht der Rechtserkenntnis zuzuordnen, sondern wie eine Tatsachenfeststellung zu behandeln ist (Urteil vom 19.07.2012 - 10 C 2.12 - NJW 2012, 3461 Rn. 16; kritisch dazu Geimer, a.a.O. Rn. 14). Denn die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), deren Auslegung und Anwendung auf seinen Fall der Kläger geklärt haben will, ist kein ausländisches Recht. Die EMRK gilt vielmehr in der deutschen Rechtsordnung im Rang eines Bundesgesetzes (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 14.10.2004 - 2 BvR 1481/04 - BVerfGE 111, 307, 315); deutsche Gerichte haben sie wie anderes Gesetzesrecht des Bundes im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden (BVerfG, a.a.O. S. 317).
103 
b) Der Beweisantrag geht weiterhin von einer unzutreffenden Ausgangslage aus. Die Beklagte hat gegen das stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts das statthafte Rechtsmittel eingelegt; infolge des Suspensiveffekts (zunächst des Antrags auf Zulassung der Berufung, sodann der Berufung) war sie nicht verpflichtet, der ihr vom Verwaltungsgericht auferlegten Verpflichtung nachzukommen. Folglich hatte der Kläger zu keinem Zeitpunkt die Rechtsstellung eines Asylberechtigten inne.
104 
c) Die Auffassung des Klägers, der Senat sei infolge der Dauer des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof daran gehindert, auf die Berufung der Beklagten das verwaltungsgerichtliche Urteil zu ändern, teilt der Senat nicht. Er vermag weder dem vom Kläger ausdrücklich angesprochenen Art. 3 EMRK noch dem von ihm der Sache nach angesprochenen Art. 4 EMRK auch nur im Ansatz eine derartige Wirkung zu entnehmen. Dem Kläger ist zwar zuzugestehen, dass das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unangemessen lange gedauert haben dürfte (vgl. § 173 Satz 2 VwGO i. V. m. § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG). Rechtsfolge einer unangemessenen Verfahrensdauer - die der Kläger allerdings nicht mit einer Verzögerungsrüge (vgl. § 198 Abs. 3 GVG) beanstandet hat - ist indessen grundsätzlich eine angemessene Entschädigung in Geld. Dass eine unangemessen lange Verfahrensdauer über das Fehlen materieller Anspruchsvoraussetzungen hinweghelfen könnte, ist gesetzlich nicht vorgesehen und es besteht aus Sicht des Senats auch kein Anlass für eine hierauf gerichtete - was ihre Zulässigkeit angeht (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 25.01.2011 - 1 BvR 918/00 - BVerfGE 128, 193), problematische - richterliche Rechtsfortbildung. Auch der Kläger nennt keine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die auch nur einen Ansatz für seine Auffassung bieten könnte.
105 
2. a) Soweit der Antrag auf die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens gerichtet ist, handelt es sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweisantrag. Ein solcher liegt vor, wenn Behauptungen ins Blaue hinein aufgestellt werden (vgl. Senatsurteil vom 12.03.2015 - 10 S 1169/13 - juris Rn. 133). Hiervon ist auszugehen, wenn für den Wahrheitsgehalt nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht (BVerwG, Beschluss vom 17.09.2014 - 8 B 15.14 - juris Rn. 10). So liegt es hier. Zum einen hat der Kläger bereits nicht dargelegt, dass er tatsächlich darauf vertraut hat, als Asylberechtigter anerkannt zu werden; das wäre schon deshalb veranlasst gewesen, weil der Kläger bereits mit der Stellung des Zulassungsantrags damit rechnen musste, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts keinen Bestand haben würde. Zum anderen und vor allem gibt es überhaupt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger infolge der Zurückweisung der Berufung psychisch erkranken würde. Der Kläger hat nicht vorgetragen, geschweige denn - etwa mittels Vorlage eines ärztlichen Schreibens - untermauert, gegenwärtig an einer psychischen (Grund-)Erkrankung zu leiden, die sich im Fall einer Klageabweisung verschlechtern würde.
106 
b) Abgesehen davon ist der Beweisantrag auch aus dem Grund abzulehnen, dass die vom Kläger in den Raum gestellte „gravierende psychische Reaktion … auch im Sinne einer psychischen Erkrankung“ keine entscheidungserhebliche Tatsache ist. Eine eventuelle psychische Erkrankung könnte im Rahmen der vorliegenden Klage lediglich Bedeutung hinsichtlich des Anspruchs auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG Bedeutung erlangen. Hierfür ist erforderlich, dass sich eine vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leben und Leib führt, d. h. eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach Rückkehr droht. Der Kläger stellt hier schon nicht eine Erkrankung unter Beweis, die bereits vorhanden ist, er behauptet vielmehr, im Fall der Abweisung seiner Klage zu erkranken. Hinzu kommt, dass von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht Schutz vor Abschiebung nicht bei Vorliegen jeglicher Erkrankung gewährt wird. Vielmehr schützt die Vorschrift nur vor einer erheblichen und alsbaldigen Verschlimmerung für den Fall einer Rückkehr. Darum geht es dem Kläger aber mit seinem Beweisantrag nicht.
VII.
107 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und die Gerichtskostenfreiheit aus § 83b AsylG.
108 
Ein Revisionszulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO liegt nicht vor.

Gründe

 
22 
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war. Denn auf diese Möglichkeit war in der Ladung zum Termin hingewiesen worden (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).
23 
Die nach Zulassung durch den 12. Senat des erkennenden Gerichtshofs statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg. Denn die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (I.) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (II.), keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter (III.), keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes (IV.) und keinen Anspruch auf die Feststellung des Bestehens eines nationalen Abschiebungsverbots (V.). Dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsbeweisantrag ist nicht zu entsprechen (VI.).
I.
24 
Für die Beurteilung des Begehrens des Klägers ist auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat abzustellen (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG). Maßgeblich in rechtlicher Hinsicht ist deshalb das zuletzt durch Art. 6 des Integrationsgesetzes vom 31.07.2016 (BGBl I S. 1939) geänderte Asylgesetz.
25 
Die erstinstanzlich gestellten Klageanträge sind im Hinblick auf die aktuelle Rechtslage, insbesondere auf die seit 01.12.2013 geltenden §§ 3 ff. AsylG (vgl. Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28.08.2013, BGBl I S. 3474), wie folgt zu verstehen und entsprechend in der mündlichen Verhandlung gestellt worden:
26 
Der auf die Verpflichtung zur Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a GG und zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerichtete Hauptantrag ist weder durch die genannte noch durch sonstige Gesetzesnovellen berührt worden.
27 
Der auf die Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG in der zum Zeitpunkt des Ergehens des verwaltungsgerichtlichen Urteils geltenden Fassung gerichtete erste Hilfsantrag ist nunmehr als Antrag auf die Verpflichtung zur Gewährung subsidiären Schutzes auszulegen. Denn in § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG sind die bisher in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG enthaltenen Abschiebungsverbote zusammengefasst worden (vgl. BT-Drs. 17/13063, S. 25).
28 
Der auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG „höchsthilfsweise“ gestellte Hilfsantrag kann ohne Änderung weiterverfolgt werden; die Vorschriften sind nicht geändert worden.
II.
29 
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 4 AsylG.
30 
1. Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG oder das Bundesamt hat nach § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG von der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG abgesehen. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl 1953 II S. 559), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugungen oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
31 
Nach § 3a Abs. 1 AsylG (vgl. auch Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl EU L 337/9; so genannte Qualifikationsrichtlinie - QRL -) gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die 1. auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist, oder 2. in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Nach § 3a Abs. 2 AsylG (vgl. Art. 9 Abs. 2 QRL) können als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG u. a. gelten: 1. die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, 2. gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, 3. unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, 4. Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, 5. Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen, 6. Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind. Nach § 3a Abs. 3 AsylG (vgl. Art. 9 Abs. 3 QRL) muss zwischen den Verfolgungsgründen und den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1128/14 - juris Rn. 24 a.E.).
32 
Die Verfolgung kann nach § 3c AsylG (vgl. Art. 6 QRL) ausgehen von 1. dem Staat, 2. Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder 3. nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, im Sinne des § 3d AsylG (vgl. Art. 7 QRL) Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
33 
Der Charakter einer Verfolgungshandlung erfordert, dass das Verhalten des betreffenden Akteurs im Sinne einer objektiven Gerichtetheit auf die Verletzung eines nach § 3a AsylG (Art. 9 QRL) geschützten Rechtsguts selbst zielt (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1128/14 - juris Rn. 26 m.w.N.).
34 
Der für die Beurteilung zugrunde zu legende Prognosemaßstab ist der der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1128/14 - juris Rn. 27 ff.). Die relevanten Rechtsgutsverletzungen müssen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser aus dem Tatbestandsmerkmal „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung“ des Art. 2 Buchstabe d QRL abzuleitende Maßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr abstellt („real risk“); dieser Maßstab ist kein anderer als der der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67 Rn. 32 = NVwZ 2013, 936 Rn. 32). Er setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des gesamten zur Prüfung gestellten und relevanten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände die dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine qualifizierende bzw. bewertende Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines vernünftig denkenden und nicht übertrieben furchtsamen Menschen gerade in der Lage des konkreten Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar einzuschätzen ist. Unzumutbar kann eine Rückkehr in den Heimatstaat auch dann sein, wenn ein mathematischer Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50 Prozent für eine politische Verfolgung gegeben ist. In einem solchen Fall reicht zwar die bloße theoretische Möglichkeit einer Verfolgung nicht aus. Ein vernünftig denkender Mensch wird sie außer Betracht lassen. Ergeben jedoch die Gesamtumstände des Falls die „reale Möglichkeit“ einer flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Ein verständiger Betrachter wird bei der Abwägung aller Umstände daneben auch die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in seine Betrachtung einbeziehen. Wenn nämlich bei quantitativer Betrachtungsweise nur eine eher geringere mathematische Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung besteht, kann es auch aus der Sicht eines besonnenen Menschen bei der Überlegung, ob er in seinen Heimatstaat zurückkehren kann, einen ganz erheblichen Unterschied bedeuten, ob er z. B. lediglich eine Gefängnisstrafe von einem Monat oder aber Folter oder gar die Todesstrafe riskiert. Auch gilt: Je unabwendbarer eine drohende Verfolgung erscheint, desto unmittelbarer steht sie bevor. Je schwerer der befürchtete Verfolgungseingriff ist, desto weniger kann es dem Gefährdeten zugemutet werden, mit der Flucht zuzuwarten, bis der Verfolger unmittelbar vor der Tür steht. Das gilt auch dann, wenn der Eintritt der befürchteten Verfolgung von reiner Willkür abhängt, das befürchtete Ereignis somit im Grunde jederzeit eintreten kann, ohne dass allerdings im Einzelfall immer gesagt werden könnte, dass dessen Eintritt zeitlich in nächster Nähe bevorsteht. Die allgemeinen Begleitumstände, z. B. eine Willkürpraxis, die Repressionsmethoden gegen bestimmte oppositionelle oder verwundbare Gruppen, sind allgemeine Prognosetatsachen.
35 
Für die Beurteilung sind alle Akte zu berücksichtigen und einzustellen, denen der Ausländer ausgesetzt war oder die ihm gedroht hatten, um festzustellen, ob unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände diese Handlungen als Verfolgung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 QRL gelten können.
36 
Zur Erstellung der erforderlichen Prognose sind objektiviert die Prognosetatsachen nach den allgemeinen Maßstäben des verwaltungsverfahrensrechtlichen und verwaltungsgerichtlichen Regelbeweismaßes der Überzeugungsgewissheit zu ermitteln und festzustellen. Diese Tatsachen liegen regelmäßig teils in der Vergangenheit, teils in der Gegenwart. Sie müssen sodann in einer Gesamtschau verknüpft und gewissermaßen in die Zukunft projiziert werden. Auch wenn insoweit - wie sich bereits aus dem Gefahrbegriff ergibt - eine beachtliche Wahrscheinlichkeit ausreicht und deshalb ein „voller Beweis“ nicht erbracht werden kann, ändert dies nichts daran, dass das Gericht von der Richtigkeit seiner verfahrensfehlerfrei gewonnenen Prognose drohender Verfolgung die volle Überzeugung gewonnen haben muss.
37 
Die Gefahr eigener Verfolgung für einen Ausländer, der die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begehrt, kann sich nicht nur aus gegen ihn selbst gerichteten Maßnahmen ergeben, sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (zur so genannten Gruppenverfolgung vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1128/14 - juris Rn. 30 ff.). Dabei ist je nach den tatsächlichen Gegebenheiten auch zu berücksichtigen, ob die Verfolgung allein an ein bestimmtes unverfügbares Merkmal wie die Religionszugehörigkeit anknüpft oder ob für die Bildung der verfolgten Gruppe und die Annahme einer individuellen Betroffenheit weitere Umstände oder Indizien hinzutreten müssen. Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt - abgesehen von den Fällen eines (staatlichen) Verfolgungsprogramms - ferner eine bestimmte „Verfolgungsdichte“ voraus, welche die „Regelvermutung“ eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen. Ob eine in dieser Weise spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin „wegen“ eines der in § 3b AsylG genannten Merkmale erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten.
38 
Für die Gruppenverfolgung (wie auch für jede Individualverfolgung) gilt weiter, dass sie mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, d. h. wenn keine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die auch vom Zufluchtsland aus erreichbar sein muss (vgl. § 3e AsylG, Art. 8 QRL).
39 
Diese ursprünglich zum Asylgrundrecht für die unmittelbare und die mittelbare staatliche Gruppenverfolgung entwickelten Grundsätze können prinzipiell auf die Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure übertragen werden, wie sie durch § 3c Nr. 3 AsylG (vgl. Art. 6 Buchstabe c QRL) ausdrücklich als flüchtlingsrechtlich relevant geregelt ist.
40 
Ob Verfolgungshandlungen das Kriterium der Verfolgungsdichte erfüllen, ist von den Tatsachengerichten aufgrund einer wertenden Betrachtung im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung zu entscheiden. Dabei muss zunächst die Gesamtzahl der Angehörigen der von Verfolgungshandlungen betroffenen Gruppe ermittelt werden. Weiter müssen Anzahl und Intensität aller Verfolgungsmaßnahmen, gegen die Schutz weder von staatlichen Stellen noch von staatsähnlichen Herrschaftsorganisationen im Sinne des § 3c Nr. 1 und 2 AsylG einschließlich internationaler Organisationen zu erlangen ist, festgestellt und hinsichtlich der Anknüpfung an ein oder mehrere unverfügbare Merkmale im Sinne von § 3b AsylG nach ihrer objektiven Gerichtetheit zugeordnet werden. Alle danach gleichgleichgearteten, auf eine nach denselben Merkmalen zusammengesetzte Gruppe bezogenen Verfolgungsmaßnahmen müssen schließlich zur ermittelten Größe dieser Gruppe in Beziehung gesetzt werden, weil eine bestimmte Anzahl von Eingriffen, die sich für eine kleine Gruppe von Verfolgten bereits als bedrohlich erweist, gegenüber einer großen Gruppe vergleichsweise geringfügig erscheinen kann. Diese Maßstäbe haben auch bei der Anwendung der Richtlinie 2011/95/EU Gültigkeit.
41 
Der der Prognose zugrunde zu legende Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist unabhängig davon, ob bereits Vorverfolgung oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG (vgl. Art. 15 QRL) vorliegt (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1128/14 - juris Rn. 34 m.w.N.). Die Tatsache, dass ein Ausländer bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden ernsthaft bedroht war, ist allerdings ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Ausländers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden (vgl. Art. 4 Abs. 4 QRL); es besteht die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Den in der Vergangenheit liegenden Umständen wird Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft beigelegt. Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadenstiftenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland wiederholen werden. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden; hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Die nach Art. 4 Abs. 4 QRL maßgebenden stichhaltigen Gründe, die gegen eine erneute Verfolgung sprechen, können bei richtigem Verständnis der Norm letztlich keine anderen Gründe sein als die, die im Rahmen der „Wegfall der Umstände-Klausel“ des Art. 11 Abs. 1 Buchstabe e und f QRL maßgebend sind. Dafür spricht, dass der EuGH diese Grundsätze in einen Kontext mit der „Wegfall der Umstände-Klausel“ gestellt hat. Nur wenn die Faktoren, welche die Furcht des Flüchtlings begründeten, dauerhaft beseitigt sind, die Veränderung der Umstände also erheblich und nicht nur vorübergehend ist, wird die Beweiskraft der Vorverfolgung entkräftet. Würden mit Blick auf ein bestimmtes Herkunftsland statusrechtliche Entscheidungen wegen veränderter Umstände aufgehoben, ist es gerechtfertigt, dem Vorverfolgten im Asylverfahren die Umstände, welche die geänderte Einschätzung der Verfolgungssituation als stichhaltige Gründe leiten, entgegenzuhalten. In diesem Fall bleibt ihm dann die Möglichkeit, unter Hinweis auf besondere, seine Person betreffende Umstände nach Maßgabe des allgemeinen Wahrscheinlichkeitsmaßstabs erneut eine ihn treffende Verfolgung geltend zu machen.
42 
2. Dem Kläger ist die Flüchtlingseigenschaft nicht aus individuellen Verfolgungsgründen zuzuerkennen. Der Senat konnte aufgrund des bisherigen Ablaufs des Asylverfahrens und insbesondere aufgrund der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung und des in ihr von seiner Person gewonnenen Eindrucks nicht die erforderliche Überzeugung davon gewinnen, dass die nach seinem Vorbringen fluchtauslösende Entführung und Erpressung durch die EPDP oder die Karuna-Gruppe der Wahrheit entspricht. Vielmehr spricht nach Auffassung des Senats vieles dafür, dass der Kläger den wahren Grund für seine Ausreise nach wie vor für sich behält.
43 
An der Glaubwürdigkeit des Klägers bestehen zunächst aus dem Grund ganz erhebliche Zweifel, dass er im zeitlichen Zusammenhang mit seiner Einreise im September 2008 nicht miteinander in Einklang zu bringende Angaben zu den Gründen seiner Flucht gemacht hat. So gab er bei der Bundespolizei im Wesentlichen an, er habe schon seit zwei Jahren versucht, Sri Lanka zu verlassen, sei seit über zehn Jahren Mitglied der LTTE, habe lange Zeit das sri-lankische Militär mit Bargeld bestochen und müsse damit rechnen, vom Militär grundlos verhaftet zu werden. Von einer Entführung und Erpressung durch Mitglieder tamilischer regierungsnaher Organisationen war nicht im Ansatz die Rede. Es besteht für den Senat keine Veranlassung, daran zu zweifeln, dass der Kläger die in den Wortprotokollen über die Vernehmungen niedergelegten Angaben gemacht hat. Nicht zuletzt wurden die Vernehmungen, bei denen ein Dolmetscher für die tamilische Sprache eingebunden war, ausweislich von beigefügten Vermerken dem Kläger vorgelesen und von ihm genehmigt. Plausible Gründe dafür, dass die Vernehmungen unrichtig wiedergegeben worden sein könnten, hat der Kläger im Übrigen auch in der mündlichen Verhandlung nicht gemacht; er hat sich - darauf angesprochen - mehrmals darauf beschränkt zu bestreiten, die in den Protokollen festgehaltenen Angaben gemacht zu haben. Eine ganz andere Verfolgungsgeschichte hat der Kläger dann in seiner Anhörung beim Bundesamt erzählt: Grund für seine Ausreise sei gewesen, dass Leute ihn mitgenommen und von ihm Geld verlangt hätten; dann hätten sie ihn wieder gehen lassen. Auf Nachfragen des Anhörenden berichtete er unter anderem, die Entführung habe am 14.04.2008 stattgefunden, er sei sechs Tage in einem Haus festgehalten und ihm sei dann eine dreimonatige Zahlungsfrist gewährt worden.
44 
Die angebliche Entführung und Erpressung hat der Kläger dann auch in der mündlichen Verhandlung als Ereignis genannt, das bei ihm erst den Entschluss zur Flucht ins Ausland hat reifen lassen. Allerdings konnte er dem Senat nicht den Eindruck vermitteln, von etwas tatsächlich Erlebtem zu berichten; es spricht vielmehr viel dafür, dass der Kläger ein Schicksal, das andere Personen erlitten haben, auf sich projiziert hat. Auf die eingangs seiner Anhörung gestellte Frage nach dem Grund seiner Ausreise nannte der Kläger in einigen wenigen Sätzen lediglich Eckpunkte der angeblichen Entführung und Erpressung. Wesentlich ausführlicher, detailreicher und nach Einschätzung des Senats durchaus glaubhaft wurden dann erst die Schilderungen seines Reisewegs, auf die sich die Fragestellung indes überhaupt nicht erstreckte. Die gezielten Nachfragen brachten dann auch keine Ausführungen, die den Schluss zulassen könnten, dass sich das Geschehen tatsächlich so wie vom Kläger behauptet ereignet hat. In diesem Zusammenhang merkt der Senat an, dass ihm selbstverständlich bewusst ist, dass die Erinnerung an Ereignisse mit zunehmendem Zeitablauf nachlässt; allerdings wäre die vom Kläger behauptete Entführung und Erpressung ein so einschneidendes Ereignis gewesen, dass auch nach über acht Jahren zu erwarten gewesen wäre, dass der Kläger zumindest einige für die Richtigkeit seiner Angaben sprechende Details hätte schildern können. Das hat er indes nicht getan. Auf die gezielten Fragen antwortete er meist wortkarg. Einzelheiten zu dem Raum etwa, in dem er immerhin sechs Tage festgehalten worden sein will, konnte er mit Ausnahme solcher, die letztlich nur ein geringes Maß an Einfallsreichtum erfordern (angebliche Größe, weiße Wandfarbe, Licht an der Decke) nicht liefern. Angaben dazu, ob der Raum Fenster hatte, wie er möbliert war und dabei insbesondere, ob er eine als solche zu bezeichnende Schlafgelegenheit hatte, wie sie eigentlich zu erwarten gewesen wären, machte der Kläger nicht. Auf die Forderungen der Entführer angesprochen verwies der Kläger stets nur auf deren Verlangen von Geld. Mit welchen Nachteilen die Entführer für den Fall der Nichtzahlung gedroht haben, war dem Kläger keiner nähren Erwähnung wert. Blass blieben auch die Ausführungen zu der angeblichen Folter. Nachdem er zunächst lediglich die Behauptung von Folter in den Raum gestellt hatte, verwies er auf Nachfrage nur darauf, dass er geschlagen worden sei. Auf weitere Nachfrage gab er sodann an, er sei mit Stiefeln getreten und mit einem Holzknüppel geschlagen worden. Wie viele Personen ihn angeblich geschlagen und getreten haben, welche Körperstellen betroffen waren und ob und welche Verletzungen er infolge der Misshandlungen erlitten hat, blieb unerwähnt. Hinzu kommt, dass es sich insoweit um gesteigertes Vorbringen handelt, da der Kläger die Thematik „Folter“ erstmals vor dem Senat erwähnt hat. Auf entsprechenden Vorhalt hat er lediglich erklärt, er sei wohl bei seiner Anhörung nicht ausdrücklich danach gefragt worden. Sollte er allerdings tatsächlich gefoltert worden sein, erscheint es fernliegend, dass er auf diesen Umstand nicht von sich aus hingewiesen hätte.
45 
Gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben zu seinem Verfolgungsschicksal sprechen auch seine Angaben zu dem weiteren Geschehen nach seiner angeblichen Freilassung. Davon, dass die Erpresser bereits im Juni 2008 bei ihm zu Hause vorbeigekommen seien, wie er es in seiner Anhörung beim Bundesamt erzählt hat, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht berichtet. Vielmehr verwies er darauf, dass die Erpresser seine bisherige Unterkunft am 20.07.2008, dem Tag des angeblichen Fristablaufs, aufgesucht hätten. Diese Angabe passt allerdings in keiner Weise zu den Ausführungen seiner Ehefrau in dem dem Bundesamt vorgelegten Brief vom 15.10.2008, wonach die Entführungsbande jetzt häufiger zu ihr nach Hause komme. Erst nach zahlreichen, eindringlichen Nachfragen, nicht zuletzt seines Prozessbevollmächtigten, gab der Kläger an, dass es auch nachfolgend - zuletzt im Jahr 2009 oder im Jahr 2010 - Probleme gegeben habe. In diesem Zusammenhang hat der Kläger auch einerseits angegeben, seine Ehefrau lasse sich durch ihren Bruder bei Besuchen der Erpresser verleugnen. Andererseits gab der Kläger an, es gebe Probleme, wenn die Erpresser seine Ehefrau sehen.
46 
Offenbleiben kann nach Vorstehendem, ob die Entführung und Erpressung überhaupt von flüchtlingsschutzrelevanter Bedeutung gewesen wären. In Betracht käme hier lediglich eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure (vgl. § 3c Nr. 3 AsylG). Der Kläger hat auf die Frage, weshalb er als Opfer der Entführung und Erpressung ausgewählt worden sei, geantwortet, dies sei geschehen, weil er wohlhabend gewesen sei. Diese Aussage ist zunächst erstaunlich, will der Kläger die - nach seiner Angabe in der mündlichen Verhandlung, die nicht mit der Angabe in der Anhörung beim Bundesamt übereinstimmt (damals: drei Millionen Rupien) - für die Organisation der Ausreise gezahlten zwei Millionen Rupien insbesondere durch den Verkauf von Goldschmuck seiner Frau und die Aufnahme eines Darlehens aufgebracht haben. Der Aussage lässt sich aber vor allem entnehmen, dass sich der Kläger zumindest im Wesentlichen als Opfer krimineller Machenschaften sah; eine Verbindung mit seiner tamilischen Volkszugehörigkeit oder gar seiner behaupteten Unterstützungstätigkeiten für die LTTE war für den Senat nicht erkennbar.
47 
Eine staatliche Verfolgung hat der Kläger schon nicht als Grund für seine Ausreise behauptet. Nicht zuletzt da dem Kläger offensichtlich ohne Probleme ein Reiseausweis ausgestellt wurde und er legal und ungehindert das Land verlassen konnte, bestehen hierfür auch keine hinreichenden Anhaltspunkte. Die vom Kläger erst auf Nachfragen angeführten Unterstützungstätigkeiten für die LTTE (Helfen beim Aufbauen und Dekorieren einer Bühne) waren, die Richtigkeit der Angaben unterstellt, allenfalls von untergeordneter Bedeutung. Dass er konkret durch sie ins Visier der Sicherheitskräfte geraten sein könnte, hat er bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung gerade nicht vorgetragen. Es blieb insoweit bei der allgemein gehaltenen Behauptung, Armeeangehörige hätten die Veranstaltungen an den Großheldentagen überwacht.
48 
3. Auch eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wegen Gruppenverfolgung kommt nicht in Betracht.
49 
Tamilen waren zum Zeitpunkt der Ausreise des Klägers im August 2008 keiner Gruppenverfolgung ausgesetzt (dazu a). Sie sind es auch heute nicht (dazu b).
50 
a) Die Lage in Sri Lanka stellt sich im Hinblick auf den Asylantrag des Klägers und bezogen auf den Zeitpunkt seiner Ausreise im Wesentlichen wie im Urteil des erkennenden Gerichtshofs vom 09.11.2010 (A 4 S 703/10, juris) bezogen auf das Jahr 2007 dar. Dort heißt es (a.a.O. Rn. 46 ff.):
51 
Die Lage in Sri Lanka stellte sich 2007 nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnissen wie folgt dar:
52 
In Sri Lanka lebten 2007 geschätzt 20,01 Millionen Menschen. Der Anteil der tamilischen Bevölkerung lag ungefähr bei 10 % (Fischer-Weltalmanach 2010, S. 474). Nach den Angaben des Ministeriums für Volkszählung und Statistik lebten 2006 im Großraum Colombo 2.251.274 Einwohner, davon waren 247.739 tamilische Volkszugehörige sri-lankischer Staatsangehörigkeit und 24.821 indische Tamilen (vgl. UK Home Office, Country of Origin Report Sri Lanka vom 15.11.2007, S. 122, Nr. 20.13).
53 
Die innenpolitische Lage Sri Lankas war von dem jahrzehntelangen ethnischen Konflikt zwischen Singhalesen und Tamilen bestimmt. Das Waffenstillstandsabkommen zwischen der Regierung [und] der tamilischen Rebellenorganisation Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) aus dem Februar 2002 war von Präsident Rajapakse im Januar 2008 offiziell aufgekündigt worden, nachdem es von beiden Seiten seit langem nicht mehr eingehalten worden war. Bereits ab November 2005 war es zu einer drastischen Zunahme von Waffenstillstandsverletzungen durch die LTTE und die im Jahr zuvor von ihr abgespaltene, mit der Regierung kollaborierende Karuna-Gruppe unter „Oberst Karuna“ (Muralitharan Vinayagamurthi), einem ehemaligen Vertrauten des LTTE-Führers Prabahakaran, gekommen. Seit April 2006 hatte die Regierung versucht, die LTTE, die zu diesem Zeitpunkt noch den Norden und Osten des Landes kontrollierte, mit offensiven Maßnahmen zurückzudrängen. Ab Mitte 2006 war es dann zu großflächigen, längeren Kampfhandlungen gekommen. Unterstützt von den paramilitärischen Einheiten der Karuna-Gruppe, die sich als Vertretung der Ost-Tamilen verstand, konnten die Streitkräfte im Juli 2007 nach den vorhergehenden Rückzug der LTTE-Soldaten die letzten von der LTTE gehaltenen Stellungen im Osten Sri Lankas einnehmen (Lagebericht des AA vom 07.04.2009, Stand März 2009, S. 5).
54 
Eine systematische und direkte Verfolgung bestimmter Personen oder Personengruppen wegen Rasse, Nationalität oder politischer Überzeugung von Seiten der Regierung fand seit dem Waffenstillstandsabkommen von 2002 nicht statt (Lageberichte des AA vom 26.06.2007, Stand Juni 2007, S. 6 und vom 05.02.2008, Stand Februar 2008, S. 7). Allerdings standen Tamilen im Generalverdacht, die LTTE zu unterstützen, und mussten mit staatlichen Repressionen rechnen. Sie wurden nicht allein aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit systematisch verfolgt. Sie sind aber - durch ihre tamilische Sprache und die entsprechenden Einträge in Ausweiskarten für die Sicherheitskräfte leicht identifizierbar - in eine Art Generalverdacht der Sicherheitskräfte geraten. Die ständigen Razzien, Pkw-Kontrollen und Verhaftungen bei Vorliegen schon geringster Verdachtsmomente richteten sich vor allem gegen Tamilen. Durch die Wiedereinführung des „Terrorism Prevention Act“ Ende 2006 - ein Notstandsgesetz, das Verhaftungen ohne Haftbefehl und eine Inhaftierung bis zu 18 Monaten erlaubt, wenn die Behörden insbesondere den Verdacht terroristischer Aktivitäten haben (vgl. SFH, Sri Lanka, Aktuelle Situation, Update vom 11.12.2008, S. 3) - war die richterliche Kontrolle solcher Verhaftungen kaum mehr gewährleistet. Wer verhaftet wurde, musste mit längerer Inhaftierung rechnen, ohne dass es zu weiteren Verfahrensschritten oder gar einer Anklageerhebung hat kommen müssen (Lagebericht des AA vom 05.02.2008, Stand Februar 2008, S. 8). So wurden am 30. und 31.12.2005 im Rahmen der von Militär und Polizei in Colombo durchgeführten Operation „Strangers Night III.“ 920 Personen, die weit überwiegende Mehrheit Tamilen, verhaftet (Human Rights Watch, Return to War - Human Rights under Siege - August 2007, S. 74).
55 
Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) hat in seiner Stellungnahme zum Bedarf an internationalem Schutz von Asylsuchenden aus Sri Lanka vom 01.02.2007, die eine Zusammenfassung und Teilübersetzung der „UNHCR Position on the International Protection Needs of Asylum-Seekers from Sri Lanka (December 2006)“ enthält, unter anderem ausgeführt, dass von der sich dramatisch verschlechternden Menschenrechtslage im besonderem Maße Tamilen aus dem Norden und Osten des Landes betroffen seien. Aus der Stellungnahme ergibt sich, dass bei dem Verdacht, dass sie Verbindungen zur LTTE unterhalten, Menschenrechtsverletzungen durch die staatlichen Behörden oder mutmaßlich von der Regierung gestützte Paramilitärs drohten (S. 2). Für Tamilen aus Colombo bestand aufgrund der im April bzw. Dezember 2006 drastisch verschärften Sicherheitsbestimmungen ein erhöhtes Risiko, willkürlichen, missbräuchlichen Polizeimaßnahmen - insbesondere Sicherheitskontrollen, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, Hausdurchsuchungen oder Leibesvisitationen - unterworfen zu werden. Tamilen aus Colombo waren darüber hinaus besonders gefährdet, Opfer von Entführungen, Verschleppungen oder Tötungen zu werden. Zwischen dem 20.08.2006 und dem 02.09.2006 waren Presseberichten zufolge mehr als 25 Tamilen entführt worden, nur zwei Personen waren bis zum Dezember 2006 wieder freigekommen (S. 2 f.). Diese Maßnahmen zur Bekämpfung der dauernden Bedrohung durch terroristische Attacken im Großraum Colombo waren teilweise für die gesamte tamilische Minderheit bedrohlich und stellten ihre Sicherheit in Frage. Extralegale Tötungen, die seit jeher Teil des Konflikts gewesen waren, wurden seit Dezember 2005 auch in signifikanter Zahl von Regierungsseite verübt. Viele Taten sind an gewöhnlichen Personen begangen worden, die kaum erkennbar in Verbindung zu dem Konflikt standen. Teilweise handelte es sich um Teile eines Musters, die LTTE anzugreifen, teilweise geschahen sie aus politischen Motiven. Sie konnten aber auch einen kriminellen Hintergrund haben (Asylsuchende aus Sri Lanka, Position der SFH vom 01.02.2007 S. 5).
56 
Die International Crisis Group hat in ihrem Bericht vom 14.06.2007 (Sri Lanka’s Human Rights Crisis, Asia Report N. 135) unter anderem festgehalten, dass die Anzahl der Verschwundenen in den letzten achtzehn Monaten nur schwerlich mit Sicherheit festzustellen sei. Verschiedene verlässliche Quellen berichteten von mehr als 1.500 Betroffenen, wobei das Schicksal von mindestens 1.000 Personen unklar gewesen sei. Die höchste Anzahl von Betroffenen sei in den von der Regierung kontrollierten Bereichen Jaffnas festzustellen gewesen. Dort seien 731 Fälle registriert worden, in 512 Fällen gebe es noch keine Aufklärung. Im Großraum Colombo sei es zu mehr als 70 berichteten Fällen von Entführungen und des Verschwindenlassens gekommen. Die meisten der Betroffenen seien junge tamilische Volkszugehörige gewesen, die der Zusammenarbeit mit der LTTE verdächtigt worden seien. Auch eine Vielzahl von Personen ohne Verbindung zur LTTE seien Opfer dieses Verschwindenlassens geworden.
57 
Human Rights Watch (HRW) geht in seinem Bericht aus dem August 2007 (Return to War - Human Rights under Siege -) davon aus, dass Entführungen und Fälle des Verschwindenlassens seit August 2006 auch in Colombo zu einer weitverbreiteten Erscheinung geworden seien. Die Organisation gelangt auf der Grundlage von Gesprächen mit 26 Familien von verschwundenen Personen zu dieser Aussage (S. 53 f.). Landesweit geht HRW für den Zeitraum vom 14.09.2006 bis zum 25.02.2007 von 2.020 Fällen Entführter oder sonst verschwundener Personen aus. „Ungefähr 1.134 Personen“ seien lebend wieder aufgefunden worden, die anderen seien weiterhin vermisst (S. 7).
58 
Nach dem Country Report on Human Rights Practices zu Sri Lanka des U.S. Department of State 2007 vom 11.03.2008 waren extralegale Tötungen in Jaffna an der Tagesordnung. Zwischen dem 30.11.2007 und dem 02.12.2007 sind nach zwei Bombenangriffen der LTTE in und um Colombo beinahe 2.500 tamilische Volkszugehörige in der Hauptstadt und geschätzte 3.500 Tamilen im ganzen Land verhaftet worden. Die Inhaftierten, überwiegend männliche tamilische Zivilisten sollen allein aufgrund ihrer tamilischen Nachnamen verhaftet worden sein. Die überwiegende Mehrheit von ihnen wurde bald wieder freigelassen. Zum Jahreswechsel waren nur noch zwölf von 372 im Boosa detention camp Inhaftierten in Gewahrsam.
59 
Aus diesen Erkenntnissen lässt sich selbst dann, wenn alle Angaben zutreffen sollten, zum Zeitpunkt der Ausreise des Klägers Ende November 2007 nicht auf eine Gruppenverfolgung der Gruppe der (jüngeren männlichen) Tamilen schließen. Ein staatliches Verfolgungsprogramm lässt sich nicht feststellen. Nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amts wurde keine Volksgruppe gezielt allein wegen eines unveränderlichen Merkmals verfolgt. Die Anzahl der festzustellenden Übergriffe lässt nicht ohne weiteres auf die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit eines jeden Gruppenmitglieds schließen. Selbst wenn alle Übergriffe im Großraum Colombo zwischen November 2005 und Dezember 2007 dem sri-lankischen Staat zuzurechnen wären - tatsächlich sind dabei auch Übergriffe der LTTE und „rein kriminelle Übergriffe“ mit dem Ziel der Lösegelderpressung unter den registrierten Fällen - und alle Inhaftierungen - auch die von bloß kurzer Dauer von nicht mehr als drei Tagen - gezählt werden, ist das Verhältnis von 3.400 Verhaftungen zu mehr als 240.000 tamilischen Einwohnern angesichts des Zeitraums von zwei Jahren nicht geeignet, eine Regelvermutung der Gefährdung eines jeden Gruppenmitglieds zu rechtfertigen. Zieht man darüber hinaus in Betracht, dass 2.500 der Inhaftierten nach kurzer Zeit wieder freigelassen worden sind und damit keine Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 RL 2004/83/EG erdulden mussten, ergibt sich eine Betroffenheit von 0,3 % der gesamten tamilischen Bevölkerung. Dieser - für die Bewertung des Standards der Achtung der Menschenrechte insoweit gleichwohl hohe - Prozentsatz der Betroffenen innerhalb eines Zweijahreszeitraums führt nicht zum Schluss auf die erforderliche aktuelle Gefahr der Betroffenheit jedes Gruppenmitglieds.
60 
Zu einer anderen Beurteilung bezogen auf den Zeitpunkt August 2008 besteht kein Anlass. Auch der Kläger hat nichts vorgetragen, was eine abweichende Beurteilung rechtfertigen würde.
61 
b) Die Lage in Sri Lanka stellt sich im Hinblick auf den Asylantrag des Klägers derzeit wie folgt dar:
62 
aa) Bezogen auf den Zeitpunkt November 2010 führte der erkennende Gerichtshof in seinem Urteil vom 09.11.2010 aus (a.a.O. Rn. 57 ff.):
63 
Am 19.05.2009 hat der sri-lankische Staatspräsident Mahinda Rajapakse in einer Parlamentsansprache den Sieg der Regierungstruppen über die tamilische Separatistenorganisation LTTE verkündet. Tags zuvor war nach den Angaben des Militärs bei einem der letzten Gefechte der LTTE-Anführer Velupillai Prabhakaran ums Leben gekommen, nachdem zuvor fast die gesamte militärische und politische Führung der LTTE umgekommen war. Der seit 1983 mit Unterbrechungen währende Bürgerkrieg war damit beendet (Lagebericht des AA vom 02.09.2009, Stand: August 2009, S. 6). Hunderttausende Menschen mussten während des Bürgerkriegs ihre Heimatorte im tamilischen Norden und Osten des Landes verlassen. Als Binnenvertriebene suchten sie Zuflucht in weniger gefährdeten Gebieten des Landes. Viele entschieden sich auch dafür, ins Ausland zu gehen. In der Ostprovinz konnten die Binnenvertriebenen inzwischen bis auf einige Ausnahmen in ihre Heimatgemeinden zurückkehren (Lagebericht des AA vom 16.06.2010, Stand: Juni 2010, S. 8). Rund 300.000 Zivilpersonen waren in den letzten Monaten des Bürgerkriegs im von der LTTE gehaltenen, kontinuierlich schrumpfenden Gebiet eingeschlossen. Notgedrungen zogen sie mit den LTTE-Verbänden mit und waren in der zuletzt nur wenige Quadratkilometer ausmachenden Kampfzone im Nordwesten des Landes allen Schrecken dieser Kämpfe ausgesetzt. Nach deren Beendigung brachte sie die Armee in geschlossenen Lagern hauptsächlich in Vavuniya im nördlichen Vanni unter, zu denen nationale und internationale Hilfsorganisationen lange nur eingeschränkt Zugang hatten. Die Regierung begründete diese Lagerunterbringung mit der Notwendigkeit, sich unter den Binnenvertriebenen verbergende ehemalige LTTE-Kämpfer herauszufiltern, und der Unmöglichkeit, die Betroffenen in noch verminte Heimatorte zurückkehren zu lassen. Einigen wenigen wurde die Rücksiedlung im Juni 2009 gestattet. Im August 2009 begann dann sehr zögerlich ein Rücksiedlungsprozess, der im Oktober größeren Umfang annahm und sich ab Dezember wieder verlangsamte, da die Herkunftsorte der Verbliebenen (im Juni 2010 waren noch knapp 60.000 Personen in Lagern untergebracht) noch erheblich zerstört und vermint sind. Einem gesonderten Regime unterliegen die geschlossenen, so genannten „Rehabilitationslager“, in denen rund 8.000 ehemalige LTTE-Kämpfer (bzw. Personen, die insoweit verdächtigt werden) untergebracht sind. Zu diesen Lagern haben weder das IKRK noch Hilfsorganisationen Zugang. Die Antiterrorgesetze von 1979 (Prevention of Terrorism Act) haben weiter Bestand. Die umfangreichen Sicherheitsvorkehrungen insbesondere in Colombo, einschließlich der zahlreichen Kontrollpunkte von Polizei und Militär, werden aufrecht erhalten (Lagebericht des AA vom 16.06.2010, Stand: Juni 2010, S. 9 f.).
64 
Zu den Insassen der „Rehabilitationslager“ hat Human Rights Watch festgestellt, dass zwar die meisten der Verdächtigten in den letzten Wochen der Kampfhandlungen und in der Zeit unmittelbar danach inhaftiert worden seien, dass aber auch neue Inhaftierungen, nämlich im Oktober 2009, erfolgt seien (Human Rights Watch, Legal Limbo - The Uncertain Fate of Detained LTTE Suspects in Sri Lanka, Februar 2010, S. 6).
65 
In unterschiedlichen Bereichen kommt es zu staatlichen repressiven Maßnahmen, die Anzeichen für eine systematische Verfolgung bestimmter Personen oder Personengruppen wegen ihrer Rasse, Nationalität, Religion oder politischer Überzeugung aufweisen. Davon sind nicht nur Tamilen betroffen, sondern auch regierungskritische Singhalesen. So werden oppositionelle Parlamentsabgeordnete, die der Regierung gefährlich werden können, unter fadenscheinigen Vorwürfen verhört, verhaftet oder bedroht. Der Generalverdacht, dass jeder Tamile ein Anhänger, Unterstützer oder gar Mitglied der LTTE war und ist, wird im singhalesischen Teil der Gesellschaft von vielen geteilt, insbesondere bei den staatlichen Sicherheitskräften (Lagebericht des AA vom 16.06.2010, Stand: Juni 2010, S. 10 f.).
66 
Für eine systematische Verfolgung von Tamilen allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit gibt es keine Anhaltspunkte, sie müssen aber - durch ihre tamilische Sprache und die entsprechenden Einträge in Ausweiskarten für die Sicherheitskräfte leicht identifizierbar - jederzeit mit staatlichen Repressionen rechnen. Die ständigen Razzien und Hausdurchsuchungen, schikanösen Behandlungen (Beleidigungen, langes Warten, exzessive Kontrolle von Fahrzeugen, Erpressung von Geldbeträgen) bei den zahlreichen Polizeikontrollen im Straßenverkehr und Verhaftungen richten sich vor allem gegen Tamilen, wobei aus dem Norden und Osten stammende Tamilen darunter noch in höherem Maße zu leiden haben. Durch Anwendung des Prevention of Terrorism Act ist die richterliche Kontrolle solcher Verhaftungen kaum mehr gewährleistet. Wer verhaftet wird, muss mit längerer Inhaftierung rechnen, ohne dass es zu weiteren Verfahrensschritten oder einer Anklageerhebung kommen muss. Die Situation hat sich seit Beendigung der Kampfhandlungen nicht verbessert (Lagebericht des AA vom 16.06.2010, Stand: Juni 2010, S. 11).
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Ein Asylantrag im Ausland, der von vielen in Sri Lanka als legitimer Versuch angesehen wird, sich einen Aufenthaltsstatus zu verschaffen, begründet in aller Regel noch keinen Verdacht, der LTTE nahe zu stehen. Rückkehrer, die aus den nördlichen oder östlichen Landesteilen stammen und sich nun erstmals in Sri Lanka niederlassen wollen, müssen indes einen Anfangsverdacht und entsprechendes Misstrauen bis zu Schikanen durch die Sicherheitsorgane gegenwärtigen. Mindestens ebenso stark steht unter Verdacht, wer bereits früher als Anhänger der LTTE auffällig geworden war. Das Ende der Kampfhandlungen hat diesbezüglich nicht zu einer Entspannung geführt. Am 26.05.2010 wurde am Flughafen Colombo bei der Einreise eine in Deutschland ansässige Sri-Lankerin unter dem Verdacht der LTTE-Unterstützung festgenommen, die nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden in Deutschland für die LTTE Gelder eingesammelt und im Frühjahr letzten Jahres Demonstrationen organisiert haben soll. Belastbaren Berichten anderer Botschaften zufolge gibt es Einzelfälle, in denen zurückgeführte Tamilen nach Ankunft in Colombo unter LTTE-Verdacht festgenommen wurden (Lagebericht des AA vom 16.06.2010, Stand: Juni 2010, S. 24).
68 
Aus dem „Report of Information Gathering Visit to Colombo, Sri Lanka, 23. bis 29. August 2009“ vom 22.10.2009 des „U.K. Foreign and Commonwealth Office Migration Directorate“ (FCO), für den sowohl staatliche sri-lankische Stellen als auch Nichtregierungsorganisationen befragt wurden, ergibt sich, dass unabhängig von ihrer Volkszugehörigkeit nicht freiwillig nach Sri Lanka zurückkehrende Personen dem Criminal Investigation Department zur Feststellung der Staatsangehörigkeit und Kontrolle des Vorstrafenregisters überstellt werden. Die Befragung kann mehr als 24 Stunden dauern. Die Betroffenen werden erkennungsdienstlich behandelt. Abhängig vom Einzelfall ist eine Überstellung an den Geheimdienst (State Intelligence Service) oder das Terrorist Investigation Department zum Zwecke der Befragung denkbar. Jeder, der wegen eines Vergehens gesucht wird, muss mit seiner Verhaftung rechnen. Vorbestrafte oder Personen mit Verbindungen zur LTTE werden weitergehend befragt und gegebenenfalls in Gewahrsam genommen. Laut Nichtregierungsorganisationen würden Tamilen aus dem Norden und Osten des Landes einer genaueren Überprüfung als andere unterzogen. Verschiedene Faktoren, nämlich ein offener Haftbefehl, Vorstrafen, Verbindungen zur LTTE, eine illegale Ausreise, Verbindungen zu Medien oder Nichtregierungsorganisationen und das Fehlen eines Ausweises (ID Card) oder anderer Personaldokumente, erhöhten das Risiko, Schwierigkeiten bei der Einreise zu bekommen, einschließlich einer möglichen Ingewahrsamnahme (S. 5). Hingegen konnte keine der befragte Quellen angeben, dass sichtbare Narben einen Einfluss auf die Behandlung bei der Einreise haben könnten. Im Falle, dass der Verdacht einer Verbindung zur LTTE bestünde, könnten solche Narben Anlass zu einer Befragung sein, jedoch würden diesbezüglich keine körperlichen Untersuchungen durchgeführt (S. 16).
69 
Überwiegend hätten die Befragten angegeben, dass die Anzahl der Razzien (cordon and search operations) in den letzten Monaten nicht zurückgegangen sei. Es gebe keine Informationen zu der Anzahl möglicher Festnahmen. Grundsätzlich seien junge männliche Tamilen, die aus dem Norden oder Osten des Landes stammten, im Zuge von Razzien einem besonderen Festnahmerisiko ausgesetzt. Die bereits genannten Faktoren erhöhten das Risiko. Tamilen ohne Beschäftigung oder „legitimen Aufenthaltsgrund“ würden ebenfalls mit großer Wahrscheinlichkeit als verdächtig angesehen (S. 5).
70 
Nach ganz überwiegender Meinung der Befragten hat es - wenn überhaupt - seit Juni 2009 nur noch sehr wenige Entführungen / Fälle des Verschwindenlassens gegeben. Die Entführungen erfolgten demzufolge sowohl zur Lösegelderpressung als auch aus politischen Gründen. Die Nichtregierungsquellen stimmten weitgehend darin überein, dass die Sicherheitskräfte in den meisten Fällen in gewisser Weise beteiligt seien und die Polizei keine ernsthaften Ermittlungen durchführe (S. 5 f.). Bei den Straßenkontrollen im Großraum Colombo, die nach Angabe der meisten Befragten nicht nennenswert reduziert worden seien, würde es nur sehr selten zu Festnahmen kommen. Seit Juni 2009 seien keine bekannt geworden.
71 
Der Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 16.06.2010 und der (ältere) Bericht des U.K. Foreign and Commonwealth Office Migration Directorate ergänzen sich. Jedenfalls die hier zitierten allgemeinen Feststellungen (S. 5 f.), die auf mindestens weit überwiegend übereinstimmenden Angaben der Befragten beruhen, sind geeignet, die insoweit knapper gehaltenen Aussagen der Lageberichte zu den Gefährdungen von Tamilen zu illustrieren. Eine Gruppenverfolgung der Gruppe der (jüngeren männlichen) Tamilen (im wehrfähigen Alter) lässt sich auf der Basis der wiedergegebenen Erkenntnisse nicht feststellen. Insbesondere angesichts des Umstands, dass Verhaftungen bei Razzien ebenso selten geworden sind wie an Straßenkontrollpunkten und Fälle des Verschwindenlassens ebenfalls kaum mehr vorkommen, lässt sich eine generelle staatliche oder staatlich tolerierte Verfolgung der Gruppe der Tamilen nicht feststellen. Anderes lässt sich auch nicht aus dem Fortbestehen der „rehabilitation camps“ schließen. Denn jedenfalls gibt es keine Hinweise darauf, dass nach deren Begründung noch Personen in einer für die Annahme einer Gruppenverfolgung aller - jedenfalls der im wehrfähigen Alter befindlichen - Tamilen relevanten Größenordnung in diese Lager verbracht worden sind. Aus dem vom Kläger zitierten Bericht von Human Rights Watch, Legal Limbo, The Uncertain Fate of Detained LTTE Suspects in Sri Lanka, ergibt sich unter Bezugnahme auf den „Indian Express“ vom 28. Oktober 2009, dass mindestens 300 LTTE Kader, die sich unter den Binnenvertriebenen versteckt hätten, verhaftet worden seien. Damit ist weder ein Bezug zu der Gruppe aller Tamilen oder jedenfalls derjenigen im wehrfähigen Alter aufgezeigt noch ergibt sich aus den berichteten Vorkommnissen, dass diese bis zum Tag der mündlichen Verhandlung gleichsam an der Tagesordnung gewesen wären.
72 
Die Einlassung des Klägers, aus dem zitierten Bericht von Human Rights Watch ergebe sich eine Zunahme der Fälle des Verschwindenlassens, vermag stichhaltige Indizien für eine Gruppenverfolgung aller (wehrfähigen) Tamilen nicht darzutun. Den dortigen Ausführungen im Unterkapitel „Concerns about Possible Enforced Disappearances“ sind vielmehr zunächst zwei Einzelfälle des Verschwindens nach Ende des Bürgerkriegs zu entnehmen. Darüber hinaus wird über eine Internierung von Dutzenden von Personen aus dem Lager „Menik Farm“ berichtet. Es wird weiter geschildert, dass das Schicksal der internierten Personen häufig - bis zum Tag des Berichts - unklar geblieben sei. Daraus lässt sich ein erhöhtes Risiko für solche Personen ableiten, die aus Sicht der Behörden im Verdacht stehen, mit der LTTE zusammengearbeitet haben, nicht jedoch eine Gruppenverfolgung aller (jungen männlichen) Tamilen. Der gegen alle Tamilen gerichtete so genannte „Generalverdacht“ führt offenkundig für sich genommen noch nicht regelmäßig zu Übergriffen der Sicherheitsbehörden. Vielmehr kommt es auf individuell gefahrerhöhende Umstände an, bei deren Vorliegen im Einzelfall eine begründete Furcht vor Verfolgung anzunehmen sein kann.
73 
Auch aus dem vom Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegten Gutachten des European Center for Constitutional and Human Rights „Study on Criminal Accoutability in Sri Lanka as of January 2009“ aus dem Juni 2010 lässt sich die von ihm behauptete Gruppenverfolgung nicht ableiten. Dem Bericht lässt sich entnehmen, dass die Anzahl der in den „welfare centers“ in Gewahrsam gehaltenen Personen von 280.000 (zwischen März 2008 und Juni 2009) bis in den Januar 2010 auf rund 80.000 abgenommen hat. Dem Bericht, der sich mit den Zuständen in den Lagern beschäftigt, ist nicht zu entnehmen, dass sri-lankische Staatsangehörige nach ihrer Wiedereinreise dazu gezwungen worden wären, in solchen Lagern zu leben. Weiter beschäftigt sich das Gutachten unter Zitierung des bereits erwähnten Berichts von Human Rights Watch aus dem Februar 2010 mit der Behandlung von der LTTE-Mitgliedschaft Verdächtigten. Auch diesen Ausführungen ist nichts zu einer anhaltenden Verhaftungswelle - wie sie für die Annahme einer Gruppenverfolgung notwendig wäre - nach Beendigung des Bürgerkriegs und in den folgenden Monaten im Jahr 2009 zu entnehmen.
74 
Schließlich führt insoweit der Verweis des Klägers auf die Lageeinschätzung der International Crisis Group vom 17.02.2010, die sein Prozessbevollmächtigter im „Parallelverfahren“ (A 4 S 693/10) vorgelegt hat, nicht zum Erfolg seiner Klage. Dem Bericht ist zwar zu entnehmen, dass das Vorgehen der Regierung im Norden und Osten des Landes zur Verängstigung und Entfremdung der Minderheiten führe. Das aus dieser Behandlung aber ein systematisches Ausgrenzen der tamilischen Minderheit aus der staatlichen, übergreifenden Friedensordnung im Sinne einer Entrechtung abzuleiten wäre, ergibt sich weder aus diesem Bericht noch aus der Gesamtschau. Ebenso wenig lässt sich ein staatliches Verfolgungsprogramm hinsichtlich aller Tamilen oder auch nur der im wehrfähigen Alter befindlichen Gruppenmitglieder feststellen. Anderes kann möglicherweise für die im Zuge der Beendigung der kriegerischen Auseinandersetzungen unmittelbar in den rehabilitation camps Inhaftierten oder die aus den Flüchtlingslagern „herausgefilterten“, in rehabilitation camps verbrachten Personen gelten. Jedoch ist ein solches systematisches Vorgehen gegenüber etwa in Colombo lebenden Tamilen nicht feststellbar.
75 
Die rechtliche Einschätzung zur fehlenden begründeten Furcht vor einer Gruppenverfolgung entspricht auch der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (Urteile vom 08.07.2009 - 3 A 3295/07.A - und vom 24.08.2010 - 3 A 864/09.A -) und - der Sache nach - des UK Asylum and Immigration Tribunal (TK (Tamils - LP updated) Sri Lanka CG [2009]UKAIT 00049 RdNr. 73).
76 
bb) Erst recht ist die Annahme einer Gruppenverfolgung zum derzeitigen Zeitpunkt (Oktober 2016) nicht gerechtfertigt.
77 
(1) In Sri Lanka leben nach Auskunft des Auswärtigen Amts (Länderinformation, Stand: Februar 2015) 20,7 Millionen Menschen. Der Anteil der Sri-Lanka-Tamilen beträgt 11,2 % (auch Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 7); es ist mithin von etwa 2,3 Millionen Volkszugehörigen auszugehen. „Indian Tamils“ machen 4,2 % der Bevölkerung aus.
78 
Am 08.01.2015 wurde Maithripala Sirisena bei der Präsidentenwahl, bei der die Wahlbeteiligung bei 81,5 % lag, zum Präsidenten Sri Lankas gewählt. Er setzte sich mit 51,28 % der Stimmen gegen den bisherigen Amtsinhaber Rajapaksa durch, der 47,58 % erhielt. Am 17.08.2015 fanden Parlamentswahlen statt, die nach Einschätzung des Auswärtigen Amts frei und fair waren (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 6). Die Tamilenpartei ITAK erhielt 4,62 % der Stimmen und damit 16 Mandate, sie stellt mit Rajavarothiam Sampanthan den Oppositionsführer (a.a.O.).
79 
Mit dem Amtsantritt Sirisenas am 09.01.2015 hat sich die politische Situation in Sri Lanka nach Einschätzung des Auswärtigen Amts (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 5) erheblich zum Positiven verändert. Demokratie und Rechtsstaat seien gestärkt worden. Die Menschenrechte, insbesondere die Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit würden wieder respektiert. Die Betätigungsmöglichkeiten der politischen Opposition seien nicht mehr eingeschränkt (a.a.O. S. 7). Menschenrechtsorganisationen hätten größere Freiräume (a.a.O. S. 6). So genannte Verschwundenen-Fälle seien seit dem Amtsantritt der neuen Regierung nicht mehr bekannt geworden (a.a.O. S. 12).
80 
Das Auswärtige Amt merkt in seinem jüngsten Lagebericht aber auch an, dass insbesondere im Norden und Osten noch nicht alle Menschenrechtsverletzungen abgestellt seien (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 5). Einzelne Menschenrechtsvertreter würden dort vom Sicherheitsapparat verfolgt und ihre Gesprächspartner würden gelegentlich noch von Sicherheitskräften ausgefragt (a.a.O. S. 6, auch S. 7; vgl. auch Amnesty Report 2016, Sri Lanka, mit dem Hinweis auf Berichte von Menschenrechtsverteidigern zu Überwachungen durch die Polizei und das Militär im Norden und Osten sowie Befragungen). Die Polizei wende mitunter noch immer unverhältnismäßigen Zwang an (a.a.O. S. 7; vgl. auch Amnesty Report 2016, Sri Lanka, mit dem Hinweis auf Beschwerden über die Anwendung unverhältnismäßiger Gewalt bei Polizeieinsätzen im Zusammenhang mit Demonstrationen). Als Beispiel nennt das Auswärtige Amt die Beendigung friedlicher Studentendemonstrationen mittels Tränengas, Wasserwerfern und Schlagstöcken (a.a.O. S. 7); es verweist zudem auf Angaben Internationaler Organisationen und Presseberichte, wonach Folter weiterhin gelegentlich zur Erpressung von Geständnissen angewandt wird (a.a.O. S. 11; vgl. auch Amnesty Report 2016, Sri Lanka, mit dem Hinweis auf Berichte über Folter und andere Misshandlungen). Auch sollen Misshandlungen bei der Festnahme von Verdächtigen sowie in Gefängnissen weiter vorkommen (a.a.O. S. 12).
81 
Amnesty International (Amnesty Report 2016, Sri Lanka) verweist darüber hinaus auf Berichte über ungeklärte Todesfälle in Polizeigewahrsam; Häftlinge würden häufig an Verletzungen sterben, die den Schluss zuließen, dass sie gefoltert und misshandelt worden seien.
82 
Nach Angaben des Auswärtigen Amts hat die neue Regierung zahlreiche Schritte unternommen, um die Wiederversöhnung zwischen den verschiedenen Gemeinschaften im Land voranzubringen (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 5). Sie suche aktiv den Dialog mit der tamilischen Diaspora (auch a.a.O. S. 10). Amnesty International berichtet zudem darüber (Amnesty Report 2015, Sri Lanka), dass im Jahr 2015 am Jahrestag der Beendigung des bewaffneten Konflikts öffentliche Gedenkfeiern von Tamilen im Wesentlichen erlaubt waren (vgl. auch Human Rights Watch, Sri Lanka After the Tigers, 19.02.2016, mit dem Hinweis, dass Gedenkfeiern für verstorbene Tamilen mittlerweile erlaubt seien), und fügt hinzu, dass über eine starke Polizeipräsenz bei derartigen Zusammenkünften berichtet worden sei (vgl. auch Human Rights Watch, Time to seize the Moment in Sri Lanka, 25.05.2016). Insbesondere Human Rights Watch macht aber auch darauf aufmerksam, dass ein Erfolg versprechender Versöhnungsprozess, der unter anderem auch eine Aufarbeitung der beiderseitigen Kriegsverbrechen beinhaltet, noch nicht wirklich ins Werk gesetzt worden ist (vgl. etwa die Beiträge „Time to seize the Moment“ [25.05.2016] und „Unfinished Business in Sri Lanka“ [01.09.2016]).
83 
Nach Einschätzung des Auswärtigen Amts gibt es gegenüber Tamilen im Norden und Osten seit dem Amtsantritt Sirisenas „keine direkten staatlichen Repressionen mehr“ (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 7). In Sri Lanka gebe es keine diskriminierende Gesetzgebung, Verwaltungspraxis oder Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis (a.a.O. S. 8). Der von der Polizei angewendete unverhältnismäßige Zwang richte sich nicht gegen eine bestimmte Gruppe (a.a.O. S. 7). Während die Anwendung von Folter früher vor allem Tamilen betroffen habe, sollen mittlerweile Singhalesen in gleichem Maß betroffen sein (a.a.O. S. 11 unter Berufung auf Berichte von Human Rights Watch und lokale Menschenrechtsorganisationen; Human Rights Watch [Time to seize the Moment in Sri Lanka, 25.05.2016] spricht von „continued reports of the torture of detainees“ [fortgesetzten Berichten über die Folter von Inhaftierten]).
84 
Das Auswärtige Amt führt weiter aus, dass der infolge des langjährigen Bürgerkriegs umfassende Sicherheitsapparat nach Ende des Konflikts 2009 kaum reduziert wurde und insbesondere im Norden und Osten noch stark vertreten ist (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 6, auch S. 7; vgl. auch Human Rights Watch, Unfinished Business in Sri Lanka, 01.09.2016). Es verweist zudem darauf, dass nach Angaben der sri-lankischen NGO Groundviews 2015 noch immer mindestens 181 von ehemals ca. 12.000 LTTE-Mitgliedern oder -Symphatisanten, die sich bei Kriegsende gestellt hätten, ohne Gerichtsurteil inhaftiert seien; bis November 2015 seien 38 davon gegen Kaution freigelassen worden (a.a.O. S. 12).
85 
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe weist in ihrer Auskunft vom 22.04.2016 „Sri Lanka: Gefährdung bei Rückkehr und Zugang zu medizinischer Versorgung in Haft“ darauf hin (S. 3), dass Berichte der NGO Freedom from Torture und International Truth & Justice Project Sri Lanka vom Januar 2016 insgesamt 27 Fälle dokumentierten, in denen tamilische Personen durch sri-lankische Sicherheitskräfte gefoltert, willkürlich verhaftet oder entführt worden seien. Der jüngste in dem letztgenannten Bericht dokumentierte Fall (von insgesamt 20 Fällen) habe sich im Dezember 2015 zugetragen (vgl. a.a.O. S. 4). Während der Verhöre seien mehrere der Betroffenen beschuldigt worden, die LTTE wiederaufbauen zu wollen oder das Land in Unruhe zu bringen. 19 der Personen seien Opfer von Entführungen mittels weißer Lieferwagen geworden („White Van Abduction“). 16 der Personen hätten in der Vergangenheit eine Funktion der LTTE auf niedriger Stufe gehabt.
86 
Der Prevention of Terrorism Act (s. o. aa und a) ist weiterhin in Kraft (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 7 und 12; auch Amnesty Report 2016, Sri Lanka, und Human Rights Watch, UN Human Rights Council: High Commissioner’s Report on human rights of Rohingya Muslims and other minorities in Burma/Maanmar and on Sri Lanka, 30.06.2016). Das Auswärtige Amt führt aus, die Regierung gebe an, 181 Personen seien auf seiner Grundlage inhaftiert, wobei die Mehrheit tamilischer Herkunft sei, die Zivilgesellschaft gehe hingegen von rund 250 Personen aus (a.a.O. S. 7). Die Schweizerische Flüchtlingshilfe verweist darauf, dass verschiedene Schätzungen „sich auf bis über 200 Personen“ beliefen (Auskunft vom 22.04.2016, S. 6). Amnesty International zitiert eine Erklärung des Oppositionsführers Sampanthan vor dem Parlament, dass noch 217 Personen auf der Grundlage der Bestimmungen des PTA inhaftiert seien (Amnesty Report 2016, Sri Lanka). Nach Angaben der Schweizerischen Flüchtlingshilfe wird er „weiterhin eingesetzt, um tamilische Personen zu verhaften, welche der angeblichen Verbindungen zur LTTE verdächtigt werden“ (Auskunft vom 22.04.2016, S. 6; entsprechend Amnesty Report 2016, Sri Lanka; ferner Human Rights Watch, Time to seize the Moment in Sri Lanka, 25.05.2016). Die Flüchtlingshilfe verweist auch auf eine sri-lankische Zeitung, die von Verhaftungen von Militärpersonal unter dem PTA berichtet hat.
87 
Rückkehrer müssen nach Einschätzung des Auswärtigen Amts grundsätzlich keine staatlichen Repressalien gegen sich fürchten, jedoch müssen sie sich nach Rückkehr Vernehmungen durch die Immigration, das National Bureau of Investigation und das Criminal Investigation Department stellen; ob es zur Anwendung von Gewalt kommt, ist nicht bekannt (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 13). Mit solchen Vernehmungen ist insbesondere zu rechnen, wenn die rückkehrende Person keinen gültigen sri-lankischen Reisepass vorlegen kann; Fälle diskriminierender Behandlung solcher Personen (auch von Tamilen) sind dem Auswärtigen Amt nicht bekannt (a.a.O. S. 14). Bei der Einreise mit gültigem sri-lankischem Reisepass würden die Einreiseformalitäten zumeist zügig erledigt; dies gelte auch für Zurückgeführte (a.a.O. S. 14).
88 
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe führt in ihrer Auskunft vom 22.04.2016 aus (S. 1), dass es auch nach Amtsantritt des neuen Präsidenten zu Verhaftungen von tamilischen Rückkehrenden kam. Die Verhaftungen schienen oft mit angeblichen Verbindungen zur LTTE zusammenzuhängen. Eine zuvor erfolgte illegale Ausreise könne bei der Rückkehr ebenfalls zu einer Verhaftung führen. Die Flüchtlingshilfe führt nach diesen einleitenden Bemerkungen unter Berufung auf verschiedene Quellen einzelne Fälle auf. So verweist sie zunächst auf einen Bericht der Zeitung Ceylon News vom 19.04.2016, wonach ein aus Mullaitivu stammender Tamile bei seiner Rückkehr aus Doha am 12.04.2016 durch das Terrorist Investigation Department am Flughafen aufgegriffen und anschließend sieben Stunden verhört worden sei (a.a.O. S. 1 f.). Anschließend sei er mit der Aufforderung freigelassen worden, am nächsten Morgen das TID-Büro in Colombo aufzusuchen. Am folgenden Tag sei er dort verhaftet worden. Die Flüchtlingshilfe spricht außerdem etwa den Fall eines tamilischen Journalisten an, der nach seiner Rückkehr nach Sri Lanka durch die sri-lankischen Behörden verhaftet worden sei (a.a.O. S. 2). Der Journalist und Aktivist sei im Jahr 2012 nach Australien geflohen und habe sich aufgrund der positiven Signale der aktuellen sri-lankischen Regierung für die Rückkehr entschieden. Er sei nach der Inhaftierung auf Kaution freigelassen worden. Ihm seien aber Auslandsreisen für fünf Jahre untersagt worden und er müsse sich jeden Monat im berüchtigten vierten Stock des Hauptquartiers des CID in Colombo melden. Unter Berufung auf TamilNet führt die Flüchtlingshilfe auch aus, dass viele tamilische Rückkehrende aus dem Nahen Osten in der jüngsten Zeit durch den sri-lankischen Militärgeheimdienst verhaftet worden seien (a.a.O. S 2). Die Flüchtlingshilfe zitiert schließlich etwa auch aus einem Bericht der International Crisis Group, wonach weiterhin rückkehrende tamilische Personen unter Anwendung des Prevention auf Terror Act (PTA) wegen des Verdachts auf zurückliegende LTTE-Verbindungen verhaftet würden; viele würden in durch das Militär betriebene Rehabilitationsprogramme geschickt.
89 
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe trägt in der Auskunft vom 22.04.2016 auch vor, dass das International Truth & Justice Project Sri Lanka im Januar 2016 zu dem Schluss gekommen sei, dass tamilische Personen, welche aus dem Ausland zurückkehrten, überwacht würden (a.a.O. S. 4). So gebe es weiterhin ein umfangreiches Netzwerk von tamilischen Informanten, welche Rückkehrende beobachteten. Das sichere Verlassen des Flughafens sei deswegen keine Garantie für die spätere Sicherheit. Die Flüchtlingshilfe gibt ferner die Einschätzung von International Truth & Justice Project wieder, dass es für tamilische Personen im Ausland noch nicht sicher sei, nach Sri Lanka zurückzukehren, wenn die betroffene Person in der Vergangenheit eine Verbindung zur LTTE aufweise (a.a.O. S. 5).
90 
(2) Diese Erkenntnisse lassen, selbst wenn sich alle Angaben zu flüchtlingsschutzrelevanten Menschenrechtsverletzungen als zutreffend erweisen sollten, zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht den Schluss auf eine Gruppenverfolgung von Tamilen, auch nicht vom männlichen Tamilen aus dem Norden, zu. Ein staatliches Verfolgungsprogramm lässt sich nach wie vor nicht feststellen. Auch die Zahl an Verhaftungen und Überwachungen von Tamilen sowie an ihnen gegenüber vorgenommene Handlungen, die als Folter einzustufen sind, lässt nicht annähernd auf die Gefahr schließen, dass (nahezu) jedes Gruppenmitglied mit solchen Maßnahmen zu rechnen hat. Dabei ist auch zu bedenken, dass nicht jede Verhaftung mit anschließendem Verhör schon eine Menschenrechtsverletzung darstellt.
91 
Der nach den vorliegenden Erkenntnismitteln bestehenden, im Vergleich zu den Jahren 2008 und 2010 deutlich verbesserten Gesamtsituation der Tamilen in Sri Lanka hat der Kläger nichts entgegengehalten.
III.
92 
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG.
93 
1. Gemäß Art. 16a Abs. 1 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Eine Verfolgung ist dann eine politische, wenn sie dem Einzelnen in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine religiöse Grundentscheidung oder an für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen, gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen (BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. - BVerfGE 80, 315; jüngst etwa Kammerbeschluss vom 09.03.2016 - 2 BvR 348/16 - juris Rn. 12). Politische Verfolgung ist grundsätzlich staatliche Verfolgung (BVerfGE 80, 315). An gezielten Rechtsverletzungen fehlt es bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Heimatstaat zu erleiden hat, wie Hunger, Naturkatastrophen, aber auch bei den allgemeinen Auswirkungen von Unruhen, Revolutionen und Kriegen (BVerfGE 80, 315, 335). Ob eine gezielte Verletzung von Rechten vorliegt, die Verfolgung mithin „wegen“ eines Asylmerkmals erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (BVerfGE 80, 315, 335).
94 
Das Asylgrundrecht des Art. 16a Abs. 1 GG beruht auf dem Zufluchtgedanken, mithin auf dem Kausalzusammenhang Verfolgung - Flucht - Asyl (BVerfGE 80, 315, 344). Nach dem hierdurch geprägten normativen Leitbild des Grundrechts ist typischerweise asylberechtigt, wer aufgrund politischer Verfolgung gezwungen ist, sein Land zu verlassen und im Ausland Schutz und Zuflucht zu suchen, und deswegen in die Bundesrepublik Deutschland kommt. Atypisch, wenn auch häufig, ist der Fall des unverfolgt Eingereisten, der hier gleichwohl Asyl begehrte und dafür auf Umstände verweist, die erst während seines Hierseins entstanden sind oder deren erst künftiges Entstehen er besorgt (sog. Nachfluchttatbestände).
95 
Nach diesem normativen Leitbild des Asylgrundrechts gelten für die Beurteilung, ob ein Asylsuchender politisch Verfolgter im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG ist, unterschiedliche Maßstäbe je nachdem, ob er seinen Heimatstaat auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar drohender Verfolgung verlassen hat oder ob er unverfolgt in die Bundesrepublik Deutschland gekommen ist (BVerfGE 80, 315, 344).
96 
Ergibt die rückschauende Betrachtung, dass der Asylsuchende vor landesweiter politischer Verfolgung geflohen ist, so kommt eine Anerkennung als Asylberechtigter regelmäßig in Betracht. Ergibt sie eine lediglich regionale Verfolgungsgefahr, so bedarf es der weiteren Feststellung, dass der Asylsuchende landesweit in einer ausweglosen Lage war. Steht fest, dass Asylsuchende wegen bestehender oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung ausgereist ist und dass ihm auch ein Ausweichen innerhalb seines Heimatstaates im beschriebenen Sinn unzumutbar war, so ist er gemäß Art. 16a Abs. 1 GG asylberechtigt, es sei denn, er kann in seinem eigenen Staat wieder Schutz finden. Daher muss sein Asylantrag Erfolg haben, wenn die fluchtbegründenden Umstände im Zeitpunkt der Entscheidung ohne wesentliche Änderung fortbestehen. Ist die Verfolgungsgefahr zwischenzeitlich beendet, kommt es darauf an, ob mit ihrem Wiederaufleben zu rechnen ist; eine Anerkennung als Asylberechtigter ist nicht geboten, wenn der Asylsuchende vor erneuter Verfolgung hinreichend sicher sein kann. Gleiches gilt, wenn sich - bei fortbestehender regional begrenzter politischer Verfolgung - nach der Einreise in den Geltungsbereich des Grundgesetzes eine zumutbare inländische Fluchtalternative eröffnet.
97 
Hat der Asylsuchende seinen Heimatstaat unverfolgt verlassen, so kann sein Asylantrag nach Art. 16a Abs. 1 GG nur Erfolg haben, wenn ihm aufgrund von beachtlichen Nachfluchttatbeständen politische Verfolgung droht (BVerfGE 80, 315, 345 f.). Droht diese Gefahr nur in einem Teil des Heimatstaates, so kann der Betroffene auf Gebiete verwiesen werden, in denen er vor politischer Verfolgung hinreichend sicher ist, es sei denn, es drohen dort andere unzumutbare Nachteile oder Gefahren.
98 
2. Der Anerkennung des Klägers als Asylberechtigten steht entgegen, dass nach Überzeugung des Senats die nach dem Vorbringen des Klägers fluchtauslösende Entführung und Erpressung durch die EPDP oder die Karuna-Gruppe nicht der Wahrheit entspricht (s. o. II. 2.) und er zum Zeitpunkt der Ausreise nicht Mitglied einer verfolgten Gruppe war (s. o. II. 3. a) sowie er ein solches auch zum heutigen Zeitpunkt nicht ist (s. o. II. 3. b bb).
IV.
99 
Der Kläger hat weiterhin nicht den von ihm hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes. Plausible Anhaltspunkte dafür, dass ihm in Sri Lanka ein ernsthafter Schaden i. S. v. § 4 Abs. 1 AsylG drohen könnte, bestehen nach dem Gesagten nicht.
V.
100 
Der Kläger hat schließlich auch nicht den weiter hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf die Feststellung des Bestehens eines nationalen Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AsylG. Auch insoweit gilt, dass für den Senat kein Sachverhalt ersichtlich ist, der das Vorliegen der genannten Verbote zu begründen in der Lage wäre.
VI.
101 
Dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsbeweisantrag ist nicht zu entsprechen.
102 
1. a) Soweit der Antrag auf die Einholung eines Gutachtens eines sachverständigen Universitätsprofessors für Europäisches Recht gerichtet ist, zielt der Antrag auf die Klärung einer Rechtsfrage, nicht aber auf eine dem (Sachverständigen-)Beweis zugängliche Tatsachenfrage. Die Ermittlung der Rechtslage und die Anwendung der einschlägigen Vorschriften auf einen konkreten Fall ist ureigene Aufgabe der Rechtsprechung (vgl. § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 293 ZPO: s. a. Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 293 Rn. 1, nicht zuletzt unter Hinweis auf den Grundsatz „iura novit curia“). Die Ermittlung der Rechtslage ist infolgedessen in aller Regel keine Tatsachenfeststellung. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der die Ermittlung ausländischen Rechts sowie der ausländischen Rechtspraxis im Verwaltungsprozess nicht der Rechtserkenntnis zuzuordnen, sondern wie eine Tatsachenfeststellung zu behandeln ist (Urteil vom 19.07.2012 - 10 C 2.12 - NJW 2012, 3461 Rn. 16; kritisch dazu Geimer, a.a.O. Rn. 14). Denn die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), deren Auslegung und Anwendung auf seinen Fall der Kläger geklärt haben will, ist kein ausländisches Recht. Die EMRK gilt vielmehr in der deutschen Rechtsordnung im Rang eines Bundesgesetzes (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 14.10.2004 - 2 BvR 1481/04 - BVerfGE 111, 307, 315); deutsche Gerichte haben sie wie anderes Gesetzesrecht des Bundes im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden (BVerfG, a.a.O. S. 317).
103 
b) Der Beweisantrag geht weiterhin von einer unzutreffenden Ausgangslage aus. Die Beklagte hat gegen das stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts das statthafte Rechtsmittel eingelegt; infolge des Suspensiveffekts (zunächst des Antrags auf Zulassung der Berufung, sodann der Berufung) war sie nicht verpflichtet, der ihr vom Verwaltungsgericht auferlegten Verpflichtung nachzukommen. Folglich hatte der Kläger zu keinem Zeitpunkt die Rechtsstellung eines Asylberechtigten inne.
104 
c) Die Auffassung des Klägers, der Senat sei infolge der Dauer des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof daran gehindert, auf die Berufung der Beklagten das verwaltungsgerichtliche Urteil zu ändern, teilt der Senat nicht. Er vermag weder dem vom Kläger ausdrücklich angesprochenen Art. 3 EMRK noch dem von ihm der Sache nach angesprochenen Art. 4 EMRK auch nur im Ansatz eine derartige Wirkung zu entnehmen. Dem Kläger ist zwar zuzugestehen, dass das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unangemessen lange gedauert haben dürfte (vgl. § 173 Satz 2 VwGO i. V. m. § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG). Rechtsfolge einer unangemessenen Verfahrensdauer - die der Kläger allerdings nicht mit einer Verzögerungsrüge (vgl. § 198 Abs. 3 GVG) beanstandet hat - ist indessen grundsätzlich eine angemessene Entschädigung in Geld. Dass eine unangemessen lange Verfahrensdauer über das Fehlen materieller Anspruchsvoraussetzungen hinweghelfen könnte, ist gesetzlich nicht vorgesehen und es besteht aus Sicht des Senats auch kein Anlass für eine hierauf gerichtete - was ihre Zulässigkeit angeht (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 25.01.2011 - 1 BvR 918/00 - BVerfGE 128, 193), problematische - richterliche Rechtsfortbildung. Auch der Kläger nennt keine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die auch nur einen Ansatz für seine Auffassung bieten könnte.
105 
2. a) Soweit der Antrag auf die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens gerichtet ist, handelt es sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweisantrag. Ein solcher liegt vor, wenn Behauptungen ins Blaue hinein aufgestellt werden (vgl. Senatsurteil vom 12.03.2015 - 10 S 1169/13 - juris Rn. 133). Hiervon ist auszugehen, wenn für den Wahrheitsgehalt nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht (BVerwG, Beschluss vom 17.09.2014 - 8 B 15.14 - juris Rn. 10). So liegt es hier. Zum einen hat der Kläger bereits nicht dargelegt, dass er tatsächlich darauf vertraut hat, als Asylberechtigter anerkannt zu werden; das wäre schon deshalb veranlasst gewesen, weil der Kläger bereits mit der Stellung des Zulassungsantrags damit rechnen musste, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts keinen Bestand haben würde. Zum anderen und vor allem gibt es überhaupt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger infolge der Zurückweisung der Berufung psychisch erkranken würde. Der Kläger hat nicht vorgetragen, geschweige denn - etwa mittels Vorlage eines ärztlichen Schreibens - untermauert, gegenwärtig an einer psychischen (Grund-)Erkrankung zu leiden, die sich im Fall einer Klageabweisung verschlechtern würde.
106 
b) Abgesehen davon ist der Beweisantrag auch aus dem Grund abzulehnen, dass die vom Kläger in den Raum gestellte „gravierende psychische Reaktion … auch im Sinne einer psychischen Erkrankung“ keine entscheidungserhebliche Tatsache ist. Eine eventuelle psychische Erkrankung könnte im Rahmen der vorliegenden Klage lediglich Bedeutung hinsichtlich des Anspruchs auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG Bedeutung erlangen. Hierfür ist erforderlich, dass sich eine vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leben und Leib führt, d. h. eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach Rückkehr droht. Der Kläger stellt hier schon nicht eine Erkrankung unter Beweis, die bereits vorhanden ist, er behauptet vielmehr, im Fall der Abweisung seiner Klage zu erkranken. Hinzu kommt, dass von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht Schutz vor Abschiebung nicht bei Vorliegen jeglicher Erkrankung gewährt wird. Vielmehr schützt die Vorschrift nur vor einer erheblichen und alsbaldigen Verschlimmerung für den Fall einer Rückkehr. Darum geht es dem Kläger aber mit seinem Beweisantrag nicht.
VII.
107 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und die Gerichtskostenfreiheit aus § 83b AsylG.
108 
Ein Revisionszulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO liegt nicht vor.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die

1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder
2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.

(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:

1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,
2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,
3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen,
6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die

1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder
2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.

(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:

1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,
2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,
3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen,
6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die

1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder
2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.

(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:

1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,
2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,
3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen,
6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 10. April 2014 - A 12 K 2210/13 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der am xx.xx.1983 geborene Kläger ist Staatsangehöriger von Pakistan. Er kam nach seinen Angaben am 08.02.2012 mit dem Schiff in die Bundesrepublik Deutschland und stellte am 27.02.2012 einen Asylantrag. Zur Begründung machte er geltend: Er habe in Pakistan Probleme gehabt, weil er mit Christen in die Kirche gegangen sei und Christ habe werden wollen. Weiter legte er Informationsmaterial und eine Bescheinigung der Gemeinschaft Entschiedener Christen in H. vom 11.05.2013 und eine Bescheinigung von xxx in H. vom 07.05.2013 vor. Wegen weiterer Einzelheiten seines Vorbringens verweist der Senat auf die Niederschrift seiner Anhörung durch das Bundesamt vom 15.05.2013.
Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 20.06.2013 den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter und Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen, und drohte die Abschiebung nach Pakistan an.
Am 28.06.2013 erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart und berief sich darauf, dass er zwischenzeitlich getauft worden sei. Er legte eine Taufkarte vom 02.06.2013, eine Mitgliedskarte des Bundes Freikirchlicher Pfingstgemeinden vom 28.05.2013, weiteres Informationsmaterial der Gemeinschaft Entschiedener Christen und Informationsmaterial des Immigration and Refugee Board of Canada vom 20.09.2013 vor.
Nach den im Tatbestand des angegriffenen Urteils enthaltenen Feststellungen antwortete der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf die Fragen des Gerichts, welche Gründe es für ihn gegeben habe, zum Christentum überzutreten und sich taufen zu lassen: Jesus sei wegen ihrer Sünden vom Kreuz gestiegen. Die Muslime hätten kein Opfer gegeben. Er habe die christliche Religion kennengelernt und wisse jetzt alles. Gott habe sich für sie geopfert. Er selbst sei nicht Christ geworden, weil er sich davon Vorteile versprochen habe. Auf die Frage, welche konkreten Gründe er gehabt habe, nach Deutschland zu kommen, antwortete er: In Pakistan sei er drei- bis viermal in der Kirche gewesen. Die Familie habe das nicht gerne gesehen, auch seine Nachbarn nicht. Seine christlichen Freunde hätten gemeint, er solle lieber in ein christliches Land gehen. Ein christlicher Freund habe einen Schlepper gekannt. Später berichtigte der Kläger: Das Geld sei erst bezahlt worden, nachdem es ihm gelungen sei, nach Deutschland zu kommen. Er habe mit dem Freund Cricket gespielt. Sie seien gemeinsam in die Kirche gegangen. Es habe sich um seine - des Klägers - Ersparnisse gehandelt.
Auf Fragen und Vorhalte seines Prozessbevollmächtigten gab der Kläger weiter an: In Pakistan hätten sie ihm gesagt, er sei jetzt ein Nicht-Gläubiger. Er sei geschlagen und bedroht worden. Sie hätten gesagt, es sei besser, ihn zu töten. Geschlagen worden sei er im achten bzw. neunten Monat des Jahres 2012 (gemeint 2011). Er sei unterwegs zum Gottesdienst gewesen. Sie hätten ihn angehalten und gesagt, sie würden ihn schlagen, ihm Fußtritte geben und ihn umbringen. Einmal sei er geschlagen worden. Deswegen sei er dreimal genäht worden. Er sei zu einem Arzt gegangen, einem Dr. N. in seiner Ortschaft. Seine ganze Familie sei gegen ihn. Er habe keine Verbindung mehr mit der Familie. Zu seiner Taufe führte er aus: Dr. S. habe ihn unterrichtet. Er komme einmal in der Woche am Donnerstagnachmittag. X. sei eine Kirche; es gebe um 18:00 Uhr dort Gottesdienst. Dann tränken sie Tee. Samstags um 11:00 Uhr gebe es einen gemeinsamen Gottesdienst mit allen Personen.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers führte aus, der Kläger sei als Moslem in Pakistan mit der christlichen Gemeinde in Berührung gekommen. Die Kontakte seien über einen Freund hergestellt worden. Er sei vom christlichen Glauben fasziniert gewesen, nachdem er drei- bis viermal in der Kirche gewesen sei. Er habe dann Probleme mit der Familie bekommen. Aus seiner Sicht sei die Situation für ihn in Pakistan gefährlich. Es habe bei ihm schon in Pakistan eine Festlegung auf das Christentum gegeben. Ein Verzicht auf die Religionsausübung sei nicht Gegenstand von Überlegungen gewesen. Er gehöre der Gemeinschaft Entschiedener Christen in H. an und wolle den Glauben mit allen teilen. Er wollte den Glauben auch in Pakistan weiterleben. Die Abwendung vom muslimischen Glauben sei aus der Sicht der Hitzköpfe verwerflich. Es stelle sich die Frage, ob der Staat hinreichende Schritte unternehme, den Kläger ggf. zu schützen. Aus staatlichen Verfolgungsmaßnahmen könne man schließen, dass der Staat nicht Garant für den Schutz sein könne.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Mit Urteil vom 10.04.2014 wies das Verwaltungsgericht die Klage als unbegründet ab und führte zur Begründung aus: Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft lägen nicht vor. Der Kläger habe das Gericht nicht davon überzeugen können, dass er das von ihm geschilderte Schicksal tatsächlich erlitten habe. Denn der Vortrag enthalte wesentliche Ungereimtheiten und widerspreche zum Teil erheblich der allgemeinen Lebenserfahrung. So seien schon die Angaben des Klägers, warum er sich dem Christentum zugewandt habe und schließlich habe taufen lassen, ausgesprochen vage. Bei der Anhörung habe er hierzu nur angegeben, in der Cricketmannschaft seien auch Christen gewesen. Mit ihnen sei er zusammen in die Kirche gegangen. Man habe ihm gesagt, Jesus Christus habe den Leuten die Augen gegeben, er habe die Verstorbenen wieder lebendig gemacht. Daraufhin sei sein Glaube an die christliche Religion sehr stark gewesen. In der mündlichen Verhandlung habe er hierzu auch nicht viel mehr gesagt. Auf die Frage, welche Gründe es für ihn gegeben habe, zum Christentum überzutreten und sich taufen zu lassen, habe er gesagt: Jesus sei wegen ihrer Sünden vom Kreuz gestiegen. Die Muslime hätten kein Opfer gegeben. Er habe die christliche Religion kennengelernt und wisse jetzt alles. Gott habe sich für sie geopfert. Er selbst sei nicht Christ geworden, weil er sich davon Vorteile versprochen habe. Auffallend sei dabei gewesen, dass er bei der Anhörung und auch in der mündlichen Verhandlung zuerst angegeben habe, in Pakistan sei er drei- bis viermal in die Kirche gegangen, im weiteren Verlauf der Anhörung habe er dann gesagt, er sei fünfmal in der Kirche gewesen. Bei einer so geringen Anzahl von Kirchenbesuchen sei davon auszugehen, dass man sich an diese Anzahl besser erinnere, zumal wenn sie zu einem so wesentlichen Schritt führe, wie den Übertritt zu einer anderen Religion. Nicht verständlich seien die Angaben des Klägers zu dem Arzt, zu dem er nach seinen Angaben gegangen sei, nachdem er geschlagen worden sei. Hierzu habe er bei der Anhörung durch das Bundesamt angegeben, er habe Dr. S. geheißen, mehr wisse er nicht; er glaube, er sei in der Rxxx Rxxx in Lahore. In der mündlichen Verhandlung habe er dagegen gesagt, es habe sich um einen Dr. N. in seiner Ortschaft gehandelt. Es widerspreche auch jeder Lebenserfahrung, dass der Kläger trotz der Bedeutung seines Schritts weder gewusst habe, wann er angefangen habe, in Pakistan in die christliche Kirche zu gehen, noch wann sich der Vorfall abgespielt habe, bei dem er geschlagen worden sei. Die Angaben bei der Anhörung hierzu seien äußerst vage gewesen, nämlich "irgendwann im Jahr 2011" bzw. "das sei 2011" gewesen. Wenn sich ein so bedeutsames Ereignis tatsächlich abgespielt gehabt hätte, hätte der Kläger in der Lage sein müssen, dies zeitlich erheblich konkreter einzuordnen. Weiter widerspreche es jeglicher Lebenserfahrung, dass jemand nach wenigen Kirchenbesuchen, auch wenn er einmal geschlagen worden sei, von seinen christlichen Freunden den Rat erhalte, sofort in ein christliches Land zu gehen, und dies auch sofort tue. Immerhin seien 1,6 % der pakistanischen Bevölkerung Christen. Auch sei es dem Kläger wirtschaftlich gut gegangen. Bei der Anhörung habe er insoweit angegeben, er habe gut gearbeitet und habe das Geld gespart, das er für die Ausreise ausgegeben habe. Es könne weiter nicht festgestellt werden, dass für den Kläger allein wegen seiner Zugehörigkeit zu den Christen in Pakistan eine Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohe. Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Pakistan deshalb darüber hinausgehend Gefahr drohe, weil er die Religion gewechselt habe und sich dort als Christ betätigen wolle, seien nicht ersichtlich. Auch sei nicht festzustellen, dass dem Kläger Gefahren im Sinne von § 4 Abs. 1 AsylVfG oder § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG drohten.
Auf den vom Kläger fristgerecht gestellten Antrag ließ der Senat durch Beschluss vom 11.06.2014 die Berufung insoweit zu, als er die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begehrt und lehnte im Übrigen den Antrag ab.
10 
Am 23.06.2014 hat der Kläger die Berufung unter Stellung eines Antrags begründet. Er führt aus: Das Verwaltungsgericht habe sich auf den Standpunkt gestellt, trotz feststellbarer Verfolgungshandlungen gegen Christen und ungeachtet der Frage, ob der pakistanische Staat im Hinblick auf die Verfolgung von Christen durch nichtstaatliche Akteure tatsächlich gänzlich schutzwillig und schutzfähig sei, hätten die Verfolgungsmaßnahmen nicht ein solches Ausmaß erreicht, dass die strengen Voraussetzungen einer Gruppenverfolgung angenommen werden könnten; es sei keine hinreichende Verfolgungsdichte feststellbar.
11 
Dieser Auffassung könne nicht gefolgt werden. Nach neueren Erkenntnismitteln habe die Bedrohungslage der Christen in Pakistan jüngst eine neue, noch nicht dagewesene Qualität erreicht. Bereits im Juni 2013 habe der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in seinem Urteil bezüglich der Ahmadi in Pakistan von einer prekären, durch Marginalisierung und Armut geprägten und sich zunehmend verschlechternden Lage der Christen in Pakistan gesprochen. Diese Lage habe sich weiter verschlechtert. Vor diesem Hintergrund drohe der Gruppe der Christen in Pakistan, die es nach ihrem Glaubensverständnis für sich als identitätsbestimmend ansähen, ihren Glauben in der Öffentlichkeit zu leben und ihn in diese zu tragen, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung. Der Schutz religiöser Minderheiten sei in der Verfassung festgeschrieben, auch gebe es Quoten für ihre Vertretung in staatlicher Beschäftigung und politischer Vertretung. Ungeachtet dieser Gesetzeslage seien die als solche erkennbaren Christen in Pakistan aber Diskriminierungen ausgesetzt. Diskriminierungen im wirtschaftlichen Bereich, im Bildungssystem und auf dem Arbeitsmarkt seien verbreitet. Christliche Gemeinden und Institutionen seien Opfer von Landraub durch muslimische Geschäftsleute. Auch der Besitz von geflohenen christlichen Privatpersonen werde von den muslimischen Anwohnern in Besitz genommen. Diskriminierungen und Übergriffe gingen aber nicht nur von privaten Akteuren aus. Es werde von einem Trend zu entschädigungslosen Beschlagnahmen christlicher Friedhöfe und von dem Abriss einer katholischen Einrichtung in Lahore auf Anweisung der örtlichen Regierung im Januar 2012 berichtet. Insbesondere hätten Christen in Pakistan aber schwer unter dem Blasphemiegesetz zu leiden. Zwar gelte das Blasphemiegesetz dem Wortlaut nach unterschiedslos für alle Pakistani. Religiöse Minderheiten seien jedoch besonders betroffen. Zwar sei ein nach dem Blasphemiegesetz verhängtes Todesurteil noch nie vollstreckt worden, allein der Vorwurf der Blasphemie könne jedoch ausreichen, um die soziale Existenz des Beschuldigten und seiner Nachbarn zu zerstören. Ansätze, die darauf abzielten, einen Missbrauch des Blasphemiegesetzes zu verhindern, seien fehlgeschlagen. Ein beträchtlicher Anteil islamischer Kleriker in Pakistan rufe zu Gewalt und Diskriminierung gegen Christen auf. Sowohl in städtischen als auch in ländlichen Gebieten sei es üblich, über die Lautsprecher von Moscheen dazu zu mobilisieren, gegen religiöse Minderheiten vorzugehen. Ein Vorwurf gegen ein Mitglied der Minderheit genüge, damit sämtliche Angehörige der Minderheit in der betreffenden Gegend als Schuldige betrachtet würden, die bestraft werden müssten. Die National Commission for Justice and Peace habe 2012 elf gezielte Tötungen an Christen registriert. Die Asian Human Rights Commission schätze die Zahl der christlichen Mädchen, die jedes Jahr entführt, vergewaltigt und zwangskonvertiert würden, auf etwa 700.
12 
Die genannten Vorfälle seien Eingriffe in die Rechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit der Betroffenen. Sie seien als unmenschliche und erniedrigende Behandlung zu begreifen. Sofern sie die Betroffenen unter Druck setzten, auf die Praktizierung ihres Glaubens zu verzichten oder diese einzuschränken, lägen Eingriffe in die Religionsfreiheit vor. Angesichts der Häufigkeit der Vorfälle in jüngster Zeit und der Vielzahl von Personen, die bei einem einzigen Überfall auf eine Kirche oder ein Viertel betroffen seien, oder etwa bei dem Vorwurf der Blasphemie gegen einen Christen betroffen werden könnten, handele es sich nicht mehr nur um vereinzelte, individuelle Übergriffe oder eine Vielzahl einzelner Übergriffe. Vielmehr sei jeder als solcher erkennbare Christ in Pakistan wegen seiner Religion der aktuellen Gefahr eigener Betroffenheit, also einem realen Risiko ausgesetzt. In die Würdigung einzustellen seien hierbei nicht allein die Anzahl der wegen Blasphemie erfolgten Anklagen und Verurteilungen und die Summe der von den Gewaltübergriffen durch Privatpersonen betroffenen Opfer, sondern auch die nicht quantifizierbare Zahl an Christen, die Opfer von Diskriminierung im alltäglichen Bereich, etwa bei der Arbeit, würden.
13 
Akteure im Sinne von § 3d Abs. 1 AsylVfG seien in Pakistan nicht willens und in der Lage, Schutz gemäß § 3d Abs. 2 AsylVfG zu bieten. Zahlreiche Quellen berichteten, dass der Staat beim Schutz religiöser Minderheiten vor Angriffen in den verschiedenen Landesteilen versage. Die Polizei sehe bei Übergriffen von Privatpersonen auf Christen lediglich untätig zu und biete keinen Schutz, es werde keine effektive Strafverfolgung der Angreifer betrieben. Es bestehe keine innerstaatliche Fluchtalternative.
14 
Das Verwaltungsgericht habe auch eine nähere Prüfung unterlassen, ob all diese Tatsachen eine systematische, einer Gruppenverfolgung gleichkommende Diskriminierung darstellten. Alle Quellen wiesen auf eine systematische Diskriminierung der Christen hin, die in ihren Folgen einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung gleichkomme.
15 
Was die individuelle Situation des Klägers betreffe, habe das Verwaltungsgericht nicht bezweifelt, dass er im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zur bezeichneten Gruppe der Christen in Pakistan gehöre. Der Kläger habe vorgetragen, dass es nach seinem Glaubensverständnis für ihn identitätsbestimmend sei, seinen Glauben in der Öffentlichkeit zu leben und ihn in diese zu tragen, und dass ein Verzicht auf die Religionsausübung für ihn auch in Pakistan nicht in Betracht komme, sondern er seinen Glauben mit allen teilen wolle. Das Verwaltungsgericht sei davon ausgegangen, dass der Kläger in Deutschland nach intensivem Taufunterricht die Taufe empfangen habe und am christlichen Leben teilnehme, namentlich durch den Besuch von Gottesdiensten und die Teilnahme an donnerstäglichen Unterweisungen. Zwar seien im pakistanischen Strafgesetzbuch Apostasie, Konversion und Missionierung für Christen nicht unter Strafe gestellt. Der Islam sei jedoch Staatsreligion. Nach islamischem Recht stehe Konversion vom Islam weg unter Todesstrafe. Nach einer im April 2010 in Pakistan durchgeführten Umfrage befürworteten 76 % der Befragten die Todesstrafe für die Abwendung vom Islam. Für Christen, die vom Islam zum Christentum konvertierten und deren Konversion bekannt werde, sei die Situation kritischer als für geborene Christen. In ihrer Familie stießen sie oft auf Unverständnis und würden von ihr bedroht und verstoßen, es werde sogar versucht sie umzubringen, weil der Abfall Schande und Verrat für die ganze Familie sei. Als Konvertierte bekannte Christen seien Opfer schwerer Diskriminierungen, etwa am Arbeitsplatz oder durch Behörden. Dies führe dazu, dass die Konversion zu einer Minderheitenreligion in Pakistan häufig verheimlicht werde. Amnesty International berichte von einem Mord an einem 18-jährigen Mädchen in Pakistan, das von seinem Bruder erschossen worden sei, weil es sich zum Christentum bekannt gehabt habe. Im Mai 2013 sei ein 16-jähriger Junge verschwunden, der vom Islam zum Christentum konvertiert gewesen sei. Zudem würden Konvertiten, die sich vom Islam abgewandt hätten, unmittelbar von staatlicher Seite diskriminiert. Kinder eines muslimischen Ehepaars, das vom Islam weg konvertiere, würden als unrechtmäßig betrachtet, sodass der Staat das Sorgerecht für sie übernehmen könne. Da es nahezu ausnahmslos zu schweren Diskriminierungen und Verletzungen von Menschenrechten komme, sei die Verfolgungsdichte so hoch, dass von einer Gruppenverfolgung auszugehen sei. Es mangele an einer Schutzbereitschaft von Akteuren im Sinn von § 3d AsylVfG. Die unmittelbare Diskriminierung von staatlicher Seite im Hinblick auf die Kinder von konvertierten Ehepaaren verstärke die Annahme, dass der pakistanische Staat nicht nur nicht in der Lage, sondern auch nicht willens sei, Konvertiten Schutz zu bieten. Somit bestehe für Konvertiten erst recht keine innerstaatliche Fluchtalternative. Selbst bei einem Wohnortwechsel, verbunden mit dem Versuch, sich in der neuen Umgebung als geborener Christ auszugeben, bestehe wenig Aussicht, dass die Konversion geheim gehalten werden könne. Auch der Kläger, dessen Zuwendung zum Christentum vor seiner Ausreise in seinem Heimatort bekannt geworden sei, habe keinen Kontakt mehr zu seiner Familie, die sich geschlossen gegen ihn gestellt habe.
16 
Der Kläger beantragt,
17 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 10. April 2014 - A 12 K 2210/13 - zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung der Ziffer 2 ihres Bescheids vom 20.06.2013 zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
18 
Die Beklagte tritt der Berufung aus den Gründen des angegriffenen Urteils entgegen.
19 
Der Senat hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung zu seinen individuellen Verfolgungsgründen unter Hinzuziehung eines Dolmetschers angehört. Insoweit wird auf die Niederschrift verwiesen.
20 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen. Dem Senat liegen die Behördenakten der Beklagten sowie die Akten des Verwaltungsgerichts vor.

Entscheidungsgründe

 
21 
Die zulässige, unter Stellung eines Antrags rechtzeitig und formgerecht begründete Berufung bleibt ohne Erfolg.
22 
Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
23 
I. Nach § 3 Abs. 4 AsylVfG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylVfG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
24 
Nach § 3a Abs. 1 AsylVfG (vgl. auch Art. 9 Abs. 1 RL 2011/95/EU - QRL) gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 AsylVfG Handlungen, die 1. auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 04.11.1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder 2. in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Nach § 3a Abs. 2 AsylVfG (vgl. Art. 9 Abs. 2 QRL) können als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 unter anderem die folgenden Handlungen gelten: 1. die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, 2. gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, 3. unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, 4. Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, 5. Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 AsylVfG (vgl. Art. 12 Abs. 2 QRL) fallen, 6. Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind. Nach § 3a Abs. 3 AsylVfG (vgl. Art. 9 Abs. 3 QRL) muss dabei zwischen den Verfolgungsgründen und den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen.
25 
Die Verfolgung kann nach § 3c AsylVfG (vgl. Art. 6 QRL) ausgehen von 1. dem Staat, 2. Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder 3. nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylVfG (vgl. Art. 7 QRL) Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
26 
Der Charakter einer Verfolgungshandlung erfordert, dass das Verhalten des betreffenden Akteurs im Sinne einer objektiven Gerichtetheit auf die Verletzung eines nach § 3a AsylVfG (Art. 9 QRL) geschützten Rechtsguts selbst zielt (vgl. BVerwG, Urteile vom 19.01.2009 - 10 C 52.07 - NVwZ 2009, 982, und vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936).
27 
Der für die Beurteilung zugrunde zu legende Prognosemaßstab ist der der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Die relevanten Rechtsgutsverletzungen müssen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser aus dem Tatbestandsmerkmal "... aus der begründeten Furcht vor Verfolgung ..." des Art. 2 lit. d) QRL abzuleitende Maßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr abstellt ("real risk"); dieser Maßstab ist kein anderer als der der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936). Er setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des gesamten zur Prüfung gestellten und relevanten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine qualifizierende bzw. bewertende Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines vernünftig denkenden und nicht übertrieben furchtsamen Menschen gerade in der Lage des konkreten Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar einzuschätzen ist. Unzumutbar kann eine Rückkehr in den Heimatstaat auch dann sein, wenn ein mathematischer Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50 v.H. für eine politische Verfolgung gegeben ist. In einem solchen Fall reicht zwar die bloße theoretische Möglichkeit einer Verfolgung nicht aus. Ein vernünftig denkender Mensch wird sie außer Betracht lassen. Ergeben jedoch die Gesamtumstände des Falles die "reale Möglichkeit" einer flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Ein verständiger Betrachter wird bei der Abwägung aller Umstände daneben auch die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in seine Betrachtung einbeziehen. Wenn nämlich bei quantitativer Betrachtungsweise nur eine eher geringere mathematische Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung besteht, kann es auch aus der Sicht eines besonnen Menschen bei der Überlegung, ob er in seinen Heimatstaat zurückkehren kann, einen ganz erheblichen Unterschied bedeuten, ob er z.B. lediglich eine Gefängnisstrafe von einem Monat oder aber Folter oder gar die Todesstrafe riskiert (so BVerwG, Urteile vom 05.11.1991 - 9 C 118.90 - NVwZ 1992, 582, und vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936). Auch gilt: Je unabwendbarer eine drohende Verfolgung erscheint, desto unmittelbarer steht sie bevor. Je schwerer der befürchtete Verfolgungseingriff ist, desto weniger kann es dem Gefährdeten zugemutet werden, mit der Flucht zuzuwarten, bis der Verfolger unmittelbar vor der Tür steht. Das gilt auch dann, wenn der Eintritt der befürchteten Verfolgung von reiner Willkür abhängt, das befürchtete Ereignis somit im Grunde jederzeit eintreten kann, ohne dass allerdings im Einzelfall immer gesagt werden könnte, dass dessen Eintritt zeitlich in nächster Nähe bevorsteht. Die allgemeinen Begleitumstände, z. B. eine Willkürpraxis, die Repressionsmethoden gegen bestimmte oppositionelle oder verwundbare Gruppen, sind allgemeine Prognosetatsachen (vgl. zum kausalen und zeitlichen Zusammenhang zwischen Verfolgung und Flucht BVerwG, Urteil vom 20.11.1990 - 9 C 72.90 - NVwZ 1991, 384).
28 
Für die Beurteilung sind alle Akte zu berücksichtigen und einzustellen, denen der Ausländer ausgesetzt gewesen war oder die ihm gedroht hatten, um festzustellen, ob unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände diese Handlungen als Verfolgung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 QRL gelten können.
29 
Zur Erstellung der erforderlichen Prognose sind objektiviert die Prognosetatsachen nach den allgemeinen Maßstäben des verwaltungsverfahrensrechtlichen bzw. verwaltungsgerichtlichen Regelbeweismaßes der Überzeugungsgewissheit zu ermitteln und festzustellen. Diese Tatsachen bestehen regelmäßig aus solchen, die in der Vergangenheit wie auch aus solchen, die in der Gegenwart liegen. Sie müssen sodann in einer Gesamtschau verknüpft und gewissermaßen in die Zukunft projiziert werden. Auch wenn insoweit - wie sich bereits aus dem Gefahrbegriff ergibt - eine beachtliche Wahrscheinlichkeit ausreicht und deshalb ein „voller Beweis“ nicht erbracht werden kann, ändert dies nichts daran, dass das Gericht von der Richtigkeit seiner verfahrensfehlerfrei gewonnenen Prognose drohender Verfolgung die volle Überzeugung gewonnen haben muss (BVerwG, Urteile vom 20.11.1990 - 9 C 74.90 - NVwZ 1991, 382, und - 9 C 72.90 - NVwZ 1991, 384).
30 
Die Gefahr eigener Verfolgung für einen Ausländer, der die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begehrt, kann sich nicht nur aus gegen ihn selbst gerichteten Maßnahmen ergeben, sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (Gefahr der Gruppenverfolgung). Dabei ist je nach den tatsächlichen Gegebenheiten auch zu berücksichtigen, ob die Verfolgung allein an ein bestimmtes unverfügbares Merkmal wie die Religionszugehörigkeit anknüpft oder ob für die Bildung der verfolgten Gruppe und die Annahme einer individuellen Betroffenheit weitere Umstände oder Indizien hinzutreten müssen. Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt - abgesehen von den Fällen eines (staatlichen) Verfolgungsprogramms (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 05.07.1994 - 9 C 158.94 - NVwZ 1995, 175) - ferner eine bestimmte "Verfolgungsdichte" voraus, welche die "Regelvermutung" eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen. Ob eine in dieser Weise spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin "wegen" eines der in § 3b AsylVfG genannten Merkmale erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (vgl. Urteil vom 05.07.1994 - a.a.O.).
31 
Für die Gruppenverfolgung (wie auch für jede Individualverfolgung) gilt weiter, dass sie mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, d.h. wenn auch keine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die vom Zufluchtsland aus erreichbar sein muss (vgl. § 3e AsylVfG, Art. 8 QRL).
32 
Diese ursprünglich zum Asylgrundrecht für die unmittelbare und die mittelbare staatliche Gruppenverfolgung entwickelten Grundsätze können prinzipiell auf die Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure übertragen werden, wie sie nunmehr durch § 3c Nr. 3 AsylVfG (vgl. Art. 6 lit. c) QRL) ausdrücklich als flüchtlingsrechtlich relevant geregelt ist.
33 
Ob Verfolgungshandlungen das Kriterium der Verfolgungsdichte erfüllen, ist von den Tatsachengerichten aufgrund einer wertenden Betrachtung im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung zu entscheiden. Dabei muss zunächst die Gesamtzahl der Angehörigen der von Verfolgungshandlungen betroffenen Gruppe ermittelt werden. Weiter müssen Anzahl und Intensität aller Verfolgungsmaßnahmen, gegen die Schutz weder von staatlichen Stellen noch von staatsähnlichen Herrschaftsorganisationen im Sinne von § 3c Nr. 1 und 2 AsylVfG einschließlich internationaler Organisationen zu erlangen ist, festgestellt und hinsichtlich der Anknüpfung an ein oder mehrere unverfügbare Merkmale im Sinne von § 3b AsylVfG nach ihrer objektiven Gerichtetheit zugeordnet werden. Alle danach gleichgearteten, auf eine nach denselben Merkmalen zusammengesetzte Gruppe bezogenen Verfolgungsmaßnahmen müssen schließlich zur ermittelten Größe dieser Gruppe in Beziehung gesetzt werden, weil eine bestimmte Anzahl von Eingriffen, die sich für eine kleine Gruppe von Verfolgten bereits als bedrohlich erweist, gegenüber einer großen Gruppe vergleichsweise geringfügig erscheinen kann. Diese Maßstäbe haben auch bei der Anwendung der Richtlinie 2011/95/EU Gültigkeit (vgl. zu alledem BVerwG, Urteil vom 21.04.2009 - 10 C 11.08 - NVwZ 2009, 1237)
34 
Der der Prognose zugrunde zu legende Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist unabhängig davon, ob bereits Vorverfolgung oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylVfG (vgl. Art. 15 QRL) vorliegt (vgl. EuGH, Urteil vom 02.03.2010 - C-175/08 u.a. - InfAuslR 2010, 188; BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 5.09 - NVwZ 2011, 51). Die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden ernsthaft bedroht war, ist allerdings ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden (vgl. Art. 4 Abs. 4 QRL); es besteht die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Den in der Vergangenheit liegenden Umständen wird Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft beigelegt (vgl. EuGH, Urteil vom 02.03.2010 - C-175/08 - InfAuslR 2010,188). Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadenstiftenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland wiederholen werden. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden; hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 5.09 - NVwZ 2011, 51). Die nach Art. 4 Abs. 4 QRL maßgebenden stichhaltigen Gründe, die gegen eine erneute Verfolgung sprechen, können bei richtigem Verständnis der Norm letztlich keine anderen Gründe sein als die, die im Rahmen der „Wegfall der Umstände-Klausel“ des Art. 11 Abs. 1 Buchst. e) und f) QRL maßgebend sind. Dafür spricht, dass der EuGH diese Grundsätze in einen Kontext mit der „Wegfall der Umstände-Klausel“ gestellt hat. Nur wenn die Faktoren, welche die Furcht des Flüchtlings begründeten, dauerhaft beseitigt sind, die Veränderung der Umstände also erheblich und nicht nur vorübergehend ist, wird die Beweiskraft der Vorverfolgung entkräftet. Würden im Blick auf ein bestimmtes Herkunftsland statusrechtliche Entscheidungen wegen veränderter Umstände aufgehoben, ist es gerechtfertigt, dem Vorverfolgten im Asylverfahren die Umstände, welche die geänderte Einschätzung der Verfolgungssituation als stichhaltige Gründe leiten, entgegenzuhalten. In diesem Fall bleibt ihm dann die Möglichkeit, unter Hinweis auf besondere, seine Person betreffende Umstände nach Maßgabe des allgemeinen Wahrscheinlichkeitsmaßstabes erneut eine ihn treffende Verfolgung geltend zu machen.
35 
II. Dem Kläger ist zunächst nicht aus individuellen Verfolgungsgründen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
36 
Der Senat konnte insbesondere aufgrund des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung und des in ihr gewonnenen Eindrucks von der Person des Klägers nicht die erforderliche volle Überzeugung davon gewinnen, dass die vom Kläger behaupteten Vorfluchtgründe, namentlich dass er allein wegen mehrerer Kirchenbesuche in erheblichem Maße körperlich misshandelt wurde, der Wahrheit entsprechen.
37 
Der Kläger hatte ausweislich der ihm rückübersetzten und von ihm ausdrücklich bestätigten Niederschrift des Bundesamts vom 15.05.2013 im Verwaltungsverfahren ausgeführt, dass in seiner Gegend „moslemische Jungs“ gewesen seien, die ihm gesagt hätten, er solle nicht in die christliche Kirche gehen; sie hätten ihm Prügel angedroht. Einige Tage später habe man ihn auf dem Weg in die Kirche angehalten und ihm auf den Kopf gehauen. Es seien 10 bis 12 Leute aus seinem Stadtbezirk gewesen. In der mündlichen Verhandlung hat er gegenüber dem Senat hingegen behauptet, es seien seine beiden älteren Brüder, seine Cousins und Nachbarn gewesen, die ihn angehalten und geschlagen hätten. Eine plausible Erklärung auf den ihm vorgehaltenen Widerspruch konnte der Kläger dem Senat nicht unterbreiten. Dieser Widerspruch ist aus der Sicht des Senats von so großem Gewicht, dass er den von ihm behaupteten und seiner Schilderung nach wesentlichen Fluchtgrund dem Kläger nicht zu glauben vermag. Sicherlich können auch Nachbarn als „Leute aus seinem Stadtbezirk“ verstanden werden, dann aber ist es völlig fernliegend, wenn er, falls sich der Vorfall überhaupt so abgespielt hätte, nicht die Beteiligung engster Familienangehöriger beim Bundesamt erwähnt hätte. Denn es stellt eine ganz andere Qualität der eigenen Betroffenheit dar, wenn die Übergriffe von der eigenen Familie ausgehen. Der Vollständigkeit halber weist der Senat auch darauf hin, dass die Schilderung des Vorfalls auffallend blass geblieben ist und insbesondere eine plausible Darstellung vermissen ließ, wie es ihm gelungen sein soll, bei einer Überzahl von 10 bis 12 Leuten zu fliehen, wie er in der mündlichen Verhandlung behauptet hatte. Nicht nachzuvollziehen ist für den Senat auch, dass der Kläger gegenüber dem Bundesamt nicht sagen konnte, wo sich genau die Praxis des von ihm aufgesuchten Arztes befindet, sondern nur Vermutungen angestellt hatte, obwohl es „sein“ Arzt im eigenen Stadtviertel gewesen sein soll. Sowohl bei der Anhörung durch das Bundesamt wie auch in der mündlichen Verhandlung ist aus der Sicht des Senats nicht deutlich geworden, weshalb der Kläger sofort nach einem ersten Vorfall das Land unter Aufwendung erheblicher finanzieller Mittel verlassen hat und als alleinstehender junger Mann nicht vielmehr erst einmal sein engeres soziales und familiäres Umfeld aufgegeben und in eine andere Stadt gegangen ist. Der bloße Einwand, dass in Pakistan überall Moslems lebten und er sich sicher gewesen sei, dass sie ihn auch dort umgebracht hätten, ist nicht ohne weiteres plausibel, wenn die Gefährdung doch von einem engsten sozialen und familiären Umfeld ausgegangen sein soll, das ihn sehr gut gekannt hätte. Weshalb in einer anderen Stadt hätte veröffentlicht werden sollen, dass er Christ bzw. getauft worden sei, erschließt sich dem Senat nicht. Auch seine Erläuterung, dass er erst hier erfahren haben will, dass man, um Christ zu werden, getauft werden muss, ist nicht nachvollziehbar, wenn er in Pakistan bereits gewusst haben will, dass er Christ werden wolle, weshalb auch die behaupteten engeren Kontakte zu einer christlichen Kirche in Pakistan, über die er zudem auffallend wenig berichten konnte, generell infrage stehen.
38 
Nach der Schilderung des Klägers in der mündlichen Verhandlung hatte er seit etwa sechs Jahren Kontakt zu einem Mitspieler christlichen Glaubens mit Namen Zxxx im Cricketclub. Schon beim Bundesamt wie auch beim Verwaltungsgericht blieb der Kläger eine nachvollziehbare Erklärung dafür schuldig, weshalb er erst im Jahre 2011 von Zxxx angesprochen und aufgefordert worden sein will, mit in die Kirche zu gehen, und dieses nicht schon viel früher geschehen sein soll. Er hatte lediglich angegeben, dass sie erst im Jahre 2011 starke Freunde geworden seien, ohne dieses aber näher zu erläutern. Auch in der mündlichen Verhandlung fehlte eine schlüssige Antwort auf entsprechende Fragen des Senats. Bemerkenswert ist zudem, dass der Kläger bei der Anhörung durch das Bundesamt mehrfach davon gesprochen hatte, dass verschiedene „Jungs“ christlichen Glaubens aus dem Club, die enge Freunde von ihm gewesen seien, ihn angesprochen und aufgefordert hätten, in die Kirche zu gehen, während in der mündlichen Verhandlung davon auch nicht mehr im Ansatz die Rede war, sondern nur noch von Zxxx. Die Freunde sollen nach den beim Bundesamt gemachten Angaben auch die Ausreise gemeinsam organisiert haben, wovon der Kläger in der mündlichen Verhandlung ebenfalls nicht mehr gesprochen hatte. Schließlich kann angesichts grundlegender Widersprüche und Unzulänglichkeiten nicht übersehen werden und muss auch jedenfalls in der Gesamtschau zum Nachteil des Klägers gewertet werden, dass er beim Bundesamt den Namen des Freundes mit „Axxx“ angegeben hatte. Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass es sich um einen Übertragungsfehler gehandelt haben könnte, sieht der Senat nicht. Denn zum einen ist die Ähnlichkeit beider Namen nicht sehr groß, zum anderen wurde die Niederschrift rückübersetzt, ohne dass der Kläger insoweit eine Berichtigung angebracht hätte; auch in der Folgezeit nach Erhalt einer Protokollabschrift ist solches nicht geschehen. Bemerkenswert ist auch, dass der Kläger beim Bundesamt nicht näher eingrenzen konnte, wann er im Jahre 2011 mit den Besuchen in der Kirche begonnen hatte, während er beim Verwaltungsgericht den Vorfall immerhin nunmehr auf den achten oder neunten Monat 2012 (gemeint 2011) relativ präzise datieren konnte. In der mündlichen Verhandlung will er nunmehr mit den Besuchen im neunten Monat begonnen haben, während sich der Vorfall im zehnten Monat abgespielt haben soll. Das wiederum passt offensichtlich nicht zu seinem Vorbringen, er sei nach dem Vorfall nicht mehr zur Familie gegangen, sondern zu Zxxx, bei dem er noch 20 bis 25 Tage geblieben sei bis er mit dem Zug von Lahore nach Quetta gefahren sei, während er beim Bundesamt angegeben hatte, am 23.12.2011 (nicht wie im Protokoll offensichtlich irrtümlich ausgeführt 2012) von Lahore mit dem Zug nach Quetta gefahren zu sein.
39 
III. Dem Kläger kann die Flüchtlingseigenschaft auch nicht allein deshalb zuerkannt werden, weil er inzwischen Christ ist und im Falle der Rückkehr seinen Glauben aktiv auch in der Öffentlichkeit praktizieren wird. Der Senat geht in diesem Zusammenhang nach den Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung davon aus, dass er als getaufter Christ seinem Glauben innerlich verbunden ist und es zu den von ihm als verbindlich verstanden Glaubensinhalten gehört, regelmäßig an den Gottesdiensten seiner Gemeinde teilzunehmen und sich an der Gemeindearbeit zu beteiligen.
40 
Christen in Pakistan droht nach den im Verfahren vom Senat zugrunde gelegten und ausgewerteten Erkenntnismitteln nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit, wegen ihres Glaubens und ihrer – auch öffentlichen – Glaubensbetätigung einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 QRL ausgesetzt zu sein.
41 
Der Senat geht davon aus, dass in Pakistan mindestens 3 Millionen Christen leben (vgl. AA Lagebericht vom 08.04.2014, S. 6 und 16 – im Folgenden Lagebericht; vgl. aber auch Home Office, Pakistan, Country of Origin Information Report vom 09.10.2013, Ziffer 19.178 – im Folgenden COI – wonach laut einiger Quellen die Zahl in Wirklichkeit das Doppelte betragen soll). Nach der Rechtslage bestehen - anders als bei der religiösen Minderheit der Ahmadis – keine wesentlichen unmittelbaren Diskriminierungen der Christen in Pakistan (vgl. etwa Lagebericht, S. 13 f.; BAA, Bericht zur Fact Finding Mission, Pakistan, Juni 2013, S. 38 ff. und 51 ff. – im Folgenden BAA). Eine Ausnahme besteht insoweit, als der Premierminister sowie der Präsident Muslim sein muss, was teilweise als schlechtes Signal an die Bevölkerung beschrieben wird, dass die Minderheiten auch minderwertig seien (vgl. BAA, S. 51). Allerdings wirkt sich die sog. Blasphemiegesetzgebung auch bei der christlichen Minderheit faktisch zu ihrem Nachteil aus, zumal diese – nicht anders als bei anderen Minderheiten, aber auch bei der Mehrheitsbevölkerung – in erheblichem Maße aus eigensüchtigen Motiven und Gründen von den Anzeigeerstattern missbraucht wird (vgl. ausführlich auch BAA, S. 48 ff.; COI, Ziffer 19.33. ff.; UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs von Angehörigen religiöser Minderheiten in Pakistan, 10.10.2012, S. 6 f. – im Folgenden UNHCR; Human Rights Commission of Pakistan, State of Human Rights in 2013, S. 27 ff und 101 ff. – im Folgenden HRCP).
42 
Der Senat hat sich zu den Blasphemiegesetzen in seinem den Beteiligten im Einzelnen bekannten Urteil vom 12.06.2013 (A 11 S 757/13 - juris) ausführlich geäußert, auf das zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird (vgl. dort Rn. 68 ff.). Wesentlich neue Aspekte haben sich insoweit zwischenzeitlich nicht ergeben. Betroffen sind davon allerdings in erster Linie nicht Angehörige der christlichen Minderheit. Dokumentiert sind zwei nicht rechtskräftige Todesurteile gegen eine christliche Frau und ein christliches Mädchen, ohne dass nähere Umstände hierzu bekannt geworden sind (vgl. etwa Human Rights Watch World Report 2014, S. 367 f. – im Folgenden HRWWR). Im Jahre 2012 kam es zu insgesamt 113 Anklagen (gegenüber 79 im Jahre 2011), davon 12 gegen Christen (Lagebericht, S. 14; vgl. auch HRCP, S. 33 f., die von geringfügig höheren Zahlen ausgeht). Im Jahre 2013 wurden insgesamt gegen 68 Personen Verfahren eingeleitet, darunter gegen 14 Christen; es wurden insgesamt mindestens 16 oder 17 Personen zum Tode und 19 oder 20 zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt, davon eine Verurteilung eines Christen zu lebenslanger Freiheitsstrafe und zwei Freisprüche von Christen (vgl. US Commission of International Religious Annual Report 2014, S. 76 – Im Folgenden USCIRF I; HRWWR, S. 367; HRCP, S. 33 ff.; vgl. zu weiteren Verurteilungen eines britischen Staatsangehörigen und einer pakistanischen Christin im Jahre 2014 Briefing Notes vom 27.01.2014 und 31.03.2014).
43 
Die Religionsausübung der christlichen Minderheit wird grundsätzlich staatlicherseits nicht eingeschränkt oder behindert. Für das Jahr 2012 wurde allerdings berichtet, dass auch staatliche Stellen sich an der Zerstörung christlicher Einrichtungen beteiligt hätten (vgl. US Commission of International Religious Freedom Annual Report 2012, S. 126 – Im Folgenden USCIRF II). Vergleichbare Vorkommnisse werden für das Jahr 2013 in den zahlreichen Erkenntnismitteln an keiner Stelle mehr erwähnt (vgl. USCRIF I, S. 75 ff. und US Commission of International Religious Freedom Annual Report 2013, S. 123 – im Folgenden USCRIF IV).
44 
Die wesentlichen Probleme, mit denen religiöse Minderheiten konfrontiert sind, sind die Auswirkungen der zunehmenden interkonfessionellen Gewaltakte von nicht-staatlicher Seite und Diskriminierungen im gesellschaftlichen Leben (vgl. hierzu schon ausführlich Senatsurteil vom 12.06.2013 – A 11 S 757/13). Allerdings ist festzustellen, dass sich diese Gewalttaten bislang überwiegend gar nicht gegen Christen, sondern gegen Angehörige der schiitischen Minderheit richten (vgl. BAA, S. 19 f und 47 f.; Lagebericht, S. 16; HRWWR, S. 367; USCIRF I, S. 75). Für das Jahr 2013 wurden insgesamt 658 Tote und 1195 Verletzte gezählt (vgl. Lagebericht S. 16), die gegen religiöse Minderheiten gerichteten interkonfessionellen Gewaltakten zum Opfer gefallen sind, während es sich im Jahre 2012 „nur“ um 507 Tote und 577 Verletzte gehandelt hatte (vgl. COI, Ziffer 19.233). Was die christliche Minderheit betrifft, sind besonders hervorzuheben ein Anschlag auf die anglikanische Allerheiligen-Kirche in Peshawar am 22.09.2013, durch den wohl etwa 100 Personen getötet und über 150 zum Teil schwer verletzt wurden (vgl. Lagebericht, S. 16, und USCIRF I, S. 76). Im März und April attackierte eine aufgehetzte Menschenmenge christliche Siedlungen bzw. Dörfer; bei den Attacken wurden über 100 Häuser zerstört, ohne dass aber Menschenleben zu beklagen waren (vgl. USCIRF I, S. 76; vgl. auch BAA, S. 42 f.; vgl. auch HRCP, S. 94 - zu weiteren – allerdings vereinzelten – Übergriffen auf Kirchen S. 94), wobei auch Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Vorfall im März 2013 von langer Hand vorbereitet worden war. Im Wesentlichen alle verwerteten Erkenntnismittel sind sich in diesem Zusammenhang einig, dass staatliche Sicherheits- und Strafverfolgungsorgane hierbei den erforderlichen Schutz nur lückenhaft gewähren oder jedenfalls viel zu spät eingreifen, wobei dieses oftmals nicht allein darauf zurückzuführen ist, dass diese Organe überfordert wären, sondern auch auf einer offensichtlich mangelnden Bereitschaft beruht, effektiven Schutz zu gewähren (vgl. etwa BAA, S. 19 ff. und 42 ff.; HRWWR, S. 367; UNHCR, S. 1 f.; vgl. zu unzureichenden Schutzmaßnahmen schon Departement of State‘s International Religious Freedom Report for 2012, Stichwort „Government Inaction“ – Im Folgenden USCIRF III). Allerdings ist auch festzuhalten, dass es fundierte Berichte gibt, dass Polizeiorgane bei dem Versuch, den gebotenen Schutz zu gewähren, ernsthafte Verletzung erlitten haben (vgl. BAA, S. 43; vgl. auch S. 46 zu Schutzmaßnahmen bei Prozessionen). Immerhin haben die Sicherheitsorgane nach gewalttätigen Übergriffen auch Ausgangssperren zum Schutze der Minderheiten und gegenüber muslimischen Klerikern Verbote verhängt, die Stadt zu betreten, um zu verhindern, dass diese zur Gewalt aufstacheln und Hassreden halten (vgl. HRCP S. 76). Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang abschließend, dass es nach dem Angriff am 22.09.2013 in Lahore und Islamabad bemerkenswerte zivilgesellschaftliche Solidaritätsaktionen zugunsten der Christen gab, indem um mehrere Kirchen Menschenketten gebildet wurden (HRCP, S. 94).
45 
Selbst wenn man bei der gebotenen qualitativen Bewertung (vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom 27.04.2010 - 10 C 4.09 - NVwZ 2011, 56, vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 - NVwZ 2012, 454 und vom 13.02.2014 - 10 C 6.13 - NVwZ-RR 2014, 487) berücksichtigt, dass derartige Gewaltakte teilweise nicht vorhergesehen werden und die Angehörigen der religiösen Minderheiten gewissermaßen aus heiterem Himmel treffen können, was es ihnen dann aber unmöglich macht, ihnen auszuweichen, so genügen selbst die für das Jahr 2013 festgestellten Opferzahlen, die nach den verwerteten Erkenntnismitteln überwiegend nicht die christliche Minderheit betreffen, bei weitem nicht, um die Annahme zu rechtfertigen, jeder Angehörige dieser mindestens drei Millionen zählenden Minderheit müsse mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen, in einer noch überschaubaren Zeit Opfer derartiger Leib oder Leben betreffenden Akte zu werden. Daran ändern nichts die etwa vom Auswärtigen Amt im Lagebericht vom 08.04.2014 (S. 16) getroffene Feststellung, dass nach den Ereignissen des Jahres 2013 die Bedrohungslage der christlichen Minderheit in Pakistan eine neue Qualität habe, und die Tatsache, dass die Human Rights Commission of Pakistan davon spricht, dass das Jahr 2013 eines der schwärzesten für die christlichen Gemeinden in Pakistan gewesen sei (HRCP, S. 92). Auch UNHCR ist bislang der Auffassung gewesen, dass eine generelle, vom Einzelfall unabhängige Gefährdung nicht besteht (UNHCR, S. 8). Selbst die Organisation „Open Doors“ (Länderprofile Pakistan), die insgesamt ein durchaus düsteres Bild vermittelt, das aber in den anderen Erkenntnismitteln keine unmittelbare Entsprechung findet, geht davon aus, dass die christlichen Gemeinden sich nach wie vor ungehindert auch mit Öffentlichkeitsbezug versammeln und arbeiten können, auch wenn mitunter die Kirchen von bezahlten Wachleuten geschützt werden. Der Senat kann daher offen lassen, ob der pakistanische Staat den durch Art. 7 Abs. 2 QRL geforderten effektiven Schutz gewährleistet, was aber nach den verwerteten Erkenntnismitteln eher zu verneinen sein dürfte.
46 
Dass es nach wie vor ein reges, wenn auch nicht ungefährliches religiöses Leben der christlichen Minderheit auch mit unmittelbarem Öffentlichkeitsbezug in Pakistan gibt, wird beispielhaft illustriert durch die – auch neueren – Berichte, die auf der Website http://www.kirche-in-not.de/tag/pakistan erschienen sind und weiter erscheinen. Dass tatsächlich der christliche Glaube in nennenswertem Umfang in Pakistan gelebt und aktiv praktiziert wird, lässt sich auch unschwer daraus ablesen, dass die Kirchen in erheblichem Umfang Schulen und andere Bildungseinrichtungen betreiben (vgl. missio, Länderberichte Religionsfreiheit: Pakistan, 2012, S. 18 – im Folgenden missio; Deutschlandradio Kultur vom 13.01. und 11.02.2014; vgl. auch den zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Ausdruck des Internetauftritts der FGA-Church Pakistan). Auch ist darauf hinzuweisen, dass die Erzdiözesen Karachi und Lahore seit langer Zeit größere Krankhäuser betreiben und auch seit 2009 eigene Fernsehsender unterhalten (Wikipedia, Roman Catholic Archdiocese of Lahore Stand 28.03.2014; Wikipedia, Roman Catholic Archdiocese of Karachi Stand 28.03.2014).
47 
Die gesellschaftliche und soziale Lage der christlichen Minderheit wird übereinstimmend als durchaus prekär und durch vielfältige Diskriminierungen geprägt beschrieben. Gleichwohl ist das Bild zwiespältig. Die festzustellende Marginalisierung und Diskriminierung beruht dabei keineswegs allein oder ganz überwiegend auf dem christlichen Glauben, sondern hat auch eine wesentliche Wurzel in dem noch nachwirkenden und überkommenen Kastenwesen, weil die Christen zum größten Teil Nachkommen von Hindus sind, die der Kaste der Unberührbaren angehörten (vgl. BAA, S. 52; COI, Ziffer 19.198 und 19.204). Dies hat zur Folge, dass die überwiegende Zahl der Christen der Unterschicht zuzurechnen ist und unter der Armutsgrenze lebt, was im Übrigen auch für andere Minderheiten gilt, und die Rate von Analphabetentum sehr groß ist (vgl. Lagebericht, S. 13 f.; BAA, S. 50 ff.; Immigration und Refugee Board of Canada, Pakistan: Religious conversions, including treatment of converts and forced conversions (2009 – 2012), Ziff. 1 – im Folgenden Canada). Diese Stellung wiederum macht eine wesentliche Ursache dafür aus, dass junge christliche Frauen und Mädchen in besonderem Maße das Opfer von unfreiwilligen Bekehrungen und Verheiratungen nach Entführungen werden (vgl. COI, Ziffer 19.188 und 19.198; UNHCR, S. 7; HRCP, S. 95 f.), wobei auch hier ein wirklich effektiver Schutz durch die pakistanischen Sicherheitsorgane nicht gewährt wird, auch wenn in der Nationalversammlung und auf der staatlichen Führungsebene das Problem gesehen und über Abhilfe diskutiert wird (vgl. Canada Ziff. 1). Allerdings berichtet die Pakistanische Menschenrechtsorganisation für das Jahr 2013 durchaus von erheblich weniger erfolgreichen oder versuchten zwangsweisen Konversionen bzw. Verheiratungen (vgl. HRCP, S. 91). Bei alledem darf letztlich aber zudem nicht die Tatsache ausgeblendet werden, dass Entführungen, Zwangsverheiratungen und Vergewaltigungen von (jungen) Frauen in Pakistan ein durchaus gesamtgesellschaftliches Phänomen und Problem darstellen, das weit über die christliche Minderheit hinausreicht (vgl. COI, Ziff. 23.156 ff.; Lagebericht, S. 19 und 21). Die Christen arbeiten überwiegend in der Landwirtschaft, der Steinbearbeitungs-, Glas-, Teppich- und Fischereiindustrie, für die auch Elemente von Zwangsarbeit festgestellt wurden, gegen die die staatlichen Stellen trotz entsprechender Verbotsgesetze nicht effektiv vorgehen (vgl. UNHCR, S. 8). Die Diskriminierung der christlichen Minderheit findet aber auch hier nicht in erster Linie im staatlichen Sektor statt, in dem allenfalls in Bezug auf höhere Positionen eine signifikante Unterrepräsentierung festzustellen ist (vgl. BAA, S. 51; vgl. zum Bildungswesen und diskriminierenden Bildungsinhalten bzw. zum obligatorischen islamischen Religionsunterricht USCIRF III, Stichwort „Governments Practice“). Die staatliche Seite versucht durchaus, gesellschaftlichen Diskriminierungen entgegen zu arbeiten (vgl. BAA, S. 41 und 52). An einer konsequenten, geschweige denn erfolgreichen auf den nicht-staatlichen Bereich bezogenen Antidiskriminierungspolitik mangelt es zwar. Ein solches Unterlassen stellt jedoch keine Verfolgungshandlung im Sinne von Art. 9 Abs. 2 (hier v.a. lit. b, c und d) QRL dar, wenn man überhaupt in einem Unterlassen eine relevante Verfolgungshandlung sehen will (vgl. zum Problem grundsätzlich Marx, Handbuch zu Flüchtlingsschutz, 2. Aufl., § 11 Rn. 2 ff.), weshalb schon deshalb auch aus einer Gesamtschau aller negativen Faktoren (einschließlich der festgestellten Übergriffe auf Leib und Leben sowie vereinzelter menschenrechtlich fragwürdiger Verfahren wegen eines behaupteten Verstoßes gegen einzelne Bestimmungen der Blasphemiegesetzgebung) keine schwerwiegende Menschenrechtsverletzung im Sinne des Art. 9 Abs. 1 lit. b) QRL abgeleitet werden kann. Denn nur in einer finalen und systematischen Vorenthaltung des staatlichen Schutzes zur Vermeidung erheblicher Menschenrechtsverletzungen kann überhaupt ein zurechenbares und daher flüchtlingsrechtlich relevantes Verhalten erblickt werden (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 19.01.2009 - 10 C 52.07 - NVwZ 2009, 984), was jedoch aus den verwerteten Erkenntnismitteln nicht hinreichend deutlich zutage tritt. Geht man hingegen davon aus, dass in einem Unterlassen generell keine Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 QRL liegen kann und verortet man die Problemstellung (nur) bei der Frage, welche Anforderungen an das nach Art. 7 Abs. 2 QRL geforderte nationale Schutzsystem zu stellen sind, so führt dies zu keiner anderen Sicht der Dinge. Zwar finden sich in einer Vielzahl von Menschrechtspakten ausdrückliche Diskriminierungsverbote (vgl. etwa Art. 2 AEM; Art. 14 EMRK; Art. 26 IPbpR), die mittlerweile zu einem allgemeinen völkergewohnheitsrechtlichen Diskriminierungsverbot erstarkt sein dürften (vgl. Marx, a.a.O., § 16 Rn 45), das auch Art. 9 Abs. 2 QRL zugrunde liegt, das aber grundsätzlich in erster Linie an staatliche Akteure gerichtet ist. Es existiert jedoch keine allgemeine, auch flüchtlingsrechtlich relevante Verpflichtung, Diskriminierungen durch nicht-staatliche Akteure umfassend zu unterbinden und mit allen Mitteln effektiv zu bekämpfen. Ein auch solche Handlungen, die unterhalb der Schwelle von Eingriffen in Leib, Leben oder persönlicher Freiheit liegen, unterbindendes Schutzsystem wird durch Art. 7 Abs. 2 QRL nicht gefordert. Soweit etwa Art. 7 IPwskR das Recht der Arbeitnehmer auf gleiches Entgelt für gleichwertige oder auf gleiche Möglichkeiten auf beruflichen Aufstieg anerkennt und damit auch nicht-staatliche Akteure im Blick hat, handelt es sich nicht um ein Instrumentarium, das bedingungslos grundlegende menschenrechtliche Standards umschreibt, die flüchtlingsrechtlich eine Verpflichtung zu einer umfassenden Antidiskriminierungspolitik auslöst und daher Grundlage eines umfassenden flüchtlingsrechtlich relevanten menschenrechtlichen Schutzstandards sein könnte. Dies gilt namentlich dann, wenn - wie dargelegt - die allgemeine sozio-ökonomische Lage der christlichen Minderheit gar nicht monokausal auf ihre Religionszugehörigkeit zurückgeführt werden kann.
48 
Das vom Kläger angesprochene „land grabbing“ privater Akteure ist ein in Pakistan weit verbreitetes Phänomen und richtet sich nicht spezifisch gegen die christliche Minderheit, sondern betrifft auch andere Bewohner des Landes, die sich aufgrund ländlicher feudaler oder sonstiger ubiquitärer mafiöser Strukturen in einer unterlegenen Position befinden und bei denen nicht selten effektiver staatlicher Schutz ausfällt (vgl. COI, Ziff. 35.01; HRCP, S. 253).
49 
Ungeachtet dessen vermag der Senat den zahlreichen verwerteten Erkenntnismitteln auch keinen tragfähigen Ansatz für eine Feststellung zu entnehmen, dass die Lage der christlichen Minderheit generell betrachtet durch eine schwere Menschenrechtsverletzung im Sinne des Art. 9 Abs. 1 lit. b QRL gekennzeichnet wäre.
50 
Etwas anderes gilt auch nicht allgemein und generell betrachtet für den Personenkreis der vom Islam zum Christentum Konvertierten.
51 
Zunächst ist davon auszugehen, dass die pakistanische Rechtsordnung den Vorgang der Konversion nicht untersagt oder gar strafrechtlich bewertet (vgl. Lagebericht, S. 14). Versuche, die Rechtslage zu Lasten der Konvertiten zu verändern, sind sogar gescheitert und aufgegeben worden (vgl. COI, Ziff. 19.66). Allerdings kann hier die bereits erwähnte Blasphemie-Gesetzgebung zum Einfallstor für Verfolgungen und Diskriminierungen werden, wenn es um die Beurteilung von Äußerungen und Verhaltensweisen im Kontext einer Konversion geht (vgl. missio, S. 13 und 17; Deutschlandradio Kultur vom 11.02.2014, S. 3). Dass aber in signifikantem Umfang der hier zu beurteilende Personenkreis betroffen sein könnte, lässt sich den vielfältigen Erkenntnismitteln nicht entnehmen, obwohl in ihnen eine unübersehbare Fülle von Einzelinformationen verarbeitet wurden. Auch missio benennt in diesem Kontext keine konkreten Einzelfälle, sondern weist nur auf die Möglichkeit hin. Für die staatliche Ebene wird allerdings berichtet, dass ein Neueintrag der christlichen Religion in den Personalausweisen bzw. Pässen nicht möglich ist, jedenfalls faktisch nicht vorgenommen wird (Canada, Ziffer 3). Zwar wird auch berichtet, dass im Falle einer Konversion beider Ehegatten die Kinder der Konvertierten als „illegitim“ eingestuft werden und der Staat die Kinder sogar in Obhut nehmen kann. Dazu wird aber in den zahlreichen Erkenntnismitteln, die sehr ausführlich über Konversion berichten, insbesondere auch in den spezifisch christlichen bzw. kirchlichen Erkenntnismitteln kein einziger Fall benannt, geschweige denn nachvollziehbar dokumentiert.
52 
Die Probleme liegen wiederum in erster Linie in der gesellschaftlichen Sphäre. Denn nicht unerhebliche Teile der pakistanischen Gesellschaft stehen den religiösen Minderheiten ablehnend, wenn nicht gar feindselig gegenüber. Umso mehr wird dann eine Konversion weg vom Islam missbilligt, was zu hohen Befürwortungsraten für die Verhängung der Todesstrafe führt (vgl. COI, Ziff. 19.67). Wie bereits dargelegt, hat sich diese gesellschaftliche Stimmung aber nicht in entsprechenden erfolgreichen Gesetzesvorhaben niedergeschlagen. Teilweise stößt eine Konversion in der eigenen Familie des Konvertiten auf strikte Ablehnung, was dazu führen kann, dass der Betreffende aus der Familie verstoßen wird. Vereinzelt ist es hier auch zu körperlichen Übergriffen bis zu Tötungen gekommen (vgl. Canada, Ziff. 1 und 3). Den verwerteten Erkenntnismitteln nach kann es sich aber nicht um eine weiter verbreitete oder gar allgegenwärtige Erscheinung handeln.
53 
Die Folgen der gesellschaftlichen und innerfamiliären Ablehnung und Missbilligung gehen dahin, dass Konvertiten es teilweise, jedoch nicht generell, bewusst vermeiden, die Konversion an die Öffentlichkeit zu tragen, und daher ggf. auch den Wohnort wechseln, um nicht in ihrem bisherigen Wohnumfeld aufzufallen, um dann andernorts gewissermaßen als „unbeschriebenes Blatt“ als Christ auftreten und diesen Glauben mit den oben beschriebenen Einschränkungen leben zu können (vgl. etwa Open Doors, Länderprofile Pakistan). Das bedingt aber andererseits, dass es verlässliche Zahlen über die Konversionen vom Islam weg nicht geben kann. Auch wenn angesichts der geschilderten Haltung der Mehrheitsgesellschaft davon auszugehen sein wird, dass die Zahl der erfolgten Lösungen vom Islam oder Konversionen weg vom Islam nicht sehr groß sein wird, so fehlt es doch gegenwärtig an ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass nach Maßgabe der für die Annahme einer Gruppenverfolgung zugrunde zu legenden Prognosemaßstäbe jeder pakistanische Staatsangehörige, der sich vom Islam löst, unterschiedslos ein reales Risiko läuft, von einer schweren Menschenrechtsverletzung im Sinne des Art. 9 Abs. 1 lit. a) oder lit. b) QRL betroffen zu sein. Der Senat sieht sich in dieser Einschätzung durch den Bericht von Deutschlandradio Kultur vom 11.02.2014 und die dort geschilderte Haltung und Einschätzung eines ehemaligen Muslim bestätigt, die deutlich machen, dass Konversion bzw. auch nur Abkehr vom Islam möglich ist, tatsächlich stattfindet und keineswegs mit einer gewissen Zwangsläufigkeit zu schweren Menschenrechtsverletzungen führt. Im konkreten Einzelfall mag aufgrund individueller Umstände eine andere Beurteilung erforderlich werden. Unabhängig hiervon sieht der Senat keine durchgreifenden Hindernisse für eine Person in der Lage des Klägers, im Falle von unmittelbaren Anfeindungen und Übergriffen im persönlichen Umfeld seinen Wohnort zu wechseln (vgl. Art. 8 QRL), wie dieses nach den verwerteten Erkenntnismitteln immer wieder geschieht, um ein Leben als Christ führen zu können (vgl. Lagebericht, S. 24; Open Doors, Länderprofile Pakistan; Home Office, Country Information and Guidance, Pakistan: Religious freedom, 2014, Ziff. 2.4.16 f.). Aufgrund besonderer Umstände mag auch hier im Einzelfall etwas anderes gelten. Diese sind jedoch in der Person des Klägers nicht erkennbar geworden. Zwar hat er behauptet, als Cricketspieler in Lahore bekannt zu sein. Dass dieses landesweit der Fall gewesen sein könnte, erschließt sich dem Senat nicht. Denn solches wurde vom Kläger schon nicht nachvollziehbar und substantiiert behauptet. Ungeachtet dessen ist seine Person an keiner Stelle im Internet im Kontext des Cricketsports in Pakistan zu finden, worauf der Kläger in der mündlichen Verhandlung hingewiesen wurde.
54 
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2 VwGO und 83b AsylVfG. Gründe dafür, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO).

Gründe

 
21 
Die zulässige, unter Stellung eines Antrags rechtzeitig und formgerecht begründete Berufung bleibt ohne Erfolg.
22 
Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
23 
I. Nach § 3 Abs. 4 AsylVfG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylVfG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
24 
Nach § 3a Abs. 1 AsylVfG (vgl. auch Art. 9 Abs. 1 RL 2011/95/EU - QRL) gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 AsylVfG Handlungen, die 1. auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 04.11.1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder 2. in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Nach § 3a Abs. 2 AsylVfG (vgl. Art. 9 Abs. 2 QRL) können als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 unter anderem die folgenden Handlungen gelten: 1. die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, 2. gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, 3. unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, 4. Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, 5. Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 AsylVfG (vgl. Art. 12 Abs. 2 QRL) fallen, 6. Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind. Nach § 3a Abs. 3 AsylVfG (vgl. Art. 9 Abs. 3 QRL) muss dabei zwischen den Verfolgungsgründen und den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen.
25 
Die Verfolgung kann nach § 3c AsylVfG (vgl. Art. 6 QRL) ausgehen von 1. dem Staat, 2. Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder 3. nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylVfG (vgl. Art. 7 QRL) Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
26 
Der Charakter einer Verfolgungshandlung erfordert, dass das Verhalten des betreffenden Akteurs im Sinne einer objektiven Gerichtetheit auf die Verletzung eines nach § 3a AsylVfG (Art. 9 QRL) geschützten Rechtsguts selbst zielt (vgl. BVerwG, Urteile vom 19.01.2009 - 10 C 52.07 - NVwZ 2009, 982, und vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936).
27 
Der für die Beurteilung zugrunde zu legende Prognosemaßstab ist der der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Die relevanten Rechtsgutsverletzungen müssen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser aus dem Tatbestandsmerkmal "... aus der begründeten Furcht vor Verfolgung ..." des Art. 2 lit. d) QRL abzuleitende Maßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr abstellt ("real risk"); dieser Maßstab ist kein anderer als der der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936). Er setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des gesamten zur Prüfung gestellten und relevanten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine qualifizierende bzw. bewertende Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines vernünftig denkenden und nicht übertrieben furchtsamen Menschen gerade in der Lage des konkreten Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar einzuschätzen ist. Unzumutbar kann eine Rückkehr in den Heimatstaat auch dann sein, wenn ein mathematischer Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50 v.H. für eine politische Verfolgung gegeben ist. In einem solchen Fall reicht zwar die bloße theoretische Möglichkeit einer Verfolgung nicht aus. Ein vernünftig denkender Mensch wird sie außer Betracht lassen. Ergeben jedoch die Gesamtumstände des Falles die "reale Möglichkeit" einer flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Ein verständiger Betrachter wird bei der Abwägung aller Umstände daneben auch die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in seine Betrachtung einbeziehen. Wenn nämlich bei quantitativer Betrachtungsweise nur eine eher geringere mathematische Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung besteht, kann es auch aus der Sicht eines besonnen Menschen bei der Überlegung, ob er in seinen Heimatstaat zurückkehren kann, einen ganz erheblichen Unterschied bedeuten, ob er z.B. lediglich eine Gefängnisstrafe von einem Monat oder aber Folter oder gar die Todesstrafe riskiert (so BVerwG, Urteile vom 05.11.1991 - 9 C 118.90 - NVwZ 1992, 582, und vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936). Auch gilt: Je unabwendbarer eine drohende Verfolgung erscheint, desto unmittelbarer steht sie bevor. Je schwerer der befürchtete Verfolgungseingriff ist, desto weniger kann es dem Gefährdeten zugemutet werden, mit der Flucht zuzuwarten, bis der Verfolger unmittelbar vor der Tür steht. Das gilt auch dann, wenn der Eintritt der befürchteten Verfolgung von reiner Willkür abhängt, das befürchtete Ereignis somit im Grunde jederzeit eintreten kann, ohne dass allerdings im Einzelfall immer gesagt werden könnte, dass dessen Eintritt zeitlich in nächster Nähe bevorsteht. Die allgemeinen Begleitumstände, z. B. eine Willkürpraxis, die Repressionsmethoden gegen bestimmte oppositionelle oder verwundbare Gruppen, sind allgemeine Prognosetatsachen (vgl. zum kausalen und zeitlichen Zusammenhang zwischen Verfolgung und Flucht BVerwG, Urteil vom 20.11.1990 - 9 C 72.90 - NVwZ 1991, 384).
28 
Für die Beurteilung sind alle Akte zu berücksichtigen und einzustellen, denen der Ausländer ausgesetzt gewesen war oder die ihm gedroht hatten, um festzustellen, ob unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände diese Handlungen als Verfolgung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 QRL gelten können.
29 
Zur Erstellung der erforderlichen Prognose sind objektiviert die Prognosetatsachen nach den allgemeinen Maßstäben des verwaltungsverfahrensrechtlichen bzw. verwaltungsgerichtlichen Regelbeweismaßes der Überzeugungsgewissheit zu ermitteln und festzustellen. Diese Tatsachen bestehen regelmäßig aus solchen, die in der Vergangenheit wie auch aus solchen, die in der Gegenwart liegen. Sie müssen sodann in einer Gesamtschau verknüpft und gewissermaßen in die Zukunft projiziert werden. Auch wenn insoweit - wie sich bereits aus dem Gefahrbegriff ergibt - eine beachtliche Wahrscheinlichkeit ausreicht und deshalb ein „voller Beweis“ nicht erbracht werden kann, ändert dies nichts daran, dass das Gericht von der Richtigkeit seiner verfahrensfehlerfrei gewonnenen Prognose drohender Verfolgung die volle Überzeugung gewonnen haben muss (BVerwG, Urteile vom 20.11.1990 - 9 C 74.90 - NVwZ 1991, 382, und - 9 C 72.90 - NVwZ 1991, 384).
30 
Die Gefahr eigener Verfolgung für einen Ausländer, der die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begehrt, kann sich nicht nur aus gegen ihn selbst gerichteten Maßnahmen ergeben, sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (Gefahr der Gruppenverfolgung). Dabei ist je nach den tatsächlichen Gegebenheiten auch zu berücksichtigen, ob die Verfolgung allein an ein bestimmtes unverfügbares Merkmal wie die Religionszugehörigkeit anknüpft oder ob für die Bildung der verfolgten Gruppe und die Annahme einer individuellen Betroffenheit weitere Umstände oder Indizien hinzutreten müssen. Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt - abgesehen von den Fällen eines (staatlichen) Verfolgungsprogramms (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 05.07.1994 - 9 C 158.94 - NVwZ 1995, 175) - ferner eine bestimmte "Verfolgungsdichte" voraus, welche die "Regelvermutung" eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen. Ob eine in dieser Weise spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin "wegen" eines der in § 3b AsylVfG genannten Merkmale erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (vgl. Urteil vom 05.07.1994 - a.a.O.).
31 
Für die Gruppenverfolgung (wie auch für jede Individualverfolgung) gilt weiter, dass sie mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, d.h. wenn auch keine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die vom Zufluchtsland aus erreichbar sein muss (vgl. § 3e AsylVfG, Art. 8 QRL).
32 
Diese ursprünglich zum Asylgrundrecht für die unmittelbare und die mittelbare staatliche Gruppenverfolgung entwickelten Grundsätze können prinzipiell auf die Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure übertragen werden, wie sie nunmehr durch § 3c Nr. 3 AsylVfG (vgl. Art. 6 lit. c) QRL) ausdrücklich als flüchtlingsrechtlich relevant geregelt ist.
33 
Ob Verfolgungshandlungen das Kriterium der Verfolgungsdichte erfüllen, ist von den Tatsachengerichten aufgrund einer wertenden Betrachtung im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung zu entscheiden. Dabei muss zunächst die Gesamtzahl der Angehörigen der von Verfolgungshandlungen betroffenen Gruppe ermittelt werden. Weiter müssen Anzahl und Intensität aller Verfolgungsmaßnahmen, gegen die Schutz weder von staatlichen Stellen noch von staatsähnlichen Herrschaftsorganisationen im Sinne von § 3c Nr. 1 und 2 AsylVfG einschließlich internationaler Organisationen zu erlangen ist, festgestellt und hinsichtlich der Anknüpfung an ein oder mehrere unverfügbare Merkmale im Sinne von § 3b AsylVfG nach ihrer objektiven Gerichtetheit zugeordnet werden. Alle danach gleichgearteten, auf eine nach denselben Merkmalen zusammengesetzte Gruppe bezogenen Verfolgungsmaßnahmen müssen schließlich zur ermittelten Größe dieser Gruppe in Beziehung gesetzt werden, weil eine bestimmte Anzahl von Eingriffen, die sich für eine kleine Gruppe von Verfolgten bereits als bedrohlich erweist, gegenüber einer großen Gruppe vergleichsweise geringfügig erscheinen kann. Diese Maßstäbe haben auch bei der Anwendung der Richtlinie 2011/95/EU Gültigkeit (vgl. zu alledem BVerwG, Urteil vom 21.04.2009 - 10 C 11.08 - NVwZ 2009, 1237)
34 
Der der Prognose zugrunde zu legende Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist unabhängig davon, ob bereits Vorverfolgung oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylVfG (vgl. Art. 15 QRL) vorliegt (vgl. EuGH, Urteil vom 02.03.2010 - C-175/08 u.a. - InfAuslR 2010, 188; BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 5.09 - NVwZ 2011, 51). Die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden ernsthaft bedroht war, ist allerdings ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden (vgl. Art. 4 Abs. 4 QRL); es besteht die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Den in der Vergangenheit liegenden Umständen wird Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft beigelegt (vgl. EuGH, Urteil vom 02.03.2010 - C-175/08 - InfAuslR 2010,188). Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadenstiftenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland wiederholen werden. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden; hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 5.09 - NVwZ 2011, 51). Die nach Art. 4 Abs. 4 QRL maßgebenden stichhaltigen Gründe, die gegen eine erneute Verfolgung sprechen, können bei richtigem Verständnis der Norm letztlich keine anderen Gründe sein als die, die im Rahmen der „Wegfall der Umstände-Klausel“ des Art. 11 Abs. 1 Buchst. e) und f) QRL maßgebend sind. Dafür spricht, dass der EuGH diese Grundsätze in einen Kontext mit der „Wegfall der Umstände-Klausel“ gestellt hat. Nur wenn die Faktoren, welche die Furcht des Flüchtlings begründeten, dauerhaft beseitigt sind, die Veränderung der Umstände also erheblich und nicht nur vorübergehend ist, wird die Beweiskraft der Vorverfolgung entkräftet. Würden im Blick auf ein bestimmtes Herkunftsland statusrechtliche Entscheidungen wegen veränderter Umstände aufgehoben, ist es gerechtfertigt, dem Vorverfolgten im Asylverfahren die Umstände, welche die geänderte Einschätzung der Verfolgungssituation als stichhaltige Gründe leiten, entgegenzuhalten. In diesem Fall bleibt ihm dann die Möglichkeit, unter Hinweis auf besondere, seine Person betreffende Umstände nach Maßgabe des allgemeinen Wahrscheinlichkeitsmaßstabes erneut eine ihn treffende Verfolgung geltend zu machen.
35 
II. Dem Kläger ist zunächst nicht aus individuellen Verfolgungsgründen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
36 
Der Senat konnte insbesondere aufgrund des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung und des in ihr gewonnenen Eindrucks von der Person des Klägers nicht die erforderliche volle Überzeugung davon gewinnen, dass die vom Kläger behaupteten Vorfluchtgründe, namentlich dass er allein wegen mehrerer Kirchenbesuche in erheblichem Maße körperlich misshandelt wurde, der Wahrheit entsprechen.
37 
Der Kläger hatte ausweislich der ihm rückübersetzten und von ihm ausdrücklich bestätigten Niederschrift des Bundesamts vom 15.05.2013 im Verwaltungsverfahren ausgeführt, dass in seiner Gegend „moslemische Jungs“ gewesen seien, die ihm gesagt hätten, er solle nicht in die christliche Kirche gehen; sie hätten ihm Prügel angedroht. Einige Tage später habe man ihn auf dem Weg in die Kirche angehalten und ihm auf den Kopf gehauen. Es seien 10 bis 12 Leute aus seinem Stadtbezirk gewesen. In der mündlichen Verhandlung hat er gegenüber dem Senat hingegen behauptet, es seien seine beiden älteren Brüder, seine Cousins und Nachbarn gewesen, die ihn angehalten und geschlagen hätten. Eine plausible Erklärung auf den ihm vorgehaltenen Widerspruch konnte der Kläger dem Senat nicht unterbreiten. Dieser Widerspruch ist aus der Sicht des Senats von so großem Gewicht, dass er den von ihm behaupteten und seiner Schilderung nach wesentlichen Fluchtgrund dem Kläger nicht zu glauben vermag. Sicherlich können auch Nachbarn als „Leute aus seinem Stadtbezirk“ verstanden werden, dann aber ist es völlig fernliegend, wenn er, falls sich der Vorfall überhaupt so abgespielt hätte, nicht die Beteiligung engster Familienangehöriger beim Bundesamt erwähnt hätte. Denn es stellt eine ganz andere Qualität der eigenen Betroffenheit dar, wenn die Übergriffe von der eigenen Familie ausgehen. Der Vollständigkeit halber weist der Senat auch darauf hin, dass die Schilderung des Vorfalls auffallend blass geblieben ist und insbesondere eine plausible Darstellung vermissen ließ, wie es ihm gelungen sein soll, bei einer Überzahl von 10 bis 12 Leuten zu fliehen, wie er in der mündlichen Verhandlung behauptet hatte. Nicht nachzuvollziehen ist für den Senat auch, dass der Kläger gegenüber dem Bundesamt nicht sagen konnte, wo sich genau die Praxis des von ihm aufgesuchten Arztes befindet, sondern nur Vermutungen angestellt hatte, obwohl es „sein“ Arzt im eigenen Stadtviertel gewesen sein soll. Sowohl bei der Anhörung durch das Bundesamt wie auch in der mündlichen Verhandlung ist aus der Sicht des Senats nicht deutlich geworden, weshalb der Kläger sofort nach einem ersten Vorfall das Land unter Aufwendung erheblicher finanzieller Mittel verlassen hat und als alleinstehender junger Mann nicht vielmehr erst einmal sein engeres soziales und familiäres Umfeld aufgegeben und in eine andere Stadt gegangen ist. Der bloße Einwand, dass in Pakistan überall Moslems lebten und er sich sicher gewesen sei, dass sie ihn auch dort umgebracht hätten, ist nicht ohne weiteres plausibel, wenn die Gefährdung doch von einem engsten sozialen und familiären Umfeld ausgegangen sein soll, das ihn sehr gut gekannt hätte. Weshalb in einer anderen Stadt hätte veröffentlicht werden sollen, dass er Christ bzw. getauft worden sei, erschließt sich dem Senat nicht. Auch seine Erläuterung, dass er erst hier erfahren haben will, dass man, um Christ zu werden, getauft werden muss, ist nicht nachvollziehbar, wenn er in Pakistan bereits gewusst haben will, dass er Christ werden wolle, weshalb auch die behaupteten engeren Kontakte zu einer christlichen Kirche in Pakistan, über die er zudem auffallend wenig berichten konnte, generell infrage stehen.
38 
Nach der Schilderung des Klägers in der mündlichen Verhandlung hatte er seit etwa sechs Jahren Kontakt zu einem Mitspieler christlichen Glaubens mit Namen Zxxx im Cricketclub. Schon beim Bundesamt wie auch beim Verwaltungsgericht blieb der Kläger eine nachvollziehbare Erklärung dafür schuldig, weshalb er erst im Jahre 2011 von Zxxx angesprochen und aufgefordert worden sein will, mit in die Kirche zu gehen, und dieses nicht schon viel früher geschehen sein soll. Er hatte lediglich angegeben, dass sie erst im Jahre 2011 starke Freunde geworden seien, ohne dieses aber näher zu erläutern. Auch in der mündlichen Verhandlung fehlte eine schlüssige Antwort auf entsprechende Fragen des Senats. Bemerkenswert ist zudem, dass der Kläger bei der Anhörung durch das Bundesamt mehrfach davon gesprochen hatte, dass verschiedene „Jungs“ christlichen Glaubens aus dem Club, die enge Freunde von ihm gewesen seien, ihn angesprochen und aufgefordert hätten, in die Kirche zu gehen, während in der mündlichen Verhandlung davon auch nicht mehr im Ansatz die Rede war, sondern nur noch von Zxxx. Die Freunde sollen nach den beim Bundesamt gemachten Angaben auch die Ausreise gemeinsam organisiert haben, wovon der Kläger in der mündlichen Verhandlung ebenfalls nicht mehr gesprochen hatte. Schließlich kann angesichts grundlegender Widersprüche und Unzulänglichkeiten nicht übersehen werden und muss auch jedenfalls in der Gesamtschau zum Nachteil des Klägers gewertet werden, dass er beim Bundesamt den Namen des Freundes mit „Axxx“ angegeben hatte. Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass es sich um einen Übertragungsfehler gehandelt haben könnte, sieht der Senat nicht. Denn zum einen ist die Ähnlichkeit beider Namen nicht sehr groß, zum anderen wurde die Niederschrift rückübersetzt, ohne dass der Kläger insoweit eine Berichtigung angebracht hätte; auch in der Folgezeit nach Erhalt einer Protokollabschrift ist solches nicht geschehen. Bemerkenswert ist auch, dass der Kläger beim Bundesamt nicht näher eingrenzen konnte, wann er im Jahre 2011 mit den Besuchen in der Kirche begonnen hatte, während er beim Verwaltungsgericht den Vorfall immerhin nunmehr auf den achten oder neunten Monat 2012 (gemeint 2011) relativ präzise datieren konnte. In der mündlichen Verhandlung will er nunmehr mit den Besuchen im neunten Monat begonnen haben, während sich der Vorfall im zehnten Monat abgespielt haben soll. Das wiederum passt offensichtlich nicht zu seinem Vorbringen, er sei nach dem Vorfall nicht mehr zur Familie gegangen, sondern zu Zxxx, bei dem er noch 20 bis 25 Tage geblieben sei bis er mit dem Zug von Lahore nach Quetta gefahren sei, während er beim Bundesamt angegeben hatte, am 23.12.2011 (nicht wie im Protokoll offensichtlich irrtümlich ausgeführt 2012) von Lahore mit dem Zug nach Quetta gefahren zu sein.
39 
III. Dem Kläger kann die Flüchtlingseigenschaft auch nicht allein deshalb zuerkannt werden, weil er inzwischen Christ ist und im Falle der Rückkehr seinen Glauben aktiv auch in der Öffentlichkeit praktizieren wird. Der Senat geht in diesem Zusammenhang nach den Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung davon aus, dass er als getaufter Christ seinem Glauben innerlich verbunden ist und es zu den von ihm als verbindlich verstanden Glaubensinhalten gehört, regelmäßig an den Gottesdiensten seiner Gemeinde teilzunehmen und sich an der Gemeindearbeit zu beteiligen.
40 
Christen in Pakistan droht nach den im Verfahren vom Senat zugrunde gelegten und ausgewerteten Erkenntnismitteln nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit, wegen ihres Glaubens und ihrer – auch öffentlichen – Glaubensbetätigung einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 QRL ausgesetzt zu sein.
41 
Der Senat geht davon aus, dass in Pakistan mindestens 3 Millionen Christen leben (vgl. AA Lagebericht vom 08.04.2014, S. 6 und 16 – im Folgenden Lagebericht; vgl. aber auch Home Office, Pakistan, Country of Origin Information Report vom 09.10.2013, Ziffer 19.178 – im Folgenden COI – wonach laut einiger Quellen die Zahl in Wirklichkeit das Doppelte betragen soll). Nach der Rechtslage bestehen - anders als bei der religiösen Minderheit der Ahmadis – keine wesentlichen unmittelbaren Diskriminierungen der Christen in Pakistan (vgl. etwa Lagebericht, S. 13 f.; BAA, Bericht zur Fact Finding Mission, Pakistan, Juni 2013, S. 38 ff. und 51 ff. – im Folgenden BAA). Eine Ausnahme besteht insoweit, als der Premierminister sowie der Präsident Muslim sein muss, was teilweise als schlechtes Signal an die Bevölkerung beschrieben wird, dass die Minderheiten auch minderwertig seien (vgl. BAA, S. 51). Allerdings wirkt sich die sog. Blasphemiegesetzgebung auch bei der christlichen Minderheit faktisch zu ihrem Nachteil aus, zumal diese – nicht anders als bei anderen Minderheiten, aber auch bei der Mehrheitsbevölkerung – in erheblichem Maße aus eigensüchtigen Motiven und Gründen von den Anzeigeerstattern missbraucht wird (vgl. ausführlich auch BAA, S. 48 ff.; COI, Ziffer 19.33. ff.; UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs von Angehörigen religiöser Minderheiten in Pakistan, 10.10.2012, S. 6 f. – im Folgenden UNHCR; Human Rights Commission of Pakistan, State of Human Rights in 2013, S. 27 ff und 101 ff. – im Folgenden HRCP).
42 
Der Senat hat sich zu den Blasphemiegesetzen in seinem den Beteiligten im Einzelnen bekannten Urteil vom 12.06.2013 (A 11 S 757/13 - juris) ausführlich geäußert, auf das zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird (vgl. dort Rn. 68 ff.). Wesentlich neue Aspekte haben sich insoweit zwischenzeitlich nicht ergeben. Betroffen sind davon allerdings in erster Linie nicht Angehörige der christlichen Minderheit. Dokumentiert sind zwei nicht rechtskräftige Todesurteile gegen eine christliche Frau und ein christliches Mädchen, ohne dass nähere Umstände hierzu bekannt geworden sind (vgl. etwa Human Rights Watch World Report 2014, S. 367 f. – im Folgenden HRWWR). Im Jahre 2012 kam es zu insgesamt 113 Anklagen (gegenüber 79 im Jahre 2011), davon 12 gegen Christen (Lagebericht, S. 14; vgl. auch HRCP, S. 33 f., die von geringfügig höheren Zahlen ausgeht). Im Jahre 2013 wurden insgesamt gegen 68 Personen Verfahren eingeleitet, darunter gegen 14 Christen; es wurden insgesamt mindestens 16 oder 17 Personen zum Tode und 19 oder 20 zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt, davon eine Verurteilung eines Christen zu lebenslanger Freiheitsstrafe und zwei Freisprüche von Christen (vgl. US Commission of International Religious Annual Report 2014, S. 76 – Im Folgenden USCIRF I; HRWWR, S. 367; HRCP, S. 33 ff.; vgl. zu weiteren Verurteilungen eines britischen Staatsangehörigen und einer pakistanischen Christin im Jahre 2014 Briefing Notes vom 27.01.2014 und 31.03.2014).
43 
Die Religionsausübung der christlichen Minderheit wird grundsätzlich staatlicherseits nicht eingeschränkt oder behindert. Für das Jahr 2012 wurde allerdings berichtet, dass auch staatliche Stellen sich an der Zerstörung christlicher Einrichtungen beteiligt hätten (vgl. US Commission of International Religious Freedom Annual Report 2012, S. 126 – Im Folgenden USCIRF II). Vergleichbare Vorkommnisse werden für das Jahr 2013 in den zahlreichen Erkenntnismitteln an keiner Stelle mehr erwähnt (vgl. USCRIF I, S. 75 ff. und US Commission of International Religious Freedom Annual Report 2013, S. 123 – im Folgenden USCRIF IV).
44 
Die wesentlichen Probleme, mit denen religiöse Minderheiten konfrontiert sind, sind die Auswirkungen der zunehmenden interkonfessionellen Gewaltakte von nicht-staatlicher Seite und Diskriminierungen im gesellschaftlichen Leben (vgl. hierzu schon ausführlich Senatsurteil vom 12.06.2013 – A 11 S 757/13). Allerdings ist festzustellen, dass sich diese Gewalttaten bislang überwiegend gar nicht gegen Christen, sondern gegen Angehörige der schiitischen Minderheit richten (vgl. BAA, S. 19 f und 47 f.; Lagebericht, S. 16; HRWWR, S. 367; USCIRF I, S. 75). Für das Jahr 2013 wurden insgesamt 658 Tote und 1195 Verletzte gezählt (vgl. Lagebericht S. 16), die gegen religiöse Minderheiten gerichteten interkonfessionellen Gewaltakten zum Opfer gefallen sind, während es sich im Jahre 2012 „nur“ um 507 Tote und 577 Verletzte gehandelt hatte (vgl. COI, Ziffer 19.233). Was die christliche Minderheit betrifft, sind besonders hervorzuheben ein Anschlag auf die anglikanische Allerheiligen-Kirche in Peshawar am 22.09.2013, durch den wohl etwa 100 Personen getötet und über 150 zum Teil schwer verletzt wurden (vgl. Lagebericht, S. 16, und USCIRF I, S. 76). Im März und April attackierte eine aufgehetzte Menschenmenge christliche Siedlungen bzw. Dörfer; bei den Attacken wurden über 100 Häuser zerstört, ohne dass aber Menschenleben zu beklagen waren (vgl. USCIRF I, S. 76; vgl. auch BAA, S. 42 f.; vgl. auch HRCP, S. 94 - zu weiteren – allerdings vereinzelten – Übergriffen auf Kirchen S. 94), wobei auch Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Vorfall im März 2013 von langer Hand vorbereitet worden war. Im Wesentlichen alle verwerteten Erkenntnismittel sind sich in diesem Zusammenhang einig, dass staatliche Sicherheits- und Strafverfolgungsorgane hierbei den erforderlichen Schutz nur lückenhaft gewähren oder jedenfalls viel zu spät eingreifen, wobei dieses oftmals nicht allein darauf zurückzuführen ist, dass diese Organe überfordert wären, sondern auch auf einer offensichtlich mangelnden Bereitschaft beruht, effektiven Schutz zu gewähren (vgl. etwa BAA, S. 19 ff. und 42 ff.; HRWWR, S. 367; UNHCR, S. 1 f.; vgl. zu unzureichenden Schutzmaßnahmen schon Departement of State‘s International Religious Freedom Report for 2012, Stichwort „Government Inaction“ – Im Folgenden USCIRF III). Allerdings ist auch festzuhalten, dass es fundierte Berichte gibt, dass Polizeiorgane bei dem Versuch, den gebotenen Schutz zu gewähren, ernsthafte Verletzung erlitten haben (vgl. BAA, S. 43; vgl. auch S. 46 zu Schutzmaßnahmen bei Prozessionen). Immerhin haben die Sicherheitsorgane nach gewalttätigen Übergriffen auch Ausgangssperren zum Schutze der Minderheiten und gegenüber muslimischen Klerikern Verbote verhängt, die Stadt zu betreten, um zu verhindern, dass diese zur Gewalt aufstacheln und Hassreden halten (vgl. HRCP S. 76). Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang abschließend, dass es nach dem Angriff am 22.09.2013 in Lahore und Islamabad bemerkenswerte zivilgesellschaftliche Solidaritätsaktionen zugunsten der Christen gab, indem um mehrere Kirchen Menschenketten gebildet wurden (HRCP, S. 94).
45 
Selbst wenn man bei der gebotenen qualitativen Bewertung (vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom 27.04.2010 - 10 C 4.09 - NVwZ 2011, 56, vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 - NVwZ 2012, 454 und vom 13.02.2014 - 10 C 6.13 - NVwZ-RR 2014, 487) berücksichtigt, dass derartige Gewaltakte teilweise nicht vorhergesehen werden und die Angehörigen der religiösen Minderheiten gewissermaßen aus heiterem Himmel treffen können, was es ihnen dann aber unmöglich macht, ihnen auszuweichen, so genügen selbst die für das Jahr 2013 festgestellten Opferzahlen, die nach den verwerteten Erkenntnismitteln überwiegend nicht die christliche Minderheit betreffen, bei weitem nicht, um die Annahme zu rechtfertigen, jeder Angehörige dieser mindestens drei Millionen zählenden Minderheit müsse mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen, in einer noch überschaubaren Zeit Opfer derartiger Leib oder Leben betreffenden Akte zu werden. Daran ändern nichts die etwa vom Auswärtigen Amt im Lagebericht vom 08.04.2014 (S. 16) getroffene Feststellung, dass nach den Ereignissen des Jahres 2013 die Bedrohungslage der christlichen Minderheit in Pakistan eine neue Qualität habe, und die Tatsache, dass die Human Rights Commission of Pakistan davon spricht, dass das Jahr 2013 eines der schwärzesten für die christlichen Gemeinden in Pakistan gewesen sei (HRCP, S. 92). Auch UNHCR ist bislang der Auffassung gewesen, dass eine generelle, vom Einzelfall unabhängige Gefährdung nicht besteht (UNHCR, S. 8). Selbst die Organisation „Open Doors“ (Länderprofile Pakistan), die insgesamt ein durchaus düsteres Bild vermittelt, das aber in den anderen Erkenntnismitteln keine unmittelbare Entsprechung findet, geht davon aus, dass die christlichen Gemeinden sich nach wie vor ungehindert auch mit Öffentlichkeitsbezug versammeln und arbeiten können, auch wenn mitunter die Kirchen von bezahlten Wachleuten geschützt werden. Der Senat kann daher offen lassen, ob der pakistanische Staat den durch Art. 7 Abs. 2 QRL geforderten effektiven Schutz gewährleistet, was aber nach den verwerteten Erkenntnismitteln eher zu verneinen sein dürfte.
46 
Dass es nach wie vor ein reges, wenn auch nicht ungefährliches religiöses Leben der christlichen Minderheit auch mit unmittelbarem Öffentlichkeitsbezug in Pakistan gibt, wird beispielhaft illustriert durch die – auch neueren – Berichte, die auf der Website http://www.kirche-in-not.de/tag/pakistan erschienen sind und weiter erscheinen. Dass tatsächlich der christliche Glaube in nennenswertem Umfang in Pakistan gelebt und aktiv praktiziert wird, lässt sich auch unschwer daraus ablesen, dass die Kirchen in erheblichem Umfang Schulen und andere Bildungseinrichtungen betreiben (vgl. missio, Länderberichte Religionsfreiheit: Pakistan, 2012, S. 18 – im Folgenden missio; Deutschlandradio Kultur vom 13.01. und 11.02.2014; vgl. auch den zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Ausdruck des Internetauftritts der FGA-Church Pakistan). Auch ist darauf hinzuweisen, dass die Erzdiözesen Karachi und Lahore seit langer Zeit größere Krankhäuser betreiben und auch seit 2009 eigene Fernsehsender unterhalten (Wikipedia, Roman Catholic Archdiocese of Lahore Stand 28.03.2014; Wikipedia, Roman Catholic Archdiocese of Karachi Stand 28.03.2014).
47 
Die gesellschaftliche und soziale Lage der christlichen Minderheit wird übereinstimmend als durchaus prekär und durch vielfältige Diskriminierungen geprägt beschrieben. Gleichwohl ist das Bild zwiespältig. Die festzustellende Marginalisierung und Diskriminierung beruht dabei keineswegs allein oder ganz überwiegend auf dem christlichen Glauben, sondern hat auch eine wesentliche Wurzel in dem noch nachwirkenden und überkommenen Kastenwesen, weil die Christen zum größten Teil Nachkommen von Hindus sind, die der Kaste der Unberührbaren angehörten (vgl. BAA, S. 52; COI, Ziffer 19.198 und 19.204). Dies hat zur Folge, dass die überwiegende Zahl der Christen der Unterschicht zuzurechnen ist und unter der Armutsgrenze lebt, was im Übrigen auch für andere Minderheiten gilt, und die Rate von Analphabetentum sehr groß ist (vgl. Lagebericht, S. 13 f.; BAA, S. 50 ff.; Immigration und Refugee Board of Canada, Pakistan: Religious conversions, including treatment of converts and forced conversions (2009 – 2012), Ziff. 1 – im Folgenden Canada). Diese Stellung wiederum macht eine wesentliche Ursache dafür aus, dass junge christliche Frauen und Mädchen in besonderem Maße das Opfer von unfreiwilligen Bekehrungen und Verheiratungen nach Entführungen werden (vgl. COI, Ziffer 19.188 und 19.198; UNHCR, S. 7; HRCP, S. 95 f.), wobei auch hier ein wirklich effektiver Schutz durch die pakistanischen Sicherheitsorgane nicht gewährt wird, auch wenn in der Nationalversammlung und auf der staatlichen Führungsebene das Problem gesehen und über Abhilfe diskutiert wird (vgl. Canada Ziff. 1). Allerdings berichtet die Pakistanische Menschenrechtsorganisation für das Jahr 2013 durchaus von erheblich weniger erfolgreichen oder versuchten zwangsweisen Konversionen bzw. Verheiratungen (vgl. HRCP, S. 91). Bei alledem darf letztlich aber zudem nicht die Tatsache ausgeblendet werden, dass Entführungen, Zwangsverheiratungen und Vergewaltigungen von (jungen) Frauen in Pakistan ein durchaus gesamtgesellschaftliches Phänomen und Problem darstellen, das weit über die christliche Minderheit hinausreicht (vgl. COI, Ziff. 23.156 ff.; Lagebericht, S. 19 und 21). Die Christen arbeiten überwiegend in der Landwirtschaft, der Steinbearbeitungs-, Glas-, Teppich- und Fischereiindustrie, für die auch Elemente von Zwangsarbeit festgestellt wurden, gegen die die staatlichen Stellen trotz entsprechender Verbotsgesetze nicht effektiv vorgehen (vgl. UNHCR, S. 8). Die Diskriminierung der christlichen Minderheit findet aber auch hier nicht in erster Linie im staatlichen Sektor statt, in dem allenfalls in Bezug auf höhere Positionen eine signifikante Unterrepräsentierung festzustellen ist (vgl. BAA, S. 51; vgl. zum Bildungswesen und diskriminierenden Bildungsinhalten bzw. zum obligatorischen islamischen Religionsunterricht USCIRF III, Stichwort „Governments Practice“). Die staatliche Seite versucht durchaus, gesellschaftlichen Diskriminierungen entgegen zu arbeiten (vgl. BAA, S. 41 und 52). An einer konsequenten, geschweige denn erfolgreichen auf den nicht-staatlichen Bereich bezogenen Antidiskriminierungspolitik mangelt es zwar. Ein solches Unterlassen stellt jedoch keine Verfolgungshandlung im Sinne von Art. 9 Abs. 2 (hier v.a. lit. b, c und d) QRL dar, wenn man überhaupt in einem Unterlassen eine relevante Verfolgungshandlung sehen will (vgl. zum Problem grundsätzlich Marx, Handbuch zu Flüchtlingsschutz, 2. Aufl., § 11 Rn. 2 ff.), weshalb schon deshalb auch aus einer Gesamtschau aller negativen Faktoren (einschließlich der festgestellten Übergriffe auf Leib und Leben sowie vereinzelter menschenrechtlich fragwürdiger Verfahren wegen eines behaupteten Verstoßes gegen einzelne Bestimmungen der Blasphemiegesetzgebung) keine schwerwiegende Menschenrechtsverletzung im Sinne des Art. 9 Abs. 1 lit. b) QRL abgeleitet werden kann. Denn nur in einer finalen und systematischen Vorenthaltung des staatlichen Schutzes zur Vermeidung erheblicher Menschenrechtsverletzungen kann überhaupt ein zurechenbares und daher flüchtlingsrechtlich relevantes Verhalten erblickt werden (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 19.01.2009 - 10 C 52.07 - NVwZ 2009, 984), was jedoch aus den verwerteten Erkenntnismitteln nicht hinreichend deutlich zutage tritt. Geht man hingegen davon aus, dass in einem Unterlassen generell keine Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 QRL liegen kann und verortet man die Problemstellung (nur) bei der Frage, welche Anforderungen an das nach Art. 7 Abs. 2 QRL geforderte nationale Schutzsystem zu stellen sind, so führt dies zu keiner anderen Sicht der Dinge. Zwar finden sich in einer Vielzahl von Menschrechtspakten ausdrückliche Diskriminierungsverbote (vgl. etwa Art. 2 AEM; Art. 14 EMRK; Art. 26 IPbpR), die mittlerweile zu einem allgemeinen völkergewohnheitsrechtlichen Diskriminierungsverbot erstarkt sein dürften (vgl. Marx, a.a.O., § 16 Rn 45), das auch Art. 9 Abs. 2 QRL zugrunde liegt, das aber grundsätzlich in erster Linie an staatliche Akteure gerichtet ist. Es existiert jedoch keine allgemeine, auch flüchtlingsrechtlich relevante Verpflichtung, Diskriminierungen durch nicht-staatliche Akteure umfassend zu unterbinden und mit allen Mitteln effektiv zu bekämpfen. Ein auch solche Handlungen, die unterhalb der Schwelle von Eingriffen in Leib, Leben oder persönlicher Freiheit liegen, unterbindendes Schutzsystem wird durch Art. 7 Abs. 2 QRL nicht gefordert. Soweit etwa Art. 7 IPwskR das Recht der Arbeitnehmer auf gleiches Entgelt für gleichwertige oder auf gleiche Möglichkeiten auf beruflichen Aufstieg anerkennt und damit auch nicht-staatliche Akteure im Blick hat, handelt es sich nicht um ein Instrumentarium, das bedingungslos grundlegende menschenrechtliche Standards umschreibt, die flüchtlingsrechtlich eine Verpflichtung zu einer umfassenden Antidiskriminierungspolitik auslöst und daher Grundlage eines umfassenden flüchtlingsrechtlich relevanten menschenrechtlichen Schutzstandards sein könnte. Dies gilt namentlich dann, wenn - wie dargelegt - die allgemeine sozio-ökonomische Lage der christlichen Minderheit gar nicht monokausal auf ihre Religionszugehörigkeit zurückgeführt werden kann.
48 
Das vom Kläger angesprochene „land grabbing“ privater Akteure ist ein in Pakistan weit verbreitetes Phänomen und richtet sich nicht spezifisch gegen die christliche Minderheit, sondern betrifft auch andere Bewohner des Landes, die sich aufgrund ländlicher feudaler oder sonstiger ubiquitärer mafiöser Strukturen in einer unterlegenen Position befinden und bei denen nicht selten effektiver staatlicher Schutz ausfällt (vgl. COI, Ziff. 35.01; HRCP, S. 253).
49 
Ungeachtet dessen vermag der Senat den zahlreichen verwerteten Erkenntnismitteln auch keinen tragfähigen Ansatz für eine Feststellung zu entnehmen, dass die Lage der christlichen Minderheit generell betrachtet durch eine schwere Menschenrechtsverletzung im Sinne des Art. 9 Abs. 1 lit. b QRL gekennzeichnet wäre.
50 
Etwas anderes gilt auch nicht allgemein und generell betrachtet für den Personenkreis der vom Islam zum Christentum Konvertierten.
51 
Zunächst ist davon auszugehen, dass die pakistanische Rechtsordnung den Vorgang der Konversion nicht untersagt oder gar strafrechtlich bewertet (vgl. Lagebericht, S. 14). Versuche, die Rechtslage zu Lasten der Konvertiten zu verändern, sind sogar gescheitert und aufgegeben worden (vgl. COI, Ziff. 19.66). Allerdings kann hier die bereits erwähnte Blasphemie-Gesetzgebung zum Einfallstor für Verfolgungen und Diskriminierungen werden, wenn es um die Beurteilung von Äußerungen und Verhaltensweisen im Kontext einer Konversion geht (vgl. missio, S. 13 und 17; Deutschlandradio Kultur vom 11.02.2014, S. 3). Dass aber in signifikantem Umfang der hier zu beurteilende Personenkreis betroffen sein könnte, lässt sich den vielfältigen Erkenntnismitteln nicht entnehmen, obwohl in ihnen eine unübersehbare Fülle von Einzelinformationen verarbeitet wurden. Auch missio benennt in diesem Kontext keine konkreten Einzelfälle, sondern weist nur auf die Möglichkeit hin. Für die staatliche Ebene wird allerdings berichtet, dass ein Neueintrag der christlichen Religion in den Personalausweisen bzw. Pässen nicht möglich ist, jedenfalls faktisch nicht vorgenommen wird (Canada, Ziffer 3). Zwar wird auch berichtet, dass im Falle einer Konversion beider Ehegatten die Kinder der Konvertierten als „illegitim“ eingestuft werden und der Staat die Kinder sogar in Obhut nehmen kann. Dazu wird aber in den zahlreichen Erkenntnismitteln, die sehr ausführlich über Konversion berichten, insbesondere auch in den spezifisch christlichen bzw. kirchlichen Erkenntnismitteln kein einziger Fall benannt, geschweige denn nachvollziehbar dokumentiert.
52 
Die Probleme liegen wiederum in erster Linie in der gesellschaftlichen Sphäre. Denn nicht unerhebliche Teile der pakistanischen Gesellschaft stehen den religiösen Minderheiten ablehnend, wenn nicht gar feindselig gegenüber. Umso mehr wird dann eine Konversion weg vom Islam missbilligt, was zu hohen Befürwortungsraten für die Verhängung der Todesstrafe führt (vgl. COI, Ziff. 19.67). Wie bereits dargelegt, hat sich diese gesellschaftliche Stimmung aber nicht in entsprechenden erfolgreichen Gesetzesvorhaben niedergeschlagen. Teilweise stößt eine Konversion in der eigenen Familie des Konvertiten auf strikte Ablehnung, was dazu führen kann, dass der Betreffende aus der Familie verstoßen wird. Vereinzelt ist es hier auch zu körperlichen Übergriffen bis zu Tötungen gekommen (vgl. Canada, Ziff. 1 und 3). Den verwerteten Erkenntnismitteln nach kann es sich aber nicht um eine weiter verbreitete oder gar allgegenwärtige Erscheinung handeln.
53 
Die Folgen der gesellschaftlichen und innerfamiliären Ablehnung und Missbilligung gehen dahin, dass Konvertiten es teilweise, jedoch nicht generell, bewusst vermeiden, die Konversion an die Öffentlichkeit zu tragen, und daher ggf. auch den Wohnort wechseln, um nicht in ihrem bisherigen Wohnumfeld aufzufallen, um dann andernorts gewissermaßen als „unbeschriebenes Blatt“ als Christ auftreten und diesen Glauben mit den oben beschriebenen Einschränkungen leben zu können (vgl. etwa Open Doors, Länderprofile Pakistan). Das bedingt aber andererseits, dass es verlässliche Zahlen über die Konversionen vom Islam weg nicht geben kann. Auch wenn angesichts der geschilderten Haltung der Mehrheitsgesellschaft davon auszugehen sein wird, dass die Zahl der erfolgten Lösungen vom Islam oder Konversionen weg vom Islam nicht sehr groß sein wird, so fehlt es doch gegenwärtig an ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass nach Maßgabe der für die Annahme einer Gruppenverfolgung zugrunde zu legenden Prognosemaßstäbe jeder pakistanische Staatsangehörige, der sich vom Islam löst, unterschiedslos ein reales Risiko läuft, von einer schweren Menschenrechtsverletzung im Sinne des Art. 9 Abs. 1 lit. a) oder lit. b) QRL betroffen zu sein. Der Senat sieht sich in dieser Einschätzung durch den Bericht von Deutschlandradio Kultur vom 11.02.2014 und die dort geschilderte Haltung und Einschätzung eines ehemaligen Muslim bestätigt, die deutlich machen, dass Konversion bzw. auch nur Abkehr vom Islam möglich ist, tatsächlich stattfindet und keineswegs mit einer gewissen Zwangsläufigkeit zu schweren Menschenrechtsverletzungen führt. Im konkreten Einzelfall mag aufgrund individueller Umstände eine andere Beurteilung erforderlich werden. Unabhängig hiervon sieht der Senat keine durchgreifenden Hindernisse für eine Person in der Lage des Klägers, im Falle von unmittelbaren Anfeindungen und Übergriffen im persönlichen Umfeld seinen Wohnort zu wechseln (vgl. Art. 8 QRL), wie dieses nach den verwerteten Erkenntnismitteln immer wieder geschieht, um ein Leben als Christ führen zu können (vgl. Lagebericht, S. 24; Open Doors, Länderprofile Pakistan; Home Office, Country Information and Guidance, Pakistan: Religious freedom, 2014, Ziff. 2.4.16 f.). Aufgrund besonderer Umstände mag auch hier im Einzelfall etwas anderes gelten. Diese sind jedoch in der Person des Klägers nicht erkennbar geworden. Zwar hat er behauptet, als Cricketspieler in Lahore bekannt zu sein. Dass dieses landesweit der Fall gewesen sein könnte, erschließt sich dem Senat nicht. Denn solches wurde vom Kläger schon nicht nachvollziehbar und substantiiert behauptet. Ungeachtet dessen ist seine Person an keiner Stelle im Internet im Kontext des Cricketsports in Pakistan zu finden, worauf der Kläger in der mündlichen Verhandlung hingewiesen wurde.
54 
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2 VwGO und 83b AsylVfG. Gründe dafür, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO).

(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die

1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder
2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.

(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:

1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,
2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,
3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen,
6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) Ein Ausländer, der nicht oder nicht mehr verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, und dessen Lebensunterhalt nicht gesichert ist (§ 2 Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes), wird verpflichtet, an dem in der Verteilentscheidung nach § 50 Absatz 4 genannten Ort seinen gewöhnlichen Aufenthalt zu nehmen (Wohnsitzauflage). Findet eine länderübergreifende Verteilung gemäß § 51 statt, dann ergeht die Wohnsitzauflage im Hinblick auf den sich danach ergebenden Aufenthaltsort. Der Ausländer kann den in der Wohnsitzauflage genannten Ort ohne Erlaubnis vorübergehend verlassen.

(2) Ein Ausländer, der nicht oder nicht mehr verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, und dessen Lebensunterhalt nicht gesichert ist (§ 2 Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes), kann verpflichtet werden,

1.
in einer bestimmten Gemeinde, in einer bestimmten Wohnung oder Unterkunft zu wohnen,
2.
in eine bestimmte Gemeinde, Wohnung oder Unterkunft umzuziehen oder
3.
in dem Bezirk einer anderen Ausländerbehörde desselben Landes seinen gewöhnlichen Aufenthalt und Wohnung oder Unterkunft zu nehmen.
Eine Anhörung des Ausländers ist erforderlich in den Fällen des Satzes 1 Nummer 2, wenn er sich länger als sechs Monate in der Gemeinde, Wohnung oder Unterkunft aufgehalten hat. Die Anhörung gilt als erfolgt, wenn der Ausländer oder sein anwaltlicher Vertreter Gelegenheit hatte, sich innerhalb von zwei Wochen zu der vorgesehenen Unterbringung zu äußern. Eine Anhörung unterbleibt, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht.

(3) Zuständig für Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 1 ist die nach § 50 zuständige Landesbehörde. Die Wohnsitzauflage soll mit der Zuweisungsentscheidung nach § 50 verbunden werden. Zuständig für Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 2 ist die nach § 51 Absatz 2 Satz 2 zuständige Landesbehörde. Die Wohnsitzauflage soll mit der Verteilungsentscheidung nach § 51 Absatz 2 Satz 2 verbunden werden. Zuständig für Maßnahmen nach Absatz 2 ist die Ausländerbehörde, in deren Bezirk die Gemeinde oder die zu beziehende Wohnung oder Unterkunft liegt.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Die Entscheidung des Bundesamtes über die Unzulässigkeit nach § 29 Absatz 1 Nummer 4 des Antrags und die Abschiebungsandrohung werden unwirksam, wenn das Verwaltungsgericht dem Antrag nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung entspricht. Das Bundesamt hat das Asylverfahren fortzuführen.

(2) Entspricht das Verwaltungsgericht im Falle eines als offensichtlich unbegründet abgelehnten Asylantrags dem Antrag nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung, endet die Ausreisefrist 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht, wenn auf Grund der Entscheidung des Verwaltungsgerichts die Abschiebung in einen der in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staaten vollziehbar wird.

(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn

1.
der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,
2.
dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird,
2a.
dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird,
3.
die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ausnahmsweise zulässig ist und
4.
der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.
Eine Anhörung des Ausländers vor Erlass der Abschiebungsandrohung ist nicht erforderlich. Im Übrigen bleibt die Ausländerbehörde für Entscheidungen nach § 59 Absatz 1 Satz 4 und Absatz 6 des Aufenthaltsgesetzes zuständig.

(2) Die Abschiebungsandrohung soll mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, sind die Entscheidungsformel der Abschiebungsandrohung und die Rechtsbehelfsbelehrung dem Ausländer in eine Sprache zu übersetzen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann.

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

(1) In Klageverfahren nach dem Asylgesetz beträgt der Gegenstandswert 5 000 Euro, in den Fällen des § 77 Absatz 4 Satz 1 des Asylgesetzes 10 000 Euro, in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes 2 500 Euro. Sind mehrere natürliche Personen an demselben Verfahren beteiligt, erhöht sich der Wert für jede weitere Person in Klageverfahren um 1 000 Euro und in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes um 500 Euro.

(2) Ist der nach Absatz 1 bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 28. Juni 2010 - A 4 K 4167/09 - geändert. Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt in erster Linie die Anerkennung als Asylberechtigter und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.
Der am … 1968 geborene Kläger ist ein Staatsangehöriger Sri Lankas tamilischer Volkszugehörigkeit. Ihm wurde am 20.08.2008 in Colombo ein Reiseausweis ausgestellt. Er reiste am 04.09.2008 über den Flughafen Düsseldorf in die Bundesrepublik Deutschland ein. Sogleich nach der Einreise wurde er von der Bundespolizei vernommen; hinsichtlich des Ergebnisses wird auf die darüber angefertigten Protokolle verwiesen.
Am 17.09.2008 stellte der Kläger beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) einen Asylantrag. Er wurde am 09.10.2008 zu seinem Begehren angehört. Hinsichtlich des Ergebnisses wird auf die Niederschrift über die Anhörung verwiesen.
Am 09.11.2009 hat der Kläger (Untätigkeits-)Klage beim Verwaltungsgericht Stuttgart erhoben. Dieses hat mit Urteil vom 28.06.2010, nachdem die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet hatten, die Beklagte verpflichtet, den Kläger als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Zur Begründung führte das Verwaltungsgericht im Wesentlichen aus: Ungeachtet, ob der Kläger bereits politische Verfolgung erlitten habe oder unmittelbar von ihr bedroht gewesen sei, habe er aufgrund der derzeitigen politischen Lage in Sri Lanka zum maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt bei einer Rückkehr in sein Heimatland mit hinreichender Wahrscheinlichkeit mit einer politischen Verfolgung zu rechnen. Auch nach (vorläufiger) Beendigung des Bürgerkriegs habe sich die Sicherheitslage noch nicht spürbar entspannt und der Ausnahmezustand bleibe bestehen. Es komme weiterhin zu einer Vielzahl von Menschenrechtsverletzungen durch die Sicherheitskräfte, aber auch durch Dritte. Aus der Gesamtsituation ergebe sich, dass der Kläger jedenfalls für den Fall einer Rückkehr mit hinreichender Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung befürchten müsse. Denn der aus dem Norden stammende Kläger, der sich im Süden oder in Colombo niederlassen müsste, nachdem die Freizügigkeit immer noch in erheblichem Umfang eingeschränkt sei, müsse für den Fall einer Rückkehr damit rechnen, dass er dem Anfangsverdacht, der LTTE zuzugehören, ausgesetzt sei. Hieraus ergebe sich das konkrete Risiko, von den Sicherheitskräften verhaftet zu werden. Das Ende dieser Haft, die keiner gerichtlichen Kontrolle mehr unterliege, sei nicht abzusehen und mit dem Risiko erheblicher Misshandlungen verbunden. Diese erheblichen Gefahren, die an die unterstellte Unterstützung der LTTE anknüpften, begründeten unabhängig von einer Vorverfolgung die Gefahr politischer Verfolgung, sie stellten eine politisch motivierte Verfolgung dar, die an die tamilische Volkszugehörigkeit und die damit verbundene Vermutung der LTTE-Unterstützung anknüpfe.
Auf Antrag der Beklagten vom 27.07.2010 hat der damals zuständige 12. Senat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg mit Beschluss vom 16.02.2012 - A 12 S 1863/10 - die Berufung gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil zugelassen. Mit einem am 05.03.2012 eingegangenen Schriftsatz vom 29.02.2012 hat die Beklagte die Berufung unter Stellung eines Antrags begründet. Sie macht im Wesentlichen geltend: Nach dem bisherigen klägerischen Vorbringen könne keine individuell erlittene Vorverfolgung oder eine Ausreise unter dem Druck bevorstehender Verfolgung festzustellen sein. Das Vorbringen des Klägers in den verschiedenen Verfahrensstadien sei erkennbar zu unterschiedlich geblieben, ohne dass sich dafür nachvollziehbare Gründe zeigten oder er dies anderweitig überzeugend hätte erklären können. Allein wegen der Zugehörigkeit zur tamilischen Volksgruppe drohe ihm keine beachtlich wahrscheinliche Verfolgung.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 28. Juni 2010 - A 4 K 4167/09 - zu ändern und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt:
die Berufung zurückzuweisen,
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hilfsweise die Beklagte zu verpflichten, ihm subsidiären Schutz zu gewähren,
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weiter hilfsweise festzustellen, dass nationale Abschiebungsverbote hinsichtlich Sri Lanka bestehen.
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Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil und führt ergänzend aus, er habe eine extralegale Entführung dargelegt, wobei allein diese Entführung und die Drohung mit einer Gefahr für Leib und Leben ein traumatisches Ereignis darstellten, das im Zusammenhang mit der Angst um die Familie dazu führe, dass bei einer Abschiebung oder Rückkehr ein so genanntes Wiederholungstrauma einsetze.
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Der Kläger ist in der Berufungsverhandlung zu den Gründen seines Asylbegehrens angehört worden; hinsichtlich seiner Angaben wird auf Anlage 1 der Niederschrift über die mündliche Verhandlung verwiesen.
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In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger folgenden Hilfsbeweisantrag gestellt (Anlage 2 der Niederschrift):
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Zum Beweis der Tatsachen,
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dass es aufgrund der 6-jährigen Dauer des Verfahrens beim VGH Baden-Württemberg bei einer Dauer von über 8 Jahren des Asylverfahrens insgesamt ein gravierender Vertrauensverstoß ist bzw. es gegen Treu und Glauben verstößt, jetzt nun nach dieser langen Zeit vom Urteil des Verwaltungsgericht Stuttgart abzuweichen, dass dies zum jetzigen Zeitpunkt eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung im Sinne des Art. 3 MRK wäre, ihm nach 8 Jahren Asylverfahren und 6 Jahren in der Rechtsstellung als Asylberechtigten diese nach dieser langen Dauer des Verfahrens wegzunehmen, und dass dies wegen der Dauer des Verfahrens und bei einer Aufhebung des verwaltungsgerichtlichen Urteils zu einer gravierenden psychischen Reaktion führen würde, auch im Sinne einer psychischen Erkrankung,
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wird beantragt,
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1. ein Gutachten eines sachverständigen Universitätsprofessors für Europäisches Recht einzuholen und
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2. ein Gutachten von Herrn Dr. ..., Facharzt für psychosomatische Medizin, Psychotherapie und Psychoanalytik, ... …, ...,
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einzuholen.
21 
Dem Senat liegen die Akten des Bundesamts und die Akten des Verwaltungsgerichts Stuttgart vor. Hierauf sowie auf die im Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof gewechselten Schriftsätze wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
22 
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war. Denn auf diese Möglichkeit war in der Ladung zum Termin hingewiesen worden (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).
23 
Die nach Zulassung durch den 12. Senat des erkennenden Gerichtshofs statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg. Denn die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (I.) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (II.), keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter (III.), keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes (IV.) und keinen Anspruch auf die Feststellung des Bestehens eines nationalen Abschiebungsverbots (V.). Dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsbeweisantrag ist nicht zu entsprechen (VI.).
I.
24 
Für die Beurteilung des Begehrens des Klägers ist auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat abzustellen (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG). Maßgeblich in rechtlicher Hinsicht ist deshalb das zuletzt durch Art. 6 des Integrationsgesetzes vom 31.07.2016 (BGBl I S. 1939) geänderte Asylgesetz.
25 
Die erstinstanzlich gestellten Klageanträge sind im Hinblick auf die aktuelle Rechtslage, insbesondere auf die seit 01.12.2013 geltenden §§ 3 ff. AsylG (vgl. Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28.08.2013, BGBl I S. 3474), wie folgt zu verstehen und entsprechend in der mündlichen Verhandlung gestellt worden:
26 
Der auf die Verpflichtung zur Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a GG und zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerichtete Hauptantrag ist weder durch die genannte noch durch sonstige Gesetzesnovellen berührt worden.
27 
Der auf die Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG in der zum Zeitpunkt des Ergehens des verwaltungsgerichtlichen Urteils geltenden Fassung gerichtete erste Hilfsantrag ist nunmehr als Antrag auf die Verpflichtung zur Gewährung subsidiären Schutzes auszulegen. Denn in § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG sind die bisher in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG enthaltenen Abschiebungsverbote zusammengefasst worden (vgl. BT-Drs. 17/13063, S. 25).
28 
Der auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG „höchsthilfsweise“ gestellte Hilfsantrag kann ohne Änderung weiterverfolgt werden; die Vorschriften sind nicht geändert worden.
II.
29 
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 4 AsylG.
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1. Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG oder das Bundesamt hat nach § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG von der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG abgesehen. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl 1953 II S. 559), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugungen oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
31 
Nach § 3a Abs. 1 AsylG (vgl. auch Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl EU L 337/9; so genannte Qualifikationsrichtlinie - QRL -) gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die 1. auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist, oder 2. in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Nach § 3a Abs. 2 AsylG (vgl. Art. 9 Abs. 2 QRL) können als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG u. a. gelten: 1. die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, 2. gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, 3. unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, 4. Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, 5. Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen, 6. Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind. Nach § 3a Abs. 3 AsylG (vgl. Art. 9 Abs. 3 QRL) muss zwischen den Verfolgungsgründen und den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1128/14 - juris Rn. 24 a.E.).
32 
Die Verfolgung kann nach § 3c AsylG (vgl. Art. 6 QRL) ausgehen von 1. dem Staat, 2. Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder 3. nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, im Sinne des § 3d AsylG (vgl. Art. 7 QRL) Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
33 
Der Charakter einer Verfolgungshandlung erfordert, dass das Verhalten des betreffenden Akteurs im Sinne einer objektiven Gerichtetheit auf die Verletzung eines nach § 3a AsylG (Art. 9 QRL) geschützten Rechtsguts selbst zielt (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1128/14 - juris Rn. 26 m.w.N.).
34 
Der für die Beurteilung zugrunde zu legende Prognosemaßstab ist der der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1128/14 - juris Rn. 27 ff.). Die relevanten Rechtsgutsverletzungen müssen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser aus dem Tatbestandsmerkmal „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung“ des Art. 2 Buchstabe d QRL abzuleitende Maßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr abstellt („real risk“); dieser Maßstab ist kein anderer als der der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67 Rn. 32 = NVwZ 2013, 936 Rn. 32). Er setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des gesamten zur Prüfung gestellten und relevanten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände die dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine qualifizierende bzw. bewertende Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines vernünftig denkenden und nicht übertrieben furchtsamen Menschen gerade in der Lage des konkreten Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar einzuschätzen ist. Unzumutbar kann eine Rückkehr in den Heimatstaat auch dann sein, wenn ein mathematischer Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50 Prozent für eine politische Verfolgung gegeben ist. In einem solchen Fall reicht zwar die bloße theoretische Möglichkeit einer Verfolgung nicht aus. Ein vernünftig denkender Mensch wird sie außer Betracht lassen. Ergeben jedoch die Gesamtumstände des Falls die „reale Möglichkeit“ einer flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Ein verständiger Betrachter wird bei der Abwägung aller Umstände daneben auch die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in seine Betrachtung einbeziehen. Wenn nämlich bei quantitativer Betrachtungsweise nur eine eher geringere mathematische Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung besteht, kann es auch aus der Sicht eines besonnenen Menschen bei der Überlegung, ob er in seinen Heimatstaat zurückkehren kann, einen ganz erheblichen Unterschied bedeuten, ob er z. B. lediglich eine Gefängnisstrafe von einem Monat oder aber Folter oder gar die Todesstrafe riskiert. Auch gilt: Je unabwendbarer eine drohende Verfolgung erscheint, desto unmittelbarer steht sie bevor. Je schwerer der befürchtete Verfolgungseingriff ist, desto weniger kann es dem Gefährdeten zugemutet werden, mit der Flucht zuzuwarten, bis der Verfolger unmittelbar vor der Tür steht. Das gilt auch dann, wenn der Eintritt der befürchteten Verfolgung von reiner Willkür abhängt, das befürchtete Ereignis somit im Grunde jederzeit eintreten kann, ohne dass allerdings im Einzelfall immer gesagt werden könnte, dass dessen Eintritt zeitlich in nächster Nähe bevorsteht. Die allgemeinen Begleitumstände, z. B. eine Willkürpraxis, die Repressionsmethoden gegen bestimmte oppositionelle oder verwundbare Gruppen, sind allgemeine Prognosetatsachen.
35 
Für die Beurteilung sind alle Akte zu berücksichtigen und einzustellen, denen der Ausländer ausgesetzt war oder die ihm gedroht hatten, um festzustellen, ob unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände diese Handlungen als Verfolgung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 QRL gelten können.
36 
Zur Erstellung der erforderlichen Prognose sind objektiviert die Prognosetatsachen nach den allgemeinen Maßstäben des verwaltungsverfahrensrechtlichen und verwaltungsgerichtlichen Regelbeweismaßes der Überzeugungsgewissheit zu ermitteln und festzustellen. Diese Tatsachen liegen regelmäßig teils in der Vergangenheit, teils in der Gegenwart. Sie müssen sodann in einer Gesamtschau verknüpft und gewissermaßen in die Zukunft projiziert werden. Auch wenn insoweit - wie sich bereits aus dem Gefahrbegriff ergibt - eine beachtliche Wahrscheinlichkeit ausreicht und deshalb ein „voller Beweis“ nicht erbracht werden kann, ändert dies nichts daran, dass das Gericht von der Richtigkeit seiner verfahrensfehlerfrei gewonnenen Prognose drohender Verfolgung die volle Überzeugung gewonnen haben muss.
37 
Die Gefahr eigener Verfolgung für einen Ausländer, der die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begehrt, kann sich nicht nur aus gegen ihn selbst gerichteten Maßnahmen ergeben, sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (zur so genannten Gruppenverfolgung vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1128/14 - juris Rn. 30 ff.). Dabei ist je nach den tatsächlichen Gegebenheiten auch zu berücksichtigen, ob die Verfolgung allein an ein bestimmtes unverfügbares Merkmal wie die Religionszugehörigkeit anknüpft oder ob für die Bildung der verfolgten Gruppe und die Annahme einer individuellen Betroffenheit weitere Umstände oder Indizien hinzutreten müssen. Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt - abgesehen von den Fällen eines (staatlichen) Verfolgungsprogramms - ferner eine bestimmte „Verfolgungsdichte“ voraus, welche die „Regelvermutung“ eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen. Ob eine in dieser Weise spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin „wegen“ eines der in § 3b AsylG genannten Merkmale erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten.
38 
Für die Gruppenverfolgung (wie auch für jede Individualverfolgung) gilt weiter, dass sie mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, d. h. wenn keine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die auch vom Zufluchtsland aus erreichbar sein muss (vgl. § 3e AsylG, Art. 8 QRL).
39 
Diese ursprünglich zum Asylgrundrecht für die unmittelbare und die mittelbare staatliche Gruppenverfolgung entwickelten Grundsätze können prinzipiell auf die Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure übertragen werden, wie sie durch § 3c Nr. 3 AsylG (vgl. Art. 6 Buchstabe c QRL) ausdrücklich als flüchtlingsrechtlich relevant geregelt ist.
40 
Ob Verfolgungshandlungen das Kriterium der Verfolgungsdichte erfüllen, ist von den Tatsachengerichten aufgrund einer wertenden Betrachtung im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung zu entscheiden. Dabei muss zunächst die Gesamtzahl der Angehörigen der von Verfolgungshandlungen betroffenen Gruppe ermittelt werden. Weiter müssen Anzahl und Intensität aller Verfolgungsmaßnahmen, gegen die Schutz weder von staatlichen Stellen noch von staatsähnlichen Herrschaftsorganisationen im Sinne des § 3c Nr. 1 und 2 AsylG einschließlich internationaler Organisationen zu erlangen ist, festgestellt und hinsichtlich der Anknüpfung an ein oder mehrere unverfügbare Merkmale im Sinne von § 3b AsylG nach ihrer objektiven Gerichtetheit zugeordnet werden. Alle danach gleichgleichgearteten, auf eine nach denselben Merkmalen zusammengesetzte Gruppe bezogenen Verfolgungsmaßnahmen müssen schließlich zur ermittelten Größe dieser Gruppe in Beziehung gesetzt werden, weil eine bestimmte Anzahl von Eingriffen, die sich für eine kleine Gruppe von Verfolgten bereits als bedrohlich erweist, gegenüber einer großen Gruppe vergleichsweise geringfügig erscheinen kann. Diese Maßstäbe haben auch bei der Anwendung der Richtlinie 2011/95/EU Gültigkeit.
41 
Der der Prognose zugrunde zu legende Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist unabhängig davon, ob bereits Vorverfolgung oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG (vgl. Art. 15 QRL) vorliegt (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1128/14 - juris Rn. 34 m.w.N.). Die Tatsache, dass ein Ausländer bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden ernsthaft bedroht war, ist allerdings ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Ausländers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden (vgl. Art. 4 Abs. 4 QRL); es besteht die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Den in der Vergangenheit liegenden Umständen wird Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft beigelegt. Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadenstiftenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland wiederholen werden. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden; hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Die nach Art. 4 Abs. 4 QRL maßgebenden stichhaltigen Gründe, die gegen eine erneute Verfolgung sprechen, können bei richtigem Verständnis der Norm letztlich keine anderen Gründe sein als die, die im Rahmen der „Wegfall der Umstände-Klausel“ des Art. 11 Abs. 1 Buchstabe e und f QRL maßgebend sind. Dafür spricht, dass der EuGH diese Grundsätze in einen Kontext mit der „Wegfall der Umstände-Klausel“ gestellt hat. Nur wenn die Faktoren, welche die Furcht des Flüchtlings begründeten, dauerhaft beseitigt sind, die Veränderung der Umstände also erheblich und nicht nur vorübergehend ist, wird die Beweiskraft der Vorverfolgung entkräftet. Würden mit Blick auf ein bestimmtes Herkunftsland statusrechtliche Entscheidungen wegen veränderter Umstände aufgehoben, ist es gerechtfertigt, dem Vorverfolgten im Asylverfahren die Umstände, welche die geänderte Einschätzung der Verfolgungssituation als stichhaltige Gründe leiten, entgegenzuhalten. In diesem Fall bleibt ihm dann die Möglichkeit, unter Hinweis auf besondere, seine Person betreffende Umstände nach Maßgabe des allgemeinen Wahrscheinlichkeitsmaßstabs erneut eine ihn treffende Verfolgung geltend zu machen.
42 
2. Dem Kläger ist die Flüchtlingseigenschaft nicht aus individuellen Verfolgungsgründen zuzuerkennen. Der Senat konnte aufgrund des bisherigen Ablaufs des Asylverfahrens und insbesondere aufgrund der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung und des in ihr von seiner Person gewonnenen Eindrucks nicht die erforderliche Überzeugung davon gewinnen, dass die nach seinem Vorbringen fluchtauslösende Entführung und Erpressung durch die EPDP oder die Karuna-Gruppe der Wahrheit entspricht. Vielmehr spricht nach Auffassung des Senats vieles dafür, dass der Kläger den wahren Grund für seine Ausreise nach wie vor für sich behält.
43 
An der Glaubwürdigkeit des Klägers bestehen zunächst aus dem Grund ganz erhebliche Zweifel, dass er im zeitlichen Zusammenhang mit seiner Einreise im September 2008 nicht miteinander in Einklang zu bringende Angaben zu den Gründen seiner Flucht gemacht hat. So gab er bei der Bundespolizei im Wesentlichen an, er habe schon seit zwei Jahren versucht, Sri Lanka zu verlassen, sei seit über zehn Jahren Mitglied der LTTE, habe lange Zeit das sri-lankische Militär mit Bargeld bestochen und müsse damit rechnen, vom Militär grundlos verhaftet zu werden. Von einer Entführung und Erpressung durch Mitglieder tamilischer regierungsnaher Organisationen war nicht im Ansatz die Rede. Es besteht für den Senat keine Veranlassung, daran zu zweifeln, dass der Kläger die in den Wortprotokollen über die Vernehmungen niedergelegten Angaben gemacht hat. Nicht zuletzt wurden die Vernehmungen, bei denen ein Dolmetscher für die tamilische Sprache eingebunden war, ausweislich von beigefügten Vermerken dem Kläger vorgelesen und von ihm genehmigt. Plausible Gründe dafür, dass die Vernehmungen unrichtig wiedergegeben worden sein könnten, hat der Kläger im Übrigen auch in der mündlichen Verhandlung nicht gemacht; er hat sich - darauf angesprochen - mehrmals darauf beschränkt zu bestreiten, die in den Protokollen festgehaltenen Angaben gemacht zu haben. Eine ganz andere Verfolgungsgeschichte hat der Kläger dann in seiner Anhörung beim Bundesamt erzählt: Grund für seine Ausreise sei gewesen, dass Leute ihn mitgenommen und von ihm Geld verlangt hätten; dann hätten sie ihn wieder gehen lassen. Auf Nachfragen des Anhörenden berichtete er unter anderem, die Entführung habe am 14.04.2008 stattgefunden, er sei sechs Tage in einem Haus festgehalten und ihm sei dann eine dreimonatige Zahlungsfrist gewährt worden.
44 
Die angebliche Entführung und Erpressung hat der Kläger dann auch in der mündlichen Verhandlung als Ereignis genannt, das bei ihm erst den Entschluss zur Flucht ins Ausland hat reifen lassen. Allerdings konnte er dem Senat nicht den Eindruck vermitteln, von etwas tatsächlich Erlebtem zu berichten; es spricht vielmehr viel dafür, dass der Kläger ein Schicksal, das andere Personen erlitten haben, auf sich projiziert hat. Auf die eingangs seiner Anhörung gestellte Frage nach dem Grund seiner Ausreise nannte der Kläger in einigen wenigen Sätzen lediglich Eckpunkte der angeblichen Entführung und Erpressung. Wesentlich ausführlicher, detailreicher und nach Einschätzung des Senats durchaus glaubhaft wurden dann erst die Schilderungen seines Reisewegs, auf die sich die Fragestellung indes überhaupt nicht erstreckte. Die gezielten Nachfragen brachten dann auch keine Ausführungen, die den Schluss zulassen könnten, dass sich das Geschehen tatsächlich so wie vom Kläger behauptet ereignet hat. In diesem Zusammenhang merkt der Senat an, dass ihm selbstverständlich bewusst ist, dass die Erinnerung an Ereignisse mit zunehmendem Zeitablauf nachlässt; allerdings wäre die vom Kläger behauptete Entführung und Erpressung ein so einschneidendes Ereignis gewesen, dass auch nach über acht Jahren zu erwarten gewesen wäre, dass der Kläger zumindest einige für die Richtigkeit seiner Angaben sprechende Details hätte schildern können. Das hat er indes nicht getan. Auf die gezielten Fragen antwortete er meist wortkarg. Einzelheiten zu dem Raum etwa, in dem er immerhin sechs Tage festgehalten worden sein will, konnte er mit Ausnahme solcher, die letztlich nur ein geringes Maß an Einfallsreichtum erfordern (angebliche Größe, weiße Wandfarbe, Licht an der Decke) nicht liefern. Angaben dazu, ob der Raum Fenster hatte, wie er möbliert war und dabei insbesondere, ob er eine als solche zu bezeichnende Schlafgelegenheit hatte, wie sie eigentlich zu erwarten gewesen wären, machte der Kläger nicht. Auf die Forderungen der Entführer angesprochen verwies der Kläger stets nur auf deren Verlangen von Geld. Mit welchen Nachteilen die Entführer für den Fall der Nichtzahlung gedroht haben, war dem Kläger keiner nähren Erwähnung wert. Blass blieben auch die Ausführungen zu der angeblichen Folter. Nachdem er zunächst lediglich die Behauptung von Folter in den Raum gestellt hatte, verwies er auf Nachfrage nur darauf, dass er geschlagen worden sei. Auf weitere Nachfrage gab er sodann an, er sei mit Stiefeln getreten und mit einem Holzknüppel geschlagen worden. Wie viele Personen ihn angeblich geschlagen und getreten haben, welche Körperstellen betroffen waren und ob und welche Verletzungen er infolge der Misshandlungen erlitten hat, blieb unerwähnt. Hinzu kommt, dass es sich insoweit um gesteigertes Vorbringen handelt, da der Kläger die Thematik „Folter“ erstmals vor dem Senat erwähnt hat. Auf entsprechenden Vorhalt hat er lediglich erklärt, er sei wohl bei seiner Anhörung nicht ausdrücklich danach gefragt worden. Sollte er allerdings tatsächlich gefoltert worden sein, erscheint es fernliegend, dass er auf diesen Umstand nicht von sich aus hingewiesen hätte.
45 
Gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben zu seinem Verfolgungsschicksal sprechen auch seine Angaben zu dem weiteren Geschehen nach seiner angeblichen Freilassung. Davon, dass die Erpresser bereits im Juni 2008 bei ihm zu Hause vorbeigekommen seien, wie er es in seiner Anhörung beim Bundesamt erzählt hat, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht berichtet. Vielmehr verwies er darauf, dass die Erpresser seine bisherige Unterkunft am 20.07.2008, dem Tag des angeblichen Fristablaufs, aufgesucht hätten. Diese Angabe passt allerdings in keiner Weise zu den Ausführungen seiner Ehefrau in dem dem Bundesamt vorgelegten Brief vom 15.10.2008, wonach die Entführungsbande jetzt häufiger zu ihr nach Hause komme. Erst nach zahlreichen, eindringlichen Nachfragen, nicht zuletzt seines Prozessbevollmächtigten, gab der Kläger an, dass es auch nachfolgend - zuletzt im Jahr 2009 oder im Jahr 2010 - Probleme gegeben habe. In diesem Zusammenhang hat der Kläger auch einerseits angegeben, seine Ehefrau lasse sich durch ihren Bruder bei Besuchen der Erpresser verleugnen. Andererseits gab der Kläger an, es gebe Probleme, wenn die Erpresser seine Ehefrau sehen.
46 
Offenbleiben kann nach Vorstehendem, ob die Entführung und Erpressung überhaupt von flüchtlingsschutzrelevanter Bedeutung gewesen wären. In Betracht käme hier lediglich eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure (vgl. § 3c Nr. 3 AsylG). Der Kläger hat auf die Frage, weshalb er als Opfer der Entführung und Erpressung ausgewählt worden sei, geantwortet, dies sei geschehen, weil er wohlhabend gewesen sei. Diese Aussage ist zunächst erstaunlich, will der Kläger die - nach seiner Angabe in der mündlichen Verhandlung, die nicht mit der Angabe in der Anhörung beim Bundesamt übereinstimmt (damals: drei Millionen Rupien) - für die Organisation der Ausreise gezahlten zwei Millionen Rupien insbesondere durch den Verkauf von Goldschmuck seiner Frau und die Aufnahme eines Darlehens aufgebracht haben. Der Aussage lässt sich aber vor allem entnehmen, dass sich der Kläger zumindest im Wesentlichen als Opfer krimineller Machenschaften sah; eine Verbindung mit seiner tamilischen Volkszugehörigkeit oder gar seiner behaupteten Unterstützungstätigkeiten für die LTTE war für den Senat nicht erkennbar.
47 
Eine staatliche Verfolgung hat der Kläger schon nicht als Grund für seine Ausreise behauptet. Nicht zuletzt da dem Kläger offensichtlich ohne Probleme ein Reiseausweis ausgestellt wurde und er legal und ungehindert das Land verlassen konnte, bestehen hierfür auch keine hinreichenden Anhaltspunkte. Die vom Kläger erst auf Nachfragen angeführten Unterstützungstätigkeiten für die LTTE (Helfen beim Aufbauen und Dekorieren einer Bühne) waren, die Richtigkeit der Angaben unterstellt, allenfalls von untergeordneter Bedeutung. Dass er konkret durch sie ins Visier der Sicherheitskräfte geraten sein könnte, hat er bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung gerade nicht vorgetragen. Es blieb insoweit bei der allgemein gehaltenen Behauptung, Armeeangehörige hätten die Veranstaltungen an den Großheldentagen überwacht.
48 
3. Auch eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wegen Gruppenverfolgung kommt nicht in Betracht.
49 
Tamilen waren zum Zeitpunkt der Ausreise des Klägers im August 2008 keiner Gruppenverfolgung ausgesetzt (dazu a). Sie sind es auch heute nicht (dazu b).
50 
a) Die Lage in Sri Lanka stellt sich im Hinblick auf den Asylantrag des Klägers und bezogen auf den Zeitpunkt seiner Ausreise im Wesentlichen wie im Urteil des erkennenden Gerichtshofs vom 09.11.2010 (A 4 S 703/10, juris) bezogen auf das Jahr 2007 dar. Dort heißt es (a.a.O. Rn. 46 ff.):
51 
Die Lage in Sri Lanka stellte sich 2007 nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnissen wie folgt dar:
52 
In Sri Lanka lebten 2007 geschätzt 20,01 Millionen Menschen. Der Anteil der tamilischen Bevölkerung lag ungefähr bei 10 % (Fischer-Weltalmanach 2010, S. 474). Nach den Angaben des Ministeriums für Volkszählung und Statistik lebten 2006 im Großraum Colombo 2.251.274 Einwohner, davon waren 247.739 tamilische Volkszugehörige sri-lankischer Staatsangehörigkeit und 24.821 indische Tamilen (vgl. UK Home Office, Country of Origin Report Sri Lanka vom 15.11.2007, S. 122, Nr. 20.13).
53 
Die innenpolitische Lage Sri Lankas war von dem jahrzehntelangen ethnischen Konflikt zwischen Singhalesen und Tamilen bestimmt. Das Waffenstillstandsabkommen zwischen der Regierung [und] der tamilischen Rebellenorganisation Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) aus dem Februar 2002 war von Präsident Rajapakse im Januar 2008 offiziell aufgekündigt worden, nachdem es von beiden Seiten seit langem nicht mehr eingehalten worden war. Bereits ab November 2005 war es zu einer drastischen Zunahme von Waffenstillstandsverletzungen durch die LTTE und die im Jahr zuvor von ihr abgespaltene, mit der Regierung kollaborierende Karuna-Gruppe unter „Oberst Karuna“ (Muralitharan Vinayagamurthi), einem ehemaligen Vertrauten des LTTE-Führers Prabahakaran, gekommen. Seit April 2006 hatte die Regierung versucht, die LTTE, die zu diesem Zeitpunkt noch den Norden und Osten des Landes kontrollierte, mit offensiven Maßnahmen zurückzudrängen. Ab Mitte 2006 war es dann zu großflächigen, längeren Kampfhandlungen gekommen. Unterstützt von den paramilitärischen Einheiten der Karuna-Gruppe, die sich als Vertretung der Ost-Tamilen verstand, konnten die Streitkräfte im Juli 2007 nach den vorhergehenden Rückzug der LTTE-Soldaten die letzten von der LTTE gehaltenen Stellungen im Osten Sri Lankas einnehmen (Lagebericht des AA vom 07.04.2009, Stand März 2009, S. 5).
54 
Eine systematische und direkte Verfolgung bestimmter Personen oder Personengruppen wegen Rasse, Nationalität oder politischer Überzeugung von Seiten der Regierung fand seit dem Waffenstillstandsabkommen von 2002 nicht statt (Lageberichte des AA vom 26.06.2007, Stand Juni 2007, S. 6 und vom 05.02.2008, Stand Februar 2008, S. 7). Allerdings standen Tamilen im Generalverdacht, die LTTE zu unterstützen, und mussten mit staatlichen Repressionen rechnen. Sie wurden nicht allein aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit systematisch verfolgt. Sie sind aber - durch ihre tamilische Sprache und die entsprechenden Einträge in Ausweiskarten für die Sicherheitskräfte leicht identifizierbar - in eine Art Generalverdacht der Sicherheitskräfte geraten. Die ständigen Razzien, Pkw-Kontrollen und Verhaftungen bei Vorliegen schon geringster Verdachtsmomente richteten sich vor allem gegen Tamilen. Durch die Wiedereinführung des „Terrorism Prevention Act“ Ende 2006 - ein Notstandsgesetz, das Verhaftungen ohne Haftbefehl und eine Inhaftierung bis zu 18 Monaten erlaubt, wenn die Behörden insbesondere den Verdacht terroristischer Aktivitäten haben (vgl. SFH, Sri Lanka, Aktuelle Situation, Update vom 11.12.2008, S. 3) - war die richterliche Kontrolle solcher Verhaftungen kaum mehr gewährleistet. Wer verhaftet wurde, musste mit längerer Inhaftierung rechnen, ohne dass es zu weiteren Verfahrensschritten oder gar einer Anklageerhebung hat kommen müssen (Lagebericht des AA vom 05.02.2008, Stand Februar 2008, S. 8). So wurden am 30. und 31.12.2005 im Rahmen der von Militär und Polizei in Colombo durchgeführten Operation „Strangers Night III.“ 920 Personen, die weit überwiegende Mehrheit Tamilen, verhaftet (Human Rights Watch, Return to War - Human Rights under Siege - August 2007, S. 74).
55 
Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) hat in seiner Stellungnahme zum Bedarf an internationalem Schutz von Asylsuchenden aus Sri Lanka vom 01.02.2007, die eine Zusammenfassung und Teilübersetzung der „UNHCR Position on the International Protection Needs of Asylum-Seekers from Sri Lanka (December 2006)“ enthält, unter anderem ausgeführt, dass von der sich dramatisch verschlechternden Menschenrechtslage im besonderem Maße Tamilen aus dem Norden und Osten des Landes betroffen seien. Aus der Stellungnahme ergibt sich, dass bei dem Verdacht, dass sie Verbindungen zur LTTE unterhalten, Menschenrechtsverletzungen durch die staatlichen Behörden oder mutmaßlich von der Regierung gestützte Paramilitärs drohten (S. 2). Für Tamilen aus Colombo bestand aufgrund der im April bzw. Dezember 2006 drastisch verschärften Sicherheitsbestimmungen ein erhöhtes Risiko, willkürlichen, missbräuchlichen Polizeimaßnahmen - insbesondere Sicherheitskontrollen, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, Hausdurchsuchungen oder Leibesvisitationen - unterworfen zu werden. Tamilen aus Colombo waren darüber hinaus besonders gefährdet, Opfer von Entführungen, Verschleppungen oder Tötungen zu werden. Zwischen dem 20.08.2006 und dem 02.09.2006 waren Presseberichten zufolge mehr als 25 Tamilen entführt worden, nur zwei Personen waren bis zum Dezember 2006 wieder freigekommen (S. 2 f.). Diese Maßnahmen zur Bekämpfung der dauernden Bedrohung durch terroristische Attacken im Großraum Colombo waren teilweise für die gesamte tamilische Minderheit bedrohlich und stellten ihre Sicherheit in Frage. Extralegale Tötungen, die seit jeher Teil des Konflikts gewesen waren, wurden seit Dezember 2005 auch in signifikanter Zahl von Regierungsseite verübt. Viele Taten sind an gewöhnlichen Personen begangen worden, die kaum erkennbar in Verbindung zu dem Konflikt standen. Teilweise handelte es sich um Teile eines Musters, die LTTE anzugreifen, teilweise geschahen sie aus politischen Motiven. Sie konnten aber auch einen kriminellen Hintergrund haben (Asylsuchende aus Sri Lanka, Position der SFH vom 01.02.2007 S. 5).
56 
Die International Crisis Group hat in ihrem Bericht vom 14.06.2007 (Sri Lanka’s Human Rights Crisis, Asia Report N. 135) unter anderem festgehalten, dass die Anzahl der Verschwundenen in den letzten achtzehn Monaten nur schwerlich mit Sicherheit festzustellen sei. Verschiedene verlässliche Quellen berichteten von mehr als 1.500 Betroffenen, wobei das Schicksal von mindestens 1.000 Personen unklar gewesen sei. Die höchste Anzahl von Betroffenen sei in den von der Regierung kontrollierten Bereichen Jaffnas festzustellen gewesen. Dort seien 731 Fälle registriert worden, in 512 Fällen gebe es noch keine Aufklärung. Im Großraum Colombo sei es zu mehr als 70 berichteten Fällen von Entführungen und des Verschwindenlassens gekommen. Die meisten der Betroffenen seien junge tamilische Volkszugehörige gewesen, die der Zusammenarbeit mit der LTTE verdächtigt worden seien. Auch eine Vielzahl von Personen ohne Verbindung zur LTTE seien Opfer dieses Verschwindenlassens geworden.
57 
Human Rights Watch (HRW) geht in seinem Bericht aus dem August 2007 (Return to War - Human Rights under Siege -) davon aus, dass Entführungen und Fälle des Verschwindenlassens seit August 2006 auch in Colombo zu einer weitverbreiteten Erscheinung geworden seien. Die Organisation gelangt auf der Grundlage von Gesprächen mit 26 Familien von verschwundenen Personen zu dieser Aussage (S. 53 f.). Landesweit geht HRW für den Zeitraum vom 14.09.2006 bis zum 25.02.2007 von 2.020 Fällen Entführter oder sonst verschwundener Personen aus. „Ungefähr 1.134 Personen“ seien lebend wieder aufgefunden worden, die anderen seien weiterhin vermisst (S. 7).
58 
Nach dem Country Report on Human Rights Practices zu Sri Lanka des U.S. Department of State 2007 vom 11.03.2008 waren extralegale Tötungen in Jaffna an der Tagesordnung. Zwischen dem 30.11.2007 und dem 02.12.2007 sind nach zwei Bombenangriffen der LTTE in und um Colombo beinahe 2.500 tamilische Volkszugehörige in der Hauptstadt und geschätzte 3.500 Tamilen im ganzen Land verhaftet worden. Die Inhaftierten, überwiegend männliche tamilische Zivilisten sollen allein aufgrund ihrer tamilischen Nachnamen verhaftet worden sein. Die überwiegende Mehrheit von ihnen wurde bald wieder freigelassen. Zum Jahreswechsel waren nur noch zwölf von 372 im Boosa detention camp Inhaftierten in Gewahrsam.
59 
Aus diesen Erkenntnissen lässt sich selbst dann, wenn alle Angaben zutreffen sollten, zum Zeitpunkt der Ausreise des Klägers Ende November 2007 nicht auf eine Gruppenverfolgung der Gruppe der (jüngeren männlichen) Tamilen schließen. Ein staatliches Verfolgungsprogramm lässt sich nicht feststellen. Nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amts wurde keine Volksgruppe gezielt allein wegen eines unveränderlichen Merkmals verfolgt. Die Anzahl der festzustellenden Übergriffe lässt nicht ohne weiteres auf die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit eines jeden Gruppenmitglieds schließen. Selbst wenn alle Übergriffe im Großraum Colombo zwischen November 2005 und Dezember 2007 dem sri-lankischen Staat zuzurechnen wären - tatsächlich sind dabei auch Übergriffe der LTTE und „rein kriminelle Übergriffe“ mit dem Ziel der Lösegelderpressung unter den registrierten Fällen - und alle Inhaftierungen - auch die von bloß kurzer Dauer von nicht mehr als drei Tagen - gezählt werden, ist das Verhältnis von 3.400 Verhaftungen zu mehr als 240.000 tamilischen Einwohnern angesichts des Zeitraums von zwei Jahren nicht geeignet, eine Regelvermutung der Gefährdung eines jeden Gruppenmitglieds zu rechtfertigen. Zieht man darüber hinaus in Betracht, dass 2.500 der Inhaftierten nach kurzer Zeit wieder freigelassen worden sind und damit keine Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 RL 2004/83/EG erdulden mussten, ergibt sich eine Betroffenheit von 0,3 % der gesamten tamilischen Bevölkerung. Dieser - für die Bewertung des Standards der Achtung der Menschenrechte insoweit gleichwohl hohe - Prozentsatz der Betroffenen innerhalb eines Zweijahreszeitraums führt nicht zum Schluss auf die erforderliche aktuelle Gefahr der Betroffenheit jedes Gruppenmitglieds.
60 
Zu einer anderen Beurteilung bezogen auf den Zeitpunkt August 2008 besteht kein Anlass. Auch der Kläger hat nichts vorgetragen, was eine abweichende Beurteilung rechtfertigen würde.
61 
b) Die Lage in Sri Lanka stellt sich im Hinblick auf den Asylantrag des Klägers derzeit wie folgt dar:
62 
aa) Bezogen auf den Zeitpunkt November 2010 führte der erkennende Gerichtshof in seinem Urteil vom 09.11.2010 aus (a.a.O. Rn. 57 ff.):
63 
Am 19.05.2009 hat der sri-lankische Staatspräsident Mahinda Rajapakse in einer Parlamentsansprache den Sieg der Regierungstruppen über die tamilische Separatistenorganisation LTTE verkündet. Tags zuvor war nach den Angaben des Militärs bei einem der letzten Gefechte der LTTE-Anführer Velupillai Prabhakaran ums Leben gekommen, nachdem zuvor fast die gesamte militärische und politische Führung der LTTE umgekommen war. Der seit 1983 mit Unterbrechungen währende Bürgerkrieg war damit beendet (Lagebericht des AA vom 02.09.2009, Stand: August 2009, S. 6). Hunderttausende Menschen mussten während des Bürgerkriegs ihre Heimatorte im tamilischen Norden und Osten des Landes verlassen. Als Binnenvertriebene suchten sie Zuflucht in weniger gefährdeten Gebieten des Landes. Viele entschieden sich auch dafür, ins Ausland zu gehen. In der Ostprovinz konnten die Binnenvertriebenen inzwischen bis auf einige Ausnahmen in ihre Heimatgemeinden zurückkehren (Lagebericht des AA vom 16.06.2010, Stand: Juni 2010, S. 8). Rund 300.000 Zivilpersonen waren in den letzten Monaten des Bürgerkriegs im von der LTTE gehaltenen, kontinuierlich schrumpfenden Gebiet eingeschlossen. Notgedrungen zogen sie mit den LTTE-Verbänden mit und waren in der zuletzt nur wenige Quadratkilometer ausmachenden Kampfzone im Nordwesten des Landes allen Schrecken dieser Kämpfe ausgesetzt. Nach deren Beendigung brachte sie die Armee in geschlossenen Lagern hauptsächlich in Vavuniya im nördlichen Vanni unter, zu denen nationale und internationale Hilfsorganisationen lange nur eingeschränkt Zugang hatten. Die Regierung begründete diese Lagerunterbringung mit der Notwendigkeit, sich unter den Binnenvertriebenen verbergende ehemalige LTTE-Kämpfer herauszufiltern, und der Unmöglichkeit, die Betroffenen in noch verminte Heimatorte zurückkehren zu lassen. Einigen wenigen wurde die Rücksiedlung im Juni 2009 gestattet. Im August 2009 begann dann sehr zögerlich ein Rücksiedlungsprozess, der im Oktober größeren Umfang annahm und sich ab Dezember wieder verlangsamte, da die Herkunftsorte der Verbliebenen (im Juni 2010 waren noch knapp 60.000 Personen in Lagern untergebracht) noch erheblich zerstört und vermint sind. Einem gesonderten Regime unterliegen die geschlossenen, so genannten „Rehabilitationslager“, in denen rund 8.000 ehemalige LTTE-Kämpfer (bzw. Personen, die insoweit verdächtigt werden) untergebracht sind. Zu diesen Lagern haben weder das IKRK noch Hilfsorganisationen Zugang. Die Antiterrorgesetze von 1979 (Prevention of Terrorism Act) haben weiter Bestand. Die umfangreichen Sicherheitsvorkehrungen insbesondere in Colombo, einschließlich der zahlreichen Kontrollpunkte von Polizei und Militär, werden aufrecht erhalten (Lagebericht des AA vom 16.06.2010, Stand: Juni 2010, S. 9 f.).
64 
Zu den Insassen der „Rehabilitationslager“ hat Human Rights Watch festgestellt, dass zwar die meisten der Verdächtigten in den letzten Wochen der Kampfhandlungen und in der Zeit unmittelbar danach inhaftiert worden seien, dass aber auch neue Inhaftierungen, nämlich im Oktober 2009, erfolgt seien (Human Rights Watch, Legal Limbo - The Uncertain Fate of Detained LTTE Suspects in Sri Lanka, Februar 2010, S. 6).
65 
In unterschiedlichen Bereichen kommt es zu staatlichen repressiven Maßnahmen, die Anzeichen für eine systematische Verfolgung bestimmter Personen oder Personengruppen wegen ihrer Rasse, Nationalität, Religion oder politischer Überzeugung aufweisen. Davon sind nicht nur Tamilen betroffen, sondern auch regierungskritische Singhalesen. So werden oppositionelle Parlamentsabgeordnete, die der Regierung gefährlich werden können, unter fadenscheinigen Vorwürfen verhört, verhaftet oder bedroht. Der Generalverdacht, dass jeder Tamile ein Anhänger, Unterstützer oder gar Mitglied der LTTE war und ist, wird im singhalesischen Teil der Gesellschaft von vielen geteilt, insbesondere bei den staatlichen Sicherheitskräften (Lagebericht des AA vom 16.06.2010, Stand: Juni 2010, S. 10 f.).
66 
Für eine systematische Verfolgung von Tamilen allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit gibt es keine Anhaltspunkte, sie müssen aber - durch ihre tamilische Sprache und die entsprechenden Einträge in Ausweiskarten für die Sicherheitskräfte leicht identifizierbar - jederzeit mit staatlichen Repressionen rechnen. Die ständigen Razzien und Hausdurchsuchungen, schikanösen Behandlungen (Beleidigungen, langes Warten, exzessive Kontrolle von Fahrzeugen, Erpressung von Geldbeträgen) bei den zahlreichen Polizeikontrollen im Straßenverkehr und Verhaftungen richten sich vor allem gegen Tamilen, wobei aus dem Norden und Osten stammende Tamilen darunter noch in höherem Maße zu leiden haben. Durch Anwendung des Prevention of Terrorism Act ist die richterliche Kontrolle solcher Verhaftungen kaum mehr gewährleistet. Wer verhaftet wird, muss mit längerer Inhaftierung rechnen, ohne dass es zu weiteren Verfahrensschritten oder einer Anklageerhebung kommen muss. Die Situation hat sich seit Beendigung der Kampfhandlungen nicht verbessert (Lagebericht des AA vom 16.06.2010, Stand: Juni 2010, S. 11).
67 
Ein Asylantrag im Ausland, der von vielen in Sri Lanka als legitimer Versuch angesehen wird, sich einen Aufenthaltsstatus zu verschaffen, begründet in aller Regel noch keinen Verdacht, der LTTE nahe zu stehen. Rückkehrer, die aus den nördlichen oder östlichen Landesteilen stammen und sich nun erstmals in Sri Lanka niederlassen wollen, müssen indes einen Anfangsverdacht und entsprechendes Misstrauen bis zu Schikanen durch die Sicherheitsorgane gegenwärtigen. Mindestens ebenso stark steht unter Verdacht, wer bereits früher als Anhänger der LTTE auffällig geworden war. Das Ende der Kampfhandlungen hat diesbezüglich nicht zu einer Entspannung geführt. Am 26.05.2010 wurde am Flughafen Colombo bei der Einreise eine in Deutschland ansässige Sri-Lankerin unter dem Verdacht der LTTE-Unterstützung festgenommen, die nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden in Deutschland für die LTTE Gelder eingesammelt und im Frühjahr letzten Jahres Demonstrationen organisiert haben soll. Belastbaren Berichten anderer Botschaften zufolge gibt es Einzelfälle, in denen zurückgeführte Tamilen nach Ankunft in Colombo unter LTTE-Verdacht festgenommen wurden (Lagebericht des AA vom 16.06.2010, Stand: Juni 2010, S. 24).
68 
Aus dem „Report of Information Gathering Visit to Colombo, Sri Lanka, 23. bis 29. August 2009“ vom 22.10.2009 des „U.K. Foreign and Commonwealth Office Migration Directorate“ (FCO), für den sowohl staatliche sri-lankische Stellen als auch Nichtregierungsorganisationen befragt wurden, ergibt sich, dass unabhängig von ihrer Volkszugehörigkeit nicht freiwillig nach Sri Lanka zurückkehrende Personen dem Criminal Investigation Department zur Feststellung der Staatsangehörigkeit und Kontrolle des Vorstrafenregisters überstellt werden. Die Befragung kann mehr als 24 Stunden dauern. Die Betroffenen werden erkennungsdienstlich behandelt. Abhängig vom Einzelfall ist eine Überstellung an den Geheimdienst (State Intelligence Service) oder das Terrorist Investigation Department zum Zwecke der Befragung denkbar. Jeder, der wegen eines Vergehens gesucht wird, muss mit seiner Verhaftung rechnen. Vorbestrafte oder Personen mit Verbindungen zur LTTE werden weitergehend befragt und gegebenenfalls in Gewahrsam genommen. Laut Nichtregierungsorganisationen würden Tamilen aus dem Norden und Osten des Landes einer genaueren Überprüfung als andere unterzogen. Verschiedene Faktoren, nämlich ein offener Haftbefehl, Vorstrafen, Verbindungen zur LTTE, eine illegale Ausreise, Verbindungen zu Medien oder Nichtregierungsorganisationen und das Fehlen eines Ausweises (ID Card) oder anderer Personaldokumente, erhöhten das Risiko, Schwierigkeiten bei der Einreise zu bekommen, einschließlich einer möglichen Ingewahrsamnahme (S. 5). Hingegen konnte keine der befragte Quellen angeben, dass sichtbare Narben einen Einfluss auf die Behandlung bei der Einreise haben könnten. Im Falle, dass der Verdacht einer Verbindung zur LTTE bestünde, könnten solche Narben Anlass zu einer Befragung sein, jedoch würden diesbezüglich keine körperlichen Untersuchungen durchgeführt (S. 16).
69 
Überwiegend hätten die Befragten angegeben, dass die Anzahl der Razzien (cordon and search operations) in den letzten Monaten nicht zurückgegangen sei. Es gebe keine Informationen zu der Anzahl möglicher Festnahmen. Grundsätzlich seien junge männliche Tamilen, die aus dem Norden oder Osten des Landes stammten, im Zuge von Razzien einem besonderen Festnahmerisiko ausgesetzt. Die bereits genannten Faktoren erhöhten das Risiko. Tamilen ohne Beschäftigung oder „legitimen Aufenthaltsgrund“ würden ebenfalls mit großer Wahrscheinlichkeit als verdächtig angesehen (S. 5).
70 
Nach ganz überwiegender Meinung der Befragten hat es - wenn überhaupt - seit Juni 2009 nur noch sehr wenige Entführungen / Fälle des Verschwindenlassens gegeben. Die Entführungen erfolgten demzufolge sowohl zur Lösegelderpressung als auch aus politischen Gründen. Die Nichtregierungsquellen stimmten weitgehend darin überein, dass die Sicherheitskräfte in den meisten Fällen in gewisser Weise beteiligt seien und die Polizei keine ernsthaften Ermittlungen durchführe (S. 5 f.). Bei den Straßenkontrollen im Großraum Colombo, die nach Angabe der meisten Befragten nicht nennenswert reduziert worden seien, würde es nur sehr selten zu Festnahmen kommen. Seit Juni 2009 seien keine bekannt geworden.
71 
Der Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 16.06.2010 und der (ältere) Bericht des U.K. Foreign and Commonwealth Office Migration Directorate ergänzen sich. Jedenfalls die hier zitierten allgemeinen Feststellungen (S. 5 f.), die auf mindestens weit überwiegend übereinstimmenden Angaben der Befragten beruhen, sind geeignet, die insoweit knapper gehaltenen Aussagen der Lageberichte zu den Gefährdungen von Tamilen zu illustrieren. Eine Gruppenverfolgung der Gruppe der (jüngeren männlichen) Tamilen (im wehrfähigen Alter) lässt sich auf der Basis der wiedergegebenen Erkenntnisse nicht feststellen. Insbesondere angesichts des Umstands, dass Verhaftungen bei Razzien ebenso selten geworden sind wie an Straßenkontrollpunkten und Fälle des Verschwindenlassens ebenfalls kaum mehr vorkommen, lässt sich eine generelle staatliche oder staatlich tolerierte Verfolgung der Gruppe der Tamilen nicht feststellen. Anderes lässt sich auch nicht aus dem Fortbestehen der „rehabilitation camps“ schließen. Denn jedenfalls gibt es keine Hinweise darauf, dass nach deren Begründung noch Personen in einer für die Annahme einer Gruppenverfolgung aller - jedenfalls der im wehrfähigen Alter befindlichen - Tamilen relevanten Größenordnung in diese Lager verbracht worden sind. Aus dem vom Kläger zitierten Bericht von Human Rights Watch, Legal Limbo, The Uncertain Fate of Detained LTTE Suspects in Sri Lanka, ergibt sich unter Bezugnahme auf den „Indian Express“ vom 28. Oktober 2009, dass mindestens 300 LTTE Kader, die sich unter den Binnenvertriebenen versteckt hätten, verhaftet worden seien. Damit ist weder ein Bezug zu der Gruppe aller Tamilen oder jedenfalls derjenigen im wehrfähigen Alter aufgezeigt noch ergibt sich aus den berichteten Vorkommnissen, dass diese bis zum Tag der mündlichen Verhandlung gleichsam an der Tagesordnung gewesen wären.
72 
Die Einlassung des Klägers, aus dem zitierten Bericht von Human Rights Watch ergebe sich eine Zunahme der Fälle des Verschwindenlassens, vermag stichhaltige Indizien für eine Gruppenverfolgung aller (wehrfähigen) Tamilen nicht darzutun. Den dortigen Ausführungen im Unterkapitel „Concerns about Possible Enforced Disappearances“ sind vielmehr zunächst zwei Einzelfälle des Verschwindens nach Ende des Bürgerkriegs zu entnehmen. Darüber hinaus wird über eine Internierung von Dutzenden von Personen aus dem Lager „Menik Farm“ berichtet. Es wird weiter geschildert, dass das Schicksal der internierten Personen häufig - bis zum Tag des Berichts - unklar geblieben sei. Daraus lässt sich ein erhöhtes Risiko für solche Personen ableiten, die aus Sicht der Behörden im Verdacht stehen, mit der LTTE zusammengearbeitet haben, nicht jedoch eine Gruppenverfolgung aller (jungen männlichen) Tamilen. Der gegen alle Tamilen gerichtete so genannte „Generalverdacht“ führt offenkundig für sich genommen noch nicht regelmäßig zu Übergriffen der Sicherheitsbehörden. Vielmehr kommt es auf individuell gefahrerhöhende Umstände an, bei deren Vorliegen im Einzelfall eine begründete Furcht vor Verfolgung anzunehmen sein kann.
73 
Auch aus dem vom Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegten Gutachten des European Center for Constitutional and Human Rights „Study on Criminal Accoutability in Sri Lanka as of January 2009“ aus dem Juni 2010 lässt sich die von ihm behauptete Gruppenverfolgung nicht ableiten. Dem Bericht lässt sich entnehmen, dass die Anzahl der in den „welfare centers“ in Gewahrsam gehaltenen Personen von 280.000 (zwischen März 2008 und Juni 2009) bis in den Januar 2010 auf rund 80.000 abgenommen hat. Dem Bericht, der sich mit den Zuständen in den Lagern beschäftigt, ist nicht zu entnehmen, dass sri-lankische Staatsangehörige nach ihrer Wiedereinreise dazu gezwungen worden wären, in solchen Lagern zu leben. Weiter beschäftigt sich das Gutachten unter Zitierung des bereits erwähnten Berichts von Human Rights Watch aus dem Februar 2010 mit der Behandlung von der LTTE-Mitgliedschaft Verdächtigten. Auch diesen Ausführungen ist nichts zu einer anhaltenden Verhaftungswelle - wie sie für die Annahme einer Gruppenverfolgung notwendig wäre - nach Beendigung des Bürgerkriegs und in den folgenden Monaten im Jahr 2009 zu entnehmen.
74 
Schließlich führt insoweit der Verweis des Klägers auf die Lageeinschätzung der International Crisis Group vom 17.02.2010, die sein Prozessbevollmächtigter im „Parallelverfahren“ (A 4 S 693/10) vorgelegt hat, nicht zum Erfolg seiner Klage. Dem Bericht ist zwar zu entnehmen, dass das Vorgehen der Regierung im Norden und Osten des Landes zur Verängstigung und Entfremdung der Minderheiten führe. Das aus dieser Behandlung aber ein systematisches Ausgrenzen der tamilischen Minderheit aus der staatlichen, übergreifenden Friedensordnung im Sinne einer Entrechtung abzuleiten wäre, ergibt sich weder aus diesem Bericht noch aus der Gesamtschau. Ebenso wenig lässt sich ein staatliches Verfolgungsprogramm hinsichtlich aller Tamilen oder auch nur der im wehrfähigen Alter befindlichen Gruppenmitglieder feststellen. Anderes kann möglicherweise für die im Zuge der Beendigung der kriegerischen Auseinandersetzungen unmittelbar in den rehabilitation camps Inhaftierten oder die aus den Flüchtlingslagern „herausgefilterten“, in rehabilitation camps verbrachten Personen gelten. Jedoch ist ein solches systematisches Vorgehen gegenüber etwa in Colombo lebenden Tamilen nicht feststellbar.
75 
Die rechtliche Einschätzung zur fehlenden begründeten Furcht vor einer Gruppenverfolgung entspricht auch der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (Urteile vom 08.07.2009 - 3 A 3295/07.A - und vom 24.08.2010 - 3 A 864/09.A -) und - der Sache nach - des UK Asylum and Immigration Tribunal (TK (Tamils - LP updated) Sri Lanka CG [2009]UKAIT 00049 RdNr. 73).
76 
bb) Erst recht ist die Annahme einer Gruppenverfolgung zum derzeitigen Zeitpunkt (Oktober 2016) nicht gerechtfertigt.
77 
(1) In Sri Lanka leben nach Auskunft des Auswärtigen Amts (Länderinformation, Stand: Februar 2015) 20,7 Millionen Menschen. Der Anteil der Sri-Lanka-Tamilen beträgt 11,2 % (auch Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 7); es ist mithin von etwa 2,3 Millionen Volkszugehörigen auszugehen. „Indian Tamils“ machen 4,2 % der Bevölkerung aus.
78 
Am 08.01.2015 wurde Maithripala Sirisena bei der Präsidentenwahl, bei der die Wahlbeteiligung bei 81,5 % lag, zum Präsidenten Sri Lankas gewählt. Er setzte sich mit 51,28 % der Stimmen gegen den bisherigen Amtsinhaber Rajapaksa durch, der 47,58 % erhielt. Am 17.08.2015 fanden Parlamentswahlen statt, die nach Einschätzung des Auswärtigen Amts frei und fair waren (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 6). Die Tamilenpartei ITAK erhielt 4,62 % der Stimmen und damit 16 Mandate, sie stellt mit Rajavarothiam Sampanthan den Oppositionsführer (a.a.O.).
79 
Mit dem Amtsantritt Sirisenas am 09.01.2015 hat sich die politische Situation in Sri Lanka nach Einschätzung des Auswärtigen Amts (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 5) erheblich zum Positiven verändert. Demokratie und Rechtsstaat seien gestärkt worden. Die Menschenrechte, insbesondere die Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit würden wieder respektiert. Die Betätigungsmöglichkeiten der politischen Opposition seien nicht mehr eingeschränkt (a.a.O. S. 7). Menschenrechtsorganisationen hätten größere Freiräume (a.a.O. S. 6). So genannte Verschwundenen-Fälle seien seit dem Amtsantritt der neuen Regierung nicht mehr bekannt geworden (a.a.O. S. 12).
80 
Das Auswärtige Amt merkt in seinem jüngsten Lagebericht aber auch an, dass insbesondere im Norden und Osten noch nicht alle Menschenrechtsverletzungen abgestellt seien (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 5). Einzelne Menschenrechtsvertreter würden dort vom Sicherheitsapparat verfolgt und ihre Gesprächspartner würden gelegentlich noch von Sicherheitskräften ausgefragt (a.a.O. S. 6, auch S. 7; vgl. auch Amnesty Report 2016, Sri Lanka, mit dem Hinweis auf Berichte von Menschenrechtsverteidigern zu Überwachungen durch die Polizei und das Militär im Norden und Osten sowie Befragungen). Die Polizei wende mitunter noch immer unverhältnismäßigen Zwang an (a.a.O. S. 7; vgl. auch Amnesty Report 2016, Sri Lanka, mit dem Hinweis auf Beschwerden über die Anwendung unverhältnismäßiger Gewalt bei Polizeieinsätzen im Zusammenhang mit Demonstrationen). Als Beispiel nennt das Auswärtige Amt die Beendigung friedlicher Studentendemonstrationen mittels Tränengas, Wasserwerfern und Schlagstöcken (a.a.O. S. 7); es verweist zudem auf Angaben Internationaler Organisationen und Presseberichte, wonach Folter weiterhin gelegentlich zur Erpressung von Geständnissen angewandt wird (a.a.O. S. 11; vgl. auch Amnesty Report 2016, Sri Lanka, mit dem Hinweis auf Berichte über Folter und andere Misshandlungen). Auch sollen Misshandlungen bei der Festnahme von Verdächtigen sowie in Gefängnissen weiter vorkommen (a.a.O. S. 12).
81 
Amnesty International (Amnesty Report 2016, Sri Lanka) verweist darüber hinaus auf Berichte über ungeklärte Todesfälle in Polizeigewahrsam; Häftlinge würden häufig an Verletzungen sterben, die den Schluss zuließen, dass sie gefoltert und misshandelt worden seien.
82 
Nach Angaben des Auswärtigen Amts hat die neue Regierung zahlreiche Schritte unternommen, um die Wiederversöhnung zwischen den verschiedenen Gemeinschaften im Land voranzubringen (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 5). Sie suche aktiv den Dialog mit der tamilischen Diaspora (auch a.a.O. S. 10). Amnesty International berichtet zudem darüber (Amnesty Report 2015, Sri Lanka), dass im Jahr 2015 am Jahrestag der Beendigung des bewaffneten Konflikts öffentliche Gedenkfeiern von Tamilen im Wesentlichen erlaubt waren (vgl. auch Human Rights Watch, Sri Lanka After the Tigers, 19.02.2016, mit dem Hinweis, dass Gedenkfeiern für verstorbene Tamilen mittlerweile erlaubt seien), und fügt hinzu, dass über eine starke Polizeipräsenz bei derartigen Zusammenkünften berichtet worden sei (vgl. auch Human Rights Watch, Time to seize the Moment in Sri Lanka, 25.05.2016). Insbesondere Human Rights Watch macht aber auch darauf aufmerksam, dass ein Erfolg versprechender Versöhnungsprozess, der unter anderem auch eine Aufarbeitung der beiderseitigen Kriegsverbrechen beinhaltet, noch nicht wirklich ins Werk gesetzt worden ist (vgl. etwa die Beiträge „Time to seize the Moment“ [25.05.2016] und „Unfinished Business in Sri Lanka“ [01.09.2016]).
83 
Nach Einschätzung des Auswärtigen Amts gibt es gegenüber Tamilen im Norden und Osten seit dem Amtsantritt Sirisenas „keine direkten staatlichen Repressionen mehr“ (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 7). In Sri Lanka gebe es keine diskriminierende Gesetzgebung, Verwaltungspraxis oder Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis (a.a.O. S. 8). Der von der Polizei angewendete unverhältnismäßige Zwang richte sich nicht gegen eine bestimmte Gruppe (a.a.O. S. 7). Während die Anwendung von Folter früher vor allem Tamilen betroffen habe, sollen mittlerweile Singhalesen in gleichem Maß betroffen sein (a.a.O. S. 11 unter Berufung auf Berichte von Human Rights Watch und lokale Menschenrechtsorganisationen; Human Rights Watch [Time to seize the Moment in Sri Lanka, 25.05.2016] spricht von „continued reports of the torture of detainees“ [fortgesetzten Berichten über die Folter von Inhaftierten]).
84 
Das Auswärtige Amt führt weiter aus, dass der infolge des langjährigen Bürgerkriegs umfassende Sicherheitsapparat nach Ende des Konflikts 2009 kaum reduziert wurde und insbesondere im Norden und Osten noch stark vertreten ist (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 6, auch S. 7; vgl. auch Human Rights Watch, Unfinished Business in Sri Lanka, 01.09.2016). Es verweist zudem darauf, dass nach Angaben der sri-lankischen NGO Groundviews 2015 noch immer mindestens 181 von ehemals ca. 12.000 LTTE-Mitgliedern oder -Symphatisanten, die sich bei Kriegsende gestellt hätten, ohne Gerichtsurteil inhaftiert seien; bis November 2015 seien 38 davon gegen Kaution freigelassen worden (a.a.O. S. 12).
85 
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe weist in ihrer Auskunft vom 22.04.2016 „Sri Lanka: Gefährdung bei Rückkehr und Zugang zu medizinischer Versorgung in Haft“ darauf hin (S. 3), dass Berichte der NGO Freedom from Torture und International Truth & Justice Project Sri Lanka vom Januar 2016 insgesamt 27 Fälle dokumentierten, in denen tamilische Personen durch sri-lankische Sicherheitskräfte gefoltert, willkürlich verhaftet oder entführt worden seien. Der jüngste in dem letztgenannten Bericht dokumentierte Fall (von insgesamt 20 Fällen) habe sich im Dezember 2015 zugetragen (vgl. a.a.O. S. 4). Während der Verhöre seien mehrere der Betroffenen beschuldigt worden, die LTTE wiederaufbauen zu wollen oder das Land in Unruhe zu bringen. 19 der Personen seien Opfer von Entführungen mittels weißer Lieferwagen geworden („White Van Abduction“). 16 der Personen hätten in der Vergangenheit eine Funktion der LTTE auf niedriger Stufe gehabt.
86 
Der Prevention of Terrorism Act (s. o. aa und a) ist weiterhin in Kraft (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 7 und 12; auch Amnesty Report 2016, Sri Lanka, und Human Rights Watch, UN Human Rights Council: High Commissioner’s Report on human rights of Rohingya Muslims and other minorities in Burma/Maanmar and on Sri Lanka, 30.06.2016). Das Auswärtige Amt führt aus, die Regierung gebe an, 181 Personen seien auf seiner Grundlage inhaftiert, wobei die Mehrheit tamilischer Herkunft sei, die Zivilgesellschaft gehe hingegen von rund 250 Personen aus (a.a.O. S. 7). Die Schweizerische Flüchtlingshilfe verweist darauf, dass verschiedene Schätzungen „sich auf bis über 200 Personen“ beliefen (Auskunft vom 22.04.2016, S. 6). Amnesty International zitiert eine Erklärung des Oppositionsführers Sampanthan vor dem Parlament, dass noch 217 Personen auf der Grundlage der Bestimmungen des PTA inhaftiert seien (Amnesty Report 2016, Sri Lanka). Nach Angaben der Schweizerischen Flüchtlingshilfe wird er „weiterhin eingesetzt, um tamilische Personen zu verhaften, welche der angeblichen Verbindungen zur LTTE verdächtigt werden“ (Auskunft vom 22.04.2016, S. 6; entsprechend Amnesty Report 2016, Sri Lanka; ferner Human Rights Watch, Time to seize the Moment in Sri Lanka, 25.05.2016). Die Flüchtlingshilfe verweist auch auf eine sri-lankische Zeitung, die von Verhaftungen von Militärpersonal unter dem PTA berichtet hat.
87 
Rückkehrer müssen nach Einschätzung des Auswärtigen Amts grundsätzlich keine staatlichen Repressalien gegen sich fürchten, jedoch müssen sie sich nach Rückkehr Vernehmungen durch die Immigration, das National Bureau of Investigation und das Criminal Investigation Department stellen; ob es zur Anwendung von Gewalt kommt, ist nicht bekannt (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 13). Mit solchen Vernehmungen ist insbesondere zu rechnen, wenn die rückkehrende Person keinen gültigen sri-lankischen Reisepass vorlegen kann; Fälle diskriminierender Behandlung solcher Personen (auch von Tamilen) sind dem Auswärtigen Amt nicht bekannt (a.a.O. S. 14). Bei der Einreise mit gültigem sri-lankischem Reisepass würden die Einreiseformalitäten zumeist zügig erledigt; dies gelte auch für Zurückgeführte (a.a.O. S. 14).
88 
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe führt in ihrer Auskunft vom 22.04.2016 aus (S. 1), dass es auch nach Amtsantritt des neuen Präsidenten zu Verhaftungen von tamilischen Rückkehrenden kam. Die Verhaftungen schienen oft mit angeblichen Verbindungen zur LTTE zusammenzuhängen. Eine zuvor erfolgte illegale Ausreise könne bei der Rückkehr ebenfalls zu einer Verhaftung führen. Die Flüchtlingshilfe führt nach diesen einleitenden Bemerkungen unter Berufung auf verschiedene Quellen einzelne Fälle auf. So verweist sie zunächst auf einen Bericht der Zeitung Ceylon News vom 19.04.2016, wonach ein aus Mullaitivu stammender Tamile bei seiner Rückkehr aus Doha am 12.04.2016 durch das Terrorist Investigation Department am Flughafen aufgegriffen und anschließend sieben Stunden verhört worden sei (a.a.O. S. 1 f.). Anschließend sei er mit der Aufforderung freigelassen worden, am nächsten Morgen das TID-Büro in Colombo aufzusuchen. Am folgenden Tag sei er dort verhaftet worden. Die Flüchtlingshilfe spricht außerdem etwa den Fall eines tamilischen Journalisten an, der nach seiner Rückkehr nach Sri Lanka durch die sri-lankischen Behörden verhaftet worden sei (a.a.O. S. 2). Der Journalist und Aktivist sei im Jahr 2012 nach Australien geflohen und habe sich aufgrund der positiven Signale der aktuellen sri-lankischen Regierung für die Rückkehr entschieden. Er sei nach der Inhaftierung auf Kaution freigelassen worden. Ihm seien aber Auslandsreisen für fünf Jahre untersagt worden und er müsse sich jeden Monat im berüchtigten vierten Stock des Hauptquartiers des CID in Colombo melden. Unter Berufung auf TamilNet führt die Flüchtlingshilfe auch aus, dass viele tamilische Rückkehrende aus dem Nahen Osten in der jüngsten Zeit durch den sri-lankischen Militärgeheimdienst verhaftet worden seien (a.a.O. S 2). Die Flüchtlingshilfe zitiert schließlich etwa auch aus einem Bericht der International Crisis Group, wonach weiterhin rückkehrende tamilische Personen unter Anwendung des Prevention auf Terror Act (PTA) wegen des Verdachts auf zurückliegende LTTE-Verbindungen verhaftet würden; viele würden in durch das Militär betriebene Rehabilitationsprogramme geschickt.
89 
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe trägt in der Auskunft vom 22.04.2016 auch vor, dass das International Truth & Justice Project Sri Lanka im Januar 2016 zu dem Schluss gekommen sei, dass tamilische Personen, welche aus dem Ausland zurückkehrten, überwacht würden (a.a.O. S. 4). So gebe es weiterhin ein umfangreiches Netzwerk von tamilischen Informanten, welche Rückkehrende beobachteten. Das sichere Verlassen des Flughafens sei deswegen keine Garantie für die spätere Sicherheit. Die Flüchtlingshilfe gibt ferner die Einschätzung von International Truth & Justice Project wieder, dass es für tamilische Personen im Ausland noch nicht sicher sei, nach Sri Lanka zurückzukehren, wenn die betroffene Person in der Vergangenheit eine Verbindung zur LTTE aufweise (a.a.O. S. 5).
90 
(2) Diese Erkenntnisse lassen, selbst wenn sich alle Angaben zu flüchtlingsschutzrelevanten Menschenrechtsverletzungen als zutreffend erweisen sollten, zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht den Schluss auf eine Gruppenverfolgung von Tamilen, auch nicht vom männlichen Tamilen aus dem Norden, zu. Ein staatliches Verfolgungsprogramm lässt sich nach wie vor nicht feststellen. Auch die Zahl an Verhaftungen und Überwachungen von Tamilen sowie an ihnen gegenüber vorgenommene Handlungen, die als Folter einzustufen sind, lässt nicht annähernd auf die Gefahr schließen, dass (nahezu) jedes Gruppenmitglied mit solchen Maßnahmen zu rechnen hat. Dabei ist auch zu bedenken, dass nicht jede Verhaftung mit anschließendem Verhör schon eine Menschenrechtsverletzung darstellt.
91 
Der nach den vorliegenden Erkenntnismitteln bestehenden, im Vergleich zu den Jahren 2008 und 2010 deutlich verbesserten Gesamtsituation der Tamilen in Sri Lanka hat der Kläger nichts entgegengehalten.
III.
92 
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG.
93 
1. Gemäß Art. 16a Abs. 1 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Eine Verfolgung ist dann eine politische, wenn sie dem Einzelnen in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine religiöse Grundentscheidung oder an für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen, gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen (BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. - BVerfGE 80, 315; jüngst etwa Kammerbeschluss vom 09.03.2016 - 2 BvR 348/16 - juris Rn. 12). Politische Verfolgung ist grundsätzlich staatliche Verfolgung (BVerfGE 80, 315). An gezielten Rechtsverletzungen fehlt es bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Heimatstaat zu erleiden hat, wie Hunger, Naturkatastrophen, aber auch bei den allgemeinen Auswirkungen von Unruhen, Revolutionen und Kriegen (BVerfGE 80, 315, 335). Ob eine gezielte Verletzung von Rechten vorliegt, die Verfolgung mithin „wegen“ eines Asylmerkmals erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (BVerfGE 80, 315, 335).
94 
Das Asylgrundrecht des Art. 16a Abs. 1 GG beruht auf dem Zufluchtgedanken, mithin auf dem Kausalzusammenhang Verfolgung - Flucht - Asyl (BVerfGE 80, 315, 344). Nach dem hierdurch geprägten normativen Leitbild des Grundrechts ist typischerweise asylberechtigt, wer aufgrund politischer Verfolgung gezwungen ist, sein Land zu verlassen und im Ausland Schutz und Zuflucht zu suchen, und deswegen in die Bundesrepublik Deutschland kommt. Atypisch, wenn auch häufig, ist der Fall des unverfolgt Eingereisten, der hier gleichwohl Asyl begehrte und dafür auf Umstände verweist, die erst während seines Hierseins entstanden sind oder deren erst künftiges Entstehen er besorgt (sog. Nachfluchttatbestände).
95 
Nach diesem normativen Leitbild des Asylgrundrechts gelten für die Beurteilung, ob ein Asylsuchender politisch Verfolgter im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG ist, unterschiedliche Maßstäbe je nachdem, ob er seinen Heimatstaat auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar drohender Verfolgung verlassen hat oder ob er unverfolgt in die Bundesrepublik Deutschland gekommen ist (BVerfGE 80, 315, 344).
96 
Ergibt die rückschauende Betrachtung, dass der Asylsuchende vor landesweiter politischer Verfolgung geflohen ist, so kommt eine Anerkennung als Asylberechtigter regelmäßig in Betracht. Ergibt sie eine lediglich regionale Verfolgungsgefahr, so bedarf es der weiteren Feststellung, dass der Asylsuchende landesweit in einer ausweglosen Lage war. Steht fest, dass Asylsuchende wegen bestehender oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung ausgereist ist und dass ihm auch ein Ausweichen innerhalb seines Heimatstaates im beschriebenen Sinn unzumutbar war, so ist er gemäß Art. 16a Abs. 1 GG asylberechtigt, es sei denn, er kann in seinem eigenen Staat wieder Schutz finden. Daher muss sein Asylantrag Erfolg haben, wenn die fluchtbegründenden Umstände im Zeitpunkt der Entscheidung ohne wesentliche Änderung fortbestehen. Ist die Verfolgungsgefahr zwischenzeitlich beendet, kommt es darauf an, ob mit ihrem Wiederaufleben zu rechnen ist; eine Anerkennung als Asylberechtigter ist nicht geboten, wenn der Asylsuchende vor erneuter Verfolgung hinreichend sicher sein kann. Gleiches gilt, wenn sich - bei fortbestehender regional begrenzter politischer Verfolgung - nach der Einreise in den Geltungsbereich des Grundgesetzes eine zumutbare inländische Fluchtalternative eröffnet.
97 
Hat der Asylsuchende seinen Heimatstaat unverfolgt verlassen, so kann sein Asylantrag nach Art. 16a Abs. 1 GG nur Erfolg haben, wenn ihm aufgrund von beachtlichen Nachfluchttatbeständen politische Verfolgung droht (BVerfGE 80, 315, 345 f.). Droht diese Gefahr nur in einem Teil des Heimatstaates, so kann der Betroffene auf Gebiete verwiesen werden, in denen er vor politischer Verfolgung hinreichend sicher ist, es sei denn, es drohen dort andere unzumutbare Nachteile oder Gefahren.
98 
2. Der Anerkennung des Klägers als Asylberechtigten steht entgegen, dass nach Überzeugung des Senats die nach dem Vorbringen des Klägers fluchtauslösende Entführung und Erpressung durch die EPDP oder die Karuna-Gruppe nicht der Wahrheit entspricht (s. o. II. 2.) und er zum Zeitpunkt der Ausreise nicht Mitglied einer verfolgten Gruppe war (s. o. II. 3. a) sowie er ein solches auch zum heutigen Zeitpunkt nicht ist (s. o. II. 3. b bb).
IV.
99 
Der Kläger hat weiterhin nicht den von ihm hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes. Plausible Anhaltspunkte dafür, dass ihm in Sri Lanka ein ernsthafter Schaden i. S. v. § 4 Abs. 1 AsylG drohen könnte, bestehen nach dem Gesagten nicht.
V.
100 
Der Kläger hat schließlich auch nicht den weiter hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf die Feststellung des Bestehens eines nationalen Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AsylG. Auch insoweit gilt, dass für den Senat kein Sachverhalt ersichtlich ist, der das Vorliegen der genannten Verbote zu begründen in der Lage wäre.
VI.
101 
Dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsbeweisantrag ist nicht zu entsprechen.
102 
1. a) Soweit der Antrag auf die Einholung eines Gutachtens eines sachverständigen Universitätsprofessors für Europäisches Recht gerichtet ist, zielt der Antrag auf die Klärung einer Rechtsfrage, nicht aber auf eine dem (Sachverständigen-)Beweis zugängliche Tatsachenfrage. Die Ermittlung der Rechtslage und die Anwendung der einschlägigen Vorschriften auf einen konkreten Fall ist ureigene Aufgabe der Rechtsprechung (vgl. § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 293 ZPO: s. a. Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 293 Rn. 1, nicht zuletzt unter Hinweis auf den Grundsatz „iura novit curia“). Die Ermittlung der Rechtslage ist infolgedessen in aller Regel keine Tatsachenfeststellung. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der die Ermittlung ausländischen Rechts sowie der ausländischen Rechtspraxis im Verwaltungsprozess nicht der Rechtserkenntnis zuzuordnen, sondern wie eine Tatsachenfeststellung zu behandeln ist (Urteil vom 19.07.2012 - 10 C 2.12 - NJW 2012, 3461 Rn. 16; kritisch dazu Geimer, a.a.O. Rn. 14). Denn die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), deren Auslegung und Anwendung auf seinen Fall der Kläger geklärt haben will, ist kein ausländisches Recht. Die EMRK gilt vielmehr in der deutschen Rechtsordnung im Rang eines Bundesgesetzes (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 14.10.2004 - 2 BvR 1481/04 - BVerfGE 111, 307, 315); deutsche Gerichte haben sie wie anderes Gesetzesrecht des Bundes im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden (BVerfG, a.a.O. S. 317).
103 
b) Der Beweisantrag geht weiterhin von einer unzutreffenden Ausgangslage aus. Die Beklagte hat gegen das stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts das statthafte Rechtsmittel eingelegt; infolge des Suspensiveffekts (zunächst des Antrags auf Zulassung der Berufung, sodann der Berufung) war sie nicht verpflichtet, der ihr vom Verwaltungsgericht auferlegten Verpflichtung nachzukommen. Folglich hatte der Kläger zu keinem Zeitpunkt die Rechtsstellung eines Asylberechtigten inne.
104 
c) Die Auffassung des Klägers, der Senat sei infolge der Dauer des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof daran gehindert, auf die Berufung der Beklagten das verwaltungsgerichtliche Urteil zu ändern, teilt der Senat nicht. Er vermag weder dem vom Kläger ausdrücklich angesprochenen Art. 3 EMRK noch dem von ihm der Sache nach angesprochenen Art. 4 EMRK auch nur im Ansatz eine derartige Wirkung zu entnehmen. Dem Kläger ist zwar zuzugestehen, dass das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unangemessen lange gedauert haben dürfte (vgl. § 173 Satz 2 VwGO i. V. m. § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG). Rechtsfolge einer unangemessenen Verfahrensdauer - die der Kläger allerdings nicht mit einer Verzögerungsrüge (vgl. § 198 Abs. 3 GVG) beanstandet hat - ist indessen grundsätzlich eine angemessene Entschädigung in Geld. Dass eine unangemessen lange Verfahrensdauer über das Fehlen materieller Anspruchsvoraussetzungen hinweghelfen könnte, ist gesetzlich nicht vorgesehen und es besteht aus Sicht des Senats auch kein Anlass für eine hierauf gerichtete - was ihre Zulässigkeit angeht (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 25.01.2011 - 1 BvR 918/00 - BVerfGE 128, 193), problematische - richterliche Rechtsfortbildung. Auch der Kläger nennt keine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die auch nur einen Ansatz für seine Auffassung bieten könnte.
105 
2. a) Soweit der Antrag auf die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens gerichtet ist, handelt es sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweisantrag. Ein solcher liegt vor, wenn Behauptungen ins Blaue hinein aufgestellt werden (vgl. Senatsurteil vom 12.03.2015 - 10 S 1169/13 - juris Rn. 133). Hiervon ist auszugehen, wenn für den Wahrheitsgehalt nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht (BVerwG, Beschluss vom 17.09.2014 - 8 B 15.14 - juris Rn. 10). So liegt es hier. Zum einen hat der Kläger bereits nicht dargelegt, dass er tatsächlich darauf vertraut hat, als Asylberechtigter anerkannt zu werden; das wäre schon deshalb veranlasst gewesen, weil der Kläger bereits mit der Stellung des Zulassungsantrags damit rechnen musste, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts keinen Bestand haben würde. Zum anderen und vor allem gibt es überhaupt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger infolge der Zurückweisung der Berufung psychisch erkranken würde. Der Kläger hat nicht vorgetragen, geschweige denn - etwa mittels Vorlage eines ärztlichen Schreibens - untermauert, gegenwärtig an einer psychischen (Grund-)Erkrankung zu leiden, die sich im Fall einer Klageabweisung verschlechtern würde.
106 
b) Abgesehen davon ist der Beweisantrag auch aus dem Grund abzulehnen, dass die vom Kläger in den Raum gestellte „gravierende psychische Reaktion … auch im Sinne einer psychischen Erkrankung“ keine entscheidungserhebliche Tatsache ist. Eine eventuelle psychische Erkrankung könnte im Rahmen der vorliegenden Klage lediglich Bedeutung hinsichtlich des Anspruchs auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG Bedeutung erlangen. Hierfür ist erforderlich, dass sich eine vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leben und Leib führt, d. h. eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach Rückkehr droht. Der Kläger stellt hier schon nicht eine Erkrankung unter Beweis, die bereits vorhanden ist, er behauptet vielmehr, im Fall der Abweisung seiner Klage zu erkranken. Hinzu kommt, dass von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht Schutz vor Abschiebung nicht bei Vorliegen jeglicher Erkrankung gewährt wird. Vielmehr schützt die Vorschrift nur vor einer erheblichen und alsbaldigen Verschlimmerung für den Fall einer Rückkehr. Darum geht es dem Kläger aber mit seinem Beweisantrag nicht.
VII.
107 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und die Gerichtskostenfreiheit aus § 83b AsylG.
108 
Ein Revisionszulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO liegt nicht vor.

Gründe

 
22 
Der Senat konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die Beklagte in der mündlichen Verhandlung nicht vertreten war. Denn auf diese Möglichkeit war in der Ladung zum Termin hingewiesen worden (vgl. § 102 Abs. 2 VwGO).
23 
Die nach Zulassung durch den 12. Senat des erkennenden Gerichtshofs statthafte und auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten hat Erfolg. Denn die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (I.) keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (II.), keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter (III.), keinen Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes (IV.) und keinen Anspruch auf die Feststellung des Bestehens eines nationalen Abschiebungsverbots (V.). Dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsbeweisantrag ist nicht zu entsprechen (VI.).
I.
24 
Für die Beurteilung des Begehrens des Klägers ist auf den Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat abzustellen (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 1 AsylG). Maßgeblich in rechtlicher Hinsicht ist deshalb das zuletzt durch Art. 6 des Integrationsgesetzes vom 31.07.2016 (BGBl I S. 1939) geänderte Asylgesetz.
25 
Die erstinstanzlich gestellten Klageanträge sind im Hinblick auf die aktuelle Rechtslage, insbesondere auf die seit 01.12.2013 geltenden §§ 3 ff. AsylG (vgl. Art. 1 des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28.08.2013, BGBl I S. 3474), wie folgt zu verstehen und entsprechend in der mündlichen Verhandlung gestellt worden:
26 
Der auf die Verpflichtung zur Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a GG und zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gerichtete Hauptantrag ist weder durch die genannte noch durch sonstige Gesetzesnovellen berührt worden.
27 
Der auf die Feststellung des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG in der zum Zeitpunkt des Ergehens des verwaltungsgerichtlichen Urteils geltenden Fassung gerichtete erste Hilfsantrag ist nunmehr als Antrag auf die Verpflichtung zur Gewährung subsidiären Schutzes auszulegen. Denn in § 60 Abs. 2 Satz 1 AufenthG sind die bisher in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG enthaltenen Abschiebungsverbote zusammengefasst worden (vgl. BT-Drs. 17/13063, S. 25).
28 
Der auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG „höchsthilfsweise“ gestellte Hilfsantrag kann ohne Änderung weiterverfolgt werden; die Vorschriften sind nicht geändert worden.
II.
29 
Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 4 AsylG.
30 
1. Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG oder das Bundesamt hat nach § 60 Abs. 8 Satz 3 AufenthG von der Anwendung des § 60 Abs. 1 AufenthG abgesehen. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl 1953 II S. 559), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugungen oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
31 
Nach § 3a Abs. 1 AsylG (vgl. auch Art. 9 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13.12.2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes, ABl EU L 337/9; so genannte Qualifikationsrichtlinie - QRL -) gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG Handlungen, die 1. auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 EMRK keine Abweichung zulässig ist, oder 2. in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Nach § 3a Abs. 2 AsylG (vgl. Art. 9 Abs. 2 QRL) können als Verfolgung im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG u. a. gelten: 1. die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, 2. gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, 3. unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, 4. Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, 5. Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen, 6. Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind. Nach § 3a Abs. 3 AsylG (vgl. Art. 9 Abs. 3 QRL) muss zwischen den Verfolgungsgründen und den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1128/14 - juris Rn. 24 a.E.).
32 
Die Verfolgung kann nach § 3c AsylG (vgl. Art. 6 QRL) ausgehen von 1. dem Staat, 2. Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder 3. nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, im Sinne des § 3d AsylG (vgl. Art. 7 QRL) Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
33 
Der Charakter einer Verfolgungshandlung erfordert, dass das Verhalten des betreffenden Akteurs im Sinne einer objektiven Gerichtetheit auf die Verletzung eines nach § 3a AsylG (Art. 9 QRL) geschützten Rechtsguts selbst zielt (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1128/14 - juris Rn. 26 m.w.N.).
34 
Der für die Beurteilung zugrunde zu legende Prognosemaßstab ist der der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1128/14 - juris Rn. 27 ff.). Die relevanten Rechtsgutsverletzungen müssen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser aus dem Tatbestandsmerkmal „aus der begründeten Furcht vor Verfolgung“ des Art. 2 Buchstabe d QRL abzuleitende Maßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr abstellt („real risk“); dieser Maßstab ist kein anderer als der der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - BVerwGE 146, 67 Rn. 32 = NVwZ 2013, 936 Rn. 32). Er setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des gesamten zur Prüfung gestellten und relevanten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände die dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine qualifizierende bzw. bewertende Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines vernünftig denkenden und nicht übertrieben furchtsamen Menschen gerade in der Lage des konkreten Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar einzuschätzen ist. Unzumutbar kann eine Rückkehr in den Heimatstaat auch dann sein, wenn ein mathematischer Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50 Prozent für eine politische Verfolgung gegeben ist. In einem solchen Fall reicht zwar die bloße theoretische Möglichkeit einer Verfolgung nicht aus. Ein vernünftig denkender Mensch wird sie außer Betracht lassen. Ergeben jedoch die Gesamtumstände des Falls die „reale Möglichkeit“ einer flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Ein verständiger Betrachter wird bei der Abwägung aller Umstände daneben auch die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in seine Betrachtung einbeziehen. Wenn nämlich bei quantitativer Betrachtungsweise nur eine eher geringere mathematische Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung besteht, kann es auch aus der Sicht eines besonnenen Menschen bei der Überlegung, ob er in seinen Heimatstaat zurückkehren kann, einen ganz erheblichen Unterschied bedeuten, ob er z. B. lediglich eine Gefängnisstrafe von einem Monat oder aber Folter oder gar die Todesstrafe riskiert. Auch gilt: Je unabwendbarer eine drohende Verfolgung erscheint, desto unmittelbarer steht sie bevor. Je schwerer der befürchtete Verfolgungseingriff ist, desto weniger kann es dem Gefährdeten zugemutet werden, mit der Flucht zuzuwarten, bis der Verfolger unmittelbar vor der Tür steht. Das gilt auch dann, wenn der Eintritt der befürchteten Verfolgung von reiner Willkür abhängt, das befürchtete Ereignis somit im Grunde jederzeit eintreten kann, ohne dass allerdings im Einzelfall immer gesagt werden könnte, dass dessen Eintritt zeitlich in nächster Nähe bevorsteht. Die allgemeinen Begleitumstände, z. B. eine Willkürpraxis, die Repressionsmethoden gegen bestimmte oppositionelle oder verwundbare Gruppen, sind allgemeine Prognosetatsachen.
35 
Für die Beurteilung sind alle Akte zu berücksichtigen und einzustellen, denen der Ausländer ausgesetzt war oder die ihm gedroht hatten, um festzustellen, ob unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände diese Handlungen als Verfolgung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 QRL gelten können.
36 
Zur Erstellung der erforderlichen Prognose sind objektiviert die Prognosetatsachen nach den allgemeinen Maßstäben des verwaltungsverfahrensrechtlichen und verwaltungsgerichtlichen Regelbeweismaßes der Überzeugungsgewissheit zu ermitteln und festzustellen. Diese Tatsachen liegen regelmäßig teils in der Vergangenheit, teils in der Gegenwart. Sie müssen sodann in einer Gesamtschau verknüpft und gewissermaßen in die Zukunft projiziert werden. Auch wenn insoweit - wie sich bereits aus dem Gefahrbegriff ergibt - eine beachtliche Wahrscheinlichkeit ausreicht und deshalb ein „voller Beweis“ nicht erbracht werden kann, ändert dies nichts daran, dass das Gericht von der Richtigkeit seiner verfahrensfehlerfrei gewonnenen Prognose drohender Verfolgung die volle Überzeugung gewonnen haben muss.
37 
Die Gefahr eigener Verfolgung für einen Ausländer, der die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begehrt, kann sich nicht nur aus gegen ihn selbst gerichteten Maßnahmen ergeben, sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (zur so genannten Gruppenverfolgung vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1128/14 - juris Rn. 30 ff.). Dabei ist je nach den tatsächlichen Gegebenheiten auch zu berücksichtigen, ob die Verfolgung allein an ein bestimmtes unverfügbares Merkmal wie die Religionszugehörigkeit anknüpft oder ob für die Bildung der verfolgten Gruppe und die Annahme einer individuellen Betroffenheit weitere Umstände oder Indizien hinzutreten müssen. Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt - abgesehen von den Fällen eines (staatlichen) Verfolgungsprogramms - ferner eine bestimmte „Verfolgungsdichte“ voraus, welche die „Regelvermutung“ eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen. Ob eine in dieser Weise spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin „wegen“ eines der in § 3b AsylG genannten Merkmale erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten.
38 
Für die Gruppenverfolgung (wie auch für jede Individualverfolgung) gilt weiter, dass sie mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, d. h. wenn keine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die auch vom Zufluchtsland aus erreichbar sein muss (vgl. § 3e AsylG, Art. 8 QRL).
39 
Diese ursprünglich zum Asylgrundrecht für die unmittelbare und die mittelbare staatliche Gruppenverfolgung entwickelten Grundsätze können prinzipiell auf die Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure übertragen werden, wie sie durch § 3c Nr. 3 AsylG (vgl. Art. 6 Buchstabe c QRL) ausdrücklich als flüchtlingsrechtlich relevant geregelt ist.
40 
Ob Verfolgungshandlungen das Kriterium der Verfolgungsdichte erfüllen, ist von den Tatsachengerichten aufgrund einer wertenden Betrachtung im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung zu entscheiden. Dabei muss zunächst die Gesamtzahl der Angehörigen der von Verfolgungshandlungen betroffenen Gruppe ermittelt werden. Weiter müssen Anzahl und Intensität aller Verfolgungsmaßnahmen, gegen die Schutz weder von staatlichen Stellen noch von staatsähnlichen Herrschaftsorganisationen im Sinne des § 3c Nr. 1 und 2 AsylG einschließlich internationaler Organisationen zu erlangen ist, festgestellt und hinsichtlich der Anknüpfung an ein oder mehrere unverfügbare Merkmale im Sinne von § 3b AsylG nach ihrer objektiven Gerichtetheit zugeordnet werden. Alle danach gleichgleichgearteten, auf eine nach denselben Merkmalen zusammengesetzte Gruppe bezogenen Verfolgungsmaßnahmen müssen schließlich zur ermittelten Größe dieser Gruppe in Beziehung gesetzt werden, weil eine bestimmte Anzahl von Eingriffen, die sich für eine kleine Gruppe von Verfolgten bereits als bedrohlich erweist, gegenüber einer großen Gruppe vergleichsweise geringfügig erscheinen kann. Diese Maßstäbe haben auch bei der Anwendung der Richtlinie 2011/95/EU Gültigkeit.
41 
Der der Prognose zugrunde zu legende Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist unabhängig davon, ob bereits Vorverfolgung oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG (vgl. Art. 15 QRL) vorliegt (VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 27.08.2014 - A 11 S 1128/14 - juris Rn. 34 m.w.N.). Die Tatsache, dass ein Ausländer bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden ernsthaft bedroht war, ist allerdings ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Ausländers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden (vgl. Art. 4 Abs. 4 QRL); es besteht die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Den in der Vergangenheit liegenden Umständen wird Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft beigelegt. Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadenstiftenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland wiederholen werden. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden; hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Die nach Art. 4 Abs. 4 QRL maßgebenden stichhaltigen Gründe, die gegen eine erneute Verfolgung sprechen, können bei richtigem Verständnis der Norm letztlich keine anderen Gründe sein als die, die im Rahmen der „Wegfall der Umstände-Klausel“ des Art. 11 Abs. 1 Buchstabe e und f QRL maßgebend sind. Dafür spricht, dass der EuGH diese Grundsätze in einen Kontext mit der „Wegfall der Umstände-Klausel“ gestellt hat. Nur wenn die Faktoren, welche die Furcht des Flüchtlings begründeten, dauerhaft beseitigt sind, die Veränderung der Umstände also erheblich und nicht nur vorübergehend ist, wird die Beweiskraft der Vorverfolgung entkräftet. Würden mit Blick auf ein bestimmtes Herkunftsland statusrechtliche Entscheidungen wegen veränderter Umstände aufgehoben, ist es gerechtfertigt, dem Vorverfolgten im Asylverfahren die Umstände, welche die geänderte Einschätzung der Verfolgungssituation als stichhaltige Gründe leiten, entgegenzuhalten. In diesem Fall bleibt ihm dann die Möglichkeit, unter Hinweis auf besondere, seine Person betreffende Umstände nach Maßgabe des allgemeinen Wahrscheinlichkeitsmaßstabs erneut eine ihn treffende Verfolgung geltend zu machen.
42 
2. Dem Kläger ist die Flüchtlingseigenschaft nicht aus individuellen Verfolgungsgründen zuzuerkennen. Der Senat konnte aufgrund des bisherigen Ablaufs des Asylverfahrens und insbesondere aufgrund der Anhörung des Klägers in der mündlichen Verhandlung und des in ihr von seiner Person gewonnenen Eindrucks nicht die erforderliche Überzeugung davon gewinnen, dass die nach seinem Vorbringen fluchtauslösende Entführung und Erpressung durch die EPDP oder die Karuna-Gruppe der Wahrheit entspricht. Vielmehr spricht nach Auffassung des Senats vieles dafür, dass der Kläger den wahren Grund für seine Ausreise nach wie vor für sich behält.
43 
An der Glaubwürdigkeit des Klägers bestehen zunächst aus dem Grund ganz erhebliche Zweifel, dass er im zeitlichen Zusammenhang mit seiner Einreise im September 2008 nicht miteinander in Einklang zu bringende Angaben zu den Gründen seiner Flucht gemacht hat. So gab er bei der Bundespolizei im Wesentlichen an, er habe schon seit zwei Jahren versucht, Sri Lanka zu verlassen, sei seit über zehn Jahren Mitglied der LTTE, habe lange Zeit das sri-lankische Militär mit Bargeld bestochen und müsse damit rechnen, vom Militär grundlos verhaftet zu werden. Von einer Entführung und Erpressung durch Mitglieder tamilischer regierungsnaher Organisationen war nicht im Ansatz die Rede. Es besteht für den Senat keine Veranlassung, daran zu zweifeln, dass der Kläger die in den Wortprotokollen über die Vernehmungen niedergelegten Angaben gemacht hat. Nicht zuletzt wurden die Vernehmungen, bei denen ein Dolmetscher für die tamilische Sprache eingebunden war, ausweislich von beigefügten Vermerken dem Kläger vorgelesen und von ihm genehmigt. Plausible Gründe dafür, dass die Vernehmungen unrichtig wiedergegeben worden sein könnten, hat der Kläger im Übrigen auch in der mündlichen Verhandlung nicht gemacht; er hat sich - darauf angesprochen - mehrmals darauf beschränkt zu bestreiten, die in den Protokollen festgehaltenen Angaben gemacht zu haben. Eine ganz andere Verfolgungsgeschichte hat der Kläger dann in seiner Anhörung beim Bundesamt erzählt: Grund für seine Ausreise sei gewesen, dass Leute ihn mitgenommen und von ihm Geld verlangt hätten; dann hätten sie ihn wieder gehen lassen. Auf Nachfragen des Anhörenden berichtete er unter anderem, die Entführung habe am 14.04.2008 stattgefunden, er sei sechs Tage in einem Haus festgehalten und ihm sei dann eine dreimonatige Zahlungsfrist gewährt worden.
44 
Die angebliche Entführung und Erpressung hat der Kläger dann auch in der mündlichen Verhandlung als Ereignis genannt, das bei ihm erst den Entschluss zur Flucht ins Ausland hat reifen lassen. Allerdings konnte er dem Senat nicht den Eindruck vermitteln, von etwas tatsächlich Erlebtem zu berichten; es spricht vielmehr viel dafür, dass der Kläger ein Schicksal, das andere Personen erlitten haben, auf sich projiziert hat. Auf die eingangs seiner Anhörung gestellte Frage nach dem Grund seiner Ausreise nannte der Kläger in einigen wenigen Sätzen lediglich Eckpunkte der angeblichen Entführung und Erpressung. Wesentlich ausführlicher, detailreicher und nach Einschätzung des Senats durchaus glaubhaft wurden dann erst die Schilderungen seines Reisewegs, auf die sich die Fragestellung indes überhaupt nicht erstreckte. Die gezielten Nachfragen brachten dann auch keine Ausführungen, die den Schluss zulassen könnten, dass sich das Geschehen tatsächlich so wie vom Kläger behauptet ereignet hat. In diesem Zusammenhang merkt der Senat an, dass ihm selbstverständlich bewusst ist, dass die Erinnerung an Ereignisse mit zunehmendem Zeitablauf nachlässt; allerdings wäre die vom Kläger behauptete Entführung und Erpressung ein so einschneidendes Ereignis gewesen, dass auch nach über acht Jahren zu erwarten gewesen wäre, dass der Kläger zumindest einige für die Richtigkeit seiner Angaben sprechende Details hätte schildern können. Das hat er indes nicht getan. Auf die gezielten Fragen antwortete er meist wortkarg. Einzelheiten zu dem Raum etwa, in dem er immerhin sechs Tage festgehalten worden sein will, konnte er mit Ausnahme solcher, die letztlich nur ein geringes Maß an Einfallsreichtum erfordern (angebliche Größe, weiße Wandfarbe, Licht an der Decke) nicht liefern. Angaben dazu, ob der Raum Fenster hatte, wie er möbliert war und dabei insbesondere, ob er eine als solche zu bezeichnende Schlafgelegenheit hatte, wie sie eigentlich zu erwarten gewesen wären, machte der Kläger nicht. Auf die Forderungen der Entführer angesprochen verwies der Kläger stets nur auf deren Verlangen von Geld. Mit welchen Nachteilen die Entführer für den Fall der Nichtzahlung gedroht haben, war dem Kläger keiner nähren Erwähnung wert. Blass blieben auch die Ausführungen zu der angeblichen Folter. Nachdem er zunächst lediglich die Behauptung von Folter in den Raum gestellt hatte, verwies er auf Nachfrage nur darauf, dass er geschlagen worden sei. Auf weitere Nachfrage gab er sodann an, er sei mit Stiefeln getreten und mit einem Holzknüppel geschlagen worden. Wie viele Personen ihn angeblich geschlagen und getreten haben, welche Körperstellen betroffen waren und ob und welche Verletzungen er infolge der Misshandlungen erlitten hat, blieb unerwähnt. Hinzu kommt, dass es sich insoweit um gesteigertes Vorbringen handelt, da der Kläger die Thematik „Folter“ erstmals vor dem Senat erwähnt hat. Auf entsprechenden Vorhalt hat er lediglich erklärt, er sei wohl bei seiner Anhörung nicht ausdrücklich danach gefragt worden. Sollte er allerdings tatsächlich gefoltert worden sein, erscheint es fernliegend, dass er auf diesen Umstand nicht von sich aus hingewiesen hätte.
45 
Gegen die Glaubhaftigkeit der Angaben zu seinem Verfolgungsschicksal sprechen auch seine Angaben zu dem weiteren Geschehen nach seiner angeblichen Freilassung. Davon, dass die Erpresser bereits im Juni 2008 bei ihm zu Hause vorbeigekommen seien, wie er es in seiner Anhörung beim Bundesamt erzählt hat, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung nicht berichtet. Vielmehr verwies er darauf, dass die Erpresser seine bisherige Unterkunft am 20.07.2008, dem Tag des angeblichen Fristablaufs, aufgesucht hätten. Diese Angabe passt allerdings in keiner Weise zu den Ausführungen seiner Ehefrau in dem dem Bundesamt vorgelegten Brief vom 15.10.2008, wonach die Entführungsbande jetzt häufiger zu ihr nach Hause komme. Erst nach zahlreichen, eindringlichen Nachfragen, nicht zuletzt seines Prozessbevollmächtigten, gab der Kläger an, dass es auch nachfolgend - zuletzt im Jahr 2009 oder im Jahr 2010 - Probleme gegeben habe. In diesem Zusammenhang hat der Kläger auch einerseits angegeben, seine Ehefrau lasse sich durch ihren Bruder bei Besuchen der Erpresser verleugnen. Andererseits gab der Kläger an, es gebe Probleme, wenn die Erpresser seine Ehefrau sehen.
46 
Offenbleiben kann nach Vorstehendem, ob die Entführung und Erpressung überhaupt von flüchtlingsschutzrelevanter Bedeutung gewesen wären. In Betracht käme hier lediglich eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure (vgl. § 3c Nr. 3 AsylG). Der Kläger hat auf die Frage, weshalb er als Opfer der Entführung und Erpressung ausgewählt worden sei, geantwortet, dies sei geschehen, weil er wohlhabend gewesen sei. Diese Aussage ist zunächst erstaunlich, will der Kläger die - nach seiner Angabe in der mündlichen Verhandlung, die nicht mit der Angabe in der Anhörung beim Bundesamt übereinstimmt (damals: drei Millionen Rupien) - für die Organisation der Ausreise gezahlten zwei Millionen Rupien insbesondere durch den Verkauf von Goldschmuck seiner Frau und die Aufnahme eines Darlehens aufgebracht haben. Der Aussage lässt sich aber vor allem entnehmen, dass sich der Kläger zumindest im Wesentlichen als Opfer krimineller Machenschaften sah; eine Verbindung mit seiner tamilischen Volkszugehörigkeit oder gar seiner behaupteten Unterstützungstätigkeiten für die LTTE war für den Senat nicht erkennbar.
47 
Eine staatliche Verfolgung hat der Kläger schon nicht als Grund für seine Ausreise behauptet. Nicht zuletzt da dem Kläger offensichtlich ohne Probleme ein Reiseausweis ausgestellt wurde und er legal und ungehindert das Land verlassen konnte, bestehen hierfür auch keine hinreichenden Anhaltspunkte. Die vom Kläger erst auf Nachfragen angeführten Unterstützungstätigkeiten für die LTTE (Helfen beim Aufbauen und Dekorieren einer Bühne) waren, die Richtigkeit der Angaben unterstellt, allenfalls von untergeordneter Bedeutung. Dass er konkret durch sie ins Visier der Sicherheitskräfte geraten sein könnte, hat er bei seiner Anhörung in der mündlichen Verhandlung gerade nicht vorgetragen. Es blieb insoweit bei der allgemein gehaltenen Behauptung, Armeeangehörige hätten die Veranstaltungen an den Großheldentagen überwacht.
48 
3. Auch eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft wegen Gruppenverfolgung kommt nicht in Betracht.
49 
Tamilen waren zum Zeitpunkt der Ausreise des Klägers im August 2008 keiner Gruppenverfolgung ausgesetzt (dazu a). Sie sind es auch heute nicht (dazu b).
50 
a) Die Lage in Sri Lanka stellt sich im Hinblick auf den Asylantrag des Klägers und bezogen auf den Zeitpunkt seiner Ausreise im Wesentlichen wie im Urteil des erkennenden Gerichtshofs vom 09.11.2010 (A 4 S 703/10, juris) bezogen auf das Jahr 2007 dar. Dort heißt es (a.a.O. Rn. 46 ff.):
51 
Die Lage in Sri Lanka stellte sich 2007 nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnissen wie folgt dar:
52 
In Sri Lanka lebten 2007 geschätzt 20,01 Millionen Menschen. Der Anteil der tamilischen Bevölkerung lag ungefähr bei 10 % (Fischer-Weltalmanach 2010, S. 474). Nach den Angaben des Ministeriums für Volkszählung und Statistik lebten 2006 im Großraum Colombo 2.251.274 Einwohner, davon waren 247.739 tamilische Volkszugehörige sri-lankischer Staatsangehörigkeit und 24.821 indische Tamilen (vgl. UK Home Office, Country of Origin Report Sri Lanka vom 15.11.2007, S. 122, Nr. 20.13).
53 
Die innenpolitische Lage Sri Lankas war von dem jahrzehntelangen ethnischen Konflikt zwischen Singhalesen und Tamilen bestimmt. Das Waffenstillstandsabkommen zwischen der Regierung [und] der tamilischen Rebellenorganisation Liberation Tigers of Tamil Eelam (LTTE) aus dem Februar 2002 war von Präsident Rajapakse im Januar 2008 offiziell aufgekündigt worden, nachdem es von beiden Seiten seit langem nicht mehr eingehalten worden war. Bereits ab November 2005 war es zu einer drastischen Zunahme von Waffenstillstandsverletzungen durch die LTTE und die im Jahr zuvor von ihr abgespaltene, mit der Regierung kollaborierende Karuna-Gruppe unter „Oberst Karuna“ (Muralitharan Vinayagamurthi), einem ehemaligen Vertrauten des LTTE-Führers Prabahakaran, gekommen. Seit April 2006 hatte die Regierung versucht, die LTTE, die zu diesem Zeitpunkt noch den Norden und Osten des Landes kontrollierte, mit offensiven Maßnahmen zurückzudrängen. Ab Mitte 2006 war es dann zu großflächigen, längeren Kampfhandlungen gekommen. Unterstützt von den paramilitärischen Einheiten der Karuna-Gruppe, die sich als Vertretung der Ost-Tamilen verstand, konnten die Streitkräfte im Juli 2007 nach den vorhergehenden Rückzug der LTTE-Soldaten die letzten von der LTTE gehaltenen Stellungen im Osten Sri Lankas einnehmen (Lagebericht des AA vom 07.04.2009, Stand März 2009, S. 5).
54 
Eine systematische und direkte Verfolgung bestimmter Personen oder Personengruppen wegen Rasse, Nationalität oder politischer Überzeugung von Seiten der Regierung fand seit dem Waffenstillstandsabkommen von 2002 nicht statt (Lageberichte des AA vom 26.06.2007, Stand Juni 2007, S. 6 und vom 05.02.2008, Stand Februar 2008, S. 7). Allerdings standen Tamilen im Generalverdacht, die LTTE zu unterstützen, und mussten mit staatlichen Repressionen rechnen. Sie wurden nicht allein aufgrund ihrer ethnischen Zugehörigkeit systematisch verfolgt. Sie sind aber - durch ihre tamilische Sprache und die entsprechenden Einträge in Ausweiskarten für die Sicherheitskräfte leicht identifizierbar - in eine Art Generalverdacht der Sicherheitskräfte geraten. Die ständigen Razzien, Pkw-Kontrollen und Verhaftungen bei Vorliegen schon geringster Verdachtsmomente richteten sich vor allem gegen Tamilen. Durch die Wiedereinführung des „Terrorism Prevention Act“ Ende 2006 - ein Notstandsgesetz, das Verhaftungen ohne Haftbefehl und eine Inhaftierung bis zu 18 Monaten erlaubt, wenn die Behörden insbesondere den Verdacht terroristischer Aktivitäten haben (vgl. SFH, Sri Lanka, Aktuelle Situation, Update vom 11.12.2008, S. 3) - war die richterliche Kontrolle solcher Verhaftungen kaum mehr gewährleistet. Wer verhaftet wurde, musste mit längerer Inhaftierung rechnen, ohne dass es zu weiteren Verfahrensschritten oder gar einer Anklageerhebung hat kommen müssen (Lagebericht des AA vom 05.02.2008, Stand Februar 2008, S. 8). So wurden am 30. und 31.12.2005 im Rahmen der von Militär und Polizei in Colombo durchgeführten Operation „Strangers Night III.“ 920 Personen, die weit überwiegende Mehrheit Tamilen, verhaftet (Human Rights Watch, Return to War - Human Rights under Siege - August 2007, S. 74).
55 
Der Hohe Flüchtlingskommissar der Vereinten Nationen (UNHCR) hat in seiner Stellungnahme zum Bedarf an internationalem Schutz von Asylsuchenden aus Sri Lanka vom 01.02.2007, die eine Zusammenfassung und Teilübersetzung der „UNHCR Position on the International Protection Needs of Asylum-Seekers from Sri Lanka (December 2006)“ enthält, unter anderem ausgeführt, dass von der sich dramatisch verschlechternden Menschenrechtslage im besonderem Maße Tamilen aus dem Norden und Osten des Landes betroffen seien. Aus der Stellungnahme ergibt sich, dass bei dem Verdacht, dass sie Verbindungen zur LTTE unterhalten, Menschenrechtsverletzungen durch die staatlichen Behörden oder mutmaßlich von der Regierung gestützte Paramilitärs drohten (S. 2). Für Tamilen aus Colombo bestand aufgrund der im April bzw. Dezember 2006 drastisch verschärften Sicherheitsbestimmungen ein erhöhtes Risiko, willkürlichen, missbräuchlichen Polizeimaßnahmen - insbesondere Sicherheitskontrollen, Einschränkungen der Bewegungsfreiheit, Hausdurchsuchungen oder Leibesvisitationen - unterworfen zu werden. Tamilen aus Colombo waren darüber hinaus besonders gefährdet, Opfer von Entführungen, Verschleppungen oder Tötungen zu werden. Zwischen dem 20.08.2006 und dem 02.09.2006 waren Presseberichten zufolge mehr als 25 Tamilen entführt worden, nur zwei Personen waren bis zum Dezember 2006 wieder freigekommen (S. 2 f.). Diese Maßnahmen zur Bekämpfung der dauernden Bedrohung durch terroristische Attacken im Großraum Colombo waren teilweise für die gesamte tamilische Minderheit bedrohlich und stellten ihre Sicherheit in Frage. Extralegale Tötungen, die seit jeher Teil des Konflikts gewesen waren, wurden seit Dezember 2005 auch in signifikanter Zahl von Regierungsseite verübt. Viele Taten sind an gewöhnlichen Personen begangen worden, die kaum erkennbar in Verbindung zu dem Konflikt standen. Teilweise handelte es sich um Teile eines Musters, die LTTE anzugreifen, teilweise geschahen sie aus politischen Motiven. Sie konnten aber auch einen kriminellen Hintergrund haben (Asylsuchende aus Sri Lanka, Position der SFH vom 01.02.2007 S. 5).
56 
Die International Crisis Group hat in ihrem Bericht vom 14.06.2007 (Sri Lanka’s Human Rights Crisis, Asia Report N. 135) unter anderem festgehalten, dass die Anzahl der Verschwundenen in den letzten achtzehn Monaten nur schwerlich mit Sicherheit festzustellen sei. Verschiedene verlässliche Quellen berichteten von mehr als 1.500 Betroffenen, wobei das Schicksal von mindestens 1.000 Personen unklar gewesen sei. Die höchste Anzahl von Betroffenen sei in den von der Regierung kontrollierten Bereichen Jaffnas festzustellen gewesen. Dort seien 731 Fälle registriert worden, in 512 Fällen gebe es noch keine Aufklärung. Im Großraum Colombo sei es zu mehr als 70 berichteten Fällen von Entführungen und des Verschwindenlassens gekommen. Die meisten der Betroffenen seien junge tamilische Volkszugehörige gewesen, die der Zusammenarbeit mit der LTTE verdächtigt worden seien. Auch eine Vielzahl von Personen ohne Verbindung zur LTTE seien Opfer dieses Verschwindenlassens geworden.
57 
Human Rights Watch (HRW) geht in seinem Bericht aus dem August 2007 (Return to War - Human Rights under Siege -) davon aus, dass Entführungen und Fälle des Verschwindenlassens seit August 2006 auch in Colombo zu einer weitverbreiteten Erscheinung geworden seien. Die Organisation gelangt auf der Grundlage von Gesprächen mit 26 Familien von verschwundenen Personen zu dieser Aussage (S. 53 f.). Landesweit geht HRW für den Zeitraum vom 14.09.2006 bis zum 25.02.2007 von 2.020 Fällen Entführter oder sonst verschwundener Personen aus. „Ungefähr 1.134 Personen“ seien lebend wieder aufgefunden worden, die anderen seien weiterhin vermisst (S. 7).
58 
Nach dem Country Report on Human Rights Practices zu Sri Lanka des U.S. Department of State 2007 vom 11.03.2008 waren extralegale Tötungen in Jaffna an der Tagesordnung. Zwischen dem 30.11.2007 und dem 02.12.2007 sind nach zwei Bombenangriffen der LTTE in und um Colombo beinahe 2.500 tamilische Volkszugehörige in der Hauptstadt und geschätzte 3.500 Tamilen im ganzen Land verhaftet worden. Die Inhaftierten, überwiegend männliche tamilische Zivilisten sollen allein aufgrund ihrer tamilischen Nachnamen verhaftet worden sein. Die überwiegende Mehrheit von ihnen wurde bald wieder freigelassen. Zum Jahreswechsel waren nur noch zwölf von 372 im Boosa detention camp Inhaftierten in Gewahrsam.
59 
Aus diesen Erkenntnissen lässt sich selbst dann, wenn alle Angaben zutreffen sollten, zum Zeitpunkt der Ausreise des Klägers Ende November 2007 nicht auf eine Gruppenverfolgung der Gruppe der (jüngeren männlichen) Tamilen schließen. Ein staatliches Verfolgungsprogramm lässt sich nicht feststellen. Nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amts wurde keine Volksgruppe gezielt allein wegen eines unveränderlichen Merkmals verfolgt. Die Anzahl der festzustellenden Übergriffe lässt nicht ohne weiteres auf die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit eines jeden Gruppenmitglieds schließen. Selbst wenn alle Übergriffe im Großraum Colombo zwischen November 2005 und Dezember 2007 dem sri-lankischen Staat zuzurechnen wären - tatsächlich sind dabei auch Übergriffe der LTTE und „rein kriminelle Übergriffe“ mit dem Ziel der Lösegelderpressung unter den registrierten Fällen - und alle Inhaftierungen - auch die von bloß kurzer Dauer von nicht mehr als drei Tagen - gezählt werden, ist das Verhältnis von 3.400 Verhaftungen zu mehr als 240.000 tamilischen Einwohnern angesichts des Zeitraums von zwei Jahren nicht geeignet, eine Regelvermutung der Gefährdung eines jeden Gruppenmitglieds zu rechtfertigen. Zieht man darüber hinaus in Betracht, dass 2.500 der Inhaftierten nach kurzer Zeit wieder freigelassen worden sind und damit keine Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 RL 2004/83/EG erdulden mussten, ergibt sich eine Betroffenheit von 0,3 % der gesamten tamilischen Bevölkerung. Dieser - für die Bewertung des Standards der Achtung der Menschenrechte insoweit gleichwohl hohe - Prozentsatz der Betroffenen innerhalb eines Zweijahreszeitraums führt nicht zum Schluss auf die erforderliche aktuelle Gefahr der Betroffenheit jedes Gruppenmitglieds.
60 
Zu einer anderen Beurteilung bezogen auf den Zeitpunkt August 2008 besteht kein Anlass. Auch der Kläger hat nichts vorgetragen, was eine abweichende Beurteilung rechtfertigen würde.
61 
b) Die Lage in Sri Lanka stellt sich im Hinblick auf den Asylantrag des Klägers derzeit wie folgt dar:
62 
aa) Bezogen auf den Zeitpunkt November 2010 führte der erkennende Gerichtshof in seinem Urteil vom 09.11.2010 aus (a.a.O. Rn. 57 ff.):
63 
Am 19.05.2009 hat der sri-lankische Staatspräsident Mahinda Rajapakse in einer Parlamentsansprache den Sieg der Regierungstruppen über die tamilische Separatistenorganisation LTTE verkündet. Tags zuvor war nach den Angaben des Militärs bei einem der letzten Gefechte der LTTE-Anführer Velupillai Prabhakaran ums Leben gekommen, nachdem zuvor fast die gesamte militärische und politische Führung der LTTE umgekommen war. Der seit 1983 mit Unterbrechungen währende Bürgerkrieg war damit beendet (Lagebericht des AA vom 02.09.2009, Stand: August 2009, S. 6). Hunderttausende Menschen mussten während des Bürgerkriegs ihre Heimatorte im tamilischen Norden und Osten des Landes verlassen. Als Binnenvertriebene suchten sie Zuflucht in weniger gefährdeten Gebieten des Landes. Viele entschieden sich auch dafür, ins Ausland zu gehen. In der Ostprovinz konnten die Binnenvertriebenen inzwischen bis auf einige Ausnahmen in ihre Heimatgemeinden zurückkehren (Lagebericht des AA vom 16.06.2010, Stand: Juni 2010, S. 8). Rund 300.000 Zivilpersonen waren in den letzten Monaten des Bürgerkriegs im von der LTTE gehaltenen, kontinuierlich schrumpfenden Gebiet eingeschlossen. Notgedrungen zogen sie mit den LTTE-Verbänden mit und waren in der zuletzt nur wenige Quadratkilometer ausmachenden Kampfzone im Nordwesten des Landes allen Schrecken dieser Kämpfe ausgesetzt. Nach deren Beendigung brachte sie die Armee in geschlossenen Lagern hauptsächlich in Vavuniya im nördlichen Vanni unter, zu denen nationale und internationale Hilfsorganisationen lange nur eingeschränkt Zugang hatten. Die Regierung begründete diese Lagerunterbringung mit der Notwendigkeit, sich unter den Binnenvertriebenen verbergende ehemalige LTTE-Kämpfer herauszufiltern, und der Unmöglichkeit, die Betroffenen in noch verminte Heimatorte zurückkehren zu lassen. Einigen wenigen wurde die Rücksiedlung im Juni 2009 gestattet. Im August 2009 begann dann sehr zögerlich ein Rücksiedlungsprozess, der im Oktober größeren Umfang annahm und sich ab Dezember wieder verlangsamte, da die Herkunftsorte der Verbliebenen (im Juni 2010 waren noch knapp 60.000 Personen in Lagern untergebracht) noch erheblich zerstört und vermint sind. Einem gesonderten Regime unterliegen die geschlossenen, so genannten „Rehabilitationslager“, in denen rund 8.000 ehemalige LTTE-Kämpfer (bzw. Personen, die insoweit verdächtigt werden) untergebracht sind. Zu diesen Lagern haben weder das IKRK noch Hilfsorganisationen Zugang. Die Antiterrorgesetze von 1979 (Prevention of Terrorism Act) haben weiter Bestand. Die umfangreichen Sicherheitsvorkehrungen insbesondere in Colombo, einschließlich der zahlreichen Kontrollpunkte von Polizei und Militär, werden aufrecht erhalten (Lagebericht des AA vom 16.06.2010, Stand: Juni 2010, S. 9 f.).
64 
Zu den Insassen der „Rehabilitationslager“ hat Human Rights Watch festgestellt, dass zwar die meisten der Verdächtigten in den letzten Wochen der Kampfhandlungen und in der Zeit unmittelbar danach inhaftiert worden seien, dass aber auch neue Inhaftierungen, nämlich im Oktober 2009, erfolgt seien (Human Rights Watch, Legal Limbo - The Uncertain Fate of Detained LTTE Suspects in Sri Lanka, Februar 2010, S. 6).
65 
In unterschiedlichen Bereichen kommt es zu staatlichen repressiven Maßnahmen, die Anzeichen für eine systematische Verfolgung bestimmter Personen oder Personengruppen wegen ihrer Rasse, Nationalität, Religion oder politischer Überzeugung aufweisen. Davon sind nicht nur Tamilen betroffen, sondern auch regierungskritische Singhalesen. So werden oppositionelle Parlamentsabgeordnete, die der Regierung gefährlich werden können, unter fadenscheinigen Vorwürfen verhört, verhaftet oder bedroht. Der Generalverdacht, dass jeder Tamile ein Anhänger, Unterstützer oder gar Mitglied der LTTE war und ist, wird im singhalesischen Teil der Gesellschaft von vielen geteilt, insbesondere bei den staatlichen Sicherheitskräften (Lagebericht des AA vom 16.06.2010, Stand: Juni 2010, S. 10 f.).
66 
Für eine systematische Verfolgung von Tamilen allein wegen ihrer ethnischen Zugehörigkeit gibt es keine Anhaltspunkte, sie müssen aber - durch ihre tamilische Sprache und die entsprechenden Einträge in Ausweiskarten für die Sicherheitskräfte leicht identifizierbar - jederzeit mit staatlichen Repressionen rechnen. Die ständigen Razzien und Hausdurchsuchungen, schikanösen Behandlungen (Beleidigungen, langes Warten, exzessive Kontrolle von Fahrzeugen, Erpressung von Geldbeträgen) bei den zahlreichen Polizeikontrollen im Straßenverkehr und Verhaftungen richten sich vor allem gegen Tamilen, wobei aus dem Norden und Osten stammende Tamilen darunter noch in höherem Maße zu leiden haben. Durch Anwendung des Prevention of Terrorism Act ist die richterliche Kontrolle solcher Verhaftungen kaum mehr gewährleistet. Wer verhaftet wird, muss mit längerer Inhaftierung rechnen, ohne dass es zu weiteren Verfahrensschritten oder einer Anklageerhebung kommen muss. Die Situation hat sich seit Beendigung der Kampfhandlungen nicht verbessert (Lagebericht des AA vom 16.06.2010, Stand: Juni 2010, S. 11).
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Ein Asylantrag im Ausland, der von vielen in Sri Lanka als legitimer Versuch angesehen wird, sich einen Aufenthaltsstatus zu verschaffen, begründet in aller Regel noch keinen Verdacht, der LTTE nahe zu stehen. Rückkehrer, die aus den nördlichen oder östlichen Landesteilen stammen und sich nun erstmals in Sri Lanka niederlassen wollen, müssen indes einen Anfangsverdacht und entsprechendes Misstrauen bis zu Schikanen durch die Sicherheitsorgane gegenwärtigen. Mindestens ebenso stark steht unter Verdacht, wer bereits früher als Anhänger der LTTE auffällig geworden war. Das Ende der Kampfhandlungen hat diesbezüglich nicht zu einer Entspannung geführt. Am 26.05.2010 wurde am Flughafen Colombo bei der Einreise eine in Deutschland ansässige Sri-Lankerin unter dem Verdacht der LTTE-Unterstützung festgenommen, die nach Erkenntnissen der Sicherheitsbehörden in Deutschland für die LTTE Gelder eingesammelt und im Frühjahr letzten Jahres Demonstrationen organisiert haben soll. Belastbaren Berichten anderer Botschaften zufolge gibt es Einzelfälle, in denen zurückgeführte Tamilen nach Ankunft in Colombo unter LTTE-Verdacht festgenommen wurden (Lagebericht des AA vom 16.06.2010, Stand: Juni 2010, S. 24).
68 
Aus dem „Report of Information Gathering Visit to Colombo, Sri Lanka, 23. bis 29. August 2009“ vom 22.10.2009 des „U.K. Foreign and Commonwealth Office Migration Directorate“ (FCO), für den sowohl staatliche sri-lankische Stellen als auch Nichtregierungsorganisationen befragt wurden, ergibt sich, dass unabhängig von ihrer Volkszugehörigkeit nicht freiwillig nach Sri Lanka zurückkehrende Personen dem Criminal Investigation Department zur Feststellung der Staatsangehörigkeit und Kontrolle des Vorstrafenregisters überstellt werden. Die Befragung kann mehr als 24 Stunden dauern. Die Betroffenen werden erkennungsdienstlich behandelt. Abhängig vom Einzelfall ist eine Überstellung an den Geheimdienst (State Intelligence Service) oder das Terrorist Investigation Department zum Zwecke der Befragung denkbar. Jeder, der wegen eines Vergehens gesucht wird, muss mit seiner Verhaftung rechnen. Vorbestrafte oder Personen mit Verbindungen zur LTTE werden weitergehend befragt und gegebenenfalls in Gewahrsam genommen. Laut Nichtregierungsorganisationen würden Tamilen aus dem Norden und Osten des Landes einer genaueren Überprüfung als andere unterzogen. Verschiedene Faktoren, nämlich ein offener Haftbefehl, Vorstrafen, Verbindungen zur LTTE, eine illegale Ausreise, Verbindungen zu Medien oder Nichtregierungsorganisationen und das Fehlen eines Ausweises (ID Card) oder anderer Personaldokumente, erhöhten das Risiko, Schwierigkeiten bei der Einreise zu bekommen, einschließlich einer möglichen Ingewahrsamnahme (S. 5). Hingegen konnte keine der befragte Quellen angeben, dass sichtbare Narben einen Einfluss auf die Behandlung bei der Einreise haben könnten. Im Falle, dass der Verdacht einer Verbindung zur LTTE bestünde, könnten solche Narben Anlass zu einer Befragung sein, jedoch würden diesbezüglich keine körperlichen Untersuchungen durchgeführt (S. 16).
69 
Überwiegend hätten die Befragten angegeben, dass die Anzahl der Razzien (cordon and search operations) in den letzten Monaten nicht zurückgegangen sei. Es gebe keine Informationen zu der Anzahl möglicher Festnahmen. Grundsätzlich seien junge männliche Tamilen, die aus dem Norden oder Osten des Landes stammten, im Zuge von Razzien einem besonderen Festnahmerisiko ausgesetzt. Die bereits genannten Faktoren erhöhten das Risiko. Tamilen ohne Beschäftigung oder „legitimen Aufenthaltsgrund“ würden ebenfalls mit großer Wahrscheinlichkeit als verdächtig angesehen (S. 5).
70 
Nach ganz überwiegender Meinung der Befragten hat es - wenn überhaupt - seit Juni 2009 nur noch sehr wenige Entführungen / Fälle des Verschwindenlassens gegeben. Die Entführungen erfolgten demzufolge sowohl zur Lösegelderpressung als auch aus politischen Gründen. Die Nichtregierungsquellen stimmten weitgehend darin überein, dass die Sicherheitskräfte in den meisten Fällen in gewisser Weise beteiligt seien und die Polizei keine ernsthaften Ermittlungen durchführe (S. 5 f.). Bei den Straßenkontrollen im Großraum Colombo, die nach Angabe der meisten Befragten nicht nennenswert reduziert worden seien, würde es nur sehr selten zu Festnahmen kommen. Seit Juni 2009 seien keine bekannt geworden.
71 
Der Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 16.06.2010 und der (ältere) Bericht des U.K. Foreign and Commonwealth Office Migration Directorate ergänzen sich. Jedenfalls die hier zitierten allgemeinen Feststellungen (S. 5 f.), die auf mindestens weit überwiegend übereinstimmenden Angaben der Befragten beruhen, sind geeignet, die insoweit knapper gehaltenen Aussagen der Lageberichte zu den Gefährdungen von Tamilen zu illustrieren. Eine Gruppenverfolgung der Gruppe der (jüngeren männlichen) Tamilen (im wehrfähigen Alter) lässt sich auf der Basis der wiedergegebenen Erkenntnisse nicht feststellen. Insbesondere angesichts des Umstands, dass Verhaftungen bei Razzien ebenso selten geworden sind wie an Straßenkontrollpunkten und Fälle des Verschwindenlassens ebenfalls kaum mehr vorkommen, lässt sich eine generelle staatliche oder staatlich tolerierte Verfolgung der Gruppe der Tamilen nicht feststellen. Anderes lässt sich auch nicht aus dem Fortbestehen der „rehabilitation camps“ schließen. Denn jedenfalls gibt es keine Hinweise darauf, dass nach deren Begründung noch Personen in einer für die Annahme einer Gruppenverfolgung aller - jedenfalls der im wehrfähigen Alter befindlichen - Tamilen relevanten Größenordnung in diese Lager verbracht worden sind. Aus dem vom Kläger zitierten Bericht von Human Rights Watch, Legal Limbo, The Uncertain Fate of Detained LTTE Suspects in Sri Lanka, ergibt sich unter Bezugnahme auf den „Indian Express“ vom 28. Oktober 2009, dass mindestens 300 LTTE Kader, die sich unter den Binnenvertriebenen versteckt hätten, verhaftet worden seien. Damit ist weder ein Bezug zu der Gruppe aller Tamilen oder jedenfalls derjenigen im wehrfähigen Alter aufgezeigt noch ergibt sich aus den berichteten Vorkommnissen, dass diese bis zum Tag der mündlichen Verhandlung gleichsam an der Tagesordnung gewesen wären.
72 
Die Einlassung des Klägers, aus dem zitierten Bericht von Human Rights Watch ergebe sich eine Zunahme der Fälle des Verschwindenlassens, vermag stichhaltige Indizien für eine Gruppenverfolgung aller (wehrfähigen) Tamilen nicht darzutun. Den dortigen Ausführungen im Unterkapitel „Concerns about Possible Enforced Disappearances“ sind vielmehr zunächst zwei Einzelfälle des Verschwindens nach Ende des Bürgerkriegs zu entnehmen. Darüber hinaus wird über eine Internierung von Dutzenden von Personen aus dem Lager „Menik Farm“ berichtet. Es wird weiter geschildert, dass das Schicksal der internierten Personen häufig - bis zum Tag des Berichts - unklar geblieben sei. Daraus lässt sich ein erhöhtes Risiko für solche Personen ableiten, die aus Sicht der Behörden im Verdacht stehen, mit der LTTE zusammengearbeitet haben, nicht jedoch eine Gruppenverfolgung aller (jungen männlichen) Tamilen. Der gegen alle Tamilen gerichtete so genannte „Generalverdacht“ führt offenkundig für sich genommen noch nicht regelmäßig zu Übergriffen der Sicherheitsbehörden. Vielmehr kommt es auf individuell gefahrerhöhende Umstände an, bei deren Vorliegen im Einzelfall eine begründete Furcht vor Verfolgung anzunehmen sein kann.
73 
Auch aus dem vom Kläger im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegten Gutachten des European Center for Constitutional and Human Rights „Study on Criminal Accoutability in Sri Lanka as of January 2009“ aus dem Juni 2010 lässt sich die von ihm behauptete Gruppenverfolgung nicht ableiten. Dem Bericht lässt sich entnehmen, dass die Anzahl der in den „welfare centers“ in Gewahrsam gehaltenen Personen von 280.000 (zwischen März 2008 und Juni 2009) bis in den Januar 2010 auf rund 80.000 abgenommen hat. Dem Bericht, der sich mit den Zuständen in den Lagern beschäftigt, ist nicht zu entnehmen, dass sri-lankische Staatsangehörige nach ihrer Wiedereinreise dazu gezwungen worden wären, in solchen Lagern zu leben. Weiter beschäftigt sich das Gutachten unter Zitierung des bereits erwähnten Berichts von Human Rights Watch aus dem Februar 2010 mit der Behandlung von der LTTE-Mitgliedschaft Verdächtigten. Auch diesen Ausführungen ist nichts zu einer anhaltenden Verhaftungswelle - wie sie für die Annahme einer Gruppenverfolgung notwendig wäre - nach Beendigung des Bürgerkriegs und in den folgenden Monaten im Jahr 2009 zu entnehmen.
74 
Schließlich führt insoweit der Verweis des Klägers auf die Lageeinschätzung der International Crisis Group vom 17.02.2010, die sein Prozessbevollmächtigter im „Parallelverfahren“ (A 4 S 693/10) vorgelegt hat, nicht zum Erfolg seiner Klage. Dem Bericht ist zwar zu entnehmen, dass das Vorgehen der Regierung im Norden und Osten des Landes zur Verängstigung und Entfremdung der Minderheiten führe. Das aus dieser Behandlung aber ein systematisches Ausgrenzen der tamilischen Minderheit aus der staatlichen, übergreifenden Friedensordnung im Sinne einer Entrechtung abzuleiten wäre, ergibt sich weder aus diesem Bericht noch aus der Gesamtschau. Ebenso wenig lässt sich ein staatliches Verfolgungsprogramm hinsichtlich aller Tamilen oder auch nur der im wehrfähigen Alter befindlichen Gruppenmitglieder feststellen. Anderes kann möglicherweise für die im Zuge der Beendigung der kriegerischen Auseinandersetzungen unmittelbar in den rehabilitation camps Inhaftierten oder die aus den Flüchtlingslagern „herausgefilterten“, in rehabilitation camps verbrachten Personen gelten. Jedoch ist ein solches systematisches Vorgehen gegenüber etwa in Colombo lebenden Tamilen nicht feststellbar.
75 
Die rechtliche Einschätzung zur fehlenden begründeten Furcht vor einer Gruppenverfolgung entspricht auch der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (Urteile vom 08.07.2009 - 3 A 3295/07.A - und vom 24.08.2010 - 3 A 864/09.A -) und - der Sache nach - des UK Asylum and Immigration Tribunal (TK (Tamils - LP updated) Sri Lanka CG [2009]UKAIT 00049 RdNr. 73).
76 
bb) Erst recht ist die Annahme einer Gruppenverfolgung zum derzeitigen Zeitpunkt (Oktober 2016) nicht gerechtfertigt.
77 
(1) In Sri Lanka leben nach Auskunft des Auswärtigen Amts (Länderinformation, Stand: Februar 2015) 20,7 Millionen Menschen. Der Anteil der Sri-Lanka-Tamilen beträgt 11,2 % (auch Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 7); es ist mithin von etwa 2,3 Millionen Volkszugehörigen auszugehen. „Indian Tamils“ machen 4,2 % der Bevölkerung aus.
78 
Am 08.01.2015 wurde Maithripala Sirisena bei der Präsidentenwahl, bei der die Wahlbeteiligung bei 81,5 % lag, zum Präsidenten Sri Lankas gewählt. Er setzte sich mit 51,28 % der Stimmen gegen den bisherigen Amtsinhaber Rajapaksa durch, der 47,58 % erhielt. Am 17.08.2015 fanden Parlamentswahlen statt, die nach Einschätzung des Auswärtigen Amts frei und fair waren (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 6). Die Tamilenpartei ITAK erhielt 4,62 % der Stimmen und damit 16 Mandate, sie stellt mit Rajavarothiam Sampanthan den Oppositionsführer (a.a.O.).
79 
Mit dem Amtsantritt Sirisenas am 09.01.2015 hat sich die politische Situation in Sri Lanka nach Einschätzung des Auswärtigen Amts (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 5) erheblich zum Positiven verändert. Demokratie und Rechtsstaat seien gestärkt worden. Die Menschenrechte, insbesondere die Presse-, Meinungs- und Versammlungsfreiheit würden wieder respektiert. Die Betätigungsmöglichkeiten der politischen Opposition seien nicht mehr eingeschränkt (a.a.O. S. 7). Menschenrechtsorganisationen hätten größere Freiräume (a.a.O. S. 6). So genannte Verschwundenen-Fälle seien seit dem Amtsantritt der neuen Regierung nicht mehr bekannt geworden (a.a.O. S. 12).
80 
Das Auswärtige Amt merkt in seinem jüngsten Lagebericht aber auch an, dass insbesondere im Norden und Osten noch nicht alle Menschenrechtsverletzungen abgestellt seien (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 5). Einzelne Menschenrechtsvertreter würden dort vom Sicherheitsapparat verfolgt und ihre Gesprächspartner würden gelegentlich noch von Sicherheitskräften ausgefragt (a.a.O. S. 6, auch S. 7; vgl. auch Amnesty Report 2016, Sri Lanka, mit dem Hinweis auf Berichte von Menschenrechtsverteidigern zu Überwachungen durch die Polizei und das Militär im Norden und Osten sowie Befragungen). Die Polizei wende mitunter noch immer unverhältnismäßigen Zwang an (a.a.O. S. 7; vgl. auch Amnesty Report 2016, Sri Lanka, mit dem Hinweis auf Beschwerden über die Anwendung unverhältnismäßiger Gewalt bei Polizeieinsätzen im Zusammenhang mit Demonstrationen). Als Beispiel nennt das Auswärtige Amt die Beendigung friedlicher Studentendemonstrationen mittels Tränengas, Wasserwerfern und Schlagstöcken (a.a.O. S. 7); es verweist zudem auf Angaben Internationaler Organisationen und Presseberichte, wonach Folter weiterhin gelegentlich zur Erpressung von Geständnissen angewandt wird (a.a.O. S. 11; vgl. auch Amnesty Report 2016, Sri Lanka, mit dem Hinweis auf Berichte über Folter und andere Misshandlungen). Auch sollen Misshandlungen bei der Festnahme von Verdächtigen sowie in Gefängnissen weiter vorkommen (a.a.O. S. 12).
81 
Amnesty International (Amnesty Report 2016, Sri Lanka) verweist darüber hinaus auf Berichte über ungeklärte Todesfälle in Polizeigewahrsam; Häftlinge würden häufig an Verletzungen sterben, die den Schluss zuließen, dass sie gefoltert und misshandelt worden seien.
82 
Nach Angaben des Auswärtigen Amts hat die neue Regierung zahlreiche Schritte unternommen, um die Wiederversöhnung zwischen den verschiedenen Gemeinschaften im Land voranzubringen (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 5). Sie suche aktiv den Dialog mit der tamilischen Diaspora (auch a.a.O. S. 10). Amnesty International berichtet zudem darüber (Amnesty Report 2015, Sri Lanka), dass im Jahr 2015 am Jahrestag der Beendigung des bewaffneten Konflikts öffentliche Gedenkfeiern von Tamilen im Wesentlichen erlaubt waren (vgl. auch Human Rights Watch, Sri Lanka After the Tigers, 19.02.2016, mit dem Hinweis, dass Gedenkfeiern für verstorbene Tamilen mittlerweile erlaubt seien), und fügt hinzu, dass über eine starke Polizeipräsenz bei derartigen Zusammenkünften berichtet worden sei (vgl. auch Human Rights Watch, Time to seize the Moment in Sri Lanka, 25.05.2016). Insbesondere Human Rights Watch macht aber auch darauf aufmerksam, dass ein Erfolg versprechender Versöhnungsprozess, der unter anderem auch eine Aufarbeitung der beiderseitigen Kriegsverbrechen beinhaltet, noch nicht wirklich ins Werk gesetzt worden ist (vgl. etwa die Beiträge „Time to seize the Moment“ [25.05.2016] und „Unfinished Business in Sri Lanka“ [01.09.2016]).
83 
Nach Einschätzung des Auswärtigen Amts gibt es gegenüber Tamilen im Norden und Osten seit dem Amtsantritt Sirisenas „keine direkten staatlichen Repressionen mehr“ (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 7). In Sri Lanka gebe es keine diskriminierende Gesetzgebung, Verwaltungspraxis oder Strafverfolgungs- oder Strafzumessungspraxis (a.a.O. S. 8). Der von der Polizei angewendete unverhältnismäßige Zwang richte sich nicht gegen eine bestimmte Gruppe (a.a.O. S. 7). Während die Anwendung von Folter früher vor allem Tamilen betroffen habe, sollen mittlerweile Singhalesen in gleichem Maß betroffen sein (a.a.O. S. 11 unter Berufung auf Berichte von Human Rights Watch und lokale Menschenrechtsorganisationen; Human Rights Watch [Time to seize the Moment in Sri Lanka, 25.05.2016] spricht von „continued reports of the torture of detainees“ [fortgesetzten Berichten über die Folter von Inhaftierten]).
84 
Das Auswärtige Amt führt weiter aus, dass der infolge des langjährigen Bürgerkriegs umfassende Sicherheitsapparat nach Ende des Konflikts 2009 kaum reduziert wurde und insbesondere im Norden und Osten noch stark vertreten ist (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 6, auch S. 7; vgl. auch Human Rights Watch, Unfinished Business in Sri Lanka, 01.09.2016). Es verweist zudem darauf, dass nach Angaben der sri-lankischen NGO Groundviews 2015 noch immer mindestens 181 von ehemals ca. 12.000 LTTE-Mitgliedern oder -Symphatisanten, die sich bei Kriegsende gestellt hätten, ohne Gerichtsurteil inhaftiert seien; bis November 2015 seien 38 davon gegen Kaution freigelassen worden (a.a.O. S. 12).
85 
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe weist in ihrer Auskunft vom 22.04.2016 „Sri Lanka: Gefährdung bei Rückkehr und Zugang zu medizinischer Versorgung in Haft“ darauf hin (S. 3), dass Berichte der NGO Freedom from Torture und International Truth & Justice Project Sri Lanka vom Januar 2016 insgesamt 27 Fälle dokumentierten, in denen tamilische Personen durch sri-lankische Sicherheitskräfte gefoltert, willkürlich verhaftet oder entführt worden seien. Der jüngste in dem letztgenannten Bericht dokumentierte Fall (von insgesamt 20 Fällen) habe sich im Dezember 2015 zugetragen (vgl. a.a.O. S. 4). Während der Verhöre seien mehrere der Betroffenen beschuldigt worden, die LTTE wiederaufbauen zu wollen oder das Land in Unruhe zu bringen. 19 der Personen seien Opfer von Entführungen mittels weißer Lieferwagen geworden („White Van Abduction“). 16 der Personen hätten in der Vergangenheit eine Funktion der LTTE auf niedriger Stufe gehabt.
86 
Der Prevention of Terrorism Act (s. o. aa und a) ist weiterhin in Kraft (Auswärtiges Amt, Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 7 und 12; auch Amnesty Report 2016, Sri Lanka, und Human Rights Watch, UN Human Rights Council: High Commissioner’s Report on human rights of Rohingya Muslims and other minorities in Burma/Maanmar and on Sri Lanka, 30.06.2016). Das Auswärtige Amt führt aus, die Regierung gebe an, 181 Personen seien auf seiner Grundlage inhaftiert, wobei die Mehrheit tamilischer Herkunft sei, die Zivilgesellschaft gehe hingegen von rund 250 Personen aus (a.a.O. S. 7). Die Schweizerische Flüchtlingshilfe verweist darauf, dass verschiedene Schätzungen „sich auf bis über 200 Personen“ beliefen (Auskunft vom 22.04.2016, S. 6). Amnesty International zitiert eine Erklärung des Oppositionsführers Sampanthan vor dem Parlament, dass noch 217 Personen auf der Grundlage der Bestimmungen des PTA inhaftiert seien (Amnesty Report 2016, Sri Lanka). Nach Angaben der Schweizerischen Flüchtlingshilfe wird er „weiterhin eingesetzt, um tamilische Personen zu verhaften, welche der angeblichen Verbindungen zur LTTE verdächtigt werden“ (Auskunft vom 22.04.2016, S. 6; entsprechend Amnesty Report 2016, Sri Lanka; ferner Human Rights Watch, Time to seize the Moment in Sri Lanka, 25.05.2016). Die Flüchtlingshilfe verweist auch auf eine sri-lankische Zeitung, die von Verhaftungen von Militärpersonal unter dem PTA berichtet hat.
87 
Rückkehrer müssen nach Einschätzung des Auswärtigen Amts grundsätzlich keine staatlichen Repressalien gegen sich fürchten, jedoch müssen sie sich nach Rückkehr Vernehmungen durch die Immigration, das National Bureau of Investigation und das Criminal Investigation Department stellen; ob es zur Anwendung von Gewalt kommt, ist nicht bekannt (Lagebericht vom 30.12.2015, Stand November 2015, S. 13). Mit solchen Vernehmungen ist insbesondere zu rechnen, wenn die rückkehrende Person keinen gültigen sri-lankischen Reisepass vorlegen kann; Fälle diskriminierender Behandlung solcher Personen (auch von Tamilen) sind dem Auswärtigen Amt nicht bekannt (a.a.O. S. 14). Bei der Einreise mit gültigem sri-lankischem Reisepass würden die Einreiseformalitäten zumeist zügig erledigt; dies gelte auch für Zurückgeführte (a.a.O. S. 14).
88 
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe führt in ihrer Auskunft vom 22.04.2016 aus (S. 1), dass es auch nach Amtsantritt des neuen Präsidenten zu Verhaftungen von tamilischen Rückkehrenden kam. Die Verhaftungen schienen oft mit angeblichen Verbindungen zur LTTE zusammenzuhängen. Eine zuvor erfolgte illegale Ausreise könne bei der Rückkehr ebenfalls zu einer Verhaftung führen. Die Flüchtlingshilfe führt nach diesen einleitenden Bemerkungen unter Berufung auf verschiedene Quellen einzelne Fälle auf. So verweist sie zunächst auf einen Bericht der Zeitung Ceylon News vom 19.04.2016, wonach ein aus Mullaitivu stammender Tamile bei seiner Rückkehr aus Doha am 12.04.2016 durch das Terrorist Investigation Department am Flughafen aufgegriffen und anschließend sieben Stunden verhört worden sei (a.a.O. S. 1 f.). Anschließend sei er mit der Aufforderung freigelassen worden, am nächsten Morgen das TID-Büro in Colombo aufzusuchen. Am folgenden Tag sei er dort verhaftet worden. Die Flüchtlingshilfe spricht außerdem etwa den Fall eines tamilischen Journalisten an, der nach seiner Rückkehr nach Sri Lanka durch die sri-lankischen Behörden verhaftet worden sei (a.a.O. S. 2). Der Journalist und Aktivist sei im Jahr 2012 nach Australien geflohen und habe sich aufgrund der positiven Signale der aktuellen sri-lankischen Regierung für die Rückkehr entschieden. Er sei nach der Inhaftierung auf Kaution freigelassen worden. Ihm seien aber Auslandsreisen für fünf Jahre untersagt worden und er müsse sich jeden Monat im berüchtigten vierten Stock des Hauptquartiers des CID in Colombo melden. Unter Berufung auf TamilNet führt die Flüchtlingshilfe auch aus, dass viele tamilische Rückkehrende aus dem Nahen Osten in der jüngsten Zeit durch den sri-lankischen Militärgeheimdienst verhaftet worden seien (a.a.O. S 2). Die Flüchtlingshilfe zitiert schließlich etwa auch aus einem Bericht der International Crisis Group, wonach weiterhin rückkehrende tamilische Personen unter Anwendung des Prevention auf Terror Act (PTA) wegen des Verdachts auf zurückliegende LTTE-Verbindungen verhaftet würden; viele würden in durch das Militär betriebene Rehabilitationsprogramme geschickt.
89 
Die Schweizerische Flüchtlingshilfe trägt in der Auskunft vom 22.04.2016 auch vor, dass das International Truth & Justice Project Sri Lanka im Januar 2016 zu dem Schluss gekommen sei, dass tamilische Personen, welche aus dem Ausland zurückkehrten, überwacht würden (a.a.O. S. 4). So gebe es weiterhin ein umfangreiches Netzwerk von tamilischen Informanten, welche Rückkehrende beobachteten. Das sichere Verlassen des Flughafens sei deswegen keine Garantie für die spätere Sicherheit. Die Flüchtlingshilfe gibt ferner die Einschätzung von International Truth & Justice Project wieder, dass es für tamilische Personen im Ausland noch nicht sicher sei, nach Sri Lanka zurückzukehren, wenn die betroffene Person in der Vergangenheit eine Verbindung zur LTTE aufweise (a.a.O. S. 5).
90 
(2) Diese Erkenntnisse lassen, selbst wenn sich alle Angaben zu flüchtlingsschutzrelevanten Menschenrechtsverletzungen als zutreffend erweisen sollten, zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht den Schluss auf eine Gruppenverfolgung von Tamilen, auch nicht vom männlichen Tamilen aus dem Norden, zu. Ein staatliches Verfolgungsprogramm lässt sich nach wie vor nicht feststellen. Auch die Zahl an Verhaftungen und Überwachungen von Tamilen sowie an ihnen gegenüber vorgenommene Handlungen, die als Folter einzustufen sind, lässt nicht annähernd auf die Gefahr schließen, dass (nahezu) jedes Gruppenmitglied mit solchen Maßnahmen zu rechnen hat. Dabei ist auch zu bedenken, dass nicht jede Verhaftung mit anschließendem Verhör schon eine Menschenrechtsverletzung darstellt.
91 
Der nach den vorliegenden Erkenntnismitteln bestehenden, im Vergleich zu den Jahren 2008 und 2010 deutlich verbesserten Gesamtsituation der Tamilen in Sri Lanka hat der Kläger nichts entgegengehalten.
III.
92 
Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf Anerkennung als Asylberechtigter gemäß Art. 16a Abs. 1 GG.
93 
1. Gemäß Art. 16a Abs. 1 GG genießen politisch Verfolgte Asylrecht. Eine Verfolgung ist dann eine politische, wenn sie dem Einzelnen in Anknüpfung an seine politische Überzeugung, seine religiöse Grundentscheidung oder an für ihn unverfügbare Merkmale, die sein Anderssein prägen, gezielt Rechtsverletzungen zufügt, die ihn ihrer Intensität nach aus der übergreifenden Friedensordnung der staatlichen Einheit ausgrenzen (BVerfG, Beschluss vom 10.07.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. - BVerfGE 80, 315; jüngst etwa Kammerbeschluss vom 09.03.2016 - 2 BvR 348/16 - juris Rn. 12). Politische Verfolgung ist grundsätzlich staatliche Verfolgung (BVerfGE 80, 315). An gezielten Rechtsverletzungen fehlt es bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Heimatstaat zu erleiden hat, wie Hunger, Naturkatastrophen, aber auch bei den allgemeinen Auswirkungen von Unruhen, Revolutionen und Kriegen (BVerfGE 80, 315, 335). Ob eine gezielte Verletzung von Rechten vorliegt, die Verfolgung mithin „wegen“ eines Asylmerkmals erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (BVerfGE 80, 315, 335).
94 
Das Asylgrundrecht des Art. 16a Abs. 1 GG beruht auf dem Zufluchtgedanken, mithin auf dem Kausalzusammenhang Verfolgung - Flucht - Asyl (BVerfGE 80, 315, 344). Nach dem hierdurch geprägten normativen Leitbild des Grundrechts ist typischerweise asylberechtigt, wer aufgrund politischer Verfolgung gezwungen ist, sein Land zu verlassen und im Ausland Schutz und Zuflucht zu suchen, und deswegen in die Bundesrepublik Deutschland kommt. Atypisch, wenn auch häufig, ist der Fall des unverfolgt Eingereisten, der hier gleichwohl Asyl begehrte und dafür auf Umstände verweist, die erst während seines Hierseins entstanden sind oder deren erst künftiges Entstehen er besorgt (sog. Nachfluchttatbestände).
95 
Nach diesem normativen Leitbild des Asylgrundrechts gelten für die Beurteilung, ob ein Asylsuchender politisch Verfolgter im Sinne des Art. 16a Abs. 1 GG ist, unterschiedliche Maßstäbe je nachdem, ob er seinen Heimatstaat auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar drohender Verfolgung verlassen hat oder ob er unverfolgt in die Bundesrepublik Deutschland gekommen ist (BVerfGE 80, 315, 344).
96 
Ergibt die rückschauende Betrachtung, dass der Asylsuchende vor landesweiter politischer Verfolgung geflohen ist, so kommt eine Anerkennung als Asylberechtigter regelmäßig in Betracht. Ergibt sie eine lediglich regionale Verfolgungsgefahr, so bedarf es der weiteren Feststellung, dass der Asylsuchende landesweit in einer ausweglosen Lage war. Steht fest, dass Asylsuchende wegen bestehender oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung ausgereist ist und dass ihm auch ein Ausweichen innerhalb seines Heimatstaates im beschriebenen Sinn unzumutbar war, so ist er gemäß Art. 16a Abs. 1 GG asylberechtigt, es sei denn, er kann in seinem eigenen Staat wieder Schutz finden. Daher muss sein Asylantrag Erfolg haben, wenn die fluchtbegründenden Umstände im Zeitpunkt der Entscheidung ohne wesentliche Änderung fortbestehen. Ist die Verfolgungsgefahr zwischenzeitlich beendet, kommt es darauf an, ob mit ihrem Wiederaufleben zu rechnen ist; eine Anerkennung als Asylberechtigter ist nicht geboten, wenn der Asylsuchende vor erneuter Verfolgung hinreichend sicher sein kann. Gleiches gilt, wenn sich - bei fortbestehender regional begrenzter politischer Verfolgung - nach der Einreise in den Geltungsbereich des Grundgesetzes eine zumutbare inländische Fluchtalternative eröffnet.
97 
Hat der Asylsuchende seinen Heimatstaat unverfolgt verlassen, so kann sein Asylantrag nach Art. 16a Abs. 1 GG nur Erfolg haben, wenn ihm aufgrund von beachtlichen Nachfluchttatbeständen politische Verfolgung droht (BVerfGE 80, 315, 345 f.). Droht diese Gefahr nur in einem Teil des Heimatstaates, so kann der Betroffene auf Gebiete verwiesen werden, in denen er vor politischer Verfolgung hinreichend sicher ist, es sei denn, es drohen dort andere unzumutbare Nachteile oder Gefahren.
98 
2. Der Anerkennung des Klägers als Asylberechtigten steht entgegen, dass nach Überzeugung des Senats die nach dem Vorbringen des Klägers fluchtauslösende Entführung und Erpressung durch die EPDP oder die Karuna-Gruppe nicht der Wahrheit entspricht (s. o. II. 2.) und er zum Zeitpunkt der Ausreise nicht Mitglied einer verfolgten Gruppe war (s. o. II. 3. a) sowie er ein solches auch zum heutigen Zeitpunkt nicht ist (s. o. II. 3. b bb).
IV.
99 
Der Kläger hat weiterhin nicht den von ihm hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf die Gewährung subsidiären Schutzes. Plausible Anhaltspunkte dafür, dass ihm in Sri Lanka ein ernsthafter Schaden i. S. v. § 4 Abs. 1 AsylG drohen könnte, bestehen nach dem Gesagten nicht.
V.
100 
Der Kläger hat schließlich auch nicht den weiter hilfsweise geltend gemachten Anspruch auf die Feststellung des Bestehens eines nationalen Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AsylG. Auch insoweit gilt, dass für den Senat kein Sachverhalt ersichtlich ist, der das Vorliegen der genannten Verbote zu begründen in der Lage wäre.
VI.
101 
Dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsbeweisantrag ist nicht zu entsprechen.
102 
1. a) Soweit der Antrag auf die Einholung eines Gutachtens eines sachverständigen Universitätsprofessors für Europäisches Recht gerichtet ist, zielt der Antrag auf die Klärung einer Rechtsfrage, nicht aber auf eine dem (Sachverständigen-)Beweis zugängliche Tatsachenfrage. Die Ermittlung der Rechtslage und die Anwendung der einschlägigen Vorschriften auf einen konkreten Fall ist ureigene Aufgabe der Rechtsprechung (vgl. § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 293 ZPO: s. a. Geimer in Zöller, ZPO, 31. Aufl., § 293 Rn. 1, nicht zuletzt unter Hinweis auf den Grundsatz „iura novit curia“). Die Ermittlung der Rechtslage ist infolgedessen in aller Regel keine Tatsachenfeststellung. Etwas anderes folgt auch nicht aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der die Ermittlung ausländischen Rechts sowie der ausländischen Rechtspraxis im Verwaltungsprozess nicht der Rechtserkenntnis zuzuordnen, sondern wie eine Tatsachenfeststellung zu behandeln ist (Urteil vom 19.07.2012 - 10 C 2.12 - NJW 2012, 3461 Rn. 16; kritisch dazu Geimer, a.a.O. Rn. 14). Denn die Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK), deren Auslegung und Anwendung auf seinen Fall der Kläger geklärt haben will, ist kein ausländisches Recht. Die EMRK gilt vielmehr in der deutschen Rechtsordnung im Rang eines Bundesgesetzes (vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 14.10.2004 - 2 BvR 1481/04 - BVerfGE 111, 307, 315); deutsche Gerichte haben sie wie anderes Gesetzesrecht des Bundes im Rahmen methodisch vertretbarer Auslegung zu beachten und anzuwenden (BVerfG, a.a.O. S. 317).
103 
b) Der Beweisantrag geht weiterhin von einer unzutreffenden Ausgangslage aus. Die Beklagte hat gegen das stattgebende Urteil des Verwaltungsgerichts das statthafte Rechtsmittel eingelegt; infolge des Suspensiveffekts (zunächst des Antrags auf Zulassung der Berufung, sodann der Berufung) war sie nicht verpflichtet, der ihr vom Verwaltungsgericht auferlegten Verpflichtung nachzukommen. Folglich hatte der Kläger zu keinem Zeitpunkt die Rechtsstellung eines Asylberechtigten inne.
104 
c) Die Auffassung des Klägers, der Senat sei infolge der Dauer des Verfahrens vor dem Verwaltungsgerichtshof daran gehindert, auf die Berufung der Beklagten das verwaltungsgerichtliche Urteil zu ändern, teilt der Senat nicht. Er vermag weder dem vom Kläger ausdrücklich angesprochenen Art. 3 EMRK noch dem von ihm der Sache nach angesprochenen Art. 4 EMRK auch nur im Ansatz eine derartige Wirkung zu entnehmen. Dem Kläger ist zwar zuzugestehen, dass das Verfahren vor dem Verwaltungsgerichtshof unangemessen lange gedauert haben dürfte (vgl. § 173 Satz 2 VwGO i. V. m. § 198 Abs. 1 Satz 1 GVG). Rechtsfolge einer unangemessenen Verfahrensdauer - die der Kläger allerdings nicht mit einer Verzögerungsrüge (vgl. § 198 Abs. 3 GVG) beanstandet hat - ist indessen grundsätzlich eine angemessene Entschädigung in Geld. Dass eine unangemessen lange Verfahrensdauer über das Fehlen materieller Anspruchsvoraussetzungen hinweghelfen könnte, ist gesetzlich nicht vorgesehen und es besteht aus Sicht des Senats auch kein Anlass für eine hierauf gerichtete - was ihre Zulässigkeit angeht (vgl. dazu BVerfG, Beschluss vom 25.01.2011 - 1 BvR 918/00 - BVerfGE 128, 193), problematische - richterliche Rechtsfortbildung. Auch der Kläger nennt keine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte, die auch nur einen Ansatz für seine Auffassung bieten könnte.
105 
2. a) Soweit der Antrag auf die Einholung eines medizinischen Sachverständigengutachtens gerichtet ist, handelt es sich um einen unzulässigen Ausforschungsbeweisantrag. Ein solcher liegt vor, wenn Behauptungen ins Blaue hinein aufgestellt werden (vgl. Senatsurteil vom 12.03.2015 - 10 S 1169/13 - juris Rn. 133). Hiervon ist auszugehen, wenn für den Wahrheitsgehalt nicht wenigstens eine gewisse Wahrscheinlichkeit spricht (BVerwG, Beschluss vom 17.09.2014 - 8 B 15.14 - juris Rn. 10). So liegt es hier. Zum einen hat der Kläger bereits nicht dargelegt, dass er tatsächlich darauf vertraut hat, als Asylberechtigter anerkannt zu werden; das wäre schon deshalb veranlasst gewesen, weil der Kläger bereits mit der Stellung des Zulassungsantrags damit rechnen musste, dass das Urteil des Verwaltungsgerichts keinen Bestand haben würde. Zum anderen und vor allem gibt es überhaupt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger infolge der Zurückweisung der Berufung psychisch erkranken würde. Der Kläger hat nicht vorgetragen, geschweige denn - etwa mittels Vorlage eines ärztlichen Schreibens - untermauert, gegenwärtig an einer psychischen (Grund-)Erkrankung zu leiden, die sich im Fall einer Klageabweisung verschlechtern würde.
106 
b) Abgesehen davon ist der Beweisantrag auch aus dem Grund abzulehnen, dass die vom Kläger in den Raum gestellte „gravierende psychische Reaktion … auch im Sinne einer psychischen Erkrankung“ keine entscheidungserhebliche Tatsache ist. Eine eventuelle psychische Erkrankung könnte im Rahmen der vorliegenden Klage lediglich Bedeutung hinsichtlich des Anspruchs auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG Bedeutung erlangen. Hierfür ist erforderlich, dass sich eine vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leben und Leib führt, d. h. eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach Rückkehr droht. Der Kläger stellt hier schon nicht eine Erkrankung unter Beweis, die bereits vorhanden ist, er behauptet vielmehr, im Fall der Abweisung seiner Klage zu erkranken. Hinzu kommt, dass von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht Schutz vor Abschiebung nicht bei Vorliegen jeglicher Erkrankung gewährt wird. Vielmehr schützt die Vorschrift nur vor einer erheblichen und alsbaldigen Verschlimmerung für den Fall einer Rückkehr. Darum geht es dem Kläger aber mit seinem Beweisantrag nicht.
VII.
107 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und die Gerichtskostenfreiheit aus § 83b AsylG.
108 
Ein Revisionszulassungsgrund nach § 132 Abs. 2 VwGO liegt nicht vor.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die

1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder
2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.

(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:

1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,
2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,
3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen,
6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die

1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder
2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.

(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:

1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,
2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,
3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen,
6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die

1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder
2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.

(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:

1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,
2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,
3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen,
6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 10. April 2014 - A 12 K 2210/13 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der am xx.xx.1983 geborene Kläger ist Staatsangehöriger von Pakistan. Er kam nach seinen Angaben am 08.02.2012 mit dem Schiff in die Bundesrepublik Deutschland und stellte am 27.02.2012 einen Asylantrag. Zur Begründung machte er geltend: Er habe in Pakistan Probleme gehabt, weil er mit Christen in die Kirche gegangen sei und Christ habe werden wollen. Weiter legte er Informationsmaterial und eine Bescheinigung der Gemeinschaft Entschiedener Christen in H. vom 11.05.2013 und eine Bescheinigung von xxx in H. vom 07.05.2013 vor. Wegen weiterer Einzelheiten seines Vorbringens verweist der Senat auf die Niederschrift seiner Anhörung durch das Bundesamt vom 15.05.2013.
Das Bundesamt lehnte mit Bescheid vom 20.06.2013 den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter und Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ab, stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen, und drohte die Abschiebung nach Pakistan an.
Am 28.06.2013 erhob der Kläger Klage zum Verwaltungsgericht Stuttgart und berief sich darauf, dass er zwischenzeitlich getauft worden sei. Er legte eine Taufkarte vom 02.06.2013, eine Mitgliedskarte des Bundes Freikirchlicher Pfingstgemeinden vom 28.05.2013, weiteres Informationsmaterial der Gemeinschaft Entschiedener Christen und Informationsmaterial des Immigration and Refugee Board of Canada vom 20.09.2013 vor.
Nach den im Tatbestand des angegriffenen Urteils enthaltenen Feststellungen antwortete der Kläger in der mündlichen Verhandlung auf die Fragen des Gerichts, welche Gründe es für ihn gegeben habe, zum Christentum überzutreten und sich taufen zu lassen: Jesus sei wegen ihrer Sünden vom Kreuz gestiegen. Die Muslime hätten kein Opfer gegeben. Er habe die christliche Religion kennengelernt und wisse jetzt alles. Gott habe sich für sie geopfert. Er selbst sei nicht Christ geworden, weil er sich davon Vorteile versprochen habe. Auf die Frage, welche konkreten Gründe er gehabt habe, nach Deutschland zu kommen, antwortete er: In Pakistan sei er drei- bis viermal in der Kirche gewesen. Die Familie habe das nicht gerne gesehen, auch seine Nachbarn nicht. Seine christlichen Freunde hätten gemeint, er solle lieber in ein christliches Land gehen. Ein christlicher Freund habe einen Schlepper gekannt. Später berichtigte der Kläger: Das Geld sei erst bezahlt worden, nachdem es ihm gelungen sei, nach Deutschland zu kommen. Er habe mit dem Freund Cricket gespielt. Sie seien gemeinsam in die Kirche gegangen. Es habe sich um seine - des Klägers - Ersparnisse gehandelt.
Auf Fragen und Vorhalte seines Prozessbevollmächtigten gab der Kläger weiter an: In Pakistan hätten sie ihm gesagt, er sei jetzt ein Nicht-Gläubiger. Er sei geschlagen und bedroht worden. Sie hätten gesagt, es sei besser, ihn zu töten. Geschlagen worden sei er im achten bzw. neunten Monat des Jahres 2012 (gemeint 2011). Er sei unterwegs zum Gottesdienst gewesen. Sie hätten ihn angehalten und gesagt, sie würden ihn schlagen, ihm Fußtritte geben und ihn umbringen. Einmal sei er geschlagen worden. Deswegen sei er dreimal genäht worden. Er sei zu einem Arzt gegangen, einem Dr. N. in seiner Ortschaft. Seine ganze Familie sei gegen ihn. Er habe keine Verbindung mehr mit der Familie. Zu seiner Taufe führte er aus: Dr. S. habe ihn unterrichtet. Er komme einmal in der Woche am Donnerstagnachmittag. X. sei eine Kirche; es gebe um 18:00 Uhr dort Gottesdienst. Dann tränken sie Tee. Samstags um 11:00 Uhr gebe es einen gemeinsamen Gottesdienst mit allen Personen.
Der Prozessbevollmächtigte des Klägers führte aus, der Kläger sei als Moslem in Pakistan mit der christlichen Gemeinde in Berührung gekommen. Die Kontakte seien über einen Freund hergestellt worden. Er sei vom christlichen Glauben fasziniert gewesen, nachdem er drei- bis viermal in der Kirche gewesen sei. Er habe dann Probleme mit der Familie bekommen. Aus seiner Sicht sei die Situation für ihn in Pakistan gefährlich. Es habe bei ihm schon in Pakistan eine Festlegung auf das Christentum gegeben. Ein Verzicht auf die Religionsausübung sei nicht Gegenstand von Überlegungen gewesen. Er gehöre der Gemeinschaft Entschiedener Christen in H. an und wolle den Glauben mit allen teilen. Er wollte den Glauben auch in Pakistan weiterleben. Die Abwendung vom muslimischen Glauben sei aus der Sicht der Hitzköpfe verwerflich. Es stelle sich die Frage, ob der Staat hinreichende Schritte unternehme, den Kläger ggf. zu schützen. Aus staatlichen Verfolgungsmaßnahmen könne man schließen, dass der Staat nicht Garant für den Schutz sein könne.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Mit Urteil vom 10.04.2014 wies das Verwaltungsgericht die Klage als unbegründet ab und führte zur Begründung aus: Die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft lägen nicht vor. Der Kläger habe das Gericht nicht davon überzeugen können, dass er das von ihm geschilderte Schicksal tatsächlich erlitten habe. Denn der Vortrag enthalte wesentliche Ungereimtheiten und widerspreche zum Teil erheblich der allgemeinen Lebenserfahrung. So seien schon die Angaben des Klägers, warum er sich dem Christentum zugewandt habe und schließlich habe taufen lassen, ausgesprochen vage. Bei der Anhörung habe er hierzu nur angegeben, in der Cricketmannschaft seien auch Christen gewesen. Mit ihnen sei er zusammen in die Kirche gegangen. Man habe ihm gesagt, Jesus Christus habe den Leuten die Augen gegeben, er habe die Verstorbenen wieder lebendig gemacht. Daraufhin sei sein Glaube an die christliche Religion sehr stark gewesen. In der mündlichen Verhandlung habe er hierzu auch nicht viel mehr gesagt. Auf die Frage, welche Gründe es für ihn gegeben habe, zum Christentum überzutreten und sich taufen zu lassen, habe er gesagt: Jesus sei wegen ihrer Sünden vom Kreuz gestiegen. Die Muslime hätten kein Opfer gegeben. Er habe die christliche Religion kennengelernt und wisse jetzt alles. Gott habe sich für sie geopfert. Er selbst sei nicht Christ geworden, weil er sich davon Vorteile versprochen habe. Auffallend sei dabei gewesen, dass er bei der Anhörung und auch in der mündlichen Verhandlung zuerst angegeben habe, in Pakistan sei er drei- bis viermal in die Kirche gegangen, im weiteren Verlauf der Anhörung habe er dann gesagt, er sei fünfmal in der Kirche gewesen. Bei einer so geringen Anzahl von Kirchenbesuchen sei davon auszugehen, dass man sich an diese Anzahl besser erinnere, zumal wenn sie zu einem so wesentlichen Schritt führe, wie den Übertritt zu einer anderen Religion. Nicht verständlich seien die Angaben des Klägers zu dem Arzt, zu dem er nach seinen Angaben gegangen sei, nachdem er geschlagen worden sei. Hierzu habe er bei der Anhörung durch das Bundesamt angegeben, er habe Dr. S. geheißen, mehr wisse er nicht; er glaube, er sei in der Rxxx Rxxx in Lahore. In der mündlichen Verhandlung habe er dagegen gesagt, es habe sich um einen Dr. N. in seiner Ortschaft gehandelt. Es widerspreche auch jeder Lebenserfahrung, dass der Kläger trotz der Bedeutung seines Schritts weder gewusst habe, wann er angefangen habe, in Pakistan in die christliche Kirche zu gehen, noch wann sich der Vorfall abgespielt habe, bei dem er geschlagen worden sei. Die Angaben bei der Anhörung hierzu seien äußerst vage gewesen, nämlich "irgendwann im Jahr 2011" bzw. "das sei 2011" gewesen. Wenn sich ein so bedeutsames Ereignis tatsächlich abgespielt gehabt hätte, hätte der Kläger in der Lage sein müssen, dies zeitlich erheblich konkreter einzuordnen. Weiter widerspreche es jeglicher Lebenserfahrung, dass jemand nach wenigen Kirchenbesuchen, auch wenn er einmal geschlagen worden sei, von seinen christlichen Freunden den Rat erhalte, sofort in ein christliches Land zu gehen, und dies auch sofort tue. Immerhin seien 1,6 % der pakistanischen Bevölkerung Christen. Auch sei es dem Kläger wirtschaftlich gut gegangen. Bei der Anhörung habe er insoweit angegeben, er habe gut gearbeitet und habe das Geld gespart, das er für die Ausreise ausgegeben habe. Es könne weiter nicht festgestellt werden, dass für den Kläger allein wegen seiner Zugehörigkeit zu den Christen in Pakistan eine Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohe. Anhaltspunkte dafür, dass dem Kläger bei einer Rückkehr nach Pakistan deshalb darüber hinausgehend Gefahr drohe, weil er die Religion gewechselt habe und sich dort als Christ betätigen wolle, seien nicht ersichtlich. Auch sei nicht festzustellen, dass dem Kläger Gefahren im Sinne von § 4 Abs. 1 AsylVfG oder § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG drohten.
Auf den vom Kläger fristgerecht gestellten Antrag ließ der Senat durch Beschluss vom 11.06.2014 die Berufung insoweit zu, als er die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begehrt und lehnte im Übrigen den Antrag ab.
10 
Am 23.06.2014 hat der Kläger die Berufung unter Stellung eines Antrags begründet. Er führt aus: Das Verwaltungsgericht habe sich auf den Standpunkt gestellt, trotz feststellbarer Verfolgungshandlungen gegen Christen und ungeachtet der Frage, ob der pakistanische Staat im Hinblick auf die Verfolgung von Christen durch nichtstaatliche Akteure tatsächlich gänzlich schutzwillig und schutzfähig sei, hätten die Verfolgungsmaßnahmen nicht ein solches Ausmaß erreicht, dass die strengen Voraussetzungen einer Gruppenverfolgung angenommen werden könnten; es sei keine hinreichende Verfolgungsdichte feststellbar.
11 
Dieser Auffassung könne nicht gefolgt werden. Nach neueren Erkenntnismitteln habe die Bedrohungslage der Christen in Pakistan jüngst eine neue, noch nicht dagewesene Qualität erreicht. Bereits im Juni 2013 habe der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg in seinem Urteil bezüglich der Ahmadi in Pakistan von einer prekären, durch Marginalisierung und Armut geprägten und sich zunehmend verschlechternden Lage der Christen in Pakistan gesprochen. Diese Lage habe sich weiter verschlechtert. Vor diesem Hintergrund drohe der Gruppe der Christen in Pakistan, die es nach ihrem Glaubensverständnis für sich als identitätsbestimmend ansähen, ihren Glauben in der Öffentlichkeit zu leben und ihn in diese zu tragen, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgung. Der Schutz religiöser Minderheiten sei in der Verfassung festgeschrieben, auch gebe es Quoten für ihre Vertretung in staatlicher Beschäftigung und politischer Vertretung. Ungeachtet dieser Gesetzeslage seien die als solche erkennbaren Christen in Pakistan aber Diskriminierungen ausgesetzt. Diskriminierungen im wirtschaftlichen Bereich, im Bildungssystem und auf dem Arbeitsmarkt seien verbreitet. Christliche Gemeinden und Institutionen seien Opfer von Landraub durch muslimische Geschäftsleute. Auch der Besitz von geflohenen christlichen Privatpersonen werde von den muslimischen Anwohnern in Besitz genommen. Diskriminierungen und Übergriffe gingen aber nicht nur von privaten Akteuren aus. Es werde von einem Trend zu entschädigungslosen Beschlagnahmen christlicher Friedhöfe und von dem Abriss einer katholischen Einrichtung in Lahore auf Anweisung der örtlichen Regierung im Januar 2012 berichtet. Insbesondere hätten Christen in Pakistan aber schwer unter dem Blasphemiegesetz zu leiden. Zwar gelte das Blasphemiegesetz dem Wortlaut nach unterschiedslos für alle Pakistani. Religiöse Minderheiten seien jedoch besonders betroffen. Zwar sei ein nach dem Blasphemiegesetz verhängtes Todesurteil noch nie vollstreckt worden, allein der Vorwurf der Blasphemie könne jedoch ausreichen, um die soziale Existenz des Beschuldigten und seiner Nachbarn zu zerstören. Ansätze, die darauf abzielten, einen Missbrauch des Blasphemiegesetzes zu verhindern, seien fehlgeschlagen. Ein beträchtlicher Anteil islamischer Kleriker in Pakistan rufe zu Gewalt und Diskriminierung gegen Christen auf. Sowohl in städtischen als auch in ländlichen Gebieten sei es üblich, über die Lautsprecher von Moscheen dazu zu mobilisieren, gegen religiöse Minderheiten vorzugehen. Ein Vorwurf gegen ein Mitglied der Minderheit genüge, damit sämtliche Angehörige der Minderheit in der betreffenden Gegend als Schuldige betrachtet würden, die bestraft werden müssten. Die National Commission for Justice and Peace habe 2012 elf gezielte Tötungen an Christen registriert. Die Asian Human Rights Commission schätze die Zahl der christlichen Mädchen, die jedes Jahr entführt, vergewaltigt und zwangskonvertiert würden, auf etwa 700.
12 
Die genannten Vorfälle seien Eingriffe in die Rechte auf Leben und körperliche Unversehrtheit der Betroffenen. Sie seien als unmenschliche und erniedrigende Behandlung zu begreifen. Sofern sie die Betroffenen unter Druck setzten, auf die Praktizierung ihres Glaubens zu verzichten oder diese einzuschränken, lägen Eingriffe in die Religionsfreiheit vor. Angesichts der Häufigkeit der Vorfälle in jüngster Zeit und der Vielzahl von Personen, die bei einem einzigen Überfall auf eine Kirche oder ein Viertel betroffen seien, oder etwa bei dem Vorwurf der Blasphemie gegen einen Christen betroffen werden könnten, handele es sich nicht mehr nur um vereinzelte, individuelle Übergriffe oder eine Vielzahl einzelner Übergriffe. Vielmehr sei jeder als solcher erkennbare Christ in Pakistan wegen seiner Religion der aktuellen Gefahr eigener Betroffenheit, also einem realen Risiko ausgesetzt. In die Würdigung einzustellen seien hierbei nicht allein die Anzahl der wegen Blasphemie erfolgten Anklagen und Verurteilungen und die Summe der von den Gewaltübergriffen durch Privatpersonen betroffenen Opfer, sondern auch die nicht quantifizierbare Zahl an Christen, die Opfer von Diskriminierung im alltäglichen Bereich, etwa bei der Arbeit, würden.
13 
Akteure im Sinne von § 3d Abs. 1 AsylVfG seien in Pakistan nicht willens und in der Lage, Schutz gemäß § 3d Abs. 2 AsylVfG zu bieten. Zahlreiche Quellen berichteten, dass der Staat beim Schutz religiöser Minderheiten vor Angriffen in den verschiedenen Landesteilen versage. Die Polizei sehe bei Übergriffen von Privatpersonen auf Christen lediglich untätig zu und biete keinen Schutz, es werde keine effektive Strafverfolgung der Angreifer betrieben. Es bestehe keine innerstaatliche Fluchtalternative.
14 
Das Verwaltungsgericht habe auch eine nähere Prüfung unterlassen, ob all diese Tatsachen eine systematische, einer Gruppenverfolgung gleichkommende Diskriminierung darstellten. Alle Quellen wiesen auf eine systematische Diskriminierung der Christen hin, die in ihren Folgen einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung gleichkomme.
15 
Was die individuelle Situation des Klägers betreffe, habe das Verwaltungsgericht nicht bezweifelt, dass er im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung zur bezeichneten Gruppe der Christen in Pakistan gehöre. Der Kläger habe vorgetragen, dass es nach seinem Glaubensverständnis für ihn identitätsbestimmend sei, seinen Glauben in der Öffentlichkeit zu leben und ihn in diese zu tragen, und dass ein Verzicht auf die Religionsausübung für ihn auch in Pakistan nicht in Betracht komme, sondern er seinen Glauben mit allen teilen wolle. Das Verwaltungsgericht sei davon ausgegangen, dass der Kläger in Deutschland nach intensivem Taufunterricht die Taufe empfangen habe und am christlichen Leben teilnehme, namentlich durch den Besuch von Gottesdiensten und die Teilnahme an donnerstäglichen Unterweisungen. Zwar seien im pakistanischen Strafgesetzbuch Apostasie, Konversion und Missionierung für Christen nicht unter Strafe gestellt. Der Islam sei jedoch Staatsreligion. Nach islamischem Recht stehe Konversion vom Islam weg unter Todesstrafe. Nach einer im April 2010 in Pakistan durchgeführten Umfrage befürworteten 76 % der Befragten die Todesstrafe für die Abwendung vom Islam. Für Christen, die vom Islam zum Christentum konvertierten und deren Konversion bekannt werde, sei die Situation kritischer als für geborene Christen. In ihrer Familie stießen sie oft auf Unverständnis und würden von ihr bedroht und verstoßen, es werde sogar versucht sie umzubringen, weil der Abfall Schande und Verrat für die ganze Familie sei. Als Konvertierte bekannte Christen seien Opfer schwerer Diskriminierungen, etwa am Arbeitsplatz oder durch Behörden. Dies führe dazu, dass die Konversion zu einer Minderheitenreligion in Pakistan häufig verheimlicht werde. Amnesty International berichte von einem Mord an einem 18-jährigen Mädchen in Pakistan, das von seinem Bruder erschossen worden sei, weil es sich zum Christentum bekannt gehabt habe. Im Mai 2013 sei ein 16-jähriger Junge verschwunden, der vom Islam zum Christentum konvertiert gewesen sei. Zudem würden Konvertiten, die sich vom Islam abgewandt hätten, unmittelbar von staatlicher Seite diskriminiert. Kinder eines muslimischen Ehepaars, das vom Islam weg konvertiere, würden als unrechtmäßig betrachtet, sodass der Staat das Sorgerecht für sie übernehmen könne. Da es nahezu ausnahmslos zu schweren Diskriminierungen und Verletzungen von Menschenrechten komme, sei die Verfolgungsdichte so hoch, dass von einer Gruppenverfolgung auszugehen sei. Es mangele an einer Schutzbereitschaft von Akteuren im Sinn von § 3d AsylVfG. Die unmittelbare Diskriminierung von staatlicher Seite im Hinblick auf die Kinder von konvertierten Ehepaaren verstärke die Annahme, dass der pakistanische Staat nicht nur nicht in der Lage, sondern auch nicht willens sei, Konvertiten Schutz zu bieten. Somit bestehe für Konvertiten erst recht keine innerstaatliche Fluchtalternative. Selbst bei einem Wohnortwechsel, verbunden mit dem Versuch, sich in der neuen Umgebung als geborener Christ auszugeben, bestehe wenig Aussicht, dass die Konversion geheim gehalten werden könne. Auch der Kläger, dessen Zuwendung zum Christentum vor seiner Ausreise in seinem Heimatort bekannt geworden sei, habe keinen Kontakt mehr zu seiner Familie, die sich geschlossen gegen ihn gestellt habe.
16 
Der Kläger beantragt,
17 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 10. April 2014 - A 12 K 2210/13 - zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung der Ziffer 2 ihres Bescheids vom 20.06.2013 zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
18 
Die Beklagte tritt der Berufung aus den Gründen des angegriffenen Urteils entgegen.
19 
Der Senat hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung zu seinen individuellen Verfolgungsgründen unter Hinzuziehung eines Dolmetschers angehört. Insoweit wird auf die Niederschrift verwiesen.
20 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens der Beteiligten wird auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen. Dem Senat liegen die Behördenakten der Beklagten sowie die Akten des Verwaltungsgerichts vor.

Entscheidungsgründe

 
21 
Die zulässige, unter Stellung eines Antrags rechtzeitig und formgerecht begründete Berufung bleibt ohne Erfolg.
22 
Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
23 
I. Nach § 3 Abs. 4 AsylVfG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylVfG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
24 
Nach § 3a Abs. 1 AsylVfG (vgl. auch Art. 9 Abs. 1 RL 2011/95/EU - QRL) gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 AsylVfG Handlungen, die 1. auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 04.11.1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder 2. in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Nach § 3a Abs. 2 AsylVfG (vgl. Art. 9 Abs. 2 QRL) können als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 unter anderem die folgenden Handlungen gelten: 1. die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, 2. gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, 3. unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, 4. Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, 5. Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 AsylVfG (vgl. Art. 12 Abs. 2 QRL) fallen, 6. Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind. Nach § 3a Abs. 3 AsylVfG (vgl. Art. 9 Abs. 3 QRL) muss dabei zwischen den Verfolgungsgründen und den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen.
25 
Die Verfolgung kann nach § 3c AsylVfG (vgl. Art. 6 QRL) ausgehen von 1. dem Staat, 2. Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder 3. nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylVfG (vgl. Art. 7 QRL) Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
26 
Der Charakter einer Verfolgungshandlung erfordert, dass das Verhalten des betreffenden Akteurs im Sinne einer objektiven Gerichtetheit auf die Verletzung eines nach § 3a AsylVfG (Art. 9 QRL) geschützten Rechtsguts selbst zielt (vgl. BVerwG, Urteile vom 19.01.2009 - 10 C 52.07 - NVwZ 2009, 982, und vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936).
27 
Der für die Beurteilung zugrunde zu legende Prognosemaßstab ist der der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Die relevanten Rechtsgutsverletzungen müssen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser aus dem Tatbestandsmerkmal "... aus der begründeten Furcht vor Verfolgung ..." des Art. 2 lit. d) QRL abzuleitende Maßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr abstellt ("real risk"); dieser Maßstab ist kein anderer als der der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936). Er setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des gesamten zur Prüfung gestellten und relevanten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine qualifizierende bzw. bewertende Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines vernünftig denkenden und nicht übertrieben furchtsamen Menschen gerade in der Lage des konkreten Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar einzuschätzen ist. Unzumutbar kann eine Rückkehr in den Heimatstaat auch dann sein, wenn ein mathematischer Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50 v.H. für eine politische Verfolgung gegeben ist. In einem solchen Fall reicht zwar die bloße theoretische Möglichkeit einer Verfolgung nicht aus. Ein vernünftig denkender Mensch wird sie außer Betracht lassen. Ergeben jedoch die Gesamtumstände des Falles die "reale Möglichkeit" einer flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Ein verständiger Betrachter wird bei der Abwägung aller Umstände daneben auch die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in seine Betrachtung einbeziehen. Wenn nämlich bei quantitativer Betrachtungsweise nur eine eher geringere mathematische Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung besteht, kann es auch aus der Sicht eines besonnen Menschen bei der Überlegung, ob er in seinen Heimatstaat zurückkehren kann, einen ganz erheblichen Unterschied bedeuten, ob er z.B. lediglich eine Gefängnisstrafe von einem Monat oder aber Folter oder gar die Todesstrafe riskiert (so BVerwG, Urteile vom 05.11.1991 - 9 C 118.90 - NVwZ 1992, 582, und vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936). Auch gilt: Je unabwendbarer eine drohende Verfolgung erscheint, desto unmittelbarer steht sie bevor. Je schwerer der befürchtete Verfolgungseingriff ist, desto weniger kann es dem Gefährdeten zugemutet werden, mit der Flucht zuzuwarten, bis der Verfolger unmittelbar vor der Tür steht. Das gilt auch dann, wenn der Eintritt der befürchteten Verfolgung von reiner Willkür abhängt, das befürchtete Ereignis somit im Grunde jederzeit eintreten kann, ohne dass allerdings im Einzelfall immer gesagt werden könnte, dass dessen Eintritt zeitlich in nächster Nähe bevorsteht. Die allgemeinen Begleitumstände, z. B. eine Willkürpraxis, die Repressionsmethoden gegen bestimmte oppositionelle oder verwundbare Gruppen, sind allgemeine Prognosetatsachen (vgl. zum kausalen und zeitlichen Zusammenhang zwischen Verfolgung und Flucht BVerwG, Urteil vom 20.11.1990 - 9 C 72.90 - NVwZ 1991, 384).
28 
Für die Beurteilung sind alle Akte zu berücksichtigen und einzustellen, denen der Ausländer ausgesetzt gewesen war oder die ihm gedroht hatten, um festzustellen, ob unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände diese Handlungen als Verfolgung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 QRL gelten können.
29 
Zur Erstellung der erforderlichen Prognose sind objektiviert die Prognosetatsachen nach den allgemeinen Maßstäben des verwaltungsverfahrensrechtlichen bzw. verwaltungsgerichtlichen Regelbeweismaßes der Überzeugungsgewissheit zu ermitteln und festzustellen. Diese Tatsachen bestehen regelmäßig aus solchen, die in der Vergangenheit wie auch aus solchen, die in der Gegenwart liegen. Sie müssen sodann in einer Gesamtschau verknüpft und gewissermaßen in die Zukunft projiziert werden. Auch wenn insoweit - wie sich bereits aus dem Gefahrbegriff ergibt - eine beachtliche Wahrscheinlichkeit ausreicht und deshalb ein „voller Beweis“ nicht erbracht werden kann, ändert dies nichts daran, dass das Gericht von der Richtigkeit seiner verfahrensfehlerfrei gewonnenen Prognose drohender Verfolgung die volle Überzeugung gewonnen haben muss (BVerwG, Urteile vom 20.11.1990 - 9 C 74.90 - NVwZ 1991, 382, und - 9 C 72.90 - NVwZ 1991, 384).
30 
Die Gefahr eigener Verfolgung für einen Ausländer, der die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begehrt, kann sich nicht nur aus gegen ihn selbst gerichteten Maßnahmen ergeben, sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (Gefahr der Gruppenverfolgung). Dabei ist je nach den tatsächlichen Gegebenheiten auch zu berücksichtigen, ob die Verfolgung allein an ein bestimmtes unverfügbares Merkmal wie die Religionszugehörigkeit anknüpft oder ob für die Bildung der verfolgten Gruppe und die Annahme einer individuellen Betroffenheit weitere Umstände oder Indizien hinzutreten müssen. Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt - abgesehen von den Fällen eines (staatlichen) Verfolgungsprogramms (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 05.07.1994 - 9 C 158.94 - NVwZ 1995, 175) - ferner eine bestimmte "Verfolgungsdichte" voraus, welche die "Regelvermutung" eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen. Ob eine in dieser Weise spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin "wegen" eines der in § 3b AsylVfG genannten Merkmale erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (vgl. Urteil vom 05.07.1994 - a.a.O.).
31 
Für die Gruppenverfolgung (wie auch für jede Individualverfolgung) gilt weiter, dass sie mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, d.h. wenn auch keine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die vom Zufluchtsland aus erreichbar sein muss (vgl. § 3e AsylVfG, Art. 8 QRL).
32 
Diese ursprünglich zum Asylgrundrecht für die unmittelbare und die mittelbare staatliche Gruppenverfolgung entwickelten Grundsätze können prinzipiell auf die Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure übertragen werden, wie sie nunmehr durch § 3c Nr. 3 AsylVfG (vgl. Art. 6 lit. c) QRL) ausdrücklich als flüchtlingsrechtlich relevant geregelt ist.
33 
Ob Verfolgungshandlungen das Kriterium der Verfolgungsdichte erfüllen, ist von den Tatsachengerichten aufgrund einer wertenden Betrachtung im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung zu entscheiden. Dabei muss zunächst die Gesamtzahl der Angehörigen der von Verfolgungshandlungen betroffenen Gruppe ermittelt werden. Weiter müssen Anzahl und Intensität aller Verfolgungsmaßnahmen, gegen die Schutz weder von staatlichen Stellen noch von staatsähnlichen Herrschaftsorganisationen im Sinne von § 3c Nr. 1 und 2 AsylVfG einschließlich internationaler Organisationen zu erlangen ist, festgestellt und hinsichtlich der Anknüpfung an ein oder mehrere unverfügbare Merkmale im Sinne von § 3b AsylVfG nach ihrer objektiven Gerichtetheit zugeordnet werden. Alle danach gleichgearteten, auf eine nach denselben Merkmalen zusammengesetzte Gruppe bezogenen Verfolgungsmaßnahmen müssen schließlich zur ermittelten Größe dieser Gruppe in Beziehung gesetzt werden, weil eine bestimmte Anzahl von Eingriffen, die sich für eine kleine Gruppe von Verfolgten bereits als bedrohlich erweist, gegenüber einer großen Gruppe vergleichsweise geringfügig erscheinen kann. Diese Maßstäbe haben auch bei der Anwendung der Richtlinie 2011/95/EU Gültigkeit (vgl. zu alledem BVerwG, Urteil vom 21.04.2009 - 10 C 11.08 - NVwZ 2009, 1237)
34 
Der der Prognose zugrunde zu legende Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist unabhängig davon, ob bereits Vorverfolgung oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylVfG (vgl. Art. 15 QRL) vorliegt (vgl. EuGH, Urteil vom 02.03.2010 - C-175/08 u.a. - InfAuslR 2010, 188; BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 5.09 - NVwZ 2011, 51). Die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden ernsthaft bedroht war, ist allerdings ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden (vgl. Art. 4 Abs. 4 QRL); es besteht die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Den in der Vergangenheit liegenden Umständen wird Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft beigelegt (vgl. EuGH, Urteil vom 02.03.2010 - C-175/08 - InfAuslR 2010,188). Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadenstiftenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland wiederholen werden. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden; hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 5.09 - NVwZ 2011, 51). Die nach Art. 4 Abs. 4 QRL maßgebenden stichhaltigen Gründe, die gegen eine erneute Verfolgung sprechen, können bei richtigem Verständnis der Norm letztlich keine anderen Gründe sein als die, die im Rahmen der „Wegfall der Umstände-Klausel“ des Art. 11 Abs. 1 Buchst. e) und f) QRL maßgebend sind. Dafür spricht, dass der EuGH diese Grundsätze in einen Kontext mit der „Wegfall der Umstände-Klausel“ gestellt hat. Nur wenn die Faktoren, welche die Furcht des Flüchtlings begründeten, dauerhaft beseitigt sind, die Veränderung der Umstände also erheblich und nicht nur vorübergehend ist, wird die Beweiskraft der Vorverfolgung entkräftet. Würden im Blick auf ein bestimmtes Herkunftsland statusrechtliche Entscheidungen wegen veränderter Umstände aufgehoben, ist es gerechtfertigt, dem Vorverfolgten im Asylverfahren die Umstände, welche die geänderte Einschätzung der Verfolgungssituation als stichhaltige Gründe leiten, entgegenzuhalten. In diesem Fall bleibt ihm dann die Möglichkeit, unter Hinweis auf besondere, seine Person betreffende Umstände nach Maßgabe des allgemeinen Wahrscheinlichkeitsmaßstabes erneut eine ihn treffende Verfolgung geltend zu machen.
35 
II. Dem Kläger ist zunächst nicht aus individuellen Verfolgungsgründen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
36 
Der Senat konnte insbesondere aufgrund des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung und des in ihr gewonnenen Eindrucks von der Person des Klägers nicht die erforderliche volle Überzeugung davon gewinnen, dass die vom Kläger behaupteten Vorfluchtgründe, namentlich dass er allein wegen mehrerer Kirchenbesuche in erheblichem Maße körperlich misshandelt wurde, der Wahrheit entsprechen.
37 
Der Kläger hatte ausweislich der ihm rückübersetzten und von ihm ausdrücklich bestätigten Niederschrift des Bundesamts vom 15.05.2013 im Verwaltungsverfahren ausgeführt, dass in seiner Gegend „moslemische Jungs“ gewesen seien, die ihm gesagt hätten, er solle nicht in die christliche Kirche gehen; sie hätten ihm Prügel angedroht. Einige Tage später habe man ihn auf dem Weg in die Kirche angehalten und ihm auf den Kopf gehauen. Es seien 10 bis 12 Leute aus seinem Stadtbezirk gewesen. In der mündlichen Verhandlung hat er gegenüber dem Senat hingegen behauptet, es seien seine beiden älteren Brüder, seine Cousins und Nachbarn gewesen, die ihn angehalten und geschlagen hätten. Eine plausible Erklärung auf den ihm vorgehaltenen Widerspruch konnte der Kläger dem Senat nicht unterbreiten. Dieser Widerspruch ist aus der Sicht des Senats von so großem Gewicht, dass er den von ihm behaupteten und seiner Schilderung nach wesentlichen Fluchtgrund dem Kläger nicht zu glauben vermag. Sicherlich können auch Nachbarn als „Leute aus seinem Stadtbezirk“ verstanden werden, dann aber ist es völlig fernliegend, wenn er, falls sich der Vorfall überhaupt so abgespielt hätte, nicht die Beteiligung engster Familienangehöriger beim Bundesamt erwähnt hätte. Denn es stellt eine ganz andere Qualität der eigenen Betroffenheit dar, wenn die Übergriffe von der eigenen Familie ausgehen. Der Vollständigkeit halber weist der Senat auch darauf hin, dass die Schilderung des Vorfalls auffallend blass geblieben ist und insbesondere eine plausible Darstellung vermissen ließ, wie es ihm gelungen sein soll, bei einer Überzahl von 10 bis 12 Leuten zu fliehen, wie er in der mündlichen Verhandlung behauptet hatte. Nicht nachzuvollziehen ist für den Senat auch, dass der Kläger gegenüber dem Bundesamt nicht sagen konnte, wo sich genau die Praxis des von ihm aufgesuchten Arztes befindet, sondern nur Vermutungen angestellt hatte, obwohl es „sein“ Arzt im eigenen Stadtviertel gewesen sein soll. Sowohl bei der Anhörung durch das Bundesamt wie auch in der mündlichen Verhandlung ist aus der Sicht des Senats nicht deutlich geworden, weshalb der Kläger sofort nach einem ersten Vorfall das Land unter Aufwendung erheblicher finanzieller Mittel verlassen hat und als alleinstehender junger Mann nicht vielmehr erst einmal sein engeres soziales und familiäres Umfeld aufgegeben und in eine andere Stadt gegangen ist. Der bloße Einwand, dass in Pakistan überall Moslems lebten und er sich sicher gewesen sei, dass sie ihn auch dort umgebracht hätten, ist nicht ohne weiteres plausibel, wenn die Gefährdung doch von einem engsten sozialen und familiären Umfeld ausgegangen sein soll, das ihn sehr gut gekannt hätte. Weshalb in einer anderen Stadt hätte veröffentlicht werden sollen, dass er Christ bzw. getauft worden sei, erschließt sich dem Senat nicht. Auch seine Erläuterung, dass er erst hier erfahren haben will, dass man, um Christ zu werden, getauft werden muss, ist nicht nachvollziehbar, wenn er in Pakistan bereits gewusst haben will, dass er Christ werden wolle, weshalb auch die behaupteten engeren Kontakte zu einer christlichen Kirche in Pakistan, über die er zudem auffallend wenig berichten konnte, generell infrage stehen.
38 
Nach der Schilderung des Klägers in der mündlichen Verhandlung hatte er seit etwa sechs Jahren Kontakt zu einem Mitspieler christlichen Glaubens mit Namen Zxxx im Cricketclub. Schon beim Bundesamt wie auch beim Verwaltungsgericht blieb der Kläger eine nachvollziehbare Erklärung dafür schuldig, weshalb er erst im Jahre 2011 von Zxxx angesprochen und aufgefordert worden sein will, mit in die Kirche zu gehen, und dieses nicht schon viel früher geschehen sein soll. Er hatte lediglich angegeben, dass sie erst im Jahre 2011 starke Freunde geworden seien, ohne dieses aber näher zu erläutern. Auch in der mündlichen Verhandlung fehlte eine schlüssige Antwort auf entsprechende Fragen des Senats. Bemerkenswert ist zudem, dass der Kläger bei der Anhörung durch das Bundesamt mehrfach davon gesprochen hatte, dass verschiedene „Jungs“ christlichen Glaubens aus dem Club, die enge Freunde von ihm gewesen seien, ihn angesprochen und aufgefordert hätten, in die Kirche zu gehen, während in der mündlichen Verhandlung davon auch nicht mehr im Ansatz die Rede war, sondern nur noch von Zxxx. Die Freunde sollen nach den beim Bundesamt gemachten Angaben auch die Ausreise gemeinsam organisiert haben, wovon der Kläger in der mündlichen Verhandlung ebenfalls nicht mehr gesprochen hatte. Schließlich kann angesichts grundlegender Widersprüche und Unzulänglichkeiten nicht übersehen werden und muss auch jedenfalls in der Gesamtschau zum Nachteil des Klägers gewertet werden, dass er beim Bundesamt den Namen des Freundes mit „Axxx“ angegeben hatte. Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass es sich um einen Übertragungsfehler gehandelt haben könnte, sieht der Senat nicht. Denn zum einen ist die Ähnlichkeit beider Namen nicht sehr groß, zum anderen wurde die Niederschrift rückübersetzt, ohne dass der Kläger insoweit eine Berichtigung angebracht hätte; auch in der Folgezeit nach Erhalt einer Protokollabschrift ist solches nicht geschehen. Bemerkenswert ist auch, dass der Kläger beim Bundesamt nicht näher eingrenzen konnte, wann er im Jahre 2011 mit den Besuchen in der Kirche begonnen hatte, während er beim Verwaltungsgericht den Vorfall immerhin nunmehr auf den achten oder neunten Monat 2012 (gemeint 2011) relativ präzise datieren konnte. In der mündlichen Verhandlung will er nunmehr mit den Besuchen im neunten Monat begonnen haben, während sich der Vorfall im zehnten Monat abgespielt haben soll. Das wiederum passt offensichtlich nicht zu seinem Vorbringen, er sei nach dem Vorfall nicht mehr zur Familie gegangen, sondern zu Zxxx, bei dem er noch 20 bis 25 Tage geblieben sei bis er mit dem Zug von Lahore nach Quetta gefahren sei, während er beim Bundesamt angegeben hatte, am 23.12.2011 (nicht wie im Protokoll offensichtlich irrtümlich ausgeführt 2012) von Lahore mit dem Zug nach Quetta gefahren zu sein.
39 
III. Dem Kläger kann die Flüchtlingseigenschaft auch nicht allein deshalb zuerkannt werden, weil er inzwischen Christ ist und im Falle der Rückkehr seinen Glauben aktiv auch in der Öffentlichkeit praktizieren wird. Der Senat geht in diesem Zusammenhang nach den Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung davon aus, dass er als getaufter Christ seinem Glauben innerlich verbunden ist und es zu den von ihm als verbindlich verstanden Glaubensinhalten gehört, regelmäßig an den Gottesdiensten seiner Gemeinde teilzunehmen und sich an der Gemeindearbeit zu beteiligen.
40 
Christen in Pakistan droht nach den im Verfahren vom Senat zugrunde gelegten und ausgewerteten Erkenntnismitteln nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit, wegen ihres Glaubens und ihrer – auch öffentlichen – Glaubensbetätigung einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 QRL ausgesetzt zu sein.
41 
Der Senat geht davon aus, dass in Pakistan mindestens 3 Millionen Christen leben (vgl. AA Lagebericht vom 08.04.2014, S. 6 und 16 – im Folgenden Lagebericht; vgl. aber auch Home Office, Pakistan, Country of Origin Information Report vom 09.10.2013, Ziffer 19.178 – im Folgenden COI – wonach laut einiger Quellen die Zahl in Wirklichkeit das Doppelte betragen soll). Nach der Rechtslage bestehen - anders als bei der religiösen Minderheit der Ahmadis – keine wesentlichen unmittelbaren Diskriminierungen der Christen in Pakistan (vgl. etwa Lagebericht, S. 13 f.; BAA, Bericht zur Fact Finding Mission, Pakistan, Juni 2013, S. 38 ff. und 51 ff. – im Folgenden BAA). Eine Ausnahme besteht insoweit, als der Premierminister sowie der Präsident Muslim sein muss, was teilweise als schlechtes Signal an die Bevölkerung beschrieben wird, dass die Minderheiten auch minderwertig seien (vgl. BAA, S. 51). Allerdings wirkt sich die sog. Blasphemiegesetzgebung auch bei der christlichen Minderheit faktisch zu ihrem Nachteil aus, zumal diese – nicht anders als bei anderen Minderheiten, aber auch bei der Mehrheitsbevölkerung – in erheblichem Maße aus eigensüchtigen Motiven und Gründen von den Anzeigeerstattern missbraucht wird (vgl. ausführlich auch BAA, S. 48 ff.; COI, Ziffer 19.33. ff.; UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs von Angehörigen religiöser Minderheiten in Pakistan, 10.10.2012, S. 6 f. – im Folgenden UNHCR; Human Rights Commission of Pakistan, State of Human Rights in 2013, S. 27 ff und 101 ff. – im Folgenden HRCP).
42 
Der Senat hat sich zu den Blasphemiegesetzen in seinem den Beteiligten im Einzelnen bekannten Urteil vom 12.06.2013 (A 11 S 757/13 - juris) ausführlich geäußert, auf das zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird (vgl. dort Rn. 68 ff.). Wesentlich neue Aspekte haben sich insoweit zwischenzeitlich nicht ergeben. Betroffen sind davon allerdings in erster Linie nicht Angehörige der christlichen Minderheit. Dokumentiert sind zwei nicht rechtskräftige Todesurteile gegen eine christliche Frau und ein christliches Mädchen, ohne dass nähere Umstände hierzu bekannt geworden sind (vgl. etwa Human Rights Watch World Report 2014, S. 367 f. – im Folgenden HRWWR). Im Jahre 2012 kam es zu insgesamt 113 Anklagen (gegenüber 79 im Jahre 2011), davon 12 gegen Christen (Lagebericht, S. 14; vgl. auch HRCP, S. 33 f., die von geringfügig höheren Zahlen ausgeht). Im Jahre 2013 wurden insgesamt gegen 68 Personen Verfahren eingeleitet, darunter gegen 14 Christen; es wurden insgesamt mindestens 16 oder 17 Personen zum Tode und 19 oder 20 zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt, davon eine Verurteilung eines Christen zu lebenslanger Freiheitsstrafe und zwei Freisprüche von Christen (vgl. US Commission of International Religious Annual Report 2014, S. 76 – Im Folgenden USCIRF I; HRWWR, S. 367; HRCP, S. 33 ff.; vgl. zu weiteren Verurteilungen eines britischen Staatsangehörigen und einer pakistanischen Christin im Jahre 2014 Briefing Notes vom 27.01.2014 und 31.03.2014).
43 
Die Religionsausübung der christlichen Minderheit wird grundsätzlich staatlicherseits nicht eingeschränkt oder behindert. Für das Jahr 2012 wurde allerdings berichtet, dass auch staatliche Stellen sich an der Zerstörung christlicher Einrichtungen beteiligt hätten (vgl. US Commission of International Religious Freedom Annual Report 2012, S. 126 – Im Folgenden USCIRF II). Vergleichbare Vorkommnisse werden für das Jahr 2013 in den zahlreichen Erkenntnismitteln an keiner Stelle mehr erwähnt (vgl. USCRIF I, S. 75 ff. und US Commission of International Religious Freedom Annual Report 2013, S. 123 – im Folgenden USCRIF IV).
44 
Die wesentlichen Probleme, mit denen religiöse Minderheiten konfrontiert sind, sind die Auswirkungen der zunehmenden interkonfessionellen Gewaltakte von nicht-staatlicher Seite und Diskriminierungen im gesellschaftlichen Leben (vgl. hierzu schon ausführlich Senatsurteil vom 12.06.2013 – A 11 S 757/13). Allerdings ist festzustellen, dass sich diese Gewalttaten bislang überwiegend gar nicht gegen Christen, sondern gegen Angehörige der schiitischen Minderheit richten (vgl. BAA, S. 19 f und 47 f.; Lagebericht, S. 16; HRWWR, S. 367; USCIRF I, S. 75). Für das Jahr 2013 wurden insgesamt 658 Tote und 1195 Verletzte gezählt (vgl. Lagebericht S. 16), die gegen religiöse Minderheiten gerichteten interkonfessionellen Gewaltakten zum Opfer gefallen sind, während es sich im Jahre 2012 „nur“ um 507 Tote und 577 Verletzte gehandelt hatte (vgl. COI, Ziffer 19.233). Was die christliche Minderheit betrifft, sind besonders hervorzuheben ein Anschlag auf die anglikanische Allerheiligen-Kirche in Peshawar am 22.09.2013, durch den wohl etwa 100 Personen getötet und über 150 zum Teil schwer verletzt wurden (vgl. Lagebericht, S. 16, und USCIRF I, S. 76). Im März und April attackierte eine aufgehetzte Menschenmenge christliche Siedlungen bzw. Dörfer; bei den Attacken wurden über 100 Häuser zerstört, ohne dass aber Menschenleben zu beklagen waren (vgl. USCIRF I, S. 76; vgl. auch BAA, S. 42 f.; vgl. auch HRCP, S. 94 - zu weiteren – allerdings vereinzelten – Übergriffen auf Kirchen S. 94), wobei auch Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Vorfall im März 2013 von langer Hand vorbereitet worden war. Im Wesentlichen alle verwerteten Erkenntnismittel sind sich in diesem Zusammenhang einig, dass staatliche Sicherheits- und Strafverfolgungsorgane hierbei den erforderlichen Schutz nur lückenhaft gewähren oder jedenfalls viel zu spät eingreifen, wobei dieses oftmals nicht allein darauf zurückzuführen ist, dass diese Organe überfordert wären, sondern auch auf einer offensichtlich mangelnden Bereitschaft beruht, effektiven Schutz zu gewähren (vgl. etwa BAA, S. 19 ff. und 42 ff.; HRWWR, S. 367; UNHCR, S. 1 f.; vgl. zu unzureichenden Schutzmaßnahmen schon Departement of State‘s International Religious Freedom Report for 2012, Stichwort „Government Inaction“ – Im Folgenden USCIRF III). Allerdings ist auch festzuhalten, dass es fundierte Berichte gibt, dass Polizeiorgane bei dem Versuch, den gebotenen Schutz zu gewähren, ernsthafte Verletzung erlitten haben (vgl. BAA, S. 43; vgl. auch S. 46 zu Schutzmaßnahmen bei Prozessionen). Immerhin haben die Sicherheitsorgane nach gewalttätigen Übergriffen auch Ausgangssperren zum Schutze der Minderheiten und gegenüber muslimischen Klerikern Verbote verhängt, die Stadt zu betreten, um zu verhindern, dass diese zur Gewalt aufstacheln und Hassreden halten (vgl. HRCP S. 76). Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang abschließend, dass es nach dem Angriff am 22.09.2013 in Lahore und Islamabad bemerkenswerte zivilgesellschaftliche Solidaritätsaktionen zugunsten der Christen gab, indem um mehrere Kirchen Menschenketten gebildet wurden (HRCP, S. 94).
45 
Selbst wenn man bei der gebotenen qualitativen Bewertung (vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom 27.04.2010 - 10 C 4.09 - NVwZ 2011, 56, vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 - NVwZ 2012, 454 und vom 13.02.2014 - 10 C 6.13 - NVwZ-RR 2014, 487) berücksichtigt, dass derartige Gewaltakte teilweise nicht vorhergesehen werden und die Angehörigen der religiösen Minderheiten gewissermaßen aus heiterem Himmel treffen können, was es ihnen dann aber unmöglich macht, ihnen auszuweichen, so genügen selbst die für das Jahr 2013 festgestellten Opferzahlen, die nach den verwerteten Erkenntnismitteln überwiegend nicht die christliche Minderheit betreffen, bei weitem nicht, um die Annahme zu rechtfertigen, jeder Angehörige dieser mindestens drei Millionen zählenden Minderheit müsse mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen, in einer noch überschaubaren Zeit Opfer derartiger Leib oder Leben betreffenden Akte zu werden. Daran ändern nichts die etwa vom Auswärtigen Amt im Lagebericht vom 08.04.2014 (S. 16) getroffene Feststellung, dass nach den Ereignissen des Jahres 2013 die Bedrohungslage der christlichen Minderheit in Pakistan eine neue Qualität habe, und die Tatsache, dass die Human Rights Commission of Pakistan davon spricht, dass das Jahr 2013 eines der schwärzesten für die christlichen Gemeinden in Pakistan gewesen sei (HRCP, S. 92). Auch UNHCR ist bislang der Auffassung gewesen, dass eine generelle, vom Einzelfall unabhängige Gefährdung nicht besteht (UNHCR, S. 8). Selbst die Organisation „Open Doors“ (Länderprofile Pakistan), die insgesamt ein durchaus düsteres Bild vermittelt, das aber in den anderen Erkenntnismitteln keine unmittelbare Entsprechung findet, geht davon aus, dass die christlichen Gemeinden sich nach wie vor ungehindert auch mit Öffentlichkeitsbezug versammeln und arbeiten können, auch wenn mitunter die Kirchen von bezahlten Wachleuten geschützt werden. Der Senat kann daher offen lassen, ob der pakistanische Staat den durch Art. 7 Abs. 2 QRL geforderten effektiven Schutz gewährleistet, was aber nach den verwerteten Erkenntnismitteln eher zu verneinen sein dürfte.
46 
Dass es nach wie vor ein reges, wenn auch nicht ungefährliches religiöses Leben der christlichen Minderheit auch mit unmittelbarem Öffentlichkeitsbezug in Pakistan gibt, wird beispielhaft illustriert durch die – auch neueren – Berichte, die auf der Website http://www.kirche-in-not.de/tag/pakistan erschienen sind und weiter erscheinen. Dass tatsächlich der christliche Glaube in nennenswertem Umfang in Pakistan gelebt und aktiv praktiziert wird, lässt sich auch unschwer daraus ablesen, dass die Kirchen in erheblichem Umfang Schulen und andere Bildungseinrichtungen betreiben (vgl. missio, Länderberichte Religionsfreiheit: Pakistan, 2012, S. 18 – im Folgenden missio; Deutschlandradio Kultur vom 13.01. und 11.02.2014; vgl. auch den zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Ausdruck des Internetauftritts der FGA-Church Pakistan). Auch ist darauf hinzuweisen, dass die Erzdiözesen Karachi und Lahore seit langer Zeit größere Krankhäuser betreiben und auch seit 2009 eigene Fernsehsender unterhalten (Wikipedia, Roman Catholic Archdiocese of Lahore Stand 28.03.2014; Wikipedia, Roman Catholic Archdiocese of Karachi Stand 28.03.2014).
47 
Die gesellschaftliche und soziale Lage der christlichen Minderheit wird übereinstimmend als durchaus prekär und durch vielfältige Diskriminierungen geprägt beschrieben. Gleichwohl ist das Bild zwiespältig. Die festzustellende Marginalisierung und Diskriminierung beruht dabei keineswegs allein oder ganz überwiegend auf dem christlichen Glauben, sondern hat auch eine wesentliche Wurzel in dem noch nachwirkenden und überkommenen Kastenwesen, weil die Christen zum größten Teil Nachkommen von Hindus sind, die der Kaste der Unberührbaren angehörten (vgl. BAA, S. 52; COI, Ziffer 19.198 und 19.204). Dies hat zur Folge, dass die überwiegende Zahl der Christen der Unterschicht zuzurechnen ist und unter der Armutsgrenze lebt, was im Übrigen auch für andere Minderheiten gilt, und die Rate von Analphabetentum sehr groß ist (vgl. Lagebericht, S. 13 f.; BAA, S. 50 ff.; Immigration und Refugee Board of Canada, Pakistan: Religious conversions, including treatment of converts and forced conversions (2009 – 2012), Ziff. 1 – im Folgenden Canada). Diese Stellung wiederum macht eine wesentliche Ursache dafür aus, dass junge christliche Frauen und Mädchen in besonderem Maße das Opfer von unfreiwilligen Bekehrungen und Verheiratungen nach Entführungen werden (vgl. COI, Ziffer 19.188 und 19.198; UNHCR, S. 7; HRCP, S. 95 f.), wobei auch hier ein wirklich effektiver Schutz durch die pakistanischen Sicherheitsorgane nicht gewährt wird, auch wenn in der Nationalversammlung und auf der staatlichen Führungsebene das Problem gesehen und über Abhilfe diskutiert wird (vgl. Canada Ziff. 1). Allerdings berichtet die Pakistanische Menschenrechtsorganisation für das Jahr 2013 durchaus von erheblich weniger erfolgreichen oder versuchten zwangsweisen Konversionen bzw. Verheiratungen (vgl. HRCP, S. 91). Bei alledem darf letztlich aber zudem nicht die Tatsache ausgeblendet werden, dass Entführungen, Zwangsverheiratungen und Vergewaltigungen von (jungen) Frauen in Pakistan ein durchaus gesamtgesellschaftliches Phänomen und Problem darstellen, das weit über die christliche Minderheit hinausreicht (vgl. COI, Ziff. 23.156 ff.; Lagebericht, S. 19 und 21). Die Christen arbeiten überwiegend in der Landwirtschaft, der Steinbearbeitungs-, Glas-, Teppich- und Fischereiindustrie, für die auch Elemente von Zwangsarbeit festgestellt wurden, gegen die die staatlichen Stellen trotz entsprechender Verbotsgesetze nicht effektiv vorgehen (vgl. UNHCR, S. 8). Die Diskriminierung der christlichen Minderheit findet aber auch hier nicht in erster Linie im staatlichen Sektor statt, in dem allenfalls in Bezug auf höhere Positionen eine signifikante Unterrepräsentierung festzustellen ist (vgl. BAA, S. 51; vgl. zum Bildungswesen und diskriminierenden Bildungsinhalten bzw. zum obligatorischen islamischen Religionsunterricht USCIRF III, Stichwort „Governments Practice“). Die staatliche Seite versucht durchaus, gesellschaftlichen Diskriminierungen entgegen zu arbeiten (vgl. BAA, S. 41 und 52). An einer konsequenten, geschweige denn erfolgreichen auf den nicht-staatlichen Bereich bezogenen Antidiskriminierungspolitik mangelt es zwar. Ein solches Unterlassen stellt jedoch keine Verfolgungshandlung im Sinne von Art. 9 Abs. 2 (hier v.a. lit. b, c und d) QRL dar, wenn man überhaupt in einem Unterlassen eine relevante Verfolgungshandlung sehen will (vgl. zum Problem grundsätzlich Marx, Handbuch zu Flüchtlingsschutz, 2. Aufl., § 11 Rn. 2 ff.), weshalb schon deshalb auch aus einer Gesamtschau aller negativen Faktoren (einschließlich der festgestellten Übergriffe auf Leib und Leben sowie vereinzelter menschenrechtlich fragwürdiger Verfahren wegen eines behaupteten Verstoßes gegen einzelne Bestimmungen der Blasphemiegesetzgebung) keine schwerwiegende Menschenrechtsverletzung im Sinne des Art. 9 Abs. 1 lit. b) QRL abgeleitet werden kann. Denn nur in einer finalen und systematischen Vorenthaltung des staatlichen Schutzes zur Vermeidung erheblicher Menschenrechtsverletzungen kann überhaupt ein zurechenbares und daher flüchtlingsrechtlich relevantes Verhalten erblickt werden (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 19.01.2009 - 10 C 52.07 - NVwZ 2009, 984), was jedoch aus den verwerteten Erkenntnismitteln nicht hinreichend deutlich zutage tritt. Geht man hingegen davon aus, dass in einem Unterlassen generell keine Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 QRL liegen kann und verortet man die Problemstellung (nur) bei der Frage, welche Anforderungen an das nach Art. 7 Abs. 2 QRL geforderte nationale Schutzsystem zu stellen sind, so führt dies zu keiner anderen Sicht der Dinge. Zwar finden sich in einer Vielzahl von Menschrechtspakten ausdrückliche Diskriminierungsverbote (vgl. etwa Art. 2 AEM; Art. 14 EMRK; Art. 26 IPbpR), die mittlerweile zu einem allgemeinen völkergewohnheitsrechtlichen Diskriminierungsverbot erstarkt sein dürften (vgl. Marx, a.a.O., § 16 Rn 45), das auch Art. 9 Abs. 2 QRL zugrunde liegt, das aber grundsätzlich in erster Linie an staatliche Akteure gerichtet ist. Es existiert jedoch keine allgemeine, auch flüchtlingsrechtlich relevante Verpflichtung, Diskriminierungen durch nicht-staatliche Akteure umfassend zu unterbinden und mit allen Mitteln effektiv zu bekämpfen. Ein auch solche Handlungen, die unterhalb der Schwelle von Eingriffen in Leib, Leben oder persönlicher Freiheit liegen, unterbindendes Schutzsystem wird durch Art. 7 Abs. 2 QRL nicht gefordert. Soweit etwa Art. 7 IPwskR das Recht der Arbeitnehmer auf gleiches Entgelt für gleichwertige oder auf gleiche Möglichkeiten auf beruflichen Aufstieg anerkennt und damit auch nicht-staatliche Akteure im Blick hat, handelt es sich nicht um ein Instrumentarium, das bedingungslos grundlegende menschenrechtliche Standards umschreibt, die flüchtlingsrechtlich eine Verpflichtung zu einer umfassenden Antidiskriminierungspolitik auslöst und daher Grundlage eines umfassenden flüchtlingsrechtlich relevanten menschenrechtlichen Schutzstandards sein könnte. Dies gilt namentlich dann, wenn - wie dargelegt - die allgemeine sozio-ökonomische Lage der christlichen Minderheit gar nicht monokausal auf ihre Religionszugehörigkeit zurückgeführt werden kann.
48 
Das vom Kläger angesprochene „land grabbing“ privater Akteure ist ein in Pakistan weit verbreitetes Phänomen und richtet sich nicht spezifisch gegen die christliche Minderheit, sondern betrifft auch andere Bewohner des Landes, die sich aufgrund ländlicher feudaler oder sonstiger ubiquitärer mafiöser Strukturen in einer unterlegenen Position befinden und bei denen nicht selten effektiver staatlicher Schutz ausfällt (vgl. COI, Ziff. 35.01; HRCP, S. 253).
49 
Ungeachtet dessen vermag der Senat den zahlreichen verwerteten Erkenntnismitteln auch keinen tragfähigen Ansatz für eine Feststellung zu entnehmen, dass die Lage der christlichen Minderheit generell betrachtet durch eine schwere Menschenrechtsverletzung im Sinne des Art. 9 Abs. 1 lit. b QRL gekennzeichnet wäre.
50 
Etwas anderes gilt auch nicht allgemein und generell betrachtet für den Personenkreis der vom Islam zum Christentum Konvertierten.
51 
Zunächst ist davon auszugehen, dass die pakistanische Rechtsordnung den Vorgang der Konversion nicht untersagt oder gar strafrechtlich bewertet (vgl. Lagebericht, S. 14). Versuche, die Rechtslage zu Lasten der Konvertiten zu verändern, sind sogar gescheitert und aufgegeben worden (vgl. COI, Ziff. 19.66). Allerdings kann hier die bereits erwähnte Blasphemie-Gesetzgebung zum Einfallstor für Verfolgungen und Diskriminierungen werden, wenn es um die Beurteilung von Äußerungen und Verhaltensweisen im Kontext einer Konversion geht (vgl. missio, S. 13 und 17; Deutschlandradio Kultur vom 11.02.2014, S. 3). Dass aber in signifikantem Umfang der hier zu beurteilende Personenkreis betroffen sein könnte, lässt sich den vielfältigen Erkenntnismitteln nicht entnehmen, obwohl in ihnen eine unübersehbare Fülle von Einzelinformationen verarbeitet wurden. Auch missio benennt in diesem Kontext keine konkreten Einzelfälle, sondern weist nur auf die Möglichkeit hin. Für die staatliche Ebene wird allerdings berichtet, dass ein Neueintrag der christlichen Religion in den Personalausweisen bzw. Pässen nicht möglich ist, jedenfalls faktisch nicht vorgenommen wird (Canada, Ziffer 3). Zwar wird auch berichtet, dass im Falle einer Konversion beider Ehegatten die Kinder der Konvertierten als „illegitim“ eingestuft werden und der Staat die Kinder sogar in Obhut nehmen kann. Dazu wird aber in den zahlreichen Erkenntnismitteln, die sehr ausführlich über Konversion berichten, insbesondere auch in den spezifisch christlichen bzw. kirchlichen Erkenntnismitteln kein einziger Fall benannt, geschweige denn nachvollziehbar dokumentiert.
52 
Die Probleme liegen wiederum in erster Linie in der gesellschaftlichen Sphäre. Denn nicht unerhebliche Teile der pakistanischen Gesellschaft stehen den religiösen Minderheiten ablehnend, wenn nicht gar feindselig gegenüber. Umso mehr wird dann eine Konversion weg vom Islam missbilligt, was zu hohen Befürwortungsraten für die Verhängung der Todesstrafe führt (vgl. COI, Ziff. 19.67). Wie bereits dargelegt, hat sich diese gesellschaftliche Stimmung aber nicht in entsprechenden erfolgreichen Gesetzesvorhaben niedergeschlagen. Teilweise stößt eine Konversion in der eigenen Familie des Konvertiten auf strikte Ablehnung, was dazu führen kann, dass der Betreffende aus der Familie verstoßen wird. Vereinzelt ist es hier auch zu körperlichen Übergriffen bis zu Tötungen gekommen (vgl. Canada, Ziff. 1 und 3). Den verwerteten Erkenntnismitteln nach kann es sich aber nicht um eine weiter verbreitete oder gar allgegenwärtige Erscheinung handeln.
53 
Die Folgen der gesellschaftlichen und innerfamiliären Ablehnung und Missbilligung gehen dahin, dass Konvertiten es teilweise, jedoch nicht generell, bewusst vermeiden, die Konversion an die Öffentlichkeit zu tragen, und daher ggf. auch den Wohnort wechseln, um nicht in ihrem bisherigen Wohnumfeld aufzufallen, um dann andernorts gewissermaßen als „unbeschriebenes Blatt“ als Christ auftreten und diesen Glauben mit den oben beschriebenen Einschränkungen leben zu können (vgl. etwa Open Doors, Länderprofile Pakistan). Das bedingt aber andererseits, dass es verlässliche Zahlen über die Konversionen vom Islam weg nicht geben kann. Auch wenn angesichts der geschilderten Haltung der Mehrheitsgesellschaft davon auszugehen sein wird, dass die Zahl der erfolgten Lösungen vom Islam oder Konversionen weg vom Islam nicht sehr groß sein wird, so fehlt es doch gegenwärtig an ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass nach Maßgabe der für die Annahme einer Gruppenverfolgung zugrunde zu legenden Prognosemaßstäbe jeder pakistanische Staatsangehörige, der sich vom Islam löst, unterschiedslos ein reales Risiko läuft, von einer schweren Menschenrechtsverletzung im Sinne des Art. 9 Abs. 1 lit. a) oder lit. b) QRL betroffen zu sein. Der Senat sieht sich in dieser Einschätzung durch den Bericht von Deutschlandradio Kultur vom 11.02.2014 und die dort geschilderte Haltung und Einschätzung eines ehemaligen Muslim bestätigt, die deutlich machen, dass Konversion bzw. auch nur Abkehr vom Islam möglich ist, tatsächlich stattfindet und keineswegs mit einer gewissen Zwangsläufigkeit zu schweren Menschenrechtsverletzungen führt. Im konkreten Einzelfall mag aufgrund individueller Umstände eine andere Beurteilung erforderlich werden. Unabhängig hiervon sieht der Senat keine durchgreifenden Hindernisse für eine Person in der Lage des Klägers, im Falle von unmittelbaren Anfeindungen und Übergriffen im persönlichen Umfeld seinen Wohnort zu wechseln (vgl. Art. 8 QRL), wie dieses nach den verwerteten Erkenntnismitteln immer wieder geschieht, um ein Leben als Christ führen zu können (vgl. Lagebericht, S. 24; Open Doors, Länderprofile Pakistan; Home Office, Country Information and Guidance, Pakistan: Religious freedom, 2014, Ziff. 2.4.16 f.). Aufgrund besonderer Umstände mag auch hier im Einzelfall etwas anderes gelten. Diese sind jedoch in der Person des Klägers nicht erkennbar geworden. Zwar hat er behauptet, als Cricketspieler in Lahore bekannt zu sein. Dass dieses landesweit der Fall gewesen sein könnte, erschließt sich dem Senat nicht. Denn solches wurde vom Kläger schon nicht nachvollziehbar und substantiiert behauptet. Ungeachtet dessen ist seine Person an keiner Stelle im Internet im Kontext des Cricketsports in Pakistan zu finden, worauf der Kläger in der mündlichen Verhandlung hingewiesen wurde.
54 
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2 VwGO und 83b AsylVfG. Gründe dafür, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO).

Gründe

 
21 
Die zulässige, unter Stellung eines Antrags rechtzeitig und formgerecht begründete Berufung bleibt ohne Erfolg.
22 
Die Beklagte hat es zu Recht abgelehnt, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
23 
I. Nach § 3 Abs. 4 AsylVfG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylVfG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 AufenthG. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylVfG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.
24 
Nach § 3a Abs. 1 AsylVfG (vgl. auch Art. 9 Abs. 1 RL 2011/95/EU - QRL) gelten als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 AsylVfG Handlungen, die 1. auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 04.11.1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder 2. in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist. Nach § 3a Abs. 2 AsylVfG (vgl. Art. 9 Abs. 2 QRL) können als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 unter anderem die folgenden Handlungen gelten: 1. die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt, 2. gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden, 3. unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung, 4. Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung, 5. Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 AsylVfG (vgl. Art. 12 Abs. 2 QRL) fallen, 6. Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind. Nach § 3a Abs. 3 AsylVfG (vgl. Art. 9 Abs. 3 QRL) muss dabei zwischen den Verfolgungsgründen und den als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen.
25 
Die Verfolgung kann nach § 3c AsylVfG (vgl. Art. 6 QRL) ausgehen von 1. dem Staat, 2. Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder 3. nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d AsylVfG (vgl. Art. 7 QRL) Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.
26 
Der Charakter einer Verfolgungshandlung erfordert, dass das Verhalten des betreffenden Akteurs im Sinne einer objektiven Gerichtetheit auf die Verletzung eines nach § 3a AsylVfG (Art. 9 QRL) geschützten Rechtsguts selbst zielt (vgl. BVerwG, Urteile vom 19.01.2009 - 10 C 52.07 - NVwZ 2009, 982, und vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936).
27 
Der für die Beurteilung zugrunde zu legende Prognosemaßstab ist der der beachtlichen Wahrscheinlichkeit. Die relevanten Rechtsgutsverletzungen müssen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser aus dem Tatbestandsmerkmal "... aus der begründeten Furcht vor Verfolgung ..." des Art. 2 lit. d) QRL abzuleitende Maßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR), der bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr abstellt ("real risk"); dieser Maßstab ist kein anderer als der der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936). Er setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des gesamten zur Prüfung gestellten und relevanten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen. Dabei ist eine qualifizierende bzw. bewertende Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Entscheidend ist, ob aus der Sicht eines vernünftig denkenden und nicht übertrieben furchtsamen Menschen gerade in der Lage des konkreten Asylsuchenden nach Abwägung aller bekannten Umstände eine Rückkehr in den Heimatstaat als unzumutbar einzuschätzen ist. Unzumutbar kann eine Rückkehr in den Heimatstaat auch dann sein, wenn ein mathematischer Wahrscheinlichkeitsgrad von weniger als 50 v.H. für eine politische Verfolgung gegeben ist. In einem solchen Fall reicht zwar die bloße theoretische Möglichkeit einer Verfolgung nicht aus. Ein vernünftig denkender Mensch wird sie außer Betracht lassen. Ergeben jedoch die Gesamtumstände des Falles die "reale Möglichkeit" einer flüchtlingsrechtlich relevanten Verfolgung, wird auch ein verständiger Mensch das Risiko einer Rückkehr in den Heimatstaat nicht auf sich nehmen. Ein verständiger Betrachter wird bei der Abwägung aller Umstände daneben auch die besondere Schwere des befürchteten Eingriffs in einem gewissen Umfang in seine Betrachtung einbeziehen. Wenn nämlich bei quantitativer Betrachtungsweise nur eine eher geringere mathematische Wahrscheinlichkeit für eine Verfolgung besteht, kann es auch aus der Sicht eines besonnen Menschen bei der Überlegung, ob er in seinen Heimatstaat zurückkehren kann, einen ganz erheblichen Unterschied bedeuten, ob er z.B. lediglich eine Gefängnisstrafe von einem Monat oder aber Folter oder gar die Todesstrafe riskiert (so BVerwG, Urteile vom 05.11.1991 - 9 C 118.90 - NVwZ 1992, 582, und vom 20.02.2013 - 10 C 23.12 - NVwZ 2013, 936). Auch gilt: Je unabwendbarer eine drohende Verfolgung erscheint, desto unmittelbarer steht sie bevor. Je schwerer der befürchtete Verfolgungseingriff ist, desto weniger kann es dem Gefährdeten zugemutet werden, mit der Flucht zuzuwarten, bis der Verfolger unmittelbar vor der Tür steht. Das gilt auch dann, wenn der Eintritt der befürchteten Verfolgung von reiner Willkür abhängt, das befürchtete Ereignis somit im Grunde jederzeit eintreten kann, ohne dass allerdings im Einzelfall immer gesagt werden könnte, dass dessen Eintritt zeitlich in nächster Nähe bevorsteht. Die allgemeinen Begleitumstände, z. B. eine Willkürpraxis, die Repressionsmethoden gegen bestimmte oppositionelle oder verwundbare Gruppen, sind allgemeine Prognosetatsachen (vgl. zum kausalen und zeitlichen Zusammenhang zwischen Verfolgung und Flucht BVerwG, Urteil vom 20.11.1990 - 9 C 72.90 - NVwZ 1991, 384).
28 
Für die Beurteilung sind alle Akte zu berücksichtigen und einzustellen, denen der Ausländer ausgesetzt gewesen war oder die ihm gedroht hatten, um festzustellen, ob unter Berücksichtigung seiner persönlichen Umstände diese Handlungen als Verfolgung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 QRL gelten können.
29 
Zur Erstellung der erforderlichen Prognose sind objektiviert die Prognosetatsachen nach den allgemeinen Maßstäben des verwaltungsverfahrensrechtlichen bzw. verwaltungsgerichtlichen Regelbeweismaßes der Überzeugungsgewissheit zu ermitteln und festzustellen. Diese Tatsachen bestehen regelmäßig aus solchen, die in der Vergangenheit wie auch aus solchen, die in der Gegenwart liegen. Sie müssen sodann in einer Gesamtschau verknüpft und gewissermaßen in die Zukunft projiziert werden. Auch wenn insoweit - wie sich bereits aus dem Gefahrbegriff ergibt - eine beachtliche Wahrscheinlichkeit ausreicht und deshalb ein „voller Beweis“ nicht erbracht werden kann, ändert dies nichts daran, dass das Gericht von der Richtigkeit seiner verfahrensfehlerfrei gewonnenen Prognose drohender Verfolgung die volle Überzeugung gewonnen haben muss (BVerwG, Urteile vom 20.11.1990 - 9 C 74.90 - NVwZ 1991, 382, und - 9 C 72.90 - NVwZ 1991, 384).
30 
Die Gefahr eigener Verfolgung für einen Ausländer, der die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft begehrt, kann sich nicht nur aus gegen ihn selbst gerichteten Maßnahmen ergeben, sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen, wenn diese Dritten wegen eines asylerheblichen Merkmals verfolgt werden, das er mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (Gefahr der Gruppenverfolgung). Dabei ist je nach den tatsächlichen Gegebenheiten auch zu berücksichtigen, ob die Verfolgung allein an ein bestimmtes unverfügbares Merkmal wie die Religionszugehörigkeit anknüpft oder ob für die Bildung der verfolgten Gruppe und die Annahme einer individuellen Betroffenheit weitere Umstände oder Indizien hinzutreten müssen. Die Annahme einer alle Gruppenmitglieder erfassenden gruppengerichteten Verfolgung setzt - abgesehen von den Fällen eines (staatlichen) Verfolgungsprogramms (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 05.07.1994 - 9 C 158.94 - NVwZ 1995, 175) - ferner eine bestimmte "Verfolgungsdichte" voraus, welche die "Regelvermutung" eigener Verfolgung rechtfertigt. Hierfür ist die Gefahr einer so großen Vielzahl von Eingriffshandlungen in flüchtlingsrechtlich geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht. Voraussetzung für die Annahme einer Gruppenverfolgung ist ferner, dass die festgestellten Verfolgungsmaßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an asylerhebliche Merkmale treffen. Ob eine in dieser Weise spezifische Zielrichtung vorliegt, die Verfolgung mithin "wegen" eines der in § 3b AsylVfG genannten Merkmale erfolgt, ist anhand ihres inhaltlichen Charakters nach der erkennbaren Gerichtetheit der Maßnahme selbst zu beurteilen, nicht nach den subjektiven Gründen oder Motiven, die den Verfolgenden dabei leiten (vgl. Urteil vom 05.07.1994 - a.a.O.).
31 
Für die Gruppenverfolgung (wie auch für jede Individualverfolgung) gilt weiter, dass sie mit Rücksicht auf den allgemeinen Grundsatz der Subsidiarität des Flüchtlingsrechts den Betroffenen einen Schutzanspruch im Ausland nur vermittelt, wenn sie im Herkunftsland landesweit droht, d.h. wenn auch keine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative besteht, die vom Zufluchtsland aus erreichbar sein muss (vgl. § 3e AsylVfG, Art. 8 QRL).
32 
Diese ursprünglich zum Asylgrundrecht für die unmittelbare und die mittelbare staatliche Gruppenverfolgung entwickelten Grundsätze können prinzipiell auf die Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure übertragen werden, wie sie nunmehr durch § 3c Nr. 3 AsylVfG (vgl. Art. 6 lit. c) QRL) ausdrücklich als flüchtlingsrechtlich relevant geregelt ist.
33 
Ob Verfolgungshandlungen das Kriterium der Verfolgungsdichte erfüllen, ist von den Tatsachengerichten aufgrund einer wertenden Betrachtung im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung zu entscheiden. Dabei muss zunächst die Gesamtzahl der Angehörigen der von Verfolgungshandlungen betroffenen Gruppe ermittelt werden. Weiter müssen Anzahl und Intensität aller Verfolgungsmaßnahmen, gegen die Schutz weder von staatlichen Stellen noch von staatsähnlichen Herrschaftsorganisationen im Sinne von § 3c Nr. 1 und 2 AsylVfG einschließlich internationaler Organisationen zu erlangen ist, festgestellt und hinsichtlich der Anknüpfung an ein oder mehrere unverfügbare Merkmale im Sinne von § 3b AsylVfG nach ihrer objektiven Gerichtetheit zugeordnet werden. Alle danach gleichgearteten, auf eine nach denselben Merkmalen zusammengesetzte Gruppe bezogenen Verfolgungsmaßnahmen müssen schließlich zur ermittelten Größe dieser Gruppe in Beziehung gesetzt werden, weil eine bestimmte Anzahl von Eingriffen, die sich für eine kleine Gruppe von Verfolgten bereits als bedrohlich erweist, gegenüber einer großen Gruppe vergleichsweise geringfügig erscheinen kann. Diese Maßstäbe haben auch bei der Anwendung der Richtlinie 2011/95/EU Gültigkeit (vgl. zu alledem BVerwG, Urteil vom 21.04.2009 - 10 C 11.08 - NVwZ 2009, 1237)
34 
Der der Prognose zugrunde zu legende Wahrscheinlichkeitsmaßstab ist unabhängig davon, ob bereits Vorverfolgung oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylVfG (vgl. Art. 15 QRL) vorliegt (vgl. EuGH, Urteil vom 02.03.2010 - C-175/08 u.a. - InfAuslR 2010, 188; BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 5.09 - NVwZ 2011, 51). Die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden ernsthaft bedroht war, ist allerdings ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden (vgl. Art. 4 Abs. 4 QRL); es besteht die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Den in der Vergangenheit liegenden Umständen wird Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft beigelegt (vgl. EuGH, Urteil vom 02.03.2010 - C-175/08 - InfAuslR 2010,188). Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadenstiftenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland wiederholen werden. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden; hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften (vgl. BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 5.09 - NVwZ 2011, 51). Die nach Art. 4 Abs. 4 QRL maßgebenden stichhaltigen Gründe, die gegen eine erneute Verfolgung sprechen, können bei richtigem Verständnis der Norm letztlich keine anderen Gründe sein als die, die im Rahmen der „Wegfall der Umstände-Klausel“ des Art. 11 Abs. 1 Buchst. e) und f) QRL maßgebend sind. Dafür spricht, dass der EuGH diese Grundsätze in einen Kontext mit der „Wegfall der Umstände-Klausel“ gestellt hat. Nur wenn die Faktoren, welche die Furcht des Flüchtlings begründeten, dauerhaft beseitigt sind, die Veränderung der Umstände also erheblich und nicht nur vorübergehend ist, wird die Beweiskraft der Vorverfolgung entkräftet. Würden im Blick auf ein bestimmtes Herkunftsland statusrechtliche Entscheidungen wegen veränderter Umstände aufgehoben, ist es gerechtfertigt, dem Vorverfolgten im Asylverfahren die Umstände, welche die geänderte Einschätzung der Verfolgungssituation als stichhaltige Gründe leiten, entgegenzuhalten. In diesem Fall bleibt ihm dann die Möglichkeit, unter Hinweis auf besondere, seine Person betreffende Umstände nach Maßgabe des allgemeinen Wahrscheinlichkeitsmaßstabes erneut eine ihn treffende Verfolgung geltend zu machen.
35 
II. Dem Kläger ist zunächst nicht aus individuellen Verfolgungsgründen die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.
36 
Der Senat konnte insbesondere aufgrund des Ergebnisses der mündlichen Verhandlung und des in ihr gewonnenen Eindrucks von der Person des Klägers nicht die erforderliche volle Überzeugung davon gewinnen, dass die vom Kläger behaupteten Vorfluchtgründe, namentlich dass er allein wegen mehrerer Kirchenbesuche in erheblichem Maße körperlich misshandelt wurde, der Wahrheit entsprechen.
37 
Der Kläger hatte ausweislich der ihm rückübersetzten und von ihm ausdrücklich bestätigten Niederschrift des Bundesamts vom 15.05.2013 im Verwaltungsverfahren ausgeführt, dass in seiner Gegend „moslemische Jungs“ gewesen seien, die ihm gesagt hätten, er solle nicht in die christliche Kirche gehen; sie hätten ihm Prügel angedroht. Einige Tage später habe man ihn auf dem Weg in die Kirche angehalten und ihm auf den Kopf gehauen. Es seien 10 bis 12 Leute aus seinem Stadtbezirk gewesen. In der mündlichen Verhandlung hat er gegenüber dem Senat hingegen behauptet, es seien seine beiden älteren Brüder, seine Cousins und Nachbarn gewesen, die ihn angehalten und geschlagen hätten. Eine plausible Erklärung auf den ihm vorgehaltenen Widerspruch konnte der Kläger dem Senat nicht unterbreiten. Dieser Widerspruch ist aus der Sicht des Senats von so großem Gewicht, dass er den von ihm behaupteten und seiner Schilderung nach wesentlichen Fluchtgrund dem Kläger nicht zu glauben vermag. Sicherlich können auch Nachbarn als „Leute aus seinem Stadtbezirk“ verstanden werden, dann aber ist es völlig fernliegend, wenn er, falls sich der Vorfall überhaupt so abgespielt hätte, nicht die Beteiligung engster Familienangehöriger beim Bundesamt erwähnt hätte. Denn es stellt eine ganz andere Qualität der eigenen Betroffenheit dar, wenn die Übergriffe von der eigenen Familie ausgehen. Der Vollständigkeit halber weist der Senat auch darauf hin, dass die Schilderung des Vorfalls auffallend blass geblieben ist und insbesondere eine plausible Darstellung vermissen ließ, wie es ihm gelungen sein soll, bei einer Überzahl von 10 bis 12 Leuten zu fliehen, wie er in der mündlichen Verhandlung behauptet hatte. Nicht nachzuvollziehen ist für den Senat auch, dass der Kläger gegenüber dem Bundesamt nicht sagen konnte, wo sich genau die Praxis des von ihm aufgesuchten Arztes befindet, sondern nur Vermutungen angestellt hatte, obwohl es „sein“ Arzt im eigenen Stadtviertel gewesen sein soll. Sowohl bei der Anhörung durch das Bundesamt wie auch in der mündlichen Verhandlung ist aus der Sicht des Senats nicht deutlich geworden, weshalb der Kläger sofort nach einem ersten Vorfall das Land unter Aufwendung erheblicher finanzieller Mittel verlassen hat und als alleinstehender junger Mann nicht vielmehr erst einmal sein engeres soziales und familiäres Umfeld aufgegeben und in eine andere Stadt gegangen ist. Der bloße Einwand, dass in Pakistan überall Moslems lebten und er sich sicher gewesen sei, dass sie ihn auch dort umgebracht hätten, ist nicht ohne weiteres plausibel, wenn die Gefährdung doch von einem engsten sozialen und familiären Umfeld ausgegangen sein soll, das ihn sehr gut gekannt hätte. Weshalb in einer anderen Stadt hätte veröffentlicht werden sollen, dass er Christ bzw. getauft worden sei, erschließt sich dem Senat nicht. Auch seine Erläuterung, dass er erst hier erfahren haben will, dass man, um Christ zu werden, getauft werden muss, ist nicht nachvollziehbar, wenn er in Pakistan bereits gewusst haben will, dass er Christ werden wolle, weshalb auch die behaupteten engeren Kontakte zu einer christlichen Kirche in Pakistan, über die er zudem auffallend wenig berichten konnte, generell infrage stehen.
38 
Nach der Schilderung des Klägers in der mündlichen Verhandlung hatte er seit etwa sechs Jahren Kontakt zu einem Mitspieler christlichen Glaubens mit Namen Zxxx im Cricketclub. Schon beim Bundesamt wie auch beim Verwaltungsgericht blieb der Kläger eine nachvollziehbare Erklärung dafür schuldig, weshalb er erst im Jahre 2011 von Zxxx angesprochen und aufgefordert worden sein will, mit in die Kirche zu gehen, und dieses nicht schon viel früher geschehen sein soll. Er hatte lediglich angegeben, dass sie erst im Jahre 2011 starke Freunde geworden seien, ohne dieses aber näher zu erläutern. Auch in der mündlichen Verhandlung fehlte eine schlüssige Antwort auf entsprechende Fragen des Senats. Bemerkenswert ist zudem, dass der Kläger bei der Anhörung durch das Bundesamt mehrfach davon gesprochen hatte, dass verschiedene „Jungs“ christlichen Glaubens aus dem Club, die enge Freunde von ihm gewesen seien, ihn angesprochen und aufgefordert hätten, in die Kirche zu gehen, während in der mündlichen Verhandlung davon auch nicht mehr im Ansatz die Rede war, sondern nur noch von Zxxx. Die Freunde sollen nach den beim Bundesamt gemachten Angaben auch die Ausreise gemeinsam organisiert haben, wovon der Kläger in der mündlichen Verhandlung ebenfalls nicht mehr gesprochen hatte. Schließlich kann angesichts grundlegender Widersprüche und Unzulänglichkeiten nicht übersehen werden und muss auch jedenfalls in der Gesamtschau zum Nachteil des Klägers gewertet werden, dass er beim Bundesamt den Namen des Freundes mit „Axxx“ angegeben hatte. Ausreichende Anhaltspunkte dafür, dass es sich um einen Übertragungsfehler gehandelt haben könnte, sieht der Senat nicht. Denn zum einen ist die Ähnlichkeit beider Namen nicht sehr groß, zum anderen wurde die Niederschrift rückübersetzt, ohne dass der Kläger insoweit eine Berichtigung angebracht hätte; auch in der Folgezeit nach Erhalt einer Protokollabschrift ist solches nicht geschehen. Bemerkenswert ist auch, dass der Kläger beim Bundesamt nicht näher eingrenzen konnte, wann er im Jahre 2011 mit den Besuchen in der Kirche begonnen hatte, während er beim Verwaltungsgericht den Vorfall immerhin nunmehr auf den achten oder neunten Monat 2012 (gemeint 2011) relativ präzise datieren konnte. In der mündlichen Verhandlung will er nunmehr mit den Besuchen im neunten Monat begonnen haben, während sich der Vorfall im zehnten Monat abgespielt haben soll. Das wiederum passt offensichtlich nicht zu seinem Vorbringen, er sei nach dem Vorfall nicht mehr zur Familie gegangen, sondern zu Zxxx, bei dem er noch 20 bis 25 Tage geblieben sei bis er mit dem Zug von Lahore nach Quetta gefahren sei, während er beim Bundesamt angegeben hatte, am 23.12.2011 (nicht wie im Protokoll offensichtlich irrtümlich ausgeführt 2012) von Lahore mit dem Zug nach Quetta gefahren zu sein.
39 
III. Dem Kläger kann die Flüchtlingseigenschaft auch nicht allein deshalb zuerkannt werden, weil er inzwischen Christ ist und im Falle der Rückkehr seinen Glauben aktiv auch in der Öffentlichkeit praktizieren wird. Der Senat geht in diesem Zusammenhang nach den Ausführungen des Klägers in der mündlichen Verhandlung davon aus, dass er als getaufter Christ seinem Glauben innerlich verbunden ist und es zu den von ihm als verbindlich verstanden Glaubensinhalten gehört, regelmäßig an den Gottesdiensten seiner Gemeinde teilzunehmen und sich an der Gemeindearbeit zu beteiligen.
40 
Christen in Pakistan droht nach den im Verfahren vom Senat zugrunde gelegten und ausgewerteten Erkenntnismitteln nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit, wegen ihres Glaubens und ihrer – auch öffentlichen – Glaubensbetätigung einer schwerwiegenden Menschenrechtsverletzung im Sinne von Art. 9 Abs. 1 QRL ausgesetzt zu sein.
41 
Der Senat geht davon aus, dass in Pakistan mindestens 3 Millionen Christen leben (vgl. AA Lagebericht vom 08.04.2014, S. 6 und 16 – im Folgenden Lagebericht; vgl. aber auch Home Office, Pakistan, Country of Origin Information Report vom 09.10.2013, Ziffer 19.178 – im Folgenden COI – wonach laut einiger Quellen die Zahl in Wirklichkeit das Doppelte betragen soll). Nach der Rechtslage bestehen - anders als bei der religiösen Minderheit der Ahmadis – keine wesentlichen unmittelbaren Diskriminierungen der Christen in Pakistan (vgl. etwa Lagebericht, S. 13 f.; BAA, Bericht zur Fact Finding Mission, Pakistan, Juni 2013, S. 38 ff. und 51 ff. – im Folgenden BAA). Eine Ausnahme besteht insoweit, als der Premierminister sowie der Präsident Muslim sein muss, was teilweise als schlechtes Signal an die Bevölkerung beschrieben wird, dass die Minderheiten auch minderwertig seien (vgl. BAA, S. 51). Allerdings wirkt sich die sog. Blasphemiegesetzgebung auch bei der christlichen Minderheit faktisch zu ihrem Nachteil aus, zumal diese – nicht anders als bei anderen Minderheiten, aber auch bei der Mehrheitsbevölkerung – in erheblichem Maße aus eigensüchtigen Motiven und Gründen von den Anzeigeerstattern missbraucht wird (vgl. ausführlich auch BAA, S. 48 ff.; COI, Ziffer 19.33. ff.; UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des internationalen Schutzbedarfs von Angehörigen religiöser Minderheiten in Pakistan, 10.10.2012, S. 6 f. – im Folgenden UNHCR; Human Rights Commission of Pakistan, State of Human Rights in 2013, S. 27 ff und 101 ff. – im Folgenden HRCP).
42 
Der Senat hat sich zu den Blasphemiegesetzen in seinem den Beteiligten im Einzelnen bekannten Urteil vom 12.06.2013 (A 11 S 757/13 - juris) ausführlich geäußert, auf das zur Vermeidung von Wiederholungen verwiesen wird (vgl. dort Rn. 68 ff.). Wesentlich neue Aspekte haben sich insoweit zwischenzeitlich nicht ergeben. Betroffen sind davon allerdings in erster Linie nicht Angehörige der christlichen Minderheit. Dokumentiert sind zwei nicht rechtskräftige Todesurteile gegen eine christliche Frau und ein christliches Mädchen, ohne dass nähere Umstände hierzu bekannt geworden sind (vgl. etwa Human Rights Watch World Report 2014, S. 367 f. – im Folgenden HRWWR). Im Jahre 2012 kam es zu insgesamt 113 Anklagen (gegenüber 79 im Jahre 2011), davon 12 gegen Christen (Lagebericht, S. 14; vgl. auch HRCP, S. 33 f., die von geringfügig höheren Zahlen ausgeht). Im Jahre 2013 wurden insgesamt gegen 68 Personen Verfahren eingeleitet, darunter gegen 14 Christen; es wurden insgesamt mindestens 16 oder 17 Personen zum Tode und 19 oder 20 zu lebenslanger Freiheitsstrafe verurteilt, davon eine Verurteilung eines Christen zu lebenslanger Freiheitsstrafe und zwei Freisprüche von Christen (vgl. US Commission of International Religious Annual Report 2014, S. 76 – Im Folgenden USCIRF I; HRWWR, S. 367; HRCP, S. 33 ff.; vgl. zu weiteren Verurteilungen eines britischen Staatsangehörigen und einer pakistanischen Christin im Jahre 2014 Briefing Notes vom 27.01.2014 und 31.03.2014).
43 
Die Religionsausübung der christlichen Minderheit wird grundsätzlich staatlicherseits nicht eingeschränkt oder behindert. Für das Jahr 2012 wurde allerdings berichtet, dass auch staatliche Stellen sich an der Zerstörung christlicher Einrichtungen beteiligt hätten (vgl. US Commission of International Religious Freedom Annual Report 2012, S. 126 – Im Folgenden USCIRF II). Vergleichbare Vorkommnisse werden für das Jahr 2013 in den zahlreichen Erkenntnismitteln an keiner Stelle mehr erwähnt (vgl. USCRIF I, S. 75 ff. und US Commission of International Religious Freedom Annual Report 2013, S. 123 – im Folgenden USCRIF IV).
44 
Die wesentlichen Probleme, mit denen religiöse Minderheiten konfrontiert sind, sind die Auswirkungen der zunehmenden interkonfessionellen Gewaltakte von nicht-staatlicher Seite und Diskriminierungen im gesellschaftlichen Leben (vgl. hierzu schon ausführlich Senatsurteil vom 12.06.2013 – A 11 S 757/13). Allerdings ist festzustellen, dass sich diese Gewalttaten bislang überwiegend gar nicht gegen Christen, sondern gegen Angehörige der schiitischen Minderheit richten (vgl. BAA, S. 19 f und 47 f.; Lagebericht, S. 16; HRWWR, S. 367; USCIRF I, S. 75). Für das Jahr 2013 wurden insgesamt 658 Tote und 1195 Verletzte gezählt (vgl. Lagebericht S. 16), die gegen religiöse Minderheiten gerichteten interkonfessionellen Gewaltakten zum Opfer gefallen sind, während es sich im Jahre 2012 „nur“ um 507 Tote und 577 Verletzte gehandelt hatte (vgl. COI, Ziffer 19.233). Was die christliche Minderheit betrifft, sind besonders hervorzuheben ein Anschlag auf die anglikanische Allerheiligen-Kirche in Peshawar am 22.09.2013, durch den wohl etwa 100 Personen getötet und über 150 zum Teil schwer verletzt wurden (vgl. Lagebericht, S. 16, und USCIRF I, S. 76). Im März und April attackierte eine aufgehetzte Menschenmenge christliche Siedlungen bzw. Dörfer; bei den Attacken wurden über 100 Häuser zerstört, ohne dass aber Menschenleben zu beklagen waren (vgl. USCIRF I, S. 76; vgl. auch BAA, S. 42 f.; vgl. auch HRCP, S. 94 - zu weiteren – allerdings vereinzelten – Übergriffen auf Kirchen S. 94), wobei auch Anhaltspunkte dafür bestehen, dass der Vorfall im März 2013 von langer Hand vorbereitet worden war. Im Wesentlichen alle verwerteten Erkenntnismittel sind sich in diesem Zusammenhang einig, dass staatliche Sicherheits- und Strafverfolgungsorgane hierbei den erforderlichen Schutz nur lückenhaft gewähren oder jedenfalls viel zu spät eingreifen, wobei dieses oftmals nicht allein darauf zurückzuführen ist, dass diese Organe überfordert wären, sondern auch auf einer offensichtlich mangelnden Bereitschaft beruht, effektiven Schutz zu gewähren (vgl. etwa BAA, S. 19 ff. und 42 ff.; HRWWR, S. 367; UNHCR, S. 1 f.; vgl. zu unzureichenden Schutzmaßnahmen schon Departement of State‘s International Religious Freedom Report for 2012, Stichwort „Government Inaction“ – Im Folgenden USCIRF III). Allerdings ist auch festzuhalten, dass es fundierte Berichte gibt, dass Polizeiorgane bei dem Versuch, den gebotenen Schutz zu gewähren, ernsthafte Verletzung erlitten haben (vgl. BAA, S. 43; vgl. auch S. 46 zu Schutzmaßnahmen bei Prozessionen). Immerhin haben die Sicherheitsorgane nach gewalttätigen Übergriffen auch Ausgangssperren zum Schutze der Minderheiten und gegenüber muslimischen Klerikern Verbote verhängt, die Stadt zu betreten, um zu verhindern, dass diese zur Gewalt aufstacheln und Hassreden halten (vgl. HRCP S. 76). Zu erwähnen ist in diesem Zusammenhang abschließend, dass es nach dem Angriff am 22.09.2013 in Lahore und Islamabad bemerkenswerte zivilgesellschaftliche Solidaritätsaktionen zugunsten der Christen gab, indem um mehrere Kirchen Menschenketten gebildet wurden (HRCP, S. 94).
45 
Selbst wenn man bei der gebotenen qualitativen Bewertung (vgl. hierzu BVerwG, Urteile vom 27.04.2010 - 10 C 4.09 - NVwZ 2011, 56, vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 - NVwZ 2012, 454 und vom 13.02.2014 - 10 C 6.13 - NVwZ-RR 2014, 487) berücksichtigt, dass derartige Gewaltakte teilweise nicht vorhergesehen werden und die Angehörigen der religiösen Minderheiten gewissermaßen aus heiterem Himmel treffen können, was es ihnen dann aber unmöglich macht, ihnen auszuweichen, so genügen selbst die für das Jahr 2013 festgestellten Opferzahlen, die nach den verwerteten Erkenntnismitteln überwiegend nicht die christliche Minderheit betreffen, bei weitem nicht, um die Annahme zu rechtfertigen, jeder Angehörige dieser mindestens drei Millionen zählenden Minderheit müsse mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit damit rechnen, in einer noch überschaubaren Zeit Opfer derartiger Leib oder Leben betreffenden Akte zu werden. Daran ändern nichts die etwa vom Auswärtigen Amt im Lagebericht vom 08.04.2014 (S. 16) getroffene Feststellung, dass nach den Ereignissen des Jahres 2013 die Bedrohungslage der christlichen Minderheit in Pakistan eine neue Qualität habe, und die Tatsache, dass die Human Rights Commission of Pakistan davon spricht, dass das Jahr 2013 eines der schwärzesten für die christlichen Gemeinden in Pakistan gewesen sei (HRCP, S. 92). Auch UNHCR ist bislang der Auffassung gewesen, dass eine generelle, vom Einzelfall unabhängige Gefährdung nicht besteht (UNHCR, S. 8). Selbst die Organisation „Open Doors“ (Länderprofile Pakistan), die insgesamt ein durchaus düsteres Bild vermittelt, das aber in den anderen Erkenntnismitteln keine unmittelbare Entsprechung findet, geht davon aus, dass die christlichen Gemeinden sich nach wie vor ungehindert auch mit Öffentlichkeitsbezug versammeln und arbeiten können, auch wenn mitunter die Kirchen von bezahlten Wachleuten geschützt werden. Der Senat kann daher offen lassen, ob der pakistanische Staat den durch Art. 7 Abs. 2 QRL geforderten effektiven Schutz gewährleistet, was aber nach den verwerteten Erkenntnismitteln eher zu verneinen sein dürfte.
46 
Dass es nach wie vor ein reges, wenn auch nicht ungefährliches religiöses Leben der christlichen Minderheit auch mit unmittelbarem Öffentlichkeitsbezug in Pakistan gibt, wird beispielhaft illustriert durch die – auch neueren – Berichte, die auf der Website http://www.kirche-in-not.de/tag/pakistan erschienen sind und weiter erscheinen. Dass tatsächlich der christliche Glaube in nennenswertem Umfang in Pakistan gelebt und aktiv praktiziert wird, lässt sich auch unschwer daraus ablesen, dass die Kirchen in erheblichem Umfang Schulen und andere Bildungseinrichtungen betreiben (vgl. missio, Länderberichte Religionsfreiheit: Pakistan, 2012, S. 18 – im Folgenden missio; Deutschlandradio Kultur vom 13.01. und 11.02.2014; vgl. auch den zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemachten Ausdruck des Internetauftritts der FGA-Church Pakistan). Auch ist darauf hinzuweisen, dass die Erzdiözesen Karachi und Lahore seit langer Zeit größere Krankhäuser betreiben und auch seit 2009 eigene Fernsehsender unterhalten (Wikipedia, Roman Catholic Archdiocese of Lahore Stand 28.03.2014; Wikipedia, Roman Catholic Archdiocese of Karachi Stand 28.03.2014).
47 
Die gesellschaftliche und soziale Lage der christlichen Minderheit wird übereinstimmend als durchaus prekär und durch vielfältige Diskriminierungen geprägt beschrieben. Gleichwohl ist das Bild zwiespältig. Die festzustellende Marginalisierung und Diskriminierung beruht dabei keineswegs allein oder ganz überwiegend auf dem christlichen Glauben, sondern hat auch eine wesentliche Wurzel in dem noch nachwirkenden und überkommenen Kastenwesen, weil die Christen zum größten Teil Nachkommen von Hindus sind, die der Kaste der Unberührbaren angehörten (vgl. BAA, S. 52; COI, Ziffer 19.198 und 19.204). Dies hat zur Folge, dass die überwiegende Zahl der Christen der Unterschicht zuzurechnen ist und unter der Armutsgrenze lebt, was im Übrigen auch für andere Minderheiten gilt, und die Rate von Analphabetentum sehr groß ist (vgl. Lagebericht, S. 13 f.; BAA, S. 50 ff.; Immigration und Refugee Board of Canada, Pakistan: Religious conversions, including treatment of converts and forced conversions (2009 – 2012), Ziff. 1 – im Folgenden Canada). Diese Stellung wiederum macht eine wesentliche Ursache dafür aus, dass junge christliche Frauen und Mädchen in besonderem Maße das Opfer von unfreiwilligen Bekehrungen und Verheiratungen nach Entführungen werden (vgl. COI, Ziffer 19.188 und 19.198; UNHCR, S. 7; HRCP, S. 95 f.), wobei auch hier ein wirklich effektiver Schutz durch die pakistanischen Sicherheitsorgane nicht gewährt wird, auch wenn in der Nationalversammlung und auf der staatlichen Führungsebene das Problem gesehen und über Abhilfe diskutiert wird (vgl. Canada Ziff. 1). Allerdings berichtet die Pakistanische Menschenrechtsorganisation für das Jahr 2013 durchaus von erheblich weniger erfolgreichen oder versuchten zwangsweisen Konversionen bzw. Verheiratungen (vgl. HRCP, S. 91). Bei alledem darf letztlich aber zudem nicht die Tatsache ausgeblendet werden, dass Entführungen, Zwangsverheiratungen und Vergewaltigungen von (jungen) Frauen in Pakistan ein durchaus gesamtgesellschaftliches Phänomen und Problem darstellen, das weit über die christliche Minderheit hinausreicht (vgl. COI, Ziff. 23.156 ff.; Lagebericht, S. 19 und 21). Die Christen arbeiten überwiegend in der Landwirtschaft, der Steinbearbeitungs-, Glas-, Teppich- und Fischereiindustrie, für die auch Elemente von Zwangsarbeit festgestellt wurden, gegen die die staatlichen Stellen trotz entsprechender Verbotsgesetze nicht effektiv vorgehen (vgl. UNHCR, S. 8). Die Diskriminierung der christlichen Minderheit findet aber auch hier nicht in erster Linie im staatlichen Sektor statt, in dem allenfalls in Bezug auf höhere Positionen eine signifikante Unterrepräsentierung festzustellen ist (vgl. BAA, S. 51; vgl. zum Bildungswesen und diskriminierenden Bildungsinhalten bzw. zum obligatorischen islamischen Religionsunterricht USCIRF III, Stichwort „Governments Practice“). Die staatliche Seite versucht durchaus, gesellschaftlichen Diskriminierungen entgegen zu arbeiten (vgl. BAA, S. 41 und 52). An einer konsequenten, geschweige denn erfolgreichen auf den nicht-staatlichen Bereich bezogenen Antidiskriminierungspolitik mangelt es zwar. Ein solches Unterlassen stellt jedoch keine Verfolgungshandlung im Sinne von Art. 9 Abs. 2 (hier v.a. lit. b, c und d) QRL dar, wenn man überhaupt in einem Unterlassen eine relevante Verfolgungshandlung sehen will (vgl. zum Problem grundsätzlich Marx, Handbuch zu Flüchtlingsschutz, 2. Aufl., § 11 Rn. 2 ff.), weshalb schon deshalb auch aus einer Gesamtschau aller negativen Faktoren (einschließlich der festgestellten Übergriffe auf Leib und Leben sowie vereinzelter menschenrechtlich fragwürdiger Verfahren wegen eines behaupteten Verstoßes gegen einzelne Bestimmungen der Blasphemiegesetzgebung) keine schwerwiegende Menschenrechtsverletzung im Sinne des Art. 9 Abs. 1 lit. b) QRL abgeleitet werden kann. Denn nur in einer finalen und systematischen Vorenthaltung des staatlichen Schutzes zur Vermeidung erheblicher Menschenrechtsverletzungen kann überhaupt ein zurechenbares und daher flüchtlingsrechtlich relevantes Verhalten erblickt werden (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 19.01.2009 - 10 C 52.07 - NVwZ 2009, 984), was jedoch aus den verwerteten Erkenntnismitteln nicht hinreichend deutlich zutage tritt. Geht man hingegen davon aus, dass in einem Unterlassen generell keine Verfolgungshandlung im Sinne des Art. 9 QRL liegen kann und verortet man die Problemstellung (nur) bei der Frage, welche Anforderungen an das nach Art. 7 Abs. 2 QRL geforderte nationale Schutzsystem zu stellen sind, so führt dies zu keiner anderen Sicht der Dinge. Zwar finden sich in einer Vielzahl von Menschrechtspakten ausdrückliche Diskriminierungsverbote (vgl. etwa Art. 2 AEM; Art. 14 EMRK; Art. 26 IPbpR), die mittlerweile zu einem allgemeinen völkergewohnheitsrechtlichen Diskriminierungsverbot erstarkt sein dürften (vgl. Marx, a.a.O., § 16 Rn 45), das auch Art. 9 Abs. 2 QRL zugrunde liegt, das aber grundsätzlich in erster Linie an staatliche Akteure gerichtet ist. Es existiert jedoch keine allgemeine, auch flüchtlingsrechtlich relevante Verpflichtung, Diskriminierungen durch nicht-staatliche Akteure umfassend zu unterbinden und mit allen Mitteln effektiv zu bekämpfen. Ein auch solche Handlungen, die unterhalb der Schwelle von Eingriffen in Leib, Leben oder persönlicher Freiheit liegen, unterbindendes Schutzsystem wird durch Art. 7 Abs. 2 QRL nicht gefordert. Soweit etwa Art. 7 IPwskR das Recht der Arbeitnehmer auf gleiches Entgelt für gleichwertige oder auf gleiche Möglichkeiten auf beruflichen Aufstieg anerkennt und damit auch nicht-staatliche Akteure im Blick hat, handelt es sich nicht um ein Instrumentarium, das bedingungslos grundlegende menschenrechtliche Standards umschreibt, die flüchtlingsrechtlich eine Verpflichtung zu einer umfassenden Antidiskriminierungspolitik auslöst und daher Grundlage eines umfassenden flüchtlingsrechtlich relevanten menschenrechtlichen Schutzstandards sein könnte. Dies gilt namentlich dann, wenn - wie dargelegt - die allgemeine sozio-ökonomische Lage der christlichen Minderheit gar nicht monokausal auf ihre Religionszugehörigkeit zurückgeführt werden kann.
48 
Das vom Kläger angesprochene „land grabbing“ privater Akteure ist ein in Pakistan weit verbreitetes Phänomen und richtet sich nicht spezifisch gegen die christliche Minderheit, sondern betrifft auch andere Bewohner des Landes, die sich aufgrund ländlicher feudaler oder sonstiger ubiquitärer mafiöser Strukturen in einer unterlegenen Position befinden und bei denen nicht selten effektiver staatlicher Schutz ausfällt (vgl. COI, Ziff. 35.01; HRCP, S. 253).
49 
Ungeachtet dessen vermag der Senat den zahlreichen verwerteten Erkenntnismitteln auch keinen tragfähigen Ansatz für eine Feststellung zu entnehmen, dass die Lage der christlichen Minderheit generell betrachtet durch eine schwere Menschenrechtsverletzung im Sinne des Art. 9 Abs. 1 lit. b QRL gekennzeichnet wäre.
50 
Etwas anderes gilt auch nicht allgemein und generell betrachtet für den Personenkreis der vom Islam zum Christentum Konvertierten.
51 
Zunächst ist davon auszugehen, dass die pakistanische Rechtsordnung den Vorgang der Konversion nicht untersagt oder gar strafrechtlich bewertet (vgl. Lagebericht, S. 14). Versuche, die Rechtslage zu Lasten der Konvertiten zu verändern, sind sogar gescheitert und aufgegeben worden (vgl. COI, Ziff. 19.66). Allerdings kann hier die bereits erwähnte Blasphemie-Gesetzgebung zum Einfallstor für Verfolgungen und Diskriminierungen werden, wenn es um die Beurteilung von Äußerungen und Verhaltensweisen im Kontext einer Konversion geht (vgl. missio, S. 13 und 17; Deutschlandradio Kultur vom 11.02.2014, S. 3). Dass aber in signifikantem Umfang der hier zu beurteilende Personenkreis betroffen sein könnte, lässt sich den vielfältigen Erkenntnismitteln nicht entnehmen, obwohl in ihnen eine unübersehbare Fülle von Einzelinformationen verarbeitet wurden. Auch missio benennt in diesem Kontext keine konkreten Einzelfälle, sondern weist nur auf die Möglichkeit hin. Für die staatliche Ebene wird allerdings berichtet, dass ein Neueintrag der christlichen Religion in den Personalausweisen bzw. Pässen nicht möglich ist, jedenfalls faktisch nicht vorgenommen wird (Canada, Ziffer 3). Zwar wird auch berichtet, dass im Falle einer Konversion beider Ehegatten die Kinder der Konvertierten als „illegitim“ eingestuft werden und der Staat die Kinder sogar in Obhut nehmen kann. Dazu wird aber in den zahlreichen Erkenntnismitteln, die sehr ausführlich über Konversion berichten, insbesondere auch in den spezifisch christlichen bzw. kirchlichen Erkenntnismitteln kein einziger Fall benannt, geschweige denn nachvollziehbar dokumentiert.
52 
Die Probleme liegen wiederum in erster Linie in der gesellschaftlichen Sphäre. Denn nicht unerhebliche Teile der pakistanischen Gesellschaft stehen den religiösen Minderheiten ablehnend, wenn nicht gar feindselig gegenüber. Umso mehr wird dann eine Konversion weg vom Islam missbilligt, was zu hohen Befürwortungsraten für die Verhängung der Todesstrafe führt (vgl. COI, Ziff. 19.67). Wie bereits dargelegt, hat sich diese gesellschaftliche Stimmung aber nicht in entsprechenden erfolgreichen Gesetzesvorhaben niedergeschlagen. Teilweise stößt eine Konversion in der eigenen Familie des Konvertiten auf strikte Ablehnung, was dazu führen kann, dass der Betreffende aus der Familie verstoßen wird. Vereinzelt ist es hier auch zu körperlichen Übergriffen bis zu Tötungen gekommen (vgl. Canada, Ziff. 1 und 3). Den verwerteten Erkenntnismitteln nach kann es sich aber nicht um eine weiter verbreitete oder gar allgegenwärtige Erscheinung handeln.
53 
Die Folgen der gesellschaftlichen und innerfamiliären Ablehnung und Missbilligung gehen dahin, dass Konvertiten es teilweise, jedoch nicht generell, bewusst vermeiden, die Konversion an die Öffentlichkeit zu tragen, und daher ggf. auch den Wohnort wechseln, um nicht in ihrem bisherigen Wohnumfeld aufzufallen, um dann andernorts gewissermaßen als „unbeschriebenes Blatt“ als Christ auftreten und diesen Glauben mit den oben beschriebenen Einschränkungen leben zu können (vgl. etwa Open Doors, Länderprofile Pakistan). Das bedingt aber andererseits, dass es verlässliche Zahlen über die Konversionen vom Islam weg nicht geben kann. Auch wenn angesichts der geschilderten Haltung der Mehrheitsgesellschaft davon auszugehen sein wird, dass die Zahl der erfolgten Lösungen vom Islam oder Konversionen weg vom Islam nicht sehr groß sein wird, so fehlt es doch gegenwärtig an ausreichenden Anhaltspunkte dafür, dass nach Maßgabe der für die Annahme einer Gruppenverfolgung zugrunde zu legenden Prognosemaßstäbe jeder pakistanische Staatsangehörige, der sich vom Islam löst, unterschiedslos ein reales Risiko läuft, von einer schweren Menschenrechtsverletzung im Sinne des Art. 9 Abs. 1 lit. a) oder lit. b) QRL betroffen zu sein. Der Senat sieht sich in dieser Einschätzung durch den Bericht von Deutschlandradio Kultur vom 11.02.2014 und die dort geschilderte Haltung und Einschätzung eines ehemaligen Muslim bestätigt, die deutlich machen, dass Konversion bzw. auch nur Abkehr vom Islam möglich ist, tatsächlich stattfindet und keineswegs mit einer gewissen Zwangsläufigkeit zu schweren Menschenrechtsverletzungen führt. Im konkreten Einzelfall mag aufgrund individueller Umstände eine andere Beurteilung erforderlich werden. Unabhängig hiervon sieht der Senat keine durchgreifenden Hindernisse für eine Person in der Lage des Klägers, im Falle von unmittelbaren Anfeindungen und Übergriffen im persönlichen Umfeld seinen Wohnort zu wechseln (vgl. Art. 8 QRL), wie dieses nach den verwerteten Erkenntnismitteln immer wieder geschieht, um ein Leben als Christ führen zu können (vgl. Lagebericht, S. 24; Open Doors, Länderprofile Pakistan; Home Office, Country Information and Guidance, Pakistan: Religious freedom, 2014, Ziff. 2.4.16 f.). Aufgrund besonderer Umstände mag auch hier im Einzelfall etwas anderes gelten. Diese sind jedoch in der Person des Klägers nicht erkennbar geworden. Zwar hat er behauptet, als Cricketspieler in Lahore bekannt zu sein. Dass dieses landesweit der Fall gewesen sein könnte, erschließt sich dem Senat nicht. Denn solches wurde vom Kläger schon nicht nachvollziehbar und substantiiert behauptet. Ungeachtet dessen ist seine Person an keiner Stelle im Internet im Kontext des Cricketsports in Pakistan zu finden, worauf der Kläger in der mündlichen Verhandlung hingewiesen wurde.
54 
IV. Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 2 VwGO und 83b AsylVfG. Gründe dafür, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor (vgl. § 132 Abs. 2 VwGO).

(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die

1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder
2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.

(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:

1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,
2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,
3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen,
6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) Ein Ausländer, der nicht oder nicht mehr verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, und dessen Lebensunterhalt nicht gesichert ist (§ 2 Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes), wird verpflichtet, an dem in der Verteilentscheidung nach § 50 Absatz 4 genannten Ort seinen gewöhnlichen Aufenthalt zu nehmen (Wohnsitzauflage). Findet eine länderübergreifende Verteilung gemäß § 51 statt, dann ergeht die Wohnsitzauflage im Hinblick auf den sich danach ergebenden Aufenthaltsort. Der Ausländer kann den in der Wohnsitzauflage genannten Ort ohne Erlaubnis vorübergehend verlassen.

(2) Ein Ausländer, der nicht oder nicht mehr verpflichtet ist, in einer Aufnahmeeinrichtung zu wohnen, und dessen Lebensunterhalt nicht gesichert ist (§ 2 Absatz 3 des Aufenthaltsgesetzes), kann verpflichtet werden,

1.
in einer bestimmten Gemeinde, in einer bestimmten Wohnung oder Unterkunft zu wohnen,
2.
in eine bestimmte Gemeinde, Wohnung oder Unterkunft umzuziehen oder
3.
in dem Bezirk einer anderen Ausländerbehörde desselben Landes seinen gewöhnlichen Aufenthalt und Wohnung oder Unterkunft zu nehmen.
Eine Anhörung des Ausländers ist erforderlich in den Fällen des Satzes 1 Nummer 2, wenn er sich länger als sechs Monate in der Gemeinde, Wohnung oder Unterkunft aufgehalten hat. Die Anhörung gilt als erfolgt, wenn der Ausländer oder sein anwaltlicher Vertreter Gelegenheit hatte, sich innerhalb von zwei Wochen zu der vorgesehenen Unterbringung zu äußern. Eine Anhörung unterbleibt, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht.

(3) Zuständig für Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 1 ist die nach § 50 zuständige Landesbehörde. Die Wohnsitzauflage soll mit der Zuweisungsentscheidung nach § 50 verbunden werden. Zuständig für Maßnahmen nach Absatz 1 Satz 2 ist die nach § 51 Absatz 2 Satz 2 zuständige Landesbehörde. Die Wohnsitzauflage soll mit der Verteilungsentscheidung nach § 51 Absatz 2 Satz 2 verbunden werden. Zuständig für Maßnahmen nach Absatz 2 ist die Ausländerbehörde, in deren Bezirk die Gemeinde oder die zu beziehende Wohnung oder Unterkunft liegt.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Die Entscheidung des Bundesamtes über die Unzulässigkeit nach § 29 Absatz 1 Nummer 4 des Antrags und die Abschiebungsandrohung werden unwirksam, wenn das Verwaltungsgericht dem Antrag nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung entspricht. Das Bundesamt hat das Asylverfahren fortzuführen.

(2) Entspricht das Verwaltungsgericht im Falle eines als offensichtlich unbegründet abgelehnten Asylantrags dem Antrag nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung, endet die Ausreisefrist 30 Tage nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten nicht, wenn auf Grund der Entscheidung des Verwaltungsgerichts die Abschiebung in einen der in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staaten vollziehbar wird.

(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn

1.
der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,
2.
dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird,
2a.
dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird,
3.
die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ausnahmsweise zulässig ist und
4.
der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.
Eine Anhörung des Ausländers vor Erlass der Abschiebungsandrohung ist nicht erforderlich. Im Übrigen bleibt die Ausländerbehörde für Entscheidungen nach § 59 Absatz 1 Satz 4 und Absatz 6 des Aufenthaltsgesetzes zuständig.

(2) Die Abschiebungsandrohung soll mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, sind die Entscheidungsformel der Abschiebungsandrohung und die Rechtsbehelfsbelehrung dem Ausländer in eine Sprache zu übersetzen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann.

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

(1) In Klageverfahren nach dem Asylgesetz beträgt der Gegenstandswert 5 000 Euro, in den Fällen des § 77 Absatz 4 Satz 1 des Asylgesetzes 10 000 Euro, in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes 2 500 Euro. Sind mehrere natürliche Personen an demselben Verfahren beteiligt, erhöht sich der Wert für jede weitere Person in Klageverfahren um 1 000 Euro und in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes um 500 Euro.

(2) Ist der nach Absatz 1 bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.