Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 17. März 2015 - 8 S 2470/14

published on 17/03/2015 00:00
Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 17. März 2015 - 8 S 2470/14
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Tenor

Auf die Beschwerde der Antragstellerin wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 1. Dezember 2014 - 2 K 3794/14 - geändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragstellerin gegen die der Beigeladenen erteilte Baugenehmigung der Antragsgegnerin vom 7. August 2014 wird angeordnet, soweit diese die Errichtung eines Einfamilienhauses auf dem Flurstück 1266/1 der Gemarkung O.-R. genehmigt.

Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen, ausgenommen die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert für das Verfahren in beiden Rechtszügen wird unter Änderung der Streitwertfestsetzung des Verwaltungsgerichts von Amts wegen auf jeweils 10.000,-- Euro festgesetzt.

Gründe

 
I.
Die Antragstellerin ist Eigentümerin des Grundstücks Flst. Nr. 1268 (Nachbargrundstück) an der H-Straße, das mit einem zweigeschossigen Wohnhaus mit Satteldach bebaut ist. Zur Seite und nach hinten grenzt das winkelförmige, entlang der H-Straße ca. 10 breite und bis zu ca. 43 m tiefe unbebaute Grundstück Flst.Nr. 1266/1 (Baugrundstück) an. Auf dieses folgt weiter rückwärtig das an der K-Straße gelegene Grundstück Flst. Nr. 1265/1. Ein Bebauungsplan existiert nicht.
Die Antragsgegnerin erteilte der Beigeladenen am 07.08.2014 eine Baugenehmigung zur Errichtung eines unterkellerten zweigeschossigen Einfamilienhauses mit einem dritten Flachdach-Staffelgeschoss sowie von zwei Carports auf dem Baugrundstück sowie zur Errichtung eines Mehrfamilienhauses mit Tiefgarage auf dem Flst. Nr. 1265/1 und auf einer Teilfläche des Baugrundstücks. Gegenstand des Rechtsstreits ist nur die Baugenehmigung für das Einfamilienhaus. Dieses soll auf 66 m2 Grundfläche mit insgesamt 167,62 m2 Wohnflächen errichtet werden, davon 36,21 m2 im Staffelgeschoss. Die Außenwände des Staffelgeschosses sollen zur Straße und nach hinten jeweils von den Außenkanten des zweiten Geschosses zurückversetzt sein. Die zum Nachbargrundstück gelegene seitliche Außenwand des Einfamilienhauses ist nach den genehmigten Bauzeichnungen bis zur Oberkante des zweiten Geschosses 6,23 m und bis zur Oberkante des Staffelgeschosses 8,35 m hoch. Die davor auf dem Baugrundstück gelegene Fläche ist 2,50 m tief.
Die Baugenehmigung enthält "bezüglich Grenzabstand Einfamilienhaus" eine Befreiung gemäß § 56 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 LBO. Zur Begründung heißt es, würde statt des Staffelgeschosses ein bis zu 45°-geneigtes Satteldach mit Giebel zum Nachbargrundstück errichtet, betrüge die Tiefe der Abstandsfläche nur 2,50 m, da die Giebelfläche nach § 5 Abs. 5 Nr. 2 LBO nicht auf die Wandhöhe anzurechnen sei. Im Vergleich dazu sei die Außenwand des Staffelgeschosses für das Nachbargrundstück günstiger, weil sie wegen ihrer zurückgesetzten seitlichen Kanten die hypothetische 45°-Linie eines Satteldachs nirgends überschreite; nachbarliche Belange würden dadurch sogar weniger beeinträchtigt. Die Antragstellerin erhob am 18.08.2014 Widerspruch gegen die Baugenehmigung für das Einfamilienhaus, über den noch nicht entschieden ist. Mit Beschluss vom 01.12.2014 hat das Verwaltungsgericht ihren Antrag, die aufschiebende Wirkung ihres Widerspruchs anzuordnen, abgelehnt. Der Widerspruch werde voraussichtlich erfolglos bleiben, da die Baugenehmigung keine Rechte der Antragstellerin verletze und insbesondere nicht gegen Vorschriften über Abstandsflächen verstoße. Das Bauvorhaben halte zwar die nach § 5 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 LBO zum Nachbargrundstück erforderliche Tiefe der Abstandsfläche von 3,46 m nicht ein. Die Antragsgegnerin habe aber gemäß § 56 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 LBO rechtmäßig eine Befreiung erteilt. Die danach erforderliche offenbar nicht beabsichtigte Härte liege darin, dass eine sinnvolle Bebauung des atypisch zugeschnittenen Baugrundstücks ein einigermaßen großzügig gestaltetes Dachgeschoß ohne schräge Wände erfordere, d.h. eine maximale und angenehme Raumausnutzung. Dagegen richtet sich die Beschwerde der Antragstellerin, zu deren Begründung sie u.a. darlegt, das Baugrundstück könne ohne Weiteres mit einem kleineren zweigeschossigen Gebäude bebaut werden; auch wäre es möglich, das dritte Staffelgeschoss einen Meter zurückzusetzen. Die Antragsgegnerin entgegnet u.a., die unbeabsichtigte Härte liege darin, dass dem Eigentümer des Baugrundstücks beim Verzicht auf das dritte Staffelgeschoss ein besonderes Opfer auferlegt würde. Denn das Baugrundstück wäre dann nicht im Rahmen der Umgebungsbebauung, die eine dreigeschossige Bebauung zulasse, bebaubar. Die Beigeladene hat sich zur Beschwerde nicht geäußert.
Wegen der Einzelheiten wird auf die dem Senat vorliegenden Bauakten der Antragsgegnerin und auf die Gerichtsakten verwiesen.
II.
1. Die Beschwerde ist zulässig, insbesondere frist- und formgerecht eingelegt (§§ 146, 147 VwGO). Sie ist auch begründet. Die Beschwerdebegründung, auf deren Prüfung der Senat nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO beschränkt ist, gibt Anlass zur Änderung des angefochtenen Beschlusses. Die Antragstellerin rügt insoweit hinreichend substantiiert (vgl. § 146 Abs. 4 Satz 3 VwGO) und im Ergebnis zu Recht die Richtigkeit der den angefochtenen Beschluss tragenden Auffassung, die Baugenehmigung vom 07.08.2014, soweit diese die Errichtung des Einfamilienhauses genehmigt, verletze trotz Unterschreitung der nach § 5 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 LBO gebotenen Abstandsflächentiefe voraussichtlich keine (Nachbar-)Rechte der Antragstellerin, weil die nach § 56 Abs. 5 Nr. 2 LBO erteilte Befreiung rechtmäßig sei. Denn diese - wegen Unterschreitung der nach § 5 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 LBO gebotenen Tiefe der Abstandsfläche (a)) erteilte - Befreiung dürfte, wie die Beschwerdebegründung zutreffend darlegt, schon deshalb rechtswidrig sein, weil es an der nach § 56 Abs. 5 Nr. 2 LBO erforderlichen unbeabsichtigten Härte fehlt (b)). Da nach Aktenlage derzeit auch nichts dafür spricht, das eine geringere Tiefe der Abstandsfläche nach § 6 Abs. 3 Satz 1 LBO zuzulassen ist (c)), dürfte die Baugenehmigung für das Einfamilienhaus gegen die Vorschrift des § 5 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. Abs. 2 Satz 1 und Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 LBO verstoßen, welche auch die Antragstellerin als Eigentümerin des angrenzenden Nachbargrundstücks schützt. Der Widerspruch der Antragstellerin hat daher wahrscheinlich schon deshalb Erfolg, so dass das Aufschubinteresse der Antragstellerin (§ 80 Abs. 1 VwGO) das gesetzlich angeordnete Interesse am Sofortvollzug der Baugenehmigung (§ 212 a BauGB) überwiegt. Ob die Baugenehmigung darüber hinaus auch aus den in der Beschwerdebegründung dargelegten Gründen zu Lasten des Nachbargrundstücks der Antragstellerin gegen das - im Tatbestandsmerkmal des "Einfügens" aufgehende - Gebot der Rücksichtnahme nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB verstößt, kann folglich offen bleiben.
a) Die Tiefe der Abstandsfläche beträgt allgemein 0,4 der Wandhöhe (§ 5 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 und Abs. 4 LBO). Sie darf jedoch 2,5 m, bei Wänden bis 5 m Breite 2 m nicht unterschreiten (§ 5 Abs. 7 Satz 2 LBO). Die zum Nachbargrundstück der Antragstellerin weisende seitliche Außenwand des Einfamilienhauses ist nach der Baugenehmigung 8,35 m hoch. Die vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegte Wandhöhe von 8,65 m ergibt sich zwar aus den mit dem Bauantrag eingereichten Bauzeichnungen vom 07.04.2014. Diese wurden jedoch nachträglich geändert, u.a. durch Verringerung der Wandhöhe des Staffelgeschosses um 0,3 m (vgl. die Blau-Einträge vom 24.07.2014 in den genehmigten Bauzeichnungen, insbesondere in der "Ansicht OST"). Danach müsste vor der betreffenden Außenwand eine 3,34 m (0,4 x 8,35 m) tiefe Abstandsfläche auf dem Baugrundstück (vgl. § 5 Abs. 2 Satz 1 LBO) liegen. Das ist nicht der Fall. Die genehmigte Abstandsfläche ist nur 2,5 m tief.
b) Die Voraussetzungen für die Erteilung einer Befreiung von der Vorschrift des § 5 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 LBO nach § 56 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 LBO - ein Fall des § 56 Abs. 5 Satz 1 Nr. 1 LBO liegt offenkundig nicht vor - dürften nicht erfüllt sein.
Danach kann von den Vorschriften in den §§ 4 bis 39 LBO Befreiung erteilt werden, wenn die Einhaltung der Vorschrift im Einzelfall zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde und die Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist. Hier dürfte es bereits daran fehlen, dass die Einhaltung des § 5 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 LBO zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen würde. Ob eine Abweichung auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar wäre, kann folglich offen bleiben.
Eine Härte i. S. des § 56 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 LBO bewirkt eine Bauvorschrift nur, wenn ihre Anwendung nachhaltig in die Rechte des Betroffenen eingreift und ihm dadurch ein erhebliches, über die jedermann treffenden allgemeinen Auswirkungen hinausgehendes Opfer abverlangt; erfasst sind atypische Umstände, bei deren Vorliegen die gesetzliche Regelanordnung zu fragwürdigen Ergebnissen führen würde. Offenbar nicht beabsichtigt ist eine solche Härte, wenn das Grundstück bei Einhaltung der baurechtlichen Vorschrift nicht oder nur schwer bebaut werden kann und diese Beschränkung nicht durch die Zielsetzungen oder die Schutzzwecke der Vorschrift gefordert wird, wenn also ihre schematische Anwendung zu Ungerechtigkeiten führte, namentlich ein ganz unbilliges Ergebnis zur Folge hätte (Senatsbeschluss vom 04.04.2013 - 8 S 304/13 - VBlBW 2013, 305; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 03.08.2011 - 3 S 1371/10 - BRS 78, 141). Einschränkungen der baulichen Nutzung, die mit der Einhaltung der bauordnungsrechtlichen Abstandsflächenvorschriften einhergehen, sind zur Erreichung der mit dieser Vorschrift verfolgten Zielsetzungen und Schutzzwecke im Regelfall beabsichtigt und begründen daher keine offenbar unbeabsichtigte Härte i. S. des § 56 Abs. 5 Satz 1 Nr. 2 LBO. Denn für Sonderfälle ermöglicht bereits § 6 LBO Abweichungen von diesen Vorschriften. Kann ein Grundstück bei Einhaltung der Abstandsflächenvorschriften zwar sinnvoll bebaut, wegen seines Zuschnitts oder geringer Größe aber nicht vergleichbar intensiv wie andere Grundstücke in der Umgebung baulich genutzt werden, liegt darin eine vom Gesetzgeber in Kauf genommene Härte (vgl. auch OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 01.08.1994 - 7 B 1626/94 - juris ).
10 
Gemessen daran dürfte die Einhaltung des § 5 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 LBO beim Bauvorhaben der Beigeladenen nicht zu einer offenbar nicht beabsichtigten Härte führen. Das Baugrundstück wäre auch bei Einhaltung dieser Vorschrift mit einem zweigeschossigen - unterkellerten - Einfamilienhaus mit Flachdach sinnvoll bebaubar. Wegen der atypisch geringen Breite des Baugrundstücks schließt die Anwendung dieser Vorschrift zwar wohl ein intensiveres Maß der baulichen Nutzung gerade durch ein drittes - zum Wohnen sinnvoll nutzbares - Staffelgeschoss aus. Es ist aber nichts dafür erkennbar, dass damit ein nachhaltiger Eingriff in die Rechte der Beigeladenen bzw. des Eigentümers des Baugrundstücks einhergeht, der ein erhebliches, über die jedermann treffenden allgemeinen Auswirkungen dieser Vorschrift hinausgehendes Opfer abverlangt. Das gilt namentlich für den Verzicht auf die im Staffelgeschoss genehmigten 36,21 m2 Wohnflächen bei verbleibenden 131,41 m2 Wohnflächen in den übrigen Geschossen. Abgesehen davon wären zusätzliche und sinnvoll nutzbare Wohnflächen wohl auch durch eine maßvolle Erweiterung der Grundfläche in den rückwärtigen Grundstücksteil zu erreichen, die sich in den Rahmen der überbaubaren Flächen, wie er sich aus der Umgebungsbebauung i. S. des § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB ergibt - soweit dieser nach Aktenlage erkennbar ist -, einfügen dürfte. Sofern dies allein wegen der Errichtung des Mehrfamilienhauses auf der rückwärtigen Teilfläche des Baugrundstücks und der dort deshalb beabsichtigten Grundstücksteilung nicht mehr möglich sein sollte, läge darin keine durch die Einhaltung des § 5 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 LBO bewirkte Härte. Denn diese Umstände haben die Beigeladene bzw. der Eigentümer des Baugrundstücks selbst zu verantworten. Bei dieser Ausgangslage liegt nach dem oben Gesagten eine offenbar unbeabsichtigte Härte entgegen dem Vorbringen der Antragsgegnerin auch nicht darin, dass das Baugrundstück beim Verzicht auf das Staffelgeschoss nicht maximal im Rahmen der Umgebungsbebauung (§ 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB) dreigeschossig bebaubar wäre. Anhaltspunkte dafür, dass der nach § 34 Abs. 1 Satz 1 BauGB maßgebende Rahmen der Umgebungsbebauung zu einer - mindestens - dreigeschossigen Bebauung zwingt, sich also ein zweigeschossiges Einfamilienhaus nicht in die Eigenart der näheren Umgebung einfügen würde, legt die Antragsgegnerin nicht dar. Solche sind nach Aktenlage auch sonst nicht ersichtlich. Schließlich ist auch nichts dafür erkennbar, dass das Baugrundstück bei einem Verzicht auf das Staffelgeschoss aus sonstigen rechtlichen Gründen nicht mehr sinnvoll bebaubar sein könnte.
11 
c) Ein - auch im vorläufigen Rechtsschutzverfahren des Nachbarn zu berücksichtigender (vgl. VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 29.01.1999 - 5 S 2971/98 - VBlBW 1999, 347, juris Rn. 5) - Sonderfall nach § 6 Abs. 3 Satz 1 LBO, in dem eine geringere Tiefe der Abstandsfläche zuzulassen ist, dürfte ebenfalls nicht vorliegen. Für einen Sonderfall nach Nr. 1 oder Nr. 3 dieser Vorschrift ist von vornherein nichts ersichtlich. Ein Sonderfall nach Nr. 2 erscheint nach Aktenlage ebenfalls nicht gegeben. Denn danach ist davon auszugehen, dass die Unterschreitung der nach § 5 Abs. 7 Satz 1 Nr. 1 LBO gebotenen Abstandsflächentiefe die nachbarlichen Belange der Antragstellerin i. S. dieser Vorschrift erheblich beeinträchtigt.
12 
Nach der Rechtsprechung aller mit Baurechtssachen befassten Senate des erkennenden Gerichtshofs zur gleichlautenden Vorschrift des § 6 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 LBO a.F. ist von der normativen Wertung auszugehen, dass eine erhebliche Beeinträchtigung nachbarlicher Belange regelmäßig vorliegt, wenn der nachbarschützende Teil der Abstandsflächentiefe i. S. des § 5 Abs. 7 Satz 3 LBO a.F. unterschritten wird, gleichgültig, ob die Unterschreitung gravierend oder geringfügig ist. Nachbarliche Belange sind in einem solchen Fall nur dann nicht erheblich beeinträchtigt, wenn die vorhandene Situation in Bezug auf das Nachbargrundstück durch bauordnungsrechtlich relevante Besonderheiten gekennzeichnet ist, die das Interesse des Nachbarn an der Einhaltung des nachbarschützenden Teils der Abstandstiefe deutlich mindern oder als weniger schutzwürdig erscheinen lassen. Solche Besonderheiten können sich aus den tatsächlichen Verhältnissen auf dem Nachbargrundstück oder aus seiner rechtlichen Beziehung zum Baugrundstück ergeben (Senatsbeschluss vom 14.01.2010 - 8 S 1977/09 - NVwZ-RR 2010, 387, juris Rn. 9 m.w.N.), möglicherweise aber auch daraus, dass sich den Abstandsflächenvorschriften selbst eine andere Wertung des Gesetzgebers entnehmen lässt (vgl. Urteil des 3. Senats des beschließenden Gerichtshofs vom 13.08.2008 - 3 S 1668/07 -, VBlBW 2009, 65; kritisch zum Ganzen Sauter, LBO, 3. Auflage, § 6 Rn. 44). Der Senat hat an dieser - nur an der normativen Wertung des Gesetzes, nicht auch einer einzelfallbezogenen konkreten Betrachtung - ausgerichteten Auslegung nach dem Wegfall der gesetzlichen Unterscheidung zwischen nachbarschützenden und nicht nachbarschützenden Teilen der Abstandsflächentiefe durch das Änderungsgesetz vom 17.11.2009 (GBl. S. 615) jedenfalls für den Fall einer Unterschreitung der Mindesttiefe der Abstandsfläche (§ 5 Abs. 7 Satz 2 LBO) festgehalten (Senatsurteil vom 06.04.2010 - 8 S 1529/08 - VBlBW 2011, 67). Im Falle der baulichen Änderung eines bestehenden grenznahen Gebäudes hat er allerdings entschieden, dass es auch auf einen einzelfallbezogenen konkreten Vergleich zwischen vorhandenen und künftigen Beeinträchtigungen der nachbarlichen Belage ankommen kann (Senatsbeschluss vom 27.11.2013 - 8 S 1813/13 - BauR 2014, 533, juris Rn. 20 und 23). Ob eine ähnlich konkrete einzelfallbezogene Betrachtung ferner in den Fällen naheliegt, in denen, wie hier, die Mindesttiefe der Abstandsfläche gewahrt, aber ihre nach § 5 Abs. 7 Satz 1 LBO darüber hinaus gebotene Tiefe unterschritten wird, bedarf im vorliegenden Verfahren keiner Entscheidung. Denn die Baurechtsbehörde der Antragsgegnerin hat die konkreten Auswirkungen des genehmigten Vorhabens auf die nachbarlichen Belange i. S. des § 6 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 LBO des Grundstücks der Antragstellerin, insbesondere auf die Belichtung von Aufenthaltsräumen ihres Wohnhauses, bislang nicht geprüft und dazu keine Tatsachen festgestellt. Allein der abstrakte Vergleich mit - möglicherweise - geringeren Auswirkungen eines anderen Vorhabens (zweigeschossiges Einfamilienhaus mit bis zu 45° geneigtem Satteldach) genügt dafür nicht.
13 
Anhaltspunkte für Besonderheiten auf dem Nachbargrundstück der Antragstellerin, die ihr Interesse als deutlich gemindert oder als weniger schutzwürdig erscheinen lassen, oder rechtliche Besonderheiten, die in dieser Hinsicht bei ihrem Nachbargrundstück im Verhältnis zum genehmigten Bauvorhaben vorliegen, sind nicht ersichtlich. Der Einwand der Antragsgegnerin, auch das Wohnhaus der Antragstellerin halte nur einen "Grenzabstand von nur etwas mehr als 2,50 m" ein, dürfte nicht zutreffen. Nach dem von der Antragstellerin vorgelegten Lageplan zu der ihr erteilten Baugenehmigung des Landratsamts Esslingen vom 15.12.1972 für das Wohnhaus beträgt der Abstand zwischen dessen Außenwand und der Grenze zum Baugrundstück 3,00 m. Hinreichende Anhaltpunkte dafür, dass das Wohnhaus abweichend davon tatsächlich mit geringerem Abstand zur Grundstücksgrenze errichtet worden ist, gibt es nicht. Vielmehr ist auch in dem zum Bauvorhaben der Beigeladenen vorgelegten Lageplan das Wohnhaus der Antragstellerin mit 3,00 m Abstand zur Grundstücksgrenze eingezeichnet. Die die Befreiungsentscheidung tragende Erwägung, dass die Giebelfläche eines bis zu 45°-geneigten Satteldachs wegen der gesetzlichen Privilegierung in § 5 Abs. 5 Nr. 2 LBO nicht auf die Wandhöhe anzurechnen wäre, kann auch nicht eine sich aus den Abstandsflächenvorschriften ergebende andere Wertung des Gesetzgebers rechtfertigen (vgl. Urteil des 3. Senats des beschließenden Gerichtshofs vom 13.08.2008, a.a.O.). Dagegen dürfte bereits sprechen, dass diese Privilegierung nur für ein Gebäude mit Giebelfläche, also ein anders geartetes Vorhaben gilt. Die Zulassung einer geringeren Tiefe der Abstandsfläche für ein Gebäude mit einem Flachdach-Staffelgeschossallein mit der Erwägung, die Außenwand des Staffelgeschosses überschreite wegen ihrer zurückgesetzten seitlichen Kanten nirgends die hypothetische 45°-Linie eines Satteldachs mit einer i. S. des § 5 Abs. 5 Nr. 2 LBO privilegierten Giebelfläche, würde diese gesetzliche Privilegierung unzulässig erweitern. Abgesehen davon ist diese Privilegierung zwischenzeitlich entfallen. Mit Artikel 1 Nr. 5 b) des am 01.03.2015 in Kraft getretenen Gesetzes zur Änderung der Landesbauordnung vom 11.11.2014 (GBl. S. 501) wurden die Wörter "gar nicht, soweit kein Teil der Dachfläche eine größere Neigung als 45° aufweist, im Übrigen" in § 5 Abs. 5 Nr. 2 LBO gestrichen.
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2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Eine Beteiligung der Beigeladenen an diesen Kosten scheidet aus. Denn sie hat weder Anträge gestellt noch Rechtsmittel eingelegt (§ 154 Abs. 3 VwGO). Daher erscheint es auch nicht i. S. des § 162 Abs. 3 VwGO billig, ihre außergerichtlichen Kosten für erstattungsfähig zu erklären.
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Die Festsetzung und Abänderung des Streitwerts beruht auf den §§ 63 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, 47 Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1, 53 Abs. 2 Nr. 2 GKG und folgt den Empfehlungen in Nr. 1.5. und 9.7.1 des Streitwertkatalogs 2013, wonach bei der Klage eines Nachbarn gegen eine Baugenehmigung ein Streitwert innerhalb des Rahmens von 7.500,-- EUR bis 15.000,-- EUR festgesetzt werden soll, soweit nicht ein höherer wirtschaftlicher Schaden feststellbar ist. Der Senat geht dabei davon aus, dass in der Hauptsache ein Streitwert von 10.000,-- EUR angemessen ist (vgl. Senatsbeschluss vom 13.08.2014 - 8 S 979/14 - juris). Da der Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes zu einem erheblichen Teil auf die Vorwegnahme der Entscheidung in der Hauptsache zielt, ist dieser Wert auch für das Eilverfahren maßgebend.
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Der Beschluss ist unanfechtbar.
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published on 13/08/2014 00:00

Tenor Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 23. April 2014 - 5 K 425/14 - wird zurückgewiesen.Die Antragstellerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens einschließlich der außergerichtliche
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Tenor Auf die Beschwerde der Antragsteller zu 6 und 7 wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 20. August 2013 - 13 K 2046/13 - teilweise geändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Antragsteller zu 6 und 7 gegen die der
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Tenor Auf die Beschwerde des Antragstellers wird der Beschluss des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 24. Januar 2013 - 2 K 3867/12 - geändert. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers gegen die der Beigeladenen erteilte Baugeneh
published on 06/04/2010 00:00

Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 27. März 2008 - 8 K 1640/07 - wird zurückgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die
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Annotations

(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

(1) Die Beschwerde ist bei dem Gericht, dessen Entscheidung angefochten wird, schriftlich oder zu Protokoll des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe der Entscheidung einzulegen. § 67 Abs. 4 bleibt unberührt.

(2) Die Beschwerdefrist ist auch gewahrt, wenn die Beschwerde innerhalb der Frist bei dem Beschwerdegericht eingeht.

(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Innerhalb der im Zusammenhang bebauten Ortsteile ist ein Vorhaben zulässig, wenn es sich nach Art und Maß der baulichen Nutzung, der Bauweise und der Grundstücksfläche, die überbaut werden soll, in die Eigenart der näheren Umgebung einfügt und die Erschließung gesichert ist. Die Anforderungen an gesunde Wohn- und Arbeitsverhältnisse müssen gewahrt bleiben; das Ortsbild darf nicht beeinträchtigt werden.

(2) Entspricht die Eigenart der näheren Umgebung einem der Baugebiete, die in der auf Grund des § 9a erlassenen Verordnung bezeichnet sind, beurteilt sich die Zulässigkeit des Vorhabens nach seiner Art allein danach, ob es nach der Verordnung in dem Baugebiet allgemein zulässig wäre; auf die nach der Verordnung ausnahmsweise zulässigen Vorhaben ist § 31 Absatz 1, im Übrigen ist § 31 Absatz 2 entsprechend anzuwenden.

(3) Von Vorhaben nach Absatz 1 oder 2 dürfen keine schädlichen Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden zu erwarten sein.

(3a) Vom Erfordernis des Einfügens in die Eigenart der näheren Umgebung nach Absatz 1 Satz 1 kann im Einzelfall abgewichen werden, wenn die Abweichung

1.
einem der nachfolgend genannten Vorhaben dient:
a)
der Erweiterung, Änderung, Nutzungsänderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten Gewerbe- oder Handwerksbetriebs,
b)
der Erweiterung, Änderung oder Erneuerung eines zulässigerweise errichteten, Wohnzwecken dienenden Gebäudes oder
c)
der Nutzungsänderung einer zulässigerweise errichteten baulichen Anlage zu Wohnzwecken, einschließlich einer erforderlichen Änderung oder Erneuerung,
2.
städtebaulich vertretbar ist und
3.
auch unter Würdigung nachbarlicher Interessen mit den öffentlichen Belangen vereinbar ist.
Satz 1 findet keine Anwendung auf Einzelhandelsbetriebe, die die verbrauchernahe Versorgung der Bevölkerung beeinträchtigen oder schädliche Auswirkungen auf zentrale Versorgungsbereiche in der Gemeinde oder in anderen Gemeinden haben können. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 Buchstabe b und c kann darüber hinaus vom Erfordernis des Einfügens im Einzelfall im Sinne des Satzes 1 in mehreren vergleichbaren Fällen abgewichen werden, wenn die übrigen Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und die Aufstellung eines Bebauungsplans nicht erforderlich ist.

(4) Die Gemeinde kann durch Satzung

1.
die Grenzen für im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen,
2.
bebaute Bereiche im Außenbereich als im Zusammenhang bebaute Ortsteile festlegen, wenn die Flächen im Flächennutzungsplan als Baufläche dargestellt sind,
3.
einzelne Außenbereichsflächen in die im Zusammenhang bebauten Ortsteile einbeziehen, wenn die einbezogenen Flächen durch die bauliche Nutzung des angrenzenden Bereichs entsprechend geprägt sind.
Die Satzungen können miteinander verbunden werden.

(5) Voraussetzung für die Aufstellung von Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 ist, dass

1.
sie mit einer geordneten städtebaulichen Entwicklung vereinbar sind,
2.
die Zulässigkeit von Vorhaben, die einer Pflicht zur Durchführung einer Umweltverträglichkeitsprüfung nach Anlage 1 zum Gesetz über die Umweltverträglichkeitsprüfung oder nach Landesrecht unterliegen, nicht begründet wird und
3.
keine Anhaltspunkte für eine Beeinträchtigung der in § 1 Absatz 6 Nummer 7 Buchstabe b genannten Schutzgüter oder dafür bestehen, dass bei der Planung Pflichten zur Vermeidung oder Begrenzung der Auswirkungen von schweren Unfällen nach § 50 Satz 1 des Bundes-Immissionsschutzgesetzes zu beachten sind.
In den Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 können einzelne Festsetzungen nach § 9 Absatz 1 und 3 Satz 1 sowie Absatz 4 getroffen werden. § 9 Absatz 6 und § 31 sind entsprechend anzuwenden. Auf die Satzung nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 3 sind ergänzend § 1a Absatz 2 und 3 und § 9 Absatz 1a entsprechend anzuwenden; ihr ist eine Begründung mit den Angaben entsprechend § 2a Satz 2 Nummer 1 beizufügen.

(6) Bei der Aufstellung der Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 2 und 3 sind die Vorschriften über die Öffentlichkeits- und Behördenbeteiligung nach § 13 Absatz 2 Satz 1 Nummer 2 und 3 sowie Satz 2 entsprechend anzuwenden. Auf die Satzungen nach Absatz 4 Satz 1 Nummer 1 bis 3 ist § 10 Absatz 3 entsprechend anzuwenden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.