Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 14. Juni 2013 - 2 S 246/11

bei uns veröffentlicht am14.06.2013

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 25. Oktober 2010 - 12 K 527/09 - geändert.

Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger für die mit Antrag vom 21.9.2006 geltend gemachten Aufwendungen weitere Kassenleistungen i.H.v. 30,35 EUR zu gewähren. Der Bescheid der Beklagten vom 29.9.2006 und deren Widerspruchsbescheid vom 8.2.2007 werden aufgehoben, soweit sie dieser Verpflichtung entgegenstehen.

Im Übrigen wird die Berufung des Klägers zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger ist B1-Mitglied der Beklagten mit einem Bemessungssatz von 30 %. Er begehrt Kassenleistungen für eine bei seiner Ehefrau durchgeführte Operation, bei der die Brüste verkleinert und zwei Hauttumore an Hals und Gesicht entfernt wurden.
Am 29.7.2005 bat die Ehefrau des Klägers die Beklagte um die Kostenübernahme für eine Brustverkleinerungsoperation (Mammareduktionsplastik). Nach einem von ihr vorgelegten vorläufigen Arztbrief des Klinikums Neustadt vom 4.5.2004 klage sie seit Jahren über bestehende Rückenschmerzen, Kopfschmerzen und submammäre Ekzeme in den Sommermonaten infolge übergroßer Brüste. Es lägen deutliche Einschnürungen der BH-Träger an den Schultern und ekzemartig veränderte Haut submammär vor. Im Laufe des Verwaltungsverfahrens legte sie des Weiteren die ärztliche Bescheinigung eines Facharztes für Orthopädie vom 7.12.2005 vor, in der ausgeführt wird: Aufgrund der anhaltenden Beschwerden im Bereich der gesamten Wirbelsäule verbunden mit Cephalgien werde aus orthopädischer Sicht dringend eine Brustverkleinerung beidseits empfohlen. Die erheblich vergrößerten Brüste zwängen die Ehefrau des Klägers in eine Zwangshaltung, durch die erhebliche Schmerzen und Verspannungen hervorgerufen würden. Falls eine Verkleinerung abgelehnt werde, sei mit einer dauerhaften Behandlungsbedürftigkeit im Bereich der Brustwirbelsäule zu rechnen. Der Erfolg einer konservativen Therapie sei aufgrund der großen Brüste fraglich.
Die Beklagte holte mehrere Privatgutachten bei der Gesellschaft für Medizinische Gutachten - IMB Consult - ein. In dem Gutachten vom 7.9.2005 heißt es zusammenfassend: Die vorgelegten fotografischen Abbildungen zeigten zwar eine große Brustform beidseits, jedoch keine Anhaltspunkte für das Vorliegen entzündlicher Veränderungen. Eine Entstellung liege nicht vor. Intertriginalekzembildungen könnten ausweislich des vorliegenden Bildmaterials nicht nachvollzogen werden. Das kritische Studium der vorgelegten fotografischen Abbildungen zeige im Bereich der Auflageflächen der BH-Träger allenfalls geringfügige Ausmuldungen, jedoch nicht die zur Beurteilung erforderlichen messerrückenscharfen Schnürfurchenbildungen. Das Argument, eine Gewichtsbelastung durch große Brustentwicklung belastete die Wirbelsäule und löse damit ursächlich eine Schmerzhaftigkeit oder Fehlstellung aus, sei nachgewiesenermaßen falsch.
Am 22.3.2006 ließ die Ehefrau des Klägers die Brustverkleinerungsoperation durchführen. Dabei wurden auch zwei Hauttumore an Gesicht und Hals entfernt.
Am 21.9.2006 beantragte der Kläger bei der Beklagten Kassenleistungen für die aufgrund der Rechnungen der Klinikums Neustadt vom 3.4.2006, 15.5.2006 und 17.7.2006 über insgesamt 3.329,94 EUR und der Rechnung einer Arztpraxis über 48,20 EUR getätigten Aufwendungen. Von der durch das Klinikum Neustadt geltend gemachten Rechnungssumme entfielen 346,68 EUR auf die Entfernung der zwei Hauttumore; im Übrigen bezog sie sich auf die Brustverkleinerungsoperation.
Mit Bescheid vom 29.9.2006 lehnte die Beklagte die Gewährung von Kassenleistungen für die geltend gemachten Aufwendungen ab. Den Widerspruch des Klägers wies sie mit Widerspruchsbescheid vom 8.2.2007 zurück.
Die am 19.2.2007 erhobene Klage des Klägers hat das Verwaltungsgericht Stuttgart mit Urteil vom 25.10.2010 abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt: Die Ehefrau des Klägers habe nicht an einer Erkrankung der Brüste gelitten. Die diagnostizierte Makromastie sei als solche keine Krankheit. Die Brustgröße oder -schwere als solche könne nicht als Krankheit eingestuft werden; ein „Normalgewicht“ der weiblichen Brust gebe es nicht. Eine Krankheit liege aber im Hinblick auf die diagnostizierten orthopädischen Leiden vor. Darüber hinaus seien vereinzelt intertriginöse Veränderungen submammär und BH-Schnürfurchen diagnostiziert worden. Die durchgeführte Operation habe mittelbar der Bekämpfung dieser Krankheiten dienen sollen. Eine solche mittelbare Behandlung bedürfe jedoch einer besonderen Rechtfertigung. Werde in ein funktionell intaktes Organ eingegriffen, seien besonders strenge Anforderungen zu stellen. Darüber hinaus müssten alle anderen Behandlungsalternativen ausgeschöpft sein. Erforderlich hierfür seien grundsätzlich konzentriert durchgeführte und ärztlich begleitete umfassende Bemühungen, die zeitnah zur Operation erfolgten. Hierzu gehöre von Krankengymnasten durchgeführte und ärztlich begleitete Krankengymnastik, die über einen längeren Zeitraum durchgeführt werde. Solche ausreichenden Bemühungen seien bei der Ehefrau des Klägers nicht festzustellen. In zeitlicher Nähe zur durchgeführten Operation seien lediglich leichte Wirbelsäulengymnastik, Schulter-Arm-Gymnastik, Wirbelsäulengymnastik und Schulter-Arm-Gymnastik im Bewegungsbad während des Aufenthalts in der Paracelsius-Harz-Klinikum vom 14.2. bis zum 7.3.2005, einzelne krankengymnastische Teilbehandlungen am 30.9., 27.10. und 7.12.2005, die Teilnahme an der Mammakarzinomgymnastik und Einzelkrankengymnastik für die Wirbelsäule im Rahmen medizinischer Rehabilitation während des Aufenthalts in der Klinik Tecklenburger Land vom 14.2.2006 und 17.3.2006 nachgewiesen. Darüber hinaus habe es Massagen, Drainagen, Reizstrombehandlung, Extensionsbehandlung, Mikrowellenbehandlung und weitere ähnliche Behandlungen gegeben. Diese Behandlungen beträfen aber nur die Symptome und nicht die Ursachen der Beschwerden.
Die Schnürfurchen, die vereinzelt festgestellt worden seien, rechtfertigten keine andere Entscheidung. Auch insoweit seien andere Maßnahmen vorrangig, insbesondere das Tragen von BHs mit breiten Trägern. Dem von der Beklagten eingeholten Privatgutachten vom 9.8.2005 zufolge zeigten die dort vorgelegten fotografischen Abbildungen, dass die Auflageflächen der BH-Träger im Schulterbereich nur flach ausgemuldet seien. Auch die intertrigrinösen Veränderungen und das reizlose Ekzem submammär rechtfertigten keine andere Entscheidung. Da diese Ekzeme nur in den Sommermonaten bestünden bzw. reizlos seien, liege keine Erkrankung vor, die nach ihrer Art und Schwere einen Eingriff in die funktionell intakten Brüste rechtfertige. Dies gelte umso mehr, als nach den von der Beklagten eingeholten Privatgutachten keine Ekzeme festgestellt und Intertriginalekzembildungen ausweislich des Bildmaterials nicht nachvollzogen werden könnten.
Soweit orthopädische Beschwerden vorhanden seien, sei das Gericht darüber hinaus nicht zur Überzeugung gekommen, dass zwischen Größe und Gewicht der Brüste und den von der Ehefrau des Klägers beklagten Beschwerden ein Ursachenzusammenhang bestehe. Zur Begründung werde auf die Ausführungen im Urteil der Kammer vom 22.9.2010 - 12 K 3008/07 - verwiesen, das den Beteiligten bekannt sei. In diesem Urteil wird ausgeführt: Zwar komme der im vorliegenden Fall vom Gericht herangezogene Gutachter Prof. Dr. B. in seinem fachärztlichen Gutachten vom 28.7.2009 zum Ergebnis, es gebe eine Vielzahl von Studien, die die Korrelation zwischen Größe bzw. Schwere der Brust und orthopädischen Beschwerden bejahten und belegten. Diese Gutachten beruhten jedoch in beträchtlichem Umfang auf den subjektiven Einschätzungen der betroffenen Frauen. Darüber hinaus seien die Befragungen häufig retrospektiv, also nach Durchführung der Brustverkleinerung, durchgeführt worden. Alle diese Studien seien damit für die Annahme eines Ursachenzusammenhangs zwischen Größe bzw. Schwere der Brüste und orthopädischen Beschwerden nur von begrenzter Überzeugungskraft.
10 
Gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts richtet sich die vom Senat mit Beschluss vom 26.1.2011 zugelassene Berufung des Klägers.
11 
Der Senat hat ein Gutachten des Oberarztes der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie des Universitätsklinikums Heidelberg Dr. W. - Leiter der Sektion Wirbelsäulenchirurgie, spezielle orthopädische Chirurgie, Chirotherapie und Kinderorthopädie - eingeholt, das unter dem 10.10.2012 erstattet worden ist. Darin heißt es zusammenfassend: Die zum Zeitpunkt der Operation bekannte Literatur ergebe keine direkt messbaren ursächlichen Zusammenhänge zwischen Größe und Gewicht der Brust und dem Auftreten orthopädischer Leiden, insbesondere im Bereich der Wirbelsäule. In der Literatur fänden sich keine spezifischen Gewichte oder Größenangaben, die statistisch signifikant korrelierbar seien mit dem Auftreten von degenerativen Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule. Zwar seien statische Überlegungen genauso wie biomechanische Fragen des Gewichts in ihrer Auswirkung auf die genannten anatomischen Strukturen nachvollziehbar; eine eindeutige biomechanische Verbindung sei aber nicht ableitbar. Es gebe multiple Beeinflussungsgrößen des Rückenschmerzes, die nicht restlos morphologisch-anatomisch fassbar seien. Relevante Belastungen im Sinne psychosozialer Stressoren wie z.B. eine massive Belastung durch das empfundene Stigma einer großen Brust, aber auch die im Falle der Ehefrau des Klägers im Entlassungsbericht der Rehabilitationsklinik dargestellten Rezidivängste seien relevante, einen Rückenschmerz potenziell mitverursachende Fakten.
12 
Die bei der Ehefrau des Klägers festgestellte Pathologie der Wirbelsäule sei keinesfalls sicher mit der Größe der Brüste zu korrelieren. Eine entsprechende degenerative Pathologie trete unabhängig von der Größe des Brustvolumens regelmäßig im Alter der Ehefrau des Klägers auf. Die Ehefrau des Klägers habe sich nach Aktenlage zumindest im Jahre 2005 in kontinuierlicher orthopädischer konservativer Behandlung befunden. Das Behandlungsjournal gebe jedoch keinen Hinweis darauf, dass es sich bei einer der vorliegenden Behandlungsdiagnosen um eine spezifische Wirbelsäulenpathologie im Sinne eines Bandscheibenvorfalls oder einer Rückenmarkskanalenge oder einer Entzündung im Bereich der Wirbelsäule handle. Daraus ergebe sich, dass die Beschwerden eher unspezifischer Natur gewesen seien, die nicht eindeutig mit der Brustgröße korreliert werden könnten. Eine behandlungsbedürftige orthopädische Erkrankung habe jedoch vorgelegen. Es müsse davon ausgegangen werden, dass im konkreten Fall die Mammareduktionsplastik zu einer relevanten Beschwerdelinderung bei der Ehefrau des Klägers geführt habe.
13 
Die recht großen Brüste seien als Faktoren der Verschiebung des Körperschwerpunkts nach vorne wahrscheinlich. Die von Prof. Dr. B. dargestellten Studien könnten den guten Erfolg des Verfahrens der Mammareduktionsplas- tik auf das Schmerzempfinden und die funktionellen Fähigkeiten der Patientinnen darstellen. Daraus ergebe sich, dass gemäß der vorliegenden Literaturdatenlage eine Brustverkleinerungsoperation i.S.d. Mammareduktionsplas- tik in der Lage sei, Rückenschmerzen als orthopädisches Leiden suffizient zu therapieren. Daraus ergebe sich jedoch nicht grundsätzlich eine Kontraindikation zur Durchführung von konservativen Therapien. Das Problem der Beurteilung konservativer Therapien in der wissenschaftlichen Literatur liege in ihrer extrem heterogenen Anwendung. Es sei bereits schwierig, bestimmte konservative Therapien untereinander zu vergleichen. Nicht weniger schwierig sei es, in Studien konservative Therapien mit operativen Therapien zu vergleichen. Die multimodale Schmerztherapie sei in ihrer Effizienz als ein sehr erfolgreiches Therapieinstrument anzusehen und als alternative Behandlung denkbar. Bei der multimodalen Schmerztherapie handle es sich um ein etabliertes und auch erfolgversprechendes konservatives Therapieinstrument. Eine spezifische Multimodalschmerztherapie mit Fokus auf den Rückenschmerzen sei nicht durchgeführt worden.
14 
Der Kläger trägt zur Begründung seiner Berufung vor: Seine Ehefrau habe auch an Schnürfurchen und Hautekzemen gelitten. Das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass die Schnürfurchen auf andere Weise als die Brustverkleinerungsoperation hätten verhindert werden können. Sie habe selbstverständlich BHs mit breitem Träger getragen. Selbst die breiten Träger hätten die entsprechenden Schnürfurchen verursacht. Die Einschnürungen der BH-Träger an den Schultern seien durch konservative Maßnahmen nicht dauerhaft zu behandeln gewesen.
15 
Das vom Senat eingeholte Sachverständigengutachten sei in seinen wissenschaftlichen Grundlagen zu Unrecht auf den Wissensstand des Jahres 2005/2006 beschränkt. Bei einer Verpflichtungsklage sei der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblich. Daher gehe das Gutachten von teilweise veralteten, jedenfalls aber unvollständigen wissenschaftlichen Grundlagen aus. Inhaltlich behaupte der Sachverständige zwar, dass es keine direkt messbaren ursächlichen Zusammenhänge zwischen Größe und Gewicht der Brust und dem Auftreten orthopädischer Leiden gebe. Er schließe Ursachenzusammenhänge jedoch auch nicht aus, sondern halte statische Überlegungen genauso wie biomechanische Fragen des Gewichts in ihrer Auswirkung für nachvollziehbar. Er habe ausgeführt, dass es statisch-anatomisch durch die vermehrte Last zu einer Verschiebung des Körperschwerpunktes, des sog. „sagittalen Profils“ nach vorne komme. Im Falle der Ehefrau des Klägers benenne der Sachverständige keine alternativen Ursachen, die für das festgestellte orthopädische Leiden verantwortlich sein könnten. Gehe man von einer Beschwerdelinderung durch die Brustverkleinerungsoperation aus, folge daraus denknotwendigerweise, dass die Brust in ihrer ursprünglichen Größe und ihrem Volumen für die Beschwerden zumindest mitverantwortlich gewesen sei. Die Nichtdurchführung der multimodalen Schmerztherapie könne nicht zu Lasten der Ehefrau des Klägers gehen. Die Ehefrau des Klägers habe sämtliche ihr angebotenen konservativen Behandlungsmöglichkeiten wahrgenommen und durchgeführt. Die multimodale Schmerztherapie sei ihr nicht angeboten worden.
16 
Soweit sich der Sachverständige mit dem Gutachten von Prof. Dr. B. auseinandersetze, gehe er anscheinend fälschlicherweise davon aus, dass es sich um ein Gutachten handle, das die Ehefrau des Klägers betreffe. Tatsächlich sei dieses Gutachten in einem Parallelverfahren eingeholt worden. Die Ausführungen des Gutachters zu psychosozialen Stressoren, wonach eine große Brust als Stigma empfunden werde, gingen am Sachverhalt vorbei. Die Ehefrau des Klägers habe über einen längeren Zeitraum orthopädische Beschwerden im gesamten Bereich der Wirbelsäule gehabt, die nach der Brustverkleinerungsoperation nicht wieder aufgetreten seien. Die Überlegungen des Sachverständigen zur psychosomatischen Ursache für den Wunsch einer Brustverkleinerung seien möglicherweise bei jüngeren Patientinnen nachvollziehbar. Die Ehefrau des Klägers habe jedoch Jahrzehnte mit ihren großen Brüsten gelebt, bis die orthopädischen Beschwerden sie veranlasst hätten, die Brustverkleinerungsoperation durchzuführen. Sie habe sich in psychischer Hinsicht von ihrer Brustgröße nicht beeinträchtigt gesehen.
17 
Der Kläger beantragt,
18 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 25.10.2010 - 12 K 527/09 - zu ändern und ihm für die mit Antrag vom 21.9.2006 geltend gemachten Aufwendungen weitere Kassenleistungen i.H.v. 998,44 EUR zu bewilligen sowie den Bescheid der Beklagten vom 29.9.2006 und deren Widerspruchsbescheid vom 8.2.2007 aufzuheben, soweit sie dieser Verpflichtung entgegenstehen.
19 
Die Beklagte beantragt,
20 
die Berufung zurückzuweisen.
21 
Bezüglich der geltend gemachten Aufwendungen für die bei der Ehefrau des Klägers durchgeführte Brustverkleinerungsoperation beruft sich die Beklagte auf das eingeholte Sachverständigengutachten. Für die Exzision der Hauttumore sei der Gebührenansatz des behandelnden Arztes überhöht. Es seien nur kleinere und keine größeren Geschwülste entfernt worden, zudem habe es sich nur um einfache und nicht um schwierige Hautlappenplastiken gehandelt. Daher ergebe sich unter Berücksichtigung des 25%-igen Pauschalabzugs nach „§ 6 GOÄ“ (gemeint ist wohl § 6a Abs. 1 Satz 1 GOÄ) ein erstattungsfähiger Betrag von 101,15 EUR, unter Zugrundelegung des Bemessungssatzes von 30 % also ein möglicher Abhilfebetrag i.H.v. 30,35 EUR.
22 
Der Kläger räumt (mittlerweile) ein, dass die Auffassung der Beklagten bezüglich der Berechnung des für die Entfernung der beiden Hauttumore in Rechnung gestellten Betrags zutrifft.
23 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die im Verfahren gewechselten Schriftsätze sowie die dem Senat vorliegenden Verwaltungs- und Gerichtsakten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
24 
Nach §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO entscheidet der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
25 
Die zulässige Berufung des Klägers ist nur zu einem geringen Teil begründet. Er kann keine Kassenleistungen für die bei seiner Ehefrau durchgeführte Brustverkleinerungsoperation (Mammaraduktionsplastik) beanspruchen (I., vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Lediglich soweit die Beklagte auch die Gewährung von Kassenleistungen für die Entfernung zweier Hauttumore bei seiner Ehefrau abgelehnt hat, ist der angefochtene Bescheid teilweise rechtswidrig (II.)
26 
I. Dem Kläger stehen keine Kassenleistungen für die bei seiner Ehefrau durchgeführte Brustverkleinerung zu, denn diese Operation war medizinisch nicht notwendig.
27 
1. Nach ständiger verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung ist für die Beurteilung der Erstattungsfähigkeit der geltend gemachten Aufwendungen das im Zeitpunkt der Entstehung der Aufwendungen geltende Recht anzuwenden. Die hier zu beurteilende Brustverkleinerungsoperation fand am 22.3.2006 statt. Abzustellen ist deshalb auf die Satzung der Beklagten in der Fassung vom 1.3.2006. Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 der Satzung haben die Mitglieder der Beklagten für sich und die mitversicherten Angehörigen Anspruch auf die in den §§ 31 bis 48 festgelegten Leistungen. Nach § 30 Abs. 1 Satz 2 der Satzung sind Aufwendungen erstattungsfähig, wenn sie beihilfefähig und Leistungen dafür in der Satzung vorgesehen sind. Aufwendungen sind jedoch nur erstattungsfähig, wenn die zugrunde liegenden Maßnahmen medizinisch dem Grunde nach notwendig waren und soweit sie wirtschaftlich angemessen sind (vgl. § 30 Abs. 3 der Satzung). Die Entscheidung darüber unterliegt uneingeschränkter verwaltungsgerichtlicher Kontrolle (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.3.2008 - 2 C 19.06 - NVwZ-RR 2008, 713 zu der ähnlichen Regelung in § 5 Abs. 1 Satz 1 BhV).
28 
2. Die hier bei der Ehefrau des Klägers durchgeführte Brustverkleinerungsoperation (Mammareduktionsplastik) hat unstreitig nicht der (unmittelbaren) Behandlung einer Erkrankung der Brüste gedient. Sie bezweckte vielmehr (mittelbar) die Bekämpfung orthopädischer Leiden und submammärer Ekzeme sowie die Vermeidung von durch die BH-Träger verursachten Schnürfurchen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 19.2.2003 - B 1 KR 1/02 R - BSGE 90, 289), der der Senat folgt (Urteil vom 17.2.2011 - 2 S 2242/10 - juris), kann die Leistungspflicht für eine chirurgische Therapie dieser Leiden nicht allein mit der Erwägung verneint werden, dass die operative Verkleinerung der Brüste keine kausale Behandlung darstellt. Auch eine solche mittelbare Therapie kann grundsätzlich vom Leistungsanspruch umfasst sein.
29 
Wird durch eine Operation jedoch in ein funktionell intaktes Organ eingegriffen und dieses regelwidrig verändert, bedarf diese mittelbare Behandlung einer speziellen Rechtfertigung, wobei die Art und Schwere der Erkrankung, die Dringlichkeit der Intervention, die Risiken und der zu erwartende Nutzen der Therapie sowie etwaige Folgekosten für die Krankenversicherung gegeneinander abzuwägen sind (BSG, Urteil vom 19.2.2003 - B 1 KR 1/02 R - BSGE 90, 289; LSG Schleswig-Holst., Urteil vom 25.3.2010 - L 5 KR 118/08 - SchlHA 2010, 363; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 14.12.2010 - 4 S 2331/08 - und vom 17.2.2011 - 2 S 2242/10 -). Deshalb darf eine chirurgische Behandlung in Form der Brustverkleinerung nur die ultima ratio sein, zumal ein operativer Eingriff stets mit einem erheblichen Risiko (Narkose, Operationsfolgen wie z.B. Entzündungen, Thrombose bzw. Lungenembolie, operationsspezifische Komplikationen) verbunden ist. Ein solcher Eingriff kommt daher nur dann in Betracht, wenn alle konservativen Behandlungsmethoden vollständig ausgeschöpft worden sind. Dazu gehören jedenfalls zeitnah zur Operation durchgeführte krankengymnastische Behandlungen, evtl. auch sportliche Betätigung. Darüber hinaus spricht Vieles dafür, vor der Operation noch den Versuch einer ambulanten und erforderlichenfalls sogar einer stationären Rehabilitation unter ärztlicher Aufsicht zu fordern (LSG Bad.-Württ., Urteil vom 20.4.2004 - L 11 KR 1886/03 - juris).
30 
3. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass im Falle der hier vorgenommenen Brustverkleinerungsoperation diese Anforderungen nicht erfüllt sind.
31 
a) Schon die Abwägung von Art und Schwere der orthopädischen Erkrankung einerseits mit dem zu erwartenden Nutzen der Therapie andererseits fällt zu Lasten des Klägers (bzw. seiner Ehefrau) aus.
32 
aa) Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 10.10.2012 schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt, dass bereits keine besonders schwerwiegende orthopädische Erkrankung bei der Ehefrau des Klägers vorlag. Eine behandlungsbedürftige orthopädische Erkrankung habe zwar vorgelegen. Eine entsprechende degenerative Pathologie trete jedoch unabhängig von der Größe des Brustvolumens regelmäßig im Alter der Ehefrau des Klägers auf. Es gebe keinen Hinweis darauf, dass es sich um eine spezifische Wirbelsäulenpathologie im Sinne eines Bandscheibenvorfalls oder einer Rückenmarkskanalenge oder einer Entzündung im Bereich der Wirbelsäule gehandelt habe; daraus ergebe sich, dass die Beschwerden eher unspezifischer Natur gewesen seien, die nicht eindeutig mit der Brustgröße korreliert werden könnten.
33 
bb) Des Weiteren ist der Nutzen der Brustverkleinerungsoperation sowohl im allgemeinen als auch im besonderen Fall der Ehefrau des Klägers nicht hinreichend nachgewiesen. Nach den schlüssigen und widerspruchsfreien Ausführungen des Sachverständigen, denen der Senat folgt, werden in der zum Zeitpunkt der Operation bekannten Literatur keine direkt messbaren ursächlichen Zusammenhänge zwischen Größe und Gewicht der Brust und dem Auftreten orthopädischer Leiden, insbesondere im Bereich der Wirbelsäule, aufgezeigt. Es finden sich mit anderen Worten keine spezifischen Gewichte oder Größenangaben, die statistisch signifikant korrelierbar mit dem Auftreten von degenerativen Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule sind.
34 
Zwar hat der Sachverständige nicht ausgeschlossen, dass die Behandlung im Falle der Ehefrau des Klägers möglicherweise zu einer Beschwerdelinderung geführt hat. Auch hält er statische Überlegungen genauso wie biomechanische Fragen des Gewichts in ihrer Auswirkung auf die Orthopädie der Wirbelsäule für nachvollziehbar. Damit zeigt er aber letztlich nur auf, dass ein Nutzen der Brustverkleinerungsoperation sowohl allgemein als auch im Falle der Ehefrau des Klägers durchaus als möglich erscheint. Dies allein genügt nach den oben unter II.2. dargestellten Grundsätzen jedoch nicht zur Rechtfertigung der durchgeführten Mammareduktionsplastik. Dazu müsste ihr Nutzen nachgewiesen oder zumindest mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit feststellbar sein. Dies lässt sich dem Sachverständigengutachten indes nicht entnehmen. Der Sachverständige hat im Gegenteil betont, dass weder im Falle der Ehefrau des Klägers noch allgemein betrachtet eine Verbindung zwischen dem Gewicht der Brüste und orthopädischen Beschwerden der Wirbelsäule nachgewiesen sei.
35 
Entgegen der Ansicht des Klägers werden diese Ausführungen des Sachverständigen nicht dadurch relativiert, dass er nur den wissenschaftlichen Erkenntnisstand bis zum Zeitpunkt der Durchführung der Operation berücksichtigt hat. Zum einen ist die Erstattungsfähigkeit von Aufwendungen für eine ärztliche Behandlung grundsätzlich anhand des Erkenntnisstands zu beurteilen, der „ex ante“, also unmittelbar vor Durchführung des streitbefangenen Eingriffs, gegeben war (Senatsurteil vom 4.2.2013 - 2 S 1903/12 - juris). Zum anderen zeigt der Kläger nicht auf, dass sich nach dem heutigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand eine andere Beurteilung ergeben könnte. Auch in neueren Gerichtsentscheidungen wird betont, dass es bislang immer noch keine wissenschaftlich anerkannte, valide und evidenzbasierte Studie gibt, die einen Zusammenhang zwischen einer definierten Brustgröße und ebenso definierten morphologischen Veränderungen der Wirbelsäule aufzeigen könnte (LSG Nordrh.-Westf., Urteil vom 24.1.2013 - L 16 KR 226/11 - juris - Rn. 28 unter Bezugnahme auf ein Sachverständigengutachten).
36 
b) Unabhängig hiervon lässt sich auch nicht feststellen, dass sich die durchgeführte Operation im Hinblick auf die orthopädische Erkrankung der Ehefrau des Klägers als ultima ratio darstellt und alle konservativen Behandlungsmethoden vollständig ausgeschöpft worden sind. Der Sachverständige hat - auch insoweit überzeugend - insbesondere auf die Möglichkeit einer multimodalen Schmerztherapie hingewiesen, die in ihrer Effizienz als ein sehr erfolgreiches Therapieinstrument anzusehen und als alternative Behandlung denkbar sei; es handle sich hierbei um ein etabliertes und erfolgversprechendes konservatives Therapieinstrument. Eine derartige spezifische Multimodalschmerztherapie mit Fokus auf den Rückenschmerzen ist aber bei der Ehefrau des Klägers nicht durchgeführt worden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob ihr eine solche Therapie angeboten worden ist, denn die Frage, ob sich die Brustverkleinerungsoperation als ultima ratio dargestellt hat, ist nach objektiven Kriterien und nicht nach dem jeweiligen subjektiven Kenntnisstand der betroffenen Patientinnen zu beurteilen. Unabhängig davon hat der Kläger auch nicht vorgetragen, dass seine Ehefrau eigenverantwortlich jede ihr zumutbare Möglichkeit der Information erfolglos genutzt haben könnte.
37 
c) In Bezug auf die Schnürfurchen ist schon fraglich, ob diese überhaupt ein eigenständiges Krankheitsbild darstellen und für sich allein genommen eine Brustverkleinerungsoperation rechtfertigen können (vgl. LSG Bad.-Württ., Urteil vom 18.10.2002 - L 4 KR 4692/01 - juris Rn. 24). Dies dürfte höchstens in besonders schwerwiegenden Fällen denkbar sein. Ein solcher schwerer Fall ist hier aber nicht dargetan. Auch wenn gelegentlich Schnürfurchen von den behandelnden Ärzten festgestellt worden sind, ist von jedenfalls von besonders gravierenden Schnürfurchen nicht die Rede; der von der Beklagten beauftragte Arzt hat anhand der vorgelegten Fotodokumentation, die den Zustand der Ehefrau des Klägers vor der Operation zeigt, sogar überhaupt keine Schnürfurchen, sondern lediglich flache Ausmuldungen der BH-Träger im Schulterbereich feststellen können. Dieser Wertung ist anhand der vorliegenden Fotografien ohne Weiteres nachvollziehbar.
38 
d) Schließlich begründen auch die von den behandelnden Ärzten bei der Ehefrau des Klägers diagnostizierten submammären Ekzeme nicht die Notwendigkeit der durchgeführten Brustverkleinerungsoperation. Bei dieser Hauterkrankung handelt es sich ersichtlich nicht um ein schwerwiegendes Krankheitsgeschehen, denn insoweit treten wohl vor allem in den Sommermonaten submammäre Ekzeme auf. Den hier vorgenommenen operativen Eingriff kann dieses Krankheitsbild daher nicht rechtfertigen. Es ist vielmehr vorrangig fachärztlich, also durch einen Hautarzt, zu therapieren (vgl. LSG Bad.-Württ., Urteile vom 10.12.2008 - L 5 KR 2638/07 - juris-Rn. 44 und vom 18.10.2002 - L 4 KR 4692/01 - juris-Rn. 22; LSG Sachs.-Anh., Urteil vom 26.2.2009 - L 10 KR 25/06 - juris - Rn. 40). Dass die Ehefrau des Klägers hier den erfolglosen Versuch einer derartigen Behandlung unternommen haben könnte, ist nicht ersichtlich.
39 
II. Soweit die Beklagte auch die Gewährung von Kassenleistungen für die Entfernung zweier Hauttumore bei der Ehefrau des Klägers abgelehnt hat, ist der angefochtene Bescheid teilweise rechtswidrig. Allerdings ist hierbei nicht von dem gesamten in der Rechnung vom 15.4.2006 genannten Betrag für die Exzision der beiden Hauttumore in Höhe von 346,68 EUR auszugehen. Die Beklagte hat überzeugend dargelegt, dass für diesen Teil der Operation nur Aufwendungen in Höhe von 101,15 EUR erstattungsfähig sind; dem tritt auch der Kläger nicht (mehr) entgegen. Danach stehen dem Kläger bei einem Bemessungssatzung von 30% lediglich weitere Kassenleistungen in Höhe von 30,35 EUR zu.
40 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
41 
Beschluss vom 14. Juni 2013
42 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 998,44 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
43 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
24 
Nach §§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO entscheidet der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
25 
Die zulässige Berufung des Klägers ist nur zu einem geringen Teil begründet. Er kann keine Kassenleistungen für die bei seiner Ehefrau durchgeführte Brustverkleinerungsoperation (Mammaraduktionsplastik) beanspruchen (I., vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Lediglich soweit die Beklagte auch die Gewährung von Kassenleistungen für die Entfernung zweier Hauttumore bei seiner Ehefrau abgelehnt hat, ist der angefochtene Bescheid teilweise rechtswidrig (II.)
26 
I. Dem Kläger stehen keine Kassenleistungen für die bei seiner Ehefrau durchgeführte Brustverkleinerung zu, denn diese Operation war medizinisch nicht notwendig.
27 
1. Nach ständiger verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung ist für die Beurteilung der Erstattungsfähigkeit der geltend gemachten Aufwendungen das im Zeitpunkt der Entstehung der Aufwendungen geltende Recht anzuwenden. Die hier zu beurteilende Brustverkleinerungsoperation fand am 22.3.2006 statt. Abzustellen ist deshalb auf die Satzung der Beklagten in der Fassung vom 1.3.2006. Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 der Satzung haben die Mitglieder der Beklagten für sich und die mitversicherten Angehörigen Anspruch auf die in den §§ 31 bis 48 festgelegten Leistungen. Nach § 30 Abs. 1 Satz 2 der Satzung sind Aufwendungen erstattungsfähig, wenn sie beihilfefähig und Leistungen dafür in der Satzung vorgesehen sind. Aufwendungen sind jedoch nur erstattungsfähig, wenn die zugrunde liegenden Maßnahmen medizinisch dem Grunde nach notwendig waren und soweit sie wirtschaftlich angemessen sind (vgl. § 30 Abs. 3 der Satzung). Die Entscheidung darüber unterliegt uneingeschränkter verwaltungsgerichtlicher Kontrolle (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.3.2008 - 2 C 19.06 - NVwZ-RR 2008, 713 zu der ähnlichen Regelung in § 5 Abs. 1 Satz 1 BhV).
28 
2. Die hier bei der Ehefrau des Klägers durchgeführte Brustverkleinerungsoperation (Mammareduktionsplastik) hat unstreitig nicht der (unmittelbaren) Behandlung einer Erkrankung der Brüste gedient. Sie bezweckte vielmehr (mittelbar) die Bekämpfung orthopädischer Leiden und submammärer Ekzeme sowie die Vermeidung von durch die BH-Träger verursachten Schnürfurchen. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 19.2.2003 - B 1 KR 1/02 R - BSGE 90, 289), der der Senat folgt (Urteil vom 17.2.2011 - 2 S 2242/10 - juris), kann die Leistungspflicht für eine chirurgische Therapie dieser Leiden nicht allein mit der Erwägung verneint werden, dass die operative Verkleinerung der Brüste keine kausale Behandlung darstellt. Auch eine solche mittelbare Therapie kann grundsätzlich vom Leistungsanspruch umfasst sein.
29 
Wird durch eine Operation jedoch in ein funktionell intaktes Organ eingegriffen und dieses regelwidrig verändert, bedarf diese mittelbare Behandlung einer speziellen Rechtfertigung, wobei die Art und Schwere der Erkrankung, die Dringlichkeit der Intervention, die Risiken und der zu erwartende Nutzen der Therapie sowie etwaige Folgekosten für die Krankenversicherung gegeneinander abzuwägen sind (BSG, Urteil vom 19.2.2003 - B 1 KR 1/02 R - BSGE 90, 289; LSG Schleswig-Holst., Urteil vom 25.3.2010 - L 5 KR 118/08 - SchlHA 2010, 363; VGH Bad.-Württ., Urteile vom 14.12.2010 - 4 S 2331/08 - und vom 17.2.2011 - 2 S 2242/10 -). Deshalb darf eine chirurgische Behandlung in Form der Brustverkleinerung nur die ultima ratio sein, zumal ein operativer Eingriff stets mit einem erheblichen Risiko (Narkose, Operationsfolgen wie z.B. Entzündungen, Thrombose bzw. Lungenembolie, operationsspezifische Komplikationen) verbunden ist. Ein solcher Eingriff kommt daher nur dann in Betracht, wenn alle konservativen Behandlungsmethoden vollständig ausgeschöpft worden sind. Dazu gehören jedenfalls zeitnah zur Operation durchgeführte krankengymnastische Behandlungen, evtl. auch sportliche Betätigung. Darüber hinaus spricht Vieles dafür, vor der Operation noch den Versuch einer ambulanten und erforderlichenfalls sogar einer stationären Rehabilitation unter ärztlicher Aufsicht zu fordern (LSG Bad.-Württ., Urteil vom 20.4.2004 - L 11 KR 1886/03 - juris).
30 
3. Das Verwaltungsgericht ist zutreffend davon ausgegangen, dass im Falle der hier vorgenommenen Brustverkleinerungsoperation diese Anforderungen nicht erfüllt sind.
31 
a) Schon die Abwägung von Art und Schwere der orthopädischen Erkrankung einerseits mit dem zu erwartenden Nutzen der Therapie andererseits fällt zu Lasten des Klägers (bzw. seiner Ehefrau) aus.
32 
aa) Der Sachverständige hat in seinem Gutachten vom 10.10.2012 schlüssig und nachvollziehbar ausgeführt, dass bereits keine besonders schwerwiegende orthopädische Erkrankung bei der Ehefrau des Klägers vorlag. Eine behandlungsbedürftige orthopädische Erkrankung habe zwar vorgelegen. Eine entsprechende degenerative Pathologie trete jedoch unabhängig von der Größe des Brustvolumens regelmäßig im Alter der Ehefrau des Klägers auf. Es gebe keinen Hinweis darauf, dass es sich um eine spezifische Wirbelsäulenpathologie im Sinne eines Bandscheibenvorfalls oder einer Rückenmarkskanalenge oder einer Entzündung im Bereich der Wirbelsäule gehandelt habe; daraus ergebe sich, dass die Beschwerden eher unspezifischer Natur gewesen seien, die nicht eindeutig mit der Brustgröße korreliert werden könnten.
33 
bb) Des Weiteren ist der Nutzen der Brustverkleinerungsoperation sowohl im allgemeinen als auch im besonderen Fall der Ehefrau des Klägers nicht hinreichend nachgewiesen. Nach den schlüssigen und widerspruchsfreien Ausführungen des Sachverständigen, denen der Senat folgt, werden in der zum Zeitpunkt der Operation bekannten Literatur keine direkt messbaren ursächlichen Zusammenhänge zwischen Größe und Gewicht der Brust und dem Auftreten orthopädischer Leiden, insbesondere im Bereich der Wirbelsäule, aufgezeigt. Es finden sich mit anderen Worten keine spezifischen Gewichte oder Größenangaben, die statistisch signifikant korrelierbar mit dem Auftreten von degenerativen Veränderungen im Bereich der Wirbelsäule sind.
34 
Zwar hat der Sachverständige nicht ausgeschlossen, dass die Behandlung im Falle der Ehefrau des Klägers möglicherweise zu einer Beschwerdelinderung geführt hat. Auch hält er statische Überlegungen genauso wie biomechanische Fragen des Gewichts in ihrer Auswirkung auf die Orthopädie der Wirbelsäule für nachvollziehbar. Damit zeigt er aber letztlich nur auf, dass ein Nutzen der Brustverkleinerungsoperation sowohl allgemein als auch im Falle der Ehefrau des Klägers durchaus als möglich erscheint. Dies allein genügt nach den oben unter II.2. dargestellten Grundsätzen jedoch nicht zur Rechtfertigung der durchgeführten Mammareduktionsplastik. Dazu müsste ihr Nutzen nachgewiesen oder zumindest mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit feststellbar sein. Dies lässt sich dem Sachverständigengutachten indes nicht entnehmen. Der Sachverständige hat im Gegenteil betont, dass weder im Falle der Ehefrau des Klägers noch allgemein betrachtet eine Verbindung zwischen dem Gewicht der Brüste und orthopädischen Beschwerden der Wirbelsäule nachgewiesen sei.
35 
Entgegen der Ansicht des Klägers werden diese Ausführungen des Sachverständigen nicht dadurch relativiert, dass er nur den wissenschaftlichen Erkenntnisstand bis zum Zeitpunkt der Durchführung der Operation berücksichtigt hat. Zum einen ist die Erstattungsfähigkeit von Aufwendungen für eine ärztliche Behandlung grundsätzlich anhand des Erkenntnisstands zu beurteilen, der „ex ante“, also unmittelbar vor Durchführung des streitbefangenen Eingriffs, gegeben war (Senatsurteil vom 4.2.2013 - 2 S 1903/12 - juris). Zum anderen zeigt der Kläger nicht auf, dass sich nach dem heutigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand eine andere Beurteilung ergeben könnte. Auch in neueren Gerichtsentscheidungen wird betont, dass es bislang immer noch keine wissenschaftlich anerkannte, valide und evidenzbasierte Studie gibt, die einen Zusammenhang zwischen einer definierten Brustgröße und ebenso definierten morphologischen Veränderungen der Wirbelsäule aufzeigen könnte (LSG Nordrh.-Westf., Urteil vom 24.1.2013 - L 16 KR 226/11 - juris - Rn. 28 unter Bezugnahme auf ein Sachverständigengutachten).
36 
b) Unabhängig hiervon lässt sich auch nicht feststellen, dass sich die durchgeführte Operation im Hinblick auf die orthopädische Erkrankung der Ehefrau des Klägers als ultima ratio darstellt und alle konservativen Behandlungsmethoden vollständig ausgeschöpft worden sind. Der Sachverständige hat - auch insoweit überzeugend - insbesondere auf die Möglichkeit einer multimodalen Schmerztherapie hingewiesen, die in ihrer Effizienz als ein sehr erfolgreiches Therapieinstrument anzusehen und als alternative Behandlung denkbar sei; es handle sich hierbei um ein etabliertes und erfolgversprechendes konservatives Therapieinstrument. Eine derartige spezifische Multimodalschmerztherapie mit Fokus auf den Rückenschmerzen ist aber bei der Ehefrau des Klägers nicht durchgeführt worden. Dabei kommt es nicht darauf an, ob ihr eine solche Therapie angeboten worden ist, denn die Frage, ob sich die Brustverkleinerungsoperation als ultima ratio dargestellt hat, ist nach objektiven Kriterien und nicht nach dem jeweiligen subjektiven Kenntnisstand der betroffenen Patientinnen zu beurteilen. Unabhängig davon hat der Kläger auch nicht vorgetragen, dass seine Ehefrau eigenverantwortlich jede ihr zumutbare Möglichkeit der Information erfolglos genutzt haben könnte.
37 
c) In Bezug auf die Schnürfurchen ist schon fraglich, ob diese überhaupt ein eigenständiges Krankheitsbild darstellen und für sich allein genommen eine Brustverkleinerungsoperation rechtfertigen können (vgl. LSG Bad.-Württ., Urteil vom 18.10.2002 - L 4 KR 4692/01 - juris Rn. 24). Dies dürfte höchstens in besonders schwerwiegenden Fällen denkbar sein. Ein solcher schwerer Fall ist hier aber nicht dargetan. Auch wenn gelegentlich Schnürfurchen von den behandelnden Ärzten festgestellt worden sind, ist von jedenfalls von besonders gravierenden Schnürfurchen nicht die Rede; der von der Beklagten beauftragte Arzt hat anhand der vorgelegten Fotodokumentation, die den Zustand der Ehefrau des Klägers vor der Operation zeigt, sogar überhaupt keine Schnürfurchen, sondern lediglich flache Ausmuldungen der BH-Träger im Schulterbereich feststellen können. Dieser Wertung ist anhand der vorliegenden Fotografien ohne Weiteres nachvollziehbar.
38 
d) Schließlich begründen auch die von den behandelnden Ärzten bei der Ehefrau des Klägers diagnostizierten submammären Ekzeme nicht die Notwendigkeit der durchgeführten Brustverkleinerungsoperation. Bei dieser Hauterkrankung handelt es sich ersichtlich nicht um ein schwerwiegendes Krankheitsgeschehen, denn insoweit treten wohl vor allem in den Sommermonaten submammäre Ekzeme auf. Den hier vorgenommenen operativen Eingriff kann dieses Krankheitsbild daher nicht rechtfertigen. Es ist vielmehr vorrangig fachärztlich, also durch einen Hautarzt, zu therapieren (vgl. LSG Bad.-Württ., Urteile vom 10.12.2008 - L 5 KR 2638/07 - juris-Rn. 44 und vom 18.10.2002 - L 4 KR 4692/01 - juris-Rn. 22; LSG Sachs.-Anh., Urteil vom 26.2.2009 - L 10 KR 25/06 - juris - Rn. 40). Dass die Ehefrau des Klägers hier den erfolglosen Versuch einer derartigen Behandlung unternommen haben könnte, ist nicht ersichtlich.
39 
II. Soweit die Beklagte auch die Gewährung von Kassenleistungen für die Entfernung zweier Hauttumore bei der Ehefrau des Klägers abgelehnt hat, ist der angefochtene Bescheid teilweise rechtswidrig. Allerdings ist hierbei nicht von dem gesamten in der Rechnung vom 15.4.2006 genannten Betrag für die Exzision der beiden Hauttumore in Höhe von 346,68 EUR auszugehen. Die Beklagte hat überzeugend dargelegt, dass für diesen Teil der Operation nur Aufwendungen in Höhe von 101,15 EUR erstattungsfähig sind; dem tritt auch der Kläger nicht (mehr) entgegen. Danach stehen dem Kläger bei einem Bemessungssatzung von 30% lediglich weitere Kassenleistungen in Höhe von 30,35 EUR zu.
40 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
41 
Beschluss vom 14. Juni 2013
42 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 998,44 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
43 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 14. Juni 2013 - 2 S 246/11

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 14. Juni 2013 - 2 S 246/11

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 14. Juni 2013 - 2 S 246/11 zitiert 7 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 155


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 125


(1) Für das Berufungsverfahren gelten die Vorschriften des Teils II entsprechend, soweit sich aus diesem Abschnitt nichts anderes ergibt. § 84 findet keine Anwendung. (2) Ist die Berufung unzulässig, so ist sie zu verwerfen. Die Entscheidung kann

Gebührenordnung für Ärzte - GOÄ 1982 | § 6a Gebühren bei stationärer Behandlung


(1) Bei vollstationären, stationsäquivalenten, tagesstationären, teilstationären sowie vor- und nachstationären privatärztlichen Leistungen sind die nach dieser Verordnung berechneten Gebühren einschließlich der darauf entfallenden Zuschläge um 25 vo

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 14. Juni 2013 - 2 S 246/11 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 14. Juni 2013 - 2 S 246/11 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 04. Feb. 2013 - 2 S 1903/12

bei uns veröffentlicht am 04.02.2013

Tenor Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 22. Mai 2012 - 6 K 4042/11 - geändert. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger für seine Aufwendungen für die am 17.3.2011 durchgeführte Hüftoperation weiter

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 17. Feb. 2011 - 2 S 2242/10

bei uns veröffentlicht am 17.02.2011

Tenor Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 18. März 2010 - 9 K 4639/08 - geändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheids vom 28.06.2007 und des Widerspruchsbescheids vom 12.11.2008 verpflich

Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht Urteil, 25. März 2010 - L 5 KR 118/08

bei uns veröffentlicht am 25.03.2010

Tenor Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 29. August 2008 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen. Tat

Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 20. Apr. 2004 - L 11 KR 1886/03

bei uns veröffentlicht am 20.04.2004

Tenor Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 31. März 2003 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten. Tatbestand   1  Zwischen den Beteil

Referenzen

(1) Bei vollstationären, stationsäquivalenten, tagesstationären, teilstationären sowie vor- und nachstationären privatärztlichen Leistungen sind die nach dieser Verordnung berechneten Gebühren einschließlich der darauf entfallenden Zuschläge um 25 von Hundert zu mindern. Abweichend davon beträgt die Minderung für Leistungen und Zuschläge nach Satz 1 von Belegärzten oder niedergelassenen anderen Ärzten 15 vom Hundert. Ausgenommen von der Minderungspflicht ist der Zuschlag nach Buchstabe J in Abschnitt B V des Gebührenverzeichnisses.

(2) Neben den nach Absatz 1 geminderten Gebühren darf der Arzt Kosten nicht berechnen; die §§ 7 bis 10 bleiben unberührt.

(1) Für das Berufungsverfahren gelten die Vorschriften des Teils II entsprechend, soweit sich aus diesem Abschnitt nichts anderes ergibt. § 84 findet keine Anwendung.

(2) Ist die Berufung unzulässig, so ist sie zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluß ergehen. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Gegen den Beschluß steht den Beteiligten das Rechtsmittel zu, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Die Beteiligten sind über dieses Rechtsmittel zu belehren.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 18. März 2010 - 9 K 4639/08 - geändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheids vom 28.06.2007 und des Widerspruchsbescheids vom 12.11.2008 verpflichtet, die Aufwendungen für die bei der Klägerin durchgeführte Magenband-Operation einschließlich der damit verbundenen Anästhesie in Höhe von 2.970,14 EUR zu erstatten.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die am … 1974 geborene Klägerin begehrt die Übernahme der Kosten für eine minimalinvasive operative Magenverkleinerung.
Die Klägerin ist B 1-Mitglied der Beklagten und zu einem Satz von 50 % versichert. Bei ihr besteht bereits seit Jahren eine manifeste Adipositas. Vor diesem Hintergrund unternahm die Klägerin in der Vergangenheit verschiedene Therapieversuche bzw. Gewichtsreduktionsversuche. In den Jahren 1998 bis 2002 führte die Klägerin eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie durch. Unter dem 17.11.1998 erteilte die Beklagte die Genehmigung für 50 Sitzungen und unter dem 28.06.2000 die Folgegenehmigung über weitere 30 Sitzungen. Eine weitere Verlängerung der Therapie wurde von der Beklagten nicht genehmigt. Die Klägerin setzte gleichwohl die Therapie auf eigene Kosten bis November 2002 fort. In der Zeit vom 25.03.2004 bis zum 06.05.2004 befand sich die Klägerin in stationärer Behandlung in einer Fachklinik für psychotherapeutische Medizin und Psychosomatik. Die Kosten übernahm die Beklagte. Als Einweisungsdiagnosen wurden nicht näher bezeichnete Depressionen, Adipositas und Bluthochdruck attestiert. Ziel der Therapie war es, das Selbstwertgefühl der Klägerin nachhaltig zu stabilisieren, ihre Essgewohnheiten zu verändern und den bei ihr festgestellten „Grübelzwang“ zu lockern.
Sowohl während der Kur als auch danach nahm die Klägerin mehrfach Ernährungsberatungen in Anspruch, wobei die Gewichtsreduktionsversuche in zwei Fällen unter ambulanter ärztlicher Betreuung stattfanden. Schließlich nahm die Klägerin auch seit dem Jahr 2004 zwei- bis dreimal die Woche an einer Nordic Walking-Gruppe unter Anleitung einer Trainerin teil und suchte ein Fitness-Studio auf.
Unter dem 13.12.2006 beantragte die Klägerin die Übernahme der Kosten für eine Magenband-Operation im Krankenhaus S. und legte in diesem Zusammenhang eine Stellungnahme des Chefarztes der Chirurgischen Abteilung des Krankenhauses, Prof. Dr. W. vom 04.12.2006, ein ärztliches Attest der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. vom 07.12.2006 sowie ein Attest des Hausarztes vom 01.12.2006 vor, in denen die Operation für notwendig erachtet wurde.
In der Stellungnahme von Prof. Dr. W. vom 04.12.2006 heißt es, bei der 111,9 kg wiegenden und 1,62 m großen Klägerin liege eine krankhafte Adipositas vor (= BMI 41,64 kg/m²). Dies entspreche einem Übergewicht von fast 56 kg und einem zweifachen des Idealgewichts. Aufgrund des hohen Übergewichts leide die Klägerin noch nicht unter massiven internistischen Folgeerkrankungen, sondern bisher lediglich an arterieller Hypertonie. Auch sei der Bewegungsapparat noch nicht mit stark schmerzhaften degenerativen Gelenkerkrankungen belastet. Die Adipositasanamnese bestehe seit mehr als 20 Jahren, auch könne die Klägerin auf eine ausreichende Anzahl konservativer Therapieversuche und multipler frustraner Gewichtsreduktionsversuche verweisen. Im Jahre 2004 sei bei der Klägerin eine ärztlich geleitete ambulante Kur zur Gewichtsreduktion durchgeführt worden. Auch habe sie während der Kur und bei einem niedergelassenen Arzt mehrfach Ernährungsberatungen in Anspruch genommen. Seit 1999 sei sie aufgrund reaktiver Depressionen regelmäßig in psychosomatischer Behandlung. Die Klägerin sei leider nicht in der Lage, ihr Gewicht zu halten, sie nehme stattdessen mit Diäten im Sinne des Jo-Jo-Effektes ständig weiter an Gewicht zu. Während ihrer Diätkarriere habe sie insgesamt 30 kg abgenommen, jedoch mehr als das Abgenommene wieder zugenommen.
Im Attest vom 07.12.2006 führte die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. aus, die Klägerin sei seit dem 01.10.1998 wegen einer chronisch-depressiven Störung in ihrer ambulanten psychiatrischen Behandlung. Die Klägerin habe Antidepressiva erhalten, damit sich ihre erheblichen Probleme mit dem Gewicht nicht noch verstärkten. Trotz alledem sei sie in depressiven Phasen nicht im Stande, ihre Nahrungszufuhr zu kontrollieren und zu bremsen, so dass sie an einem permanenten Übergewicht leide, das die Depression verstärke. Das Magenband sei notwendig, um die Klägerin zu stabilisieren und ihr die Möglichkeit zu geben, eine Gewichtsreduktion zu erreichen.
Mit Schreiben vom 05.02.2007 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die Aufwendungen für die Magenband-Operation könnten weder als beihilfe- noch als erstattungsfähig anerkannt werden. Sie stütze sich dabei auf die Stellungnahme der Firma IMB Consult, Gesellschaft für medizinische Gutachten vom 30.01.2007.
In ihrer Antwort vom 09.02.2007 nahm die Klägerin dazu wie folgt Stellung: Bei ihr seien sämtliche konservativen Behandlungsmöglichkeit ausgeschöpft. So habe sie bereits vor Jahren unter ärztlicher Aufsicht das Medikament Xenical erfolglos eingenommen. Sie habe bei einem anderen Arzt, der auch gleichzeitig Ernährungsmediziner sei, erfolglos versucht, mit medizinisch erprobten Getränkepulvern abzunehmen. Sie habe es auch mit vielen anderen rezeptfreien Tabletten, Mittelchen und Pulvern aus der Apotheke sowie mit allen möglichen Diäten wie Low Fat 30, FdH, Brigitte-Diät und selbstredend auch jahrelangem Kalorienzählen versucht. Nachweisen könne sie auch eine Teilnahme bei den Weight Watchers vor einigen Jahren. Sie habe jetzt einen erneuten Versuch mit dem Zählen von „Points“ unternommen, diesmal allerdings ohne an den Sitzungen teilzunehmen, da sie es schon in- und auswendig kenne. Vor ca. drei Jahren habe sie eine sechswöchige Rehabilitation genehmigt bekommen, während der sie psychisch sowie therapeutisch betreut worden sei, jedoch auch an Sportprogrammen, Ernährungsberatung sowie speziellen „Diät-Kochkursen“ teilgenommen habe. Das Ergebnis der sechs Wochen sei gewesen, dass sie 1 kg zugenommen habe. Dies sei jedoch nicht wirklich verwunderlich, da sie seit über 20 Jahren versuche, Diät zu halten, und ihr Stoffwechsel absolut nicht mehr in der Lage sei, wie bei einem gesunden Menschen zu arbeiten. Sie habe sich seit so vielen Jahren mit Ernährung und Lebensmitteln beschäftigt, dass sie auf Ernährungsberaterin umschulen könnte. Sie wisse sehr wohl, welche Lebensmittel gut oder schlecht seien, wie viel sie von was essen solle und was nicht, wie viel Eiweiß ihr Körper benötige, damit er bei Diäten an die Fettreserven gehe und nicht an die Muskeln usw. Aufgrund von Kindheitserlebnissen habe sie psychische Probleme, die sie jedoch dank ihrer jahrelangen Therapien, Medikation sowie regelmäßigen Besuchen und damit verbundenen Gesprächen mit ihrer Psychologin gut im Griff habe. Allerdings leide sie sehr unter ihrem Übergewicht sowie der sozialen Ausgrenzung, aber auch mit den mit dem Übergewicht verbundenen körperlichen Problemen wie Kniebeschwerde, Rücken- und Gelenkschmerzen. Im Übrigen mache sie seit ca. drei Jahren zwei- bis dreimal in der Woche mit einer Gruppe unter Anleitung einer Trainerin Nordic Walking.
Den Antrag der Kläger vom 24.05.2007, mit dem sie die Erstattung der Aufwendungen für die in der Zeit vom 29.03. bis zum 01.04.2007 im Krankenhaus S. vorgenommene Magenbandoperation in Höhe von 5.690,28 EUR sowie die Erstattung der Kosten für die Anästhesie in Höhe von 250,-- EUR begehrte, lehnte die Beklagten mit Bescheid vom 28.06.2007 ab. Den dagegen erhobenen Widerspruch der Klägerin vom 13.07.2007 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.11.2008 zurück. Grundlage hierfür waren zwei weitere ärztliche Stellungnahmen der Firma IMB Consult vom 19.04.2007 und 10.07.2008.
10 
Die Klägerin hat am 15.12.2008 beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben mit dem Antrag, die Bescheide der Beklagten vom 28.06.2007 und 12.11.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr für Aufwendungen aufgrund der Rechnung des Krankenhauses S. vom 09.05.2007 und der Rechnung des Dr. med. S. vom 15.04.2007 Kassenleistungen in Höhe von 2.970,14 EUR zu gewähren. Zur Begründung hat sie geltend gemacht: Im Rahmen der jahrlangen Psychotherapie sei das Thema Essstörung immer wieder behandelt worden. Die Psychotherapie sei verlängert worden, bis die Therapeutin sie für austherapiert gehalten und die Beklagte zugleich keine weitere Verlängerung der Therapie gewährt habe. Gleichwohl habe sie die Therapie auf eigene Kosten fortgesetzt. Im Jahre 2004 sei sie für sechs Wochen stationär untergebracht gewesen. Im Rahmen dieses Aufenthalts habe sie an einem strukturierten Adipositasprogramm mit den Elementen Ernährungsberatung (inklusive Kochkurse) und Bewegungstherapie (insbesondere Schwimmen, Walking und Gymnastik) teilgenommen.
11 
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat erwidert: Bei der Magenband-Operation handele es sich um keine kausale, sondern um eine mittelbare Behandlung, bei der in ein funktionell intaktes Organ eingegriffen und dieses regelwidrig und mit nicht unerheblichen Risiken verändert werde. Dies führe dazu, dass ein derartiger Eingriff nur unter strengen Voraussetzungen als notwendige und angemessene Maßnahme gelten könne. Die Operation müsste die ultima ratio sein. Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass eine professionelle Erforschung der psychischen Ursachen für die Essstörung erfolgt sei.
12 
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat mit Urteil vom 18.03.2010 die Klage abgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt: Für die Frage, ob im Einzelfall eine Indikation für eine chirurgische Therapie der Adipositas vorliege, könne maßgeblich auf die Evidenzbasierte Leitlinie „Prävention und Therapie der Adipositas“ der Deutschen Adipositas-Gesellschaft - PuT-Leitlinie - und die Evidenzbasierte Leitlinie „Chirurgische Therapie der extremen Adipositats“ der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie der Adipositas - Deutsche Adipositas Gesellschaft - abgestellt werden. Diese Leitlinien seien gemäß den Anforderungen der evidenzbasierten Medizin durch Expertengremien erarbeitet worden und stellten daher den gegenwärtig erreichten medizinischen Stand der Prävention und Therapie der Adipositas dar.
13 
Die operative Magenverkleinerung als Therapie extremer Adipositas komme danach nur als ultima ratio bei nach strengen Kriterien auszuwählenden Patienten in Betracht und setze die mindestens sechs- bis zwölfmonatige konservative Behandlung nach definierten Qualitätskriterien voraus. Diese Behandlung umfasse ein Basisprogramm mit den Komponenten Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie sowie adjuvanter medikamentöser Therapie (Nr. 6.4.6 PuT-Leitlinie). Sie sei ärztlich zu koordinieren, zu leiten und zu dokumentieren. Im Falle der Klägerin fehle es an einem ärztlich koordinierten und geleiteten Gesamtkonzept, das Diätmaßnahmen, eine Schulung des Ess- und Ernährungsverhaltens, Bewegungstherapie, gegebenenfalls pharmakologisch-ärztliche Behandlung und eine kombinierte psychotherapeutische Intervention umfasse. Zwar seien bei der Klägerin verschiedene Behandlungen und Therapien durchgeführt worden, doch seien dabei die in der PuT-Leitlinie genannten Qualitätskriterien nicht eingehalten worden. Die geforderte konservative Behandlung von mindestens sechs bis zwölf Monaten könne auch nicht in den einzelnen Versuchen der Klägerin gesehen werden, ihr Gewicht zu reduzieren. Dies gelte sowohl für die Teilnahme an Sportgruppen, an diätischen Maßnahmen unter ärztlicher Aufsicht und bei den Weight Watchers als auch für die medikamentöse Therapie und die stationäre Behandlung in den W.-Kliniken, wo sich die Klägerin im Jahre 2004 sechs Wochen aufgehalten habe. Den dargelegten Maßnahmen lasse sich das geforderte Gesamtkonzept nicht entnehmen. Rechtlich nicht maßgebend sei, dass die Operation zu einer erheblichen Gewichtsreduzierungen geführt habe.
14 
Zur Begründung der vom Senat mit Beschluss vom 15.09.2010 zugelassenen Berufung macht die Klägerin geltend: Vor der Magenband-Operation habe sie in ausreichendem Maße erfolglos konservative Therapien durchlaufen, etwa eine ambulante diätische Therapie unter ärztlicher Aufsicht, eine stationäre Behandlung, Bewegungstherapie, Besuch der Selbsthilfegruppe der Weight Watchers sowie medikamentöse Therapien. Nach dem Scheitern dieser Therapien hätte als ultima ratio nur noch die Chirurgie zum Zuge kommen können.
15 
Die Klägerin beantragt,
16 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 18. März 2010 - 9 K 4639/08 - zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 28.06.2007 sowie deren Widerspruchsbescheid vom 12.11.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Aufwendungen für die durchgeführte Magenband-Operation einschließlich der damit verbundenen Anästhesie in Höhe von 2.970,14 EUR zu erstatten.
17 
Die Beklagte beantragt,
18 
die Berufung zurückzuweisen.
19 
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und verweist auf ihre bisherigen Ausführungen.
20 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die dem Senat vorliegenden Akten der Beklagten sowie die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
21 
Die Berufung der Klägerin ist begründet. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts hat die Klägerin Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen für die bei ihr durchgeführte Magenband-Operation. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage deshalb stattgeben müssen.
22 
1. Nach ständiger verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung ist für die Beurteilung der Erstattungsfähigkeit der geltend gemachten Aufwendungen das im Zeitpunkt der Entstehung der Aufwendungen geltende Recht anzuwenden. Die hier zu beurteilende Magenband-Operation im Krankenhaus fand in der Zeit vom 29.03. bis zum 01.04.2007 statt. Abzustellen ist deshalb auf die Satzungen der Beklagten in der Fassung vom 01.12.2006 und 01.04.2007, die hinsichtlich der hier zu beurteilenden Rechtsfrage keine Unterschiede aufweisen. Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 der Satzung in beiden Fassungen haben die Mitglieder der Beklagten für sich und die mitversicherten Angehörigen Anspruch auf die in den §§ 31 bis 48 festgelegten Leistungen. Für Aufwendungen aufgrund eines stationären Aufenthalts in einem Krankenhaus - wie hier - besteht grundsätzlich ein Anspruch auf Kassenleistungen nach § 37 der Satzung. Aufwendungen sind jedoch nur erstattungsfähig, wenn die zugrunde liegenden Maßnahmen medizinisch dem Grunde nach notwendig waren und soweit sie wirtschaftlich angemessen sind (vgl. § 30 Abs. 3 der Satzung). Die Entscheidung darüber unterliegt uneingeschränkter verwaltungsgerichtlicher Kontrolle (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.03.2008 - 2 C 19.06 -NVwZ-RR 2008, 713 zu der ähnlichen Regelung in § 5 Abs. 1 Satz 1 BhV).
23 
2. Die hier allein streitige Frage, ob die bei der Klägerin durchgeführte Magenband-Operation medizinisch notwendig war, ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts zu bejahen.
24 
a) Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. etwa Urteil vom 19.02.2003 - B 1 KR 1/02 R - BSGE 90, 289), der der Senat folgt, kann die Leistungspflicht für eine chirurgische Therapie bei Adipositas nicht mit der Erwägung verneint werden, dass für das Übergewicht das krankhafte Essverhalten des Patienten und nicht eine Funktionsstörung des Magens verantwortlich ist. Zwar stellt die operative Verkleinerung bzw. Veränderung des Magens keine kausale Behandlung dar, vielmehr soll damit die Verhaltensstörung der Klägerin durch eine zwangsweise Begrenzung der Nahrungsmenge lediglich indirekt beeinflusst werden. Auch eine solche mittelbare Therapie kann aber vom Leistungsanspruch mitumfasst sein.
25 
Wird durch eine Operation in ein funktionell intaktes Organ eingegriffen und dieses regelwidrig verändert, wie das bei der Applikation eines Magenbandes geschieht, bedarf diese mittelbare Behandlung nach der vom Senat ebenfalls geteilten Auffassung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 19.02.2003, aaO) aber einer speziellen Rechtfertigung, wobei die Art und Schwere der Erkrankung, die Dringlichkeit der Intervention, die Risiken und der zu erwartende Nutzen der Therapie sowie etwaige Folgekosten für die Krankenversicherung gegeneinander abzuwägen sind.
26 
Da das Behandlungsziel einer Gewichtsreduktion auf verschiedenen Wegen erreicht werden kann, ist zu prüfen, ob eine vollstationäre chirurgische Behandlung unter Berücksichtigung der Behandlungsalternativen (diätische Therapie, Bewegungstherapie, medikamentöse Therapie, Psychotherapie) notwendig und wirtschaftlich angemessen ist. Danach darf nach dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Diskussion (vgl. dazu etwa: „Evidenzbasierte Leitlinie - Prävention und Therapie der Adipositas“ der Deutschen Adipositas-Gesellschaft; „S3-Leitlinie: Chirurgie der Adipositas“ der Chirurgischen Arbeitsgemeinschaft für Adipositastherapie) eine chirurgische Behandlung wie die Applikation eines Magenbandes nur die ultima ratio sein, zumal ein operativer Eingriff stets mit einem erheblichen Risiko (Narkose, Operationsfolgen wie z.B. Entzündungen, Thrombose bzw. Lungenembolie, operationsspezifische Komplikationen wie Pouchdilatation, Portinfektionen und Stomastenose) verbunden ist. Ein solcher Eingriff kommt nur bei Erfüllung einer Reihe von Bedingungen für eine erfolgreiche Behandlung (BMI über 35 mit erheblichen Begleiterkrankungen bzw. über 40; ausreichende Motivation; keine manifeste psychiatrische Erkrankung; Möglichkeit einer lebenslangen medizinischen Nachbetreuung u.a.) in Betracht (ständige Rechtsprechung der Sozialgerichte, vgl. u.a. BSG, Urteil vom 16.12.2008 B 1 KR 2/08 R - Breith 2009, 488; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 12.07.2006 - L 5 KR 5779/04 - juris).
27 
Für die Beurteilung der Frage, ob die Indikation für eine chirurgische Intervention gegeben ist, kann grundsätzlich auf die u.a. von der Deutschen Adipositas-Gesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Ernährung herausgegebene „Evidenzbasierte Leitlinie - Prävention und Therapie der Adipositas“ zurückgegriffen werden (so auch Landessozialgericht Bad.-Württ, Urteil vom 12.07.2006, aaO). Danach setzt die Magenband-Operation eine mindestens sechs- bis zwölfmonatige konservative Behandlung nach definierten Qualitätskriterien voraus (vgl. Nr. 6.4.7 der Leitlinie Prävention und Therapie der Adipositas, Version 2006). Diese Behandlung umfasst ein Basisprogramm mit den Komponenten Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie sowie adjuvanter medikamentöser Therapie (Nr. 6.4 der genannten Leitlinie). Die Behandlung hat auf der Grundlage eines ärztlich koordinierten und geleiteten Gesamttherapiekonzepts zu erfolgen, das Diätmaßnahmen, eine Schulung des Ess- und Ernährungsverhaltens, Bewegungstherapie, gegebenenfalls pharmakologisch-ärztliche Behandlung sowie insbesondere auch eine kombinierte psychotherapeutische Intervention - jedenfalls bei Patienten wie der Klägerin, die an psychischen Erkrankungen leiden - zu umfassen hat (so auch Landessozialgericht Bad.-Württ., Urteil vom 12.07.2006, aaO). Diese Anforderungen, die sich aus der Leitlinie zum Zeitpunkt der Entstehung der Aufwendungen ergaben, gelten auch nach der neuesten Version der „Evidenzbasierten Leitlinie - Prävention und Therapie der Adipositas“ im Wesentlichen fort; im Unterschied zu früher wird aber vor Indikationsstellung wenigstens eine einjährige konservative Behandlung und nicht lediglich eine sechsmonatige Behandlung - wie nach der zum Zeitpunkt der Entstehung der Aufwendungen noch einschlägigen Version - gefordert.
28 
b) Unter Berücksichtigung der individuellen Besonderheiten im Fall der Klägerin stellt sich danach zur Überzeugung des Senats die Applikation eines Magenbandes als ultima ratio dar; die Klägerin hatte auch unter Berücksichtigung der Anforderungen in der „Evidenzbasierten Leitlinie - Prävention und Therapie der Adipositas“ vor der Operation die angezeigten konservativen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft.
29 
Die dargestellten Anforderungen der Leitlinie hat die Klägerin zwar nicht zur Gänze erfüllt. Die von ihr durchgeführten konservativen Behandlungen erfolgten nicht auf der Grundlage eines Gesamttherapiekonzepts, auch die grundsätzlich vorgesehene Verhaltenstherapie fehlte. Die von der Klägerin über lange Jahre hinweg durchgeführten konservativen Behandlungen sind aber als gleichwertig zu erachten.
30 
Diese Einschätzung wird insbesondere nicht durch den Umstand in Frage gestellt, dass die Behandlungen bei der Klägerin nicht fachübergreifend koordiniert und geleitet wurden. Nach Sinn und Zweck der Leitlinie ergibt sich die Forderung nach einer Gesamtkoordination daraus, dass lediglich eine relativ kurze Dauer an konservativen Behandlungen vorgesehen ist. Wenn bereits eine sechsmonatige konservative Behandlung (oder nach heutigem Stand eine nur einjährige konservative Behandlung) vor Indikationsstellung als ausreichend erachtet wird, dann muss zumindest die Qualität der Behandlung durch ein koordiniertes Vorgehen im Wege eines Gesamtkonzepts sichergestellt werden. Die Leitlinie gewährleistet mithin die Qualität der konservativen Behandlung durch hohe Anforderungen, die an die Gestaltung des Verfahrens gestellt werden. Im Fall der Klägerin können jedoch Abstriche bei der Verfahrensgestaltung hingenommen werden, weil die Qualität der bei ihr durchgeführten konservativen Behandlungen anderweitig, insbesondere durch ihre lange Dauer und die ärztliche Begleitung sichergestellt wurde. So hat die Klägerin vier Jahre lang eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie - teilweise von der Beklagten bezahlt, teilweise auf eigene Kosten - durchgeführt. Gegenstand dieser Therapie war die bei der Klägerin vorhandene Essstörung. Damit ging der zeitliche Umfang dieser psychotherapeutischen Intervention weit über das hinaus, was die Leitlinie fordert. Anhaltspunkte dafür, dass die Therapie fachlich nicht geeignet war, die bei der Klägerin vorhandene Adipositas zu behandeln, sind nicht ersichtlich und werden von der Beklagten auch nicht vorgetragen. Darüber hinaus hat die Klägerin über lange Zeiträume ihre Essstörung unter ärztlicher Aufsicht pharmakologisch behandelt und an Bewegungstherapien teilgenommen, die unter professioneller Betreuung standen. Besondere Bedeutung misst der Senat schließlich dem Umstand bei, dass die Adipositas der Klägerin im Rahmen eines sechswöchigen stationären Aufenthalts in einer Fachklinik für psychotherapeutische Medizin und Psychosomatik ohne Erfolg behandelt wurde. Die Behandlung erfolgte auf der Grundlage eines tiefenpsychologisch orientierten Konzepts unter Einbeziehung von bewegungstherapeutischen und psychotherapeutischen Maßnahmen; dabei lag ein Schwerpunkt auch auf der Ernährungsberatung und der anschließenden Umsetzung durch die Patienten. Die bei der Klägerin durchgeführten konservativen Behandlungen sind vor diesem Hintergrund nicht als vereinzelte, untaugliche bzw. unprofessionelle Versuche zur Gewichtsreduzierung zu werten, die Klägerin führte die Maßnahmen vielmehr unter professioneller Anleitung und nach einem plausiblen Konzept durch. Insbesondere der stationäre Aufenthalt in der Fachklinik erfolgte auf der Grundlage eines ärztlich koordinierten und geleiteten Gesamttherapiekonzepts, das Diätmaßnahmen, eine Schulung des Ess- und Ernährungsverhaltens, Bewegungstherapie sowie psychotherapeutische Behandlung umfasste und deshalb in besonderer Weise den Anforderungen der „Evidenzbasierten Leitlinie“ gerecht wird. Im Hinblick darauf, dass die Klägerin über Jahre hinweg nachhaltige und qualifizierte Bemühungen zur Gewichtsreduktion unternommen und damit die angezeigten konservativen Behandlungsalternativen durchgeführt hat, durfte sie nach objektiviertem Verständnis auch von der Erfolglosigkeit weiterer konservativer Behandlungsmethoden ausgehen.
31 
Auch im Übrigen lagen die Voraussetzungen einer chirurgischen Therapie nach der „Evidenzbasierten Leitlinie - Prävention und Therapie der Adipositas“ vor. Nach Scheitern konservativer Therapien kann die Indikation bei Patienten mit Adipositas mit Grad III (BMI >40) gestellt werden, ohne dass weitere Vorerkrankungen hinzukommen müssen (Nr. 6.4.7 der Leitlinie, Version 2006). Bei der Klägerin lag eine krankhafte Adipositas in diesem Sinne unstreitig vor (BMI von über 40).
32 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
33 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
34 
Beschluss vom 17. Februar 2011
35 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.970,14 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
36 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
21 
Die Berufung der Klägerin ist begründet. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts hat die Klägerin Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen für die bei ihr durchgeführte Magenband-Operation. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage deshalb stattgeben müssen.
22 
1. Nach ständiger verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung ist für die Beurteilung der Erstattungsfähigkeit der geltend gemachten Aufwendungen das im Zeitpunkt der Entstehung der Aufwendungen geltende Recht anzuwenden. Die hier zu beurteilende Magenband-Operation im Krankenhaus fand in der Zeit vom 29.03. bis zum 01.04.2007 statt. Abzustellen ist deshalb auf die Satzungen der Beklagten in der Fassung vom 01.12.2006 und 01.04.2007, die hinsichtlich der hier zu beurteilenden Rechtsfrage keine Unterschiede aufweisen. Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 der Satzung in beiden Fassungen haben die Mitglieder der Beklagten für sich und die mitversicherten Angehörigen Anspruch auf die in den §§ 31 bis 48 festgelegten Leistungen. Für Aufwendungen aufgrund eines stationären Aufenthalts in einem Krankenhaus - wie hier - besteht grundsätzlich ein Anspruch auf Kassenleistungen nach § 37 der Satzung. Aufwendungen sind jedoch nur erstattungsfähig, wenn die zugrunde liegenden Maßnahmen medizinisch dem Grunde nach notwendig waren und soweit sie wirtschaftlich angemessen sind (vgl. § 30 Abs. 3 der Satzung). Die Entscheidung darüber unterliegt uneingeschränkter verwaltungsgerichtlicher Kontrolle (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.03.2008 - 2 C 19.06 -NVwZ-RR 2008, 713 zu der ähnlichen Regelung in § 5 Abs. 1 Satz 1 BhV).
23 
2. Die hier allein streitige Frage, ob die bei der Klägerin durchgeführte Magenband-Operation medizinisch notwendig war, ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts zu bejahen.
24 
a) Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. etwa Urteil vom 19.02.2003 - B 1 KR 1/02 R - BSGE 90, 289), der der Senat folgt, kann die Leistungspflicht für eine chirurgische Therapie bei Adipositas nicht mit der Erwägung verneint werden, dass für das Übergewicht das krankhafte Essverhalten des Patienten und nicht eine Funktionsstörung des Magens verantwortlich ist. Zwar stellt die operative Verkleinerung bzw. Veränderung des Magens keine kausale Behandlung dar, vielmehr soll damit die Verhaltensstörung der Klägerin durch eine zwangsweise Begrenzung der Nahrungsmenge lediglich indirekt beeinflusst werden. Auch eine solche mittelbare Therapie kann aber vom Leistungsanspruch mitumfasst sein.
25 
Wird durch eine Operation in ein funktionell intaktes Organ eingegriffen und dieses regelwidrig verändert, wie das bei der Applikation eines Magenbandes geschieht, bedarf diese mittelbare Behandlung nach der vom Senat ebenfalls geteilten Auffassung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 19.02.2003, aaO) aber einer speziellen Rechtfertigung, wobei die Art und Schwere der Erkrankung, die Dringlichkeit der Intervention, die Risiken und der zu erwartende Nutzen der Therapie sowie etwaige Folgekosten für die Krankenversicherung gegeneinander abzuwägen sind.
26 
Da das Behandlungsziel einer Gewichtsreduktion auf verschiedenen Wegen erreicht werden kann, ist zu prüfen, ob eine vollstationäre chirurgische Behandlung unter Berücksichtigung der Behandlungsalternativen (diätische Therapie, Bewegungstherapie, medikamentöse Therapie, Psychotherapie) notwendig und wirtschaftlich angemessen ist. Danach darf nach dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Diskussion (vgl. dazu etwa: „Evidenzbasierte Leitlinie - Prävention und Therapie der Adipositas“ der Deutschen Adipositas-Gesellschaft; „S3-Leitlinie: Chirurgie der Adipositas“ der Chirurgischen Arbeitsgemeinschaft für Adipositastherapie) eine chirurgische Behandlung wie die Applikation eines Magenbandes nur die ultima ratio sein, zumal ein operativer Eingriff stets mit einem erheblichen Risiko (Narkose, Operationsfolgen wie z.B. Entzündungen, Thrombose bzw. Lungenembolie, operationsspezifische Komplikationen wie Pouchdilatation, Portinfektionen und Stomastenose) verbunden ist. Ein solcher Eingriff kommt nur bei Erfüllung einer Reihe von Bedingungen für eine erfolgreiche Behandlung (BMI über 35 mit erheblichen Begleiterkrankungen bzw. über 40; ausreichende Motivation; keine manifeste psychiatrische Erkrankung; Möglichkeit einer lebenslangen medizinischen Nachbetreuung u.a.) in Betracht (ständige Rechtsprechung der Sozialgerichte, vgl. u.a. BSG, Urteil vom 16.12.2008 B 1 KR 2/08 R - Breith 2009, 488; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 12.07.2006 - L 5 KR 5779/04 - juris).
27 
Für die Beurteilung der Frage, ob die Indikation für eine chirurgische Intervention gegeben ist, kann grundsätzlich auf die u.a. von der Deutschen Adipositas-Gesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Ernährung herausgegebene „Evidenzbasierte Leitlinie - Prävention und Therapie der Adipositas“ zurückgegriffen werden (so auch Landessozialgericht Bad.-Württ, Urteil vom 12.07.2006, aaO). Danach setzt die Magenband-Operation eine mindestens sechs- bis zwölfmonatige konservative Behandlung nach definierten Qualitätskriterien voraus (vgl. Nr. 6.4.7 der Leitlinie Prävention und Therapie der Adipositas, Version 2006). Diese Behandlung umfasst ein Basisprogramm mit den Komponenten Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie sowie adjuvanter medikamentöser Therapie (Nr. 6.4 der genannten Leitlinie). Die Behandlung hat auf der Grundlage eines ärztlich koordinierten und geleiteten Gesamttherapiekonzepts zu erfolgen, das Diätmaßnahmen, eine Schulung des Ess- und Ernährungsverhaltens, Bewegungstherapie, gegebenenfalls pharmakologisch-ärztliche Behandlung sowie insbesondere auch eine kombinierte psychotherapeutische Intervention - jedenfalls bei Patienten wie der Klägerin, die an psychischen Erkrankungen leiden - zu umfassen hat (so auch Landessozialgericht Bad.-Württ., Urteil vom 12.07.2006, aaO). Diese Anforderungen, die sich aus der Leitlinie zum Zeitpunkt der Entstehung der Aufwendungen ergaben, gelten auch nach der neuesten Version der „Evidenzbasierten Leitlinie - Prävention und Therapie der Adipositas“ im Wesentlichen fort; im Unterschied zu früher wird aber vor Indikationsstellung wenigstens eine einjährige konservative Behandlung und nicht lediglich eine sechsmonatige Behandlung - wie nach der zum Zeitpunkt der Entstehung der Aufwendungen noch einschlägigen Version - gefordert.
28 
b) Unter Berücksichtigung der individuellen Besonderheiten im Fall der Klägerin stellt sich danach zur Überzeugung des Senats die Applikation eines Magenbandes als ultima ratio dar; die Klägerin hatte auch unter Berücksichtigung der Anforderungen in der „Evidenzbasierten Leitlinie - Prävention und Therapie der Adipositas“ vor der Operation die angezeigten konservativen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft.
29 
Die dargestellten Anforderungen der Leitlinie hat die Klägerin zwar nicht zur Gänze erfüllt. Die von ihr durchgeführten konservativen Behandlungen erfolgten nicht auf der Grundlage eines Gesamttherapiekonzepts, auch die grundsätzlich vorgesehene Verhaltenstherapie fehlte. Die von der Klägerin über lange Jahre hinweg durchgeführten konservativen Behandlungen sind aber als gleichwertig zu erachten.
30 
Diese Einschätzung wird insbesondere nicht durch den Umstand in Frage gestellt, dass die Behandlungen bei der Klägerin nicht fachübergreifend koordiniert und geleitet wurden. Nach Sinn und Zweck der Leitlinie ergibt sich die Forderung nach einer Gesamtkoordination daraus, dass lediglich eine relativ kurze Dauer an konservativen Behandlungen vorgesehen ist. Wenn bereits eine sechsmonatige konservative Behandlung (oder nach heutigem Stand eine nur einjährige konservative Behandlung) vor Indikationsstellung als ausreichend erachtet wird, dann muss zumindest die Qualität der Behandlung durch ein koordiniertes Vorgehen im Wege eines Gesamtkonzepts sichergestellt werden. Die Leitlinie gewährleistet mithin die Qualität der konservativen Behandlung durch hohe Anforderungen, die an die Gestaltung des Verfahrens gestellt werden. Im Fall der Klägerin können jedoch Abstriche bei der Verfahrensgestaltung hingenommen werden, weil die Qualität der bei ihr durchgeführten konservativen Behandlungen anderweitig, insbesondere durch ihre lange Dauer und die ärztliche Begleitung sichergestellt wurde. So hat die Klägerin vier Jahre lang eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie - teilweise von der Beklagten bezahlt, teilweise auf eigene Kosten - durchgeführt. Gegenstand dieser Therapie war die bei der Klägerin vorhandene Essstörung. Damit ging der zeitliche Umfang dieser psychotherapeutischen Intervention weit über das hinaus, was die Leitlinie fordert. Anhaltspunkte dafür, dass die Therapie fachlich nicht geeignet war, die bei der Klägerin vorhandene Adipositas zu behandeln, sind nicht ersichtlich und werden von der Beklagten auch nicht vorgetragen. Darüber hinaus hat die Klägerin über lange Zeiträume ihre Essstörung unter ärztlicher Aufsicht pharmakologisch behandelt und an Bewegungstherapien teilgenommen, die unter professioneller Betreuung standen. Besondere Bedeutung misst der Senat schließlich dem Umstand bei, dass die Adipositas der Klägerin im Rahmen eines sechswöchigen stationären Aufenthalts in einer Fachklinik für psychotherapeutische Medizin und Psychosomatik ohne Erfolg behandelt wurde. Die Behandlung erfolgte auf der Grundlage eines tiefenpsychologisch orientierten Konzepts unter Einbeziehung von bewegungstherapeutischen und psychotherapeutischen Maßnahmen; dabei lag ein Schwerpunkt auch auf der Ernährungsberatung und der anschließenden Umsetzung durch die Patienten. Die bei der Klägerin durchgeführten konservativen Behandlungen sind vor diesem Hintergrund nicht als vereinzelte, untaugliche bzw. unprofessionelle Versuche zur Gewichtsreduzierung zu werten, die Klägerin führte die Maßnahmen vielmehr unter professioneller Anleitung und nach einem plausiblen Konzept durch. Insbesondere der stationäre Aufenthalt in der Fachklinik erfolgte auf der Grundlage eines ärztlich koordinierten und geleiteten Gesamttherapiekonzepts, das Diätmaßnahmen, eine Schulung des Ess- und Ernährungsverhaltens, Bewegungstherapie sowie psychotherapeutische Behandlung umfasste und deshalb in besonderer Weise den Anforderungen der „Evidenzbasierten Leitlinie“ gerecht wird. Im Hinblick darauf, dass die Klägerin über Jahre hinweg nachhaltige und qualifizierte Bemühungen zur Gewichtsreduktion unternommen und damit die angezeigten konservativen Behandlungsalternativen durchgeführt hat, durfte sie nach objektiviertem Verständnis auch von der Erfolglosigkeit weiterer konservativer Behandlungsmethoden ausgehen.
31 
Auch im Übrigen lagen die Voraussetzungen einer chirurgischen Therapie nach der „Evidenzbasierten Leitlinie - Prävention und Therapie der Adipositas“ vor. Nach Scheitern konservativer Therapien kann die Indikation bei Patienten mit Adipositas mit Grad III (BMI >40) gestellt werden, ohne dass weitere Vorerkrankungen hinzukommen müssen (Nr. 6.4.7 der Leitlinie, Version 2006). Bei der Klägerin lag eine krankhafte Adipositas in diesem Sinne unstreitig vor (BMI von über 40).
32 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
33 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
34 
Beschluss vom 17. Februar 2011
35 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.970,14 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
36 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 29. August 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf Erstattung der Kosten für eine bereits durchgeführte Brustverkleinerungsoperation hat.

2

Die im Jahr 1967 geborene Klägerin stellte bereits im Frühjahr 2002 bei der Beklagten zwei Anträge auf eine stationäre Behandlung zur Durchführung einer Mammareduktion. Nach Beteiligung des M. D. der K. S-H (MDK) lehnte die Beklagte die Anträge mit den Bescheiden vom 31. Mai 2002 und 3. September 2002 ab.

3

Am 26. Januar 2004 stellte die Klägerin einen erneuten Antrag auf Gewährung einer Mammareduktion als Sachleistung. Die Beklagte beteiligte wiederum den MDK, der im Gutachten von Dr. Ma. vom 29. März 2004 ausführte, dass bei der Klägerin eine erhebliche Adipositas und eine reaktive Depression beständen. Krankhafte Veränderungen an den Brüsten seien nicht feststellbar. Eine Kostenübernahme könne daher nicht empfohlen werden. Die Beklagte lehnte daraufhin den Antrag mit Bescheid (ohne Rechtsmittelbelehrung) vom 26. April 2004 unter Bezugnahme auf die Ausführungen des MDK ab und empfahl eine drastische Gewichtsreduzierung.

4

Am 23. August 2004 teilte die Klägerin der Beklagten mit, sie habe die Operation am 26. Juli 2004 durchführen lassen. Auf der rechten Seite seien 1.080 g und auf der linken Seite 935 g entfernt worden. Hierdurch sei eine deutliche Schmerzerleichterung eingetreten. Sie bat um eine erneute Überprüfung und Erstattung der entstandenen Kosten. Ergänzend legte sie eine Kostenvereinbarung vom 6. Juli 2004 vor. Danach betrugen die Kosten pauschal 4.500,00 EUR.

5

Die Beklagte sah das Schreiben der Klägerin als Widerspruch gegen den Bescheid vom 26. April 2004 an und wies diesen mit Widerspruchsbescheid vom 20. Oktober 2004 als unbegründet zurück. Nach den eingeholten Gutachten des MDK bestehe kein Zusammenhang zwischen den geklagten Rückenbeschwerden und der Brustgröße. Die Rückenbeschwerden könnten auch durch das Übergewicht insgesamt bedingt sein.

6

Hiergegen hat die Klägerin am 18. November 2004 Klage vor dem Sozialgericht Lübeck erhoben und geltend gemacht, dass sie nach der ersten Ablehnung der Operation im Jahre 2002 versucht habe, ihre Rückenschmerzen auf andere Art und Weise in den Griff zu bekommen. Sie habe sich insbesondere um eine Gewichtsreduktion bemüht. Ihre Versuche seien jedoch erfolglos geblieben. Sie habe den Eingriff schließlich durchführen lassen, nicht weil sie psychisch unter den großen Brüsten gelitten habe, sondern weil diese zu erheblichen körperlichen Problemen und Schmerzen geführt hätten. Das Gewicht ihrer Brüste habe vor der Operation deutlich über dem gelegen, was ihr Körperbau bei einer Körpergröße von 166 cm ohne Schäden zu tragen vermocht habe. Ihr behandelnder Arzt habe daher aus medizinischer Sicht dringend zu der Operation geraten.

7

Die Klägerin hat beantragt,

8

den Bescheid der Beklagten vom 26. April 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten für die durchgeführte Brustverkleinerung zu erstatten, soweit die Beklagte leistungspflichtig gewesen wäre.

9

Die Beklagte hat beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Zur Begründung hat sie auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden und auf das von ihr vorgelegte Gutachten von Dr. W. vom 26. August 2008 (MDK) Bezug genommen.

12

Das Sozialgericht hat Berichte der behandelnden Ärzte eingeholt. Der Neurologe und Psychiater Dr. R. führte in seinem Befundbericht vom 20. April 2005 aus, die Klägerin habe sich im Dezember 2003 vorgestellt, über Minderwertigkeitsgefühle wegen zu großer Brüste geklagt und um ein Attest für die Krankenkasse gebeten. Im April 2004 habe sie dann über psychosomatische Beschwerden geklagt, die sie auf eine reaktive Depression wegen der zu großen Brüste bezogen habe. Als Diagnosen stellte Dr. R. eine reaktive Depression, eine Mammahyperplasie sowie ein Karpaltunnelsyndrom fest. Der Facharzt für Chirurgie Dr. B. führte in seinen Berichten vom 7. Oktober 2002 und 13. Juni 2005 aus, er habe die Klägerin u. a. wegen Cervikalneuralgien und Lumbago behandelt. Im Vordergrund hätten degenerative Veränderungen der Gelenke und der Wirbelsäule gestanden. Im Röntgenbild habe an der Lendenwirbelsäule ein altersentsprechender Normalbefund bestanden. Der Internist Dr. K. führte in seinem Bericht vom 21. Juni 2005 insbesondere aus, bei der Klägerin hätten migräneartige Spannungskopfschmerzen vom Nacken zum Hinterkopf ausstrahlend bestanden. Bei zunehmender Adipositas habe eine glaubhaft starke psychische Belastung durch die Mammahypertrophie bestanden. Er habe die Diagnose einer Adipositas, einer Refluxösophagitis und einer chronisch venösen Insuffizienz gestellt. Der Orthopäde und Chirotherapeut P. führte in seinem Bericht vom 23. Februar 1999 insbesondere aus, die Klägerin habe bereits seit ihrer Jugend unter Migräneanfällen gelitten. Eine starke Verspannung der Schulter-Nacken-Muskulatur sei anlagebedingt und durch Massagen nicht zu ändern. An der Halswirbelsäule habe sich im Röntgenbild kein Befund ergeben. Als Diagnosen habe er eine rezidivierende Migräne und eine anlagebedingte chronische Verspannung der Schulter-Nacken-Muskulatur festgestellt.

13

Das Sozialgericht hat darüber hinaus ein schriftliches Gutachten der Ärztin für Chirurgie, Unfallchirurgie, Sozialmedizin und Sportmedizin Dr. S. aus H. vom 13. Juni 2007 eingeholt. Dr. S. kam zu dem Ergebnis, dass ein Zusammenhang zwischen den geklagten Rückenbeschwerden und der Brustgröße nicht hergestellt werden könne. Auch habe im Bereich der Brüste keine behandlungsbedürftige Krankheit vorgelegen.

14

Das Sozialgericht hat auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten des Orthopäden Dr. Ba. aus H. vom 12. Juni 2008 eingeholt. Dr. Ba. kam zu dem Ergebnis, dass präoperativ eine Haltungsfehlfunktion aufgrund der Brustgröße bei der Klägerin vorgelegen habe. Er führte insbesondere aus, sowohl im Stehen als auch im Sitzen sei es zu einer fortgesetzten Fehlbelastung des Halteapparats mit Schmerzen gekommen. Die Klägerin habe präoperativ unter den typischen Folgen einer chronifizierten Schmerzsituation, wie z. B. auch reaktiven depressiven Tendenzen gelitten. Die Mammahyperplasie sei mittelbar und unmittelbar für die Verschlechterung des Gesamtzustandsbildes ursächlich.

15

Mit Urteil vom 29. August 2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass eine krankenversicherungsrechtliche Leistungspflicht nur dann bestehe, wenn die Versicherte in ihren Körperfunktionen beeinträchtigt werde oder wenn eine anatomische Abweichung entstellend wirke. Eine Makromastie sei jedenfalls dann keine Krankheit, wenn die Größe der Brüste proportional zum Körperhabitus sei. Anspruch auf eine Mammareduktionsplastik zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung bestehe dann grundsätzlich nicht. An die Notwendigkeit einer Brustverkleinerungsoperation zur Behandlung orthopädischer Leiden seien besonders strenge Anforderungen zu stellen, da in ein funktionell intaktes Organ eingegriffen werden solle. Wissenschaftliche Erkenntnisse zu einem ursächlichen Zusammenhang zwischen orthopädischen Gesundheitsstörungen und der Brustgröße gebe es bisher nicht. Daran gemessen stelle die frühere Größe der Brüste der Klägerin keine körperliche Anormalität dar, die als Krankheit in diesem Sinne zu bewerten gewesen wäre. Keiner der Sachverständigen und keiner der behandelnden Ärzte habe krankhafte Veränderungen im Bereich der Brüste feststellen können. Die Größe der Brüste habe auch keine darüber hinausgehende gesundheitliche Beeinträchtigung hervorgerufen. Insoweit sei den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Dr. S. zu folgen. Danach habe sich kein Nachweis finden lassen, dass aufgrund der Brustgröße eine wesentliche Fehlfunktion bzw. Einschränkung von Körperfunktionen vor der Operation vorgelegen habe. Bei der Klägerin habe kein wirklich krankhafter Befund im Bereich der Hals-, Brust- oder Lendenwirbelsäule vorgelegen. Als Grund für die von der Klägerin geklagten funktionellen Wirbelsäulenbeschwerden komme nach den Ausführungen der Sachverständigen in erster Linie ein ausgeprägtes Übergewicht und eine daraus resultierende dezent ausgeprägte Hohlrundrückenfehlstatik bei Insuffizienz der rumpfstabilisierenden Muskulatur als Ursache in Betracht. Demgegenüber sei das Gutachten des Dr. Ba. insgesamt unbrauchbar. Soweit Dr. Ba. eine Haltungs-Fehlfunktion aufgrund der Brustgröße festgestellt habe, sei er den hierfür erforderlichen Nachweis bzw. die Begründung schuldig geblieben. Seine Begründung bestehe überwiegend aus allgemeinen Ausführungen und Literaturzitaten. Soweit die Klägerin neben den behaupteten Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule und des Nackens auch über psychische Probleme berichtet habe, seien diese im Rahmen des hier gestellten Anspruches nicht weiter relevant. Vorrangig sei insoweit eine Behandlung durch Psychiater und Psychotherapeuten durchzuführen.

16

Gegen dieses den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 8. Dezember 2008 zugestellte Urteil richtet sich ihre Berufung, die am 22. Dezember 2008 bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangen ist. Zur Begründung führt die Klägerin aus: Das Sozialgericht habe dem Sachverständigen Dr. Ba. vorgeworfen, dass eine Haltungsfehlfunktion aufgrund der Brustgröße festgestellt worden sei, wofür der Sachverständige aber den erforderlichen Nachweis bzw. die Begründung schuldig geblieben sei. Der Sachverständige habe lediglich allgemeine Ausführungen und Literaturzitate wiedergegeben ohne Bezug zum konkreten Fall. Diese Ausführungen des Sozialgerichts seien nicht nachvollziehbar. Der Sachverständige habe anlässlich einer Untersuchung einen umfassenden Befund erhoben und seine gutachterliche Einschätzung durch Heranziehung der medizinisch-wissenschaftlichen Fachliteratur untermauert. Außerdem sei das Urteil verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. In der mündlichen Verhandlung habe das Sozialgericht nicht zum Ausdruck gebracht, dass es das Gutachten von Dr. Ba. für „insgesamt unbrauchbar“ halte. Hierzu wäre das Gericht verpflichtet gewesen, um im Rahmen des Anspruchs auf rechtliches Gehör der Klägerin Gelegenheit zu geben, sich hierzu zu äußern.

17

Die Klägerin beantragt,

18

das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 29. August 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. April 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten für die durchgeführte Brustverkleinerung in Höhe von 4.500,00 EUR zu erstatten.

19

Die Beklagte beantragt,

20

die Berufung zurückzuweisen.

21

Sie ist der Auffassung, dass das Urteil des Sozialgerichts nicht zu beanstanden sei. Die frühere Größe der Brüste der Klägerin habe keine körperliche Anormalität dargestellt, so dass kein regelwidriger Körperzustand und somit keine Krankheit im Rechtssinne vorgelegen habe. Die Brustgröße der Klägerin habe keine darüber hinausgehende gesundheitliche Beeinträchtigung hervorgerufen. In erster Linie sei das ausgeprägte Übergewicht und eine daraus resultierende dezent ausgeprägte Hohlrundrückenfehlstatik ursächlich für die von der Klägerin geklagten funktionellen Wirbelsäulenbeschwerden gewesen. Ein Eingriff in ein gesundes Organ – hier die Brüste – sei nur dann gerechtfertigt, wenn keinerlei andere Behandlungsmethoden zum Erfolg führen könnten. Vorrangig sei therapeutisch auf einen Ausgleich der Bindegewebsstrukturen und der Rückenmuskulatur durch krankengymnastische Übungen und auf eine Gewichtsreduktion hinzuwirken. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen gebe es keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen Brustgröße und Wirbelsäulenbeschwerden. Zu Recht habe das Sozialgericht das Gutachten von Dr. Ba. für nicht überzeugend gehalten. Ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör liege nicht vor.

22

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 25. März 2010 Beweis erhoben durch Anhörung des Arztes für Orthopädie Dr. N. aus A. als medizinischen Sachverständigen, dessen Gutachten vom 8. März 2010 den Beteiligten vorab übersandt worden war.

23

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten. Diese haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

24

Die insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.

25

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Ablehnung der Kostenübernahme für die bei der Klägerin durchgeführte Brustverkleinerungsoperation durch die Beklagte ist rechtmäßig.

26

Rechtsgrundlage des Anspruchs der Klägerin ist § 13 Abs. 3 Satz 1 zweite Alternative Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) in Verbindung mit § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Danach muss die durchgeführte Brustverkleinerungsoperation als Maßnahme der Krankenbehandlung notwendig gewesen sein. Eine Krankheit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne ist ein regelwidriger Körperzustand, der Behandlungsbedürftigkeit und/oder Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Eine Regelwidrigkeit liegt vor, wenn der Körperzustand vom Leitbild eines gesunden Menschen abweicht. Dabei kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit Krankheitswert im Rechtssinne zu. Eine für die krankenversicherungsrechtliche Leistungspflicht maßgebende Krankheit liegt nur vor, wenn die Versicherte in ihren Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt (Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Juli 2004, B 1 KR 11/04 R, Urteil vom 19. Juli 2004, B 1 KR 9/04 R). In diesem Sinne stellen übergroße Brüste grundsätzlich keine Krankheit dar (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 21. August 2008, L 1 KR 7/07).

27

Die Klägerin ist nicht wegen einer äußeren Entstellung behandlungsbedürftig. Um eine Entstellung annehmen zu können, genügt nicht jede körperliche Anormalität. Vielmehr muss es sich objektiv um eine erhebliche Auffälligkeit handeln, die naheliegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit bewirkt und erwarten lässt, dass die betroffene Person ständig viele Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Betrachtung anderer wird und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzieht (Bundessozialgericht, Urteil vom 28. Februar 2008, B 1 KR 19/07 R). Danach liegt eine Entstellung bei der Klägerin hier nicht vor. Eine Dysproportion zwischen Figur, Körperbau und Brustgröße in dem dafür erforderlichen Maße lässt sich den vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen nicht entnehmen.

28

Ein psychischer Leidensdruck wegen der übergroßen Brüste wird von der Klägerin ausdrücklich verneint. Unabhängig davon wäre dieser vorrangig durch Psychiater/Psychologen zu behandeln und rechtfertigt keinen operativen Eingriff. Ebenso klar ist, dass kosmetische Defizite keine Krankheit darstellen.

29

Was bleibt, ist die Frage, ob die durchgeführte Operation zur Behandlung der von der Klägerin geklagten Wirbelsäulenbeschwerden notwendig war. Die Operation erfolgte mithin zur nur mittelbaren Bekämpfung der auf orthopädischem Gebiet bestehenden Beschwerden. Zwar können grundsätzlich auch solche Maßnahmen notwendig sein, wenn sie gezielt der Krankheitsbekämpfung dienen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 19. Februar 2003, B 1 KR 1/02 R). Eine solche mittelbare Behandlung bedarf einer besonderen Rechtfertigung, indem eine Abwägung zwischen dem voraussichtlichen medizinischen Nutzen und möglichen gesundheitlichen Schäden erfolgen muss. Wird dabei – wie hier – in ein funktionell intaktes Organ eingegriffen, sind besonders hohe Anforderungen zu stellen, wobei Art und Schwere der Erkrankung, das Risiko und der eventuelle Nutzen der Therapie gegeneinander abzuwägen sind (Bundessozialgericht ebenda). Zu fordern ist auf jeden Fall eine schwerwiegende Erkrankung der Wirbelsäule und die erfolglose Ausschöpfung aller konservativen orthopädischen Behandlungsmaßnahmen (vgl. etwa Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 1. Mai 2007, L 5 KR 118/04 und Sachsen-Anhalt, Urteil vom 26. Februar 2009, L 10 KR 25/06). In diesem Zusammenhang wird unter Hinweis auf fehlende medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse bereits generell in Frage gestellt, dass es einen ursächlichen Zusammenhang zwischen orthopädischen Gesundheitsstörungen und der Brustgröße gibt (so wohl auch Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 18. Oktober 2002, L 4 KR 4692/01; Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 21. August 2008, L 1 KR 7/07).

30

Diese grundsätzlichen Bedenken des Baden-Württembergischen und des Hessischen Landessozialgerichts können hier dahinstehen, da jedenfalls bei der Klägerin nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme für den Senat feststeht, dass die Brustverkleinerung zur Behandlung der geltend gemachten Wirbelsäulenbeschwerden nicht notwendig war. Die Operation war nicht vorrangig geeignet, das Beschwerdebild zu bessern. Vor dem Hintergrund einer fehlenden erheblichen, schwerwiegenden Erkrankung der Wirbelsäule wäre eine Besserung der Beschwerden auch durch eine drastische Gewichtsreduktion, Absetzen der Ovulationshemmer sowie durch sportliche Aktivitäten zum Ausgleich der muskulären Insuffizienz und der Bandschwäche erreicht worden. Im Wesentlichen übereinstimmend haben Dr. S. und Dr. N. ausgeführt, dass bei der Klägerin eine Fehlstatik der Lendenwirbelsäule/Brustwirbelsäule vorliegt im Sinne eines mäßig verstärkten Hohlrundrückens. Die Klägerin hat vor der Geburt ihres ersten Kindes 1988 etwa 60 kg bei einer Körpergröße von etwa 170 cm gewogen. Nach der zweiten Geburt 1993 betrug das Gewicht etwa 85 kg. Danach kam es aufgrund einer hormonellen Behandlung zu einer rasanten Gewichtszunahme von etwa 37 kg innerhalb von gut drei Monaten. Das höchste in den Akten dokumentierte Körpergewicht betrug 107 kg. Wie der Sachverständige Dr. N. in diesem Zusammenhang gestützt auf wissenschaftliche Studien ausgeführt hat, nimmt die weibliche Brust bei einer Zunahme des Körpergewichts je kg etwa um 20 g zu. Allein schon dadurch erklären sich die übergroßen Brüste nach der erheblichen Zunahme des Körpergewichts der Klägerin (37 kg entsprechen 740 g je Brust). Im August 2002 wurde die Hormongabe wegen einer Thrombose beendet. Heute wiegt die Klägerin wieder 83 kg (BMI 28,5 kg/m²).

31

Die Rückenbeschwerden der Klägerin traten etwa 1999/2000 auf. In den Jahren zuvor gab es keine Hinweise auf Beschwerden wegen zu großer Brüste. Die Klägerin befand sich damals in einer schwierigen Situation. Einerseits lag das dargestellte massive Übergewicht vor, andererseits psychische Belastungen sowohl durch das Übergewicht als auch durch die häuslichen Probleme mit den Kindern. Wegen der andauernden Hormongabe bestand bis zum Jahre 2002 auch keine realistische Chance auf Gewichtsreduktion.

32

Vor diesem Hintergrund schließt sich der Senat der Bewertung der medizinischen Sachverständigen Dr. S. und Dr. N. an, dass die Rückenbeschwerden der Klägerin seinerzeit auf das erhebliche Übergewicht und auf die durch die Gewichtszunahme stark vergrößerten Brüste zurückzuführen waren. Sie wären durch Reduzierung des Körpergewichts und sportliche Aktivitäten daher auch vorrangig gegenüber der Brustverkleinerungsoperation zu bessern gewesen. Dies korrespondiert damit, dass die Klägerin heute nach Gewichtsabnahme bei einem BMI von 28,5 kg/m² weitgehend beschwerdefrei ist. Die Reduzierung des Gesamtgewichts hätte auch eine Verkleinerung der Brüste zur Folge gehabt. Wenngleich dabei in der Regel nicht ganz 20 g je Brust pro kg Körpergewichtsverlust erreicht werden, wären jedenfalls die übergroßen Brüste – die der Klägerin Veranlassung zur Operation gegeben hatten – deutlich reduziert worden.

33

Der hiervon abweichenden gutachterlichen Bewertung von Dr. Ba. vermochte der Senat nicht zu folgen. Die dortige Untersuchung der Klägerin erbrachte keine relevanten Einschränkungen bei beschwerdearmem Zustand. Dies bestätigt auch den von den anderen Gutachtern erhobenen Befund, wonach keine schwerwiegende Erkrankung der Wirbelsäule vorliegt. Der Gutachter Dr. Ba. kommt allerdings zu dem Ergebnis, dass die Operation erforderlich war, weil die Klägerin vor der Operation unter einer chronischen Schmerzkrankheit mit reaktiven depressiven Mustern gelitten habe. Durch die Operation seien Besserungen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen in Bezug auf die statische Fehlbelastung, die Schmerzen und die psychische Belastungssituation. Dies sei dann auch bei unveränderter Adipositas eingetreten, die deswegen als Ursache für die Wirbelsäulenbeschwerden ausscheide. Dieses Gutachten hat den Senat nicht überzeugt. Der Gutachter geht von einer chronischen Schmerzerkrankung der Klägerin vor der Operation aus, obwohl dies den Berichten der behandelnden Ärzte nicht zu entnehmen ist. Eine spezielle Schmerztherapie, die vor einer Brustoperation angezeigt gewesen wäre, wurde von keinem der behandelnden Ärzte empfohlen und hat auch nicht stattgefunden. Hierzu hat der Gutachter Dr. N. zutreffend ausgeführt, dass Dr. Ba. in seinem Gutachten im Wesentlichen die Entstehung chronischer Schmerzen erklärt habe, jedoch die Benennung eines nachvollziehbaren anzuschuldigenden pathomorphologischen Substrats bei der Klägerin schuldig geblieben sei. Letztlich geht Dr. Ba. von einer unzutreffenden Prämisse aus und auf alternative Behandlungsmöglichkeiten überhaupt nicht ein.

34

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.

35

Gründe dafür, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.


Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 31. März 2003 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Zwischen den Beteiligten ist die Übernahme der Kosten für eine Brustverkleinerungsoperation streitig.
Die 1975 geborene Klägerin ist versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten. Sie ist 1,60 m groß und hatte 2001 ein Gewicht von 75 kg, heute 70 kg.
Am 14.12.2001 beantragte die Klägerin die Kostenübernahme für eine beabsichtigte Brustverkleinerungsoperation. Sie legte hierzu Atteste der Dres. von S. und Sch., Plastische und Wiederherstellungschirurgie des Klinikums O., und der Frauenärztin R. E. vor. Nach dem Attest des Klinikums O. wurde bei ihr eine Mammahyperplasie diagnostiziert. Es heißt darin, das Brustgewicht betrage 1300 g auf jeder Seite. Die Klägerin trage BH-Größe 85 E. Es sei davon auszugehen, dass die Resektion ca. 700 g pro Seite betragen werde. Da die Klägerin auch schon über deutliche Haltungsschäden und Rückenschmerzen klage, würden sie - die Ärzte - aufgrund des ausgeprägten Gewichtes und der guten Reduktionsmöglichkeit eine medizinische Indikation für die Mammareduktionsplastik gegeben sehen und der Krankenkasse eine Kostenübernahme empfehlen. Die Frauenärztin E. befundete eine ausgeprägte Mammahyperplasie mit starker Ptose beidseits. Langfristig sei durch das Gewicht der Brust ein HWS/BWS-Syndrom zu erwarten. Die Brustgröße stelle auch ein psychologisches Problem dar. Es bestehe eine medizinische Indikation zur Reduktionsplastik.
Die Beklagte ließ die Klägerin daraufhin durch Dr. W. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MdK) begutachten. Bei der Untersuchung fand sich ein unauffälliger Hautbefund im Bereich der Brust ohne Schnürfurchen durch die BH-Träger und ohne mammäre Venenstauung. Im Bereich der Wirbelsäule zeigte sich ein leichter Flachrücken mit mäßiger Insuffizienz der Interskapularmuskulatur. Die Ärztin vertrat die Auffassung, die richtige BH-Größe sei nach den gemessenen Brustmaßen 85 B. Dies entspreche einem Sollgewicht der Brust von 745 g. Nach Strömbeck und Kühnau sei durch Reduktion des Körpergewichts an die obere Grenze des Idealgewichts (Gewichtsdifferenz 15 kg) ein Reduktionsäquivalent von 300 g pro Mamma zu erreichen, was zu einem erreichbaren Brustgewicht von 445 g führe. Studien, die den Zusammenhang zwischen Brustgewicht und schädigendem Einfluss auf den Haltungs- und Stützapparat wissenschaftlich belegen würden, lägen bisher selbst bei Brustlasten über 1200 g nicht vor. Brustmassen unter 1200 g seien in der aktuellen Literatur durch Studien überhaupt nicht abgebildet. Bezogen auf das Brustgewicht liege eine Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung nicht vor. Eine Ausschöpfung orthopädisch und physiotherapeutischer Therapiemaßnahmen könne nicht nachvollzogen werden.
Mit Bescheid vom 09.01.2002 lehnte die Beklagte gestützt hierauf die Kostenübernahme ab.
Nach erfolgtem Widerspruch ermittelte die Beklagte erneut und hörte den Arzt Schi. vom MDK. Dieser kam zu dem Ergebnis, anhand der von Dr. W. gemessenen Brustmaße müsste die Klägerin - entnommen aus den Erfahrungen der Miederindustrie - BH-Größe 85 C/D tragen. BH-Größe 85 D entspreche einem Sollgewicht in Gramm pro Seite von 745. Bei Annahme der korrekten BH-Größe 85 C würde das Sollgewicht 610 g betragen. Angaben über das tatsächliche Brustgewicht lägen nicht vor. Eine Leistungsverpflichtung zur Kostenübernahme einer Mamma-Reduktion wegen therapieresistenter WS-Symptomatik bei Adipositas ohne vorherige Reduktion bzw. Normalisierung des Übergewichts (159 cm, 75 kg) und ohne vorherige Ausschöpfung, orthopädisch-physiotherapeutischer Rehabilitationsmöglichkeiten sei unter Berücksichtigung des Maßes des Notwendigen nicht gegeben. Mit Bescheid vom 04.02.2002 lehnte die Beklagte daraufhin erneut die Kostenübernahme ab.
Im Rahmen des dagegen gerichteten Widerspruchs legte die Klägerin ein ärztliches Attest des Dr. K. und einen Arztbrief des Orthopäden Dr. G. vor. Dr. K. führt in dem Attest aus, bei der Klägerin bestünden in den vergangenen Jahren zunehmend Beschwerden im Bereich der HWS sowie der BWS und darüber hinaus immer wiederkehrende Cephalgien im Rahmen einer Cervikobrachialgie. Diese Beschwerden würden in einer Frequenz von ca. sechs- bis achtmal pro Jahr auftreten. Die Klägerin bedürfe aufgrund dieser Beschwerden regelmäßiger Schmerztherapie sowie gelegentlicher physikalischer Maßnahmen. Die Durchführung einer Reduktionsplastik aus medizinischen Gründen werde für dringend notwendig erachtet. Dr. G. diagnostizierte ausweislich seines Arztbriefes ein chronisches HWS-/BWS-Syndrom, HWS-Blockade C4/5 und BWS-Blockade Th 5/6. Die deutliche Mammahyperplasie beidseits sei sicherlich mit ursächlich für die Beschwerdesymptomatik. Die bereits geplante Mamma-Reduktionsplastik sei aus orthopädischer Sicht medizinisch sinnvoll.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.08.2002 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Bei der beantragten operativen Maßnahme handele es sich um eine kosmetische Korrektur, die nicht zu Lasten der Versichertengemeinschaft durchgeführt werden dürfe.
Deswegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG). Zur Begründung trug sie vor, dass sie krank sei und die beantragte Behandlung benötige.
10 
Das SG zog den in der Verwaltungsakte fehlenden „Einspruch" der Klägerin gegen das MDK-Gutachten von Dr. W. und ein Schreiben der Frauenärztin E. bei. In dem Einspruch weist die Klägerin insbesondere darauf hin, dass ihre bisherige Gewichtsabnahme von 15 kg zu keiner Veränderung ihrer Brust geführt habe. In den vergangenen Jahren habe sie häufig Massagen wegen Verspannungen im Nacken- Rückenbereich bekommen. Auch habe sie wegen der Brüste psychische Probleme. Die Ärztin E. setzte sich vornehmlich mit der nach ihrer Ansicht von Dr. W. fehlerhaft vorgenommenen Berechnung des Brustgewichts auseinander.
11 
Mit Urteil vom 31.03.2003, dem Kläger-Bevollmächtigten zugestellt am 14.05.2003, wies das SG die Klage ab. Die großen Brüste der Klägerin als solche würden noch keinen regelwidrigen Körperzustand darstellen, der eine Heilbehandlung erforderlich machen würde. Brüste derartiger Größe bei Frauen seien noch als Normvariante der menschlichen Physiognomie aufzufassen. Im Übrigen seien die großen Brüste lediglich ein Glied in einer Kette von Gründen, die in ihrer Gesamtheit insbesondere die Cephalgien und Cervikobrachialgien bei der Klägerin bewirken würden. Deshalb sei auch nicht anzunehmen, dass allein die Verkleinerungsoperation der Brüste die Cephalgien und Verspannungen der Halswirbelsäule beseitigen würde. Wichtig sei dabei auch, dass im Bereich der Halswirbelsäule noch keine schwerwiegende Organpathologie festzustellen sei. Darüber hinaus sei eine Brustreduktionsoperation zum derzeitigen Zeitpunkt auch deshalb noch nicht notwendig, weil eine genügend intensive und genügend dauerhafte fachorthopädische Behandlung der Schmerzen bei der Klägerin nicht erfolgt sei. Sollten länger andauernde, intensive und konzentrierte Maßnahmen bei der Klägerin über einen längeren Zeitraum keinen genügenden Erfolg zeitigen, so wäre im Übrigen auch an eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme zu denken. Ehe solche einfacheren und weniger einschneidenden Maßnahmen noch nicht durchgeführt worden seien, könne jedenfalls nach Überzeugung der Kammer eine Brustverkleinerungsoperation noch keine notwendige Behandlungsmaßnahme im Sinne des Gesetzes darstellen. Dabei sei der Gesichtspunkt zu beachten, dass es bei der beantragten operativen Maßnahme um einen Eingriff in ein an und für sich gesundes Körperorgan gehe. Soweit seelische Probleme der Klägerin angesprochen worden seien, die mit auf die zu großen Brüste zurückzuführen seien, sei darauf hinzuweisen, dass eine psychische Störung mit den Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie zu behandeln sei. Dies müsse um so mehr im Falle der Klägerin, bei der bisher offenbar eine konsequente psychotherapeutische oder fachpsychiatrische Behandlung noch überhaupt nicht stattgefunden habe, gelten.
12 
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der am 14.05.2003 eingereichten Berufung. Zur Begründung trägt sie vor, bei ihr könne von einer im Normbereich liegenden Variante der Brustgröße nicht mehr ausgegangen werden. Sie habe ihr Gewicht bereits von 90 kg auf 70 kg bei einer Körpergröße von 1,60 m reduziert und habe auch krankengymnastische Behandlungen durchgeführt. Sie leide an einer Krankheit. Ursache dieser Krankheit sei die Größe der Brust. Diese könne durch fachorthopädische Behandlung und Krankengymnastik nicht verändert werden. Der operative Eingriff sei deshalb notwendig.
13 
Die Klägerin beantragt,
14 
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 31. März 2003 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 4. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. August 2002 zu verurteilen, ihr eine Brustverkleinerungsoperation beidseits zu gewähren.
15 
Die Beklagte beantragt,
16 
die Berufung zurückzuweisen.
17 
Sie hält das Urteil für richtig.
18 
Der Senat hat Dr. K., Dr. G. und die Frauenärztin E. als sachverständige Zeugen gehört.
19 
Dr. K. hat mitgeteilt, die Klägerin werde von ihm seit dem Jahr 2000 wegen Rückenschmerzen etwa vier- bis sechsmal pro Jahr behandelt. Sie klage über Schmerzen im Bereich der Brustwirbelsäule ausstrahlend in beide Schulterblätter. Darüber hinaus sei es insbesondere im Jahr 2002 und 2003 zu Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule gekommen. Er habe eine erhebliche Myogelose im Bereich der Brustwirbelsäule teilweise auch im Halswirbelsäulenbereich erhoben. Die Muskulatur in diesem Bereich sei druckschmerzhaft und die Armhebung teilweise schmerzhaft bewegungseingeschränkt gewesen. Die Klägerin sei durch Gabe von Analgetika und teilweise durch die Verordnung von physikalischer Therapie behandelt worden. Ergänzend führte er aus, dass er die Ursache der Beschwerden der Klägerin in erster Linie auf die bestehende Brustvergrößerung zurückführe. Logisch sei, dass auch gewisse Verspannungen und Abnutzungserscheinungen zusätzlich bestehen würden. Physikalische Therapien habe er am 18.01. und 16.09.2002 sowie am 07.04. und 08.07.2003 verordnet.
20 
Dr. G. hat ausgeführt, er habe bei der Klägerin einen paravertebralen muskulären Hartspann HWS/BWS, Reklinationsschmerz HWS, Wirbelblockade C4/5, Th 5/6 und radiologisch eine Streckfehlhaltung der Halswirbelsäule befundet. Augenscheinlich bestehe eine deutliche Mammahypertrophie beidseits. Die Beschwerden der Klägerin seien durchaus auch auf die ausgeprägte Mammahypertrophie beidseits und die damit verbundene statische Belastung zurückzuführen.
21 
Die Ärztin E. hat sich dahingehend geäußert, dass die Klägerin über Rückenschmerzen im oberen BWS- und HWS-Bereich klage. Sie berichte auch über Minderwertigkeitsgefühle und das Gefühl abschätzig beobachtet zu werden. Sie habe eine Makromastie beidseits mit einem diskreten Seitenunterschied zu Gunsten rechts festgestellt. Es bestünden eine ausgeprägte Ptose sowie ausgeprägte Striae, vor allem im Bereich der oberen und seitlichen Brustausläufer beidseits. Darüber hinaus habe sie eine Kyphose der oberen BWS mit reaktiver Lordosierung der HWS und einer Prominenz des 7. HWK sowie einen Schulterschiefstand im Sinne von nach vorne gezogenen Hängeschultern festgestellt. Die Haut der unteren Brustquadranten sei zusätzlich hyperpigmentiert. Die Klägerin trage einen Spezialbüstenhalter der Größe 85 E - F mit extra breiten Trägern.
22 
Die Beklagte hat sich unter Berücksichtigung dieser Auskünfte dahingehend geäußert, dass von einem Ausschöpfen des Therapierahmens nicht gesprochen werden könne. Darüber hinaus stehe auch nicht fest, dass allein die von der Klägerin behauptete Mammahypertrophie Ursache der geklagten Beschwerden sei.
23 
Im Auftrag des Senats hat daraufhin der Orthopäde Dr. F., Bundeswehrkrankenhaus U., ein fachorthopädisches Gutachten erstattet. Dr. F. hat bei der Klägerin ein chronisch rezidivierendes HWS-BWS-Syndrom mit stellenweiser pseudo-radikulärer Ausstrahlung, ausgeprägte Muskelverspannungen und -verhärtungen im Bereich der Schultergürtelmuskulatur beidseits und beider Schulterblätter, eine Fixierung der Schulterblattgleitebene beidseits und eine Fixierung des Übergangs der HWS zur BWS und der BWS zur LWS diagnostiziert. Ursache für die Beschwerden der Klägerin sei die deutliche Brusthypertrophie. Bei den bestehenden Gesundheitsstörungen der Klägerin handele es sich um statisch bedingte Beschwerden, die eine muskuläre Dysbalance im Bereich vor allem der gesamten BWS und der unteren HWS hervorgerufen hätten. Hierfür sprächen auch die Fixierung der Schulterblattgleitebene beidseits und die ausgeprägten muskulären Verspannungen der Schultergürtelmuskulatur beidseits mit deutlichen Muskelverhärtungen beidseits. Bei dem Nach vorne beugen der Wirbelsäule komme das vorliegende Brustvolumen im Sinne einer „Vorderlast" massiv zum Tragen. Dies führe, um dem Gewicht zu begegnen zu einer Fixierung bzw. Abriegelung des Übergangs der HWS zur BWS und der BWS zur LWS. Dies wiederum ziehe eine Verspannung der wirbelsäulennahen Muskulatur nach sich. Nachfolgend sei es hierdurch zu einer Verschiebung der Brustkyphose nach kranial und einer Steilstellung der HWS gekommen. Als Ursache der radiologisch dokumentierten Wirbelsäulenfehlhaltung sei die vorliegende ausgeprägte Mammahypertrophie verbunden mit einer deutlich sichtbaren sog. Hängebrust zu sehen. Die Durchführung von Heilmaßnahmen könne wohl eine Linderung der bestehenden Beschwerden herbeiführen. Eine Verbesserung des Gesundheitszustandes durch konservative Therapiemaßnahmen sei allerdings nur kurzfristig bis maximal mittelfristig zu erwarten. Eine psychiatrische psycho-therapeutische Behandlung der Klägerin sei nicht der geeignete Weg diesen Beschwerden zu begegnen. Alternative und vor allem ebenso sinnvolle oder effektive Behandlungsmethoden stünden nicht mehr zur Verfügung. Von der Tendenz her bestehe eine abnehmende Kompensationsmöglichkeit der Wirbelsäulenmuskulatur die durch die Mammahypertrophie und Ptosis ausgelöste betonende Vorderlast entsprechend zu stabilisieren. Daher sei es sinnvoll und notwendig, um einer sich - mit hoher Wahrscheinlichkeit - entwickelnden dauerhaften Schädigung bzw. einer Verschlimmerung der bestehenden Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule vorzubeugen, eine Brustverkleinerung durchzuführen.
24 
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
25 
Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist jedoch sachlich nicht begründet. Das von der Klägerin angefochtene Urteil ist zu Recht ergangen. Der Bescheid der Beklagten vom 04.02.2002, der den Bescheid vom 09.01.2002 ersetzte, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2002 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Brustverkleinerungsoperation.
26 
Gemäß § 11 Abs. 1, § 27 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) haben Versicherte wie die Klägerin Anspruch auf Behandlung einer Krankheit. Gemäß § 12 Abs. 1 SGB V muss die Behandlung ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Der Anspruch umfasst u.a. die notwendige ärztliche Behandlung und die Krankenhausbehandlung. Krankheit im Sinne des SGB V ist ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der die Notwendigkeit einer ärztlichen Behandlung des Versicherten oder zugleich oder allein Arbeitsunfähigkeit zu Folge hat. Eine Krankheit führt dann zu einer Leistungsverpflichtung der Kasse, wenn Behandlungsbedürftigkeit oder Arbeitsunfähigkeit vorliegt (vgl. Zipperer in Maaßen-Schermer-Wiegand, SGB V Kommentar, RdNr. 12 zu 327 m.w.N.). Hierbei kommt es nicht darauf an, ob die Krankheit im Augenblick behandlungsbedürftig ist. Die Behandlungsbedürftigkeit ist schon dann anzunehmen, wenn der gegenwärtige Zustand zwar noch keine Schmerzen oder Beschwerden bereitet, durch ärztliche Behandlung im Frühstadium jedoch eine wesentliche Besserung oder gar Beseitigung des Leidens und damit eine günstige Wirkung auf die spätere Erwerbsfähigkeit erreicht werden kann (a.a.O. RdNr. 13). Kosmetische Defizite stellen keine Krankheit dar. Regelwidrig ist ein Zustand, der von der Norm vom Leitbild des gesunden Menschen abweicht (a.a.O. RdNr. 14).
27 
Ob bei der Klägerin ein regelwidriger Körperzustand durch die Mammahypertrophie und die ausgeprägte Ptose, auf die sowohl die Frauenärztin E. als auch Dr. F. hingewiesen haben, sowie die Wirbelsäulenbeschwerden zu bejahen ist, ist bereits fraglich. Es ist insoweit richtig, wenn das SG ausführt, dass große Brüste als solche noch keinen regelwidrigen Körperzustand darstellen. Allein auf die Größe der Brust darf im Hinblick auf die Notwendigkeit einer Operation nicht abgestellt werden. Gestützt hierauf würde es sich um eine kosmetische Operation handeln. Ob man von einem regelwidrigen Körperzustand zu sprechen hat, beurteilt sich vielmehr erst in der Zusammenschau von Körpergröße, Gewicht und Größe der Brüste. Aber auch wenn man sich insoweit über etwaige Bedenken hinwegsetzen würde und in der Zusammenschau von einem regelwidrigen Körperzustand ausgehen und man sich darüber hinaus auch den Ausführungen von Dr. F. in seinem Gutachten anschließen würde, wonach das Volumen der Brüste der Klägerin die Beschwerden von Seiten der Wirbelsäule nach sich gezogen hat und für diese kausal ist, würde dies nicht dazu führen, dass die Klägerin einen Anspruch auf die geplante Brustverkleinerungsoperation hätte. Von entscheidender Bedeutung ist insoweit, dass durch die Brustverkleinerungsoperation in ein im Grunde gesundes Organ, nämlich die „große" Brust, eingegriffen wird. Nachdem ein operativer Eingriff stets mit einem erheblichen Risiko durch die Narkose aber auch, zumal es hier entscheidend auf das äußerlich zu Tage tretende Ergebnis der Operation ankommt, durch die Operation selbst verbunden ist, darf eine chirurgische Behandlung im Bereich der Brust stets nur die Ultima ratio sein. Hierauf hat das Bundessozialgericht (BSG) zuletzt im Zusammenhang mit der Applikation eines Magenbandes bei Adipositas hingewiesen (BSG Urteil vom 19.02.2003 - B 1 KR 1/02 R -). Für die hier begehrte Brustverkleinerungsoperation gilt nichts anderes. Vor Durchführung einer Brustverkleinerungsoperation sind sämtliche Behandlungsalternativen durchzuführen. Die Behandlungsmöglichkeiten auf orthopädischen Gebiet sind im Falle der Klägerin nicht erschöpft. Sie hat bisher nur von Zeit zu Zeit krankengymnastische Behandlungen und Massage in Anspruch genommen. Dies hat während der Therapie sowohl nach ihrem eigenen Vortrag als auch nach dem von Dr. F. erstatteten Gutachten zumindest zu einer Linderung der Beschwerden geführt. Eine Linderung der Beschwerden während der Therapie ist ausreichend. Nicht erforderlich ist, dass es durch die Therapie zu einer vollständigen Heilung kommt. Solange während der Therapie, sei es durch laufende Krankengymnastik oder sportliche Betätigungen, die in Eigeninitiative gemacht werden, noch eine Schmerzlinderung eintritt, kann noch keine Brustverkleinerungsoperation beansprucht werden. Vor einer Operation müsste darüber hinaus auch noch ein Versuch mit ambulanter und stationärer Rehabilitation unternommen werden. Dies sind zur Zeit noch die geeigneten Wege, um den Beschwerden der Klägerin zu begegnen. Erst wenn zukünftig ihre Rückenmuskulatur nicht mehr in der Lage sein sollte, die durch die Brustgröße bestehende Fehlhaltung im Bereich der Wirbelsäule zu kompensieren, wird man sich die Frage der Brustverkleinerungsoperation stellen müssen.
28 
Da die Behandlungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft sind, war demzufolge die Berufung zurückzuweisen.
29 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
30 
Gründe für eine Revisionszulassung liegen nicht vor.

Gründe

 
25 
Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist jedoch sachlich nicht begründet. Das von der Klägerin angefochtene Urteil ist zu Recht ergangen. Der Bescheid der Beklagten vom 04.02.2002, der den Bescheid vom 09.01.2002 ersetzte, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2002 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Brustverkleinerungsoperation.
26 
Gemäß § 11 Abs. 1, § 27 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) haben Versicherte wie die Klägerin Anspruch auf Behandlung einer Krankheit. Gemäß § 12 Abs. 1 SGB V muss die Behandlung ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Der Anspruch umfasst u.a. die notwendige ärztliche Behandlung und die Krankenhausbehandlung. Krankheit im Sinne des SGB V ist ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der die Notwendigkeit einer ärztlichen Behandlung des Versicherten oder zugleich oder allein Arbeitsunfähigkeit zu Folge hat. Eine Krankheit führt dann zu einer Leistungsverpflichtung der Kasse, wenn Behandlungsbedürftigkeit oder Arbeitsunfähigkeit vorliegt (vgl. Zipperer in Maaßen-Schermer-Wiegand, SGB V Kommentar, RdNr. 12 zu 327 m.w.N.). Hierbei kommt es nicht darauf an, ob die Krankheit im Augenblick behandlungsbedürftig ist. Die Behandlungsbedürftigkeit ist schon dann anzunehmen, wenn der gegenwärtige Zustand zwar noch keine Schmerzen oder Beschwerden bereitet, durch ärztliche Behandlung im Frühstadium jedoch eine wesentliche Besserung oder gar Beseitigung des Leidens und damit eine günstige Wirkung auf die spätere Erwerbsfähigkeit erreicht werden kann (a.a.O. RdNr. 13). Kosmetische Defizite stellen keine Krankheit dar. Regelwidrig ist ein Zustand, der von der Norm vom Leitbild des gesunden Menschen abweicht (a.a.O. RdNr. 14).
27 
Ob bei der Klägerin ein regelwidriger Körperzustand durch die Mammahypertrophie und die ausgeprägte Ptose, auf die sowohl die Frauenärztin E. als auch Dr. F. hingewiesen haben, sowie die Wirbelsäulenbeschwerden zu bejahen ist, ist bereits fraglich. Es ist insoweit richtig, wenn das SG ausführt, dass große Brüste als solche noch keinen regelwidrigen Körperzustand darstellen. Allein auf die Größe der Brust darf im Hinblick auf die Notwendigkeit einer Operation nicht abgestellt werden. Gestützt hierauf würde es sich um eine kosmetische Operation handeln. Ob man von einem regelwidrigen Körperzustand zu sprechen hat, beurteilt sich vielmehr erst in der Zusammenschau von Körpergröße, Gewicht und Größe der Brüste. Aber auch wenn man sich insoweit über etwaige Bedenken hinwegsetzen würde und in der Zusammenschau von einem regelwidrigen Körperzustand ausgehen und man sich darüber hinaus auch den Ausführungen von Dr. F. in seinem Gutachten anschließen würde, wonach das Volumen der Brüste der Klägerin die Beschwerden von Seiten der Wirbelsäule nach sich gezogen hat und für diese kausal ist, würde dies nicht dazu führen, dass die Klägerin einen Anspruch auf die geplante Brustverkleinerungsoperation hätte. Von entscheidender Bedeutung ist insoweit, dass durch die Brustverkleinerungsoperation in ein im Grunde gesundes Organ, nämlich die „große" Brust, eingegriffen wird. Nachdem ein operativer Eingriff stets mit einem erheblichen Risiko durch die Narkose aber auch, zumal es hier entscheidend auf das äußerlich zu Tage tretende Ergebnis der Operation ankommt, durch die Operation selbst verbunden ist, darf eine chirurgische Behandlung im Bereich der Brust stets nur die Ultima ratio sein. Hierauf hat das Bundessozialgericht (BSG) zuletzt im Zusammenhang mit der Applikation eines Magenbandes bei Adipositas hingewiesen (BSG Urteil vom 19.02.2003 - B 1 KR 1/02 R -). Für die hier begehrte Brustverkleinerungsoperation gilt nichts anderes. Vor Durchführung einer Brustverkleinerungsoperation sind sämtliche Behandlungsalternativen durchzuführen. Die Behandlungsmöglichkeiten auf orthopädischen Gebiet sind im Falle der Klägerin nicht erschöpft. Sie hat bisher nur von Zeit zu Zeit krankengymnastische Behandlungen und Massage in Anspruch genommen. Dies hat während der Therapie sowohl nach ihrem eigenen Vortrag als auch nach dem von Dr. F. erstatteten Gutachten zumindest zu einer Linderung der Beschwerden geführt. Eine Linderung der Beschwerden während der Therapie ist ausreichend. Nicht erforderlich ist, dass es durch die Therapie zu einer vollständigen Heilung kommt. Solange während der Therapie, sei es durch laufende Krankengymnastik oder sportliche Betätigungen, die in Eigeninitiative gemacht werden, noch eine Schmerzlinderung eintritt, kann noch keine Brustverkleinerungsoperation beansprucht werden. Vor einer Operation müsste darüber hinaus auch noch ein Versuch mit ambulanter und stationärer Rehabilitation unternommen werden. Dies sind zur Zeit noch die geeigneten Wege, um den Beschwerden der Klägerin zu begegnen. Erst wenn zukünftig ihre Rückenmuskulatur nicht mehr in der Lage sein sollte, die durch die Brustgröße bestehende Fehlhaltung im Bereich der Wirbelsäule zu kompensieren, wird man sich die Frage der Brustverkleinerungsoperation stellen müssen.
28 
Da die Behandlungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft sind, war demzufolge die Berufung zurückzuweisen.
29 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
30 
Gründe für eine Revisionszulassung liegen nicht vor.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 22. Mai 2012 - 6 K 4042/11 - geändert. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger für seine Aufwendungen für die am 17.3.2011 durchgeführte Hüftoperation weitere Kassenleistungen in Höhe von 61,46 EUR zu gewähren. Der Bescheid der Beklagten vom 21.6.2011 sowie deren Widerspruchsbescheid vom 21.10.2011 werden aufgehoben, soweit sie dieser Verpflichtung entgegenstehen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug tragen der Kläger zu 55 % und die Beklagte zu 45 %.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt von der Beklagten (weitere) Kassenleistungen zum Ersatz der für eine Hüftoperation entstandenen Aufwendungen.
Der Kläger ist Mitglied der Beklagten mit einem Bemessungssatz von 30 %. Am 17.3.2011 wurde ihm ein künstliches Hüftgelenk eingesetzt. Für die hierbei erbrachten Leistungen wurden ihm insgesamt 1.458,96 EUR in Rechnung gestellt, darunter die GOÄ-Nrn. 2151 (endoprothetischer Totalersatz von Hüftpfanne und Hüftkopf - Alloarthroplastik) und 2113 (Synovektomie-Hüftgelenk). Als Diagnosen werden u.a. Coxarthrose und Synovitis (Entzündung der inneren Schicht der Gelenkkapsel) genannt. In dem Operationsbericht der behandelnden Ärztin werden diese Diagnosen insoweit konkretisiert, als dort von einer fortgeschrittenen Dysplasiecoxarthrose und einer massiven chronisch-poliferativen Synovialitis die Rede ist. Zum Verlauf der Operation wird in dem Operationsbericht ausgeführt: „T-förmige Kapsulotomie bei deutl. hypertrophierter Kapsel und massiver chronisch-poliferativer Synovialitis, es entleert sich reichlich Erguß. ... Nun vollständige Synovektomie, Histologie.“ Nach dem pathologisch-anatomischen, zytologischen Befund vom 22.3.2011 waren an der Oberfläche der untersuchten Synovialis (Gelenkinnenhaut) teilweise zottenartige Strukturen und herdförmige Einblutungen zu erkennen. Zusammenfassend lautet die Beurteilung: „Fibröses Kapselgewebe von der Hüfte links mit fokalen degenerativen Veränderungen, Vernarbungen und fibrosierten, eingebluteten, regressiv veränderten Synovialisanteilen ohne erhaltenen Deckzellbelag. Keine stärkergradigen entzündlichen Veränderungen.“
Mit Leistungsabrechnung vom 30.5.2011 erkannte die Beklagte nur einen Betrag von 1.005,79 EUR als erstattungsfähig an. Auf dieser Grundlage gewährte sie Kassenleistungen in Höhe von 299,60 EUR. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.10.2011 zurück. Zur Begründung führt sie aus: Die GOÄ-Nr. 2113 sei zu streichen, da eine eigenständige Indikation fehle und die Maßnahme mit dem Gebührenansatz der GOÄ-Nr. 2151 abgegolten sei. Nach dem vorgelegten histologischen Befund hätten lediglich mäßiggradige Veränderungen der Synovialis vorgelegen. Es habe sich nicht um eine eigenständige Synovialispathologie gehandelt, sondern um Veränderungen, die im Rahmen einer bestehenden Coxarthrose typischerweise aufträten; auch die Ausprägung sei lediglich mäßig gewesen. Die komplette bis subtotale Entfernung der Synovialis sei nur bei medizinischer Indikation - beispielsweise chronische Synovialitis bei entzündlich rheumatischer Grunderkrankung oder Psoriasis-Arthopathie - als selbständige Leistung neben GOÄ-Nr. 2151 berechenbar. Außerdem seien die Aufwendungen für die GOÄ-Nr. 2148 nicht erstattungsfähig und der geltend gemachten Steigerungsfaktor teilweise zu beanstanden.
Die hiergegen erhobene Klage des Klägers hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 22.5.2012 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die GOÄ-Nr. 2113 sei neben der GOÄ-Nr. 2151 nur dann selbständig abrechenbar, wenn im Operationsbericht oder in der Behandlungsdokumentation ausdrücklich darauf hingewiesen werde, dass die erbrachte Zusatzleistung aufgrund eigenständiger medizinischer Indikation erforderlich gewesen sei. Im Operationsbericht werde zwar erwähnt, dass eine vollständige Synovektomie durchgeführt worden sei. Es werde jedoch keine Begründung für eine eigenständige medizinische Indikation - wie etwa rheumatische Grunderkrankung oder Psoriasis-Arthropathie - gegeben. Aus dem Operationsbericht ergebe sich weiter, dass die sog. Pfannendachplastik nach GOÄ-Nr. 2148 nicht durchgeführt worden sei. Bezüglich der Erstattung eines reduzierten Gebührensatzes werde auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen.
Auf Antrag des Klägers hat der Senat die Berufung gegen das Urteil insoweit zugelassen, als es den Anspruch des Klägers auf weitere Kassenleistungen für die Berechnung der GOÄ-Nr. 2113 zum Gegenstand hat. Zur Begründung der Berufung trägt der Kläger vor: Das Verwaltungsgericht hätte von sich aus prüfen müssen, ob es sich bei der unstreitig durchgeführten vollständigen Synovektomie um eine selbständige Leistung handle, die gesondert nach der GOÄ-Nr. 2113 abgerechnet werden könne. Diese Prüfung habe das Erstgericht nicht vorgenommen, da es fälschlicherweise davon ausgegangen sei, dass insoweit im Operationsbericht eine zusätzliche medizinische Indikation hätte dargelegt werden müssen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 22.5.2012 - 6 K 4042/11 - zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger für seine Aufwendungen für die am 17.3.2011 durchgeführte Hüftoperation weitere Kassenleistungen in Höhe von 61,46 EUR zu gewähren und den Bescheid der Beklagten vom 21.6.2011 sowie deren Widerspruchsbescheid vom 21.10.2011 aufzuheben, soweit sie dieser Verpflichtung entgegenstehen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
10 
Sie erwidert: Das Verwaltungsgericht habe entgegen der Ansicht des Klägers durchaus geprüft, ob es sich bei der streitigen GOÄ-Nr. 2113 um eine selbständige Leistung handle oder ob diese als Zielleistung einer anderen Gebührennummer anzusehen sei. Da sich aus der Behandlungsdokumentation keine zusätzliche besondere Indikation ergebe, sei die Abrechnungsfähigkeit der GOÄ-Nr. 2113 zutreffend abgelehnt worden.
11 
Dem Gericht liegen die Akten der Beklagten vor. Auf diese sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
12 
Nach § 101 Abs. 2 VwGO entscheidet der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
13 
Die Berufung des Klägers ist begründet. Er hat einen Anspruch auf weitere Kassenleistungen der Beklagten in Höhe von 61,46 EUR (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Insoweit hat das Verwaltungsgericht seine Klage somit zu Unrecht abgewiesen.
14 
1. Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der Beklagten in ihrer hier maßgeblichen Fassung vom 10.3.2011 (79. Änderung) haben die Mitglieder für sich und die mitversicherten Angehörigen Anspruch auf die in den §§ 31 bis 48 der Satzung festgelegten Leistungen. Die Leistungen richten sich nach den entstandenen Aufwendungen nach näherer Maßgabe der §§ 30 ff. der Satzung. Nach § 30 Abs. 1 Satz 2 der Satzung sind Aufwendungen erstattungsfähig, wenn sie beihilfefähig und Leistungen dafür in der Satzung vorgesehen sind. Die wirtschaftliche Angemessenheit der Aufwendungen für ärztliche Leistungen beurteilt sich gemäß § 30 Abs. 2 Satz 5 der Satzung der Beklagten nach dem Gebührenrahmen der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Angemessen und folglich erstattungsfähig sind danach Aufwendungen, die dem Arzt nach Maßgabe der GOÄ zustehen.
15 
2. Das sog. „Zielleistungsprinzip“ steht der Bewilligung der begehrten (weiteren) Kassenleistungen für die dem Kläger in Rechnung gestellte GOÄ-Nr. 2113 nicht entgegen.
16 
a) Ob ärztliche Leistungen selbständig berechnungsfähig sind, richtet sich nach § 4 Abs. 2a GOÄ. Danach kann der Arzt für eine Leistung, die Bestandteil oder eine besondere Ausführung einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis ist, eine Gebühr nicht berechnen, wenn er für die andere Leistung eine Gebühr berechnet. Dies gilt nach § 4 Abs. 2a Satz 2 GOÄ auch für die zur Erbringung der im Gebührenverzeichnis aufgeführten operativen Leistungen methodisch notwendigen operativen Einzelschritte.
17 
In den dem Abschnitt L (Chirurgie, Orthopädie) des Gebührenverzeichnisses vorangestellten Allgemeinen Bestimmungen werden Inhalt und Tragweite dieses als Zielleistungsprinzip bezeichneten Grundsatzes näher verdeutlicht. In den Bestimmungen wird dazu darauf hingewiesen, dass zur Erbringung der in Abschnitt L aufgeführten typischen operativen Leistungen in der Regel mehrere operative Einzelschritte erforderlich sind und dass diese Einzelschritte, soweit sie methodisch notwendige Bestandteile der in der jeweiligen Leistungsbeschreibung genannten Zielleistung sind, nicht gesondert berechnet werden können. Der hinter dieser Regelung stehende Gedanke leuchtet unmittelbar ein: Der Arzt darf ein und dieselbe Leistung, die zugleich Bestandteil einer von ihm gleichfalls vorgenommenen umfassenderen Leistung ist, nicht zweimal abrechnen. Daraus folgt zugleich, dass Leistungen, die nicht Bestandteil einer anderen abgerechneten Leistung sind, abrechenbar sind, soweit es sich um selbständige Leistungen handelt (vgl. BGH, Urteil vom 5.6.2008 - III ZR 239/07 - NJW-RR 2008, 1278; Senatsurteil vom 17.2.2011 - 2 S 595/10 - juris).
18 
Geben unterschiedliche Gebührenpositionen, die ihrer Legende nach in dem konkreten Fall erfüllt worden sind, keine näheren Hinweise über ihr Verhältnis zueinander, ist demnach zu prüfen, ob es sich um jeweils selbständige Leistungen handelt oder ob eine oder mehrere von ihnen als Zielleistung und die anderen als deren methodisch notwendigen Bestandteile anzusehen sind. Dabei ist - wie auch sonst bei der Auslegung von Gesetzen - ein abstrakt-genereller Maßstab zugrunde zu legen. Das ergibt sich daraus, dass der Verordnungsgeber in Abs. 1 Satz 1 der Allgemeinen Bestimmungen von „typischen“ operativen Leistungen spricht und in Satz 2 bezüglich der Einzelschritte die mangelnde Berechenbarkeit davon abhängig macht, dass sie „methodisch“ notwendige Bestandteile der Zielleistung sind (BGH, Urteil vom 5.6.2008; Senatsurteil vom 17.2.2011, jeweils aaO).
19 
b) Gemessen an diesen Grundsätzen sind die Voraussetzungen für eine kumulative Berechnung der in der GOÄ-Nr. 2113 (Synovektomie-Hüftgelenk) und der GOÄ-Nr. 2151 (endoprothetischer Totalersatz von Hüftpfanne und Hüftkopf - Alloarthroplastik) beschriebenen operativen Leistungen gegeben, da es sich bei der Synovektomie gemäß GOÄ-Nr. 2113 nicht um einen methodisch notwendigen Bestandteil der in der GOÄ-Nr. 2151 genannten Hüftoperation handelt. Die Synovektomie, die in der GOÄ-Nr. 2113 als fast vollständige Entfernung der Gelenkschleimhaut (Synovialis) beschrieben wird, ist im Verhältnis zu der Alloarthroplastik vielmehr eine eigenständige Leistung. Bei der durch den Eingriff regelmäßig behobenen Synovitis handelt es sich um eine Entzündung der Gelenkinnenhaut. Eine solche Entzündung liegt nicht zwingend bei jeder Hüftoperation vor. Auch die Hüftoperation selbst erfordert keine vollständige Entfernung der Synovialis, sondern „normalerweise“ lediglich die Aufspaltung der Schleimhaut und das Abfräsen der Schleimhaut bis zu einem Umfang, bei dem mit ihrer selbständigen Neubildung gerechnet werden kann. Nur wenn die Schädigung der Schleimhaut, insbesondere durch fortgeschrittene entzündliche Prozesse, bereits einen erheblichen Umfang angenommen hat, es insbesondere bereits zu einer regelrechten Schwartenbildung gekommen ist, ist zusätzlich eine Synovektomie angezeigt. Es handelt sich daher um eine Maßnahme, welche mit dem typischen Ablauf der Alloarthroplastik nicht zwangsläufig verbunden ist (so - jeweils nach Einholung eines Gutachtens - LG Düsseldorf, Urteile vom 10.8.2007 - 22 S 69/07 - und vom 10.3.2006 - 20 S 215/05 -; LG Münster, Urteil vom 15.12.2005 - 11 S 4/05 -; LG Regensburg, Urteil vom 24.3.2009 - 2 S 78/08 -).
20 
3. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob für die Synovektomie hier eine ausreichende Rechtfertigung vorlag, oder mit anderen Worten, ob die durchgeführte ärztliche Behandlung notwendig war. Da die Synovektomie nicht zwangsläufig bei jeder Hüftoperation durchgeführt werden muss, bedarf sie einer eigenständigen Indikation (wie z.B. rheumatoide Arthritis, Psoriasis-Arthritis oder andere Erkrankungen mit schwerer chronischer Synovialitis; vgl. Brück, GOÄ, 3. Aufl., GOÄ-Nr. 2113 und 2151; Beschluss des Ausschusses „Gebührenordnung“ der Bundesärztekammer, Deutsches Ärzteblatt 99, Heft 3 vom 18.1.2002, S. A-144-145). Die Beklagte und ihr folgend das Verwaltungsgericht haben hier eine solche eigenständige Indikation verneint und sich dabei insbesondere darauf berufen, dass bei der histologischen Untersuchung der entfernten Synovialis nach der Operation keine „stärkergradigen entzündlichen Veränderungen“ festgestellt worden seien.
21 
Damit werden die Anforderungen an die Begründung der Notwendigkeit überspannt. Für die Frage nach der Notwendigkeit medizinischer Behandlungen ist zunächst der Einschätzung des behandelnden Arztes besondere Bedeutung beizumessen (vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 27.3.2012 - 2 C 46.10 - ZBR 2012, 344 und vom 20.3.2008 - 2 C 19.06 - NVwZ-RR 2008, 713; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 9.7.2009 - 10 S 3385/08 - NVwZ-RR 2009, 1013). Etwas anderes gilt nur dann, wenn es um eine wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Heilmethode geht, was hier nicht der Fall ist. Weiter ist zu beachten, dass grundsätzlich auf den „ex ante“, also unmittelbar vor Durchführung des streitbefangenen Eingriffs gegebenen Erkenntnisstand, und nicht auf die erst „ex post“, also nach der Durchführung des Eingriffs gewonnenen Erkenntnisse, abzustellen ist. Ist die Einschätzung des behandelnden Arztes nach diesem Erkenntnisstand mit guten Gründen vertretbar, wird ihr regelmäßig zu folgen sein.
22 
Nach diesen Kriterien ist im Fall des Klägers die medizinische Notwendigkeit der durchgeführten Synovektomie zu bejahen. Als Indikation für die Synovektomie wird im Operationsbericht der behandelnden Ärztin eine massive chronisch-poliferative Synovialitis (Synonym für Synovitis) genannt. Dem nach der Operation erstellten pathologisch-anatomischen, zytologischen Befund vom 22.3.2011 zufolge waren an der Oberfläche der entfernten Synovialis teilweise zottenartige Strukturen und herdförmige Einblutungen zu erkennen. Auch die Beurteilung „Fibröses Kapselgewebe von der Hüfte links mit fokalen degenerativen Veränderungen, Vernarbungen und fibrosierten, eingebluteten, regressiv veränderten Synovialisanteilen ohne erhaltenen Deckzellbelag“ deutet ohne weiteres auf nicht nur unerhebliche entzündliche Veränderungen und damit auf eine Indikation für eine Synovektomie hin, auch wenn bei der nachträglich durchgeführten histologischen Untersuchung keine stärkergradigen entzündlichen Veränderungen festgestellt worden sind. Aus der Sicht der behandelnden Ärztin war es daher nach dem Erkenntnisstand unmittelbar vor Durchführung des Eingriffs jedenfalls mit guten Gründen vertretbar, eine Synovektomie vorzunehmen. Dies genügt zur Begründung der medizinischen Notwendigkeit der Maßnahme.
23 
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
24 
Beschluss vom 4. Februar 2013
25 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 52 Abs. 3 GKG auf 61,46 EUR festgesetzt.
26 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
12 
Nach § 101 Abs. 2 VwGO entscheidet der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
13 
Die Berufung des Klägers ist begründet. Er hat einen Anspruch auf weitere Kassenleistungen der Beklagten in Höhe von 61,46 EUR (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Insoweit hat das Verwaltungsgericht seine Klage somit zu Unrecht abgewiesen.
14 
1. Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der Beklagten in ihrer hier maßgeblichen Fassung vom 10.3.2011 (79. Änderung) haben die Mitglieder für sich und die mitversicherten Angehörigen Anspruch auf die in den §§ 31 bis 48 der Satzung festgelegten Leistungen. Die Leistungen richten sich nach den entstandenen Aufwendungen nach näherer Maßgabe der §§ 30 ff. der Satzung. Nach § 30 Abs. 1 Satz 2 der Satzung sind Aufwendungen erstattungsfähig, wenn sie beihilfefähig und Leistungen dafür in der Satzung vorgesehen sind. Die wirtschaftliche Angemessenheit der Aufwendungen für ärztliche Leistungen beurteilt sich gemäß § 30 Abs. 2 Satz 5 der Satzung der Beklagten nach dem Gebührenrahmen der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Angemessen und folglich erstattungsfähig sind danach Aufwendungen, die dem Arzt nach Maßgabe der GOÄ zustehen.
15 
2. Das sog. „Zielleistungsprinzip“ steht der Bewilligung der begehrten (weiteren) Kassenleistungen für die dem Kläger in Rechnung gestellte GOÄ-Nr. 2113 nicht entgegen.
16 
a) Ob ärztliche Leistungen selbständig berechnungsfähig sind, richtet sich nach § 4 Abs. 2a GOÄ. Danach kann der Arzt für eine Leistung, die Bestandteil oder eine besondere Ausführung einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis ist, eine Gebühr nicht berechnen, wenn er für die andere Leistung eine Gebühr berechnet. Dies gilt nach § 4 Abs. 2a Satz 2 GOÄ auch für die zur Erbringung der im Gebührenverzeichnis aufgeführten operativen Leistungen methodisch notwendigen operativen Einzelschritte.
17 
In den dem Abschnitt L (Chirurgie, Orthopädie) des Gebührenverzeichnisses vorangestellten Allgemeinen Bestimmungen werden Inhalt und Tragweite dieses als Zielleistungsprinzip bezeichneten Grundsatzes näher verdeutlicht. In den Bestimmungen wird dazu darauf hingewiesen, dass zur Erbringung der in Abschnitt L aufgeführten typischen operativen Leistungen in der Regel mehrere operative Einzelschritte erforderlich sind und dass diese Einzelschritte, soweit sie methodisch notwendige Bestandteile der in der jeweiligen Leistungsbeschreibung genannten Zielleistung sind, nicht gesondert berechnet werden können. Der hinter dieser Regelung stehende Gedanke leuchtet unmittelbar ein: Der Arzt darf ein und dieselbe Leistung, die zugleich Bestandteil einer von ihm gleichfalls vorgenommenen umfassenderen Leistung ist, nicht zweimal abrechnen. Daraus folgt zugleich, dass Leistungen, die nicht Bestandteil einer anderen abgerechneten Leistung sind, abrechenbar sind, soweit es sich um selbständige Leistungen handelt (vgl. BGH, Urteil vom 5.6.2008 - III ZR 239/07 - NJW-RR 2008, 1278; Senatsurteil vom 17.2.2011 - 2 S 595/10 - juris).
18 
Geben unterschiedliche Gebührenpositionen, die ihrer Legende nach in dem konkreten Fall erfüllt worden sind, keine näheren Hinweise über ihr Verhältnis zueinander, ist demnach zu prüfen, ob es sich um jeweils selbständige Leistungen handelt oder ob eine oder mehrere von ihnen als Zielleistung und die anderen als deren methodisch notwendigen Bestandteile anzusehen sind. Dabei ist - wie auch sonst bei der Auslegung von Gesetzen - ein abstrakt-genereller Maßstab zugrunde zu legen. Das ergibt sich daraus, dass der Verordnungsgeber in Abs. 1 Satz 1 der Allgemeinen Bestimmungen von „typischen“ operativen Leistungen spricht und in Satz 2 bezüglich der Einzelschritte die mangelnde Berechenbarkeit davon abhängig macht, dass sie „methodisch“ notwendige Bestandteile der Zielleistung sind (BGH, Urteil vom 5.6.2008; Senatsurteil vom 17.2.2011, jeweils aaO).
19 
b) Gemessen an diesen Grundsätzen sind die Voraussetzungen für eine kumulative Berechnung der in der GOÄ-Nr. 2113 (Synovektomie-Hüftgelenk) und der GOÄ-Nr. 2151 (endoprothetischer Totalersatz von Hüftpfanne und Hüftkopf - Alloarthroplastik) beschriebenen operativen Leistungen gegeben, da es sich bei der Synovektomie gemäß GOÄ-Nr. 2113 nicht um einen methodisch notwendigen Bestandteil der in der GOÄ-Nr. 2151 genannten Hüftoperation handelt. Die Synovektomie, die in der GOÄ-Nr. 2113 als fast vollständige Entfernung der Gelenkschleimhaut (Synovialis) beschrieben wird, ist im Verhältnis zu der Alloarthroplastik vielmehr eine eigenständige Leistung. Bei der durch den Eingriff regelmäßig behobenen Synovitis handelt es sich um eine Entzündung der Gelenkinnenhaut. Eine solche Entzündung liegt nicht zwingend bei jeder Hüftoperation vor. Auch die Hüftoperation selbst erfordert keine vollständige Entfernung der Synovialis, sondern „normalerweise“ lediglich die Aufspaltung der Schleimhaut und das Abfräsen der Schleimhaut bis zu einem Umfang, bei dem mit ihrer selbständigen Neubildung gerechnet werden kann. Nur wenn die Schädigung der Schleimhaut, insbesondere durch fortgeschrittene entzündliche Prozesse, bereits einen erheblichen Umfang angenommen hat, es insbesondere bereits zu einer regelrechten Schwartenbildung gekommen ist, ist zusätzlich eine Synovektomie angezeigt. Es handelt sich daher um eine Maßnahme, welche mit dem typischen Ablauf der Alloarthroplastik nicht zwangsläufig verbunden ist (so - jeweils nach Einholung eines Gutachtens - LG Düsseldorf, Urteile vom 10.8.2007 - 22 S 69/07 - und vom 10.3.2006 - 20 S 215/05 -; LG Münster, Urteil vom 15.12.2005 - 11 S 4/05 -; LG Regensburg, Urteil vom 24.3.2009 - 2 S 78/08 -).
20 
3. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob für die Synovektomie hier eine ausreichende Rechtfertigung vorlag, oder mit anderen Worten, ob die durchgeführte ärztliche Behandlung notwendig war. Da die Synovektomie nicht zwangsläufig bei jeder Hüftoperation durchgeführt werden muss, bedarf sie einer eigenständigen Indikation (wie z.B. rheumatoide Arthritis, Psoriasis-Arthritis oder andere Erkrankungen mit schwerer chronischer Synovialitis; vgl. Brück, GOÄ, 3. Aufl., GOÄ-Nr. 2113 und 2151; Beschluss des Ausschusses „Gebührenordnung“ der Bundesärztekammer, Deutsches Ärzteblatt 99, Heft 3 vom 18.1.2002, S. A-144-145). Die Beklagte und ihr folgend das Verwaltungsgericht haben hier eine solche eigenständige Indikation verneint und sich dabei insbesondere darauf berufen, dass bei der histologischen Untersuchung der entfernten Synovialis nach der Operation keine „stärkergradigen entzündlichen Veränderungen“ festgestellt worden seien.
21 
Damit werden die Anforderungen an die Begründung der Notwendigkeit überspannt. Für die Frage nach der Notwendigkeit medizinischer Behandlungen ist zunächst der Einschätzung des behandelnden Arztes besondere Bedeutung beizumessen (vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 27.3.2012 - 2 C 46.10 - ZBR 2012, 344 und vom 20.3.2008 - 2 C 19.06 - NVwZ-RR 2008, 713; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 9.7.2009 - 10 S 3385/08 - NVwZ-RR 2009, 1013). Etwas anderes gilt nur dann, wenn es um eine wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Heilmethode geht, was hier nicht der Fall ist. Weiter ist zu beachten, dass grundsätzlich auf den „ex ante“, also unmittelbar vor Durchführung des streitbefangenen Eingriffs gegebenen Erkenntnisstand, und nicht auf die erst „ex post“, also nach der Durchführung des Eingriffs gewonnenen Erkenntnisse, abzustellen ist. Ist die Einschätzung des behandelnden Arztes nach diesem Erkenntnisstand mit guten Gründen vertretbar, wird ihr regelmäßig zu folgen sein.
22 
Nach diesen Kriterien ist im Fall des Klägers die medizinische Notwendigkeit der durchgeführten Synovektomie zu bejahen. Als Indikation für die Synovektomie wird im Operationsbericht der behandelnden Ärztin eine massive chronisch-poliferative Synovialitis (Synonym für Synovitis) genannt. Dem nach der Operation erstellten pathologisch-anatomischen, zytologischen Befund vom 22.3.2011 zufolge waren an der Oberfläche der entfernten Synovialis teilweise zottenartige Strukturen und herdförmige Einblutungen zu erkennen. Auch die Beurteilung „Fibröses Kapselgewebe von der Hüfte links mit fokalen degenerativen Veränderungen, Vernarbungen und fibrosierten, eingebluteten, regressiv veränderten Synovialisanteilen ohne erhaltenen Deckzellbelag“ deutet ohne weiteres auf nicht nur unerhebliche entzündliche Veränderungen und damit auf eine Indikation für eine Synovektomie hin, auch wenn bei der nachträglich durchgeführten histologischen Untersuchung keine stärkergradigen entzündlichen Veränderungen festgestellt worden sind. Aus der Sicht der behandelnden Ärztin war es daher nach dem Erkenntnisstand unmittelbar vor Durchführung des Eingriffs jedenfalls mit guten Gründen vertretbar, eine Synovektomie vorzunehmen. Dies genügt zur Begründung der medizinischen Notwendigkeit der Maßnahme.
23 
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
24 
Beschluss vom 4. Februar 2013
25 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 52 Abs. 3 GKG auf 61,46 EUR festgesetzt.
26 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Für das Berufungsverfahren gelten die Vorschriften des Teils II entsprechend, soweit sich aus diesem Abschnitt nichts anderes ergibt. § 84 findet keine Anwendung.

(2) Ist die Berufung unzulässig, so ist sie zu verwerfen. Die Entscheidung kann durch Beschluß ergehen. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Gegen den Beschluß steht den Beteiligten das Rechtsmittel zu, das zulässig wäre, wenn das Gericht durch Urteil entschieden hätte. Die Beteiligten sind über dieses Rechtsmittel zu belehren.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 18. März 2010 - 9 K 4639/08 - geändert. Die Beklagte wird unter Aufhebung ihres Bescheids vom 28.06.2007 und des Widerspruchsbescheids vom 12.11.2008 verpflichtet, die Aufwendungen für die bei der Klägerin durchgeführte Magenband-Operation einschließlich der damit verbundenen Anästhesie in Höhe von 2.970,14 EUR zu erstatten.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtszüge.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die am … 1974 geborene Klägerin begehrt die Übernahme der Kosten für eine minimalinvasive operative Magenverkleinerung.
Die Klägerin ist B 1-Mitglied der Beklagten und zu einem Satz von 50 % versichert. Bei ihr besteht bereits seit Jahren eine manifeste Adipositas. Vor diesem Hintergrund unternahm die Klägerin in der Vergangenheit verschiedene Therapieversuche bzw. Gewichtsreduktionsversuche. In den Jahren 1998 bis 2002 führte die Klägerin eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie durch. Unter dem 17.11.1998 erteilte die Beklagte die Genehmigung für 50 Sitzungen und unter dem 28.06.2000 die Folgegenehmigung über weitere 30 Sitzungen. Eine weitere Verlängerung der Therapie wurde von der Beklagten nicht genehmigt. Die Klägerin setzte gleichwohl die Therapie auf eigene Kosten bis November 2002 fort. In der Zeit vom 25.03.2004 bis zum 06.05.2004 befand sich die Klägerin in stationärer Behandlung in einer Fachklinik für psychotherapeutische Medizin und Psychosomatik. Die Kosten übernahm die Beklagte. Als Einweisungsdiagnosen wurden nicht näher bezeichnete Depressionen, Adipositas und Bluthochdruck attestiert. Ziel der Therapie war es, das Selbstwertgefühl der Klägerin nachhaltig zu stabilisieren, ihre Essgewohnheiten zu verändern und den bei ihr festgestellten „Grübelzwang“ zu lockern.
Sowohl während der Kur als auch danach nahm die Klägerin mehrfach Ernährungsberatungen in Anspruch, wobei die Gewichtsreduktionsversuche in zwei Fällen unter ambulanter ärztlicher Betreuung stattfanden. Schließlich nahm die Klägerin auch seit dem Jahr 2004 zwei- bis dreimal die Woche an einer Nordic Walking-Gruppe unter Anleitung einer Trainerin teil und suchte ein Fitness-Studio auf.
Unter dem 13.12.2006 beantragte die Klägerin die Übernahme der Kosten für eine Magenband-Operation im Krankenhaus S. und legte in diesem Zusammenhang eine Stellungnahme des Chefarztes der Chirurgischen Abteilung des Krankenhauses, Prof. Dr. W. vom 04.12.2006, ein ärztliches Attest der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. vom 07.12.2006 sowie ein Attest des Hausarztes vom 01.12.2006 vor, in denen die Operation für notwendig erachtet wurde.
In der Stellungnahme von Prof. Dr. W. vom 04.12.2006 heißt es, bei der 111,9 kg wiegenden und 1,62 m großen Klägerin liege eine krankhafte Adipositas vor (= BMI 41,64 kg/m²). Dies entspreche einem Übergewicht von fast 56 kg und einem zweifachen des Idealgewichts. Aufgrund des hohen Übergewichts leide die Klägerin noch nicht unter massiven internistischen Folgeerkrankungen, sondern bisher lediglich an arterieller Hypertonie. Auch sei der Bewegungsapparat noch nicht mit stark schmerzhaften degenerativen Gelenkerkrankungen belastet. Die Adipositasanamnese bestehe seit mehr als 20 Jahren, auch könne die Klägerin auf eine ausreichende Anzahl konservativer Therapieversuche und multipler frustraner Gewichtsreduktionsversuche verweisen. Im Jahre 2004 sei bei der Klägerin eine ärztlich geleitete ambulante Kur zur Gewichtsreduktion durchgeführt worden. Auch habe sie während der Kur und bei einem niedergelassenen Arzt mehrfach Ernährungsberatungen in Anspruch genommen. Seit 1999 sei sie aufgrund reaktiver Depressionen regelmäßig in psychosomatischer Behandlung. Die Klägerin sei leider nicht in der Lage, ihr Gewicht zu halten, sie nehme stattdessen mit Diäten im Sinne des Jo-Jo-Effektes ständig weiter an Gewicht zu. Während ihrer Diätkarriere habe sie insgesamt 30 kg abgenommen, jedoch mehr als das Abgenommene wieder zugenommen.
Im Attest vom 07.12.2006 führte die Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. B. aus, die Klägerin sei seit dem 01.10.1998 wegen einer chronisch-depressiven Störung in ihrer ambulanten psychiatrischen Behandlung. Die Klägerin habe Antidepressiva erhalten, damit sich ihre erheblichen Probleme mit dem Gewicht nicht noch verstärkten. Trotz alledem sei sie in depressiven Phasen nicht im Stande, ihre Nahrungszufuhr zu kontrollieren und zu bremsen, so dass sie an einem permanenten Übergewicht leide, das die Depression verstärke. Das Magenband sei notwendig, um die Klägerin zu stabilisieren und ihr die Möglichkeit zu geben, eine Gewichtsreduktion zu erreichen.
Mit Schreiben vom 05.02.2007 teilte die Beklagte der Klägerin mit, die Aufwendungen für die Magenband-Operation könnten weder als beihilfe- noch als erstattungsfähig anerkannt werden. Sie stütze sich dabei auf die Stellungnahme der Firma IMB Consult, Gesellschaft für medizinische Gutachten vom 30.01.2007.
In ihrer Antwort vom 09.02.2007 nahm die Klägerin dazu wie folgt Stellung: Bei ihr seien sämtliche konservativen Behandlungsmöglichkeit ausgeschöpft. So habe sie bereits vor Jahren unter ärztlicher Aufsicht das Medikament Xenical erfolglos eingenommen. Sie habe bei einem anderen Arzt, der auch gleichzeitig Ernährungsmediziner sei, erfolglos versucht, mit medizinisch erprobten Getränkepulvern abzunehmen. Sie habe es auch mit vielen anderen rezeptfreien Tabletten, Mittelchen und Pulvern aus der Apotheke sowie mit allen möglichen Diäten wie Low Fat 30, FdH, Brigitte-Diät und selbstredend auch jahrelangem Kalorienzählen versucht. Nachweisen könne sie auch eine Teilnahme bei den Weight Watchers vor einigen Jahren. Sie habe jetzt einen erneuten Versuch mit dem Zählen von „Points“ unternommen, diesmal allerdings ohne an den Sitzungen teilzunehmen, da sie es schon in- und auswendig kenne. Vor ca. drei Jahren habe sie eine sechswöchige Rehabilitation genehmigt bekommen, während der sie psychisch sowie therapeutisch betreut worden sei, jedoch auch an Sportprogrammen, Ernährungsberatung sowie speziellen „Diät-Kochkursen“ teilgenommen habe. Das Ergebnis der sechs Wochen sei gewesen, dass sie 1 kg zugenommen habe. Dies sei jedoch nicht wirklich verwunderlich, da sie seit über 20 Jahren versuche, Diät zu halten, und ihr Stoffwechsel absolut nicht mehr in der Lage sei, wie bei einem gesunden Menschen zu arbeiten. Sie habe sich seit so vielen Jahren mit Ernährung und Lebensmitteln beschäftigt, dass sie auf Ernährungsberaterin umschulen könnte. Sie wisse sehr wohl, welche Lebensmittel gut oder schlecht seien, wie viel sie von was essen solle und was nicht, wie viel Eiweiß ihr Körper benötige, damit er bei Diäten an die Fettreserven gehe und nicht an die Muskeln usw. Aufgrund von Kindheitserlebnissen habe sie psychische Probleme, die sie jedoch dank ihrer jahrelangen Therapien, Medikation sowie regelmäßigen Besuchen und damit verbundenen Gesprächen mit ihrer Psychologin gut im Griff habe. Allerdings leide sie sehr unter ihrem Übergewicht sowie der sozialen Ausgrenzung, aber auch mit den mit dem Übergewicht verbundenen körperlichen Problemen wie Kniebeschwerde, Rücken- und Gelenkschmerzen. Im Übrigen mache sie seit ca. drei Jahren zwei- bis dreimal in der Woche mit einer Gruppe unter Anleitung einer Trainerin Nordic Walking.
Den Antrag der Kläger vom 24.05.2007, mit dem sie die Erstattung der Aufwendungen für die in der Zeit vom 29.03. bis zum 01.04.2007 im Krankenhaus S. vorgenommene Magenbandoperation in Höhe von 5.690,28 EUR sowie die Erstattung der Kosten für die Anästhesie in Höhe von 250,-- EUR begehrte, lehnte die Beklagten mit Bescheid vom 28.06.2007 ab. Den dagegen erhobenen Widerspruch der Klägerin vom 13.07.2007 wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 12.11.2008 zurück. Grundlage hierfür waren zwei weitere ärztliche Stellungnahmen der Firma IMB Consult vom 19.04.2007 und 10.07.2008.
10 
Die Klägerin hat am 15.12.2008 beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben mit dem Antrag, die Bescheide der Beklagten vom 28.06.2007 und 12.11.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ihr für Aufwendungen aufgrund der Rechnung des Krankenhauses S. vom 09.05.2007 und der Rechnung des Dr. med. S. vom 15.04.2007 Kassenleistungen in Höhe von 2.970,14 EUR zu gewähren. Zur Begründung hat sie geltend gemacht: Im Rahmen der jahrlangen Psychotherapie sei das Thema Essstörung immer wieder behandelt worden. Die Psychotherapie sei verlängert worden, bis die Therapeutin sie für austherapiert gehalten und die Beklagte zugleich keine weitere Verlängerung der Therapie gewährt habe. Gleichwohl habe sie die Therapie auf eigene Kosten fortgesetzt. Im Jahre 2004 sei sie für sechs Wochen stationär untergebracht gewesen. Im Rahmen dieses Aufenthalts habe sie an einem strukturierten Adipositasprogramm mit den Elementen Ernährungsberatung (inklusive Kochkurse) und Bewegungstherapie (insbesondere Schwimmen, Walking und Gymnastik) teilgenommen.
11 
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat erwidert: Bei der Magenband-Operation handele es sich um keine kausale, sondern um eine mittelbare Behandlung, bei der in ein funktionell intaktes Organ eingegriffen und dieses regelwidrig und mit nicht unerheblichen Risiken verändert werde. Dies führe dazu, dass ein derartiger Eingriff nur unter strengen Voraussetzungen als notwendige und angemessene Maßnahme gelten könne. Die Operation müsste die ultima ratio sein. Die Klägerin habe nicht dargelegt, dass eine professionelle Erforschung der psychischen Ursachen für die Essstörung erfolgt sei.
12 
Das Verwaltungsgericht Stuttgart hat mit Urteil vom 18.03.2010 die Klage abgewiesen und zur Begründung u.a. ausgeführt: Für die Frage, ob im Einzelfall eine Indikation für eine chirurgische Therapie der Adipositas vorliege, könne maßgeblich auf die Evidenzbasierte Leitlinie „Prävention und Therapie der Adipositas“ der Deutschen Adipositas-Gesellschaft - PuT-Leitlinie - und die Evidenzbasierte Leitlinie „Chirurgische Therapie der extremen Adipositats“ der Deutschen Gesellschaft für Chirurgie der Adipositas - Deutsche Adipositas Gesellschaft - abgestellt werden. Diese Leitlinien seien gemäß den Anforderungen der evidenzbasierten Medizin durch Expertengremien erarbeitet worden und stellten daher den gegenwärtig erreichten medizinischen Stand der Prävention und Therapie der Adipositas dar.
13 
Die operative Magenverkleinerung als Therapie extremer Adipositas komme danach nur als ultima ratio bei nach strengen Kriterien auszuwählenden Patienten in Betracht und setze die mindestens sechs- bis zwölfmonatige konservative Behandlung nach definierten Qualitätskriterien voraus. Diese Behandlung umfasse ein Basisprogramm mit den Komponenten Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie sowie adjuvanter medikamentöser Therapie (Nr. 6.4.6 PuT-Leitlinie). Sie sei ärztlich zu koordinieren, zu leiten und zu dokumentieren. Im Falle der Klägerin fehle es an einem ärztlich koordinierten und geleiteten Gesamtkonzept, das Diätmaßnahmen, eine Schulung des Ess- und Ernährungsverhaltens, Bewegungstherapie, gegebenenfalls pharmakologisch-ärztliche Behandlung und eine kombinierte psychotherapeutische Intervention umfasse. Zwar seien bei der Klägerin verschiedene Behandlungen und Therapien durchgeführt worden, doch seien dabei die in der PuT-Leitlinie genannten Qualitätskriterien nicht eingehalten worden. Die geforderte konservative Behandlung von mindestens sechs bis zwölf Monaten könne auch nicht in den einzelnen Versuchen der Klägerin gesehen werden, ihr Gewicht zu reduzieren. Dies gelte sowohl für die Teilnahme an Sportgruppen, an diätischen Maßnahmen unter ärztlicher Aufsicht und bei den Weight Watchers als auch für die medikamentöse Therapie und die stationäre Behandlung in den W.-Kliniken, wo sich die Klägerin im Jahre 2004 sechs Wochen aufgehalten habe. Den dargelegten Maßnahmen lasse sich das geforderte Gesamtkonzept nicht entnehmen. Rechtlich nicht maßgebend sei, dass die Operation zu einer erheblichen Gewichtsreduzierungen geführt habe.
14 
Zur Begründung der vom Senat mit Beschluss vom 15.09.2010 zugelassenen Berufung macht die Klägerin geltend: Vor der Magenband-Operation habe sie in ausreichendem Maße erfolglos konservative Therapien durchlaufen, etwa eine ambulante diätische Therapie unter ärztlicher Aufsicht, eine stationäre Behandlung, Bewegungstherapie, Besuch der Selbsthilfegruppe der Weight Watchers sowie medikamentöse Therapien. Nach dem Scheitern dieser Therapien hätte als ultima ratio nur noch die Chirurgie zum Zuge kommen können.
15 
Die Klägerin beantragt,
16 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 18. März 2010 - 9 K 4639/08 - zu ändern und den Bescheid der Beklagten vom 28.06.2007 sowie deren Widerspruchsbescheid vom 12.11.2008 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, die Aufwendungen für die durchgeführte Magenband-Operation einschließlich der damit verbundenen Anästhesie in Höhe von 2.970,14 EUR zu erstatten.
17 
Die Beklagte beantragt,
18 
die Berufung zurückzuweisen.
19 
Sie verteidigt das angefochtene Urteil und verweist auf ihre bisherigen Ausführungen.
20 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die dem Senat vorliegenden Akten der Beklagten sowie die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
21 
Die Berufung der Klägerin ist begründet. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts hat die Klägerin Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen für die bei ihr durchgeführte Magenband-Operation. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage deshalb stattgeben müssen.
22 
1. Nach ständiger verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung ist für die Beurteilung der Erstattungsfähigkeit der geltend gemachten Aufwendungen das im Zeitpunkt der Entstehung der Aufwendungen geltende Recht anzuwenden. Die hier zu beurteilende Magenband-Operation im Krankenhaus fand in der Zeit vom 29.03. bis zum 01.04.2007 statt. Abzustellen ist deshalb auf die Satzungen der Beklagten in der Fassung vom 01.12.2006 und 01.04.2007, die hinsichtlich der hier zu beurteilenden Rechtsfrage keine Unterschiede aufweisen. Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 der Satzung in beiden Fassungen haben die Mitglieder der Beklagten für sich und die mitversicherten Angehörigen Anspruch auf die in den §§ 31 bis 48 festgelegten Leistungen. Für Aufwendungen aufgrund eines stationären Aufenthalts in einem Krankenhaus - wie hier - besteht grundsätzlich ein Anspruch auf Kassenleistungen nach § 37 der Satzung. Aufwendungen sind jedoch nur erstattungsfähig, wenn die zugrunde liegenden Maßnahmen medizinisch dem Grunde nach notwendig waren und soweit sie wirtschaftlich angemessen sind (vgl. § 30 Abs. 3 der Satzung). Die Entscheidung darüber unterliegt uneingeschränkter verwaltungsgerichtlicher Kontrolle (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.03.2008 - 2 C 19.06 -NVwZ-RR 2008, 713 zu der ähnlichen Regelung in § 5 Abs. 1 Satz 1 BhV).
23 
2. Die hier allein streitige Frage, ob die bei der Klägerin durchgeführte Magenband-Operation medizinisch notwendig war, ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts zu bejahen.
24 
a) Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. etwa Urteil vom 19.02.2003 - B 1 KR 1/02 R - BSGE 90, 289), der der Senat folgt, kann die Leistungspflicht für eine chirurgische Therapie bei Adipositas nicht mit der Erwägung verneint werden, dass für das Übergewicht das krankhafte Essverhalten des Patienten und nicht eine Funktionsstörung des Magens verantwortlich ist. Zwar stellt die operative Verkleinerung bzw. Veränderung des Magens keine kausale Behandlung dar, vielmehr soll damit die Verhaltensstörung der Klägerin durch eine zwangsweise Begrenzung der Nahrungsmenge lediglich indirekt beeinflusst werden. Auch eine solche mittelbare Therapie kann aber vom Leistungsanspruch mitumfasst sein.
25 
Wird durch eine Operation in ein funktionell intaktes Organ eingegriffen und dieses regelwidrig verändert, wie das bei der Applikation eines Magenbandes geschieht, bedarf diese mittelbare Behandlung nach der vom Senat ebenfalls geteilten Auffassung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 19.02.2003, aaO) aber einer speziellen Rechtfertigung, wobei die Art und Schwere der Erkrankung, die Dringlichkeit der Intervention, die Risiken und der zu erwartende Nutzen der Therapie sowie etwaige Folgekosten für die Krankenversicherung gegeneinander abzuwägen sind.
26 
Da das Behandlungsziel einer Gewichtsreduktion auf verschiedenen Wegen erreicht werden kann, ist zu prüfen, ob eine vollstationäre chirurgische Behandlung unter Berücksichtigung der Behandlungsalternativen (diätische Therapie, Bewegungstherapie, medikamentöse Therapie, Psychotherapie) notwendig und wirtschaftlich angemessen ist. Danach darf nach dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Diskussion (vgl. dazu etwa: „Evidenzbasierte Leitlinie - Prävention und Therapie der Adipositas“ der Deutschen Adipositas-Gesellschaft; „S3-Leitlinie: Chirurgie der Adipositas“ der Chirurgischen Arbeitsgemeinschaft für Adipositastherapie) eine chirurgische Behandlung wie die Applikation eines Magenbandes nur die ultima ratio sein, zumal ein operativer Eingriff stets mit einem erheblichen Risiko (Narkose, Operationsfolgen wie z.B. Entzündungen, Thrombose bzw. Lungenembolie, operationsspezifische Komplikationen wie Pouchdilatation, Portinfektionen und Stomastenose) verbunden ist. Ein solcher Eingriff kommt nur bei Erfüllung einer Reihe von Bedingungen für eine erfolgreiche Behandlung (BMI über 35 mit erheblichen Begleiterkrankungen bzw. über 40; ausreichende Motivation; keine manifeste psychiatrische Erkrankung; Möglichkeit einer lebenslangen medizinischen Nachbetreuung u.a.) in Betracht (ständige Rechtsprechung der Sozialgerichte, vgl. u.a. BSG, Urteil vom 16.12.2008 B 1 KR 2/08 R - Breith 2009, 488; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 12.07.2006 - L 5 KR 5779/04 - juris).
27 
Für die Beurteilung der Frage, ob die Indikation für eine chirurgische Intervention gegeben ist, kann grundsätzlich auf die u.a. von der Deutschen Adipositas-Gesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Ernährung herausgegebene „Evidenzbasierte Leitlinie - Prävention und Therapie der Adipositas“ zurückgegriffen werden (so auch Landessozialgericht Bad.-Württ, Urteil vom 12.07.2006, aaO). Danach setzt die Magenband-Operation eine mindestens sechs- bis zwölfmonatige konservative Behandlung nach definierten Qualitätskriterien voraus (vgl. Nr. 6.4.7 der Leitlinie Prävention und Therapie der Adipositas, Version 2006). Diese Behandlung umfasst ein Basisprogramm mit den Komponenten Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie sowie adjuvanter medikamentöser Therapie (Nr. 6.4 der genannten Leitlinie). Die Behandlung hat auf der Grundlage eines ärztlich koordinierten und geleiteten Gesamttherapiekonzepts zu erfolgen, das Diätmaßnahmen, eine Schulung des Ess- und Ernährungsverhaltens, Bewegungstherapie, gegebenenfalls pharmakologisch-ärztliche Behandlung sowie insbesondere auch eine kombinierte psychotherapeutische Intervention - jedenfalls bei Patienten wie der Klägerin, die an psychischen Erkrankungen leiden - zu umfassen hat (so auch Landessozialgericht Bad.-Württ., Urteil vom 12.07.2006, aaO). Diese Anforderungen, die sich aus der Leitlinie zum Zeitpunkt der Entstehung der Aufwendungen ergaben, gelten auch nach der neuesten Version der „Evidenzbasierten Leitlinie - Prävention und Therapie der Adipositas“ im Wesentlichen fort; im Unterschied zu früher wird aber vor Indikationsstellung wenigstens eine einjährige konservative Behandlung und nicht lediglich eine sechsmonatige Behandlung - wie nach der zum Zeitpunkt der Entstehung der Aufwendungen noch einschlägigen Version - gefordert.
28 
b) Unter Berücksichtigung der individuellen Besonderheiten im Fall der Klägerin stellt sich danach zur Überzeugung des Senats die Applikation eines Magenbandes als ultima ratio dar; die Klägerin hatte auch unter Berücksichtigung der Anforderungen in der „Evidenzbasierten Leitlinie - Prävention und Therapie der Adipositas“ vor der Operation die angezeigten konservativen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft.
29 
Die dargestellten Anforderungen der Leitlinie hat die Klägerin zwar nicht zur Gänze erfüllt. Die von ihr durchgeführten konservativen Behandlungen erfolgten nicht auf der Grundlage eines Gesamttherapiekonzepts, auch die grundsätzlich vorgesehene Verhaltenstherapie fehlte. Die von der Klägerin über lange Jahre hinweg durchgeführten konservativen Behandlungen sind aber als gleichwertig zu erachten.
30 
Diese Einschätzung wird insbesondere nicht durch den Umstand in Frage gestellt, dass die Behandlungen bei der Klägerin nicht fachübergreifend koordiniert und geleitet wurden. Nach Sinn und Zweck der Leitlinie ergibt sich die Forderung nach einer Gesamtkoordination daraus, dass lediglich eine relativ kurze Dauer an konservativen Behandlungen vorgesehen ist. Wenn bereits eine sechsmonatige konservative Behandlung (oder nach heutigem Stand eine nur einjährige konservative Behandlung) vor Indikationsstellung als ausreichend erachtet wird, dann muss zumindest die Qualität der Behandlung durch ein koordiniertes Vorgehen im Wege eines Gesamtkonzepts sichergestellt werden. Die Leitlinie gewährleistet mithin die Qualität der konservativen Behandlung durch hohe Anforderungen, die an die Gestaltung des Verfahrens gestellt werden. Im Fall der Klägerin können jedoch Abstriche bei der Verfahrensgestaltung hingenommen werden, weil die Qualität der bei ihr durchgeführten konservativen Behandlungen anderweitig, insbesondere durch ihre lange Dauer und die ärztliche Begleitung sichergestellt wurde. So hat die Klägerin vier Jahre lang eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie - teilweise von der Beklagten bezahlt, teilweise auf eigene Kosten - durchgeführt. Gegenstand dieser Therapie war die bei der Klägerin vorhandene Essstörung. Damit ging der zeitliche Umfang dieser psychotherapeutischen Intervention weit über das hinaus, was die Leitlinie fordert. Anhaltspunkte dafür, dass die Therapie fachlich nicht geeignet war, die bei der Klägerin vorhandene Adipositas zu behandeln, sind nicht ersichtlich und werden von der Beklagten auch nicht vorgetragen. Darüber hinaus hat die Klägerin über lange Zeiträume ihre Essstörung unter ärztlicher Aufsicht pharmakologisch behandelt und an Bewegungstherapien teilgenommen, die unter professioneller Betreuung standen. Besondere Bedeutung misst der Senat schließlich dem Umstand bei, dass die Adipositas der Klägerin im Rahmen eines sechswöchigen stationären Aufenthalts in einer Fachklinik für psychotherapeutische Medizin und Psychosomatik ohne Erfolg behandelt wurde. Die Behandlung erfolgte auf der Grundlage eines tiefenpsychologisch orientierten Konzepts unter Einbeziehung von bewegungstherapeutischen und psychotherapeutischen Maßnahmen; dabei lag ein Schwerpunkt auch auf der Ernährungsberatung und der anschließenden Umsetzung durch die Patienten. Die bei der Klägerin durchgeführten konservativen Behandlungen sind vor diesem Hintergrund nicht als vereinzelte, untaugliche bzw. unprofessionelle Versuche zur Gewichtsreduzierung zu werten, die Klägerin führte die Maßnahmen vielmehr unter professioneller Anleitung und nach einem plausiblen Konzept durch. Insbesondere der stationäre Aufenthalt in der Fachklinik erfolgte auf der Grundlage eines ärztlich koordinierten und geleiteten Gesamttherapiekonzepts, das Diätmaßnahmen, eine Schulung des Ess- und Ernährungsverhaltens, Bewegungstherapie sowie psychotherapeutische Behandlung umfasste und deshalb in besonderer Weise den Anforderungen der „Evidenzbasierten Leitlinie“ gerecht wird. Im Hinblick darauf, dass die Klägerin über Jahre hinweg nachhaltige und qualifizierte Bemühungen zur Gewichtsreduktion unternommen und damit die angezeigten konservativen Behandlungsalternativen durchgeführt hat, durfte sie nach objektiviertem Verständnis auch von der Erfolglosigkeit weiterer konservativer Behandlungsmethoden ausgehen.
31 
Auch im Übrigen lagen die Voraussetzungen einer chirurgischen Therapie nach der „Evidenzbasierten Leitlinie - Prävention und Therapie der Adipositas“ vor. Nach Scheitern konservativer Therapien kann die Indikation bei Patienten mit Adipositas mit Grad III (BMI >40) gestellt werden, ohne dass weitere Vorerkrankungen hinzukommen müssen (Nr. 6.4.7 der Leitlinie, Version 2006). Bei der Klägerin lag eine krankhafte Adipositas in diesem Sinne unstreitig vor (BMI von über 40).
32 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
33 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
34 
Beschluss vom 17. Februar 2011
35 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.970,14 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
36 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
21 
Die Berufung der Klägerin ist begründet. Entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts hat die Klägerin Anspruch auf Erstattung der Aufwendungen für die bei ihr durchgeführte Magenband-Operation. Das Verwaltungsgericht hätte der Klage deshalb stattgeben müssen.
22 
1. Nach ständiger verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung ist für die Beurteilung der Erstattungsfähigkeit der geltend gemachten Aufwendungen das im Zeitpunkt der Entstehung der Aufwendungen geltende Recht anzuwenden. Die hier zu beurteilende Magenband-Operation im Krankenhaus fand in der Zeit vom 29.03. bis zum 01.04.2007 statt. Abzustellen ist deshalb auf die Satzungen der Beklagten in der Fassung vom 01.12.2006 und 01.04.2007, die hinsichtlich der hier zu beurteilenden Rechtsfrage keine Unterschiede aufweisen. Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 der Satzung in beiden Fassungen haben die Mitglieder der Beklagten für sich und die mitversicherten Angehörigen Anspruch auf die in den §§ 31 bis 48 festgelegten Leistungen. Für Aufwendungen aufgrund eines stationären Aufenthalts in einem Krankenhaus - wie hier - besteht grundsätzlich ein Anspruch auf Kassenleistungen nach § 37 der Satzung. Aufwendungen sind jedoch nur erstattungsfähig, wenn die zugrunde liegenden Maßnahmen medizinisch dem Grunde nach notwendig waren und soweit sie wirtschaftlich angemessen sind (vgl. § 30 Abs. 3 der Satzung). Die Entscheidung darüber unterliegt uneingeschränkter verwaltungsgerichtlicher Kontrolle (vgl. BVerwG, Urteil vom 20.03.2008 - 2 C 19.06 -NVwZ-RR 2008, 713 zu der ähnlichen Regelung in § 5 Abs. 1 Satz 1 BhV).
23 
2. Die hier allein streitige Frage, ob die bei der Klägerin durchgeführte Magenband-Operation medizinisch notwendig war, ist entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts zu bejahen.
24 
a) Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. etwa Urteil vom 19.02.2003 - B 1 KR 1/02 R - BSGE 90, 289), der der Senat folgt, kann die Leistungspflicht für eine chirurgische Therapie bei Adipositas nicht mit der Erwägung verneint werden, dass für das Übergewicht das krankhafte Essverhalten des Patienten und nicht eine Funktionsstörung des Magens verantwortlich ist. Zwar stellt die operative Verkleinerung bzw. Veränderung des Magens keine kausale Behandlung dar, vielmehr soll damit die Verhaltensstörung der Klägerin durch eine zwangsweise Begrenzung der Nahrungsmenge lediglich indirekt beeinflusst werden. Auch eine solche mittelbare Therapie kann aber vom Leistungsanspruch mitumfasst sein.
25 
Wird durch eine Operation in ein funktionell intaktes Organ eingegriffen und dieses regelwidrig verändert, wie das bei der Applikation eines Magenbandes geschieht, bedarf diese mittelbare Behandlung nach der vom Senat ebenfalls geteilten Auffassung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 19.02.2003, aaO) aber einer speziellen Rechtfertigung, wobei die Art und Schwere der Erkrankung, die Dringlichkeit der Intervention, die Risiken und der zu erwartende Nutzen der Therapie sowie etwaige Folgekosten für die Krankenversicherung gegeneinander abzuwägen sind.
26 
Da das Behandlungsziel einer Gewichtsreduktion auf verschiedenen Wegen erreicht werden kann, ist zu prüfen, ob eine vollstationäre chirurgische Behandlung unter Berücksichtigung der Behandlungsalternativen (diätische Therapie, Bewegungstherapie, medikamentöse Therapie, Psychotherapie) notwendig und wirtschaftlich angemessen ist. Danach darf nach dem aktuellen Stand der wissenschaftlichen Diskussion (vgl. dazu etwa: „Evidenzbasierte Leitlinie - Prävention und Therapie der Adipositas“ der Deutschen Adipositas-Gesellschaft; „S3-Leitlinie: Chirurgie der Adipositas“ der Chirurgischen Arbeitsgemeinschaft für Adipositastherapie) eine chirurgische Behandlung wie die Applikation eines Magenbandes nur die ultima ratio sein, zumal ein operativer Eingriff stets mit einem erheblichen Risiko (Narkose, Operationsfolgen wie z.B. Entzündungen, Thrombose bzw. Lungenembolie, operationsspezifische Komplikationen wie Pouchdilatation, Portinfektionen und Stomastenose) verbunden ist. Ein solcher Eingriff kommt nur bei Erfüllung einer Reihe von Bedingungen für eine erfolgreiche Behandlung (BMI über 35 mit erheblichen Begleiterkrankungen bzw. über 40; ausreichende Motivation; keine manifeste psychiatrische Erkrankung; Möglichkeit einer lebenslangen medizinischen Nachbetreuung u.a.) in Betracht (ständige Rechtsprechung der Sozialgerichte, vgl. u.a. BSG, Urteil vom 16.12.2008 B 1 KR 2/08 R - Breith 2009, 488; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 12.07.2006 - L 5 KR 5779/04 - juris).
27 
Für die Beurteilung der Frage, ob die Indikation für eine chirurgische Intervention gegeben ist, kann grundsätzlich auf die u.a. von der Deutschen Adipositas-Gesellschaft und der Deutschen Gesellschaft für Ernährung herausgegebene „Evidenzbasierte Leitlinie - Prävention und Therapie der Adipositas“ zurückgegriffen werden (so auch Landessozialgericht Bad.-Württ, Urteil vom 12.07.2006, aaO). Danach setzt die Magenband-Operation eine mindestens sechs- bis zwölfmonatige konservative Behandlung nach definierten Qualitätskriterien voraus (vgl. Nr. 6.4.7 der Leitlinie Prävention und Therapie der Adipositas, Version 2006). Diese Behandlung umfasst ein Basisprogramm mit den Komponenten Ernährungs-, Bewegungs- und Verhaltenstherapie sowie adjuvanter medikamentöser Therapie (Nr. 6.4 der genannten Leitlinie). Die Behandlung hat auf der Grundlage eines ärztlich koordinierten und geleiteten Gesamttherapiekonzepts zu erfolgen, das Diätmaßnahmen, eine Schulung des Ess- und Ernährungsverhaltens, Bewegungstherapie, gegebenenfalls pharmakologisch-ärztliche Behandlung sowie insbesondere auch eine kombinierte psychotherapeutische Intervention - jedenfalls bei Patienten wie der Klägerin, die an psychischen Erkrankungen leiden - zu umfassen hat (so auch Landessozialgericht Bad.-Württ., Urteil vom 12.07.2006, aaO). Diese Anforderungen, die sich aus der Leitlinie zum Zeitpunkt der Entstehung der Aufwendungen ergaben, gelten auch nach der neuesten Version der „Evidenzbasierten Leitlinie - Prävention und Therapie der Adipositas“ im Wesentlichen fort; im Unterschied zu früher wird aber vor Indikationsstellung wenigstens eine einjährige konservative Behandlung und nicht lediglich eine sechsmonatige Behandlung - wie nach der zum Zeitpunkt der Entstehung der Aufwendungen noch einschlägigen Version - gefordert.
28 
b) Unter Berücksichtigung der individuellen Besonderheiten im Fall der Klägerin stellt sich danach zur Überzeugung des Senats die Applikation eines Magenbandes als ultima ratio dar; die Klägerin hatte auch unter Berücksichtigung der Anforderungen in der „Evidenzbasierten Leitlinie - Prävention und Therapie der Adipositas“ vor der Operation die angezeigten konservativen Behandlungsmöglichkeiten ausgeschöpft.
29 
Die dargestellten Anforderungen der Leitlinie hat die Klägerin zwar nicht zur Gänze erfüllt. Die von ihr durchgeführten konservativen Behandlungen erfolgten nicht auf der Grundlage eines Gesamttherapiekonzepts, auch die grundsätzlich vorgesehene Verhaltenstherapie fehlte. Die von der Klägerin über lange Jahre hinweg durchgeführten konservativen Behandlungen sind aber als gleichwertig zu erachten.
30 
Diese Einschätzung wird insbesondere nicht durch den Umstand in Frage gestellt, dass die Behandlungen bei der Klägerin nicht fachübergreifend koordiniert und geleitet wurden. Nach Sinn und Zweck der Leitlinie ergibt sich die Forderung nach einer Gesamtkoordination daraus, dass lediglich eine relativ kurze Dauer an konservativen Behandlungen vorgesehen ist. Wenn bereits eine sechsmonatige konservative Behandlung (oder nach heutigem Stand eine nur einjährige konservative Behandlung) vor Indikationsstellung als ausreichend erachtet wird, dann muss zumindest die Qualität der Behandlung durch ein koordiniertes Vorgehen im Wege eines Gesamtkonzepts sichergestellt werden. Die Leitlinie gewährleistet mithin die Qualität der konservativen Behandlung durch hohe Anforderungen, die an die Gestaltung des Verfahrens gestellt werden. Im Fall der Klägerin können jedoch Abstriche bei der Verfahrensgestaltung hingenommen werden, weil die Qualität der bei ihr durchgeführten konservativen Behandlungen anderweitig, insbesondere durch ihre lange Dauer und die ärztliche Begleitung sichergestellt wurde. So hat die Klägerin vier Jahre lang eine tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie - teilweise von der Beklagten bezahlt, teilweise auf eigene Kosten - durchgeführt. Gegenstand dieser Therapie war die bei der Klägerin vorhandene Essstörung. Damit ging der zeitliche Umfang dieser psychotherapeutischen Intervention weit über das hinaus, was die Leitlinie fordert. Anhaltspunkte dafür, dass die Therapie fachlich nicht geeignet war, die bei der Klägerin vorhandene Adipositas zu behandeln, sind nicht ersichtlich und werden von der Beklagten auch nicht vorgetragen. Darüber hinaus hat die Klägerin über lange Zeiträume ihre Essstörung unter ärztlicher Aufsicht pharmakologisch behandelt und an Bewegungstherapien teilgenommen, die unter professioneller Betreuung standen. Besondere Bedeutung misst der Senat schließlich dem Umstand bei, dass die Adipositas der Klägerin im Rahmen eines sechswöchigen stationären Aufenthalts in einer Fachklinik für psychotherapeutische Medizin und Psychosomatik ohne Erfolg behandelt wurde. Die Behandlung erfolgte auf der Grundlage eines tiefenpsychologisch orientierten Konzepts unter Einbeziehung von bewegungstherapeutischen und psychotherapeutischen Maßnahmen; dabei lag ein Schwerpunkt auch auf der Ernährungsberatung und der anschließenden Umsetzung durch die Patienten. Die bei der Klägerin durchgeführten konservativen Behandlungen sind vor diesem Hintergrund nicht als vereinzelte, untaugliche bzw. unprofessionelle Versuche zur Gewichtsreduzierung zu werten, die Klägerin führte die Maßnahmen vielmehr unter professioneller Anleitung und nach einem plausiblen Konzept durch. Insbesondere der stationäre Aufenthalt in der Fachklinik erfolgte auf der Grundlage eines ärztlich koordinierten und geleiteten Gesamttherapiekonzepts, das Diätmaßnahmen, eine Schulung des Ess- und Ernährungsverhaltens, Bewegungstherapie sowie psychotherapeutische Behandlung umfasste und deshalb in besonderer Weise den Anforderungen der „Evidenzbasierten Leitlinie“ gerecht wird. Im Hinblick darauf, dass die Klägerin über Jahre hinweg nachhaltige und qualifizierte Bemühungen zur Gewichtsreduktion unternommen und damit die angezeigten konservativen Behandlungsalternativen durchgeführt hat, durfte sie nach objektiviertem Verständnis auch von der Erfolglosigkeit weiterer konservativer Behandlungsmethoden ausgehen.
31 
Auch im Übrigen lagen die Voraussetzungen einer chirurgischen Therapie nach der „Evidenzbasierten Leitlinie - Prävention und Therapie der Adipositas“ vor. Nach Scheitern konservativer Therapien kann die Indikation bei Patienten mit Adipositas mit Grad III (BMI >40) gestellt werden, ohne dass weitere Vorerkrankungen hinzukommen müssen (Nr. 6.4.7 der Leitlinie, Version 2006). Bei der Klägerin lag eine krankhafte Adipositas in diesem Sinne unstreitig vor (BMI von über 40).
32 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
33 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
34 
Beschluss vom 17. Februar 2011
35 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 2.970,14 EUR festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
36 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 29. August 2008 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch für das Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Klägerin Anspruch auf Erstattung der Kosten für eine bereits durchgeführte Brustverkleinerungsoperation hat.

2

Die im Jahr 1967 geborene Klägerin stellte bereits im Frühjahr 2002 bei der Beklagten zwei Anträge auf eine stationäre Behandlung zur Durchführung einer Mammareduktion. Nach Beteiligung des M. D. der K. S-H (MDK) lehnte die Beklagte die Anträge mit den Bescheiden vom 31. Mai 2002 und 3. September 2002 ab.

3

Am 26. Januar 2004 stellte die Klägerin einen erneuten Antrag auf Gewährung einer Mammareduktion als Sachleistung. Die Beklagte beteiligte wiederum den MDK, der im Gutachten von Dr. Ma. vom 29. März 2004 ausführte, dass bei der Klägerin eine erhebliche Adipositas und eine reaktive Depression beständen. Krankhafte Veränderungen an den Brüsten seien nicht feststellbar. Eine Kostenübernahme könne daher nicht empfohlen werden. Die Beklagte lehnte daraufhin den Antrag mit Bescheid (ohne Rechtsmittelbelehrung) vom 26. April 2004 unter Bezugnahme auf die Ausführungen des MDK ab und empfahl eine drastische Gewichtsreduzierung.

4

Am 23. August 2004 teilte die Klägerin der Beklagten mit, sie habe die Operation am 26. Juli 2004 durchführen lassen. Auf der rechten Seite seien 1.080 g und auf der linken Seite 935 g entfernt worden. Hierdurch sei eine deutliche Schmerzerleichterung eingetreten. Sie bat um eine erneute Überprüfung und Erstattung der entstandenen Kosten. Ergänzend legte sie eine Kostenvereinbarung vom 6. Juli 2004 vor. Danach betrugen die Kosten pauschal 4.500,00 EUR.

5

Die Beklagte sah das Schreiben der Klägerin als Widerspruch gegen den Bescheid vom 26. April 2004 an und wies diesen mit Widerspruchsbescheid vom 20. Oktober 2004 als unbegründet zurück. Nach den eingeholten Gutachten des MDK bestehe kein Zusammenhang zwischen den geklagten Rückenbeschwerden und der Brustgröße. Die Rückenbeschwerden könnten auch durch das Übergewicht insgesamt bedingt sein.

6

Hiergegen hat die Klägerin am 18. November 2004 Klage vor dem Sozialgericht Lübeck erhoben und geltend gemacht, dass sie nach der ersten Ablehnung der Operation im Jahre 2002 versucht habe, ihre Rückenschmerzen auf andere Art und Weise in den Griff zu bekommen. Sie habe sich insbesondere um eine Gewichtsreduktion bemüht. Ihre Versuche seien jedoch erfolglos geblieben. Sie habe den Eingriff schließlich durchführen lassen, nicht weil sie psychisch unter den großen Brüsten gelitten habe, sondern weil diese zu erheblichen körperlichen Problemen und Schmerzen geführt hätten. Das Gewicht ihrer Brüste habe vor der Operation deutlich über dem gelegen, was ihr Körperbau bei einer Körpergröße von 166 cm ohne Schäden zu tragen vermocht habe. Ihr behandelnder Arzt habe daher aus medizinischer Sicht dringend zu der Operation geraten.

7

Die Klägerin hat beantragt,

8

den Bescheid der Beklagten vom 26. April 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten für die durchgeführte Brustverkleinerung zu erstatten, soweit die Beklagte leistungspflichtig gewesen wäre.

9

Die Beklagte hat beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Zur Begründung hat sie auf ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden und auf das von ihr vorgelegte Gutachten von Dr. W. vom 26. August 2008 (MDK) Bezug genommen.

12

Das Sozialgericht hat Berichte der behandelnden Ärzte eingeholt. Der Neurologe und Psychiater Dr. R. führte in seinem Befundbericht vom 20. April 2005 aus, die Klägerin habe sich im Dezember 2003 vorgestellt, über Minderwertigkeitsgefühle wegen zu großer Brüste geklagt und um ein Attest für die Krankenkasse gebeten. Im April 2004 habe sie dann über psychosomatische Beschwerden geklagt, die sie auf eine reaktive Depression wegen der zu großen Brüste bezogen habe. Als Diagnosen stellte Dr. R. eine reaktive Depression, eine Mammahyperplasie sowie ein Karpaltunnelsyndrom fest. Der Facharzt für Chirurgie Dr. B. führte in seinen Berichten vom 7. Oktober 2002 und 13. Juni 2005 aus, er habe die Klägerin u. a. wegen Cervikalneuralgien und Lumbago behandelt. Im Vordergrund hätten degenerative Veränderungen der Gelenke und der Wirbelsäule gestanden. Im Röntgenbild habe an der Lendenwirbelsäule ein altersentsprechender Normalbefund bestanden. Der Internist Dr. K. führte in seinem Bericht vom 21. Juni 2005 insbesondere aus, bei der Klägerin hätten migräneartige Spannungskopfschmerzen vom Nacken zum Hinterkopf ausstrahlend bestanden. Bei zunehmender Adipositas habe eine glaubhaft starke psychische Belastung durch die Mammahypertrophie bestanden. Er habe die Diagnose einer Adipositas, einer Refluxösophagitis und einer chronisch venösen Insuffizienz gestellt. Der Orthopäde und Chirotherapeut P. führte in seinem Bericht vom 23. Februar 1999 insbesondere aus, die Klägerin habe bereits seit ihrer Jugend unter Migräneanfällen gelitten. Eine starke Verspannung der Schulter-Nacken-Muskulatur sei anlagebedingt und durch Massagen nicht zu ändern. An der Halswirbelsäule habe sich im Röntgenbild kein Befund ergeben. Als Diagnosen habe er eine rezidivierende Migräne und eine anlagebedingte chronische Verspannung der Schulter-Nacken-Muskulatur festgestellt.

13

Das Sozialgericht hat darüber hinaus ein schriftliches Gutachten der Ärztin für Chirurgie, Unfallchirurgie, Sozialmedizin und Sportmedizin Dr. S. aus H. vom 13. Juni 2007 eingeholt. Dr. S. kam zu dem Ergebnis, dass ein Zusammenhang zwischen den geklagten Rückenbeschwerden und der Brustgröße nicht hergestellt werden könne. Auch habe im Bereich der Brüste keine behandlungsbedürftige Krankheit vorgelegen.

14

Das Sozialgericht hat auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) ein Gutachten des Orthopäden Dr. Ba. aus H. vom 12. Juni 2008 eingeholt. Dr. Ba. kam zu dem Ergebnis, dass präoperativ eine Haltungsfehlfunktion aufgrund der Brustgröße bei der Klägerin vorgelegen habe. Er führte insbesondere aus, sowohl im Stehen als auch im Sitzen sei es zu einer fortgesetzten Fehlbelastung des Halteapparats mit Schmerzen gekommen. Die Klägerin habe präoperativ unter den typischen Folgen einer chronifizierten Schmerzsituation, wie z. B. auch reaktiven depressiven Tendenzen gelitten. Die Mammahyperplasie sei mittelbar und unmittelbar für die Verschlechterung des Gesamtzustandsbildes ursächlich.

15

Mit Urteil vom 29. August 2008 hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat das Sozialgericht ausgeführt, dass eine krankenversicherungsrechtliche Leistungspflicht nur dann bestehe, wenn die Versicherte in ihren Körperfunktionen beeinträchtigt werde oder wenn eine anatomische Abweichung entstellend wirke. Eine Makromastie sei jedenfalls dann keine Krankheit, wenn die Größe der Brüste proportional zum Körperhabitus sei. Anspruch auf eine Mammareduktionsplastik zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung bestehe dann grundsätzlich nicht. An die Notwendigkeit einer Brustverkleinerungsoperation zur Behandlung orthopädischer Leiden seien besonders strenge Anforderungen zu stellen, da in ein funktionell intaktes Organ eingegriffen werden solle. Wissenschaftliche Erkenntnisse zu einem ursächlichen Zusammenhang zwischen orthopädischen Gesundheitsstörungen und der Brustgröße gebe es bisher nicht. Daran gemessen stelle die frühere Größe der Brüste der Klägerin keine körperliche Anormalität dar, die als Krankheit in diesem Sinne zu bewerten gewesen wäre. Keiner der Sachverständigen und keiner der behandelnden Ärzte habe krankhafte Veränderungen im Bereich der Brüste feststellen können. Die Größe der Brüste habe auch keine darüber hinausgehende gesundheitliche Beeinträchtigung hervorgerufen. Insoweit sei den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen Dr. S. zu folgen. Danach habe sich kein Nachweis finden lassen, dass aufgrund der Brustgröße eine wesentliche Fehlfunktion bzw. Einschränkung von Körperfunktionen vor der Operation vorgelegen habe. Bei der Klägerin habe kein wirklich krankhafter Befund im Bereich der Hals-, Brust- oder Lendenwirbelsäule vorgelegen. Als Grund für die von der Klägerin geklagten funktionellen Wirbelsäulenbeschwerden komme nach den Ausführungen der Sachverständigen in erster Linie ein ausgeprägtes Übergewicht und eine daraus resultierende dezent ausgeprägte Hohlrundrückenfehlstatik bei Insuffizienz der rumpfstabilisierenden Muskulatur als Ursache in Betracht. Demgegenüber sei das Gutachten des Dr. Ba. insgesamt unbrauchbar. Soweit Dr. Ba. eine Haltungs-Fehlfunktion aufgrund der Brustgröße festgestellt habe, sei er den hierfür erforderlichen Nachweis bzw. die Begründung schuldig geblieben. Seine Begründung bestehe überwiegend aus allgemeinen Ausführungen und Literaturzitaten. Soweit die Klägerin neben den behaupteten Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule und des Nackens auch über psychische Probleme berichtet habe, seien diese im Rahmen des hier gestellten Anspruches nicht weiter relevant. Vorrangig sei insoweit eine Behandlung durch Psychiater und Psychotherapeuten durchzuführen.

16

Gegen dieses den Prozessbevollmächtigten der Klägerin am 8. Dezember 2008 zugestellte Urteil richtet sich ihre Berufung, die am 22. Dezember 2008 bei dem Schleswig-Holsteinischen Landessozialgericht eingegangen ist. Zur Begründung führt die Klägerin aus: Das Sozialgericht habe dem Sachverständigen Dr. Ba. vorgeworfen, dass eine Haltungsfehlfunktion aufgrund der Brustgröße festgestellt worden sei, wofür der Sachverständige aber den erforderlichen Nachweis bzw. die Begründung schuldig geblieben sei. Der Sachverständige habe lediglich allgemeine Ausführungen und Literaturzitate wiedergegeben ohne Bezug zum konkreten Fall. Diese Ausführungen des Sozialgerichts seien nicht nachvollziehbar. Der Sachverständige habe anlässlich einer Untersuchung einen umfassenden Befund erhoben und seine gutachterliche Einschätzung durch Heranziehung der medizinisch-wissenschaftlichen Fachliteratur untermauert. Außerdem sei das Urteil verfahrensfehlerhaft zustande gekommen. In der mündlichen Verhandlung habe das Sozialgericht nicht zum Ausdruck gebracht, dass es das Gutachten von Dr. Ba. für „insgesamt unbrauchbar“ halte. Hierzu wäre das Gericht verpflichtet gewesen, um im Rahmen des Anspruchs auf rechtliches Gehör der Klägerin Gelegenheit zu geben, sich hierzu zu äußern.

17

Die Klägerin beantragt,

18

das Urteil des Sozialgerichts Lübeck vom 29. August 2008 sowie den Bescheid der Beklagten vom 26. April 2004 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 2004 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr die Kosten für die durchgeführte Brustverkleinerung in Höhe von 4.500,00 EUR zu erstatten.

19

Die Beklagte beantragt,

20

die Berufung zurückzuweisen.

21

Sie ist der Auffassung, dass das Urteil des Sozialgerichts nicht zu beanstanden sei. Die frühere Größe der Brüste der Klägerin habe keine körperliche Anormalität dargestellt, so dass kein regelwidriger Körperzustand und somit keine Krankheit im Rechtssinne vorgelegen habe. Die Brustgröße der Klägerin habe keine darüber hinausgehende gesundheitliche Beeinträchtigung hervorgerufen. In erster Linie sei das ausgeprägte Übergewicht und eine daraus resultierende dezent ausgeprägte Hohlrundrückenfehlstatik ursächlich für die von der Klägerin geklagten funktionellen Wirbelsäulenbeschwerden gewesen. Ein Eingriff in ein gesundes Organ – hier die Brüste – sei nur dann gerechtfertigt, wenn keinerlei andere Behandlungsmethoden zum Erfolg führen könnten. Vorrangig sei therapeutisch auf einen Ausgleich der Bindegewebsstrukturen und der Rückenmuskulatur durch krankengymnastische Übungen und auf eine Gewichtsreduktion hinzuwirken. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen gebe es keinen ursächlichen Zusammenhang zwischen Brustgröße und Wirbelsäulenbeschwerden. Zu Recht habe das Sozialgericht das Gutachten von Dr. Ba. für nicht überzeugend gehalten. Ein Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör liege nicht vor.

22

Der Senat hat in der mündlichen Verhandlung vom 25. März 2010 Beweis erhoben durch Anhörung des Arztes für Orthopädie Dr. N. aus A. als medizinischen Sachverständigen, dessen Gutachten vom 8. März 2010 den Beteiligten vorab übersandt worden war.

23

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsakten der Beklagten. Diese haben dem Senat vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen.

Entscheidungsgründe

24

Die insbesondere form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.

25

Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die Ablehnung der Kostenübernahme für die bei der Klägerin durchgeführte Brustverkleinerungsoperation durch die Beklagte ist rechtmäßig.

26

Rechtsgrundlage des Anspruchs der Klägerin ist § 13 Abs. 3 Satz 1 zweite Alternative Sozialgesetzbuch, Fünftes Buch (SGB V) in Verbindung mit § 27 Abs. 1 Satz 1 SGB V. Danach muss die durchgeführte Brustverkleinerungsoperation als Maßnahme der Krankenbehandlung notwendig gewesen sein. Eine Krankheit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne ist ein regelwidriger Körperzustand, der Behandlungsbedürftigkeit und/oder Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. Eine Regelwidrigkeit liegt vor, wenn der Körperzustand vom Leitbild eines gesunden Menschen abweicht. Dabei kommt nicht jeder körperlichen Unregelmäßigkeit Krankheitswert im Rechtssinne zu. Eine für die krankenversicherungsrechtliche Leistungspflicht maßgebende Krankheit liegt nur vor, wenn die Versicherte in ihren Körperfunktionen beeinträchtigt wird oder wenn die anatomische Abweichung entstellend wirkt (Bundessozialgericht, Urteil vom 13. Juli 2004, B 1 KR 11/04 R, Urteil vom 19. Juli 2004, B 1 KR 9/04 R). In diesem Sinne stellen übergroße Brüste grundsätzlich keine Krankheit dar (vgl. Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 21. August 2008, L 1 KR 7/07).

27

Die Klägerin ist nicht wegen einer äußeren Entstellung behandlungsbedürftig. Um eine Entstellung annehmen zu können, genügt nicht jede körperliche Anormalität. Vielmehr muss es sich objektiv um eine erhebliche Auffälligkeit handeln, die naheliegende Reaktionen der Mitmenschen wie Neugier oder Betroffenheit bewirkt und erwarten lässt, dass die betroffene Person ständig viele Blicke auf sich zieht, zum Objekt besonderer Betrachtung anderer wird und sich deshalb aus dem Leben in der Gemeinschaft zurückzieht (Bundessozialgericht, Urteil vom 28. Februar 2008, B 1 KR 19/07 R). Danach liegt eine Entstellung bei der Klägerin hier nicht vor. Eine Dysproportion zwischen Figur, Körperbau und Brustgröße in dem dafür erforderlichen Maße lässt sich den vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen nicht entnehmen.

28

Ein psychischer Leidensdruck wegen der übergroßen Brüste wird von der Klägerin ausdrücklich verneint. Unabhängig davon wäre dieser vorrangig durch Psychiater/Psychologen zu behandeln und rechtfertigt keinen operativen Eingriff. Ebenso klar ist, dass kosmetische Defizite keine Krankheit darstellen.

29

Was bleibt, ist die Frage, ob die durchgeführte Operation zur Behandlung der von der Klägerin geklagten Wirbelsäulenbeschwerden notwendig war. Die Operation erfolgte mithin zur nur mittelbaren Bekämpfung der auf orthopädischem Gebiet bestehenden Beschwerden. Zwar können grundsätzlich auch solche Maßnahmen notwendig sein, wenn sie gezielt der Krankheitsbekämpfung dienen (vgl. Bundessozialgericht, Urteil vom 19. Februar 2003, B 1 KR 1/02 R). Eine solche mittelbare Behandlung bedarf einer besonderen Rechtfertigung, indem eine Abwägung zwischen dem voraussichtlichen medizinischen Nutzen und möglichen gesundheitlichen Schäden erfolgen muss. Wird dabei – wie hier – in ein funktionell intaktes Organ eingegriffen, sind besonders hohe Anforderungen zu stellen, wobei Art und Schwere der Erkrankung, das Risiko und der eventuelle Nutzen der Therapie gegeneinander abzuwägen sind (Bundessozialgericht ebenda). Zu fordern ist auf jeden Fall eine schwerwiegende Erkrankung der Wirbelsäule und die erfolglose Ausschöpfung aller konservativen orthopädischen Behandlungsmaßnahmen (vgl. etwa Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 1. Mai 2007, L 5 KR 118/04 und Sachsen-Anhalt, Urteil vom 26. Februar 2009, L 10 KR 25/06). In diesem Zusammenhang wird unter Hinweis auf fehlende medizinisch-wissenschaftliche Erkenntnisse bereits generell in Frage gestellt, dass es einen ursächlichen Zusammenhang zwischen orthopädischen Gesundheitsstörungen und der Brustgröße gibt (so wohl auch Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 18. Oktober 2002, L 4 KR 4692/01; Hessisches Landessozialgericht, Urteil vom 21. August 2008, L 1 KR 7/07).

30

Diese grundsätzlichen Bedenken des Baden-Württembergischen und des Hessischen Landessozialgerichts können hier dahinstehen, da jedenfalls bei der Klägerin nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme für den Senat feststeht, dass die Brustverkleinerung zur Behandlung der geltend gemachten Wirbelsäulenbeschwerden nicht notwendig war. Die Operation war nicht vorrangig geeignet, das Beschwerdebild zu bessern. Vor dem Hintergrund einer fehlenden erheblichen, schwerwiegenden Erkrankung der Wirbelsäule wäre eine Besserung der Beschwerden auch durch eine drastische Gewichtsreduktion, Absetzen der Ovulationshemmer sowie durch sportliche Aktivitäten zum Ausgleich der muskulären Insuffizienz und der Bandschwäche erreicht worden. Im Wesentlichen übereinstimmend haben Dr. S. und Dr. N. ausgeführt, dass bei der Klägerin eine Fehlstatik der Lendenwirbelsäule/Brustwirbelsäule vorliegt im Sinne eines mäßig verstärkten Hohlrundrückens. Die Klägerin hat vor der Geburt ihres ersten Kindes 1988 etwa 60 kg bei einer Körpergröße von etwa 170 cm gewogen. Nach der zweiten Geburt 1993 betrug das Gewicht etwa 85 kg. Danach kam es aufgrund einer hormonellen Behandlung zu einer rasanten Gewichtszunahme von etwa 37 kg innerhalb von gut drei Monaten. Das höchste in den Akten dokumentierte Körpergewicht betrug 107 kg. Wie der Sachverständige Dr. N. in diesem Zusammenhang gestützt auf wissenschaftliche Studien ausgeführt hat, nimmt die weibliche Brust bei einer Zunahme des Körpergewichts je kg etwa um 20 g zu. Allein schon dadurch erklären sich die übergroßen Brüste nach der erheblichen Zunahme des Körpergewichts der Klägerin (37 kg entsprechen 740 g je Brust). Im August 2002 wurde die Hormongabe wegen einer Thrombose beendet. Heute wiegt die Klägerin wieder 83 kg (BMI 28,5 kg/m²).

31

Die Rückenbeschwerden der Klägerin traten etwa 1999/2000 auf. In den Jahren zuvor gab es keine Hinweise auf Beschwerden wegen zu großer Brüste. Die Klägerin befand sich damals in einer schwierigen Situation. Einerseits lag das dargestellte massive Übergewicht vor, andererseits psychische Belastungen sowohl durch das Übergewicht als auch durch die häuslichen Probleme mit den Kindern. Wegen der andauernden Hormongabe bestand bis zum Jahre 2002 auch keine realistische Chance auf Gewichtsreduktion.

32

Vor diesem Hintergrund schließt sich der Senat der Bewertung der medizinischen Sachverständigen Dr. S. und Dr. N. an, dass die Rückenbeschwerden der Klägerin seinerzeit auf das erhebliche Übergewicht und auf die durch die Gewichtszunahme stark vergrößerten Brüste zurückzuführen waren. Sie wären durch Reduzierung des Körpergewichts und sportliche Aktivitäten daher auch vorrangig gegenüber der Brustverkleinerungsoperation zu bessern gewesen. Dies korrespondiert damit, dass die Klägerin heute nach Gewichtsabnahme bei einem BMI von 28,5 kg/m² weitgehend beschwerdefrei ist. Die Reduzierung des Gesamtgewichts hätte auch eine Verkleinerung der Brüste zur Folge gehabt. Wenngleich dabei in der Regel nicht ganz 20 g je Brust pro kg Körpergewichtsverlust erreicht werden, wären jedenfalls die übergroßen Brüste – die der Klägerin Veranlassung zur Operation gegeben hatten – deutlich reduziert worden.

33

Der hiervon abweichenden gutachterlichen Bewertung von Dr. Ba. vermochte der Senat nicht zu folgen. Die dortige Untersuchung der Klägerin erbrachte keine relevanten Einschränkungen bei beschwerdearmem Zustand. Dies bestätigt auch den von den anderen Gutachtern erhobenen Befund, wonach keine schwerwiegende Erkrankung der Wirbelsäule vorliegt. Der Gutachter Dr. Ba. kommt allerdings zu dem Ergebnis, dass die Operation erforderlich war, weil die Klägerin vor der Operation unter einer chronischen Schmerzkrankheit mit reaktiven depressiven Mustern gelitten habe. Durch die Operation seien Besserungen mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten gewesen in Bezug auf die statische Fehlbelastung, die Schmerzen und die psychische Belastungssituation. Dies sei dann auch bei unveränderter Adipositas eingetreten, die deswegen als Ursache für die Wirbelsäulenbeschwerden ausscheide. Dieses Gutachten hat den Senat nicht überzeugt. Der Gutachter geht von einer chronischen Schmerzerkrankung der Klägerin vor der Operation aus, obwohl dies den Berichten der behandelnden Ärzte nicht zu entnehmen ist. Eine spezielle Schmerztherapie, die vor einer Brustoperation angezeigt gewesen wäre, wurde von keinem der behandelnden Ärzte empfohlen und hat auch nicht stattgefunden. Hierzu hat der Gutachter Dr. N. zutreffend ausgeführt, dass Dr. Ba. in seinem Gutachten im Wesentlichen die Entstehung chronischer Schmerzen erklärt habe, jedoch die Benennung eines nachvollziehbaren anzuschuldigenden pathomorphologischen Substrats bei der Klägerin schuldig geblieben sei. Letztlich geht Dr. Ba. von einer unzutreffenden Prämisse aus und auf alternative Behandlungsmöglichkeiten überhaupt nicht ein.

34

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 Sozialgerichtsgesetz.

35

Gründe dafür, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.


Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 31. März 2003 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Zwischen den Beteiligten ist die Übernahme der Kosten für eine Brustverkleinerungsoperation streitig.
Die 1975 geborene Klägerin ist versicherungspflichtiges Mitglied der Beklagten. Sie ist 1,60 m groß und hatte 2001 ein Gewicht von 75 kg, heute 70 kg.
Am 14.12.2001 beantragte die Klägerin die Kostenübernahme für eine beabsichtigte Brustverkleinerungsoperation. Sie legte hierzu Atteste der Dres. von S. und Sch., Plastische und Wiederherstellungschirurgie des Klinikums O., und der Frauenärztin R. E. vor. Nach dem Attest des Klinikums O. wurde bei ihr eine Mammahyperplasie diagnostiziert. Es heißt darin, das Brustgewicht betrage 1300 g auf jeder Seite. Die Klägerin trage BH-Größe 85 E. Es sei davon auszugehen, dass die Resektion ca. 700 g pro Seite betragen werde. Da die Klägerin auch schon über deutliche Haltungsschäden und Rückenschmerzen klage, würden sie - die Ärzte - aufgrund des ausgeprägten Gewichtes und der guten Reduktionsmöglichkeit eine medizinische Indikation für die Mammareduktionsplastik gegeben sehen und der Krankenkasse eine Kostenübernahme empfehlen. Die Frauenärztin E. befundete eine ausgeprägte Mammahyperplasie mit starker Ptose beidseits. Langfristig sei durch das Gewicht der Brust ein HWS/BWS-Syndrom zu erwarten. Die Brustgröße stelle auch ein psychologisches Problem dar. Es bestehe eine medizinische Indikation zur Reduktionsplastik.
Die Beklagte ließ die Klägerin daraufhin durch Dr. W. vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MdK) begutachten. Bei der Untersuchung fand sich ein unauffälliger Hautbefund im Bereich der Brust ohne Schnürfurchen durch die BH-Träger und ohne mammäre Venenstauung. Im Bereich der Wirbelsäule zeigte sich ein leichter Flachrücken mit mäßiger Insuffizienz der Interskapularmuskulatur. Die Ärztin vertrat die Auffassung, die richtige BH-Größe sei nach den gemessenen Brustmaßen 85 B. Dies entspreche einem Sollgewicht der Brust von 745 g. Nach Strömbeck und Kühnau sei durch Reduktion des Körpergewichts an die obere Grenze des Idealgewichts (Gewichtsdifferenz 15 kg) ein Reduktionsäquivalent von 300 g pro Mamma zu erreichen, was zu einem erreichbaren Brustgewicht von 445 g führe. Studien, die den Zusammenhang zwischen Brustgewicht und schädigendem Einfluss auf den Haltungs- und Stützapparat wissenschaftlich belegen würden, lägen bisher selbst bei Brustlasten über 1200 g nicht vor. Brustmassen unter 1200 g seien in der aktuellen Literatur durch Studien überhaupt nicht abgebildet. Bezogen auf das Brustgewicht liege eine Krankheit im Sinne der gesetzlichen Krankenversicherung nicht vor. Eine Ausschöpfung orthopädisch und physiotherapeutischer Therapiemaßnahmen könne nicht nachvollzogen werden.
Mit Bescheid vom 09.01.2002 lehnte die Beklagte gestützt hierauf die Kostenübernahme ab.
Nach erfolgtem Widerspruch ermittelte die Beklagte erneut und hörte den Arzt Schi. vom MDK. Dieser kam zu dem Ergebnis, anhand der von Dr. W. gemessenen Brustmaße müsste die Klägerin - entnommen aus den Erfahrungen der Miederindustrie - BH-Größe 85 C/D tragen. BH-Größe 85 D entspreche einem Sollgewicht in Gramm pro Seite von 745. Bei Annahme der korrekten BH-Größe 85 C würde das Sollgewicht 610 g betragen. Angaben über das tatsächliche Brustgewicht lägen nicht vor. Eine Leistungsverpflichtung zur Kostenübernahme einer Mamma-Reduktion wegen therapieresistenter WS-Symptomatik bei Adipositas ohne vorherige Reduktion bzw. Normalisierung des Übergewichts (159 cm, 75 kg) und ohne vorherige Ausschöpfung, orthopädisch-physiotherapeutischer Rehabilitationsmöglichkeiten sei unter Berücksichtigung des Maßes des Notwendigen nicht gegeben. Mit Bescheid vom 04.02.2002 lehnte die Beklagte daraufhin erneut die Kostenübernahme ab.
Im Rahmen des dagegen gerichteten Widerspruchs legte die Klägerin ein ärztliches Attest des Dr. K. und einen Arztbrief des Orthopäden Dr. G. vor. Dr. K. führt in dem Attest aus, bei der Klägerin bestünden in den vergangenen Jahren zunehmend Beschwerden im Bereich der HWS sowie der BWS und darüber hinaus immer wiederkehrende Cephalgien im Rahmen einer Cervikobrachialgie. Diese Beschwerden würden in einer Frequenz von ca. sechs- bis achtmal pro Jahr auftreten. Die Klägerin bedürfe aufgrund dieser Beschwerden regelmäßiger Schmerztherapie sowie gelegentlicher physikalischer Maßnahmen. Die Durchführung einer Reduktionsplastik aus medizinischen Gründen werde für dringend notwendig erachtet. Dr. G. diagnostizierte ausweislich seines Arztbriefes ein chronisches HWS-/BWS-Syndrom, HWS-Blockade C4/5 und BWS-Blockade Th 5/6. Die deutliche Mammahyperplasie beidseits sei sicherlich mit ursächlich für die Beschwerdesymptomatik. Die bereits geplante Mamma-Reduktionsplastik sei aus orthopädischer Sicht medizinisch sinnvoll.
Mit Widerspruchsbescheid vom 22.08.2002 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Bei der beantragten operativen Maßnahme handele es sich um eine kosmetische Korrektur, die nicht zu Lasten der Versichertengemeinschaft durchgeführt werden dürfe.
Deswegen erhob die Klägerin Klage zum Sozialgericht Freiburg (SG). Zur Begründung trug sie vor, dass sie krank sei und die beantragte Behandlung benötige.
10 
Das SG zog den in der Verwaltungsakte fehlenden „Einspruch" der Klägerin gegen das MDK-Gutachten von Dr. W. und ein Schreiben der Frauenärztin E. bei. In dem Einspruch weist die Klägerin insbesondere darauf hin, dass ihre bisherige Gewichtsabnahme von 15 kg zu keiner Veränderung ihrer Brust geführt habe. In den vergangenen Jahren habe sie häufig Massagen wegen Verspannungen im Nacken- Rückenbereich bekommen. Auch habe sie wegen der Brüste psychische Probleme. Die Ärztin E. setzte sich vornehmlich mit der nach ihrer Ansicht von Dr. W. fehlerhaft vorgenommenen Berechnung des Brustgewichts auseinander.
11 
Mit Urteil vom 31.03.2003, dem Kläger-Bevollmächtigten zugestellt am 14.05.2003, wies das SG die Klage ab. Die großen Brüste der Klägerin als solche würden noch keinen regelwidrigen Körperzustand darstellen, der eine Heilbehandlung erforderlich machen würde. Brüste derartiger Größe bei Frauen seien noch als Normvariante der menschlichen Physiognomie aufzufassen. Im Übrigen seien die großen Brüste lediglich ein Glied in einer Kette von Gründen, die in ihrer Gesamtheit insbesondere die Cephalgien und Cervikobrachialgien bei der Klägerin bewirken würden. Deshalb sei auch nicht anzunehmen, dass allein die Verkleinerungsoperation der Brüste die Cephalgien und Verspannungen der Halswirbelsäule beseitigen würde. Wichtig sei dabei auch, dass im Bereich der Halswirbelsäule noch keine schwerwiegende Organpathologie festzustellen sei. Darüber hinaus sei eine Brustreduktionsoperation zum derzeitigen Zeitpunkt auch deshalb noch nicht notwendig, weil eine genügend intensive und genügend dauerhafte fachorthopädische Behandlung der Schmerzen bei der Klägerin nicht erfolgt sei. Sollten länger andauernde, intensive und konzentrierte Maßnahmen bei der Klägerin über einen längeren Zeitraum keinen genügenden Erfolg zeitigen, so wäre im Übrigen auch an eine stationäre Rehabilitationsmaßnahme zu denken. Ehe solche einfacheren und weniger einschneidenden Maßnahmen noch nicht durchgeführt worden seien, könne jedenfalls nach Überzeugung der Kammer eine Brustverkleinerungsoperation noch keine notwendige Behandlungsmaßnahme im Sinne des Gesetzes darstellen. Dabei sei der Gesichtspunkt zu beachten, dass es bei der beantragten operativen Maßnahme um einen Eingriff in ein an und für sich gesundes Körperorgan gehe. Soweit seelische Probleme der Klägerin angesprochen worden seien, die mit auf die zu großen Brüste zurückzuführen seien, sei darauf hinzuweisen, dass eine psychische Störung mit den Mitteln der Psychiatrie und Psychotherapie zu behandeln sei. Dies müsse um so mehr im Falle der Klägerin, bei der bisher offenbar eine konsequente psychotherapeutische oder fachpsychiatrische Behandlung noch überhaupt nicht stattgefunden habe, gelten.
12 
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit der am 14.05.2003 eingereichten Berufung. Zur Begründung trägt sie vor, bei ihr könne von einer im Normbereich liegenden Variante der Brustgröße nicht mehr ausgegangen werden. Sie habe ihr Gewicht bereits von 90 kg auf 70 kg bei einer Körpergröße von 1,60 m reduziert und habe auch krankengymnastische Behandlungen durchgeführt. Sie leide an einer Krankheit. Ursache dieser Krankheit sei die Größe der Brust. Diese könne durch fachorthopädische Behandlung und Krankengymnastik nicht verändert werden. Der operative Eingriff sei deshalb notwendig.
13 
Die Klägerin beantragt,
14 
das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 31. März 2003 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 4. Februar 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 22. August 2002 zu verurteilen, ihr eine Brustverkleinerungsoperation beidseits zu gewähren.
15 
Die Beklagte beantragt,
16 
die Berufung zurückzuweisen.
17 
Sie hält das Urteil für richtig.
18 
Der Senat hat Dr. K., Dr. G. und die Frauenärztin E. als sachverständige Zeugen gehört.
19 
Dr. K. hat mitgeteilt, die Klägerin werde von ihm seit dem Jahr 2000 wegen Rückenschmerzen etwa vier- bis sechsmal pro Jahr behandelt. Sie klage über Schmerzen im Bereich der Brustwirbelsäule ausstrahlend in beide Schulterblätter. Darüber hinaus sei es insbesondere im Jahr 2002 und 2003 zu Beschwerden im Bereich der Halswirbelsäule gekommen. Er habe eine erhebliche Myogelose im Bereich der Brustwirbelsäule teilweise auch im Halswirbelsäulenbereich erhoben. Die Muskulatur in diesem Bereich sei druckschmerzhaft und die Armhebung teilweise schmerzhaft bewegungseingeschränkt gewesen. Die Klägerin sei durch Gabe von Analgetika und teilweise durch die Verordnung von physikalischer Therapie behandelt worden. Ergänzend führte er aus, dass er die Ursache der Beschwerden der Klägerin in erster Linie auf die bestehende Brustvergrößerung zurückführe. Logisch sei, dass auch gewisse Verspannungen und Abnutzungserscheinungen zusätzlich bestehen würden. Physikalische Therapien habe er am 18.01. und 16.09.2002 sowie am 07.04. und 08.07.2003 verordnet.
20 
Dr. G. hat ausgeführt, er habe bei der Klägerin einen paravertebralen muskulären Hartspann HWS/BWS, Reklinationsschmerz HWS, Wirbelblockade C4/5, Th 5/6 und radiologisch eine Streckfehlhaltung der Halswirbelsäule befundet. Augenscheinlich bestehe eine deutliche Mammahypertrophie beidseits. Die Beschwerden der Klägerin seien durchaus auch auf die ausgeprägte Mammahypertrophie beidseits und die damit verbundene statische Belastung zurückzuführen.
21 
Die Ärztin E. hat sich dahingehend geäußert, dass die Klägerin über Rückenschmerzen im oberen BWS- und HWS-Bereich klage. Sie berichte auch über Minderwertigkeitsgefühle und das Gefühl abschätzig beobachtet zu werden. Sie habe eine Makromastie beidseits mit einem diskreten Seitenunterschied zu Gunsten rechts festgestellt. Es bestünden eine ausgeprägte Ptose sowie ausgeprägte Striae, vor allem im Bereich der oberen und seitlichen Brustausläufer beidseits. Darüber hinaus habe sie eine Kyphose der oberen BWS mit reaktiver Lordosierung der HWS und einer Prominenz des 7. HWK sowie einen Schulterschiefstand im Sinne von nach vorne gezogenen Hängeschultern festgestellt. Die Haut der unteren Brustquadranten sei zusätzlich hyperpigmentiert. Die Klägerin trage einen Spezialbüstenhalter der Größe 85 E - F mit extra breiten Trägern.
22 
Die Beklagte hat sich unter Berücksichtigung dieser Auskünfte dahingehend geäußert, dass von einem Ausschöpfen des Therapierahmens nicht gesprochen werden könne. Darüber hinaus stehe auch nicht fest, dass allein die von der Klägerin behauptete Mammahypertrophie Ursache der geklagten Beschwerden sei.
23 
Im Auftrag des Senats hat daraufhin der Orthopäde Dr. F., Bundeswehrkrankenhaus U., ein fachorthopädisches Gutachten erstattet. Dr. F. hat bei der Klägerin ein chronisch rezidivierendes HWS-BWS-Syndrom mit stellenweiser pseudo-radikulärer Ausstrahlung, ausgeprägte Muskelverspannungen und -verhärtungen im Bereich der Schultergürtelmuskulatur beidseits und beider Schulterblätter, eine Fixierung der Schulterblattgleitebene beidseits und eine Fixierung des Übergangs der HWS zur BWS und der BWS zur LWS diagnostiziert. Ursache für die Beschwerden der Klägerin sei die deutliche Brusthypertrophie. Bei den bestehenden Gesundheitsstörungen der Klägerin handele es sich um statisch bedingte Beschwerden, die eine muskuläre Dysbalance im Bereich vor allem der gesamten BWS und der unteren HWS hervorgerufen hätten. Hierfür sprächen auch die Fixierung der Schulterblattgleitebene beidseits und die ausgeprägten muskulären Verspannungen der Schultergürtelmuskulatur beidseits mit deutlichen Muskelverhärtungen beidseits. Bei dem Nach vorne beugen der Wirbelsäule komme das vorliegende Brustvolumen im Sinne einer „Vorderlast" massiv zum Tragen. Dies führe, um dem Gewicht zu begegnen zu einer Fixierung bzw. Abriegelung des Übergangs der HWS zur BWS und der BWS zur LWS. Dies wiederum ziehe eine Verspannung der wirbelsäulennahen Muskulatur nach sich. Nachfolgend sei es hierdurch zu einer Verschiebung der Brustkyphose nach kranial und einer Steilstellung der HWS gekommen. Als Ursache der radiologisch dokumentierten Wirbelsäulenfehlhaltung sei die vorliegende ausgeprägte Mammahypertrophie verbunden mit einer deutlich sichtbaren sog. Hängebrust zu sehen. Die Durchführung von Heilmaßnahmen könne wohl eine Linderung der bestehenden Beschwerden herbeiführen. Eine Verbesserung des Gesundheitszustandes durch konservative Therapiemaßnahmen sei allerdings nur kurzfristig bis maximal mittelfristig zu erwarten. Eine psychiatrische psycho-therapeutische Behandlung der Klägerin sei nicht der geeignete Weg diesen Beschwerden zu begegnen. Alternative und vor allem ebenso sinnvolle oder effektive Behandlungsmethoden stünden nicht mehr zur Verfügung. Von der Tendenz her bestehe eine abnehmende Kompensationsmöglichkeit der Wirbelsäulenmuskulatur die durch die Mammahypertrophie und Ptosis ausgelöste betonende Vorderlast entsprechend zu stabilisieren. Daher sei es sinnvoll und notwendig, um einer sich - mit hoher Wahrscheinlichkeit - entwickelnden dauerhaften Schädigung bzw. einer Verschlimmerung der bestehenden Beschwerden im Bereich der Wirbelsäule vorzubeugen, eine Brustverkleinerung durchzuführen.
24 
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
25 
Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist jedoch sachlich nicht begründet. Das von der Klägerin angefochtene Urteil ist zu Recht ergangen. Der Bescheid der Beklagten vom 04.02.2002, der den Bescheid vom 09.01.2002 ersetzte, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2002 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Brustverkleinerungsoperation.
26 
Gemäß § 11 Abs. 1, § 27 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) haben Versicherte wie die Klägerin Anspruch auf Behandlung einer Krankheit. Gemäß § 12 Abs. 1 SGB V muss die Behandlung ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Der Anspruch umfasst u.a. die notwendige ärztliche Behandlung und die Krankenhausbehandlung. Krankheit im Sinne des SGB V ist ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der die Notwendigkeit einer ärztlichen Behandlung des Versicherten oder zugleich oder allein Arbeitsunfähigkeit zu Folge hat. Eine Krankheit führt dann zu einer Leistungsverpflichtung der Kasse, wenn Behandlungsbedürftigkeit oder Arbeitsunfähigkeit vorliegt (vgl. Zipperer in Maaßen-Schermer-Wiegand, SGB V Kommentar, RdNr. 12 zu 327 m.w.N.). Hierbei kommt es nicht darauf an, ob die Krankheit im Augenblick behandlungsbedürftig ist. Die Behandlungsbedürftigkeit ist schon dann anzunehmen, wenn der gegenwärtige Zustand zwar noch keine Schmerzen oder Beschwerden bereitet, durch ärztliche Behandlung im Frühstadium jedoch eine wesentliche Besserung oder gar Beseitigung des Leidens und damit eine günstige Wirkung auf die spätere Erwerbsfähigkeit erreicht werden kann (a.a.O. RdNr. 13). Kosmetische Defizite stellen keine Krankheit dar. Regelwidrig ist ein Zustand, der von der Norm vom Leitbild des gesunden Menschen abweicht (a.a.O. RdNr. 14).
27 
Ob bei der Klägerin ein regelwidriger Körperzustand durch die Mammahypertrophie und die ausgeprägte Ptose, auf die sowohl die Frauenärztin E. als auch Dr. F. hingewiesen haben, sowie die Wirbelsäulenbeschwerden zu bejahen ist, ist bereits fraglich. Es ist insoweit richtig, wenn das SG ausführt, dass große Brüste als solche noch keinen regelwidrigen Körperzustand darstellen. Allein auf die Größe der Brust darf im Hinblick auf die Notwendigkeit einer Operation nicht abgestellt werden. Gestützt hierauf würde es sich um eine kosmetische Operation handeln. Ob man von einem regelwidrigen Körperzustand zu sprechen hat, beurteilt sich vielmehr erst in der Zusammenschau von Körpergröße, Gewicht und Größe der Brüste. Aber auch wenn man sich insoweit über etwaige Bedenken hinwegsetzen würde und in der Zusammenschau von einem regelwidrigen Körperzustand ausgehen und man sich darüber hinaus auch den Ausführungen von Dr. F. in seinem Gutachten anschließen würde, wonach das Volumen der Brüste der Klägerin die Beschwerden von Seiten der Wirbelsäule nach sich gezogen hat und für diese kausal ist, würde dies nicht dazu führen, dass die Klägerin einen Anspruch auf die geplante Brustverkleinerungsoperation hätte. Von entscheidender Bedeutung ist insoweit, dass durch die Brustverkleinerungsoperation in ein im Grunde gesundes Organ, nämlich die „große" Brust, eingegriffen wird. Nachdem ein operativer Eingriff stets mit einem erheblichen Risiko durch die Narkose aber auch, zumal es hier entscheidend auf das äußerlich zu Tage tretende Ergebnis der Operation ankommt, durch die Operation selbst verbunden ist, darf eine chirurgische Behandlung im Bereich der Brust stets nur die Ultima ratio sein. Hierauf hat das Bundessozialgericht (BSG) zuletzt im Zusammenhang mit der Applikation eines Magenbandes bei Adipositas hingewiesen (BSG Urteil vom 19.02.2003 - B 1 KR 1/02 R -). Für die hier begehrte Brustverkleinerungsoperation gilt nichts anderes. Vor Durchführung einer Brustverkleinerungsoperation sind sämtliche Behandlungsalternativen durchzuführen. Die Behandlungsmöglichkeiten auf orthopädischen Gebiet sind im Falle der Klägerin nicht erschöpft. Sie hat bisher nur von Zeit zu Zeit krankengymnastische Behandlungen und Massage in Anspruch genommen. Dies hat während der Therapie sowohl nach ihrem eigenen Vortrag als auch nach dem von Dr. F. erstatteten Gutachten zumindest zu einer Linderung der Beschwerden geführt. Eine Linderung der Beschwerden während der Therapie ist ausreichend. Nicht erforderlich ist, dass es durch die Therapie zu einer vollständigen Heilung kommt. Solange während der Therapie, sei es durch laufende Krankengymnastik oder sportliche Betätigungen, die in Eigeninitiative gemacht werden, noch eine Schmerzlinderung eintritt, kann noch keine Brustverkleinerungsoperation beansprucht werden. Vor einer Operation müsste darüber hinaus auch noch ein Versuch mit ambulanter und stationärer Rehabilitation unternommen werden. Dies sind zur Zeit noch die geeigneten Wege, um den Beschwerden der Klägerin zu begegnen. Erst wenn zukünftig ihre Rückenmuskulatur nicht mehr in der Lage sein sollte, die durch die Brustgröße bestehende Fehlhaltung im Bereich der Wirbelsäule zu kompensieren, wird man sich die Frage der Brustverkleinerungsoperation stellen müssen.
28 
Da die Behandlungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft sind, war demzufolge die Berufung zurückzuweisen.
29 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
30 
Gründe für eine Revisionszulassung liegen nicht vor.

Gründe

 
25 
Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist jedoch sachlich nicht begründet. Das von der Klägerin angefochtene Urteil ist zu Recht ergangen. Der Bescheid der Beklagten vom 04.02.2002, der den Bescheid vom 09.01.2002 ersetzte, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 22.08.2002 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Übernahme der Kosten für eine Brustverkleinerungsoperation.
26 
Gemäß § 11 Abs. 1, § 27 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V) haben Versicherte wie die Klägerin Anspruch auf Behandlung einer Krankheit. Gemäß § 12 Abs. 1 SGB V muss die Behandlung ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein und darf das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Der Anspruch umfasst u.a. die notwendige ärztliche Behandlung und die Krankenhausbehandlung. Krankheit im Sinne des SGB V ist ein regelwidriger Körper- oder Geisteszustand, der die Notwendigkeit einer ärztlichen Behandlung des Versicherten oder zugleich oder allein Arbeitsunfähigkeit zu Folge hat. Eine Krankheit führt dann zu einer Leistungsverpflichtung der Kasse, wenn Behandlungsbedürftigkeit oder Arbeitsunfähigkeit vorliegt (vgl. Zipperer in Maaßen-Schermer-Wiegand, SGB V Kommentar, RdNr. 12 zu 327 m.w.N.). Hierbei kommt es nicht darauf an, ob die Krankheit im Augenblick behandlungsbedürftig ist. Die Behandlungsbedürftigkeit ist schon dann anzunehmen, wenn der gegenwärtige Zustand zwar noch keine Schmerzen oder Beschwerden bereitet, durch ärztliche Behandlung im Frühstadium jedoch eine wesentliche Besserung oder gar Beseitigung des Leidens und damit eine günstige Wirkung auf die spätere Erwerbsfähigkeit erreicht werden kann (a.a.O. RdNr. 13). Kosmetische Defizite stellen keine Krankheit dar. Regelwidrig ist ein Zustand, der von der Norm vom Leitbild des gesunden Menschen abweicht (a.a.O. RdNr. 14).
27 
Ob bei der Klägerin ein regelwidriger Körperzustand durch die Mammahypertrophie und die ausgeprägte Ptose, auf die sowohl die Frauenärztin E. als auch Dr. F. hingewiesen haben, sowie die Wirbelsäulenbeschwerden zu bejahen ist, ist bereits fraglich. Es ist insoweit richtig, wenn das SG ausführt, dass große Brüste als solche noch keinen regelwidrigen Körperzustand darstellen. Allein auf die Größe der Brust darf im Hinblick auf die Notwendigkeit einer Operation nicht abgestellt werden. Gestützt hierauf würde es sich um eine kosmetische Operation handeln. Ob man von einem regelwidrigen Körperzustand zu sprechen hat, beurteilt sich vielmehr erst in der Zusammenschau von Körpergröße, Gewicht und Größe der Brüste. Aber auch wenn man sich insoweit über etwaige Bedenken hinwegsetzen würde und in der Zusammenschau von einem regelwidrigen Körperzustand ausgehen und man sich darüber hinaus auch den Ausführungen von Dr. F. in seinem Gutachten anschließen würde, wonach das Volumen der Brüste der Klägerin die Beschwerden von Seiten der Wirbelsäule nach sich gezogen hat und für diese kausal ist, würde dies nicht dazu führen, dass die Klägerin einen Anspruch auf die geplante Brustverkleinerungsoperation hätte. Von entscheidender Bedeutung ist insoweit, dass durch die Brustverkleinerungsoperation in ein im Grunde gesundes Organ, nämlich die „große" Brust, eingegriffen wird. Nachdem ein operativer Eingriff stets mit einem erheblichen Risiko durch die Narkose aber auch, zumal es hier entscheidend auf das äußerlich zu Tage tretende Ergebnis der Operation ankommt, durch die Operation selbst verbunden ist, darf eine chirurgische Behandlung im Bereich der Brust stets nur die Ultima ratio sein. Hierauf hat das Bundessozialgericht (BSG) zuletzt im Zusammenhang mit der Applikation eines Magenbandes bei Adipositas hingewiesen (BSG Urteil vom 19.02.2003 - B 1 KR 1/02 R -). Für die hier begehrte Brustverkleinerungsoperation gilt nichts anderes. Vor Durchführung einer Brustverkleinerungsoperation sind sämtliche Behandlungsalternativen durchzuführen. Die Behandlungsmöglichkeiten auf orthopädischen Gebiet sind im Falle der Klägerin nicht erschöpft. Sie hat bisher nur von Zeit zu Zeit krankengymnastische Behandlungen und Massage in Anspruch genommen. Dies hat während der Therapie sowohl nach ihrem eigenen Vortrag als auch nach dem von Dr. F. erstatteten Gutachten zumindest zu einer Linderung der Beschwerden geführt. Eine Linderung der Beschwerden während der Therapie ist ausreichend. Nicht erforderlich ist, dass es durch die Therapie zu einer vollständigen Heilung kommt. Solange während der Therapie, sei es durch laufende Krankengymnastik oder sportliche Betätigungen, die in Eigeninitiative gemacht werden, noch eine Schmerzlinderung eintritt, kann noch keine Brustverkleinerungsoperation beansprucht werden. Vor einer Operation müsste darüber hinaus auch noch ein Versuch mit ambulanter und stationärer Rehabilitation unternommen werden. Dies sind zur Zeit noch die geeigneten Wege, um den Beschwerden der Klägerin zu begegnen. Erst wenn zukünftig ihre Rückenmuskulatur nicht mehr in der Lage sein sollte, die durch die Brustgröße bestehende Fehlhaltung im Bereich der Wirbelsäule zu kompensieren, wird man sich die Frage der Brustverkleinerungsoperation stellen müssen.
28 
Da die Behandlungsmöglichkeiten nicht ausgeschöpft sind, war demzufolge die Berufung zurückzuweisen.
29 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
30 
Gründe für eine Revisionszulassung liegen nicht vor.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 22. Mai 2012 - 6 K 4042/11 - geändert. Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger für seine Aufwendungen für die am 17.3.2011 durchgeführte Hüftoperation weitere Kassenleistungen in Höhe von 61,46 EUR zu gewähren. Der Bescheid der Beklagten vom 21.6.2011 sowie deren Widerspruchsbescheid vom 21.10.2011 werden aufgehoben, soweit sie dieser Verpflichtung entgegenstehen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens. Die Kosten des Verfahrens im ersten Rechtszug tragen der Kläger zu 55 % und die Beklagte zu 45 %.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Der Kläger begehrt von der Beklagten (weitere) Kassenleistungen zum Ersatz der für eine Hüftoperation entstandenen Aufwendungen.
Der Kläger ist Mitglied der Beklagten mit einem Bemessungssatz von 30 %. Am 17.3.2011 wurde ihm ein künstliches Hüftgelenk eingesetzt. Für die hierbei erbrachten Leistungen wurden ihm insgesamt 1.458,96 EUR in Rechnung gestellt, darunter die GOÄ-Nrn. 2151 (endoprothetischer Totalersatz von Hüftpfanne und Hüftkopf - Alloarthroplastik) und 2113 (Synovektomie-Hüftgelenk). Als Diagnosen werden u.a. Coxarthrose und Synovitis (Entzündung der inneren Schicht der Gelenkkapsel) genannt. In dem Operationsbericht der behandelnden Ärztin werden diese Diagnosen insoweit konkretisiert, als dort von einer fortgeschrittenen Dysplasiecoxarthrose und einer massiven chronisch-poliferativen Synovialitis die Rede ist. Zum Verlauf der Operation wird in dem Operationsbericht ausgeführt: „T-förmige Kapsulotomie bei deutl. hypertrophierter Kapsel und massiver chronisch-poliferativer Synovialitis, es entleert sich reichlich Erguß. ... Nun vollständige Synovektomie, Histologie.“ Nach dem pathologisch-anatomischen, zytologischen Befund vom 22.3.2011 waren an der Oberfläche der untersuchten Synovialis (Gelenkinnenhaut) teilweise zottenartige Strukturen und herdförmige Einblutungen zu erkennen. Zusammenfassend lautet die Beurteilung: „Fibröses Kapselgewebe von der Hüfte links mit fokalen degenerativen Veränderungen, Vernarbungen und fibrosierten, eingebluteten, regressiv veränderten Synovialisanteilen ohne erhaltenen Deckzellbelag. Keine stärkergradigen entzündlichen Veränderungen.“
Mit Leistungsabrechnung vom 30.5.2011 erkannte die Beklagte nur einen Betrag von 1.005,79 EUR als erstattungsfähig an. Auf dieser Grundlage gewährte sie Kassenleistungen in Höhe von 299,60 EUR. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 21.10.2011 zurück. Zur Begründung führt sie aus: Die GOÄ-Nr. 2113 sei zu streichen, da eine eigenständige Indikation fehle und die Maßnahme mit dem Gebührenansatz der GOÄ-Nr. 2151 abgegolten sei. Nach dem vorgelegten histologischen Befund hätten lediglich mäßiggradige Veränderungen der Synovialis vorgelegen. Es habe sich nicht um eine eigenständige Synovialispathologie gehandelt, sondern um Veränderungen, die im Rahmen einer bestehenden Coxarthrose typischerweise aufträten; auch die Ausprägung sei lediglich mäßig gewesen. Die komplette bis subtotale Entfernung der Synovialis sei nur bei medizinischer Indikation - beispielsweise chronische Synovialitis bei entzündlich rheumatischer Grunderkrankung oder Psoriasis-Arthopathie - als selbständige Leistung neben GOÄ-Nr. 2151 berechenbar. Außerdem seien die Aufwendungen für die GOÄ-Nr. 2148 nicht erstattungsfähig und der geltend gemachten Steigerungsfaktor teilweise zu beanstanden.
Die hiergegen erhobene Klage des Klägers hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 22.5.2012 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die GOÄ-Nr. 2113 sei neben der GOÄ-Nr. 2151 nur dann selbständig abrechenbar, wenn im Operationsbericht oder in der Behandlungsdokumentation ausdrücklich darauf hingewiesen werde, dass die erbrachte Zusatzleistung aufgrund eigenständiger medizinischer Indikation erforderlich gewesen sei. Im Operationsbericht werde zwar erwähnt, dass eine vollständige Synovektomie durchgeführt worden sei. Es werde jedoch keine Begründung für eine eigenständige medizinische Indikation - wie etwa rheumatische Grunderkrankung oder Psoriasis-Arthropathie - gegeben. Aus dem Operationsbericht ergebe sich weiter, dass die sog. Pfannendachplastik nach GOÄ-Nr. 2148 nicht durchgeführt worden sei. Bezüglich der Erstattung eines reduzierten Gebührensatzes werde auf den Widerspruchsbescheid Bezug genommen.
Auf Antrag des Klägers hat der Senat die Berufung gegen das Urteil insoweit zugelassen, als es den Anspruch des Klägers auf weitere Kassenleistungen für die Berechnung der GOÄ-Nr. 2113 zum Gegenstand hat. Zur Begründung der Berufung trägt der Kläger vor: Das Verwaltungsgericht hätte von sich aus prüfen müssen, ob es sich bei der unstreitig durchgeführten vollständigen Synovektomie um eine selbständige Leistung handle, die gesondert nach der GOÄ-Nr. 2113 abgerechnet werden könne. Diese Prüfung habe das Erstgericht nicht vorgenommen, da es fälschlicherweise davon ausgegangen sei, dass insoweit im Operationsbericht eine zusätzliche medizinische Indikation hätte dargelegt werden müssen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 22.5.2012 - 6 K 4042/11 - zu ändern und die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger für seine Aufwendungen für die am 17.3.2011 durchgeführte Hüftoperation weitere Kassenleistungen in Höhe von 61,46 EUR zu gewähren und den Bescheid der Beklagten vom 21.6.2011 sowie deren Widerspruchsbescheid vom 21.10.2011 aufzuheben, soweit sie dieser Verpflichtung entgegenstehen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
10 
Sie erwidert: Das Verwaltungsgericht habe entgegen der Ansicht des Klägers durchaus geprüft, ob es sich bei der streitigen GOÄ-Nr. 2113 um eine selbständige Leistung handle oder ob diese als Zielleistung einer anderen Gebührennummer anzusehen sei. Da sich aus der Behandlungsdokumentation keine zusätzliche besondere Indikation ergebe, sei die Abrechnungsfähigkeit der GOÄ-Nr. 2113 zutreffend abgelehnt worden.
11 
Dem Gericht liegen die Akten der Beklagten vor. Auf diese sowie auf die Gerichtsakten wird wegen der weiteren Einzelheiten ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
12 
Nach § 101 Abs. 2 VwGO entscheidet der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
13 
Die Berufung des Klägers ist begründet. Er hat einen Anspruch auf weitere Kassenleistungen der Beklagten in Höhe von 61,46 EUR (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Insoweit hat das Verwaltungsgericht seine Klage somit zu Unrecht abgewiesen.
14 
1. Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der Beklagten in ihrer hier maßgeblichen Fassung vom 10.3.2011 (79. Änderung) haben die Mitglieder für sich und die mitversicherten Angehörigen Anspruch auf die in den §§ 31 bis 48 der Satzung festgelegten Leistungen. Die Leistungen richten sich nach den entstandenen Aufwendungen nach näherer Maßgabe der §§ 30 ff. der Satzung. Nach § 30 Abs. 1 Satz 2 der Satzung sind Aufwendungen erstattungsfähig, wenn sie beihilfefähig und Leistungen dafür in der Satzung vorgesehen sind. Die wirtschaftliche Angemessenheit der Aufwendungen für ärztliche Leistungen beurteilt sich gemäß § 30 Abs. 2 Satz 5 der Satzung der Beklagten nach dem Gebührenrahmen der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Angemessen und folglich erstattungsfähig sind danach Aufwendungen, die dem Arzt nach Maßgabe der GOÄ zustehen.
15 
2. Das sog. „Zielleistungsprinzip“ steht der Bewilligung der begehrten (weiteren) Kassenleistungen für die dem Kläger in Rechnung gestellte GOÄ-Nr. 2113 nicht entgegen.
16 
a) Ob ärztliche Leistungen selbständig berechnungsfähig sind, richtet sich nach § 4 Abs. 2a GOÄ. Danach kann der Arzt für eine Leistung, die Bestandteil oder eine besondere Ausführung einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis ist, eine Gebühr nicht berechnen, wenn er für die andere Leistung eine Gebühr berechnet. Dies gilt nach § 4 Abs. 2a Satz 2 GOÄ auch für die zur Erbringung der im Gebührenverzeichnis aufgeführten operativen Leistungen methodisch notwendigen operativen Einzelschritte.
17 
In den dem Abschnitt L (Chirurgie, Orthopädie) des Gebührenverzeichnisses vorangestellten Allgemeinen Bestimmungen werden Inhalt und Tragweite dieses als Zielleistungsprinzip bezeichneten Grundsatzes näher verdeutlicht. In den Bestimmungen wird dazu darauf hingewiesen, dass zur Erbringung der in Abschnitt L aufgeführten typischen operativen Leistungen in der Regel mehrere operative Einzelschritte erforderlich sind und dass diese Einzelschritte, soweit sie methodisch notwendige Bestandteile der in der jeweiligen Leistungsbeschreibung genannten Zielleistung sind, nicht gesondert berechnet werden können. Der hinter dieser Regelung stehende Gedanke leuchtet unmittelbar ein: Der Arzt darf ein und dieselbe Leistung, die zugleich Bestandteil einer von ihm gleichfalls vorgenommenen umfassenderen Leistung ist, nicht zweimal abrechnen. Daraus folgt zugleich, dass Leistungen, die nicht Bestandteil einer anderen abgerechneten Leistung sind, abrechenbar sind, soweit es sich um selbständige Leistungen handelt (vgl. BGH, Urteil vom 5.6.2008 - III ZR 239/07 - NJW-RR 2008, 1278; Senatsurteil vom 17.2.2011 - 2 S 595/10 - juris).
18 
Geben unterschiedliche Gebührenpositionen, die ihrer Legende nach in dem konkreten Fall erfüllt worden sind, keine näheren Hinweise über ihr Verhältnis zueinander, ist demnach zu prüfen, ob es sich um jeweils selbständige Leistungen handelt oder ob eine oder mehrere von ihnen als Zielleistung und die anderen als deren methodisch notwendigen Bestandteile anzusehen sind. Dabei ist - wie auch sonst bei der Auslegung von Gesetzen - ein abstrakt-genereller Maßstab zugrunde zu legen. Das ergibt sich daraus, dass der Verordnungsgeber in Abs. 1 Satz 1 der Allgemeinen Bestimmungen von „typischen“ operativen Leistungen spricht und in Satz 2 bezüglich der Einzelschritte die mangelnde Berechenbarkeit davon abhängig macht, dass sie „methodisch“ notwendige Bestandteile der Zielleistung sind (BGH, Urteil vom 5.6.2008; Senatsurteil vom 17.2.2011, jeweils aaO).
19 
b) Gemessen an diesen Grundsätzen sind die Voraussetzungen für eine kumulative Berechnung der in der GOÄ-Nr. 2113 (Synovektomie-Hüftgelenk) und der GOÄ-Nr. 2151 (endoprothetischer Totalersatz von Hüftpfanne und Hüftkopf - Alloarthroplastik) beschriebenen operativen Leistungen gegeben, da es sich bei der Synovektomie gemäß GOÄ-Nr. 2113 nicht um einen methodisch notwendigen Bestandteil der in der GOÄ-Nr. 2151 genannten Hüftoperation handelt. Die Synovektomie, die in der GOÄ-Nr. 2113 als fast vollständige Entfernung der Gelenkschleimhaut (Synovialis) beschrieben wird, ist im Verhältnis zu der Alloarthroplastik vielmehr eine eigenständige Leistung. Bei der durch den Eingriff regelmäßig behobenen Synovitis handelt es sich um eine Entzündung der Gelenkinnenhaut. Eine solche Entzündung liegt nicht zwingend bei jeder Hüftoperation vor. Auch die Hüftoperation selbst erfordert keine vollständige Entfernung der Synovialis, sondern „normalerweise“ lediglich die Aufspaltung der Schleimhaut und das Abfräsen der Schleimhaut bis zu einem Umfang, bei dem mit ihrer selbständigen Neubildung gerechnet werden kann. Nur wenn die Schädigung der Schleimhaut, insbesondere durch fortgeschrittene entzündliche Prozesse, bereits einen erheblichen Umfang angenommen hat, es insbesondere bereits zu einer regelrechten Schwartenbildung gekommen ist, ist zusätzlich eine Synovektomie angezeigt. Es handelt sich daher um eine Maßnahme, welche mit dem typischen Ablauf der Alloarthroplastik nicht zwangsläufig verbunden ist (so - jeweils nach Einholung eines Gutachtens - LG Düsseldorf, Urteile vom 10.8.2007 - 22 S 69/07 - und vom 10.3.2006 - 20 S 215/05 -; LG Münster, Urteil vom 15.12.2005 - 11 S 4/05 -; LG Regensburg, Urteil vom 24.3.2009 - 2 S 78/08 -).
20 
3. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob für die Synovektomie hier eine ausreichende Rechtfertigung vorlag, oder mit anderen Worten, ob die durchgeführte ärztliche Behandlung notwendig war. Da die Synovektomie nicht zwangsläufig bei jeder Hüftoperation durchgeführt werden muss, bedarf sie einer eigenständigen Indikation (wie z.B. rheumatoide Arthritis, Psoriasis-Arthritis oder andere Erkrankungen mit schwerer chronischer Synovialitis; vgl. Brück, GOÄ, 3. Aufl., GOÄ-Nr. 2113 und 2151; Beschluss des Ausschusses „Gebührenordnung“ der Bundesärztekammer, Deutsches Ärzteblatt 99, Heft 3 vom 18.1.2002, S. A-144-145). Die Beklagte und ihr folgend das Verwaltungsgericht haben hier eine solche eigenständige Indikation verneint und sich dabei insbesondere darauf berufen, dass bei der histologischen Untersuchung der entfernten Synovialis nach der Operation keine „stärkergradigen entzündlichen Veränderungen“ festgestellt worden seien.
21 
Damit werden die Anforderungen an die Begründung der Notwendigkeit überspannt. Für die Frage nach der Notwendigkeit medizinischer Behandlungen ist zunächst der Einschätzung des behandelnden Arztes besondere Bedeutung beizumessen (vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 27.3.2012 - 2 C 46.10 - ZBR 2012, 344 und vom 20.3.2008 - 2 C 19.06 - NVwZ-RR 2008, 713; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 9.7.2009 - 10 S 3385/08 - NVwZ-RR 2009, 1013). Etwas anderes gilt nur dann, wenn es um eine wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Heilmethode geht, was hier nicht der Fall ist. Weiter ist zu beachten, dass grundsätzlich auf den „ex ante“, also unmittelbar vor Durchführung des streitbefangenen Eingriffs gegebenen Erkenntnisstand, und nicht auf die erst „ex post“, also nach der Durchführung des Eingriffs gewonnenen Erkenntnisse, abzustellen ist. Ist die Einschätzung des behandelnden Arztes nach diesem Erkenntnisstand mit guten Gründen vertretbar, wird ihr regelmäßig zu folgen sein.
22 
Nach diesen Kriterien ist im Fall des Klägers die medizinische Notwendigkeit der durchgeführten Synovektomie zu bejahen. Als Indikation für die Synovektomie wird im Operationsbericht der behandelnden Ärztin eine massive chronisch-poliferative Synovialitis (Synonym für Synovitis) genannt. Dem nach der Operation erstellten pathologisch-anatomischen, zytologischen Befund vom 22.3.2011 zufolge waren an der Oberfläche der entfernten Synovialis teilweise zottenartige Strukturen und herdförmige Einblutungen zu erkennen. Auch die Beurteilung „Fibröses Kapselgewebe von der Hüfte links mit fokalen degenerativen Veränderungen, Vernarbungen und fibrosierten, eingebluteten, regressiv veränderten Synovialisanteilen ohne erhaltenen Deckzellbelag“ deutet ohne weiteres auf nicht nur unerhebliche entzündliche Veränderungen und damit auf eine Indikation für eine Synovektomie hin, auch wenn bei der nachträglich durchgeführten histologischen Untersuchung keine stärkergradigen entzündlichen Veränderungen festgestellt worden sind. Aus der Sicht der behandelnden Ärztin war es daher nach dem Erkenntnisstand unmittelbar vor Durchführung des Eingriffs jedenfalls mit guten Gründen vertretbar, eine Synovektomie vorzunehmen. Dies genügt zur Begründung der medizinischen Notwendigkeit der Maßnahme.
23 
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
24 
Beschluss vom 4. Februar 2013
25 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 52 Abs. 3 GKG auf 61,46 EUR festgesetzt.
26 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
12 
Nach § 101 Abs. 2 VwGO entscheidet der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung.
13 
Die Berufung des Klägers ist begründet. Er hat einen Anspruch auf weitere Kassenleistungen der Beklagten in Höhe von 61,46 EUR (vgl. § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Insoweit hat das Verwaltungsgericht seine Klage somit zu Unrecht abgewiesen.
14 
1. Nach § 30 Abs. 1 Satz 1 der Satzung der Beklagten in ihrer hier maßgeblichen Fassung vom 10.3.2011 (79. Änderung) haben die Mitglieder für sich und die mitversicherten Angehörigen Anspruch auf die in den §§ 31 bis 48 der Satzung festgelegten Leistungen. Die Leistungen richten sich nach den entstandenen Aufwendungen nach näherer Maßgabe der §§ 30 ff. der Satzung. Nach § 30 Abs. 1 Satz 2 der Satzung sind Aufwendungen erstattungsfähig, wenn sie beihilfefähig und Leistungen dafür in der Satzung vorgesehen sind. Die wirtschaftliche Angemessenheit der Aufwendungen für ärztliche Leistungen beurteilt sich gemäß § 30 Abs. 2 Satz 5 der Satzung der Beklagten nach dem Gebührenrahmen der Gebührenordnung für Ärzte (GOÄ). Angemessen und folglich erstattungsfähig sind danach Aufwendungen, die dem Arzt nach Maßgabe der GOÄ zustehen.
15 
2. Das sog. „Zielleistungsprinzip“ steht der Bewilligung der begehrten (weiteren) Kassenleistungen für die dem Kläger in Rechnung gestellte GOÄ-Nr. 2113 nicht entgegen.
16 
a) Ob ärztliche Leistungen selbständig berechnungsfähig sind, richtet sich nach § 4 Abs. 2a GOÄ. Danach kann der Arzt für eine Leistung, die Bestandteil oder eine besondere Ausführung einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis ist, eine Gebühr nicht berechnen, wenn er für die andere Leistung eine Gebühr berechnet. Dies gilt nach § 4 Abs. 2a Satz 2 GOÄ auch für die zur Erbringung der im Gebührenverzeichnis aufgeführten operativen Leistungen methodisch notwendigen operativen Einzelschritte.
17 
In den dem Abschnitt L (Chirurgie, Orthopädie) des Gebührenverzeichnisses vorangestellten Allgemeinen Bestimmungen werden Inhalt und Tragweite dieses als Zielleistungsprinzip bezeichneten Grundsatzes näher verdeutlicht. In den Bestimmungen wird dazu darauf hingewiesen, dass zur Erbringung der in Abschnitt L aufgeführten typischen operativen Leistungen in der Regel mehrere operative Einzelschritte erforderlich sind und dass diese Einzelschritte, soweit sie methodisch notwendige Bestandteile der in der jeweiligen Leistungsbeschreibung genannten Zielleistung sind, nicht gesondert berechnet werden können. Der hinter dieser Regelung stehende Gedanke leuchtet unmittelbar ein: Der Arzt darf ein und dieselbe Leistung, die zugleich Bestandteil einer von ihm gleichfalls vorgenommenen umfassenderen Leistung ist, nicht zweimal abrechnen. Daraus folgt zugleich, dass Leistungen, die nicht Bestandteil einer anderen abgerechneten Leistung sind, abrechenbar sind, soweit es sich um selbständige Leistungen handelt (vgl. BGH, Urteil vom 5.6.2008 - III ZR 239/07 - NJW-RR 2008, 1278; Senatsurteil vom 17.2.2011 - 2 S 595/10 - juris).
18 
Geben unterschiedliche Gebührenpositionen, die ihrer Legende nach in dem konkreten Fall erfüllt worden sind, keine näheren Hinweise über ihr Verhältnis zueinander, ist demnach zu prüfen, ob es sich um jeweils selbständige Leistungen handelt oder ob eine oder mehrere von ihnen als Zielleistung und die anderen als deren methodisch notwendigen Bestandteile anzusehen sind. Dabei ist - wie auch sonst bei der Auslegung von Gesetzen - ein abstrakt-genereller Maßstab zugrunde zu legen. Das ergibt sich daraus, dass der Verordnungsgeber in Abs. 1 Satz 1 der Allgemeinen Bestimmungen von „typischen“ operativen Leistungen spricht und in Satz 2 bezüglich der Einzelschritte die mangelnde Berechenbarkeit davon abhängig macht, dass sie „methodisch“ notwendige Bestandteile der Zielleistung sind (BGH, Urteil vom 5.6.2008; Senatsurteil vom 17.2.2011, jeweils aaO).
19 
b) Gemessen an diesen Grundsätzen sind die Voraussetzungen für eine kumulative Berechnung der in der GOÄ-Nr. 2113 (Synovektomie-Hüftgelenk) und der GOÄ-Nr. 2151 (endoprothetischer Totalersatz von Hüftpfanne und Hüftkopf - Alloarthroplastik) beschriebenen operativen Leistungen gegeben, da es sich bei der Synovektomie gemäß GOÄ-Nr. 2113 nicht um einen methodisch notwendigen Bestandteil der in der GOÄ-Nr. 2151 genannten Hüftoperation handelt. Die Synovektomie, die in der GOÄ-Nr. 2113 als fast vollständige Entfernung der Gelenkschleimhaut (Synovialis) beschrieben wird, ist im Verhältnis zu der Alloarthroplastik vielmehr eine eigenständige Leistung. Bei der durch den Eingriff regelmäßig behobenen Synovitis handelt es sich um eine Entzündung der Gelenkinnenhaut. Eine solche Entzündung liegt nicht zwingend bei jeder Hüftoperation vor. Auch die Hüftoperation selbst erfordert keine vollständige Entfernung der Synovialis, sondern „normalerweise“ lediglich die Aufspaltung der Schleimhaut und das Abfräsen der Schleimhaut bis zu einem Umfang, bei dem mit ihrer selbständigen Neubildung gerechnet werden kann. Nur wenn die Schädigung der Schleimhaut, insbesondere durch fortgeschrittene entzündliche Prozesse, bereits einen erheblichen Umfang angenommen hat, es insbesondere bereits zu einer regelrechten Schwartenbildung gekommen ist, ist zusätzlich eine Synovektomie angezeigt. Es handelt sich daher um eine Maßnahme, welche mit dem typischen Ablauf der Alloarthroplastik nicht zwangsläufig verbunden ist (so - jeweils nach Einholung eines Gutachtens - LG Düsseldorf, Urteile vom 10.8.2007 - 22 S 69/07 - und vom 10.3.2006 - 20 S 215/05 -; LG Münster, Urteil vom 15.12.2005 - 11 S 4/05 -; LG Regensburg, Urteil vom 24.3.2009 - 2 S 78/08 -).
20 
3. Davon zu unterscheiden ist die Frage, ob für die Synovektomie hier eine ausreichende Rechtfertigung vorlag, oder mit anderen Worten, ob die durchgeführte ärztliche Behandlung notwendig war. Da die Synovektomie nicht zwangsläufig bei jeder Hüftoperation durchgeführt werden muss, bedarf sie einer eigenständigen Indikation (wie z.B. rheumatoide Arthritis, Psoriasis-Arthritis oder andere Erkrankungen mit schwerer chronischer Synovialitis; vgl. Brück, GOÄ, 3. Aufl., GOÄ-Nr. 2113 und 2151; Beschluss des Ausschusses „Gebührenordnung“ der Bundesärztekammer, Deutsches Ärzteblatt 99, Heft 3 vom 18.1.2002, S. A-144-145). Die Beklagte und ihr folgend das Verwaltungsgericht haben hier eine solche eigenständige Indikation verneint und sich dabei insbesondere darauf berufen, dass bei der histologischen Untersuchung der entfernten Synovialis nach der Operation keine „stärkergradigen entzündlichen Veränderungen“ festgestellt worden seien.
21 
Damit werden die Anforderungen an die Begründung der Notwendigkeit überspannt. Für die Frage nach der Notwendigkeit medizinischer Behandlungen ist zunächst der Einschätzung des behandelnden Arztes besondere Bedeutung beizumessen (vgl. etwa BVerwG, Urteile vom 27.3.2012 - 2 C 46.10 - ZBR 2012, 344 und vom 20.3.2008 - 2 C 19.06 - NVwZ-RR 2008, 713; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 9.7.2009 - 10 S 3385/08 - NVwZ-RR 2009, 1013). Etwas anderes gilt nur dann, wenn es um eine wissenschaftlich nicht allgemein anerkannte Heilmethode geht, was hier nicht der Fall ist. Weiter ist zu beachten, dass grundsätzlich auf den „ex ante“, also unmittelbar vor Durchführung des streitbefangenen Eingriffs gegebenen Erkenntnisstand, und nicht auf die erst „ex post“, also nach der Durchführung des Eingriffs gewonnenen Erkenntnisse, abzustellen ist. Ist die Einschätzung des behandelnden Arztes nach diesem Erkenntnisstand mit guten Gründen vertretbar, wird ihr regelmäßig zu folgen sein.
22 
Nach diesen Kriterien ist im Fall des Klägers die medizinische Notwendigkeit der durchgeführten Synovektomie zu bejahen. Als Indikation für die Synovektomie wird im Operationsbericht der behandelnden Ärztin eine massive chronisch-poliferative Synovialitis (Synonym für Synovitis) genannt. Dem nach der Operation erstellten pathologisch-anatomischen, zytologischen Befund vom 22.3.2011 zufolge waren an der Oberfläche der entfernten Synovialis teilweise zottenartige Strukturen und herdförmige Einblutungen zu erkennen. Auch die Beurteilung „Fibröses Kapselgewebe von der Hüfte links mit fokalen degenerativen Veränderungen, Vernarbungen und fibrosierten, eingebluteten, regressiv veränderten Synovialisanteilen ohne erhaltenen Deckzellbelag“ deutet ohne weiteres auf nicht nur unerhebliche entzündliche Veränderungen und damit auf eine Indikation für eine Synovektomie hin, auch wenn bei der nachträglich durchgeführten histologischen Untersuchung keine stärkergradigen entzündlichen Veränderungen festgestellt worden sind. Aus der Sicht der behandelnden Ärztin war es daher nach dem Erkenntnisstand unmittelbar vor Durchführung des Eingriffs jedenfalls mit guten Gründen vertretbar, eine Synovektomie vorzunehmen. Dies genügt zur Begründung der medizinischen Notwendigkeit der Maßnahme.
23 
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO. Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.
24 
Beschluss vom 4. Februar 2013
25 
Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird gemäß § 52 Abs. 3 GKG auf 61,46 EUR festgesetzt.
26 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.