Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 19. Jan. 2017 - 2 S 1592/13

bei uns veröffentlicht am19.01.2017

Tenor

Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 05.03.2013 - 6 K 631/12 - geändert und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 07.01.2011 sowie des Widerspruchsbescheids der Widerspruchsstelle vom 25.01.2012 verpflichtet, die Anschaffung der beantragten Unterschenkelprothese mit Haftschaftsystem zu genehmigen und der Klägerin hierfür weitere Kassenleistungen in Höhe von 4.042,61 EUR zu gewähren.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Klägerin begehrt von der Beklagten die Gewährung weiterer Kassenleistungen für die Anschaffung einer Unterschenkelprothese.
Sie ist am … 1971 geboren und B 1 - Mitglied bei der Beklagten mit einem Bemessungssatz für Kassenleistungen von 50 %.
Mit Schreiben vom 27.07.2010 beantragte die Klägerin bei der Beklagten u.a. die Übernahme der Kosten für die ärztlich verordnete Anschaffung einer Unterschenkelprothese mit Haftschaftsystem und Silkonüberzug entsprechend dem beigelegten Kostenvoranschlag der „... Stiftung“ i.H.v. 16.173,41 EUR. Mit Einverständnis der Klägerin wurden diese Unterlagen an den Gutachterdienst ... AG weitergeleitet. Deren Gutachter kam in seiner Stellungnahme vom 07.01.2011 zu dem Ergebnis, dass der Kostenvoranschlag i.H.v. 16.173,41 EUR nicht wirtschaftlich erstellt sei. Eine Beinprothese müsse das Grundbedürfnis auf möglichst sicheres, gefahrloses Gehen und Stehen sicherstellen, wie es bei nicht behinderten Menschen durch die Funktion der Beine gewährleistet sei. Anspruch auf eine Optimalversorgung bestehe hingegen nicht. Die Krankenkassen müssten nicht für „Innovationen“ aufkommen, die keine wesentlichen Gebrauchsvorteile für den Versicherten bewirkten, sondern sich bloß auf besseren Komfort im Gebrauch oder eine bessere Optik beschränkten. Ausreichend sei die Anschaffung einer Unterschenkelprothese mit Silikonliner-Haftschaftsystem, einem hochwertigen Carbonfeder-Fuß und einer schmalen, anatomisch geformten Fußkosmetik mit separater Großzehe, welche 8.068,18 EUR koste.
Dementsprechend genehmigte die Beklagte mit Bescheid vom 07.01.2011 eine Unterschenkelprothese mit Silikonliner, Lock, Anpass-/Probeschaft und Össur Carbonfaserfuß bis zum Höchstbetrag von 8.068,18 EUR.
Mit Schreiben vom 07.03.2011 erhob die Klägerin Widerspruch gegen die teilweise Ablehnung der Genehmigung der Unterschenkelprothese und wies darauf hin, dass die Beklagte bereits mit Leistungsabrechnungen vom 19.03.2004 und 11.10.2006 abzüglich eines Eigenanteils von 10,00 EUR die Kosten für eine gleichartige Unterschenkelprothese mit Kosmetik-Silikon-Überzug i.H.v. 8.107,03 bzw. 10.925,21 EUR erstattet habe.
Mit Bescheid vom 25.01.2012 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch der Klägerin zurück. In der Begründung heißt es, eine geeignete Unterschenkelprothese könne ausweislich der Ausführungen des Hilfsmittelsachverständigen bereits zu einem Preis von 8.068,18 EUR bezogen werden. Dem stehe die Erstattung vom 11.10.2006 nicht entgegen. Für die Festsetzung jener Kassenleistung sei keine Sachverständigenstellungnahme eingeholt worden. Eine Bindungswirkung für die Zukunft könne aus der Gewährung nicht abgeleitet werden.
Am 27.02.2012 hat die Klägerin beim Verwaltungsgericht Stuttgart Klage erhoben und unter Vorlage eines ärztlichen Attestes des Dr. ... vom 17.02.2012 sowie einer - undatierten und nicht unterschriebenen - Stellungnahme der ... Stiftung Augsburg - Abt. Orthopädie-Technik - ausgeführt: Sie habe im Alter von 17 Jahren einen schweren Verkehrsunfall erlitten und dabei den linken Unterschenkel verloren. Seitdem sei sie auf eine Prothese angewiesen und leide körperlich und seelisch bis heute an den Unfallfolgen. Die benötigten Prothesen unterlägen der Abnutzung, weshalb sie in gewissen Abständen erneuert werden müssten, so auch dieses Mal. Es gehe darum, ob sie auch dieses Mal wieder eine Prothese mit Silikonüberzug zugebilligt bekomme. Eine solche Prothese lasse sich optimal reinigen und gewährleiste, dass das Hilfsmittel nicht äußerlich wahrnehmbar sei, weil es in Farbe und Gestalt dem rechten Bein angepasst sei. Bereits zwei Mal habe die Beklagte ihr eine solche Prothese bezahlt. Es sei zu berücksichtigen, dass die Beklagte einen Regressanspruch gegen die Versicherung des Unfallverursachers habe weshalb die Beklagte die Kosten gar nicht selbst tragen müsse.
Die Beklagte ist der Klage entgegengetreten und hat zur Begründung auf die Ausführungen im Widerspruchsbescheid verwiesen.
Mit Urteil vom 05.03.2013 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Anerkennung der Erstattungsfähigkeit der Anschaffung einer Unterschenkelprothese mit Haftschaftsystem über den genehmigten Betrag hinaus. Dies sei in den angefochtenen Bescheiden zutreffend ausgeführt worden, worauf verwiesen werde. Ergänzend werde ausgeführt: Nach § 30 Abs. 3 Satz 2 der Satzung der Beklagten in der hier maßgeblichen Fassung vom 01.07.2010 seien nur solche Leistungen erstattungsfähig, die der Höhe nach angemessen seien. Zu den erstattungsfähigen Aufwendungen gehörten nach § 35 Abs. 1 der Satzung u.a. auch die Anschaffungskosten für Körperersatzstücke in dem für die Anwendung der BBhV in der jeweils gültigen Fassung geltenden Rahmen nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen, wobei für die Erstattung bei einem Anschaffungspreis von 150 EUR und mehr die vorherige Genehmigung durch die Beklagte Voraussetzung sei. Nach diesen Bestimmungen sei die Beklagte berechtigt gewesen, die erforderliche Genehmigung für die Anschaffung einer Unterschenkelprothese über den genehmigten Betrag hinaus zu versagen. Denn die darüber hinausgehenden Kosten seien nicht notwendig und angemessen. Bei der Frage, ob ein Hilfsmittel im Sinne der beihilferechtlichen Vorschriften erforderlich sei und ob die Kosten angemessen seien, könne auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu der die gesetzliche Krankenversicherung betreffenden und ähnlich lautenden Regelung des § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V zurückgegriffen werden. Danach ziele der unmittelbare Behinderungsausgleich auf einen möglichst weitgehenden Ausgleich des Funktionsdefizits und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Daneben könnten Hilfsmittel aber auch den Zweck haben, die direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen. Im Rahmen dieses mittelbaren Behinderungsausgleichs gehe es nicht um einen Ausgleich im Sinne eines vollständigen Gleichziehens mit den vielfältigen Möglichkeiten eines nicht behinderten Menschen, sondern nur um eine möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolgs, um ein selbständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich sei aber nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung insgesamt im täglichen Leben beseitige oder mildere und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betreffe. Nach Maßgabe dieser Grundsätze gehe es vorliegend um einen unmittelbaren Behinderungsausgleich, weil durch das begehrte Hilfsmittel das Gehen selbst ermöglicht werde. Die Klägerin habe Anspruch auf einen technisch möglichst vollständigen Ausgleich ihrer Behinderung, welcher aber durch die im Gutachten ... vom 07.01.2011 aufgeführte Versorgung erreicht werde. Die von der Klägerin begehrten Mehrkosten für einen Überzug der Prothese mit Silikon, welcher sich optimal reinigen lasse und gewährleiste, dass das Hilfsmittel nicht mehr wahrnehmbar sei, sei hingegen nicht mehr angemessen. Denn es handele sich um Gebrauchsvorteile und kosmetische Vorteile, die nicht mehr in Zusammenhang mit dem Ausgleich eines Funktionsdefizits stünden. Auf eine etwaige Bindungswirkung vorangegangener Erstattungen einer Prothese mit Silikonüberzug könne sich die Klägerin nicht berufen, auch nicht unter fürsorgerischen Gesichtspunkten. Eine Zusicherung i.S.d. § 38 VwVfG liege nicht vor. Das Attest des behandelnden Arztes Dr. ... vom 17.02.2012 sei nicht ausreichend, um die Anschaffung einer Prothese mit Silikonüberzug als Behandlungsmaßnahme für eine posttraumatische Belastungsstörung bzw. zur Verhinderung einer akuten und chronifizierten Verschlechterung derselben zu begründen.
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Mit Beschluss vom 25.07.2013 (2 S 791/13) hat der Senat auf Antrag der Klägerin die Berufung gegen dieses Urteil wegen Vorliegens ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit der Entscheidung zugelassen. Mit Schriftsatz vom 12.09.2013 hat die Klägerin die Berufung wie folgt begründet: Gem. § 80 Abs. 2 der Satzung finde bei Unfällen ein Forderungsübergang statt, weshalb auch die Kosten für die zum Leistungsumfang der Beklagten gehörenden Körperersatzstücke übergingen. Bereits zweimal habe die Beklagte die Kosten für eine Unterschenkelprothese mit Silikonüberzug gewährt und die Kosten von der Versicherung des Unfallgegners erstattet erhalten. Durch den Forderungsübergang sei die Beklagte Sachwalterin bzw. Treuhänderin der zivilrechtlichen Schadensersatzansprüche der Klägerin und dürfe sich durch Nichtgewährung der Prothese mit Silikonüberzug keinen ungerechtfertigten Vorteil verschaffen. Soweit die Beklagte ihre Leistung unter Berufung auf eine Stellungnahme der Fa. ... ablehne, handele es sich hierbei nicht um ein Sachverständigengutachten, zumal die Aussagen getroffen worden seien, ohne die Klägerin vorher gesehen oder angehört zu haben. Seit 10 Jahren trage diese nunmehr eine Prothese mit Silikonüberzug, wodurch sich ihr Bewegungsradius erweitert habe, weil eine Prothese mit Silikonüberzug als solche nicht wahrgenommen werde und sie sich frei und ungezwungen bewegen könne. Der Silkonüberzug sei deshalb keine Modeerscheinung oder eine sonstige Belanglosigkeit, er ermögliche es dem Orthopäden vielmehr, ein Kunstglied zu fertigen, welches in seiner äußeren Anmutung dem natürlichen Gliedmaß fast perfekt nachgebildet sei, weil der Überzug an die Hautfarbe des Prothesenträgers angepasst werden könne. Die Klägerin wolle nicht primär als Person mit Körperbehinderung wahrgenommen werden, was bei einer sichtbaren Prothese aber der Fall sei. Ein Problem mit Druckstellen habe sie nicht. Die letzte Druckstelle stamme aus dem Jahre 2003 und resultiere von der letzten Prothese ohne Silikonüberzug. Im Hinblick auf die bisherigen, vorbehaltlosen Erstattungen der Kosten für eine solche Prothese widerspreche die nunmehrige Ablehnung dem Grundsatz von Treu und Glauben. Die von der Klägerin begehrte Prothese falle - wie das Bundessozialgericht (Urteil vom 16.09.2004 - B 3 KR 20/04 -) und das Sozialgericht Düsseldorf (Urteil vom 11.11.2011 - S 4 KR 12/08 -) festgestellt hätten, in den Bereich des unmittelbaren Behinderungsausgleichs, welcher nicht mit dem Argument abgelehnt werden könne, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend. Die Beklagte übersehe zudem, dass bei einem schwerwiegenden Verlust wie dem eines Beines nicht nur die körperliche, sondern auch die seelische Unversehrtheit des Unfallopfers zu beachten sei.
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Die Klägerin beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 05.03.2013 - 6 K 631/12 - zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 07.01.2011 und des Widerspruchsbescheids der Widerspruchsstelle vom 25.01.2012 zu verpflichten, die Anschaffung einer Unterschenkelprothese mit Haftschaftsystem zu genehmigen und ihr hierfür weitere Kassenleistungen in Höhe von 4.042,61 EUR zu gewähren.
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Die Beklagte beantragt,
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die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
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Zur Begründung führt sie aus: Entgegen der Rechtsauffassung der Klägerin handele es sich bei der Stellungnahme der ... AG um ein Sachverständigengutachten. Es sei naheliegend gewesen, damit einen Orthopädietechniker zu beauftragen, da diese Fachkräfte aufgrund ihres Berufsbildes geeignet seien, zur medizinisch-technischen Notwendigkeit eines Hilfsmittels für den unmittelbaren Behinderungsausgleich eine gutachterliche Äußerung abzugeben. Von § 30 Abs. 3 der Satzung sei diese Praxis gedeckt. Zutreffend weise die Klägerin auf die Möglichkeit des Forderungsübergangs (§ 80 Abs. 3 der Satzung) bei unverschuldeten Unfällen hin. Dieser sei aber nicht zwingend vorgeschrieben. Der Geschädigte könne sich bei einem Unfall auch direkt an die Versicherung des Schädigers wenden. Entscheide sich der Versicherte für eine Versorgung durch die Postbeamtenkrankenkasse, sei diese durch die Höhe der satzungsgemäßen Leistungen begrenzt. Satzungsgemäße Leistungen seien aber nur i.S.v. § 30 Abs. 3 der Satzung medizinisch notwendige Leistungen. Hieran fehle es vorliegend. Sowohl der unmittelbare als auch der mittelbare Behinderungsausgleich dienten dem Ausgleich ausgefallener oder beeinträchtigter Körperfunktionen. Der Unterschied bestehe lediglich darin, dass nach der - hier übertragbaren - Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur gesetzlichen Krankenversicherung bei einem unmittelbarem Behinderungsausgleich ein möglichst weitgehender Ausgleich des Funktionsdefizits unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschrittes zu erfolgen habe. Dies habe zur Konsequenz, dass die Krankenkasse die Aufwendungen für das aktuell am besten geeignete Hilfsmittel solange zu übernehmen habe, bis das jeweilige Funktionsdefizit (Gehen, Sitzen, Stehen etc.) gegenüber einem durchschnittlich gesunden Menschen vollständig ausgeglichen sei. Beim mittelbaren Behinderungsausgleich sei ein solcher weitgehender Ausgleich jedoch nicht vorgesehen. Dort sei eine Basisversorgung für die Befriedigung der allgemeinen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens ausreichend. Die von ihr - der Beklagten - genehmigte Unterschenkelprothese entspreche dem aktuellen Stand des medizinischen und technischen Fortschritts. Sie sei mit einer einstellbaren Absatzhöhe, einer optimierten Energierückgabe, einer progressiven Flexibilität und einer schmalen, geformten Fußkosmetik ausgestattet, die auch das Tragen von leichterem Schuhwerk, wie z.B. Sandalen ermögliche. Ein darüber hinausgehender Anspruch sei nach dem aktuellen medizinischen Stand nicht möglich. Die Silikonkosmetik sei gegenüber der bewilligten Prothesenkosmetik erheblich schwerer, was eine frühere Ermüdung des Prothesenträgers zur Folge haben könne. Durch das höhere Prothesengewicht entstehe ausweislich des weiteren Gutachtens der ... AG vom 16.08.2013 auch ein gleichzeitiger höherer Axialhub auf die Weichteile des Unterschenkelstumpfes mit der Gefahr der Druckstellenbildung, wodurch das Gehen kontraproduktiv beeinflusst werde. Der Silikonüberzug bewirke keinen unmittelbaren Behinderungsausgleich bei der Klägerin und diene ausschließlich kosmetischen Zwecken.
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Auf Nachfrage des Senats haben die Beteiligten - jeweils unwidersprochen -ergänzend mitgeteilt: Streitgegenstand des vorliegenden Klageverfahrens sei nur die Höhe der Genehmigung für eine Unterschenkelprothese. Um eine zusätzliche Badeprothese gehe es nicht. Aufwendungen für eine mit der beantragten Prothese vergleichbare Unterschenkelprothese mit Silikonüberzug seien bereits im Jahre 2004 i.H.v. 8.117,02 EUR und im Jahre 2006 i.H.v. 10.945,57 EUR von der Beklagten anerkannt und erstattet worden. Damals habe man keine gutachterlichen Stellungnahmen eingeholt. Aufgrund dessen seien ungekürzte Leistungen in der geltend gemachten Höhe erstattet worden. Die Beklagte habe die Versicherung des Schädigers gem. § 80 Abs. 3 der Satzung jeweils in Regress genommen; die Ansprüche der geschädigten Klägerin seien insoweit auf die Beklagte übergegangen. Derzeit benutze die Klägerin wegen unterschiedlicher Schuhhöhen zwei Prothesen, jeweils mit Silikonüberzug. Ihr gehe es im vorliegenden Verfahren um eine neue Prothese, welche über eine verstellbare Absatzhöhe verfüge, wodurch der Gebrauch zweier Prothesen für unterschiedliche Schuhhöhen entfalle.
17 
Mit Beschluss vom 13.02.2014 hat der Senat Beweis erhoben durch Einholung eines orthopädischen Sachverständigengutachtens in Verbindung mit einem orthopädietechnischen Zusatzgutachten zu folgenden Fragen:
18 
1. Existieren medizinisch-technische Standards oder sonstige allgemein anerkannte Regeln für den Einsatz von Unterschenkelprothesen bei Frauen? Wenn ja, beinhalten sie Aussagen hinsichtlich der Ausstattung mit einer Silikonkosmetik?
19 
2. Ist die von der Klägerin beantragte Prothese physiologisch funktionsgerecht, insbesondere im Vergleich mit der von der Beklagten bewilligten Prothese? In diesem Zusammenhang stellen sich für den Senat folgende Teilfragen:
20 
a) Besteht generell ein erhöhtes Risiko von Druckstellen aufgrund des Einsatzes der Silikonkosmetik? Falls ja, gilt das auch konkret für die Klägerin, welche bislang schon eine Silikonkosmetik gewöhnt ist?
21 
b) Besteht die Gefahr anderer physiologischer Funktionsprobleme oder funktioneller biomechanischer Probleme? Falls ja, gilt das auch konkret für die Klägerin, die bereits eine Silikonkosmetik gewöhnt ist?
22 
In diesem Zusammenhang wird um Evaluation mittels einer objektiven Gangfunktionsüberprüfung gebeten.
23 
3. Bestehen Erkenntnisse über den Häufigkeitsgrad des Einsatzes von Silikonkosmetik für Unterschenkelprothesen bei Frauen, evtl. auch abhängig vom jeweiligen Alter der Frau?
24 
4. Wenn man die Notwendigkeit einer Silikonkosmetik unterstellt, existieren wirtschaftlich günstigere Varianten als die beantragte Prothese, die in ästhetischer und funktionaler Hinsicht vergleichbar sind?
25 
Unter dem 11.01.2015 hat der beauftragte Gutachter, Prof. Dr. ..., Universitätsklinikum Heidelberg - Zentrum für Orthopädie, Unfallchirurgie und Paraplegiologie -, sein unter Mitwirkung von Oberarzt Privatdozent Dr. ...-... gefertigtes Gutachten erstattet und zusammengefasst ausgeführt:
26 
Das Gutachten beruhe auf einer ausführlichen Exploration sowie einer klinischen Untersuchung des Skelett- und Bewegungsapparates der Klägerin am 29.07.2014 in der Orthopädischen Universitätsklinik in Heidelberg sowie der Akten des Verwaltungsgerichts und des Verwaltungsgerichtshofs. Für den Bereich der Hilfsmittelversorgung an der unteren Extremität sei zunächst die aktive Mobilität des Prothesenträgers entscheidend. Je aktiver und mobiler dieser sei, desto höher sei die Mobilitätsklasse. Die Klägerin sei aufgrund der gutachterlichen Untersuchung und ihrer anamnestischen Angaben in den höchsten Mobilitätsgrad IV (uneingeschränkter Außenbereichsgeher mit besonders hohen Ansprüchen) einzuordnen und benötige daher an diesen Mobilitätsgrad angepasste Prothesenpassteile. Die geplante Versorgung mit einem Silikonliner-Haftschaftsystem und einem hochwertigen Carbonfeder-Fuß sei aus orthopädischer Sicht korrekt indiziert. Strittig sei der kosmetische Überzug der Unterschenkelprothese. Solche Überzüge würden zumeist aus Schaumstoffen hergestellt, alternativ stehe der Werkstoff Silikon zur Verfügung, welcher eine individuelle Farbabstimmung und somit eine exakte Anpassung an die Hautfarbe des Patienten ermögliche. In Kombination mit der geschmeidigen Oberfläche des Silikons entstehe damit ein „hautähnlicher“ Charakter. Weiterhin seien die Gebrauchseigenschaften des Silikons deutlich hochwertiger. Es sei wasserbeständig und verfüge über einen erweiterten Einsatzbereich im Vergleich zu anderen Kosmetiksystemen. Der Werkstoff Silikon sei deutlich haltbarer und könne höheren Belastungen widerstehen, Dadurch fielen Reparaturen und Nacharbeiten deutlich geringer aus. Nachteilig sei das hohe spezifische Gewicht im Vergleich zu Schaumstoffen, außerdem sei die Silikonkosmetik erheblich aufwändiger und deshalb teurer. Im Bereich der Armprothesen hätten sich Silikonprothesen als Standard durchgesetzt, da diese in der Öffentlichkeit deutlich weniger auffielen. Ähnliche Aspekte seien bei der Beinprothetik zu berücksichtigen, wenn hochaktive Prothesenträgerinnen – wie die Klägerin – im Sommer offenes Schuhwerk bevorzugten. Sie würden weniger häufig auf eine sichtbare Behinderung angesprochen. Zu den biomechanischen Vor- und Nachteilen der Silikonkosmetik gebe es nur wenige brauchbare Literaturstellen. Die vorhandenen Daten zeigten, dass eine Silikonkosmetik keine biomechanischen Nachteile mit sich bringe.
27 
Zu den Beweisfragen führt der Sachverständige im Einzelnen aus:
28 
(Zu 1.:) Für die Versorgung mit Unterschenkelprothesen gebe es keine Standards im Sinne von Leitlinien. Die Versorgung erfolge in erster Linie nach Gesichtspunkten der Funktionalität. Hinsichtlich der Ausstattung mit Silikon-Kosmetik fänden sich keine allgemein anerkannten Standards.
29 
(Zu 2.:) Der Einsatz einer Silikon-Kosmetik führe trotz eines minimal erhöhten Gewichtes nicht zu einem generell erhöhten Auftreten von Druckstellen. Die minimale Gewichtszunahme könne vernachlässigt werden. Die Klägerin sei seit Jahren die Silikon-Kosmetik gewohnt, sodass auch im vorliegenden Fall Druckstellen nicht wegen der Verwendung von Silikonkosmetik auftreten würden.
30 
(Zu 3.:) Das minimal erhöhte Gewicht der Silikon-Kosmetik führe nicht zu physiologischen Funktionsproblemen oder biomechanischen Problemen. Im Gegenteil sei die Silikon-Kosmetik beim Barfußlaufen sogar vorteilhaft, weil der Silikon-Überzug eine deutlich höhere Widerstandsfähigkeit und damit einen geringeren Verschleiß aufweise.
31 
(Zu 4.:) Es bestünden keine Erkenntnisse über den Häufigkeitsgrad des Einsatzes von Silikonkosmetik für Unterschenkelprothesen von Frauen. In der orthopädischen Werkstatt der Orthopädischen Universitätsklinik Heidelberg würden aufgrund der fehlenden Kostenübernahme Silikon-Kosmetika aber nur äußerst selten auf individuellen Wunsch der Patienten angefertigt. Anders sei es bei Armprothesen, insbesondere Fingerprothesen.
32 
(Zu 5.:) Eine wirtschaftlich günstigere Variante mit einer individuellen Kosmetik, die vergleichbar mit Silikon-Kosmetik sei, finde sich unter den derzeit vorhandenen Materialien nicht. Die individuelle Farbanpassung lasse sich nur unter Verwendung des Silikons erzeugen. Wirtschaftlich günstigere Varianten (z.B. Kunststoff- oder Hartschaumkosmetika) seien in ästhetischer Sicht nicht vergleichbar.
33 
Die Beklagte hat zu den Darlegungen des Gutachters unter Bezugnahme auf eine von ihr eingeholte neuerliche Stellungnahme der ... AG vom 09.03.2015 ausgeführt: Der beantragte Silikonüberzug der Fa. ... sei mit dem beantragten und genehmigten „Elation“- Fuß der Firma ... nicht kompatibel, da der Fuß mittels Knopfdruck in der Neigung bis zu 20° verstellt werden könne, der Fußüberzug sich dehne und reiße. Der verstellbare Fuß sei für einen Silikonüberzug nicht geeignet. Zudem sei der Kostenvoranschlag nicht fachkundig erstellt worden, weil die AOK-Preise und Bundesprothesenpreise bzw. Aufschläge miteinander vermischt worden seien. Die grundsätzlich höheren AOK-Preise seien mit einem Aufschlag von 20 % und nicht - wie geschehen - mit 48 % wie die Preise der Bundesprothesenliste zu versehen. Die Ausführung des Gutachters dazu, dass ein Betroffener bei einer Silikonkosmetik weniger häufig auf eine sichtbare Behinderung angesprochen werde, sei eine bloße Behauptung. Von einer nur minimalen Gewichtszunahme durch Silikonkosmetik könne nicht die Rede sein. Bei einem mittleren Prothesengewicht von 2,5 kg und einem zusätzlichen Gewicht von ca. 500 g für den Überzug werde das Gewicht signifikant um etwa 20 % gesteigert. Das Gewicht liege distal; die Prothese pendle daher träger und werde auch als schwerer empfunden. Dies könne eine frühere Ermüdung zur Folge haben, wodurch sich der Aktionsradius verkürze. Soweit der Gutachter die Vorteile der Silikonkosmetik beim Barfußgehen betone, sei dem entgegen zu halten, dass die Silikonkosmetik bei Beschädigungen nicht reparabel sei, da sie bei kleinen Beschädigungen (wie Rissen oder Schnitten) nicht geklebt könne, sondern komplett ersetzt werden müsse. Dass die Klägerin letztmals im Jahre 2003 eine Druckstelle mit einer Prothese ohne Silikonüberzug gehabt habe, sei nicht belegt. Soweit der Gutachter ausführe, dass die Klägerin hoch aktiv sei und die Grundsätze der Armprothetik bei ihr übertragbar seien, werde dem entgegen getreten. Finger und Hand seien anderen Belastungen ausgesetzt als Unterschenkel und Füße. Entgegen den Ausführungen des Gutachters gebe es wirtschaftlich günstigere Alternativen zum Silikonüberzug. Auch die Superskin-Beschichtung ermögliche individuelle Farbabstimmungen. Der Hersteller führe dazu aus, dass sich beliebig viele Farbabstufungen entsprechend der Hauttönung herstellen ließen. Auch bei einer Schaumstoff- oder Kunststoffkosmetik mit einem farblich angepassten Prothesenstrumpf erhebe sich kein optischer oder haptischer Unterschied zur Silikonkosmetik. Die Kosten hierfür lägen bei einem Aufpreis von 200 EUR. Selbst wenn man eine Silikonkosmetik für erforderlich halte, gebe es deutlich günstigere Silikonüberzüge. So komme bei dem Skinergy-Silikonschutzüberzug zum Einkaufspreis ein 20%-Aufschlag und ca. 1 Arbeitsstunde hinzu, womit der Endpreis ca. 400 EUR betrage.
34 
Die Klägerin hat hierauf u.a. eine Stellungnahme der Hessing Stiftung vom 29.07.2015 vorgelegt, wonach die beantragten Bauteile der Prothese auf ihre Funktionalität und Realisierbarkeit geprüft worden seien. Die Hersteller des Fußteils und des Silikonüberzugs hätten dies bestätigt, zumal die Klägerin nur ca. 55 kg wiege, das Fußteil aber bis zu 100 kg Belastung aufnehmen könne. Im Übrigen habe die Beklagte alle Bauteile der Prothese, mit Ausnahme des Silikonüberzugs, bereits genehmigt.
35 
Mit Beschluss vom 21.08.2015 hat der Senat den Gutachter Prof. Dr. ...-... um Beantwortung folgender ergänzender Fragen gebeten, die nach Rücksprache des Gutachters mit dem Senat maßgeblich von dem Orthopädietechniker Dipl. Ing. ... beantwortet werden sollen:
36 
1. Zu physiologischen Auswirkungen einer Silikonkosmetik mit Blick auf die Gewichtsthematik: (dabei wird um Berücksichtigung des von der Klägerin angegebenen Körpergewichts von ca. 55 kg gebeten):
37 
a) Im Gutachten (S. 22) wird eine „eindeutige Korrelation“ zwischen dem größeren Prothesengewicht und einer größeren Gefahr von Druckstellen verneint. Auf welcher Grundlage wurde diese Aussage getroffen?
b) Treffen die Ausführungen der Fa. ... (AS 213) über einen verstärkten Effekt des Längshubes zu und falls ja, haben sie im Ergebnis Auswirkungen auf die gutachterliche Einschätzung?
c) Wieviel wiegt bei überschlägiger Prognose die von der Klägerin beantragte Prothese einschließlich Silikonüberzug einerseits und die von der Beklagten bewilligte Prothese mit Schaumstoffüberzug andererseits?
d) Im Gutachten (S. 18) ist von der Möglichkeit der Integration gewichtsreduzierender Elemente bei großvolumigen Konstruktionen wie z.B. einer Silikonfußprothese die Rede. Wie geschieht das technisch und in welchem Umfang führt das zu Gewichtsersparnissen?
38 
2. Zur Geeignetheit der (genehmigten) Fußkonstruktion:
39 
Ergeben sich Zweifel an der Eignung der genehmigten Fußkonstruktion (Mobilitätsgrad 2/3) im Hinblick darauf, dass die Klägerin der Mobilitätsklasse 4 zuzuordnen ist, oder ist das im Hinblick auf ihr Körpergewicht oder auf sonstige Faktoren unbedenklich?
40 
3. Zur Kompatibilität zwischen genehmigter Fußkonstruktion und Silikonüberzug:
41 
Besteht wegen der Verstellmöglichkeiten des Fußes das Risiko einer Faltenbildung bzw. von Rissbildungen im Silikonüberzug? Falls ja, ist diese Problematik technisch lösbar und gegebenenfalls wie?
42 
4. Zur technischen Materialeigenschaft des Silikons:
43 
Im Gutachten (S. 18) wird von größerer Belastbarkeit des Silikons gegenüber Schaumstoff und auf den geringeren Umfang von Reparaturen und Nacharbeiten hingewiesen. Bei welchen Beschädigungen und wie kann Silikon repariert werden (eine Reparaturmöglichkeit wird von der Beklagtenseite grundsätzlich bestritten, vgl. AS 207)?
44 
5. Zu sonstigen Materialeigenschaften des Silikons:
45 
Im Gutachten (S. 24) wurde eine individuelle Farbanpassung nur bezüglich Silikon für möglich erachtet. Insoweit wird gebeten, noch zu den von der Beklagten in den Raum gestellten Varianten (z.B. SuperSkin bzw. Skinergy Plus) Stellung zu nehmen.
46 
In seinem orthopädietechnischen Zusatzgutachten vom 10.01.2015 hat Herr ... zusammengefasst ausgeführt, dass die Argumente der Beklagten nicht abschließend nachvollzogen werden könnten. Ein eher marginales Mehrgewicht von 250 g bei einem Gesamtgewicht einer durchschnittlichen Prothese von ca. 1650 g sei gemessen an den in der Dynamik auftretenden Momenten und Belastungen, die von einem 2,5 fachen der Körpermasse ausgingen, unerheblich. Das Silikon verteile sich weitestgehend auf die gesamte Prothese, weshalb der Einfluss im Hinblick auf die Trägheitsmomente stark zu relativieren sei. Auch die von der Beklagten erwähnten Reparaturnachteile bei Silikon seien nicht richtig. In Abhängigkeit vom Verschmutzungsgrad könne Silikon mittels geeigneter Silikonkleber oder auch durch ein „Übervulkanisieren“ repariert werden, wobei die Reparaturstellen allerdings nicht zu 100 % unsichtbar seien. Eine Recherche bei einschlägig bekannten Kollegen der Orthopädietechnik habe ergeben, dass die Herstellung einer entsprechenden Silikonkosmetik bei dem genehmigten Fuß möglich und bereits mehrfach umgesetzt worden sei, wobei jedoch eine herstellerseitige Gewährleistung für die Fußkosmetik erlösche, weil diese im Sinne eines Zuschleifens bearbeitet werden müsse. Zu den Einzelfragen führt der Sachverständige aus:
47 
(Zu 1a:) Die Klägerin trage seit Jahren eine Prothese mit individueller Silikonkosmetik, wobei auffällige Stumpf– oder Mobilitätsprobleme ausgeblieben seien. Auch in der einschlägigen wissenschaftlichen Literatur ergäben sich keine Hinweise auf eine Korrelation zwischen Prothesengewicht und Stumpfverletzungen. Wesentliche Verantwortung an Hautulzerationen habe prothesenseitig die Passform und die Aktivität der Prothesennutzer.
48 
(Zu 1b:) Die Aussage der Fa. ... zum verstärkten Hub sei grundsätzlich richtig, habe aber keinen Einfluss auf die abschließende gutachterliche Einschätzung, weil wesentlich sei, ob der Prothesenschaft eine adäquate Haftung aufweise.
49 
(Zu 1c:) Überschlägig sei im vorliegenden Fall je nach Fertigung der Prothese ein Mehrgewicht der Kosmetik von ca. 300 bis 400 g anzunehmen. Die Silikonkosmetik alleine sollte je nach Ausführung bei etwa 400 - 500 g liegen, wobei die vorgeschlagene Superskinbeschichtung aber ebenfalls nicht massefrei sei. Insgesamt liege das Prothesengewicht bei etwa 1800 g. Hier schlage sich auch das Mehrgewicht von ca. 200 g des „Elation“- Prothesenfußes gegenüber einem funktionell deutlich unterlegenen Dynamik-Fuß oder ähnlichem nieder.
50 
(Zu 1d:) Eine Gewichtsoptimierung könne vorliegend einerseits durch Schaftgestaltung (Eloxidharz mit Kohlefaser unter Verzicht auf sonstige Materialien im Gießverfahren), andererseits durch die weiteren Adapter erreicht werden.
51 
(Zu 2:) Im Hinblick auf das Körpergewicht der Klägerin (55 kg) sei davon auszugehen, dass die Aktivitäten des täglichen Lebens kein nennenswertes Problem darstellten. Nach Aktenlage und ausgehend von dem medizinischen Gutachten seien keine hohen Anforderungen im Hinblick auf sportliche Betätigungen der Klägerin zu stellen. Hierfür wäre der „Elation“- Prothesenfuß eher ungeeignet. Als „Alltagsfuß“ bringe dieser Fuß für die Klägerin aber keine höheren Risiken.
52 
(Zu 3:) Die Silikonkosmetik könne „geteilt“ - mit wechselbarem Fußteil - hergestellt werden und zwar derart unscheinbar, das keine Farbübergänge zu sehen seien und gleichzeitig beim Verstellen der Absatzhöhe keine Faltenbildung oder Risse entstünden. Die Silikonkosmetik beinhalte weiterhin einen „Zehenausgleich“, der es ermögliche, beispielsweise im Winter oder beim Tragen hoher Schuhe oder Stiefel zwischen der vollflächigen Silikonkosmetik im Fußbereich und dem Zehenausgleich zu wechseln. Zusätzlicher Nebeneffekt hierbei sei, dass die Silikonkosmetik zeitweise geschont werden könne. Das Beispiel zeige, dass es möglich sei, einen höhenverstellbaren Prothesenfuß („Elation“ von ...) mit einer individuellen Silikonkosmetik zu kombinieren.
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(Zu 4:) Klassische Schaumstoffkosmetiken würden typischerweise mit elastischen Strümpfen versehen, bei denen es schon bei geringsten Belastungen zu Rissen und Laufmaschen komme, denen nur durch Ersatz zu begegnen sei. Ferner bildeten diese Strümpfe keinen Schutz gegen Feuchtigkeit oder sonstige Verschmutzungen, weshalb der darunter liegende Schaumstoff allen äußeren Einflüssen unterliege. Eine hygienische Reinigung im Alltag sei nicht möglich, auch werde der Schaumstoff schnell beschädigt. Eine Silikonkosmetik bilde sowohl unter kosmetischen und hygienischen, aber auch unter technischen Aspekten eine sehr gut zu reinigende Schutzhülle. Silikon lasse keine Flüssigkeit durch und sei mittels Silikonkleber und nachträglichem „Ausvulkanisieren“ reparaturfähig.
54 
(Zu 5:) Bei der individuellen Gestaltung der Silikonkosmetik sei nicht nur die Farbe, sondern es seien auch Farbschattierungen und Farbübergänge bis hin zu Blutgefäßen und Haaren ausschlaggebend. Bei der Herstellung einer Silikonkosmetik entstehe eine gewisse Dreidimensionalität und Tiefe, die zur natürlichen Erscheinung massiv beitrage. Diese Eigenschaften seien in keinem anderen Verfahren in der Qualität und Haltbarkeit zu erreichen. Die angeführten Alternativen seien daher kein vollwertiger Ersatz. Beim Superskinverfahren werde ein Kunststofflack aufgesprüht. Hier könnten ebenfalls Farbschattierungen abgebildet werden, die sich aber bei weitem nicht auf dem Niveau der Silikonkosmetik bewegten und weder besonders filigrane Strukturen aufwiesen noch eine Tiefe. Das Hauptproblem sei, dass diese Superskinkosmetik bei weitem nicht die Standzeiten erreiche, die HTV-Silikon biete. Eine intakte Superskinkosmetik könne aber ebenfalls gewährleisten, dass der darunter liegende Schaumstoff gegen die Umwelt abgesichert werde und stelle damit im Vergleich zur klassischen Variante des „Damenstrumpfes“ die bessere Lösung dar. Die Alternative des SkinergyPlus sei ein industriell gefertigter Kosmetikstrumpf aus reinem RTV-Silikon, welches aufgrund seiner chemischen Eigenschaften deutlich unbelastbarer und daher empfindlicher sei als ein individueller Silikonüberzug, der aus HTV-Silikon gefertigt werde. Skinergy-Strümpfe seien in 19 unterschiedlichen Farben erhältlich und würden einfach über die Prothese gezogen. Es könne zu Problemen bei der Schuhauswahl kommen, weil die Strümpfe ohne eine Bearbeitung der Fußkosmetik deutlich auftrügen, auch würden sich die Strümpfe regelmäßig durchlaufen und müssten dann zumeist häufiger ersetzt werden. Dies hänge maßgeblich vom verwendeten Fußtyp und der jeweiligen originären Fußkosmetik ab, da der Skinergy mehr oder minder unter Spannung anliege. Gegenüber der Superskinbeschichtung seien Skinergy-Strümpfe sicher eine gute Alternative, da sie besser zu reinigen und einfacher zu ersetzen seien. Gegenüber der individuellen Kosmetik ergäben sich jedoch ähnlich wie bei der Superskinbeschichtung deutliche Nachteile in Bezug auf Haltbarkeit und Erscheinung. Sowohl bei Skinergy als auch bei der Superskinbeschichtung könne die Absatzverstellung des „Elation“- Prothesenfußes nicht hinreichend abgebildet werden, weshalb Rissbildungen kaum vermieden werden könnten. Insofern stellten beide Versionen keine tatsächliche Alternative zur Silikonkosmetik dar, weder ästhetisch noch technisch.
55 
Mit Schreiben vom 15.02.2016 hat die Beklagte noch weitere ergänzende Fragen zu dem orthopädietechnischen Zusatzgutachten aufgeworfen. Dipl. Ing. ... hat daraufhin in einer Stellungnahme vom 01.04.2016 weiter ausgeführt: Das durch den Silikonüberzug verursachte Mehrgewicht der Prothese liege bei 21 %, welches aber angesichts der in der Dynamik auftretenden Belastungen außerhalb eines klinisch relevanten Bereichs liege. Dies gelte bei der Klägerin auch deshalb, weil sie eine solchen Prothese über Jahre ohne Probleme genutzt habe. Inwiefern gewichtsoptimierte Verfahren bei der Fertigung vorgesehen seien, könne nicht nachvollzogen werden. Die technische Machbarkeit einer mit Silikonüberzug kombinierten Prothese sei im Gutachten dargestellt worden. Inwiefern der Leistungserbringer diese umzusetzen gedenke, müsse von diesem dargestellt werden. Es sei anzumerken, dass eine enge und passgenaue Anbindung eines Prothesenschaftes als grundsätzliche Anforderung an den Orthopädietechniker zu werten sei. Bei einer Kombination eines Skinergy-Strumpfes mit einem „Elation“- Prothesenfuß trete nach eigener Erfahrung eine (massive) Faltenbildung im Bereich des Sprunggelenkes auf. Bei großvolumigeren Kosmetiken stehe der Strumpf unter Spannung mit entsprechender Reißgefahr. Bei schmaleren Ausführungen beginne der Strumpf auf der Fußkosmetik im Fersenbereich zu rutschen. Ein Zuschleifen der Kosmetik sei aber dennoch nicht sinnvoll, weil sich dadurch die Faltenbildungen im gesamten Fußbereich erhöhten und damit nochmals der Verschleiß. Reparaturen des Skinergy seien mittels Silikonkleber oder sog. Haftvermittler (eines essigvernetzenden Silikons) zwar möglich, jedoch wegen der Fertigung des Strumpfes aus RTV-Silikon problematisch und sehr kurzweilig. Auch die Wirtschaftlichkeit einer Reparatur müsse beachtet werden. Eine zweigeteilte Kosmetik sei beim Skinergy problematisch, weil sich der Halt des Strumpfes eher verschlechtere; außerdem sei im Gegensatz zur individuellen Kosmetik kein adäquater Übergang zu erzielen. Die Kante im Bereich der Teilung wäre deutlich sichtbar; eine „auslaufende“ Gestaltung, welche den unterschiedlichen Winkeln des Elationfußes Rechnung trage, nach eigener Einschätzung nicht sinnvoll erreichbar. Die Superskinbeschichtung weise bereits nach etwa 3 Monaten erste relevante Gebrauchsspuren auf. Je nach Fertigungstechnik und Einsatzgebiet könne gesagt werden, dass die Superskinbeschichtung nach ca. einem Jahr als unansehnlich zu bezeichnen sei, wobei es sich um einen Verschlechterungsprozess, nicht einen spontanen Defekt handele. Die konfektionierten Produkte (z.B. Skinergy) hielten sich insgesamt länger als die Superskinbeschichtung in einem kosmetisch ansehnlichen Zustand. Je nach Einsatz seien ab etwa 6 Monaten Einsatz auch hier erste größere Verschleißerscheinungen erkennbar. Aufgrund der schlechten Reparaturfähigkeit des RTV-Silikon könne man davon ausgehen, dass diese einmal jährlich bis eineinhalbjährlich zu ersetzen seien. Bezüglich der Haltbarkeit der individuellen HTV-Silikonkosmetik biete die Klägerin, die diese seit vielen Jahren nutze, ein konkretes Beispiel. Zwar unterlägen auch Kosmetiken aus HTV-Silikon einem abrasiven Verschleiß, der sich in einer allmählich glättenden Oberfläche äußere und mit einem sukzessiven Verlust der farblichen Feinpigmentierung im Oberflächenbereich einhergehe. Dennoch bleibe diese Art der kosmetischen Gestaltung i.d.R. über mehrere Jahre hinweg funktionell und ansehnlich. Auch wenn Superskin vom Hersteller als elastischer Überzug angeboten werde, so komme es - nach Erfahrungen anhand von Versorgungen im eigenen Haus - doch aufgrund der unterschiedlichen mechanischen Dehnbarkeitseigenschaften der einzelnen Lagen (Fußkosmetik, Schaumstoff, Abschlusslage zur Herstellung einer homogenen Prothesenoberfläche, Superskin) unweigerlich zu Scherbelastungen (d.h. Verformungen) und Faltenbildungen mit der Konsequenz, dass sich das Superskin von der unteren Schicht löse und somit unansehnliche Risse und Falten ausbilde.
56 
In der mündlichen Verhandlung am 19.01.2017 haben Prof. Dr. ... und Dipl.-Ing. ... ihre schriftlichen Ausführungen mündlich erläutert. Wegen des Inhalts ihrer Erläuterungen wird auf das Sitzungsprotokoll - inkl. Anlage hierzu - Bezug genommen.
57 
Die Akten der Beklagten und die Gerichtsakten des Verwaltungsgerichts Stuttgart waren Gegenstand des Verfahrens. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird hierauf sowie auf die gewechselten Schriftsätze verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
58 
Streitgegenstand des Klageverfahrens und damit - nach uneingeschränkter Zulassung der Berufung durch den Senat - des vorliegenden Berufungsverfahrens ist lediglich die Frage, ob die Klägerin von der Beklagten die Genehmigung der Anschaffung und die Erstattung weiterer Kosten für eine (alltagstaugliche) Unterschenkelprothese mit Haftschaftsystem entsprechend ihrem Antrag vom 27.07.2010 beanspruchen kann. Entgegen dem vom Verwaltungsgericht sachdienlich formulierten Antrag und den Ausführungen auf S. 6 seines Urteils war die Anschaffung und Erstattung einer Unterschenkel-Badeprothese bereits im erstinstanzlichen Verfahren nicht Verfahrensgegenstand, nachdem die Beklagte die Kosten für die Badeprothese mit Bescheid vom 18.05.2011 - abzüglich eines Eigenanteils der Klägerin i.H.v. 10 EUR -schon vor Klageerhebung vollumfänglich anerkannt und erstattet hatte und sich der in der Klageschrift formulierte Antrag ausschließlich auf die (alltagstaugliche) Unterschenkelprothese bezog.
I.
59 
Bezogen auf diesen Streitgegenstand ist die Berufung zulässig. § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO bestimmt, dass die Berufung, wenn sie - wie vorliegend -vom Oberverwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung beim Oberverwaltungsgericht zu begründen ist. Dies ist ordnungsgemäß erfolgt. Die Anforderungen des § 124a Abs. 6 Satz 2 i.V.m. § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO an die Berufungsbegründung sind erfüllt. Die Begründung muss danach einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Die von der Klägerin übermittelte Berufungsbegründung genügt diesen Anforderungen und enthält insbesondere den erforderlichen Antrag.
II.
60 
Die zulässige Berufung ist auch begründet. Entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts hat die Klägerin - unter Zugrundelegung des bei ihr anzuwendenden Bemessungssatzes für Kassenleistungen in Höhe von 50 % - Anspruch auf Genehmigung und Kostenerstattung für die Anschaffung einer Unterschenkelprothese in Höhe von weiteren 4.042,61 EUR. Die diesem weiteren Anspruch entgegenstehenden Bescheide der Beklagten vom 07.01.2011 und ihres Widerspruchsausschusses vom 25.01.2012 sind rechtswidrig und aufzuheben (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
61 
1. Maßgeblich ist wie beim beihilferechtlichen Kostenerstattungsanspruch die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 - 2 C 35.04 -, juris Rn. 11 und Urteil vom 12.09.2013 - 5 C 33.12 -, juris Rn. 9; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 07.09.2011 - 2 S 1972/11 -, juris Rn. 3). Da es vorliegend um die Genehmigung/Erstattung von Leistungen aufgrund eines Kostenvoranschlags vom 26.07.2010 geht, sind die an diesem Tage geltenden Satzungsvorschriften Stand 01.06.2010 anzuwenden.
62 
2. Nach § 30 Abs. 1 der Satzung der Beklagten in der maßgeblichen Fassung haben Mitglieder für sich und ihre mitversicherten Angehörigen Anspruch auf Leistungen, die nach der Bundesbeihilfeverordnung (BBhV) in der jeweils gültigen Fassung dem Grunde nach beihilfefähig und die in den §§ 31-48 der Satzung geregelt sind. Dazu zählen nach § 35 Abs. 1 der Satzung auch Aufwendungen für die Anschaffung ärztlich verordneter Hilfsmittel und Körperersatzstücke. Nach § 35 Abs. 2 setzt die Erstattung von Aufwendungen für (u.a.) nicht zum Verbrauch bestimmte Hilfsmittel und Körperersatzstücke die vorherige Genehmigung der Anschaffung durch die Krankenkasse voraus. Die in § 35 Abs. 2 Satz 2 genannten Ausnahmen von der Genehmigungspflicht greifen hier nicht ein; insbesondere sieht die Leistungsordnung B in Nr. 5 keinen Höchstbetrag vor.
63 
Aufwendungen (u.a.) für die Anschaffung von Körperersatzstücken sind nach § 35 Abs. 1 der Satzung in dem für die Anwendung der Bundesbeihilfeverordnung in der jeweils gültigen Fassung geltenden Rahmen erstattungsfähig. Die Satzung der Beklagten nimmt damit auf § 25 BBhV Bezug und zwar in der Fassung, die vom 14.02.2009 bis zum 19.09.2012 in Geltung war. Danach sind Aufwendungen für ärztlich verordnete und in Anlage 5 genannte Hilfsmittel und Körperersatzstücke beihilfefähig, wenn sie im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. In Anlage 5 zur BBhV (in der o.g. maßgeblichen Fassung) sind “Körperersatzstücke einschließlich Zubehör“ genannt.
64 
a) Bei der Frage, ob ein Hilfsmittel im Sinne der Satzung der Beklagten - mit dem dortigen Verweis auf die beihilferechtlichen Vorschriften - erforderlich ist, um eine Behinderung auszugleichen, kann nach der Rechtsprechung des Senats (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.10.2011 - 2 S 1369/11 -, juris Rdnr. 32) auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu der die gesetzliche Krankenversicherung betreffenden und ähnlich lautenden Regelung in § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V zurückgegriffen werden. Nach dieser Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 3 KR 20/08 R -, juris Rdnr. 15ff und Urteil vom 21.03.2013 - B 3 KR 3/12 R -, juris Rdnr. 11ff) hat der Behinderungsausgleich grundsätzlich zwei Zielrichtungen: Im Vordergrund steht der Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst. Bei diesem sogenannten unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel kann deshalb nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem nicht behinderten Menschen erreicht ist. Daneben können Hilfsmittel den Zweck haben, die direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen. Im Rahmen dieses sogenannten mittelbaren Behinderungsausgleichs geht es nicht um einen Ausgleich im Sinne eines vollständigen Gleichziehens mit den vielfältigen Möglichkeiten eines nicht behinderten Menschen, sondern nur um die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolgs, um ein selbständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist daher nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehören das Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die (elementare) Körperpflege, das selbständige Wohnen sowie das Erschließen eines körperlichen Freiraums.
65 
b) Nach diesen Grundsätzen geht es im vorliegenden Fall - wovon auch das Verwaltungsgericht im rechtlichen Ansatz zutreffend ausgegangen ist - um einen Fall des unmittelbaren Behinderungsausgleichs, weil durch das von der Klägerin begehrte Körperersatzstück das Gehen selbst ermöglicht wird. Dies hat zur Konsequenz, dass die Klägerin den technisch möglichen, vollständigen Ausgleich ihrer Behinderung beanspruchen kann.
66 
aa) Dies gilt zunächst für die Prothese als solche, also das Prothesengerüst ohne die individuelle gefertigte Silikonkosmetik (dazu sogleich bb)). Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. ... im Gutachten vom 11.01.2015 (S. 17) - denen die Beklagte insoweit nicht entgegen getreten ist -, ist die geplante Versorgung mit einem Silikonliner-Haftschaftsystem und einem hochwertigen Carbonfeder-Fuß aus orthopädischer Sicht korrekt indiziert, wobei auch dem Gutachten der ... AG vom 07.01.2011 und deren Stellungnahme vom 16.08.2013 zu diesem Punkt nichts Gegenteiliges zu entnehmen ist. Soweit der Gutachter der ... AG seinen Berechnungen zu den Kosten der Prothese (ohne den Silikonüberzug, dazu sogleich bb)) die Bundesprothesenliste zugrunde legt und zu einem Kostenaufwand von insgesamt - also inklusive des Beihilfeanteils - 8.068,18 EUR gelangt, ist dem nicht zu folgen. Nach § 35 Abs. 1 der Satzung der Beklagten in der hier anzuwendenden Fassung sind Körperersatzstücke - was die Höhe der Erstattung angeht - „nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen erstattungsfähig“. § 35 Abs. 3 der Satzung enthält die „nachfolgende Bestimmung“, dass ein Anspruch auf Erstattung nur bis zur Höhe des Betrages besteht, der in den zwischen der Postbeamtenkrankenkasse und den Leistungserbringern (Vertragspartnern) abgeschlossenen Rahmenverträgen vereinbart wurde. Allerdings gilt der Verweis auf die vereinbarten Rahmenverträge nur, soweit in den Leistungsordnungen nichts anderes bestimmt ist. Hier enthält die auf die Klägerin anwendbare Leistungsordnung B (für Mitglieder mit Beihilfeanspruch, die nicht im einfachen Dienst beschäftigt sind) unter Ziffer 2 Nr. 5a) die anderweitige Bestimmung, dass Hilfsmittel wie Körperersatzstücke bis zur Höhe der beihilfefähigen Aufwendungen abzüglich der Eigenbehalte nach § 30b der Satzung erstattungsfähig sind. Zur Beihilfefähigkeit von Körperersatzstücken enthält Anlage 5 zu § 25 Abs. 1 und 4 BBhV aber keine Einschränkungen, insbesondere keinen Höchstbetrag, weshalb Körperersatzstücke im Rahmen der „notwendigen und angemessenen Aufwendungen“ erstattungsfähig sind. In Bezug auf die von der Klägerin begehrte Prothese bedeutet dies, dass die von der ... AG für richtig gehaltene Anwendung der Bundesprothesenliste die Erstattungsfähigkeit der Kosten nicht begrenzt: Bei der Bundesprothesenliste handelt es sich um eine im Jahre 2008 außer Kraft getretene (vgl. Rundscheiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 11.05.2009, GMBl 2009, S. 594) Kalkulationsgrundlage für Prothesen aus dem Recht der Kriegsopferversorgung, welche von den Krankenkassen in der gesetzlichen Krankenversicherung auch als inhaltlich überholt angesehen wird (vgl. den Vertrag gem. § 127 Abs. 2 SGB V zwischen dem AOK-Bundesverband und der... als Verband der lieferberechtigten Prothesenhersteller, vgl. ferner BR-Drs. 51/11 S. 23 zu Nummer 4) und der deshalb auch im Bereich der BBhV keine Relevanz mehr zukommt. Dementsprechend wurden die dem Kostenvoranschlag vom 26.07.2010 zugrunde liegenden Preise nach den von der Klägerin bei der ... Stiftung eingeholten und unwidersprochen gebliebenen Informationen (vgl. Kl.-Schriftsatz vom 13.05.2016) nicht anhand der Bundesprothesenliste, sondern anhand der von den Krankenkassen mit der Innung ausgehandelten AOK-Preise erstellt. Dass und inwiefern diese Kalkulation die Grenze der (beihilfefähigen) „notwendigen und angemessenen Aufwendungen“ überschreiten könnte, erschließt sich nicht, zumal die Beklagte Entsprechendes auch in der mündlichen Verhandlung nicht behauptet hat. Daher sind die nicht auf die individuelle Silikonkosmetik bezogenen Teile des Kostenvoranschlages vom 26.07.2010 in der dort aufgeführten Kostenhöhe prinzipiell erstattungsfähig. Dies sind 7.668,01 EUR zuzüglich des nach den unbestrittenen Angaben der Klägerin nicht auf die individuelle Silikonkosmetik entfallenden Anteils der Arbeitszeit (vier Stunden) i.H.v. 199,60 EUR, zuzüglich 7 % Mehrwertsteuer hieraus, insgesamt also 8.418,34 EUR.
67 
bb) Auch in Bezug auf die in dem Kostenvoranschlag enthaltenen Kosten für die Anfertigung der individuellen Silikonkosmetik (6.444,97 EUR zuzüglich des zweistündigen Arbeitszeitanteils hierfür i.H.v. 99,80 EUR, zuzüglich 7 % Mehrwertsteuer hieraus, insgesamt 7.755,06 EUR) geht es um einen unmittelbaren Behinderungsausgleich der Klägerin, denn die individuelle Silikonkosmetik betrifft bei funktionaler Betrachtung die Gestaltung des Körperersatzstücks selbst, welches der Klägerin das Gehen unmittelbar ermöglicht (vgl. zur Beinprothese auch BayLSG, Urteil vom 28.06.2016 - L 5 KR 3232/14 -, juris Rdnr. 24). Die Prothese einschließlich deren Optik und Gestaltung dient hier nicht (lediglich) dazu, einem behinderten Menschen, dessen Funktionsbeeinträchtigung durch medizinische Maßnahmen einschließlich des Einsatzes von Hilfsmitteln nicht weiter behoben werden kann, das Leben mit den Folgen dieser Beeinträchtigung soweit wie möglich zu erleichtern (mittelbarer Behinderungsausgleich, BSG, Urteil vom 25.02.2015 - B 3 KR 13/13 R -, juris Rdnr. 20). Daher kann die Klägerin auch in Bezug auf die Gestaltung ihrer Unterschenkelprothese im rechtlichen Ausgangspunkt grundsätzlich einen Ausgleich des Funktionsdefizits unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts verlangen.
68 
(1) Allerdings wird dieser grundsätzlich gegebene Anspruch - ebenso wie im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung durch das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 SGB V - vorliegend dadurch eingeschränkt, dass die für den unmittelbaren Behinderungsausgleich zu erbringenden Leistungen im Sinne des § 35 Abs. 3 der Satzung i.V.m. Ziff. 2 Nr. 5a) der Leistungsordnung B i.V.m. Nr. 1 der Anlage 5 zu § 25 Abs. 1 und 4 BBhV „notwendig und angemessen“ sein müssen. Dieser speziell für die Versorgung mit Hilfsmitteln und Körperersatzstücken statuierte Notwendigkeits- und Angemessenheitsvorbehalt macht einen Rückgriff auf die allgemeine Vorschrift des § 30 Abs. 2 Sätze 1 und 2 der Satzung der Beklagten - wonach Aufwendungen nur bei medizinischer Notwendigkeit der zugrundeliegenden Leistungen und wirtschaftlicher Angemessenheit erstattungsfähig sind - entbehrlich.
69 
Bei der Frage, welche Aufwendungen i.S.v. Nr. 1 der Anlage 5 zu § 25 Abs. 1 und 4 BBhV für die Anschaffung von Hilfsmitteln „notwendig und angemessen“ sind, kann auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 SGB V zurückgegriffen werden. Nach dieser Rechtsprechung müssen Leistungen - auch im Bereich des unmittelbaren Behinderungsausgleichs - ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich angemessen sein. Demzufolge können gesetzlich Versicherte nicht jede von ihnen für optimal gehaltene Versorgung beanspruchen. Ausgeschlossen sind insbesondere teure Hilfsmittel, wenn eine kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Behinderungsausgleich ebenfalls funktionell geeignet ist. Keine Leistungspflicht besteht auch für solche Innovationen, die nicht die Funktionalität des Hilfsmittels dienen, sondern in erster Linie der Bequemlichkeit und dem Komfort bei dessen Nutzung. Eine kostenaufwändigere Versorgung mit Hilfsmitteln ist allerdings dann vom Versorgungsauftrag der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst, wenn sie durch eine Verbesserung bedingt ist, die für den Versicherten einen wesentlichen Gebrauchsvorteil gegenüber der kostengünstigeren Variante bietet. Dies gilt bei Hilfsmitteln zum unmittelbaren Behinderungsausgleich - insbesondere bei Prothesen - für grundsätzlich jede Innovation, die dem Versicherten nach ärztlicher Einschätzung in seinem Alltagsleben wesentliche Gebrauchsvorteile bietet (BSG, Urteil vom 21.03.2013 - B 3 KR 3/12 R -, juris Rdnr. 21ff; BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 3 KR 20/08 R -, juris Rdnr. 21 m.w.N. aus der früheren Rechtsprechung des Gerichts).
70 
Bei Anwendung dieser Grundsätze entspricht die von der Klägerin vorliegend begehrte individuelle Silikonkosmetik dem aktuellen medizinischen und technischen Fortschritt und ist für den von der Klägerin zu beanspruchenden unmittelbaren Behinderungsausgleich auch funktionell geeignet. Soweit gegenüber Versorgungsalternativen Mehrkosten anfallen, ist deren Erstattungsfähigkeit durch einen wesentlichen Gebrauchsvorteil der Silikonprothese im Alltagsleben der Klägerin gerechtfertigt.
71 
Dies steht zur Überzeugung des Senats fest aufgrund der in der mündlichen Verhandlung erläuterten und teilweise ergänzten schriftlichen Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. ... und Dipl. Ing. ..., welche der Senat für methodisch sachgerecht erstellt, schlüssig, nachvollziehbar und inhaltlich überzeugend hält. Die gefertigten gutachterlichen Äußerungen sind gerichtsverwertbar und vermögen dem Senat die notwendige Fachkunde zu vermitteln. Bei Prof. Dr. ... handelt es sich um einen langjährig erfahrenen Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, welcher jährlich etwa 400 vergleichbare Sachverständigengutachten fertigt und der den Skelett- und Bewegungsapparat der Klägerin am 29.07.2014 in der Orthopädischen Universitätsklinik Heidelberg eingehend untersucht hat. Bei Herrn ... handelt es sich um einen Dipl. Ing. für Orthopädie- und Rehatechnik, der als Leiter der Technischen Orthopädie im Zentrum für Orthopädie, Unfallchirurgie und Paraplegiologie des Universitätsklinikums Heidelberg über eine langjährige, breite praktische Erfahrung verfügt. In seiner Werkstatt werden nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung weit über 100 Prothesen jährlich für unterschiedliche Patiententypen und unterschiedliche Indikationsbereiche gefertigt. Zweifel an der Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit dieser Personen bestehen nicht und werden auch von der Beklagten nicht aufgeworfen. Anhaltspunkte dafür, dass den Sachverständigen bei der Erstellung ihrer Gutachten methodische Mängel unterlaufen sein könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
72 
Die für den Senat nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen haben im Einzelnen Folgendes ergeben:
73 
(aa) Entgegen der schriftsätzlich geäußerten Auffassung der Beklagten wird die medizinische Funktion der hier in Rede stehenden Unterschenkelprothese nicht dadurch kontraproduktiv beeinträchtigt, dass diese infolge der individuell gefertigten Silikonkosmetik ein höheres Gewicht erhält. Zwar gehen beide Sachverständige - in Übereinstimmung mit dem Hilfsmittelsachverständigen der Beklagten - davon aus, dass die Silikonkosmetik ein Mehrgewicht der Prothese von 400-500 g verursacht. Sie haben in diesem Zusammenhang aber nachvollziehbar hervorgehoben, dass dieses Mehrgewicht nicht zu entsprechenden biomechanischen oder funktionellen Nachteilen der Prothese führt, weil es gemessen an den in der Dynamik auftretenden Momenten und Belastungen unerheblich sei. Abgesehen davon, dass sich das Silikon weitestgehend auf die gesamte Prothese verteilt, was den Einfluss auf die auftretenden Trägheitsmomente stark relativiert, ist für die Frage eines reduzierten Prothesenhubs die gute Anbindung zwischen Schaft und Stumpf wesentlich. Im Falle der Klägerin kommt hinzu, dass sie in der Vergangenheit bereits Prothesen mit individueller Silikonkosmetik getragen hat und damit über Jahre problemlos zurecht gekommen ist. In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte ihre diesbezüglichen Einwände nicht mehr aufrecht erhalten.
74 
(bb) Auch das von der Beklagten zunächst schriftsätzlich ins Feld geführte Risiko, dass es aufgrund des Einsatzes einer individuellen Silikonkosmetik vermehrt zu Druckstellen am Beinstumpf kommen könne, besteht nach den Ausführungen der Sachverständigen nicht, weil für Hautulzerationen vor allem die Passform der Prothese und die Aktivität der Prothesennutzer verantwortlich sei. Auch der Heilmittelsachverständige der Beklagten kommt in seiner Stellungnahme vom 04.03.2014 zu diesem Ergebnis („da Druckstellen ausschließlich durch unpassenden Prothesenschaft oder bei falscher oder schlecht justierter Prothese entstehen können“). Hinzu kommt die auch für den Senat nachvollziehbare Überlegung, dass bei der Untersuchung der Klägerin am 29.07.2014 keine Druckstellenbildung festzustellen war und die Klägerin bereits seit Jahren problemlos mit einer Prothese der beantragten Art zurechtkommt.
75 
(cc) Die von der Beklagten aufgeworfenen und in der mündlichen Verhandlung aufrecht erhaltenen Zweifel an der Kombinierbarkeit einer individuellen Silikonkosmetik mit einem elastischen, verstellbaren „Elation“- Fuß werden von den Sachverständigen nicht bestätigt. Dipl.-Ing. ... hat hierzu in seinem Gutachten vom 10.01.2015 überzeugend ausgeführt, dass der der Klägerin attestierte Mobilitätsgrad IV sich mit dem Prothesenfuß „Elation“, welcher auf einen Mobilitätsgrad bis III ausgelegt sei, vertrage, weil die Klägerin ihre Prothese nicht für sportliche Aktivitäten - für welche der Prothesenfuß nicht geeignet sei -, sondern im Alltag einsetzen wolle (Gutachten S. 5 und 8). Sowohl aus der Stellungnahme der ... Stiftung vom 29.07.2015 (Anlage K 1 zum Kl.-Schriftsatz vom 31.07.2015) als auch aus dem Gutachten des Sachverständigen ... vom 10.01.2015 (dort S. 8) ergibt sich zudem, dass der „Elation“- Fuß, welcher auf eine Belastung bis 100 kg ausgerichtet ist, angesichts des Körpergewichts der Klägerin von nur 55 kg problemlos eingesetzt werden kann. Auch ist es nach den Ausführungen des Sachverständigen ... möglich, einen verstellbaren Prothesenfuß mit einer individuellen Silikonkosmetik zu kombinieren, etwa durch Herstellung eines wechselbaren Fußteils (Gutachten vom 10.01.2015, S. 9 und ergänzende Stellungnahme vom 01.04.2016, S. 2/3). Details seien allerdings mit dem Leistungserbringer zu klären. Hierzu liegt die bereits erwähnte Stellungnahme der ... Stiftung vom 29.07.2015 vor, wonach die beantragten Bauteile der Prothese auf Funktionalität hin geprüft worden seien und die Hersteller des Silikonüberzugs wie des Prothesenfußes versichert hätten, dass eine Versorgung wie beantragt möglich sei. Die Beklagte vermochte weder schriftsätzlich noch in der mündlichen Verhandlung aufzuzeigen, dass und weshalb die fachlichen Ausführungen des Sachverständigen ... verfehlt sein könnten. Auch den Ausführungen der ... Stiftung in dem Schreiben vom 29.07.2015 ist sie nicht entgegen getreten.
76 
(dd) Die von der Beklagten ins Spiel gebrachten Alternativen zur begehrten individuellen Silikonkosmetik mögen auf den ersten Blick wirtschaftlicher sein, weil die Herstellung einer individuellen Silikonkosmetik bezogen auf die Kosten des reinen Prothesengerüsts einmalige Mehrkosten i.H.v. 7.247,72 EUR (netto) verursacht, wohingegen die entsprechenden Mehrkosten für die Anfertigung einer Superskinbeschichtung bzw. für die Anschaffung eines Skinergy-Systems auf den ersten Blick deutlich niedriger liegen. Nach den Angaben der Beklagten betragen die entsprechenden Mehrkosten für die Anfertigung einer Superskinbeschichtung ca. 200 EUR (netto), nach den Angaben des Sachverständigen ... in der mündlichen Verhandlung liegen sie eher bei 300 EUR (netto). Die entsprechenden Mehrkosten für ein Superskinsystem betragen nach den insoweit übereinstimmenden Angaben der Beklagten und des Sachverständigen ... in der mündlichen Verhandlung ca. 400 EUR (netto).
77 
Dieser auf den ersten Blick eindeutige Kostenunterschied wird aber dadurch entscheidend relativiert, dass eine individuell aus widerstandsfähigem HTV-Silikon angefertigte Silikonkosmetik nach den überzeugenden - und auch von der Beklagten nicht in Frage gestellten - erfahrungsbasierten schriftlichen Ausführungen des Sachverständigen ... (Gutachten vom 10.01.2015, S. 10/11 und ergänzende Stellungnahme vom 01.04.2016, S. 5) und dessen Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung über Jahre hinweg funktionell und ansehnlich bleibt, wobei kleinere Beschädigungen mittels Silikonkleber und durch nachträgliches Ausvulkanisieren behoben werden können. Dagegen weist die aufgesprühte Superskinbeschichtung als nur „temporäre Leistung“ bereits nach drei Monaten erste relevante Gebrauchsspuren auf und kann nach ca. 1 Jahr als eher unansehnlich bezeichnet werden. Zudem kann die Absatzverstellung des „Elation“- Prothesenfußes nicht hinreichend abgebildet werden. Rissbildungen, Scherbelastungen und Faltenbildungen können daher kaum vermieden werden (Ergänzende Stellungnahme vom 01.04.2016, S. 4-6).
78 
Bei der Variante der aus RTV-Silikon gefertigten Skinergy-Strümpfe ist zu berücksichtigen, dass auch diese nach den Erfahrungen des Sachverständigen ... ab etwa 6 Monaten Tragezeit erste größere Verschleißerscheinungen aufweisen und jährlich bis anderthalbjährlich zu ersetzen sind, wobei auch hier die Kombination mit einem höhenverstellbaren Prothesenfuß Probleme macht, weil die Strümpfe eng anliegen müssen und es daher unvermeidbar zur Rissbildungen kommt (Gutachten vom 10.01.2015, S. 13, ergänzende Stellungnahme vom 01.04.2016, S. 5/6, Erläuterung in der mündlichen Verhandlung, Anlage zur Niederschrift S. 10).
79 
Unter Berücksichtigung dessen kann man die einmaligen Anschaffungskosten einer individuellen Silikonkosmetik (hier 7.247,72 EUR netto), welche - wie nicht zuletzt das Beispiel der Klägerin zeigt - mehrere Jahre in Benutzung bleiben kann, allenfalls dann mit den von der Beklagten genannten Alternativen vergleichen, wenn man deren geringere Haltbarkeit in Rechnung stellt. Gerechnet auf zehn Jahre müsste die Superskinbeschichtung 10 x für (im Mittel) 250 EUR (netto) ersetzt werden. Die Alternativkosten betrügen dann 2.500 EUR. Bei der Skinergy-Lösung lägen die Alternativkosten für eine - bei konservativer Rechnung - mindestens einmalige Anschaffung eines Skinergy-Strumpfes pro Jahr bei 10 x 400 EUR = 4.000 EUR.
80 
Auch wenn man dementsprechend davon ausgeht, dass sich der Kostenunterschied zwischen der individuellen Silikonkosmetik auf der einen Seite und der Superskinbeschichtung sowie der Skinergy-Lösung auf der anderen Seite zwar relativiert, die individuelle Silikonkosmetik aber auch unter Berücksichtigung ihrer längeren Haltbarkeit die deutlich teuerste Lösung darstellt, verschafft diese der Klägerin im Alltagsleben aber doch einen wesentlichen funktionellen Gebrauchsvorteil, der im Wege einer Gesamtbetrachtung über den bloßen Vorteil einer höheren Bequemlichkeit bzw. eines höheren Komforts hinausgeht und sich auch nicht in einem rein ästhetischen Vorteil erschöpft.
81 
Nach den auch in dieser Beziehung nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen ermöglicht nur die individuelle Silikonkosmetik eine individuelle Farbabstimmung mit einer gewissen Dreidimensionalität und Tiefe und somit eine exakte Anpassung an die Hautfarbe des Prothesenträgers mit der Konsequenz, dass die Prothese von Dritten kaum als solche wahrgenommen wird. Hierbei handelt es sich um einen Gesichtspunkt, der jedenfalls bei einer 45-jährigen, im Alltagsleben aktiven Frau mit hohem Mobilitätsgrad wie der Klägerin zum Tragen kommt, weil diese ein nachvollziehbares Interesse daran hat, ebenso wie nicht beinamputierte Personen gerade im Sommer auch leichteres Schuhwerk oder kürzere Beinbekleidung zu tragen. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten kommt es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob und wenn ja, wie oft die Klägerin persönlich auf ihre Unterschenkelprothese tatsächlich angesprochen würde. Ein greifbarer Gebrauchsvorteil im Alltag liegt hier jedenfalls darin, dass die individuelle Silikonkosmetik es der Prothesenträgerin ermöglicht, sich im Alltag frei und ungezwungen zu bewegen und sich insofern ihr Aktions- und Bewegungsradius erweitert. Hierzu hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar und unwidersprochen angegeben, dass die individuelle Silikonkosmetik es ihr ermögliche, auch Sandalen zu tragen sowie Hosen und Röcke, die knapp über das Knie reichten. Der Gebrauchsvorteil ist hier auch „wesentlich“, weil er sich nicht - wie etwa bei einer Sportprothese (vgl. BSG, Urteil vom 21.03.2013 - B 3 KR 3/12 R -, juris Rdnr. 23) - auf ein spezielles Mobilitätsbedürfnis der Klägerin in ihrer Freizeit beschränkt, sondern ihre Mobilität im Alltagsleben betrifft.
82 
Eine Steigerung der Alltagsmobilität, die der Silikonprothese einen wesentlichen Gebrauchsvorteil verleiht, liegt zudem darin, dass diese gegenüber Beschädigungen weitaus widerstandsfähiger ist als die Alternativversorgungen. So hat der Sachverständige Prof. ... in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich und ohne Weiteres nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass der Skinergy-Strumpf viel „verletzlicher“ sei als die Silikonkosmetik, und man im Sommer mit freiem Unterschenkel bei einem Gang z.B. durch Gestrüpp große Vorsicht walten lassen müsse, um die Kunsthaut nicht zu verletzen (Anlage zur Niederschrift S. 4). Entsprechendes gilt bei der Superskin-Beschichtung, wie der Sachverständige ... anschaulich dargestellt hat, der in der mündlichen Verhandlung ausführte, dass man bei den schaumstoffbasierten Prothesen schon beim Anstoßen an harte Gegenstände, wobei es nicht einmal ein Ast im Wald sein müsse, sondern schon ein Tisch oder Stuhl im Büro genüge, die Prothesenoberfläche verletze, wodurch dann Wasser und Regen in den Schaumstoffkörper eindringen könne. All dies führt nach Überzeugung des Senats aber dazu, dass ein Prothesenträger in ganz erheblichem Maße in seiner Alltagsmobilität, sei es in Bezug auf den Aktionsradius, sei es in Bezug auf den Ort seiner Aktivitäten, mithin sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht, erheblichen Einschränkungen unterworfen ist, die bei Nutzung der Silikonprothese nicht bestehen. Schließlich führt auch die geringere Reparaturanfälligkeit der Silikonkosmetik insoweit zu einem wesentlichen Gebrauchsvorteil, als die Prothese ihrem Träger so gut wie ohne reparaturbedingte Unterbrechung zur Verfügung steht - wie nicht zuletzt die Erfahrungen der Klägerin mit den von ihr bislang getragenen Prothesen mit individuell gefertigtem Silikonüberzug zeigen -, während die Alternativversorgungen mindestens ein- bis zweimal pro Jahr repariert werden müssen und in dieser Zeit nicht verwendet werden können. Insoweit hat der Sachverständige ... in der mündlichen Verhandlung (Anlage zur Niederschrift S. 13f.) überzeugend und nachvollziehbar erläutert, dass eine Reparatur bei Verwendung eines Skinergy-Strumpfes etwa einen Tag in Anspruch nimmt und bei der Superskintechnologie sogar von mindestens zwei Tagen auszugehen ist.
83 
(2) Die mithin gegebene Verpflichtung der Beklagten, Aufwendungen der Klägerin für die Anfertigung einer individuellen Silikonkosmetik zu genehmigen und zu erstatten, wird hier auch nicht dadurch begrenzt, dass einem nur geringfügigen individuellen Gebrauchsvorteil auf Seiten der Klägerin ein unverhältnismäßiger Mehraufwand gegenüber stünde. Zwar kann sich bei krassen Missverhältnissen auch aus diesem Grund eine aus dem Angemessenheitsgebot (hier auf der Grundlage von Nr. 1 der Anlage 5 zu § 25 Abs. 1 und Abs. 4 BBhV) abzuleitende Grenze der Leistungspflicht ergeben (vgl. zur Parallele im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 3 KR 20/08 R -, juris Rdnr. 21). Ein solches krasses Missverhältnis liegt nach dem Ausgeführten aber nicht vor.
84 
Die Klägerin kann daher von der Beklagten verlangen, die Anschaffung der beantragten Unterschenkelprothese mit Haftschaftsystem zu genehmigen und ihr hierfür weitere Kassenleistungen in Höhe von 4.042,61 EUR (16.173, 41 EUR abzüglich des Beihilfeanteils von 50 %, abzüglich der mit Bescheid vom 07.01.2011 bereits bewilligten 50 %igen Erstattung in Höhe von 4.034,09 EUR) zu gewähren. Hierbei ist der nach § 30 b Abs. 1 Nr. 1b) der Satzung von der Klägerin zu erbringende Eigenanteil i.H.v. 10 EUR bereits berücksichtigt.
85 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
86 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
87 
Beschluss vom 19.01.2017
88 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 4.042,61 EUR festgesetzt (§§ 63 Abs. 2, 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG).
89 
Der Streitwert des erstinstanzlichen Verfahrens wird in Abänderung des Streitwertbeschlusses des Verwaltungsgerichts vom 05.03.2013 auf 4.042,61 EUR festgesetzt (§§ 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2, 52 Abs. 3 GKG).
90 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
58 
Streitgegenstand des Klageverfahrens und damit - nach uneingeschränkter Zulassung der Berufung durch den Senat - des vorliegenden Berufungsverfahrens ist lediglich die Frage, ob die Klägerin von der Beklagten die Genehmigung der Anschaffung und die Erstattung weiterer Kosten für eine (alltagstaugliche) Unterschenkelprothese mit Haftschaftsystem entsprechend ihrem Antrag vom 27.07.2010 beanspruchen kann. Entgegen dem vom Verwaltungsgericht sachdienlich formulierten Antrag und den Ausführungen auf S. 6 seines Urteils war die Anschaffung und Erstattung einer Unterschenkel-Badeprothese bereits im erstinstanzlichen Verfahren nicht Verfahrensgegenstand, nachdem die Beklagte die Kosten für die Badeprothese mit Bescheid vom 18.05.2011 - abzüglich eines Eigenanteils der Klägerin i.H.v. 10 EUR -schon vor Klageerhebung vollumfänglich anerkannt und erstattet hatte und sich der in der Klageschrift formulierte Antrag ausschließlich auf die (alltagstaugliche) Unterschenkelprothese bezog.
I.
59 
Bezogen auf diesen Streitgegenstand ist die Berufung zulässig. § 124a Abs. 6 Satz 1 VwGO bestimmt, dass die Berufung, wenn sie - wie vorliegend -vom Oberverwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung beim Oberverwaltungsgericht zu begründen ist. Dies ist ordnungsgemäß erfolgt. Die Anforderungen des § 124a Abs. 6 Satz 2 i.V.m. § 124a Abs. 3 Satz 4 VwGO an die Berufungsbegründung sind erfüllt. Die Begründung muss danach einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Die von der Klägerin übermittelte Berufungsbegründung genügt diesen Anforderungen und enthält insbesondere den erforderlichen Antrag.
II.
60 
Die zulässige Berufung ist auch begründet. Entgegen der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichts hat die Klägerin - unter Zugrundelegung des bei ihr anzuwendenden Bemessungssatzes für Kassenleistungen in Höhe von 50 % - Anspruch auf Genehmigung und Kostenerstattung für die Anschaffung einer Unterschenkelprothese in Höhe von weiteren 4.042,61 EUR. Die diesem weiteren Anspruch entgegenstehenden Bescheide der Beklagten vom 07.01.2011 und ihres Widerspruchsausschusses vom 25.01.2012 sind rechtswidrig und aufzuheben (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).
61 
1. Maßgeblich ist wie beim beihilferechtlichen Kostenerstattungsanspruch die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 - 2 C 35.04 -, juris Rn. 11 und Urteil vom 12.09.2013 - 5 C 33.12 -, juris Rn. 9; VGH Bad.-Württ., Beschluss vom 07.09.2011 - 2 S 1972/11 -, juris Rn. 3). Da es vorliegend um die Genehmigung/Erstattung von Leistungen aufgrund eines Kostenvoranschlags vom 26.07.2010 geht, sind die an diesem Tage geltenden Satzungsvorschriften Stand 01.06.2010 anzuwenden.
62 
2. Nach § 30 Abs. 1 der Satzung der Beklagten in der maßgeblichen Fassung haben Mitglieder für sich und ihre mitversicherten Angehörigen Anspruch auf Leistungen, die nach der Bundesbeihilfeverordnung (BBhV) in der jeweils gültigen Fassung dem Grunde nach beihilfefähig und die in den §§ 31-48 der Satzung geregelt sind. Dazu zählen nach § 35 Abs. 1 der Satzung auch Aufwendungen für die Anschaffung ärztlich verordneter Hilfsmittel und Körperersatzstücke. Nach § 35 Abs. 2 setzt die Erstattung von Aufwendungen für (u.a.) nicht zum Verbrauch bestimmte Hilfsmittel und Körperersatzstücke die vorherige Genehmigung der Anschaffung durch die Krankenkasse voraus. Die in § 35 Abs. 2 Satz 2 genannten Ausnahmen von der Genehmigungspflicht greifen hier nicht ein; insbesondere sieht die Leistungsordnung B in Nr. 5 keinen Höchstbetrag vor.
63 
Aufwendungen (u.a.) für die Anschaffung von Körperersatzstücken sind nach § 35 Abs. 1 der Satzung in dem für die Anwendung der Bundesbeihilfeverordnung in der jeweils gültigen Fassung geltenden Rahmen erstattungsfähig. Die Satzung der Beklagten nimmt damit auf § 25 BBhV Bezug und zwar in der Fassung, die vom 14.02.2009 bis zum 19.09.2012 in Geltung war. Danach sind Aufwendungen für ärztlich verordnete und in Anlage 5 genannte Hilfsmittel und Körperersatzstücke beihilfefähig, wenn sie im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. In Anlage 5 zur BBhV (in der o.g. maßgeblichen Fassung) sind “Körperersatzstücke einschließlich Zubehör“ genannt.
64 
a) Bei der Frage, ob ein Hilfsmittel im Sinne der Satzung der Beklagten - mit dem dortigen Verweis auf die beihilferechtlichen Vorschriften - erforderlich ist, um eine Behinderung auszugleichen, kann nach der Rechtsprechung des Senats (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 10.10.2011 - 2 S 1369/11 -, juris Rdnr. 32) auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zu der die gesetzliche Krankenversicherung betreffenden und ähnlich lautenden Regelung in § 33 Abs. 1 Satz 1 SGB V zurückgegriffen werden. Nach dieser Rechtsprechung (BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 3 KR 20/08 R -, juris Rdnr. 15ff und Urteil vom 21.03.2013 - B 3 KR 3/12 R -, juris Rdnr. 11ff) hat der Behinderungsausgleich grundsätzlich zwei Zielrichtungen: Im Vordergrund steht der Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst. Bei diesem sogenannten unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel kann deshalb nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem nicht behinderten Menschen erreicht ist. Daneben können Hilfsmittel den Zweck haben, die direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen. Im Rahmen dieses sogenannten mittelbaren Behinderungsausgleichs geht es nicht um einen Ausgleich im Sinne eines vollständigen Gleichziehens mit den vielfältigen Möglichkeiten eines nicht behinderten Menschen, sondern nur um die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolgs, um ein selbständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist daher nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehören das Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die (elementare) Körperpflege, das selbständige Wohnen sowie das Erschließen eines körperlichen Freiraums.
65 
b) Nach diesen Grundsätzen geht es im vorliegenden Fall - wovon auch das Verwaltungsgericht im rechtlichen Ansatz zutreffend ausgegangen ist - um einen Fall des unmittelbaren Behinderungsausgleichs, weil durch das von der Klägerin begehrte Körperersatzstück das Gehen selbst ermöglicht wird. Dies hat zur Konsequenz, dass die Klägerin den technisch möglichen, vollständigen Ausgleich ihrer Behinderung beanspruchen kann.
66 
aa) Dies gilt zunächst für die Prothese als solche, also das Prothesengerüst ohne die individuelle gefertigte Silikonkosmetik (dazu sogleich bb)). Nach den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. ... im Gutachten vom 11.01.2015 (S. 17) - denen die Beklagte insoweit nicht entgegen getreten ist -, ist die geplante Versorgung mit einem Silikonliner-Haftschaftsystem und einem hochwertigen Carbonfeder-Fuß aus orthopädischer Sicht korrekt indiziert, wobei auch dem Gutachten der ... AG vom 07.01.2011 und deren Stellungnahme vom 16.08.2013 zu diesem Punkt nichts Gegenteiliges zu entnehmen ist. Soweit der Gutachter der ... AG seinen Berechnungen zu den Kosten der Prothese (ohne den Silikonüberzug, dazu sogleich bb)) die Bundesprothesenliste zugrunde legt und zu einem Kostenaufwand von insgesamt - also inklusive des Beihilfeanteils - 8.068,18 EUR gelangt, ist dem nicht zu folgen. Nach § 35 Abs. 1 der Satzung der Beklagten in der hier anzuwendenden Fassung sind Körperersatzstücke - was die Höhe der Erstattung angeht - „nach Maßgabe der nachfolgenden Bestimmungen erstattungsfähig“. § 35 Abs. 3 der Satzung enthält die „nachfolgende Bestimmung“, dass ein Anspruch auf Erstattung nur bis zur Höhe des Betrages besteht, der in den zwischen der Postbeamtenkrankenkasse und den Leistungserbringern (Vertragspartnern) abgeschlossenen Rahmenverträgen vereinbart wurde. Allerdings gilt der Verweis auf die vereinbarten Rahmenverträge nur, soweit in den Leistungsordnungen nichts anderes bestimmt ist. Hier enthält die auf die Klägerin anwendbare Leistungsordnung B (für Mitglieder mit Beihilfeanspruch, die nicht im einfachen Dienst beschäftigt sind) unter Ziffer 2 Nr. 5a) die anderweitige Bestimmung, dass Hilfsmittel wie Körperersatzstücke bis zur Höhe der beihilfefähigen Aufwendungen abzüglich der Eigenbehalte nach § 30b der Satzung erstattungsfähig sind. Zur Beihilfefähigkeit von Körperersatzstücken enthält Anlage 5 zu § 25 Abs. 1 und 4 BBhV aber keine Einschränkungen, insbesondere keinen Höchstbetrag, weshalb Körperersatzstücke im Rahmen der „notwendigen und angemessenen Aufwendungen“ erstattungsfähig sind. In Bezug auf die von der Klägerin begehrte Prothese bedeutet dies, dass die von der ... AG für richtig gehaltene Anwendung der Bundesprothesenliste die Erstattungsfähigkeit der Kosten nicht begrenzt: Bei der Bundesprothesenliste handelt es sich um eine im Jahre 2008 außer Kraft getretene (vgl. Rundscheiben des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales vom 11.05.2009, GMBl 2009, S. 594) Kalkulationsgrundlage für Prothesen aus dem Recht der Kriegsopferversorgung, welche von den Krankenkassen in der gesetzlichen Krankenversicherung auch als inhaltlich überholt angesehen wird (vgl. den Vertrag gem. § 127 Abs. 2 SGB V zwischen dem AOK-Bundesverband und der... als Verband der lieferberechtigten Prothesenhersteller, vgl. ferner BR-Drs. 51/11 S. 23 zu Nummer 4) und der deshalb auch im Bereich der BBhV keine Relevanz mehr zukommt. Dementsprechend wurden die dem Kostenvoranschlag vom 26.07.2010 zugrunde liegenden Preise nach den von der Klägerin bei der ... Stiftung eingeholten und unwidersprochen gebliebenen Informationen (vgl. Kl.-Schriftsatz vom 13.05.2016) nicht anhand der Bundesprothesenliste, sondern anhand der von den Krankenkassen mit der Innung ausgehandelten AOK-Preise erstellt. Dass und inwiefern diese Kalkulation die Grenze der (beihilfefähigen) „notwendigen und angemessenen Aufwendungen“ überschreiten könnte, erschließt sich nicht, zumal die Beklagte Entsprechendes auch in der mündlichen Verhandlung nicht behauptet hat. Daher sind die nicht auf die individuelle Silikonkosmetik bezogenen Teile des Kostenvoranschlages vom 26.07.2010 in der dort aufgeführten Kostenhöhe prinzipiell erstattungsfähig. Dies sind 7.668,01 EUR zuzüglich des nach den unbestrittenen Angaben der Klägerin nicht auf die individuelle Silikonkosmetik entfallenden Anteils der Arbeitszeit (vier Stunden) i.H.v. 199,60 EUR, zuzüglich 7 % Mehrwertsteuer hieraus, insgesamt also 8.418,34 EUR.
67 
bb) Auch in Bezug auf die in dem Kostenvoranschlag enthaltenen Kosten für die Anfertigung der individuellen Silikonkosmetik (6.444,97 EUR zuzüglich des zweistündigen Arbeitszeitanteils hierfür i.H.v. 99,80 EUR, zuzüglich 7 % Mehrwertsteuer hieraus, insgesamt 7.755,06 EUR) geht es um einen unmittelbaren Behinderungsausgleich der Klägerin, denn die individuelle Silikonkosmetik betrifft bei funktionaler Betrachtung die Gestaltung des Körperersatzstücks selbst, welches der Klägerin das Gehen unmittelbar ermöglicht (vgl. zur Beinprothese auch BayLSG, Urteil vom 28.06.2016 - L 5 KR 3232/14 -, juris Rdnr. 24). Die Prothese einschließlich deren Optik und Gestaltung dient hier nicht (lediglich) dazu, einem behinderten Menschen, dessen Funktionsbeeinträchtigung durch medizinische Maßnahmen einschließlich des Einsatzes von Hilfsmitteln nicht weiter behoben werden kann, das Leben mit den Folgen dieser Beeinträchtigung soweit wie möglich zu erleichtern (mittelbarer Behinderungsausgleich, BSG, Urteil vom 25.02.2015 - B 3 KR 13/13 R -, juris Rdnr. 20). Daher kann die Klägerin auch in Bezug auf die Gestaltung ihrer Unterschenkelprothese im rechtlichen Ausgangspunkt grundsätzlich einen Ausgleich des Funktionsdefizits unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts verlangen.
68 
(1) Allerdings wird dieser grundsätzlich gegebene Anspruch - ebenso wie im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung durch das Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 SGB V - vorliegend dadurch eingeschränkt, dass die für den unmittelbaren Behinderungsausgleich zu erbringenden Leistungen im Sinne des § 35 Abs. 3 der Satzung i.V.m. Ziff. 2 Nr. 5a) der Leistungsordnung B i.V.m. Nr. 1 der Anlage 5 zu § 25 Abs. 1 und 4 BBhV „notwendig und angemessen“ sein müssen. Dieser speziell für die Versorgung mit Hilfsmitteln und Körperersatzstücken statuierte Notwendigkeits- und Angemessenheitsvorbehalt macht einen Rückgriff auf die allgemeine Vorschrift des § 30 Abs. 2 Sätze 1 und 2 der Satzung der Beklagten - wonach Aufwendungen nur bei medizinischer Notwendigkeit der zugrundeliegenden Leistungen und wirtschaftlicher Angemessenheit erstattungsfähig sind - entbehrlich.
69 
Bei der Frage, welche Aufwendungen i.S.v. Nr. 1 der Anlage 5 zu § 25 Abs. 1 und 4 BBhV für die Anschaffung von Hilfsmitteln „notwendig und angemessen“ sind, kann auf die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zum Wirtschaftlichkeitsgebot des § 12 Abs. 1 SGB V zurückgegriffen werden. Nach dieser Rechtsprechung müssen Leistungen - auch im Bereich des unmittelbaren Behinderungsausgleichs - ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich angemessen sein. Demzufolge können gesetzlich Versicherte nicht jede von ihnen für optimal gehaltene Versorgung beanspruchen. Ausgeschlossen sind insbesondere teure Hilfsmittel, wenn eine kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Behinderungsausgleich ebenfalls funktionell geeignet ist. Keine Leistungspflicht besteht auch für solche Innovationen, die nicht die Funktionalität des Hilfsmittels dienen, sondern in erster Linie der Bequemlichkeit und dem Komfort bei dessen Nutzung. Eine kostenaufwändigere Versorgung mit Hilfsmitteln ist allerdings dann vom Versorgungsauftrag der gesetzlichen Krankenversicherung umfasst, wenn sie durch eine Verbesserung bedingt ist, die für den Versicherten einen wesentlichen Gebrauchsvorteil gegenüber der kostengünstigeren Variante bietet. Dies gilt bei Hilfsmitteln zum unmittelbaren Behinderungsausgleich - insbesondere bei Prothesen - für grundsätzlich jede Innovation, die dem Versicherten nach ärztlicher Einschätzung in seinem Alltagsleben wesentliche Gebrauchsvorteile bietet (BSG, Urteil vom 21.03.2013 - B 3 KR 3/12 R -, juris Rdnr. 21ff; BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 3 KR 20/08 R -, juris Rdnr. 21 m.w.N. aus der früheren Rechtsprechung des Gerichts).
70 
Bei Anwendung dieser Grundsätze entspricht die von der Klägerin vorliegend begehrte individuelle Silikonkosmetik dem aktuellen medizinischen und technischen Fortschritt und ist für den von der Klägerin zu beanspruchenden unmittelbaren Behinderungsausgleich auch funktionell geeignet. Soweit gegenüber Versorgungsalternativen Mehrkosten anfallen, ist deren Erstattungsfähigkeit durch einen wesentlichen Gebrauchsvorteil der Silikonprothese im Alltagsleben der Klägerin gerechtfertigt.
71 
Dies steht zur Überzeugung des Senats fest aufgrund der in der mündlichen Verhandlung erläuterten und teilweise ergänzten schriftlichen Ausführungen der Sachverständigen Prof. Dr. ... und Dipl. Ing. ..., welche der Senat für methodisch sachgerecht erstellt, schlüssig, nachvollziehbar und inhaltlich überzeugend hält. Die gefertigten gutachterlichen Äußerungen sind gerichtsverwertbar und vermögen dem Senat die notwendige Fachkunde zu vermitteln. Bei Prof. Dr. ... handelt es sich um einen langjährig erfahrenen Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, welcher jährlich etwa 400 vergleichbare Sachverständigengutachten fertigt und der den Skelett- und Bewegungsapparat der Klägerin am 29.07.2014 in der Orthopädischen Universitätsklinik Heidelberg eingehend untersucht hat. Bei Herrn ... handelt es sich um einen Dipl. Ing. für Orthopädie- und Rehatechnik, der als Leiter der Technischen Orthopädie im Zentrum für Orthopädie, Unfallchirurgie und Paraplegiologie des Universitätsklinikums Heidelberg über eine langjährige, breite praktische Erfahrung verfügt. In seiner Werkstatt werden nach seinen Angaben in der mündlichen Verhandlung weit über 100 Prothesen jährlich für unterschiedliche Patiententypen und unterschiedliche Indikationsbereiche gefertigt. Zweifel an der Unparteilichkeit und Unvoreingenommenheit dieser Personen bestehen nicht und werden auch von der Beklagten nicht aufgeworfen. Anhaltspunkte dafür, dass den Sachverständigen bei der Erstellung ihrer Gutachten methodische Mängel unterlaufen sein könnten, sind weder vorgetragen noch ersichtlich.
72 
Die für den Senat nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen der Sachverständigen haben im Einzelnen Folgendes ergeben:
73 
(aa) Entgegen der schriftsätzlich geäußerten Auffassung der Beklagten wird die medizinische Funktion der hier in Rede stehenden Unterschenkelprothese nicht dadurch kontraproduktiv beeinträchtigt, dass diese infolge der individuell gefertigten Silikonkosmetik ein höheres Gewicht erhält. Zwar gehen beide Sachverständige - in Übereinstimmung mit dem Hilfsmittelsachverständigen der Beklagten - davon aus, dass die Silikonkosmetik ein Mehrgewicht der Prothese von 400-500 g verursacht. Sie haben in diesem Zusammenhang aber nachvollziehbar hervorgehoben, dass dieses Mehrgewicht nicht zu entsprechenden biomechanischen oder funktionellen Nachteilen der Prothese führt, weil es gemessen an den in der Dynamik auftretenden Momenten und Belastungen unerheblich sei. Abgesehen davon, dass sich das Silikon weitestgehend auf die gesamte Prothese verteilt, was den Einfluss auf die auftretenden Trägheitsmomente stark relativiert, ist für die Frage eines reduzierten Prothesenhubs die gute Anbindung zwischen Schaft und Stumpf wesentlich. Im Falle der Klägerin kommt hinzu, dass sie in der Vergangenheit bereits Prothesen mit individueller Silikonkosmetik getragen hat und damit über Jahre problemlos zurecht gekommen ist. In der mündlichen Verhandlung hat die Beklagte ihre diesbezüglichen Einwände nicht mehr aufrecht erhalten.
74 
(bb) Auch das von der Beklagten zunächst schriftsätzlich ins Feld geführte Risiko, dass es aufgrund des Einsatzes einer individuellen Silikonkosmetik vermehrt zu Druckstellen am Beinstumpf kommen könne, besteht nach den Ausführungen der Sachverständigen nicht, weil für Hautulzerationen vor allem die Passform der Prothese und die Aktivität der Prothesennutzer verantwortlich sei. Auch der Heilmittelsachverständige der Beklagten kommt in seiner Stellungnahme vom 04.03.2014 zu diesem Ergebnis („da Druckstellen ausschließlich durch unpassenden Prothesenschaft oder bei falscher oder schlecht justierter Prothese entstehen können“). Hinzu kommt die auch für den Senat nachvollziehbare Überlegung, dass bei der Untersuchung der Klägerin am 29.07.2014 keine Druckstellenbildung festzustellen war und die Klägerin bereits seit Jahren problemlos mit einer Prothese der beantragten Art zurechtkommt.
75 
(cc) Die von der Beklagten aufgeworfenen und in der mündlichen Verhandlung aufrecht erhaltenen Zweifel an der Kombinierbarkeit einer individuellen Silikonkosmetik mit einem elastischen, verstellbaren „Elation“- Fuß werden von den Sachverständigen nicht bestätigt. Dipl.-Ing. ... hat hierzu in seinem Gutachten vom 10.01.2015 überzeugend ausgeführt, dass der der Klägerin attestierte Mobilitätsgrad IV sich mit dem Prothesenfuß „Elation“, welcher auf einen Mobilitätsgrad bis III ausgelegt sei, vertrage, weil die Klägerin ihre Prothese nicht für sportliche Aktivitäten - für welche der Prothesenfuß nicht geeignet sei -, sondern im Alltag einsetzen wolle (Gutachten S. 5 und 8). Sowohl aus der Stellungnahme der ... Stiftung vom 29.07.2015 (Anlage K 1 zum Kl.-Schriftsatz vom 31.07.2015) als auch aus dem Gutachten des Sachverständigen ... vom 10.01.2015 (dort S. 8) ergibt sich zudem, dass der „Elation“- Fuß, welcher auf eine Belastung bis 100 kg ausgerichtet ist, angesichts des Körpergewichts der Klägerin von nur 55 kg problemlos eingesetzt werden kann. Auch ist es nach den Ausführungen des Sachverständigen ... möglich, einen verstellbaren Prothesenfuß mit einer individuellen Silikonkosmetik zu kombinieren, etwa durch Herstellung eines wechselbaren Fußteils (Gutachten vom 10.01.2015, S. 9 und ergänzende Stellungnahme vom 01.04.2016, S. 2/3). Details seien allerdings mit dem Leistungserbringer zu klären. Hierzu liegt die bereits erwähnte Stellungnahme der ... Stiftung vom 29.07.2015 vor, wonach die beantragten Bauteile der Prothese auf Funktionalität hin geprüft worden seien und die Hersteller des Silikonüberzugs wie des Prothesenfußes versichert hätten, dass eine Versorgung wie beantragt möglich sei. Die Beklagte vermochte weder schriftsätzlich noch in der mündlichen Verhandlung aufzuzeigen, dass und weshalb die fachlichen Ausführungen des Sachverständigen ... verfehlt sein könnten. Auch den Ausführungen der ... Stiftung in dem Schreiben vom 29.07.2015 ist sie nicht entgegen getreten.
76 
(dd) Die von der Beklagten ins Spiel gebrachten Alternativen zur begehrten individuellen Silikonkosmetik mögen auf den ersten Blick wirtschaftlicher sein, weil die Herstellung einer individuellen Silikonkosmetik bezogen auf die Kosten des reinen Prothesengerüsts einmalige Mehrkosten i.H.v. 7.247,72 EUR (netto) verursacht, wohingegen die entsprechenden Mehrkosten für die Anfertigung einer Superskinbeschichtung bzw. für die Anschaffung eines Skinergy-Systems auf den ersten Blick deutlich niedriger liegen. Nach den Angaben der Beklagten betragen die entsprechenden Mehrkosten für die Anfertigung einer Superskinbeschichtung ca. 200 EUR (netto), nach den Angaben des Sachverständigen ... in der mündlichen Verhandlung liegen sie eher bei 300 EUR (netto). Die entsprechenden Mehrkosten für ein Superskinsystem betragen nach den insoweit übereinstimmenden Angaben der Beklagten und des Sachverständigen ... in der mündlichen Verhandlung ca. 400 EUR (netto).
77 
Dieser auf den ersten Blick eindeutige Kostenunterschied wird aber dadurch entscheidend relativiert, dass eine individuell aus widerstandsfähigem HTV-Silikon angefertigte Silikonkosmetik nach den überzeugenden - und auch von der Beklagten nicht in Frage gestellten - erfahrungsbasierten schriftlichen Ausführungen des Sachverständigen ... (Gutachten vom 10.01.2015, S. 10/11 und ergänzende Stellungnahme vom 01.04.2016, S. 5) und dessen Erläuterungen in der mündlichen Verhandlung über Jahre hinweg funktionell und ansehnlich bleibt, wobei kleinere Beschädigungen mittels Silikonkleber und durch nachträgliches Ausvulkanisieren behoben werden können. Dagegen weist die aufgesprühte Superskinbeschichtung als nur „temporäre Leistung“ bereits nach drei Monaten erste relevante Gebrauchsspuren auf und kann nach ca. 1 Jahr als eher unansehnlich bezeichnet werden. Zudem kann die Absatzverstellung des „Elation“- Prothesenfußes nicht hinreichend abgebildet werden. Rissbildungen, Scherbelastungen und Faltenbildungen können daher kaum vermieden werden (Ergänzende Stellungnahme vom 01.04.2016, S. 4-6).
78 
Bei der Variante der aus RTV-Silikon gefertigten Skinergy-Strümpfe ist zu berücksichtigen, dass auch diese nach den Erfahrungen des Sachverständigen ... ab etwa 6 Monaten Tragezeit erste größere Verschleißerscheinungen aufweisen und jährlich bis anderthalbjährlich zu ersetzen sind, wobei auch hier die Kombination mit einem höhenverstellbaren Prothesenfuß Probleme macht, weil die Strümpfe eng anliegen müssen und es daher unvermeidbar zur Rissbildungen kommt (Gutachten vom 10.01.2015, S. 13, ergänzende Stellungnahme vom 01.04.2016, S. 5/6, Erläuterung in der mündlichen Verhandlung, Anlage zur Niederschrift S. 10).
79 
Unter Berücksichtigung dessen kann man die einmaligen Anschaffungskosten einer individuellen Silikonkosmetik (hier 7.247,72 EUR netto), welche - wie nicht zuletzt das Beispiel der Klägerin zeigt - mehrere Jahre in Benutzung bleiben kann, allenfalls dann mit den von der Beklagten genannten Alternativen vergleichen, wenn man deren geringere Haltbarkeit in Rechnung stellt. Gerechnet auf zehn Jahre müsste die Superskinbeschichtung 10 x für (im Mittel) 250 EUR (netto) ersetzt werden. Die Alternativkosten betrügen dann 2.500 EUR. Bei der Skinergy-Lösung lägen die Alternativkosten für eine - bei konservativer Rechnung - mindestens einmalige Anschaffung eines Skinergy-Strumpfes pro Jahr bei 10 x 400 EUR = 4.000 EUR.
80 
Auch wenn man dementsprechend davon ausgeht, dass sich der Kostenunterschied zwischen der individuellen Silikonkosmetik auf der einen Seite und der Superskinbeschichtung sowie der Skinergy-Lösung auf der anderen Seite zwar relativiert, die individuelle Silikonkosmetik aber auch unter Berücksichtigung ihrer längeren Haltbarkeit die deutlich teuerste Lösung darstellt, verschafft diese der Klägerin im Alltagsleben aber doch einen wesentlichen funktionellen Gebrauchsvorteil, der im Wege einer Gesamtbetrachtung über den bloßen Vorteil einer höheren Bequemlichkeit bzw. eines höheren Komforts hinausgeht und sich auch nicht in einem rein ästhetischen Vorteil erschöpft.
81 
Nach den auch in dieser Beziehung nachvollziehbaren Ausführungen der Sachverständigen ermöglicht nur die individuelle Silikonkosmetik eine individuelle Farbabstimmung mit einer gewissen Dreidimensionalität und Tiefe und somit eine exakte Anpassung an die Hautfarbe des Prothesenträgers mit der Konsequenz, dass die Prothese von Dritten kaum als solche wahrgenommen wird. Hierbei handelt es sich um einen Gesichtspunkt, der jedenfalls bei einer 45-jährigen, im Alltagsleben aktiven Frau mit hohem Mobilitätsgrad wie der Klägerin zum Tragen kommt, weil diese ein nachvollziehbares Interesse daran hat, ebenso wie nicht beinamputierte Personen gerade im Sommer auch leichteres Schuhwerk oder kürzere Beinbekleidung zu tragen. Entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten kommt es in diesem Zusammenhang nicht darauf an, ob und wenn ja, wie oft die Klägerin persönlich auf ihre Unterschenkelprothese tatsächlich angesprochen würde. Ein greifbarer Gebrauchsvorteil im Alltag liegt hier jedenfalls darin, dass die individuelle Silikonkosmetik es der Prothesenträgerin ermöglicht, sich im Alltag frei und ungezwungen zu bewegen und sich insofern ihr Aktions- und Bewegungsradius erweitert. Hierzu hat die Klägerin in der mündlichen Verhandlung nachvollziehbar und unwidersprochen angegeben, dass die individuelle Silikonkosmetik es ihr ermögliche, auch Sandalen zu tragen sowie Hosen und Röcke, die knapp über das Knie reichten. Der Gebrauchsvorteil ist hier auch „wesentlich“, weil er sich nicht - wie etwa bei einer Sportprothese (vgl. BSG, Urteil vom 21.03.2013 - B 3 KR 3/12 R -, juris Rdnr. 23) - auf ein spezielles Mobilitätsbedürfnis der Klägerin in ihrer Freizeit beschränkt, sondern ihre Mobilität im Alltagsleben betrifft.
82 
Eine Steigerung der Alltagsmobilität, die der Silikonprothese einen wesentlichen Gebrauchsvorteil verleiht, liegt zudem darin, dass diese gegenüber Beschädigungen weitaus widerstandsfähiger ist als die Alternativversorgungen. So hat der Sachverständige Prof. ... in der mündlichen Verhandlung ausdrücklich und ohne Weiteres nachvollziehbar darauf hingewiesen, dass der Skinergy-Strumpf viel „verletzlicher“ sei als die Silikonkosmetik, und man im Sommer mit freiem Unterschenkel bei einem Gang z.B. durch Gestrüpp große Vorsicht walten lassen müsse, um die Kunsthaut nicht zu verletzen (Anlage zur Niederschrift S. 4). Entsprechendes gilt bei der Superskin-Beschichtung, wie der Sachverständige ... anschaulich dargestellt hat, der in der mündlichen Verhandlung ausführte, dass man bei den schaumstoffbasierten Prothesen schon beim Anstoßen an harte Gegenstände, wobei es nicht einmal ein Ast im Wald sein müsse, sondern schon ein Tisch oder Stuhl im Büro genüge, die Prothesenoberfläche verletze, wodurch dann Wasser und Regen in den Schaumstoffkörper eindringen könne. All dies führt nach Überzeugung des Senats aber dazu, dass ein Prothesenträger in ganz erheblichem Maße in seiner Alltagsmobilität, sei es in Bezug auf den Aktionsradius, sei es in Bezug auf den Ort seiner Aktivitäten, mithin sowohl in quantitativer als auch in qualitativer Hinsicht, erheblichen Einschränkungen unterworfen ist, die bei Nutzung der Silikonprothese nicht bestehen. Schließlich führt auch die geringere Reparaturanfälligkeit der Silikonkosmetik insoweit zu einem wesentlichen Gebrauchsvorteil, als die Prothese ihrem Träger so gut wie ohne reparaturbedingte Unterbrechung zur Verfügung steht - wie nicht zuletzt die Erfahrungen der Klägerin mit den von ihr bislang getragenen Prothesen mit individuell gefertigtem Silikonüberzug zeigen -, während die Alternativversorgungen mindestens ein- bis zweimal pro Jahr repariert werden müssen und in dieser Zeit nicht verwendet werden können. Insoweit hat der Sachverständige ... in der mündlichen Verhandlung (Anlage zur Niederschrift S. 13f.) überzeugend und nachvollziehbar erläutert, dass eine Reparatur bei Verwendung eines Skinergy-Strumpfes etwa einen Tag in Anspruch nimmt und bei der Superskintechnologie sogar von mindestens zwei Tagen auszugehen ist.
83 
(2) Die mithin gegebene Verpflichtung der Beklagten, Aufwendungen der Klägerin für die Anfertigung einer individuellen Silikonkosmetik zu genehmigen und zu erstatten, wird hier auch nicht dadurch begrenzt, dass einem nur geringfügigen individuellen Gebrauchsvorteil auf Seiten der Klägerin ein unverhältnismäßiger Mehraufwand gegenüber stünde. Zwar kann sich bei krassen Missverhältnissen auch aus diesem Grund eine aus dem Angemessenheitsgebot (hier auf der Grundlage von Nr. 1 der Anlage 5 zu § 25 Abs. 1 und Abs. 4 BBhV) abzuleitende Grenze der Leistungspflicht ergeben (vgl. zur Parallele im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung BSG, Urteil vom 17.12.2009 - B 3 KR 20/08 R -, juris Rdnr. 21). Ein solches krasses Missverhältnis liegt nach dem Ausgeführten aber nicht vor.
84 
Die Klägerin kann daher von der Beklagten verlangen, die Anschaffung der beantragten Unterschenkelprothese mit Haftschaftsystem zu genehmigen und ihr hierfür weitere Kassenleistungen in Höhe von 4.042,61 EUR (16.173, 41 EUR abzüglich des Beihilfeanteils von 50 %, abzüglich der mit Bescheid vom 07.01.2011 bereits bewilligten 50 %igen Erstattung in Höhe von 4.034,09 EUR) zu gewähren. Hierbei ist der nach § 30 b Abs. 1 Nr. 1b) der Satzung von der Klägerin zu erbringende Eigenanteil i.H.v. 10 EUR bereits berücksichtigt.
85 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.
86 
Die Revision ist nicht zuzulassen, da keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.
87 
Beschluss vom 19.01.2017
88 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 4.042,61 EUR festgesetzt (§§ 63 Abs. 2, 47 Abs. 1, 52 Abs. 3 GKG).
89 
Der Streitwert des erstinstanzlichen Verfahrens wird in Abänderung des Streitwertbeschlusses des Verwaltungsgerichts vom 05.03.2013 auf 4.042,61 EUR festgesetzt (§§ 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 und Satz 2, 52 Abs. 3 GKG).
90 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 19. Jan. 2017 - 2 S 1592/13 zitiert 11 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 132


(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulas

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(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nic

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 63 Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren


(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anh

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 12 Wirtschaftlichkeitsgebot


(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungs

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 33 Hilfsmittel


(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen od

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 38 Zusicherung


(1) Eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen (Zusicherung), bedarf zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form. Ist vor dem Erlass des zugesicherten Verwaltungsaktes die

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 127 Verträge


(1) Krankenkassen, ihre Landesverbände oder Arbeitsgemeinschaften schließen im Wege von Vertragsverhandlungen Verträge mit Leistungserbringern oder Verbänden oder sonstigen Zusammenschlüssen der Leistungserbringer über die Einzelheiten der Versorgung

Bundesbeihilfeverordnung - BBhV | § 25 Hilfsmittel, Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle, Körperersatzstücke


(1) Aufwendungen für ärztlich verordnete Hilfsmittel, Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle sowie Körperersatzstücke sind beihilfefähig, wenn sie im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohend

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Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 19. Jan. 2017 - 2 S 1592/13 zitiert oder wird zitiert von 3 Urteil(en).

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 19. Jan. 2017 - 2 S 1592/13 zitiert 3 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundessozialgericht Urteil, 25. Feb. 2015 - B 3 KR 13/13 R

bei uns veröffentlicht am 25.02.2015

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 8. März 2013 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 21. März 2013 - B 3 KR 3/12 R

bei uns veröffentlicht am 21.03.2013

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 2. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 10. Okt. 2011 - 2 S 1369/11

bei uns veröffentlicht am 10.10.2011

Tenor Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 31. März 2011 - 6 K 303/09 - wird zurückgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.Die Revision wird nicht zugelassen. Tatbestand   1 Die

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(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. Die Hilfsmittel müssen mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 2 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte erfüllen, soweit sie im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 1 gelistet oder von den dort genannten Produktgruppen erfasst sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt. Für nicht durch Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 Abs. 1 unberührt. Der Anspruch umfasst auch zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringende, notwendige Leistungen wie die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Ein Anspruch besteht auch auf solche Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn der Versicherte selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der durch mögliche Stichverletzungen eine Infektionsgefahr besteht oder angenommen werden kann. Zu diesen Tätigkeiten gehören insbesondere Blutentnahmen und Injektionen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Januar 2020 die Tätigkeiten, bei denen eine erhöhte Infektionsgefährdung angenommen werden kann. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. § 18 Absatz 6a des Elften Buches ist zu beachten.

(2) Versicherte haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach Absatz 1. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie

1.
nach ICD 10-GM 2017 auf Grund ihrer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 oder
2.
einen verordneten Fern-Korrekturausgleich für einen Refraktionsfehler von mehr als 6 Dioptrien bei Myopie oder Hyperopie oder mehr als 4 Dioptrien bei Astigmatismus
aufweisen; Anspruch auf therapeutische Sehhilfen besteht, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen verordnet werden. Der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen umfaßt nicht die Kosten des Brillengestells.

(3) Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht für anspruchsberechtigte Versicherte nach Absatz 2 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen Kontaktlinsen verordnet werden. Wählen Versicherte statt einer erforderlichen Brille Kontaktlinsen und liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vor, zahlt die Krankenkasse als Zuschuß zu den Kosten von Kontaktlinsen höchstens den Betrag, den sie für eine erforderliche Brille aufzuwenden hätte. Die Kosten für Pflegemittel werden nicht übernommen.

(4) Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nach Absatz 2 besteht für Versicherte, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien; für medizinisch zwingend erforderliche Fälle kann der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Ausnahmen zulassen.

(5) Die Krankenkasse kann den Versicherten die erforderlichen Hilfsmittel auch leihweise überlassen. Sie kann die Bewilligung von Hilfsmitteln davon abhängig machen, daß die Versicherten sich das Hilfsmittel anpassen oder sich in seinem Gebrauch ausbilden lassen.

(5a) Eine vertragsärztliche Verordnung ist für die Beantragung von Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist. Abweichend von Satz 1 können die Krankenkassen eine vertragsärztliche Verordnung als Voraussetzung für die Kostenübernahme verlangen, soweit sie auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichtet haben. § 18 Absatz 6a und § 40 Absatz 6 des Elften Buches sind zu beachten.

(5b) Sofern die Krankenkassen nicht auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichten, haben sie den Antrag auf Bewilligung eines Hilfsmittels mit eigenem weisungsgebundenem Personal zu prüfen. Sie können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst vor Bewilligung eines Hilfsmittels nach § 275 Absatz 3 Nummer 1 prüfen lassen, ob das Hilfsmittel erforderlich ist. Eine Beauftragung Dritter ist nicht zulässig.

(6) Die Versicherten können alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Vertragsärzte oder Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder Verordnungen bestimmten Leistungserbringern zuweisen, noch die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einem bestimmten Leistungserbringer einzulösen. Die Sätze 1 und 2 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(7) Die Krankenkasse übernimmt die jeweils vertraglich vereinbarten Preise.

(8) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Hilfsmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag zu dem von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrag an die abgebende Stelle. Der Vergütungsanspruch nach Absatz 7 verringert sich um die Zuzahlung; § 43c Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Die Zuzahlung bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt 10 vom Hundert des insgesamt von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrags, jedoch höchstens 10 Euro für den gesamten Monatsbedarf.

(9) Absatz 1 Satz 9 gilt entsprechend für Intraokularlinsen beschränkt auf die Kosten der Linsen.

(1) Eine von der zuständigen Behörde erteilte Zusage, einen bestimmten Verwaltungsakt später zu erlassen oder zu unterlassen (Zusicherung), bedarf zu ihrer Wirksamkeit der schriftlichen Form. Ist vor dem Erlass des zugesicherten Verwaltungsaktes die Anhörung Beteiligter oder die Mitwirkung einer anderen Behörde oder eines Ausschusses auf Grund einer Rechtsvorschrift erforderlich, so darf die Zusicherung erst nach Anhörung der Beteiligten oder nach Mitwirkung dieser Behörde oder des Ausschusses gegeben werden.

(2) Auf die Unwirksamkeit der Zusicherung finden, unbeschadet des Absatzes 1 Satz 1, § 44, auf die Heilung von Mängeln bei der Anhörung Beteiligter und der Mitwirkung anderer Behörden oder Ausschüsse § 45 Abs. 1 Nr. 3 bis 5 sowie Abs. 2, auf die Rücknahme § 48, auf den Widerruf, unbeschadet des Absatzes 3, § 49 entsprechende Anwendung.

(3) Ändert sich nach Abgabe der Zusicherung die Sach- oder Rechtslage derart, dass die Behörde bei Kenntnis der nachträglich eingetretenen Änderung die Zusicherung nicht gegeben hätte oder aus rechtlichen Gründen nicht hätte geben dürfen, ist die Behörde an die Zusicherung nicht mehr gebunden.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Aufwendungen für ärztlich verordnete Hilfsmittel, Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle sowie Körperersatzstücke sind beihilfefähig, wenn sie im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Beihilfefähig sind vorbehaltlich des Absatzes 4 Aufwendungen für Anschaffung, Reparatur, Ersatz, Betrieb, Unterweisung in den Gebrauch und Unterhaltung der in Anlage 11 genannten Hilfsmittel, Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle und Körperersatzstücke unter den dort genannten Voraussetzungen. Aufwendungen für den Ersatz eines unbrauchbar gewordenen Gegenstandes im Sinne von Satz 1 sind nach Ablauf von sechs Monaten seit Anschaffung beihilfefähig, wenn eine erneute ärztliche Verordnung vorliegt.

(2) Nicht beihilfefähig sind Aufwendungen für

1.
Hilfsmittel und Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle, die
a)
einen geringen oder umstrittenen therapeutischen Nutzen haben,
b)
einen niedrigen Abgabepreis haben,
c)
der allgemeinen Lebenshaltung zuzurechnen sind oder
d)
in Anlage 12 genannt sind, und
2.
gesondert ausgewiesene Versandkosten.

(3) Aufwendungen für das Mieten von Hilfsmitteln und Geräten zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle nach Absatz 1 Satz 1 sind beihilfefähig, soweit sie nicht höher als die Aufwendungen für deren Anschaffung sind.

(4) Sind Hilfsmittel und Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 weder in Anlage 11 oder 12 aufgeführt noch mit den aufgeführten Gegenständen vergleichbar, sind hierfür getätigte Aufwendungen ausnahmsweise beihilfefähig, wenn dies im Hinblick auf die Fürsorgepflicht nach § 78 des Bundesbeamtengesetzes notwendig ist. Die Festsetzungsstelle entscheidet in Fällen des Satzes 1 mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde. Die oberste Dienstbehörde hat bei Aufwendungen von mehr als 600 Euro vor ihrer Zustimmung das Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat herzustellen. Soweit das Einvernehmen des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat allgemein erklärt ist, kann die oberste Dienstbehörde ihre Zuständigkeit auf eine andere Behörde übertragen. Absatz 2 bleibt unberührt.

(5) Aufwendungen für den Betrieb und die Unterhaltung der Hilfsmittel und Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 sind nur in Höhe des 100 Euro je Kalenderjahr übersteigenden Betrages beihilfefähig. Nicht beihilfefähig sind Aufwendungen für Batterien von Hörgeräten sowie Pflege- und Reinigungsmittel für Kontaktlinsen. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

(6) Beihilfefähig sind auch Aufwendungen für Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn die beihilfeberechtigte oder berücksichtigungsfähige Person selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der die Gefahr einer Infektion durch Stichverletzungen, insbesondere durch Blutentnahmen und Injektionen, besteht oder angenommen werden kann.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 31. März 2011 - 6 K 303/09 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten über die Versorgung des Klägers mit einem Elektromobil (Cityliner 412).
Der Kläger ist Beamter der Bundesfinanzverwaltung der Bundesrepublik Deutschland und für sich und seine Ehefrau mit einem Bemessungssatz von jeweils 70 Prozent beihilfeberechtigt. Die Ehefrau des Klägers leidet an Multipler Sklerose (MS) und ist stark gehbehindert (Merkmal „aG“). Nach den unbestrittenen Angaben der Beklagten erhält sie seit dem 01.08.2001 von der Beihilfestelle anteilige Pflegeleistungen der Stufe III (Pflegegeld für häusliche Pflege).
Unter dem 30.11.2008 beantragte der Kläger unter anderem Beihilfe für das für seine Ehefrau im September 2008 angeschaffte „behindertengerechte Elektromobil Cityliner 412“. Laut Rechnung der Firma R. belaufen sich die Kosten hierfür auf 3.928,57 EUR. In der ärztlichen Bescheinigung des Dr. med. J. vom 01.04.2008 wird sinngemäß die medizinische Notwendigkeit für ein „Elektrokrankenfahrzeug“ attestiert und ausgeführt, die Ehefrau des Klägers wohne an einem Berghang und ohne ein Elektrokrankenfahrzeug könne sie sich nicht fortbewegen.
Mit Bescheid vom 03.12.2008 lehnte die Beklagte die Ausstattung der Ehefrau des Klägers mit einem Elektromobil mit der Begründung ab, es handele sich nicht um ein beihilfefähiges Hilfsmittel. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers, den er damit begründete, im Jahre 2003 sei für den Kauf eines behindertengerechten Elektromobils Beihilfe gewährt worden, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 03.02.2009 zurück. Zur Begründung führte die Behörde unter anderem aus, nach Nr. 1 der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 der Beihilfevorschriften des Bundes seien Krankenfahrstühle mit Zubehör beihilfefähig. Nicht beihilfefähig seien dagegen die unter Nr. 9 der Anlage 3 aufgeführten Gegenstände, wozu auch Elektrofahrzeuge, d.h. auch das hier zu beurteilende Elektromobil gehörten.
Der Kläger hat am 02.03.2009 beim Verwaltungsgericht Freiburg Klage erhoben mit dem sinngemäßen Antrag, die Beklagte zu verpflichten, ihm Beihilfe in Höhe von 70 Prozent für die Anschaffung eines Elektromobils Cityliner 412 zu gewähren und die entgegenstehenden Bescheide der Beklagten vom 03.12.2008 und 03.02.2009 aufzuheben.
Das Verwaltungsgericht Freiburg hat mit Urteil vom 31.03.2011 die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt: Bei dem vom Kläger angeschafften Elektromobil handele es sich ersichtlich nicht um einen Krankenfahrstuhl im Sinne von Nr. 1 der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 der Beihilfevorschriften des Bundes, sondern um ein Elektrofahrzeug im Sinne von Nr. 9 der Anlage 3. Dieses Fahrzeug sei so gebaut, dass es schon von seinem optischen Eindruck her niemandem einfallen werde, dieses Fahrzeug als Krankenfahrstuhl zu bezeichnen. Wegen seiner Konstruktion und seinen Ausmaßen sei das Fahrzeug auch nicht dazu geeignet, in Wohnungen als Ersatz für einen Stuhl zu dienen. Das Elektromobil sei zur Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr gedacht und entsprechend sei es auch ausgestattet mit Beleuchtung, Blinker, Bremslichtern und Warnblinklicht. Dafür, dass es sich nicht um einen Krankenfahrstuhl handele, spreche im Übrigen auch die Internet-Präsentation der Herstellerfirma. Diese präsentiere das Elektromobil unter dem Oberbegriff „Scooter“ und nicht unter dem Oberbegriff „Rollstühle“, unter dem sie unter anderem auch elektrisch betriebene Rollstühle anbiete.
Die Anschaffung des Elektromobils sei nicht beihilfefähig, weil der Gegenstand der allgemeinen Lebenshaltung zuzurechnen sei. Es handele sich nicht um ein Hilfsmittel, das speziell auf die Nutzung durch kranke oder behinderte Menschen zugeschnitten sei. Ein Elektromobil spreche einen breiteren Personenkreis an, der keines Rollstuhls bedürfe, aber seine Mobilität erhöhen wolle. Es könne unabhängig von bestimmten Krankheitszuständen auch im Rahmen der allgemeinen Lebenshaltung etwa von älteren, nicht krankheitsbedingt in der Gehfähigkeit eingeschränkten, aber allgemein körperlich schwächeren Menschen benutzt werden. Der allgemeinen Lebenshaltung dienten diejenigen Hilfsmittel, die üblicherweise herangezogen würden, um die „Unbequemlichkeiten“ des Lebens zu erleichtern, und die aufgrund der objektiven Eigenart und Beschaffenheit des Gegenstandes keinen unmittelbaren Bezug zu dem festgestellten Krankheitsbild hätten.
Der Umstand, dass die Beklagte früher Beihilfe für ein ähnliches Gerät gewährt habe, begründe auch keinen Vertrauensschutz. Die Abrechnung der Beihilfestellen habe Einzelfallcharakter und enthalte keine darüber hinausgehende positive Feststellung oder Festlegung zur Beihilfefähigkeit künftiger Anträge. Selbst wenn die früher für ein ähnliches Gerät bewilligte Beihilfe rechtswidrig gewesen wäre, sei die Beklagte nicht verpflichtet, diese rechtswidrige Praxis fortzusetzen.
Die Fürsorgepflicht gebiete ebenfalls nicht die Gewährung einer weiteren Beihilfe. Die Beihilfevorschriften stellten eine für den Regelfall grundsätzlich abschließende Konkretisierung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen dar. Weitergehende Beihilfeansprüche könnten allenfalls begründet sein, wenn die Fürsorgepflicht in einem Einzelfall gleichwohl noch in ihrem Wesenskern verletzt wäre. Daran wäre etwa zu denken, wenn die Ehefrau des Klägers erst durch ein Elektromobil die ihren Grundbedürfnissen zuzuordnende Bewegungsfreiheit erhielte; diese Bewegungsfreiheit könnte sie aber bereits durch einen - beihilfefähigen - Krankenfahrstuhl erhalten.
10 
Gegen das ihm am 08.04.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 09.05.2011 (einem Montag) - die vom Verwaltungsgericht zugelassene - Berufung beim Verwaltungsgerichtshof eingelegt. Nachdem der Kläger am 09.05.2011 darauf hingewiesen worden war, dass die Berufung beim Verwaltungsgericht einzulegen ist, hat er am 20.05.2011 beim Verwaltungsgericht (nochmals) Berufung eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung dieses Antrags macht der Kläger geltend: Die Rechtsanwaltsfachangestellte des Bevollmächtigten habe in die Berufungsschrift als Adressaten den Verwaltungsgerichtshof eingetragen. Sie habe am 09.05.2011 gegen 11.00 Uhr dem Bevollmächtigten die Berufungsschrift vorgelegt. Der Bevollmächtigte habe kurzfristig wegen der Erkrankung seines Sohnes um ungefähr 12.00 Uhr die Kanzlei verlassen müssen. Zuvor habe er die Berufungsschrift unterzeichnet und die Rechtsanwaltsfachangestellte darauf hingewiesen, dass die erste Seite der Berufungsschrift noch ausgetauscht werden müsse, weil die Berufung beim Verwaltungsgericht einzureichen sei. Die Rechtsanwaltsfachangestellte habe den Berufungsschriftsatz in der alten Form - also adressiert an den Verwaltungsgerichtshof - um 12.19 Uhr gefaxt. Hierbei habe sie vergessen, dass der Adressat in dem Berufungsschriftsatz noch habe ausgetauscht werden müssen. Die Rechtsanwaltsfachangestellte sei eine ausgesprochen erfahrene und zuverlässige Kraft mit zwölfjähriger Berufserfahrung. Deshalb habe der Bevollmächtigte bei Verlassen der Kanzlei auch davon ausgehen dürfen, dass der Adressat der Berufungsschrift seinen Anweisungen entsprechend geändert werde.
11 
In der Sache trägt der Kläger zur Begründung der Berufung unter anderem Folgendes vor: Das angeschaffte Elektromobil sei als Krankenfahrstuhl im Sinne der Anlage 3 Nr. 1 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 der Beihilfevorschriften des Bundes anzusehen. Es sei mit einem Elektrokrankenstuhl in jeder Hinsicht vergleichbar. Das Elektromobil könne auch nicht als Gegenstand der allgemeinen Lebenshaltung angesehen werden. Es sei speziell für behinderte und in ihrer Gehfähigkeit eingeschränkte Personen entwickelt worden. Dem Verwaltungsgericht sei zwar insoweit Recht zu geben, als das Elektromobil auch von älteren, körperlich geschwächten Personen genutzt werden könne. Dies gelte jedoch auch für Rollstühle im herkömmlichen Sinne.
12 
Ein Anspruch lasse sich darüber hinaus auch aus der grundgesetzlich garantierten Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber dem Beamten ableiten. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts könne die Ehefrau des Klägers die ihren Grundbedürfnissen zuzuordnende Bewegungsfreiheit nicht bereits durch einen Krankenfahrstuhl erhalten. Ihre Mobilität sei durch das angeschaffte Elektromobil deutlich gestiegen. Hierdurch sei es ihr auch alleine möglich, sich außerhalb der Wohnung fortzubewegen.
13 
Der Kläger beantragt,
14 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 31. März 2011 - 6 K 303/09 - zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide vom 09.12.2008 und 03.02.2009 zu verpflichten, ihm eine Beihilfe in Höhe von 70 Prozent zu den Kosten für die Anschaffung eines Elektromobils in Höhe von 3.928,57 EUR zu gewähren.
15 
Die Beklagte beantragt,
16 
die Berufung zurückzuweisen.
17 
Sie erwidert: In Nr. 9 der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 der Beihilfevorschriften des Bundes seien Gegenstände aufgeführt, die der allgemeinen Lebenshaltung unterlägen und die deshalb von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen seien. Dort seien Elektrofahrzeuge (= Elektromobile) namentlich genannt. Die Versorgung mit einem der Erkrankung der Ehefrau des Klägers entsprechenden - medizinisch notwendigen - Fortbewegungsmittel werde mit einem Krankenfahrstuhl, der unter Nr. 1 der Anlage 3 als beihilfefähiges Hilfsmittel aufgeführt sei, gewährleistet. Hierzu gehörten auch Elektrorollstühle, zu deren Anschaffungskosten von der Beihilfestelle eine anteilige Beihilfe gewährt worden wäre. Dadurch wäre dem Anspruch der Ehefrau des Klägers auf Bewegungsfreiheit ausreichend Genüge getan. Die Versorgung mit einem Elektromobil gehe dagegen über den Maßstab des medizinisch Notwendigen hinaus.
18 
Das hier zu beurteilende Elektromobil könne - entgegen der Auffassung des Klägers - auch nicht als Krankenfahrstuhl im Sinne der Anlage 3 Nr. 1 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 der Beihilfevorschriften des Bundes angesehen werden. Auch bei wohlwollender Auslegung sei das Elektromobil, das ersichtlich für die Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr konstruiert und hierfür ausgestattet sei, hingegen für die Nutzung innerhalb einer Wohnung aufgrund seiner Abmessungen und seines Wendekreises völlig ungeeignet sei, nicht mit einem speziell zum Ausgleich von Behinderungen konzipierten Krankenfahrstuhl vergleichbar. In der Bedienungsanleitung für das vom Kläger angeschaffte Elektromobil werde darauf hingewiesen, dass als Voraussetzung für dessen Nutzung die grundsätzliche Eignung des Fahrers zur Teilnahme am Straßenverkehr gewährleistet sein müsse. Zudem werde mehrmals auf die durch den Gebrauch des Fahrzeugs möglichen Gefahren (Unfall-, Kurzschluss-, Verletzungs-, Kippgefahr, Überschreitung der Sicherheitsgrenzen bei Geschwindigkeit und Gefälle) aufmerksam gemacht. Nutzungseinschränkungen und -gefahren dieses Umfangs seien mit der Bezeichnung Krankenfahrstuhl, die nach der Definition ausschließlich eine Benutzung durch kranke und behinderte Personen ermöglichen solle, nicht vereinbar. Sie gäben vielmehr Hinweis darauf, dass die Nutzung hauptsächlich durch gesunde, allenfalls in ihrer Bewegungsfähigkeit eingeschränkte Personen erfolgen könne.
19 
Im häuslichen Bereich sei die Ehefrau des Klägers mit einem „normalen“ Rollstuhl versorgt. Zudem erhalte sie seit dem 01.08.2001 von der Beihilfestelle anteilige Pflegeleistungen der Stufe III (Pflegegeld für häusliche Pflege). Dieses Pflegegeld diene auch zur Verbesserung der Bewegungsfreiheit (Mobilität) der Ehefrau des Klägers. Vor diesem Hintergrund sei davon auszugehen, dass die Pflegeperson - bei einem Betreuungsbedarf „rund um die Uhr“, wie er der Pflegestufe III zugrundezulegen sei - dafür Sorge zu tragen habe, dass der Ehefrau des Klägers die Teilnahme am allgemeinen Leben ermöglicht werde. Hierzu könne mit Hilfe der Pflegeperson der bereits vorhandene Rollstuhl verwendet werden. Eine zusätzliche Versorgung mit einem Elektromobil sei daher nicht erforderlich.
20 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die dem Senat vorliegenden Akten sowie die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
21 
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
I.
22 
Die Berufung des Klägers ist zulässig.
23 
Die vom Verwaltungsgericht in seinem Urteil zugelassene Berufung (§ 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO) ist zwar beim Verwaltungsgericht erst nach Ablauf der einmonatigen Berufungsfrist des § 124 a Abs. 2 Satz 1 VwGO und damit verspätet eingelegt worden. Wegen der versäumten Frist ist dem Kläger jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§§ 125 Abs. 1, 60 VwGO), da er ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Frist für die Einlegung der Berufung verhindert war. Nach dem Vorbringen des Klägers hat die Rechtsanwaltsfachangestellte seines Prozessbevollmächtigten am letzten Tag der Berufungsfrist - am Montag, dem 09.05.2011 - die Berufung entgegen der ausdrücklichen Anweisung des Bevollmächtigten beim Verwaltungsgerichtshof und nicht beim Verwaltungsgericht eingereicht. Der Kläger hat diese Darstellung durch eine eidesstattliche Versicherung der Angestellten hinreichend glaubhaft gemacht. Das danach anzunehmende Verschulden des Büropersonals seines Bevollmächtigten ist dem Kläger nicht zuzurechnen. Soweit ein Bevollmächtigter seinem Personal - wie hier - Weisungen erteilt hat, darf er grundsätzlich darauf vertrauen, dass sein sonst zuverlässiges Personal seine Weisungen befolgt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl., § 60 RdNr. 21). Danach hat der Bevollmächtigte des Klägers hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Versäumung der Berufungsfrist auf einem Versehen seiner sonst zuverlässigen Kanzleiangestellten beruhte. Der Wiedereinsetzungsantrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses gestellt worden und erfüllt damit auch die weiteren, sich aus § 60 Abs. 2 Satz 1 1 Hs. VwGO ergebenden Voraussetzungen.
II.
24 
Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage, mit der der Kläger die Gewährung einer Beihilfe für die Anschaffung eines Elektromobils beansprucht, zu Recht abgewiesen.
25 
1. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 - 2 C 35.04 - BVerwGE 125, 21 m.w.N.). Ob und inwieweit der Kläger Anspruch auf Beihilfe für das für seine Ehefrau angeschaffte Elektromobil hat, bestimmt sich danach auf der Grundlage der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften des Bundes für Beihilfen in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen (Beihilfevorschriften - BhV -) in der im Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen geltenden Fassung vom 01.11.2001. Zwar genügen die Beihilfevorschriften nicht den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts, sie waren jedoch für eine Übergangszeit weiterhin anwendbar (vgl. BVerwG, Urteile vom 17.06.2004 - 2 C 50.02 - BVerwGE 121, 103 und vom 26.08.2009 - 2 C 62.08 - NVwZ-RR 2010, 366). Das Verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang zutreffend angenommen, dass die Frist, bis zu deren Ablauf die Beihilfevorschriften übergangsweise weiterhin anzuwenden waren, im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung über den Beihilfeantrag des Klägers noch nicht abgelaufen war. Die Vorschriften sind erst seit Inkrafttreten der Beihilfeverordnung des Bundes (BBhV, BGBl. I 2009, 326) nicht mehr anwendbar (BVerwG, Urteil vom 26.08.2009, aaO).
26 
2. Die Aufwendungen für die Anschaffung des hier zu beurteilenden Elektromobils sind dem Grunde nach nicht notwendig und damit nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BhV nicht beihilfefähig.
27 
a) Gemäß der genannten Vorschrift sind beihilfefähig nach den folgenden Bestimmungen Aufwendungen, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. § 6 BhV trifft nähere Regelungen über die beihilfefähigen Aufwendungen aus Anlass einer Krankheit. Nach Abs. 1 Nr. 4 dieser Vorschrift sind aus Anlass einer Krankheit beihilfefähig die Aufwendungen u.a. für die Anschaffung der vom Arzt schriftlich verordneten Hilfsmittel. Voraussetzungen und Umfang der Beihilfefähigkeit bestimmen sich nach der Anlage 3. Nach Nr. 1 der Anlage 3 sind die notwendigen und angemessenen Aufwendungen für die Anschaffung der Hilfsmittel - gegebenenfalls im Rahmen der Höchstbeträge - beihilfefähig, wenn sie vom Arzt schriftlich verordnet und nachstehend aufgeführt sind. Dazu gehört ein „Krankenfahrstuhl mit Zubehör“. In Nr. 9 der Anlage 3 wird weiter bestimmt, dass zu den Hilfsmitteln nicht Gegenstände gehören, die nicht notwendig und angemessen (§ 5 Abs. 1 BhV), von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis (§ 6 Abs. 4 Nr. 3) sind oder der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen; daran anschließend sind im Einzelnen Gegenstände aufgeführt, die nicht zu den Hilfsmitteln gehören (sog. Negativkatalog). Durch die Formulierung „insbesondere“ wird in diesem Zusammenhang klargestellt, dass dieser Katalog nicht abschließend ist; in diesem Negativkatalog ist unter anderem aufgeführt „Elektrofahrzeuge (z.B. LARK, Graf Carello)“. Vor dem Hintergrund dieser Systematik in der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV ist eine Gesamtabwägung vorzunehmen, ob die Aufwendungen für den zu beurteilenden Gegenstand unter Berücksichtigung der genannten Beispielsfälle notwendig und angemessen sind, oder ob sie im Hinblick auf die genannten Ausschlussgründe - insbesondere weil die Gegenstände der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen - von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen sind (vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 26.09.2011 - 2 S 825/11).
28 
b) Das Verwaltungsgericht hat - ausgehend von den dargestellten Rechtsvorschriften - das vom Kläger angeschaffte Elektromobil nicht als „Krankenfahrstuhl“ im Sinne der Nr. 1 der Anlage 3, sondern als „Elektrofahrzeug“ nach Nr. 9 der Anlage eingestuft und dementsprechend die Beihilfefähigkeit des Gegenstand verneint. Diese Einschätzung begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
29 
aa) Nach der nicht zu beanstandenden Auslegung der Beklagten unterfallen dem Begriff „Krankenfahrstuhl“ sowohl Rollstühle ohne Antrieb als auch Elektrorollstühle, jedoch nicht Elektromobile wie das hier zu beurteilende Fahrzeug. Bereits der Wortlaut „Krankenfahrstuhl“ legt die Einbeziehung von Elektromobilen bzw. Scootern in diese „Hilfsmittelgruppe“ nicht nahe. Zudem ist - wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt - für einen Krankenfahrstuhl charakteristisch, dass er gerade auch in Gebäuden, d.h. in Wohnungen oder sonstigen Aufenthaltsbereichen, genutzt wird; seine Konstruktion als fahrbarer Stuhl mit entsprechenden Abmessungen und entsprechendem Wenderadius ermöglicht es seinem Benutzer, sich in Wohnungen von Raum zu Raum zu bewegen und z.B. auch an Tische heranzufahren. Das hier zu beurteilende Elektromobil ist dagegen ersichtlich für die Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr konstruiert und entsprechend ausgestattet; für eine Nutzung innerhalb einer Wohnung ist es aufgrund seiner Abmessungen und seines Wendekreises völlig ungeeignet. Vor diesem Hintergrund ist es mit einem speziell zum Ausgleich von Behinderungen konzipierten Krankenfahrstuhl nicht vergleichbar. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber durch die Auflistung von „Elektrofahrzeugen“ unter Nr. 9 der Anlage 3 ausdrücklich klargestellt, dass Geräte wie das hier zu beurteilende gerade nicht dem Begriff eines „Krankenfahrstuhls“ i.S.v. Nr. 1 der Anlage 3 unterfallen. Die unter dem Begriff „Elektrofahrzeuge“ beispielhaft aufgeführten Marken LARK und Graf Carello sind nach ihrem Aussehen und ihrer Funktion ohne weiteres mit dem vom Kläger angeschafften Elektromobil Cityliner 412 vergleichbar. Der Gesetzgeber hat danach eine eindeutige Abgrenzung zwischen „Krankenfahrstuhl mit Zubehör“ einerseits und „Elektrofahrzeugen“ andererseits vorgenommen, die eine erweiternde Auslegung des Begriffs „Krankenfahrstuhl“ und eine Einbeziehung des Cityliners 412 unter diese Rubrik ausschließt.
30 
Soweit das OVG Bremen ein Elektromobil in die Rubrik „Krankenfahrstuhl“ in Nr. 1 der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV eingestuft hat (Urteil vom 15.12.1999 - 2 A 112/99 - NordÖR 2000, 247), kann dieser Auffassung im Hinblick auf die dargelegte Systematik nicht gefolgt werden. Das OVG Bremen vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, ein Elektromobil könne nicht als Gegenstand, der der allgemeinen Lebenshaltung unterliegt, im Sinne von Nr. 9 der Anlage 3 angesehen werden, sondern müsse als beihilfefähiges Hilfsmittel eingestuft werden. Mit dieser Begründung wendet sich das OVG Bremen im Hinblick auf Elektromobile im Kern gegen die Rechtmäßigkeit der maßgeblichen Beihilfevorschriften des Bundes und leitet aus übergeordneten Gesichtspunkten entgegen dem Wortlaut der Vorschriften einen Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil ab. Mit dieser Begründung kann jedoch ein unmittelbarer Anspruch des Beihilfeberechtigten auf Versorgung mit einem Elektromobil bereits nach den einschlägigen Rechtsvorschriften des Bundes nicht angenommen werden.
31 
bb) Die danach in Nr. 9 der Anlage 3 getroffene Entscheidung des Gesetzgebers, Elektromobile grundsätzlich nicht als erforderliche Hilfsmittel und damit nicht als beihilfefähig anzusehen, hält einer rechtlichen Überprüfung stand.
32 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur gesetzlichen Krankenversicherung ist ein Hilfsmittel erforderlich, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehören danach das Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die (elementare) Körperpflege, das selbständige Wohnen sowie das Erschließen eines körperlichen Freiraums im Nahbereich der Wohnung und das Bedürfnis bei Krankheit oder Behinderung Ärzte und Therapeuten aufzusuchen. Das im Fall der Klägerin einschlägige Grundbedürfnis des Erschließens eines gewissen körperlichen Freiraums ist nur im Sinne eines Basisausgleichs und nicht als vollständiges Gleichziehen mit den letztlich unbegrenzten Mobilitätsmöglichkeiten des Gesunden zu verstehen. Der Basisausgleich umfasst insoweit die Fähigkeit, sich in der Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang in die frische Luft zu gelangen oder die Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte, zu denen das Einkaufen von Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens gehört, zu erledigen sind (vgl. zum Ganzen: BSG, Urteil vom 24.05.2006 - B 3 KR16/05 R -SozR 4-2500 § 33 Nr. 12). Die Benutzung eines Kraftfahrzeugs, sei es als Fahrer oder Mitfahrer, zählt jedoch nicht zu den Grundbedürfnissen, die durch die Leistungen der Krankenversicherung zu befriedigen sind. Auf diese zum Recht der gesetzlichen Krankenversicherung entwickelten Grundsätze kann auch im Rahmen entsprechender beihilferechtlicher Entscheidungen zurückgegriffen werden, da sie den Verpflichtungen des Dienstherrn entsprechen, die diesem aus seiner Fürsorgepflicht gegenüber seinen Beamten erwachsen (vgl. etwa VGH Bad.-Württ, Urt. v. 24.04.1996 - 4 S 3208/94 - DÖD 1997, 37).
33 
Das hier zu beurteilende Elektromobil Cityliner 412 erweist sich danach zur Überzeugung des Senats nicht als notwendig i.S.d. § 5 Abs. 1 BhV. Ist - wie hier - das allgemeine Grundbedürfnis der „Bewegungsfreiheit“ betroffen, so richtet sich die Notwendigkeit eines Hilfsmittels in erster Linie danach, ob dadurch der Bewegungsradius in einem Umfang erweitert wird, den ein Gesunder üblicherweise noch zu Fuß erreicht. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Ehefrau des Klägers die Bewegung im Nahbereich der Wohnung wegen ihrer MS-Erkrankung nicht mehr in ausreichendem Umfang möglich ist. Sie bedarf daher zur Erschließung des erforderlichen körperlichen Freiraums - dies ist ebenfalls unstreitig - eines Hilfsmittels. Die Beklagte kommt bei dieser Sachlage ihren Verpflichtungen, die ihr aus der Fürsorgepflicht gegenüber ihren Beamten erwächst, in ausreichendem Maße nach, wenn sie entsprechend ihren Vorschriften die Aufwendungen für die Anschaffung eines „Krankenfahrstuhls“ übernimmt. Dies kann bedeuten, dass der Kranke bzw. Behinderte unter Berücksichtigung der besonderen Umstände seines Einzelfalles gegebenenfalls Anspruch auf die Übernahme der Kosten eines Elektrorollstuhls hat, um ihm auf diesem Weg den erforderlichen körperlichen Freiraum zu verschaffen. Ein - darüber hinausgehender - Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil bzw. ein Wahlrecht des Beihilfeberechtigten, ihm entweder einen Elektrorollstuhl oder ein Elektromobil zur Verfügung zu stellen, besteht hingegen nicht.
34 
In Fällen wie dem hier zu beurteilenden gewährleistet regelmäßig ein Hilfsmittel in Form eines Elektrorollstuhls das allgemeine Grundbedürfnis des Kranken bzw. des Behinderten auf „Bewegungsfreiheit“. Dieses Hilfsmittel sorgt für die erforderliche Mobilität des Kranken bzw. Behinderten sowohl in Wohnungen und sonstigen Aufenthaltsräumen als auch außerhalb der Wohnung in einem Nahbereich, den ein Gesunder üblicherweise noch zu Fuß erreicht. So ermöglicht es die Konstruktion des Elektrorollstuhls mit entsprechenden Abmessungen und Wenderadius seinem Benutzer, sich in Wohnungen von Raum zu Raum zu bewegen und z.B. auch an Tische heranzufahren. Der Elektrorollstuhl stellt ferner bei Einkäufen im Nahbereich und bei der Aufsuchung von Ärzten und Therapeuten sicher, dass der Benutzer sich in den entsprechenden Räumlichkeiten fortbewegen kann und insoweit mobil ist. Ein Elektromobil ist hingegen nicht geeignet, die erforderliche Mobilität des Benutzers in Wohnungen oder sonstigen Aufenthaltsräumen sicherzustellen. Aufgrund seiner Abmessungen und seines Wendekreises ist es - wie dargelegt - nur für die Benutzung auf der Straße geeignet. Der Kranke bzw. der Behinderte kann damit nur den Weg zu den Einkaufsgeschäften und den Praxisräumen seiner Ärzte und Therapeuten zurücklegen, im Geschäft und in der Praxis selbst ist er jedoch auf weitere Hilfestellung bzw. ein weiteres Hilfsmittel angewiesen. So wäre es der Ehefrau des Klägers etwa unmöglich, mit dem von ihr angeschafften Elektromobil einen (kleineren) Supermarkt aufzusuchen und dort auch selbständig durch die Geschäftsräume zu fahren, um die Waren auszusuchen. Bei dieser Sachlage stellt sich die Entscheidung des Gesetzgebers, stark Gehbehinderten wie der Ehefrau des Klägers bei typisierender Betrachtung einen Elektrorollstuhl im Rahmen der Hilfsmittelversorgung zur Verfügung zu stellen - nicht jedoch ein Elektromobil - als sachgerecht dar. Das Hilfsmittel eines Elektrorollstuhls sichert das Grundbedürfnis der „Bewegungsfreiheit“ in umfassender Weise und stellt im Vergleich zum Elektromobil das zielgerichtetere bzw. das zielgenauere Hilfsmittel dar. Ist danach das Elektromobil kein gleichermaßen geeignetes Hilfsmittel, steht dem Beihilfeberechtigten auch kein Wahlrecht zwischen Elektrorollstuhl und Elektromobil zu und es kommt auf die Frage, welches Hilfsmittel wirtschaftlicher ist, nicht an.
35 
Dem Umstand, dass das Elektromobil im Vergleich zum Elektrorollstuhl dem Kranken bzw. Behinderten eine schnellere Fortbewegung und auch das Zurücklegen größerer Strecken ermöglicht, kommt in diesem Zusammenhang keine maßgebliche Bedeutung zu. Auch der Elektrorollstuhl sichert die Mobilität im Nahbereich der Wohnung in ausreichendem Maße. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang insbesondere, dass ein gesunder Fußgänger sich den Nahbereich einer Wohnung wesentlich schneller erschließen kann als dies für einen Behinderten mit Hilfe eines Elektrorollstuhls möglich ist. Ziel des Basisausgleichs ist es gerade nicht, ein vollständiges Gleichziehen mit Gesunden zu ermöglichen. Unerheblich ist schließlich auch, dass mit Hilfe eines Elektromobils weitaus größere Entfernungen zurückgelegt werden können und dementsprechend sich der Behinderte einen größeren Bewegungsradius verschaffen kann. Auch hier gilt, dass die Hilfsmittelversorgung nur den Nahbereich der Wohnung erschließen soll, jedoch nicht einen Bereich, den ein Gesunder üblicherweise mit dem Fahrrad, einem Elektrobike oder gar einem Kraftfahrzeug aufsucht.
36 
cc) Ob es unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht des Dienstherrn im Einzelfall ausnahmsweise geboten sein kann, von der generellen Entscheidung des Gesetzgebers abzuweichen, wonach lediglich Elektrorollstühle, jedoch keine Elektromobile beihilfefähig sind, bedarf hier keiner Entscheidung. Im Fall der Ehefrau des Klägers sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die ausnahmsweise einen Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil begründen könnten. Das der Ehefrau des Klägers von der Beklagten früher zur Verfügung gestellte Elektromobil hatte zwar die Mobilität der Ehefrau des Klägers deutlich erhöht und es ihr - nach eigenem Vortrag - ermöglicht, sich alleine außerhalb der Wohnung fortzubewegen. Die erforderliche Mobilität kann jedoch - wie dargelegt - grundsätzlich durch die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl sichergestellt werden. Die Ehefrau des Klägers hat auch keine Besonderheiten vorgetragen, die in ihrem Fall die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl als nicht ausreichend erscheinen ließen.
37 
Soweit sich die Beklagte im Berufungsverfahren sinngemäß darauf berufen hat, der Ehefrau des Klägers sei Pflegegeld der Stufe III zuerkannt worden und die entsprechende Pflegeperson habe mit Hilfe des bereits vorhandenen Rollstuhls die Teilnahme der Ehefrau des Klägers am allgemeinen Leben zu ermöglichen, braucht diesem Vortrag nicht weiter nachgegangen zu werden. Ob die Ehefrau des Klägers Anspruch auf die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl hat, ist nicht Streitgegenstand dieses Verfahrens, zumal sie einen entsprechenden Antrag bislang nicht gestellt hat.
38 
dd) Da nach alledem das von der Ehefrau des Klägers angeschaffte Elektromobil nicht notwendig i.S.d. § 5 Abs. 1 BhV ist, bedarf es auch keiner Entscheidung, ob Elektromobile darüber hinaus im Sinne von Nr. 9 der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV als Gegenstände anzusehen sind, die der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen und - auch deshalb - von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen sind. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 03.11.1999 - B 3 KR 16/99 R - FEVS 51, 395) ist ein Elektromobil kein allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens im Sinne des § 33 Abs. 1 SGB V, weil es nur von Personen benutzt wird, die durch Krankheit oder Behinderung in ihrer Gehfähigkeit eingeschränkt sind, jedoch nicht in nennenswertem Umfang auch von gesunden Menschen (so wohl auch OVG Bremen, Urteil vom 15.12.1999, aaO). Im Gegensatz dazu vertritt das OVG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 07.07.1998 - 12 A 5885/96 - Juris) die Auffassung, bei einem Elektromobil handele es sich um ein Fortbewegungsmittel, das der allgemeinen Lebenshaltung zuzurechnen sei. Dafür lässt sich - so zu Recht das Verwaltungsgericht - anführen, dass ein Elektromobil auch einen breiteren Personenkreis anspricht, der keines Rollstuhls bedarf, aber seine Mobilität erhöhen will. Ein Elektromobil kann - unabhängig von bestimmten Krankheitszuständen oder Behinderungen - auch etwa von älteren, nicht krankheitsbedingt in der Gehfähigkeit eingeschränkten, aber allgemein körperlich schwächeren Menschen benutzt werden. Vor diesem tatsächlichen Hintergrund begegnet die Annahme des Bundessozialgerichts, Elektromobile würden ausschließlich von Kranken oder Behinderten benutzt, gewissen Zweifeln. Mangels Entscheidungserheblichkeit braucht der Senat jedoch der Frage, in welchem Umfang Elektromobile auch von gesunden (älteren) Menschen benutzt werden, nicht weiter nachzugehen.
39 
3. Schließlich vermittelt auch der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG der Ehefrau des Klägers keinen Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil. Sie beruft sich in diesem Zusammenhang darauf, dass die Beklagte ihr im Jahre 2003 Beihilfe für die Anschaffung eines vergleichbaren Elektromobils gewährt habe. Sollte die Beklagte der Ehefrau des Klägers in der Vergangenheit aufgrund individueller Besonderheiten die Beihilfe zu Recht gewährt haben, würde es nunmehr an einem vergleichbaren Sachverhalt fehlen; nach den obigen Ausführungen sind im Zeitpunkt dieser Entscheidung keine Besonderheiten gegeben, die einen Anspruch der Ehefrau des Klägers begründen könnten. Sollte die Beklagte dagegen in der Vergangenheit unter Verstoß gegen die Beihilfevorschriften des Bundes der Ehefrau des Klägers einen Anspruch auf Beihilfe für die Anschaffung eines Elektromobils zuerkannt haben, ließe sich aus dem Gleichheitsgrundsatz ein Anspruch, ihr gegenüber nochmals eine solche (rechtswidrige) Entscheidung zu treffen, nicht herleiten. Die Verwaltung ist nach Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden. Diese Bindung entfällt nicht deshalb, weil eine Behörde diese Bindung während eines bestimmten Zeitraums nicht hinreichend beachtet hat. Deshalb kann die Verletzung des Gleichheitssatzes mit Erfolg, d.h. mit dem Anspruch auf Einräumung einer Begünstigung nur rügen, wer nach der maßgebenden objektiven Rechtslage einen Anspruch auf die von ihm begehrte Gleichbehandlung hat. Gebietet die Rechtslage die erstrebte Behandlung nicht bzw. schließt sie sie aus, so ist der Gleichheitssatz auch dann nicht verletzt, wenn eine Behandlung entgegen der objektiven Rechtslage in anderen (gleichgelagerten) Fällen gewährt worden ist (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 26.02.1993 - 8 C 20.92 - BVerwGE 92, 153; Urteil vom 10.12.1969 - VIII C 104.69 - BVerwGE 34, 278; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 07.09.2011 - 2 S 1202/10 -).
40 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
41 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
42 
Beschluss vom 10. Oktober 2011
43 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 3 GKG auf 2.750,-- EUR festgesetzt.
44 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
21 
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
I.
22 
Die Berufung des Klägers ist zulässig.
23 
Die vom Verwaltungsgericht in seinem Urteil zugelassene Berufung (§ 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO) ist zwar beim Verwaltungsgericht erst nach Ablauf der einmonatigen Berufungsfrist des § 124 a Abs. 2 Satz 1 VwGO und damit verspätet eingelegt worden. Wegen der versäumten Frist ist dem Kläger jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§§ 125 Abs. 1, 60 VwGO), da er ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Frist für die Einlegung der Berufung verhindert war. Nach dem Vorbringen des Klägers hat die Rechtsanwaltsfachangestellte seines Prozessbevollmächtigten am letzten Tag der Berufungsfrist - am Montag, dem 09.05.2011 - die Berufung entgegen der ausdrücklichen Anweisung des Bevollmächtigten beim Verwaltungsgerichtshof und nicht beim Verwaltungsgericht eingereicht. Der Kläger hat diese Darstellung durch eine eidesstattliche Versicherung der Angestellten hinreichend glaubhaft gemacht. Das danach anzunehmende Verschulden des Büropersonals seines Bevollmächtigten ist dem Kläger nicht zuzurechnen. Soweit ein Bevollmächtigter seinem Personal - wie hier - Weisungen erteilt hat, darf er grundsätzlich darauf vertrauen, dass sein sonst zuverlässiges Personal seine Weisungen befolgt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl., § 60 RdNr. 21). Danach hat der Bevollmächtigte des Klägers hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Versäumung der Berufungsfrist auf einem Versehen seiner sonst zuverlässigen Kanzleiangestellten beruhte. Der Wiedereinsetzungsantrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses gestellt worden und erfüllt damit auch die weiteren, sich aus § 60 Abs. 2 Satz 1 1 Hs. VwGO ergebenden Voraussetzungen.
II.
24 
Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage, mit der der Kläger die Gewährung einer Beihilfe für die Anschaffung eines Elektromobils beansprucht, zu Recht abgewiesen.
25 
1. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 - 2 C 35.04 - BVerwGE 125, 21 m.w.N.). Ob und inwieweit der Kläger Anspruch auf Beihilfe für das für seine Ehefrau angeschaffte Elektromobil hat, bestimmt sich danach auf der Grundlage der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften des Bundes für Beihilfen in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen (Beihilfevorschriften - BhV -) in der im Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen geltenden Fassung vom 01.11.2001. Zwar genügen die Beihilfevorschriften nicht den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts, sie waren jedoch für eine Übergangszeit weiterhin anwendbar (vgl. BVerwG, Urteile vom 17.06.2004 - 2 C 50.02 - BVerwGE 121, 103 und vom 26.08.2009 - 2 C 62.08 - NVwZ-RR 2010, 366). Das Verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang zutreffend angenommen, dass die Frist, bis zu deren Ablauf die Beihilfevorschriften übergangsweise weiterhin anzuwenden waren, im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung über den Beihilfeantrag des Klägers noch nicht abgelaufen war. Die Vorschriften sind erst seit Inkrafttreten der Beihilfeverordnung des Bundes (BBhV, BGBl. I 2009, 326) nicht mehr anwendbar (BVerwG, Urteil vom 26.08.2009, aaO).
26 
2. Die Aufwendungen für die Anschaffung des hier zu beurteilenden Elektromobils sind dem Grunde nach nicht notwendig und damit nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BhV nicht beihilfefähig.
27 
a) Gemäß der genannten Vorschrift sind beihilfefähig nach den folgenden Bestimmungen Aufwendungen, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. § 6 BhV trifft nähere Regelungen über die beihilfefähigen Aufwendungen aus Anlass einer Krankheit. Nach Abs. 1 Nr. 4 dieser Vorschrift sind aus Anlass einer Krankheit beihilfefähig die Aufwendungen u.a. für die Anschaffung der vom Arzt schriftlich verordneten Hilfsmittel. Voraussetzungen und Umfang der Beihilfefähigkeit bestimmen sich nach der Anlage 3. Nach Nr. 1 der Anlage 3 sind die notwendigen und angemessenen Aufwendungen für die Anschaffung der Hilfsmittel - gegebenenfalls im Rahmen der Höchstbeträge - beihilfefähig, wenn sie vom Arzt schriftlich verordnet und nachstehend aufgeführt sind. Dazu gehört ein „Krankenfahrstuhl mit Zubehör“. In Nr. 9 der Anlage 3 wird weiter bestimmt, dass zu den Hilfsmitteln nicht Gegenstände gehören, die nicht notwendig und angemessen (§ 5 Abs. 1 BhV), von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis (§ 6 Abs. 4 Nr. 3) sind oder der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen; daran anschließend sind im Einzelnen Gegenstände aufgeführt, die nicht zu den Hilfsmitteln gehören (sog. Negativkatalog). Durch die Formulierung „insbesondere“ wird in diesem Zusammenhang klargestellt, dass dieser Katalog nicht abschließend ist; in diesem Negativkatalog ist unter anderem aufgeführt „Elektrofahrzeuge (z.B. LARK, Graf Carello)“. Vor dem Hintergrund dieser Systematik in der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV ist eine Gesamtabwägung vorzunehmen, ob die Aufwendungen für den zu beurteilenden Gegenstand unter Berücksichtigung der genannten Beispielsfälle notwendig und angemessen sind, oder ob sie im Hinblick auf die genannten Ausschlussgründe - insbesondere weil die Gegenstände der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen - von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen sind (vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 26.09.2011 - 2 S 825/11).
28 
b) Das Verwaltungsgericht hat - ausgehend von den dargestellten Rechtsvorschriften - das vom Kläger angeschaffte Elektromobil nicht als „Krankenfahrstuhl“ im Sinne der Nr. 1 der Anlage 3, sondern als „Elektrofahrzeug“ nach Nr. 9 der Anlage eingestuft und dementsprechend die Beihilfefähigkeit des Gegenstand verneint. Diese Einschätzung begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
29 
aa) Nach der nicht zu beanstandenden Auslegung der Beklagten unterfallen dem Begriff „Krankenfahrstuhl“ sowohl Rollstühle ohne Antrieb als auch Elektrorollstühle, jedoch nicht Elektromobile wie das hier zu beurteilende Fahrzeug. Bereits der Wortlaut „Krankenfahrstuhl“ legt die Einbeziehung von Elektromobilen bzw. Scootern in diese „Hilfsmittelgruppe“ nicht nahe. Zudem ist - wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt - für einen Krankenfahrstuhl charakteristisch, dass er gerade auch in Gebäuden, d.h. in Wohnungen oder sonstigen Aufenthaltsbereichen, genutzt wird; seine Konstruktion als fahrbarer Stuhl mit entsprechenden Abmessungen und entsprechendem Wenderadius ermöglicht es seinem Benutzer, sich in Wohnungen von Raum zu Raum zu bewegen und z.B. auch an Tische heranzufahren. Das hier zu beurteilende Elektromobil ist dagegen ersichtlich für die Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr konstruiert und entsprechend ausgestattet; für eine Nutzung innerhalb einer Wohnung ist es aufgrund seiner Abmessungen und seines Wendekreises völlig ungeeignet. Vor diesem Hintergrund ist es mit einem speziell zum Ausgleich von Behinderungen konzipierten Krankenfahrstuhl nicht vergleichbar. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber durch die Auflistung von „Elektrofahrzeugen“ unter Nr. 9 der Anlage 3 ausdrücklich klargestellt, dass Geräte wie das hier zu beurteilende gerade nicht dem Begriff eines „Krankenfahrstuhls“ i.S.v. Nr. 1 der Anlage 3 unterfallen. Die unter dem Begriff „Elektrofahrzeuge“ beispielhaft aufgeführten Marken LARK und Graf Carello sind nach ihrem Aussehen und ihrer Funktion ohne weiteres mit dem vom Kläger angeschafften Elektromobil Cityliner 412 vergleichbar. Der Gesetzgeber hat danach eine eindeutige Abgrenzung zwischen „Krankenfahrstuhl mit Zubehör“ einerseits und „Elektrofahrzeugen“ andererseits vorgenommen, die eine erweiternde Auslegung des Begriffs „Krankenfahrstuhl“ und eine Einbeziehung des Cityliners 412 unter diese Rubrik ausschließt.
30 
Soweit das OVG Bremen ein Elektromobil in die Rubrik „Krankenfahrstuhl“ in Nr. 1 der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV eingestuft hat (Urteil vom 15.12.1999 - 2 A 112/99 - NordÖR 2000, 247), kann dieser Auffassung im Hinblick auf die dargelegte Systematik nicht gefolgt werden. Das OVG Bremen vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, ein Elektromobil könne nicht als Gegenstand, der der allgemeinen Lebenshaltung unterliegt, im Sinne von Nr. 9 der Anlage 3 angesehen werden, sondern müsse als beihilfefähiges Hilfsmittel eingestuft werden. Mit dieser Begründung wendet sich das OVG Bremen im Hinblick auf Elektromobile im Kern gegen die Rechtmäßigkeit der maßgeblichen Beihilfevorschriften des Bundes und leitet aus übergeordneten Gesichtspunkten entgegen dem Wortlaut der Vorschriften einen Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil ab. Mit dieser Begründung kann jedoch ein unmittelbarer Anspruch des Beihilfeberechtigten auf Versorgung mit einem Elektromobil bereits nach den einschlägigen Rechtsvorschriften des Bundes nicht angenommen werden.
31 
bb) Die danach in Nr. 9 der Anlage 3 getroffene Entscheidung des Gesetzgebers, Elektromobile grundsätzlich nicht als erforderliche Hilfsmittel und damit nicht als beihilfefähig anzusehen, hält einer rechtlichen Überprüfung stand.
32 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur gesetzlichen Krankenversicherung ist ein Hilfsmittel erforderlich, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehören danach das Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die (elementare) Körperpflege, das selbständige Wohnen sowie das Erschließen eines körperlichen Freiraums im Nahbereich der Wohnung und das Bedürfnis bei Krankheit oder Behinderung Ärzte und Therapeuten aufzusuchen. Das im Fall der Klägerin einschlägige Grundbedürfnis des Erschließens eines gewissen körperlichen Freiraums ist nur im Sinne eines Basisausgleichs und nicht als vollständiges Gleichziehen mit den letztlich unbegrenzten Mobilitätsmöglichkeiten des Gesunden zu verstehen. Der Basisausgleich umfasst insoweit die Fähigkeit, sich in der Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang in die frische Luft zu gelangen oder die Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte, zu denen das Einkaufen von Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens gehört, zu erledigen sind (vgl. zum Ganzen: BSG, Urteil vom 24.05.2006 - B 3 KR16/05 R -SozR 4-2500 § 33 Nr. 12). Die Benutzung eines Kraftfahrzeugs, sei es als Fahrer oder Mitfahrer, zählt jedoch nicht zu den Grundbedürfnissen, die durch die Leistungen der Krankenversicherung zu befriedigen sind. Auf diese zum Recht der gesetzlichen Krankenversicherung entwickelten Grundsätze kann auch im Rahmen entsprechender beihilferechtlicher Entscheidungen zurückgegriffen werden, da sie den Verpflichtungen des Dienstherrn entsprechen, die diesem aus seiner Fürsorgepflicht gegenüber seinen Beamten erwachsen (vgl. etwa VGH Bad.-Württ, Urt. v. 24.04.1996 - 4 S 3208/94 - DÖD 1997, 37).
33 
Das hier zu beurteilende Elektromobil Cityliner 412 erweist sich danach zur Überzeugung des Senats nicht als notwendig i.S.d. § 5 Abs. 1 BhV. Ist - wie hier - das allgemeine Grundbedürfnis der „Bewegungsfreiheit“ betroffen, so richtet sich die Notwendigkeit eines Hilfsmittels in erster Linie danach, ob dadurch der Bewegungsradius in einem Umfang erweitert wird, den ein Gesunder üblicherweise noch zu Fuß erreicht. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Ehefrau des Klägers die Bewegung im Nahbereich der Wohnung wegen ihrer MS-Erkrankung nicht mehr in ausreichendem Umfang möglich ist. Sie bedarf daher zur Erschließung des erforderlichen körperlichen Freiraums - dies ist ebenfalls unstreitig - eines Hilfsmittels. Die Beklagte kommt bei dieser Sachlage ihren Verpflichtungen, die ihr aus der Fürsorgepflicht gegenüber ihren Beamten erwächst, in ausreichendem Maße nach, wenn sie entsprechend ihren Vorschriften die Aufwendungen für die Anschaffung eines „Krankenfahrstuhls“ übernimmt. Dies kann bedeuten, dass der Kranke bzw. Behinderte unter Berücksichtigung der besonderen Umstände seines Einzelfalles gegebenenfalls Anspruch auf die Übernahme der Kosten eines Elektrorollstuhls hat, um ihm auf diesem Weg den erforderlichen körperlichen Freiraum zu verschaffen. Ein - darüber hinausgehender - Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil bzw. ein Wahlrecht des Beihilfeberechtigten, ihm entweder einen Elektrorollstuhl oder ein Elektromobil zur Verfügung zu stellen, besteht hingegen nicht.
34 
In Fällen wie dem hier zu beurteilenden gewährleistet regelmäßig ein Hilfsmittel in Form eines Elektrorollstuhls das allgemeine Grundbedürfnis des Kranken bzw. des Behinderten auf „Bewegungsfreiheit“. Dieses Hilfsmittel sorgt für die erforderliche Mobilität des Kranken bzw. Behinderten sowohl in Wohnungen und sonstigen Aufenthaltsräumen als auch außerhalb der Wohnung in einem Nahbereich, den ein Gesunder üblicherweise noch zu Fuß erreicht. So ermöglicht es die Konstruktion des Elektrorollstuhls mit entsprechenden Abmessungen und Wenderadius seinem Benutzer, sich in Wohnungen von Raum zu Raum zu bewegen und z.B. auch an Tische heranzufahren. Der Elektrorollstuhl stellt ferner bei Einkäufen im Nahbereich und bei der Aufsuchung von Ärzten und Therapeuten sicher, dass der Benutzer sich in den entsprechenden Räumlichkeiten fortbewegen kann und insoweit mobil ist. Ein Elektromobil ist hingegen nicht geeignet, die erforderliche Mobilität des Benutzers in Wohnungen oder sonstigen Aufenthaltsräumen sicherzustellen. Aufgrund seiner Abmessungen und seines Wendekreises ist es - wie dargelegt - nur für die Benutzung auf der Straße geeignet. Der Kranke bzw. der Behinderte kann damit nur den Weg zu den Einkaufsgeschäften und den Praxisräumen seiner Ärzte und Therapeuten zurücklegen, im Geschäft und in der Praxis selbst ist er jedoch auf weitere Hilfestellung bzw. ein weiteres Hilfsmittel angewiesen. So wäre es der Ehefrau des Klägers etwa unmöglich, mit dem von ihr angeschafften Elektromobil einen (kleineren) Supermarkt aufzusuchen und dort auch selbständig durch die Geschäftsräume zu fahren, um die Waren auszusuchen. Bei dieser Sachlage stellt sich die Entscheidung des Gesetzgebers, stark Gehbehinderten wie der Ehefrau des Klägers bei typisierender Betrachtung einen Elektrorollstuhl im Rahmen der Hilfsmittelversorgung zur Verfügung zu stellen - nicht jedoch ein Elektromobil - als sachgerecht dar. Das Hilfsmittel eines Elektrorollstuhls sichert das Grundbedürfnis der „Bewegungsfreiheit“ in umfassender Weise und stellt im Vergleich zum Elektromobil das zielgerichtetere bzw. das zielgenauere Hilfsmittel dar. Ist danach das Elektromobil kein gleichermaßen geeignetes Hilfsmittel, steht dem Beihilfeberechtigten auch kein Wahlrecht zwischen Elektrorollstuhl und Elektromobil zu und es kommt auf die Frage, welches Hilfsmittel wirtschaftlicher ist, nicht an.
35 
Dem Umstand, dass das Elektromobil im Vergleich zum Elektrorollstuhl dem Kranken bzw. Behinderten eine schnellere Fortbewegung und auch das Zurücklegen größerer Strecken ermöglicht, kommt in diesem Zusammenhang keine maßgebliche Bedeutung zu. Auch der Elektrorollstuhl sichert die Mobilität im Nahbereich der Wohnung in ausreichendem Maße. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang insbesondere, dass ein gesunder Fußgänger sich den Nahbereich einer Wohnung wesentlich schneller erschließen kann als dies für einen Behinderten mit Hilfe eines Elektrorollstuhls möglich ist. Ziel des Basisausgleichs ist es gerade nicht, ein vollständiges Gleichziehen mit Gesunden zu ermöglichen. Unerheblich ist schließlich auch, dass mit Hilfe eines Elektromobils weitaus größere Entfernungen zurückgelegt werden können und dementsprechend sich der Behinderte einen größeren Bewegungsradius verschaffen kann. Auch hier gilt, dass die Hilfsmittelversorgung nur den Nahbereich der Wohnung erschließen soll, jedoch nicht einen Bereich, den ein Gesunder üblicherweise mit dem Fahrrad, einem Elektrobike oder gar einem Kraftfahrzeug aufsucht.
36 
cc) Ob es unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht des Dienstherrn im Einzelfall ausnahmsweise geboten sein kann, von der generellen Entscheidung des Gesetzgebers abzuweichen, wonach lediglich Elektrorollstühle, jedoch keine Elektromobile beihilfefähig sind, bedarf hier keiner Entscheidung. Im Fall der Ehefrau des Klägers sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die ausnahmsweise einen Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil begründen könnten. Das der Ehefrau des Klägers von der Beklagten früher zur Verfügung gestellte Elektromobil hatte zwar die Mobilität der Ehefrau des Klägers deutlich erhöht und es ihr - nach eigenem Vortrag - ermöglicht, sich alleine außerhalb der Wohnung fortzubewegen. Die erforderliche Mobilität kann jedoch - wie dargelegt - grundsätzlich durch die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl sichergestellt werden. Die Ehefrau des Klägers hat auch keine Besonderheiten vorgetragen, die in ihrem Fall die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl als nicht ausreichend erscheinen ließen.
37 
Soweit sich die Beklagte im Berufungsverfahren sinngemäß darauf berufen hat, der Ehefrau des Klägers sei Pflegegeld der Stufe III zuerkannt worden und die entsprechende Pflegeperson habe mit Hilfe des bereits vorhandenen Rollstuhls die Teilnahme der Ehefrau des Klägers am allgemeinen Leben zu ermöglichen, braucht diesem Vortrag nicht weiter nachgegangen zu werden. Ob die Ehefrau des Klägers Anspruch auf die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl hat, ist nicht Streitgegenstand dieses Verfahrens, zumal sie einen entsprechenden Antrag bislang nicht gestellt hat.
38 
dd) Da nach alledem das von der Ehefrau des Klägers angeschaffte Elektromobil nicht notwendig i.S.d. § 5 Abs. 1 BhV ist, bedarf es auch keiner Entscheidung, ob Elektromobile darüber hinaus im Sinne von Nr. 9 der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV als Gegenstände anzusehen sind, die der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen und - auch deshalb - von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen sind. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 03.11.1999 - B 3 KR 16/99 R - FEVS 51, 395) ist ein Elektromobil kein allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens im Sinne des § 33 Abs. 1 SGB V, weil es nur von Personen benutzt wird, die durch Krankheit oder Behinderung in ihrer Gehfähigkeit eingeschränkt sind, jedoch nicht in nennenswertem Umfang auch von gesunden Menschen (so wohl auch OVG Bremen, Urteil vom 15.12.1999, aaO). Im Gegensatz dazu vertritt das OVG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 07.07.1998 - 12 A 5885/96 - Juris) die Auffassung, bei einem Elektromobil handele es sich um ein Fortbewegungsmittel, das der allgemeinen Lebenshaltung zuzurechnen sei. Dafür lässt sich - so zu Recht das Verwaltungsgericht - anführen, dass ein Elektromobil auch einen breiteren Personenkreis anspricht, der keines Rollstuhls bedarf, aber seine Mobilität erhöhen will. Ein Elektromobil kann - unabhängig von bestimmten Krankheitszuständen oder Behinderungen - auch etwa von älteren, nicht krankheitsbedingt in der Gehfähigkeit eingeschränkten, aber allgemein körperlich schwächeren Menschen benutzt werden. Vor diesem tatsächlichen Hintergrund begegnet die Annahme des Bundessozialgerichts, Elektromobile würden ausschließlich von Kranken oder Behinderten benutzt, gewissen Zweifeln. Mangels Entscheidungserheblichkeit braucht der Senat jedoch der Frage, in welchem Umfang Elektromobile auch von gesunden (älteren) Menschen benutzt werden, nicht weiter nachzugehen.
39 
3. Schließlich vermittelt auch der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG der Ehefrau des Klägers keinen Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil. Sie beruft sich in diesem Zusammenhang darauf, dass die Beklagte ihr im Jahre 2003 Beihilfe für die Anschaffung eines vergleichbaren Elektromobils gewährt habe. Sollte die Beklagte der Ehefrau des Klägers in der Vergangenheit aufgrund individueller Besonderheiten die Beihilfe zu Recht gewährt haben, würde es nunmehr an einem vergleichbaren Sachverhalt fehlen; nach den obigen Ausführungen sind im Zeitpunkt dieser Entscheidung keine Besonderheiten gegeben, die einen Anspruch der Ehefrau des Klägers begründen könnten. Sollte die Beklagte dagegen in der Vergangenheit unter Verstoß gegen die Beihilfevorschriften des Bundes der Ehefrau des Klägers einen Anspruch auf Beihilfe für die Anschaffung eines Elektromobils zuerkannt haben, ließe sich aus dem Gleichheitsgrundsatz ein Anspruch, ihr gegenüber nochmals eine solche (rechtswidrige) Entscheidung zu treffen, nicht herleiten. Die Verwaltung ist nach Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden. Diese Bindung entfällt nicht deshalb, weil eine Behörde diese Bindung während eines bestimmten Zeitraums nicht hinreichend beachtet hat. Deshalb kann die Verletzung des Gleichheitssatzes mit Erfolg, d.h. mit dem Anspruch auf Einräumung einer Begünstigung nur rügen, wer nach der maßgebenden objektiven Rechtslage einen Anspruch auf die von ihm begehrte Gleichbehandlung hat. Gebietet die Rechtslage die erstrebte Behandlung nicht bzw. schließt sie sie aus, so ist der Gleichheitssatz auch dann nicht verletzt, wenn eine Behandlung entgegen der objektiven Rechtslage in anderen (gleichgelagerten) Fällen gewährt worden ist (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 26.02.1993 - 8 C 20.92 - BVerwGE 92, 153; Urteil vom 10.12.1969 - VIII C 104.69 - BVerwGE 34, 278; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 07.09.2011 - 2 S 1202/10 -).
40 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
41 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
42 
Beschluss vom 10. Oktober 2011
43 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 3 GKG auf 2.750,-- EUR festgesetzt.
44 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. Die Hilfsmittel müssen mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 2 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte erfüllen, soweit sie im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 1 gelistet oder von den dort genannten Produktgruppen erfasst sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt. Für nicht durch Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 Abs. 1 unberührt. Der Anspruch umfasst auch zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringende, notwendige Leistungen wie die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Ein Anspruch besteht auch auf solche Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn der Versicherte selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der durch mögliche Stichverletzungen eine Infektionsgefahr besteht oder angenommen werden kann. Zu diesen Tätigkeiten gehören insbesondere Blutentnahmen und Injektionen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Januar 2020 die Tätigkeiten, bei denen eine erhöhte Infektionsgefährdung angenommen werden kann. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. § 18 Absatz 6a des Elften Buches ist zu beachten.

(2) Versicherte haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach Absatz 1. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie

1.
nach ICD 10-GM 2017 auf Grund ihrer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 oder
2.
einen verordneten Fern-Korrekturausgleich für einen Refraktionsfehler von mehr als 6 Dioptrien bei Myopie oder Hyperopie oder mehr als 4 Dioptrien bei Astigmatismus
aufweisen; Anspruch auf therapeutische Sehhilfen besteht, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen verordnet werden. Der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen umfaßt nicht die Kosten des Brillengestells.

(3) Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht für anspruchsberechtigte Versicherte nach Absatz 2 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen Kontaktlinsen verordnet werden. Wählen Versicherte statt einer erforderlichen Brille Kontaktlinsen und liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vor, zahlt die Krankenkasse als Zuschuß zu den Kosten von Kontaktlinsen höchstens den Betrag, den sie für eine erforderliche Brille aufzuwenden hätte. Die Kosten für Pflegemittel werden nicht übernommen.

(4) Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nach Absatz 2 besteht für Versicherte, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien; für medizinisch zwingend erforderliche Fälle kann der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Ausnahmen zulassen.

(5) Die Krankenkasse kann den Versicherten die erforderlichen Hilfsmittel auch leihweise überlassen. Sie kann die Bewilligung von Hilfsmitteln davon abhängig machen, daß die Versicherten sich das Hilfsmittel anpassen oder sich in seinem Gebrauch ausbilden lassen.

(5a) Eine vertragsärztliche Verordnung ist für die Beantragung von Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist. Abweichend von Satz 1 können die Krankenkassen eine vertragsärztliche Verordnung als Voraussetzung für die Kostenübernahme verlangen, soweit sie auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichtet haben. § 18 Absatz 6a und § 40 Absatz 6 des Elften Buches sind zu beachten.

(5b) Sofern die Krankenkassen nicht auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichten, haben sie den Antrag auf Bewilligung eines Hilfsmittels mit eigenem weisungsgebundenem Personal zu prüfen. Sie können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst vor Bewilligung eines Hilfsmittels nach § 275 Absatz 3 Nummer 1 prüfen lassen, ob das Hilfsmittel erforderlich ist. Eine Beauftragung Dritter ist nicht zulässig.

(6) Die Versicherten können alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Vertragsärzte oder Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder Verordnungen bestimmten Leistungserbringern zuweisen, noch die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einem bestimmten Leistungserbringer einzulösen. Die Sätze 1 und 2 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(7) Die Krankenkasse übernimmt die jeweils vertraglich vereinbarten Preise.

(8) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Hilfsmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag zu dem von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrag an die abgebende Stelle. Der Vergütungsanspruch nach Absatz 7 verringert sich um die Zuzahlung; § 43c Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Die Zuzahlung bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt 10 vom Hundert des insgesamt von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrags, jedoch höchstens 10 Euro für den gesamten Monatsbedarf.

(9) Absatz 1 Satz 9 gilt entsprechend für Intraokularlinsen beschränkt auf die Kosten der Linsen.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 2. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist ein Anspruch des Klägers gegen die beklagte Krankenkasse auf Versorgung mit einer Unterschenkel-Sportprothese als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).

2

Der im Jahre 1978 geborene Kläger erlitt am 19.9.2003 bei einem Verkehrsunfall schwere Verletzungen; Komplikationen im Heilungsverlauf führten schließlich am 9.4.2008 zur Amputation des rechten Unterschenkels (GdB 90). Die Beklagte hat ihn mit einer Modular-Unterschenkelprothese aus Gießharz mit einem Carbonfederfuß sowie einer wasserfesten Prothese für die Mobilität in Nassbereichen ausgestattet. Der Kläger ist vollschichtig berufstätig und verbringt seine Freizeit vornehmlich mit sportlichen Aktivitäten. Er geht regelmäßig zum Schwimmen und in ein Fitnessstudio, fährt Rad, wandert, spielt Tischtennis und betätigt sich in einer Behindertensportgruppe als Sitzballspieler.

3

Am 21.4.2009 beantragte der Kläger unter Vorlage einer vertragsärztlichen Verordnung vom 3.4.2009 und eines Kostenvoranschlags über 11 450,96 Euro die zusätzliche Versorgung mit einer Unterschenkel-Sportprothese mit Oberschenkelhülse in Silikonschafttechnik zur Teilnahme an den sportlichen Aktivitäten. Er gab an, die vorhandene Prothese sei für den Sport weder vorgesehen noch auf Dauer geeignet. Insbesondere für das von ihm auch schon vor dem Unfall bevorzugte Badmintonspiel sei die Sportprothese erforderlich, weil sie über einen rückfedernden Spezialfuß nebst Seitenfeder verfüge und ihm auf diese Weise die sportarttypischen, besonders schnellen und kraftvollen Sprünge ermöglicht würden. Die Beklagte lehnte den Leistungsantrag nach Einholung einer Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ab, weil die Sportprothese für den Behinderungsausgleich nicht erforderlich sei. Er könne mit der Alltagsprothese problemlos gehen und stehen und seinen bisherigen sportlichen Aktivitäten ausreichend nachgehen. Die Sportprothese diene einem rein sportlichen Mobilitätsbedürfnis und sei wegen der starken Fußfederung für den Alltagsgebrauch eher ungeeignet. Die Zweitversorgung mit der Sportprothese könne daher auch nicht mit einer Verlängerung der Gebrauchsfähigkeit der Alltagsprothese begründet werden (Bescheid vom 22.4.2009, Widerspruchsbescheid vom 14.12.2009).

4

Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 8.6.2011). Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 2.2.2012): Eine Beinprothese diene zwar dem unmittelbaren Behinderungsausgleich, bei dem grundsätzlich das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits gelte. Allerdings gebe es auch beim unmittelbaren Behinderungsausgleich keinen Anspruch auf Optimalversorgung. Die Sportprothese biete im Vergleich zu der vorhandenen Alltagsprothese nur einen geringen, auf bestimmte sportliche Aktivitäten in der Freizeit beschränkten Gebrauchsvorteil. Die Grundfunktionen des sicheren Gehens und Stehens seien durch die Alltagsprothese und die Badeprothese hinreichend gewährleistet. Auch die meisten Sportarten könnten mit diesen Prothesen ausgeübt werden. Nur das Badmintonspiel würde durch die Sportprothese erleichtert. Dieser Zweck rechtfertige die Zusatzversorgung jedoch nicht; einem gehbehinderten Menschen müsse nicht jede Form der Freizeitbetätigung auf Kosten der Versichertengemeinschaft der GKV ermöglicht werden.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 33 Abs 1 SGB V). Die prothetische Versorgung müsse nicht nur das normale Gehen, Stehen und Treppensteigen ermöglichen, sondern auch das schnelle Laufen, das Springen und sonstige rasche Bewegungen der Beine, weil es dabei um Körperfunktionen gehe, über die jeder nicht gehbehinderte Mensch verfüge. Die Gleichbehandlung mit nicht behinderten Menschen sei auch beim Freizeitsport zu gewährleisten (Art 3 Abs 3 GG, § 1 SGB IX). Die Alltagsprothese benutze er beim Sport nur als Notbehelf. Es besteht immer die Gefahr eines Materialbruchs durch Überlastung. Alltagsprothesen und Sportprothesen dienten grundsätzlich verschiedenen Zwecken, sodass die Maßstäbe einer üblichen "Zweitversorgung" nicht anwendbar seien. Gerügt werde auch die Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG). Das LSG hätte ermitteln müssen, ob er mit den vorhandenen Prothesen auch im Sportbereich im Sinne eines Gleichziehens mit den Fähigkeiten eines nicht gehbehinderten Menschen ausreichend versorgt sei.

6

Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG Rheinland-Pfalz vom 2.2.2012 und des SG Mainz vom 8.6.2011 zu ändern, den Bescheid der Beklagten vom 22.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.12.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn mit einer Unterschenkel-Sportprothese mit Oberschenkelhülse in Silikonschafttechnik zu versorgen.

7

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Berufungsurteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Klägers ist unbegründet.

9

Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, dass der Kläger keinen Versorgungsanspruch nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V hat, weil die Sportprothese nur der sportlichen Betätigung in der Freizeit dient und damit ein Versorgungsziel verfolgt wird, für das die Krankenkassen nicht aufzukommen haben. Die Ermöglichung sportlicher Aktivitäten fällt grundsätzlich nur dann in die Leistungspflicht der GKV bei der Hilfsmittelversorgung, wenn es dabei zugleich um die Gewährleistung eines allgemeinen Grundbedürfnisses des täglichen Lebens geht, wie es zB bei der Teilnahme am Sportunterricht in der Schule im Rahmen der Schulpflicht (BSG SozR 2200 § 182 Nr 73 - Sportbrille) oder bei der Integration von Kindern und Jugendlichen in den Kreis Gleichaltriger (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 27 - Rollstuhl-Bike als Fahrradersatz) der Fall ist, oder wenn es sich um die Teilnahme am ärztlich verordneten Rehabilitationssport und Funktionstraining (§ 44 Abs 1 Nr 3 und 4 SGB IX) handelt. Die Förderung des Freizeitsports und des Vereinssports gehört hingegen nicht zu den Aufgaben der Krankenkassen bei der Hilfsmittelversorgung (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 35 - Sportrollstuhl zur Teilnahme am Rollstuhlbasketballspiel in einem Behindertensportverein).

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1. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Leistungsanspruchs ist § 33 Abs 1 S 1 SGB V in der ab 1.4.2007 geltenden Fassung von Art 1 Nr 17 GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) vom 26.3.2007 (BGBl I 378), weil bei Leistungsklagen, auch wenn sie - wie hier - mit einer Anfechtungsklage verbunden sind, grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgebend ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 54 RdNr 34 mwN). Nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen sind. Nach § 33 Abs 1 S 4 SGB V umfasst der Anspruch auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Im vorliegenden Fall geht es um eine besondere Variante der Erstbeschaffung eines Hilfsmittels, deren Tatbestandsvoraussetzungen aber hier nicht erfüllt sind.

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2. Die Leistungsablehnung ist rechtmäßig, weil die Sportprothese im vorliegenden Fall zum Behinderungsausgleich nicht erforderlich ist. Dieser in § 33 Abs 1 S 1 SGB V als 3. Variante genannte - und hier allein in Betracht kommende - Zweck (vgl jetzt auch § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX) eines von der GKV zu leistenden Hilfsmittels hat zweierlei Bedeutung.

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a) Im Vordergrund einer Hilfsmittelversorgung steht zumeist der Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst. Bei diesem unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Die gesonderte Prüfung, ob ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betroffen ist, entfällt, weil sich die unmittelbar auszugleichende Funktionsbeeinträchtigung selbst immer schon auf ein Grundbedürfnis bezieht; die Erhaltung bzw Wiederherstellung einer Körperfunktion ist als solche ein Grundbedürfnis. Dabei kann die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem nicht behinderten Menschen erreicht ist (BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 4 - C-leg II). Die Wirtschaftlichkeit eines dem unmittelbaren Behinderungsausgleich dienenden Hilfsmittels ist grundsätzlich zu unterstellen und erst zu prüfen, wenn zwei tatsächlich gleichwertige, aber unterschiedlich teure Hilfsmittel zur Wahl stehen (vgl § 33 Abs 1 S 5 SGB V und § 31 Abs 3 SGB IX).

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b) Daneben können Hilfsmittel den Zweck haben, die direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen (sog mittelbarer Behinderungsausgleich). In diesem Rahmen ist die GKV allerdings nur für den Basisausgleich der Folgen der Behinderung eintrittspflichtig (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 35 RdNr 14). Es geht hier nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Menschen. Denn Aufgabe der GKV ist in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation (vgl § 1 SGB V sowie § 6 Abs 1 Nr 1 iVm § 5 Nr 1 und 3 SGB IX), also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist von der GKV daher nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Nach ständiger Rechtsprechung gehören zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (BSGE 93, 176, 180 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 12; BSGE 91, 60, 63 RdNr 9 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3 RdNr 10; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 14; stRspr). Zum Grundbedürfnis der Erschließung eines geistigen Freiraums gehört ua die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen Menschen sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Grundwissens bzw eines Schulwissens (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 29 und 46; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 11 RdNr 18). Zum körperlichen Freiraum gehört - im Sinne eines Basisausgleichs der eingeschränkten Bewegungsfreiheit - die Fähigkeit, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (zB Supermarkt, Arzt, Apotheke, Geldinstitut, Post), nicht aber die Bewegung außerhalb dieses Nahbereichs. Soweit überhaupt die Frage eines größeren Radius über das zu Fuß Erreichbare hinaus aufgeworfen worden ist, sind schon immer zusätzliche qualitative Momente verlangt worden (vgl BSGE 93, 176, 180 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 12 - Erreichbarkeit ambulanter medizinischer Versorgung für Wachkomapatientin; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 27 - Rollstuhl-Bike für Jugendliche; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 46 - behindertengerechtes Dreirad; BSG SozR 2200 § 182b Nr 13 - Faltrollstuhl).

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c) Dem Gegenstand nach besteht für den unmittelbaren ebenso wie für den mittelbaren Behinderungsausgleich ein Anspruch auf die im Einzelfall ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Hilfsmittelversorgung, nicht jedoch ein Anspruch auf Optimalversorgung. Deshalb besteht kein Anspruch auf ein teureres Hilfsmittel, soweit die kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell in gleicher Weise geeignet ist (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 26 S 153; stRspr); andernfalls sind die Mehrkosten gemäß § 33 Abs 1 S 5 SGB V(ebenso § 31 Abs 3 SGB IX) von dem Versicherten selbst zu tragen. Die Krankenkassen haben auch nicht für solche "Innovationen" aufzukommen, die keine wesentlichen Gebrauchsvorteile für den Versicherten bewirken, sondern sich auf einen bloß besseren Komfort im Gebrauch oder eine bessere Optik beschränken (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44; BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 15).

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d) Auf das normale Gehen, Stehen und Treppensteigen ausgelegte Beinprothesen sind Körperersatzstücke gemäß § 33 Abs 1 S 1 SGB V. Sie dienen dem unmittelbaren Ersatz des fehlenden Körperteils und dessen ausgefallener Funktion. Sie sind auf den Ausgleich der Behinderung selbst gerichtet und dienen der medizinischen Rehabilitation, ohne dass zusätzlich die Erfüllung eines allgemeinen Grundbedürfnisses des täglichen Lebens zu prüfen ist, wie es bei Hilfsmitteln erforderlich wäre, die nur die direkten und indirekten Folgen einer Behinderung ausgleichen sollen. Bei einer Beinprothese geht es um das Grundbedürfnis auf möglichst sicheres, gefahrloses Gehen und Stehen, wie es bei nicht behinderten Menschen durch die Funktion der Beine gewährleistet ist. Diese Funktion muss in möglichst weitgehender Weise ausgeglichen werden (BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8 - C-leg II).

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3. Diese Grundsätze waren für den erkennenden Senat maßgeblich, als er in zwei Entscheidungen vom 25.6.2009 (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 23 und 24) die Frage zu klären hatte, ob beinamputierte Versicherte, die bereits mit einer normalen Laufprothese ausgestattet sind, die zusätzliche Versorgung mit einer Badeprothese beanspruchen können. Dies wurde für eine übliche (süßwasserbeständige) Badeprothese bejaht, für eine salzwasserbeständige Badeprothese dagegen verneint. Dabei ging es indes nicht, wie es auf den ersten Blick scheinen könnte, um die Ermöglichung einer bestimmten gesundheitsfördernden sportlichen Betätigung, nämlich das Schwimmen, sondern um die Befriedigung des Mobilitätsbedürfnisses in Nassbereichen und damit um die Erfüllung eines allgemeinen Grundbedürfnisses des täglichen Lebens.

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a) Die normale Beinprothese hat einen konstruktionsbedingten Gebrauchsnachteil, weil sie nicht dort zu verwenden ist, wo der Benutzer beim Gehen und Stehen mit Wasser in Kontakt kommt. Durch den Kontakt mit Wasser besteht die große Gefahr einer Beschädigung, sodass die Krankenkassen zur Reparatur bzw zum Ersatz verpflichtet wären, was erhebliche Kosten verursacht. Außerdem ist der Fuß einer normalen Laufprothese so ausgelegt, dass er mit Schuhen getragen wird. Im Schwimmbad ist das Tragen von Straßenschuhen in aller Regel verboten. Ohne Schuhe besteht aber eine besondere Rutschgefahr. Unterarmgehstützen bieten nicht den gleichen Halt wie eine Beinprothese und sind für die Gang- und Standsicherheit nur ergänzend heranzuziehen. Die normale Laufprothese ist beim Aufenthalt in und am Wasser (Schwimmbad, Fluss, See) ungeeignet. Dieser Gebrauchsnachteil wird durch die zusätzliche Ausstattung mit einer Badeprothese kompensiert. Die Badeprothese gleicht praktisch das Funktionsdefizit der Alltagsprothese in Nassbereichen aus.

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b) Der danach gegebene Anspruch eines beinamputierten Versicherten auf Versorgung mit einer Badeprothese wird durch die Bereitstellung einer normalen (süßwasserfesten) Prothese erfüllt. Das Funktionsdefizit einer Alltagsprothese ist dadurch im häuslichen Nassbereich vollständig und im außerhäuslichen Bereich im Wesentlichen erfüllt, weil es den Aufenthalt in herkömmlichen Schwimmbädern sowie an Flüssen und Binnenseen ermöglicht. Nicht geeignet ist eine süßwasserfeste Badeprothese lediglich für den Aufenthalt im und am Salzwasser, also in Salzwasser-Schwimmbädern und am Meer. Einen Ausgleich dieses Gebrauchsnachteils der ihm zur Verfügung gestellten Badeprothese kann der Versicherte jedoch nicht verlangen. Entscheidend ist insoweit, dass die salzwasserfeste Badeprothese dem Versicherten nicht - wie bei der normalen Badeprothese - in erster Linie das gefahrlose Gehen und Stehen in Nassbereichen innerhalb und außerhalb der Wohnung überhaupt erst ermöglichen soll, sondern der Aufenthalt in einer ganz speziellen Umgebung im Vordergrund steht (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 23 und 24).

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c) In solchen Konstellationen kommt es maßgeblich darauf an, ob die jeweilige "Zusatzfunktion" eines - in der Grundausführung dem unmittelbaren Behinderungsausgleich dienenden - Hilfsmittels (hier: die Salzwasserfestigkeit) notwendig ist, den besonderen Bedürfnissen eines behinderten Menschen zur Bewältigung seines Alltags unter Berücksichtigung der speziellen Grundsätze und Gebote des SGB IX Rechnung zu tragen. Dies war dort zu verneinen. Es ging lediglich um eine marginale Einschränkung der Alltagsgestaltung, die dem Versicherten zuzumuten ist, weil sie weder seine Selbstbestimmung noch seine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft fühlbar beeinträchtigt (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 23 und 24).

20

Aber auch bei der Bewältigung des Alltags ist es einem Versicherten zumutbar, auf die vorhandenen Hilfsmittel zurückzugreifen. Nicht jede Form der Freizeitbeschäftigung muss auf Kosten der Versichertengemeinschaft der GKV ermöglicht werden. Dazu gehört der Aufenthalt im und am Salzwasser, sei es in einem Salzwasserthermalbad oder im Urlaub am Meer. Es ist zumutbar, das Salzwasser zu meiden und sich auf den Aufenthalt im Süßwasserbereich zu beschränken. Ein Versicherter, der diesen zumutbaren Gebrauchsnachteil einer normalen Badeprothese nicht hinnehmen möchte und eine salzwasserfeste Badeprothese benutzen will, hat die dadurch entstehenden Mehrkosten selbst zu tragen (§ 33 Abs 1 S 5 SGB V und § 31 Abs 3 SGB IX).

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4. Im Verhältnis von normaler Laufprothese und Badeprothese geht es um zwei sich in ihren Funktionen ergänzende Hilfsmittel zum unmittelbaren Behindertenausgleich, die stets nebeneinander beansprucht werden können. Davon zu unterscheiden ist die Situation eines Versicherten, der zum unmittelbaren Behinderungsausgleich mit einem herkömmlichen, voll funktionsfähigen Hilfsmittel versorgt ist, nun aber ein dem gleichen Zweck dienendes, aber technisch verbessertes oder aufwändiger ausgestattetes Hilfsmittel beansprucht. Es geht dabei um den besonderen Fall der qualifizierten Zweitversorgung bei Vorhandensein von zwei demselben Versorgungsziel dienenden Hilfsmitteln. Diese Situation ist zB gegeben, wenn ein gehbehinderter Versicherter, der mit einer herkömmlichen, mechanisch gesteuerten und noch voll funktionsfähigen Prothese ausgestattet ist, die Versorgung mit einer technisch weiterentwickelten, über ein mikroprozessorgesteuertes Kniegelenk verfügenden Prothese (C-leg) begehrt. Der erkennende Senat hat diesen Anspruch auf Zweitversorgung in mehreren Entscheidungen stattgegeben (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44; BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8): Beim unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Daher kann die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem nicht behinderten Menschen erreicht ist (BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8 RdNr 4 - C-leg II). Dabei muss es stets um "wesentliche" Gebrauchsvorteile des neuartigen Hilfsmittels gehen, was dann der Fall ist, wenn sich die Gebrauchsvorteile allgemein im Alltagsleben auswirken, sich also nicht auf einen bloß besseren Komfort im Gebrauch oder eine bessere Optik beschränken. Da eine C-leg-Prothese im Vergleich zu einer hergebrachten mechanisch wirkenden Prothese über deutliche allgemeine - und damit "wesentliche" - Gebrauchsvorteile verfügt (zB weitgehende Annäherung an ein natürliches Gangbild und erhebliche Reduzierung der Sturzgefahr beim Gehen auf unebenem Untergrund und auf Treppen, vgl BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 5, 14, 15),ist der Anspruch auf Zweitversorgung jeweils zuerkannt worden.

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5. An diese Grundsätze ist anzuknüpfen, wenn es um die zusätzliche Versorgung eines beinamputierten Versicherten, der schon mit einer normalen Laufprothese und einer Badeprothese ausgestattet ist, mit einer Sportprothese geht, die ihm den Bereich des Freizeitsports noch weiter eröffnen soll, insbesondere mit Blick auf das von ihm bevorzugte Badmintonspiel.

23

Die Sportprothese gleicht nicht ein Funktionsdefizit der normalen Laufprothese im Alltagsgebrauch aus, wie es bei der Badeprothese in Nassbereichen der Fall ist. Sie ermöglicht zwar durch den rückfedernden Spezialfuß ein besseres Springen und andere rasche Körperbewegungen, wie sie einem nicht gehbehinderten Menschen gleichen Alters regelmäßig ohne Weiteres möglich sind. Diesen Gebrauchsvorteil im Vergleich zur normalen Laufprothese benötigt der Kläger jedoch nicht zur Bewältigung von Mobilitätserfordernissen im Alltag, sondern ausschließlich für den Freizeitsport, der ihm in einem erheblichen Maße auch schon durch die vorhandene Prothese ermöglicht wird. Hierin besteht der Unterschied zu der Situation von beinamputierten Versicherten, die zwar mit einer funktionstüchtigen, alltagstauglichen mechanischen Beinprothese ausgestattet sind, nunmehr aber eine elektronisch gesteuerte Beinprothese beanspruchen, weil das Gangbild verbessert und die Sicherheit beim Gehen erheblich erhöht wird. Während beim C-leg der Gebrauchsvorteil also "wesentlich" ist, weil er sich im gesamten Alltagsgebrauch auswirkt, ist der Gebrauchsvorteil einer Sportprothese nicht "wesentlich", weil sie nur dem speziellen Mobilitätsbedürfnis des Klägers bei seinen sportlichen Aktivitäten in der Freizeit, vor allem beim Badmintonspiel, dient. Im Vergleich zur normalen Laufprothese, die ebenfalls sportliche Betätigungen in nennenswertem Umfang ermöglicht, bietet die Sportprothese für den Alltagsgebrauch keinen Gebrauchsvorteil, sondern wirkt sich sogar nachteilig aus, weil der rückfedernde Spezialfuß beim normalen Gehen eher hinderlich wirkt. Daher hat die Beklagte den Leistungsantrag des Klägers nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V zu Recht abgelehnt.

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6. Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf das "Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen" (UN-Konvention) berufen. Diese Konvention ist am 3.5.2008 in Kraft getreten und durch Vertragsgesetz zum Übereinkommen vom 21.12.2008 (BGBl II 1419) innerstaatlich verbindlich geworden; sie war deshalb zum Zeitpunkt der Entscheidung des LSG als geltendes Recht zu beachten (andere Situation in BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 25 RdNr 28). Allerdings können aus der UN-Konvention keine über § 33 SGB V hinausgehenden Leistungsansprüche hergeleitet werden. Insbesondere ergeben sich solche Ansprüche nicht aus Art 20 UN-Konvention. Danach verpflichten sich die Vertragsstaaten zu wirksamen Maßnahmen, um für Menschen mit Behinderungen persönliche Mobilität mit größtmöglicher Unabhängigkeit sicherzustellen. Zu diesem Zweck haben sie ua den Zugang zu hochwertigen Mobilitätshilfen zu erschwinglichen Preisen zu erleichtern. Hierbei handelt es sich indes nur um eine Verpflichtung der Vertragsstaaten, deren volle Verwirklichung gemäß Art 4 Abs 2 UN-Konvention nach und nach angestrebt werden soll (Rothfritz, Die Konvention der Vereinten Nationen zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen, 2010, S 465). Zudem kann aus den Regelungen der UN-Konvention kein subjektiv-öffentliches Recht des Einzelnen abgeleitet werden, ein konkretes und der persönlichen Mobilität dienendes Hilfsmittel von einem bestimmten Leistungsträger verlangen zu können. Die Bundesrepublik Deutschland trägt dem von der UN-Konvention angestrebten Zweck, den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten sowie die Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern (Art 1 UN-Konvention), ausreichend durch das gegliederte Leistungssystem des SGB und insbesondere durch dessen Neuntes Buch (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - SGB IX) Rechnung. Weitergehende Einzelansprüche werden - zumindest für den Bereich der GKV - durch die UN-Konvention nicht begründet (vgl BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 35 RdNr 19).

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7. Ein möglicher Anspruch gegen die Beklagte als erstangegangene Rehabilitationsträgerin nach § 14 SGB IX scheidet aus, weil die Leistungszuständigkeit anderer Sozialleistungsträger (Unfallversicherung, Sozialhilfe) weder aus den Akten ersichtlich noch vom Kläger geltend gemacht worden ist.

26

8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Aufwendungen für ärztlich verordnete Hilfsmittel, Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle sowie Körperersatzstücke sind beihilfefähig, wenn sie im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Beihilfefähig sind vorbehaltlich des Absatzes 4 Aufwendungen für Anschaffung, Reparatur, Ersatz, Betrieb, Unterweisung in den Gebrauch und Unterhaltung der in Anlage 11 genannten Hilfsmittel, Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle und Körperersatzstücke unter den dort genannten Voraussetzungen. Aufwendungen für den Ersatz eines unbrauchbar gewordenen Gegenstandes im Sinne von Satz 1 sind nach Ablauf von sechs Monaten seit Anschaffung beihilfefähig, wenn eine erneute ärztliche Verordnung vorliegt.

(2) Nicht beihilfefähig sind Aufwendungen für

1.
Hilfsmittel und Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle, die
a)
einen geringen oder umstrittenen therapeutischen Nutzen haben,
b)
einen niedrigen Abgabepreis haben,
c)
der allgemeinen Lebenshaltung zuzurechnen sind oder
d)
in Anlage 12 genannt sind, und
2.
gesondert ausgewiesene Versandkosten.

(3) Aufwendungen für das Mieten von Hilfsmitteln und Geräten zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle nach Absatz 1 Satz 1 sind beihilfefähig, soweit sie nicht höher als die Aufwendungen für deren Anschaffung sind.

(4) Sind Hilfsmittel und Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 weder in Anlage 11 oder 12 aufgeführt noch mit den aufgeführten Gegenständen vergleichbar, sind hierfür getätigte Aufwendungen ausnahmsweise beihilfefähig, wenn dies im Hinblick auf die Fürsorgepflicht nach § 78 des Bundesbeamtengesetzes notwendig ist. Die Festsetzungsstelle entscheidet in Fällen des Satzes 1 mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde. Die oberste Dienstbehörde hat bei Aufwendungen von mehr als 600 Euro vor ihrer Zustimmung das Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat herzustellen. Soweit das Einvernehmen des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat allgemein erklärt ist, kann die oberste Dienstbehörde ihre Zuständigkeit auf eine andere Behörde übertragen. Absatz 2 bleibt unberührt.

(5) Aufwendungen für den Betrieb und die Unterhaltung der Hilfsmittel und Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 sind nur in Höhe des 100 Euro je Kalenderjahr übersteigenden Betrages beihilfefähig. Nicht beihilfefähig sind Aufwendungen für Batterien von Hörgeräten sowie Pflege- und Reinigungsmittel für Kontaktlinsen. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

(6) Beihilfefähig sind auch Aufwendungen für Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn die beihilfeberechtigte oder berücksichtigungsfähige Person selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der die Gefahr einer Infektion durch Stichverletzungen, insbesondere durch Blutentnahmen und Injektionen, besteht oder angenommen werden kann.

(1) Krankenkassen, ihre Landesverbände oder Arbeitsgemeinschaften schließen im Wege von Vertragsverhandlungen Verträge mit Leistungserbringern oder Verbänden oder sonstigen Zusammenschlüssen der Leistungserbringer über die Einzelheiten der Versorgung mit Hilfsmitteln, deren Wiedereinsatz, die Qualität der Hilfsmittel und zusätzlich zu erbringender Leistungen, die Anforderungen an die Fortbildung der Leistungserbringer, die Preise und die Abrechnung. Darüber hinaus können die Vertragsparteien in den Verträgen nach Satz 1 auch einen Ausgleich der Kosten für erhöhte Hygienemaßnahmen infolge der COVID-19-Pandemie vereinbaren. Dabei haben Krankenkassen, ihre Landesverbände oder Arbeitsgemeinschaften jedem Leistungserbringer oder Verband oder sonstigen Zusammenschlüssen der Leistungserbringer Vertragsverhandlungen zu ermöglichen. In den Verträgen nach Satz 1 sind eine hinreichende Anzahl an mehrkostenfreien Hilfsmitteln, die Qualität der Hilfsmittel, die notwendige Beratung der Versicherten und die sonstigen zusätzlichen Leistungen im Sinne des § 33 Absatz 1 Satz 5 sicherzustellen und ist für eine wohnortnahe Versorgung der Versicherten zu sorgen. Den Verträgen sind mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 2 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und Produkte zugrunde zu legen. Die Absicht, über die Versorgung mit bestimmten Hilfsmitteln Verträge zu schließen, ist auf einem geeigneten Portal der Europäischen Union oder mittels einem vergleichbaren unionsweit publizierenden Medium unionsweit öffentlich bekannt zu machen. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen legt bis zum 30. September 2020 ein einheitliches, verbindliches Verfahren zur unionsweiten Bekanntmachung der Absicht, über die Versorgung mit bestimmten Hilfsmitteln Verträge zu schließen, fest. Über die Inhalte abgeschlossener Verträge einschließlich der Vertragspartner sind andere Leistungserbringer auf Nachfrage unverzüglich zu informieren. Werden nach Abschluss des Vertrages die Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte nach § 139 Absatz 2 durch Fortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses verändert, liegt darin eine wesentliche Änderung der Verhältnisse, die die Vertragsparteien zur Vertragsanpassung oder Kündigung berechtigt.

(1a) Im Fall der Nichteinigung wird der streitige Inhalt der Verträge nach Absatz 1 auf Anruf einer der Verhandlungspartner durch eine von den jeweiligen Vertragspartnern zu bestimmende unabhängige Schiedsperson innerhalb von drei Monaten ab Bestimmung der Schiedsperson festgelegt. Eine Nichteinigung nach Satz 1 liegt vor, wenn mindestens einer der Vertragspartner intensive Bemühungen zur Erreichung eines Vertrages auf dem Verhandlungswege nachweisen kann. Einigen sich die Vertragspartner nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese von der für die vertragschließende Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde innerhalb eines Monats nach Vorliegen der für die Bestimmung der Schiedsperson notwendigen Informationen bestimmt. Die Schiedsperson gilt als bestimmt, sobald sie sich gegenüber den Vertragspartnern zu ihrer Bestellung bereiterklärt hat. Der bisherige Vertrag und die bisherigen Preise gelten bis zur Entscheidung durch die Schiedsperson fort. Legt die Schiedsperson Preise fest, hat sie diese so festzusetzen, dass eine in der Qualität gesicherte, ausreichende, zweckmäßige sowie wirtschaftliche Versorgung gewährleistet ist. Zur Ermittlung hat die Schiedsperson insbesondere die Kalkulationsgrundlagen der jeweiligen Verhandlungspartner und die marktüblichen Preise zu berücksichtigen. Die Verhandlungspartner sind verpflichtet, der Schiedsperson auf Verlangen alle für die zu treffende Festlegung erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen die Vertragspartner zu gleichen Teilen. Widerspruch und Klage gegen die Bestimmung der Schiedsperson durch die Aufsichtsbehörde haben keine aufschiebende Wirkung. Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts sind gegen den Vertragspartner zu richten. Der von der Schiedsperson festgelegte Vertragsinhalt oder von der Schiedsperson festgelegte einzelne Bestimmungen des Vertrages gelten bis zur gerichtlichen Ersetzung oder gerichtlichen Feststellung der Unbilligkeit weiter.

(2) Den Verträgen nach Absatz 1 Satz 1 können Leistungserbringer zu den gleichen Bedingungen als Vertragspartner beitreten, soweit sie nicht auf Grund bestehender Verträge bereits zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Hierbei sind entsprechend Absatz 1 Satz 1 Vertragsverhandlungen zu ermöglichen. Verträgen, die mit Verbänden oder sonstigen Zusammenschlüssen der Leistungserbringer abgeschlossen wurden, können auch Verbände und sonstige Zusammenschlüsse der Leistungserbringer beitreten. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für fortgeltende Verträge, die vor dem 1. April 2007 abgeschlossen wurden. § 126 Abs. 1a und 2 bleibt unberührt.

(3) Soweit für ein erforderliches Hilfsmittel keine Verträge der Krankenkasse nach Absatz 1 mit Leistungserbringern bestehen oder durch Vertragspartner eine Versorgung der Versicherten in einer für sie zumutbaren Weise nicht möglich ist, trifft die Krankenkasse eine Vereinbarung im Einzelfall mit einem Leistungserbringer; Absatz 1 Satz 2, 4 und 5 gilt entsprechend. Sie kann vorher auch bei anderen Leistungserbringern in pseudonymisierter Form Preisangebote einholen. In den Fällen des § 33 Abs. 1 Satz 5 gilt Satz 1 entsprechend.

(4) Für Hilfsmittel, für die ein Festbetrag festgesetzt wurde, können in den Verträgen nach den Absätzen 1 und 3 Preise höchstens bis zur Höhe des Festbetrags vereinbart werden.

(5) Die Leistungserbringer haben die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung zu beraten, welche Hilfsmittel und zusätzlichen Leistungen nach § 33 Absatz 1 Satz 1 und 5 für die konkrete Versorgungssituation im Einzelfall geeignet und notwendig sind. Die Leistungserbringer haben die Beratung nach Satz 1 schriftlich oder elektronisch zu dokumentieren und sich durch Unterschrift der Versicherten bestätigen zu lassen. Das Nähere ist in den Verträgen nach § 127 zu regeln. Im Falle des § 33 Absatz 1 Satz 9 sind die Versicherten vor der Wahl der Hilfsmittel oder zusätzlicher Leistungen auch über die von ihnen zu tragenden Mehrkosten zu informieren. Satz 2 gilt entsprechend.

(6) Die Krankenkassen haben ihre Versicherten über die zur Versorgung berechtigten Vertragspartner und über die wesentlichen Inhalte der Verträge zu informieren. Abweichend von Satz 1 informieren die Krankenkassen ihre Versicherten auf Nachfrage, wenn diese bereits einen Leistungserbringer gewählt oder die Krankenkassen auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichtet haben. Sie können auch den Vertragsärzten entsprechende Informationen zur Verfügung stellen. Die Krankenkassen haben die wesentlichen Inhalte der Verträge nach Satz 1 für Versicherte anderer Krankenkassen im Internet zu veröffentlichen.

(7) Die Krankenkassen überwachen die Einhaltung der vertraglichen und gesetzlichen Pflichten der Leistungserbringer nach diesem Gesetz. Zur Sicherung der Qualität in der Hilfsmittelversorgung führen sie Auffälligkeits- und Stichprobenprüfungen durch. Die Leistungserbringer sind verpflichtet, den Krankenkassen auf Verlangen die für die Prüfungen nach Satz 1 erforderlichen einrichtungsbezogenen Informationen und Auskünfte zu erteilen und die von den Versicherten unterzeichnete Bestätigung über die Durchführung der Beratung nach Absatz 5 Satz 1 vorzulegen. Soweit es für Prüfungen nach Satz 1 erforderlich ist und der Versicherte schriftlich oder elektronisch eingewilligt hat, können die Krankenkassen von den Leistungserbringern auch die personenbezogene Dokumentation über den Verlauf der Versorgung einzelner Versicherter anfordern. Die Leistungserbringer sind insoweit zur Datenübermittlung verpflichtet. Die Krankenkassen stellen vertraglich sicher, dass Verstöße der Leistungserbringer gegen ihre vertraglichen und gesetzlichen Pflichten nach diesem Gesetz angemessen geahndet werden. Schwerwiegende Verstöße sind der Stelle, die das Zertifikat nach § 126 Absatz 1a Satz 2 erteilt hat, mitzuteilen.

(8) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen gibt bis zum 30. Juni 2017 Rahmenempfehlungen zur Sicherung der Qualität in der Hilfsmittelversorgung ab, in denen insbesondere Regelungen zum Umfang der Stichprobenprüfungen in den jeweiligen Produktbereichen, zu möglichen weiteren Überwachungsinstrumenten und darüber getroffen werden, wann Auffälligkeiten anzunehmen sind.

(9) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der Interessen der Leistungserbringer maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene geben bis zum 31. Dezember 2017 gemeinsam Rahmenempfehlungen zur Vereinfachung und Vereinheitlichung der Durchführung und Abrechnung der Versorgung mit Hilfsmitteln ab. Kommt eine Einigung bis zum Ablauf der nach Satz 1 bestimmten Frist nicht zustande, wird der Empfehlungsinhalt durch eine von den Empfehlungspartnern nach Satz 1 gemeinsam zu benennende unabhängige Schiedsperson festgelegt. Einigen sich die Empfehlungspartner nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese von der für den Spitzenverband Bund der Krankenkassen zuständigen Aufsichtsbehörde bestimmt. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der Interessen der Leistungserbringer maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene je zur Hälfte. In den Empfehlungen können auch Regelungen über die in § 302 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 3 genannten Inhalte getroffen werden. § 139 Absatz 2 bleibt unberührt. In den Empfehlungen sind auch die notwendigen Regelungen für die Verwendung von Verordnungen von Leistungen nach § 33 in elektronischer Form zu treffen. Es ist festzulegen, dass für die Übermittlung der elektronischen Verordnung die Dienste der Anwendungen der Telematikinfrastruktur nach § 334 Absatz 1 Satz 2 genutzt werden, sobald diese Dienste zur Verfügung stehen. Die Regelungen müssen vereinbar sein mit den Festlegungen der Bundesmantelverträge nach § 86. Die Empfehlungen nach Satz 1 sind den Verträgen nach den Absätzen 1 und 3 zugrunde zu legen.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 8. März 2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens und des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren und das Revisionsverfahren auf 3689,65 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt als Alleinerbe und Rechtsnachfolger seiner bei der beklagten Krankenkasse versichert gewesenen Ehefrau Kostenerstattung für einen selbst beschafften Autoschwenksitz.

2

Die im Jahre 1930 geborene Versicherte litt an körperlichen Funktionseinschränkungen sowie an fortgeschrittener Demenz und konnte - mit Führung - nur noch wenige Schritte gehen. Ihr waren deshalb ua die Merkzeichen aG (außergewöhnliche Gehbehinderung), H (Hilflosigkeit) und B (Notwendigkeit ständiger Begleitung) zuerkannt. Von der beigeladenen Pflegekasse erhielt sie Leistungen nach der Pflegestufe III. Sie wurde bis zu ihrem Tod am 5.10.2010 von ihrem Ehemann zu Hause betreut und gepflegt; an vier und zuletzt an fünf Tagen pro Woche war sie tagsüber in einer Einrichtung der Tagespflege in G. untergebracht. Die Fahrten zur Tagespflegestätte und zurück wurden vom Kläger im eigenen Pkw durchgeführt, wobei der jedesmal notwendige Umstieg vom Rollstuhl auf den Beifahrersitz bei Fahrtbeginn und der umgekehrte Umstieg bei Fahrtende wegen der zunehmenden Bewegungseinschränkungen der Versicherten und ihrem Unvermögen zu jeder Form der Mithilfe beim Umsteigen immer aufwändiger wurde und von dem ebenfalls im Jahre 1930 geborenen Kläger kaum noch bewältigt werden konnte.

3

Am 13.2.2008 beantragte die Versicherte bei der Beklagten die Versorgung mit einem in den Pkw ihres Ehemannes einzubauenden Autoschwenksitz, um auf einfache Weise den Umstieg zwischen Rollstuhl und Beifahrersitz bewerkstelligen zu können. Ihr Ehemann müsse sie nicht nur in die - damals erst zweimal pro Woche aufgesuchte - Tagespflegeeinrichtung, sondern auch regelmäßig zu Ärzten in M. und G. fahren. Da sie ständiger Beaufsichtigung bedürfe und deshalb nicht allein gelassen werden könne, müsse sie auch bei Einkäufen und Freizeitaktivitäten immer im Pkw mitgenommen werden.

4

Die Beklagte lehnte den Antrag ab, weil die Versicherte mit einem Rollstuhl ausgestattet sei, der die vorhandenen Mobilitätsdefizite im allein maßgebenden Nahbereich der Wohnung hinreichend ausgleiche (Bescheid vom 19.2.2008). Die Versicherte ließ daraufhin auf eigene Kosten einen Autoschwenksitz auf der Beifahrerseite des Pkw einbauen (Rechnung vom 6.3.2008 über 3507,53 Euro), fügte dem Widerspruch eine vertragsärztliche Bescheinigung vom 28.2.2008 über die Notwendigkeit des Hilfsmittels bei und beantragte nunmehr Kostenerstattung. Auch diesen Antrag lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 14.5.2008, Widerspruchsbescheid vom 16.7.2008), weil die Versicherte mit dem Rollstuhl zur Sicherung ihrer Mobilität ausreichend versorgt sei. Für die Transporte zwischen Wohnung und Tagespflegestätte könne die Versicherte einen Fahrdienst in Anspruch nehmen (§ 41 Abs 1 Satz 2 SGB XI), dessen Kosten von der Leistungspflicht der Pflegekassen nach Maßgabe der Monatshöchstbeträge des § 41 Abs 2 Satz 2 SGB XI umfasst seien.

5

Am 25.11.2009 ließ der Kläger den Schwenksitz für 875 Euro aus dem verkauften alten Pkw ausbauen und in sein neu erworbenes Fahrzeug einbauen. Nach dem Tod seiner Ehefrau verkaufte er dann den Schwenksitz für 800 Euro, wobei er für zwei Inserate, Telefonate und die Auslieferungsfahrt insgesamt 195 Euro aufgewandt hat. Zur Berechnung des Erstattungsanspruches reduzierte er die aufgewandten Kosten über 4382,53 Euro (3507,53 + 875 Euro) um die bei Hilfsmitteln übliche Eigenbeteiligung (§ 33 Abs 8 SGB V) und um den Wiederverkaufserlös (605 Euro); schließlich bezifferte er die Klageforderung auf 3689,65 Euro.

6

Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 28.3.2012). Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 8.3.2013): Die bei dem mittelbaren Behinderungsausgleich sicherzustellende Erreichbarkeit des Nahbereichs um die Wohnung sei durch die Ausstattung der Versicherten mit einem Rollstuhl gewährleistet gewesen. Auf die konkreten Verhältnisse im Wohnumfeld komme es dabei nicht an, sodass es ohne Bedeutung sei, welche Wegstrecke zum Aufsuchen von Ärzten und Therapeuten zurückzulegen war. Die Wahrnehmung von Versorgungswegen (zB Einkäufe, Bankgeschäfte) sei wegen der Demenz der Versicherten ohnehin nicht in Betracht gekommen. Der Kläger habe seine Ehefrau im Pkw mitgenommen, weil er sie nicht allein in der Wohnung lassen konnte oder wollte. Die Empfehlung der behandelnden Ärztin, mit der Versicherten kleine Ausflüge zu unternehmen, rechtfertige die Hilfsmittelversorgung nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V nicht, weil die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) beim mittelbaren Behinderungsausgleich grundsätzlich nicht für die Mobilität außerhalb des Nahbereichs der Wohnung einzustehen habe. Auch für das Aufsuchen der Tagespflegeeinrichtung sei der Autoschwenksitz nicht erforderlich gewesen. Die teilstationäre Pflege umfasse auch die dabei anfallenden Transportkosten (§ 41 Abs 1 Satz 2 SGB XI). Soweit die Leistungsbeträge nach § 41 Abs 2 Satz 2 SGB XI für die Tagespflege und die Transporte nicht ausreichten, sei dies Ausdruck des grundsätzlich nicht auf volle Kostendeckung angelegten Systems der Pflegeversicherung. Mit dem Argument, die Kosten des Schwenksitzes seien auf Dauer günstiger als die Transportkosten von täglich 10,50 Euro, verkenne der Kläger die rechtliche und wirtschaftliche Trennung zwischen Krankenkasse und Pflegekasse (§ 46 Abs 1 SGB XI). Die Transportkosten seien im Rahmen des § 33 SGB V unerheblich, weil die Beklagte hiermit nicht belastet werde.

7

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 33 Abs 1 SGB V). Das LSG habe die Leistungspflicht der GKV bei der Hilfsmittelversorgung zum mittelbaren Behinderungsausgleich zu eng gefasst. Die Mobilitätserfordernisse im Nahbereich um die Wohnung seien nicht abstrakt, sondern anhand der konkreten Gegebenheiten des Wohnumfeldes zu bestimmen. Mit der Erreichbarkeit von Ärzten und Therapeuten, von Einkaufsmöglichkeiten und auch von Pflegeeinrichtungen sei das Grundbedürfnis auf Erschließung eines körperlichen Freiraums selbst betroffen. Völlig unberücksichtigt geblieben sei auch das Bedürfnis demenzkranker Menschen, soziale Kontakte so lange wie möglich zu pflegen und zu erhalten.

8

Während des Revisionsverfahrens ist die Pflegekasse bei der AOK NORDWEST mit ihrer Zustimmung zum Rechtsstreit notwendig beigeladen worden (§ 75 Abs 2 SGG).

9

Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom 8. März 2013 und des SG Münster vom 28. März 2012 zu ändern, die Bescheide der Beklagten vom 19. Februar 2008 und 14. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Juli 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm 3689,65 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent-punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15. Januar 2010 zu zahlen.

10

Die Beklagte und die Beigeladene verteidigen das angefochtene Urteil und beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

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Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, dass ein Anspruch der Versicherten gegen die Beklagte auf Versorgung mit einem Autoschwenksitz nicht bestanden hat. Auch die Beigeladene war nicht zur Leistung verpflichtet. Deshalb konnte durch die Selbstbeschaffung der Leistung ein Kostenerstattungsanspruch nicht entstehen. Die ablehnenden Bescheide der Beklagten vom 19.2.2008 und 14.5.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.7.2008 sind somit rechtmäßig.

12

1. Grundlage des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs ist § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V: "Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war." Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift, die im Bereich der GKV unmittelbar und im Bereich der sozialen Pflegeversicherung entsprechend anzuwenden ist (vgl Krahmer in LPK-SGB XI, 4. Aufl 2014, § 4 RdNr 9 mwN), sind weder im Verhältnis zur Beklagten noch im Verhältnis zur Beigeladenen erfüllt, wobei im vorliegenden Fall ausschließlich die zweite Variante, also die Leistungsbeschaffung nach rechtswidriger Antragsablehnung, in Betracht zu ziehen war.

13

a) Dabei ist festzuhalten, dass die Beklagte in dem Bescheid vom 14.5.2008 nicht nur die eigene Leistungspflicht nach § 33 Abs 1 SGB V, sondern auch eine etwaige Leistungspflicht der Beigeladenen nach § 40 Abs 1 SGB XI geprüft und verneint hat. Die Beklagte hat damit eine Parallelprüfung vorgenommen, wie sie seit dem 1.1.2012 für Fälle der vorliegenden Art sogar gesetzlich vorgeschrieben ist: Nach § 40 Abs 5 Satz 1 SGB XI in der Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung(GKV-Versorgungsstrukturgesetz ) vom 22.12.2011 (BGBI I 2983) gilt nunmehr: "Für Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel, die sowohl den in § 23 und § 33 des Fünften Buches als auch den in Absatz 1 genannten Zwecken dienen können, prüft der Leistungsträger, bei dem die Leistung beantragt wird, ob ein Anspruch gegenüber der Krankenkasse oder der Pflegekasse besteht und entscheidet über die Bewilligung der Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel." Diese gesetzliche Zuständigkeitserweiterung des erstangegangenen Leistungsträgers galt hier zwar noch nicht, weil sich der Vorgang im Jahre 2008 abgespielt hat, aber dennoch muss sich die Beigeladene das Verwaltungshandeln der Beklagten wegen ihrer engen organisatorischen Verbindung (§ 46 Abs 1 Satz 2 SGB XI) und dem in solchen Fällen seinerzeit häufig zu beobachtenden Verzicht auf Erteilung eines eigenen Bescheids der Pflegekasse zurechnen lassen. Im Falle rechtswidriger Leistungsablehnung nach § 40 Abs 1 SGB XI konnte sich der Kostenerstattungsanspruch analog § 13 Abs 3 SGB V also auch gegen die Beigeladene richten.

14

b) Für den Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 SGB V ist es unerheblich, ob der Kläger den Kaufpreis für den Autoschwenksitz und den Werklohn für dessen Einbau in den neuen Pkw aus eigenen Mitteln oder aus dem Vermögen seiner Ehefrau, der Versicherten, finanziert hat. Die Aktivlegitimation für den Kostenerstattungsanspruch lag unabhängig von dieser Finanzierungsfrage zunächst bei der Versicherten und nach deren Tod beim Kläger (BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 8).

15

2. Anspruchsgrundlage für das ursprüngliche Sachleistungsbegehren der Versicherten gegenüber der Beklagten ist § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V. Maßgeblich ist die Fassung dieser Vorschrift durch Art 1 Nr 17 Buchst a des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz ) vom 26.3.2007 (BGBl I 378). Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, wenn sie nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens oder nach § 34 Abs 4 SGB V (Hilfsmittel von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis) aus der GKV-Versorgung ausgeschlossen und im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Der Anspruch umfasst nach § 33 Abs 1 Satz 4 SGB V auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Dabei besteht ein Anspruch auf Versorgung mit Blick auf die "Erforderlichkeit im Einzelfall" nur, soweit das begehrte Hilfsmittel geeignet, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet; darüber hinausgehende Leistungen darf die Krankenkasse gemäß § 12 Abs 1 SGB V nicht bewilligen(vgl BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 11 RdNr 16). Für den Versorgungsanspruch ist nicht entscheidend, ob das begehrte Hilfsmittel im Hilfsmittelverzeichnis (§ 139 SGB V, für Pflegehilfsmittel § 78 Abs 2 SGB XI) gelistet ist, denn es handelt sich bei diesem Verzeichnis nicht um eine abschließende Regelung im Sinne einer Positivliste (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 16, 20, 27; BSGE 99, 197 = SozR 4-2500 § 33 Nr 16, RdNr 20; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 11, 12, 32). Die Voraussetzungen des Versorgungsanspruchs nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V waren hier nicht erfüllt, weil der Autoschwenksitz zum Behinderungsausgleich nicht "erforderlich" war.

16

a) Der Versorgungsanspruch nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V bestand nicht allein deshalb, weil der Autoschwenksitz als Hilfsmittel der GKV vertragsärztlich verordnet(§ 73 Abs 2 Satz 1 Nr 7 SGB V) worden ist. Es liegt zwar keine förmliche vertragsärztliche Verordnung vor, wohl aber eine Bescheinigung des Hausarztes über die aus seiner fachlichen Sicht gegebene Notwendigkeit des Hilfsmittels. Eine solche formlose Bescheinigung haben Vertragsärzte in der Vergangenheit immer dann verwendet, wenn es um ein Hilfsmittel ging, das nicht im Hilfsmittelverzeichnis (§ 139 SGB V) aufgeführt war. Hintergrund war die bis zum 31.3.2007 geltende Regelung zum Hilfsmittelverzeichnis in § 128 SGB V(idF des Gesundheits-Reformgesetzes - GRG - vom 20.12.1988, BGBl I 2477), wonach in dem Verzeichnis "die" von der Leistungspflicht umfassten Hilfsmittel aufzuführen waren. Dies wurde in der Praxis vielfach so verstanden, dass ein Vertragsarzt nur dann eine förmliche "Verordnung" iS des § 73 Abs 2 Satz 1 Nr 7 SGB V ausstellen durfte, wenn das Hilfsmittel in dem Hilfsmittelverzeichnis gelistet war, und er ansonsten auf eine formlose "Bescheinigung" über die medizinische Erforderlichkeit eines (nicht gelisteten) Hilfsmittels zurückgreifen musste. Die Neuregelung der Bestimmungen zum Hilfsmittelverzeichnis durch den zum 1.4.2007 in Kraft getretenen § 139 SGB V(idF des GKV-WSG) hat das Ausweichen der Ärzte auf solche formlosen Bescheinigungen überflüssig gemacht, weil in § 139 Abs 1 Satz 2 SGB V nunmehr geregelt ist, dass in dem Verzeichnis "von der Leistungspflicht umfasste Hilfsmittel aufzuführen" sind, die - von der Rechtsprechung des BSG immer wieder beanstandete - Einschränkung auf "die" von der Leistungspflicht umfassten Hilfsmittel also entfallen ist(vgl Begründung zum Gesetzentwurf eines GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100 S 150 zu Nr 116, § 139). Vertragsärzte können seit dem 1.4.2007 somit auch (noch) nicht im Hilfsmittelverzeichnis gelistete, aber im Einzelfall medizinisch notwendige Hilfsmittel förmlich verordnen (§ 73 Abs 2 Satz 1 Nr 7 SGB V). Dabei können sie nun auch nicht mehr in Konflikt mit den - auch für sie verbindlichen (§ 91 Abs 6 SGB V idF des GKV-VStG, in Kraft ab 1.1.2012; bis 31.12.2011 § 91 Abs 9 idF des GKV-WSG) - Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V über die Verordnung von Hilfsmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Hilfsmittel-Richtlinien) geraten, die in ihrer ursprünglichen Fassung vom 17.6.1992 (Beilage zum BAnz 1992, Nr 183b, 5 bis 18) in Übereinstimmung mit § 128 SGB V(idF des GRG) noch angeordnet hatten, dass nur solche Hilfsmittel verordnet werden dürfen, die im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführt sind (vgl Teil A II b) Nr 8). Diese vom erkennenden Senat ebenfalls mehrfach als rechtswidrig beanstandete Einschränkung (BSG SozR 4-2500 § 127 Nr 2 RdNr 10; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 26 RdNr 9) ist durch die Hilfsmittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA; HilfsM-RL) vom 29.12.2011/15.3.2012 (BAnz AT vom 10.4.2012) gestrichen und durch eine den §§ 33 und 139 SGB V(idF des GKV-WSG) entsprechende offene Regelung ersetzt worden (vgl § 6 Abs 5 HilfsM-RL). Mit Blick auf die zunächst an die neue Fassung des § 139 SGB V nicht angepassten Richtlinien haben aber Vertragsärzte mitunter - und so auch hier - auch nach dem 1.4.2007 noch auf formlose "Bescheinigungen" zurückgegriffen, wenn sie nicht im Hilfsmittelverzeichnis gelistete Hilfsmittel verordnen wollten. Dies ist leistungsrechtlich jedoch unschädlich; denn eine solche Bescheinigung steht insoweit einer förmlichen "Verordnung" gleich.

17

Den Krankenkassen steht allerdings ein eigenes Prüfungs- und Entscheidungsrecht zu, ob ein Hilfsmittel nach Maßgabe des § 33 SGB V der medizinischen Rehabilitation dient, also zur Sicherung des Erfolges der Krankenbehandlung, zur Vorbeugung gegen eine drohende Behinderung oder zum Ausgleich einer bestehenden Behinderung im Einzelfall erforderlich ist(BSGE 107, 44 = SozR 4-2500 § 33 Nr 31, RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 33 RdNr 10; Engelmann in jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 139 RdNr 17); dabei können die Krankenkassen zur Klärung medizinisch-therapeutischer Fragen den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung einschalten (vgl § 275 Abs 3 Nr 1 SGB V; ebenso § 5 Abs 3 HilfsM-RL). Eine vertragsärztliche Verordnung wäre allenfalls dann für eine Krankenkasse verbindlich, wenn sie für bestimmte Hilfsmittel auf ein Prüfungs- und Genehmigungsrecht generell verzichtet hätte, was zB durch vertragliche Vereinbarungen mit Leistungserbringern bzw deren Verbänden möglich ist (§ 127 SGB V). Eine solche Vereinbarung ist für Autoschwenksitze nicht geschlossen worden.

18

b) Ein Autoschwenksitz ist von einer Krankenkasse auch nicht schon deshalb als Hilfsmittel zu gewähren, weil ein Versicherter wegen seiner Gehunfähigkeit mit einem Rollstuhl versorgt worden ist und das Gerät die Funktion hat, einem gehunfähigen Versicherten, der sich nicht aus eigener Kraft auf den Beifahrersitz eines Pkw begeben kann, das Umsteigen vom Rollstuhl in den Pkw zu ermöglichen bzw zu erleichtern. Obwohl ein Autoschwenksitz also in der Regel nur in Kombination mit einem Rollstuhl eine Funktion hat und insofern als "Zusatzgerät" zum Rollstuhl bezeichnet werden kann, folgt aus der medizinisch-rehabilitativen Notwendigkeit des Rollstuhls noch nicht die Erforderlichkeit des Autoschwenksitzes als Hilfsmittel der GKV. Dieses Gerät hat im Rahmen des - hier allein in Betracht kommenden - Behinderungsausgleichs (dritte Variante des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V) für einen gehunfähigen Versicherten eine eigenständige Bedeutung, weil es die Bewegungsmöglichkeiten mit dem Rollstuhl erweitert, indem durch die Mitnahme in einem Pkw alle denkbaren Ziele auch außerhalb des Nahbereichs um die Wohnung erreicht werden können. Ein Autoschwenksitz hat also von seiner Konstruktion und seinem Verwendungszweck her einen eigenständigen Nutzen für den Versicherten und seine Begleitperson. Dieser Gebrauchsvorteil muss den Kriterien der Versorgung mit einem "anderen Hilfsmittel" iS des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V zum Zwecke des Behinderungsausgleichs genügen und verlangt somit eine gesonderte, von der medizinisch-rehabilitativen Notwendigkeit der Versorgung mit einem Rollstuhl unabhängige Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen(so bereits BSG Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 13/09 R - BSGE 107, 44 = SozR 4-2500 § 33 Nr 31, RdNr 15 zur Treppensteighilfe).

19

c) Zur Frage der Erforderlichkeit eines Hilfsmittels zum Behinderungsausgleich iS der dritten Variante des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V(vgl jetzt auch § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX) wird stets unterschieden zwischen dem unmittelbaren Behinderungsausgleich, bei dem das Hilfsmittel unmittelbar dem Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst dient, und dem mittelbaren Behinderungsausgleich, bei dem das Hilfsmittel zum Ausgleich der direkten und indirekten Behinderungsfolgen eingesetzt wird. Diese Differenzierung ist notwendig, weil unter Einbeziehung einer historischen Betrachtung unzweifelhaft ist, dass der Ausfall einer Körperfunktion den Krankheitsbegriff in der GKV erfüllt und es daher zum Aufgabenbereich der GKV gehört, ausgefallene oder beeinträchtigte Körperfunktionen soweit wie möglich wiederherzustellen oder zu verbessern.

20

Beim mittelbaren Behinderungsausgleich geht es demgegenüber darum, einem behinderten Menschen, dessen Funktionsbeeinträchtigung durch medizinische Maßnahmen einschließlich des Einsatzes von Hilfsmitteln nicht weiter behoben werden kann, das Leben mit den Folgen dieser Beeinträchtigung zu erleichtern. Dabei liegt es auf der Hand, dass es nicht Aufgabe der GKV sein kann, jegliche Behinderungsfolgen in allen Lebensbereichen auszugleichen. So ist es beispielsweise Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme, einen Ausgleich für spezielle berufliche Anforderungen zu schaffen. Es ist auch nicht Sache der GKV, alle Auswirkungen der Behinderung beispielsweise im Hinblick auf spezielle Sport- oder Freizeitinteressen durch Hilfsmittel auszugleichen (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 23 - Druckbeatmungsgerät für Campingurlaub; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 23 - Salzwasserprothese; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 35 - Sportrollstuhl; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 40 - Unterschenkel-Sportprothese). Auch nach dem der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen gewidmeten SGB IX ist die GKV nur für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie für unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen, nicht aber für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und für Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zuständig (§ 6 Abs 1 Nr 1, § 5 SGB IX).

21

Um hier den Aufgabenbereich der GKV abzugrenzen, ist ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich von der GKV nach ständiger Rechtsprechung nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mindert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Zu diesen elementaren Grundbedürfnissen eines Menschen gehören das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 12; BSGE 91, 60, 63 RdNr 10 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3 RdNr 9; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 14; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 30 RdNr 12; stRspr). Zum Grundbedürfnis der Erschließung eines geistigen Freiraums gehört ua die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen Menschen sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Grundwissens bzw eines Schulwissens (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 29 und 46; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 11 RdNr 18). Zur Erschließung des körperlichen Freiraums gehört insbesondere die Fähigkeit, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und sie zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (Versorgungswege, zB Supermarkt, Arzt, Apotheke, Geldinstitut, Post), nicht aber die Bewegung außerhalb dieses Nahbereichs. Soweit überhaupt die Frage eines größeren Radius über das zu Fuß Erreichbare hinaus aufgeworfen worden ist, sind schon immer zusätzliche qualitative Momente verlangt worden (vgl BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7 - Erreichbarkeit ambulanter medizinischer Versorgung für Wachkomapatientin; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 27 - Rollstuhl-Bike für Jugendliche; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 46 - behindertengerechtes Dreirad; BSG SozR 2200 § 182b Nr 13 - Faltrollstuhl).

22

Zu Wertungswidersprüchen führt die Differenzierung zwischen dem unmittelbaren und dem mittelbaren Behinderungsausgleich nicht, da die durch den unmittelbaren Behinderungsausgleich bewirkte Erhaltung, Wiederherstellung oder Verbesserung einer beeinträchtigten Körperfunktion bereits als solche ein Grundbedürfnis darstellt. Beim unmittelbaren Behinderungsausgleich kommt daher der Frage nach der Erfüllung eines allgemeinen Grundbedürfnisses des täglichen Lebens erst dann Bedeutung zu, wenn es nicht um die erstmalige Behebung eines Funktionsdefizits geht und auch nicht um die reine Ersatzbeschaffung, sondern um die Versorgung eines für den Behinderungsausgleich bereits ausreichend ausgestatteten Versicherten mit einem zweiten Hilfsmittel gleicher Art als Zweitausstattung, als Ausstattung für einen speziellen Zweck in Abgrenzung zur Ausstattung für das tägliche Leben oder mit einem technisch weiterentwickelten Hilfsmittel. Dabei kommt es auf den Umfang der mit dem neuen Hilfsmittel zu erreichenden Gebrauchsvorteile an (zB computergestütztes statt mechanisches Kniegelenksystem, vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44; BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8).

23

Dem Gegenstand nach besteht für den unmittelbaren ebenso wie für den mittelbaren Behinderungsausgleich Anspruch auf die im Einzelfall ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Hilfsmittelversorgung, nicht jedoch auf eine Optimalversorgung. Deshalb besteht kein Anspruch auf ein teureres Hilfsmittel, soweit die kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell in gleicher Weise geeignet ist (stRspr, vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 26 S 153); anderenfalls sind die Mehrkosten gemäß § 33 Abs 1 Satz 5 SGB V(ebenso § 31 Abs 3 SGB IX) von dem Versicherten selbst zu tragen. Demgemäß haben die Krankenkassen nicht für solche "Innovationen" aufzukommen, die keine wesentlichen Gebrauchsvorteile für den Versicherten bewirken, sondern sich auf einen bloß besseren Komfort im Gebrauch oder eine bessere Optik beschränken (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44; BSGE 93, 183, 188 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 15 - jeweils zum C-Leg).

24

d) Im vorliegenden Fall geht es - wie bei der Ausstattung mit einem Rollstuhl - nicht um den unmittelbaren, sondern um einen mittelbaren Behinderungsausgleich im Bereich der Mobilität, weil durch das Hilfsmittel nicht das Gehen selbst ermöglicht wird (so zB bei einer Beinprothese). Ausgeglichen werden lediglich die Folgen der Funktionsbeeinträchtigung der Beine, hier in Form der Unfähigkeit, selbst und aus eigener Kraft - oder auch nur mit stützender Hilfe einer Begleitperson - einen Pkw zu besteigen und wieder zu verlassen.

25

Das Grundbedürfnis auf Erschließung eines körperlichen Freiraums umfasst allerdings grundsätzlich nur die Bewegungsmöglichkeit in der eigenen Wohnung und im umliegenden Nahbereich, die regelmäßig durch Rollstühle gewährleistet wird. Ist die Fortbewegung im Rollstuhl nicht möglich oder unzumutbar und steht deshalb die Nutzung eines Pkw im Raum (zum allgemeinen Grundbedürfnis der "Bewegungsfreiheit" vgl BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 11 - Einsatz eines zweisitzigen Rollstuhls im Nahbereich zur qualitativen Erweiterung des persönlichen Freiraums), muss der Zweck, so an einen ansonsten nicht oder nur unter besonderen Schwierigkeiten zu erreichenden Ort zu kommen, vom Maßstab der medizinischen Rehabilitation gedeckt sein, weil die GKV nur für diesen Bereich der Hilfsmittelversorgung zuständig ist (§ 5 Nr 1 SGB IX). Die Leistungspflicht der GKV entfällt, wenn - wie bereits ausgeführt - zB die berufliche oder die soziale Rehabilitation bezweckt wird (§ 5 Nr 2 und 4 SGB IX).

26

Die spezielle Pflicht der Krankenkassen, behinderten Menschen durch eine angemessene Hilfsmittelversorgung eine möglichst selbstständige Lebensführung zu erhalten, ergibt sich also nur im Zuständigkeitsbereich der GKV. Die Erhaltung einer möglichst selbstständigen Lebensführung ist nur dann Aufgabe der GKV, wenn es dabei um medizinische Rehabilitation geht. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats gilt für die Bestimmung des Nahbereichs der Wohnung ein abstrakter, von den Gegebenheiten des jeweiligen Wohnorts unabhängiger Maßstab (BSGE 102, 90 = SozR 4-2500 § 33 Nr 21, RdNr 14 - Kraftknoten; BSGE 98, 213 = SozR 4-2500 § 33 Nr 15, RdNr 17 - behinderungsgerechter Pkw; zuletzt BSGE 108, 206 = SozR 4-2500 § 33 Nr 34, RdNr 35 - Rollstuhl-Bike). Darauf hat das LSG zutreffend hingewiesen. Bei der Hilfsmittelversorgung durch die GKV kommt es also nicht auf die konkreten Wohnverhältnisse des einzelnen Versicherten an. Die baulichen Gegebenheiten der Wohnung und die Gestaltung des individuellen Umfeldes, die anderswo - etwa nach einem Umzug - nicht ebenso vorhanden sind und dort den Einsatz eines bestimmten Hilfsmittels entbehrlich machen würden, sind bei der Hilfsmittelversorgung durch die GKV nicht zu berücksichtigen. Denn für die medizinische Rehabilitation als Aufgabe der GKV sind allein der Gesundheitszustand des Versicherten und dessen Funktionsdefizite maßgeblich, nicht aber seine Wohnsituation. Die Leistungen der GKV dürfen - soweit gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehen - nicht maßgeblich von anderen als medizinischen Erfordernissen abhängig gemacht werden. Aus diesem Grund nimmt der Senat auch bezüglich anderer Hilfsmittel grundsätzlich auf einen abstrakten, von den Gegebenheiten des jeweiligen Wohnorts unabhängigen Maßstab zB bei der Bestimmung des Nahbereichs Bezug (stRspr, BSGE 108, 206 = SozR 4-2500 § 33 Nr 34, RdNr 35 - Rollstuhl-Bike). Der Versicherte muss das Hilfsmittel also nicht nur gerade wegen der Gegebenheiten seiner konkreten Wohnverhältnisse, sondern in gleicher Weise in praktisch jeder Art von Wohnung und jeder Art ihres Umfeldes benötigen. Der entscheidende Unterschied zwischen dem SGB V und dem SGB XI liegt im vorliegenden Zusammenhang also darin, dass der Anspruch auf Hilfsmittelversorgung zum mittelbaren Behinderungsausgleich (§ 33 Abs 1 Satz 1 SGB V) davon abhängt, dass der Versicherte das Hilfsmittel seiner Zweckbestimmung nach praktisch überall, also wohnortunabhängig benötigt, während der Versorgungsanspruch in der sozialen Pflegeversicherung nach § 40 SGB XI gerade an die konkreten individuellen Wohnverhältnisse des Pflegebedürftigen anknüpft. Diese Systementscheidung des Gesetzgebers ist rechtlich nicht zu beanstanden.

27

e) Ein über die Befriedigung von elementaren Grundbedürfnissen hinausgehender Behinderungsausgleich ist als Leistung der GKV nicht vorgesehen, was sich zwar nicht aus dem Wortlaut des § 33 SGB V, wohl aber nunmehr aus der Regelung des § 26 Abs 2 Nr 6 iVm § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX ergibt, die der Gesetzgeber in Kenntnis der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Hilfsmittelversorgung nach § 33 SGB V im Zuge der Einführung des SGB IX mit Wirkung zum 1.7.2001 in Kraft gesetzt hat (vgl Art 1 des Gesetzes vom 19.6.2001, BGBl I 1046). Der Wortlaut des § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX stellt nunmehr ausdrücklich klar, dass es nur um einen Behinderungsausgleich "bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens" gehen kann. Damit wird der Hilfsmittelbegriff für alle Träger von Leistungen der medizinischen Rehabilitation (§ 6 Abs 1, § 5 Nr 1, § 26 SGB IX) für diesen Bereich einheitlich definiert. Selbst wenn der Vorrang abweichender Regelungen für den einzelnen Rehabilitationsträger weiterhin besteht (§ 7 Satz 2 SGB IX), kann aus der insoweit unberührt gebliebenen Fassung des § 33 SGB V nicht geschlossen werden, der Gesetzgeber habe nunmehr den Behinderungsausgleich durch die GKV über die bisherige Rechtsprechung hinaus ausweiten wollen(BSGE 98, 213 = SozR 4-2500 § 33 Nr 15, RdNr 16).

28

3. Mit dieser Entscheidung setzt der erkennende Senat seine langjährige Rechtsprechung zu den Voraussetzungen und den Grenzen des Anspruchs der Versicherten auf Versorgung mit Hilfsmitteln der GKV nach § 33 SGB V fort. Auch unter Berücksichtigung der im Schrifttum verschiedentlich geäußerten Kritik (vgl zum Stand der Diskussion zB Brockmann, Sozialrecht aktuell Sonderheft 2013, 19 ff; Davy in Festschrift 50 Jahre Bundessozialgericht 2004, 403 ff; Davy, SGb 2004, 315 ff; Liebold, Auswirkungen des SGB IX auf die gesetzliche Krankenversicherung, 2007, 216 ff; Masuch, SozSich 2004, 314 ff; Welti, SGb 2010, 597 ff; Welti, SuP 2009, 683 ff; Schütze, SGb 2013, 147 ff; Trésoret, NZS 2013, 491 ff; Henning, SGb 2015, 83 ff) sieht der Senat keinen Anlass, von den tragenden Säulen des Systems der Hilfsmittelversorgung der GKV abzurücken. Dazu gehören die Unterscheidung zwischen dem unmittelbaren und dem mittelbaren Behinderungsausgleich, die Anknüpfung des mittelbaren Behinderungsausgleichs an die allgemeinen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens, die grundsätzliche Beschränkung des elementaren Grundbedürfnisses auf Erschließung eines gewissen körperlichen Freiraums durch Mobilitätshilfen auf die eigene Wohnung des Versicherten und deren Nahbereich sowie die Definition des mittelbaren Behinderungsausgleichs allein anhand der drohenden bzw vorhandenen Funktionsdefizite, also ohne Berücksichtigung der konkreten Ausgestaltung des Wohnorts und der individuellen Wohnverhältnisse des Versicherten. Dieses Regelungssystem hat sich bewährt, führt zu sachgerechten Ergebnissen und gewährleistet eine nachvollziehbare Abgrenzung zu den Leistungspflichten anderer Sozialleistungsträger bei der Hilfsmittelversorgung, zB bei der beruflichen und sozialen Rehabilitation.

29

a) Es wird geltend gemacht, das BSG trage bei seiner Rechtsprechung zu § 33 SGB V nicht dem gewandelten Begriff der Behinderung Rechnung, wie er in § 2 Abs 1 Satz 1 SGB IX niedergelegt sei: "Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist." Bevor das SGB IX in Kraft trat, habe man unter dem Begriff Behinderung eine Funktionseinschränkung im medizinischen Sinne verstanden. Der in § 2 Abs 1 Satz 1 SGB IX normierte Behinderungsbegriff rücke demgegenüber das Ziel der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft in den Vordergrund. Eine Behinderung liege nunmehr vor, wenn die Funktionsbeeinträchtigung eine Teilhabestörung hervorruft (Heinz, WZS 2011, 174, 177 f; Liebold, aaO, S 136 ff; Welti, SGb 2010, 597, 599; Welti, SuP 2009, 683, 687 f; Henning, SGb 2015, 83, 87; zur Gesetzeshistorie BT-Drucks 14/5074 S 92 und 98). Welches Hilfsmittel erforderlich sei, müsse - gerade auch im Bereich der Mobilität - mit Blick auf die Teilhabestörung festgestellt werden. Dazu sei es unerlässlich, die individuellen Kontextfaktoren zu berücksichtigen; denn erst durch jene könne die durch die Funktionseinschränkung hervorgerufene Teilhabebeeinträchtigung festgestellt werden. Zu den zu berücksichtigenden individuellen Kontextfaktoren zählten insbesondere Familie, Wohnung und Wohnort (Welti, SuP 2009, 683, 688; Henning, SGb 2015, 83, 87).

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Dieser Einwand trifft nicht zu. Der erkennende Senat hat selbstverständlich den Behinderungsbegriff des § 2 Abs 1 Satz 1 SGB IX bei seiner Rechtsprechung berücksichtigt(BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 45 zur Damenperücke), wie es auch durch die Regelung des § 11 Abs 2 Satz 3 SGB V ausdrücklich angeordnet worden ist: "Die Leistungen nach Satz 1 (gemeint sind Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen) werden unter Beachtung des Neunten Buches erbracht, soweit in diesem Buch nichts anderes bestimmt ist." Dies kann aber nicht zu den von den Kritikern geforderten Konsequenzen führen. Die Krankenkassen haben das Ziel der gleichberechtigten Teilhabe behinderter Menschen am Leben in der Gesellschaft (§ 1 Satz 1, § 4 SGB IX) bei der Leistungsgewährung nach § 33 SGB V zwar stets zu beachten, dabei aber die Grenzen ihrer Zuständigkeit zu wahren. Das Förderungsgebot des SGB IX gilt nur innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der GKV bei der Hilfsmittelversorgung, dehnt den Zuständigkeitsbereich selbst aber nicht aus. Denn die Krankenkassen sind immer nur für die medizinische Rehabilitation zuständig (§ 5 Nr 1, § 6 Abs 1 Nr 1 SGB IX), und dies bedeutet für den Bereich des mittelbaren Behinderungsausgleichs, um den es in diesem Zusammenhang nur gehen kann, die Beschränkung auf den Ausgleich von Behinderungsfolgen bei den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens, wie in § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX ausdrücklich normiert. Sind elementare Grundbedürfnisse nicht betroffen, entfällt die Zuständigkeit der GKV beim mittelbaren Behinderungsausgleich, auch wenn das Hilfsmittel möglicherweise geeignet wäre, die Teilhabe des Versicherten am Leben in der Gesellschaft zu fördern. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn der Gesetzgeber sich entschlösse, die Zuständigkeit der Krankenkassen bei der Hilfsmittelversorgung auf die "Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft" iS des § 5 Nr 4 SGB IX auszuweiten. Als Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft werden nach § 55 Abs 1 SGB IX die Leistungen erbracht, die den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen oder sichern oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege machen und nach den Kapiteln 4 bis 6 (4: Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, 5: Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, 6: Unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen) nicht erbracht werden; dazu gehört auch die Versorgung mit anderen als den in § 31 SGB IX genannten Hilfsmitteln.

31

b) Die nach der bisherigen Konzeption des § 33 SGB V weitgehend ausgeschlossene Berücksichtigung des Wohnorts und des Wohnumfelds des Versicherten kann ebenfalls nur durch den Gesetzgeber korrigiert werden. Er hätte zB die Möglichkeit, innerhalb des § 33 Abs 1 SGB V die Berücksichtigung der individuellen Wohn- und Lebensverhältnisse anzuordnen - und würde auf diese Weise zu einem weitgehenden Gleichklang mit dem System der sozialen Pflegeversicherung(§ 40 SGB XI) gelangen.

32

Bisher hat der Gesetzgeber allerdings keinen Anlass gesehen, die langjährige Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Hilfsmittelversorgung der Versicherten nach § 33 SGB V im Bereich des - allein umstrittenen - mittelbaren Behinderungsausgleichs zu korrigieren. Dies spricht dafür, dass er diese Rechtsprechung jedenfalls bisher billigt und keinen Korrekturbedarf sieht. Auch dieser Umstand spricht dafür, an der bisherigen Rechtsprechung zu § 33 SGB V festzuhalten.

33

c) Die Kritiker machen ferner geltend, im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung werde nicht zwischen unmittelbarem und mittelbarem Behinderungsausgleich unterschieden und nach dem Grundsatz der optimalen Rehabilitation (Rehabilitation "mit allen geeigneten Mitteln", vgl §§ 1, 26 Abs 2 SGB VII) eine über die Befriedigung elementarer Grundbedürfnisse hinausreichende Hilfsmittelversorgung praktiziert, obgleich auch für die Unfallversicherungsträger als Träger der medizinischen Rehabilitation die Regelung des § 31 SGB IX gelte, sodass die einschränkende Auslegung des erkennenden Senats zur Reichweite des Anspruchs auf Versorgung mit Hilfsmitteln durch die GKV nach § 33 SGB V und § 31 SGB IX nicht gerechtfertigt sei(Brandenburg, Sozialrecht aktuell Sonderheft 2013, 16, 18; Henning, SGb 2015, 83, 88). Dem kann gleichfalls nicht zugestimmt werden. Die Kritik berücksichtigt nicht die deutlich abweichenden - nämlich breiter angelegten - Tatbestandsvoraussetzungen für die Hilfsmittelversorgung in der gesetzlichen Unfallversicherung. Nach § 31 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind dort Hilfsmittel "alle ärztlich verordneten Sachen, die den Erfolg der Heilbehandlung sichern oder die Folgen von Gesundheitsschäden mildern oder ausgleichen". Zudem sind die Träger der Unfallversicherung für alle vier Gruppen der Leistungen zur Teilhabe (§ 5 Nr 1 bis 4 SGB IX) zuständig, sodass sie teilhaberechtlich nicht nur Hilfsmittel zur medizinischen Rehabilitation (§ 31 SGB IX), sondern auch Hilfsmittel zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 33 Abs 8 Satz 1 Nr 4 SGB IX) und Hilfsmittel zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (§ 55 Abs 2 Nr 1 SGB IX) zu erbringen haben. Die Leistungspflicht der Unfallversicherung bei der Hilfsmittelversorgung der Versicherten ist also erheblich weiter gefasst als in der GKV und beschränkt sich gerade nicht auf die rein medizinische Rehabilitation.

34

4. Nach den zur Hilfsmittelversorgung in der GKV entwickelten Grundsätzen bestand kein Anspruch der Versicherten gemäß § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V auf Kosten der Beklagten mit einem Autoschwenksitz versorgt zu werden(zum Anspruch auf Ausstattung mit einem Autoschwenksitz vgl zB BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 3 und 29; BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7), und zwar unabhängig davon, ob es um die Übereignung oder die leihweise Überlassung des Geräts geht und auch unabhängig davon, ob das Gerät fabrikneu oder schon gebraucht ist. Der Versorgungsanspruch gegen die Krankenkasse nach § 33 SGB V bestand hier bereits vom Grundsatz her nicht.

35

a) Da es bei der Bestimmung des Nahbereichs einer Wohnung auf einen abstrakten Maßstab und nicht auf die konkreten Verhältnisse ankommt, ist es unerheblich, welche Entfernungen zwischen der Wohnung der Versicherten und den Praxen der Ärzte und Therapeuten sowie der Tagespflegeeinrichtung konkret zurückzulegen waren. Standardmäßig liegen diese Orte innerhalb des Nahbereichs der Wohnung. Den Nahbereich der Wohnung konnte die Versicherte im Rollstuhl sitzend mit Hilfe ihres Ehemannes erschließen. Soweit der Kläger geltend macht, auch die Erschließung des Nahbereichs sei nicht mehr gesichert gewesen, weil ihm selbst das ständige Schieben des Rollstuhls immer schwerer gefallen sei, hat die Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit bestanden hätte, eine - an den Rollstuhl anzubauende - elektrische Schiebehilfe als Hilfsmittel zur Gewährleistung der Mobilität im Nahbereich zu beantragen (§ 33 Abs 1 Satz 1 SGB V).

36

b) Die Wahrnehmung von Versorgungswegen, zB zum Einkauf, schied wegen der fortgeschrittenen Demenz der Versicherten ohnehin aus. Bei der Mitnahme der Versicherten zu den Einkäufen und dem wöchentlichen Besuch eines Bades in Bad L. stand nicht die Gewährleistung der Mobilität im Vordergrund, sondern die Notwendigkeit ständiger Beaufsichtigung wegen der demenzbedingten Möglichkeit der Selbst- und Fremdgefährdung bei unbeaufsichtigtem alleinigem Verbleib in der Wohnung.

37

c) Die Aufrechterhaltung der sozialen Kontakte durch den Besuch von außerhalb des Nahbereichs lebenden Angehörigen, Freunden und Bekannten gehört zum Bereich der sozialen Rehabilitation, deren Gewährleistung nicht zum Aufgabenspektrum der GKV zählt (BSGE 107, 44 = SozR 4-2500 § 33 Nr 31, RdNr 35). Das Autofahren selbst und das Mitfahren im Auto gehört nicht zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens (BSGE 98, 213 = SozR 4-2500 § 33 Nr 15).

38

d) Sollte im Einzelfall für das Aufsuchen der Praxen von Ärzten und Therapeuten die Nutzung eines Rollstuhltaxis erforderlich gewesen sein, wäre die Beklagte für den Transport nach § 60 Abs 1 Satz 2, Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB V sachleistungspflichtig gewesen, weil die Versicherte über die Merkzeichen H und aG verfügte sowie der Pflegestufe III zugeordnet war(vgl § 8 Abs 3 der Krankentransport-Richtlinien des GBA vom 22.1.2004, BAnz 2004, Nr 18, 1342).

39

e) Das vorstehende Ergebnis hat auch im Lichte des § 33 SGB I Bestand; dort heißt es: "Ist der Inhalt von Rechten oder Pflichten nach Art und Umfang nicht im einzelnen bestimmt, sind bei ihrer Ausgestaltung die persönlichen Verhältnisse des Berechtigten oder Verpflichteten, sein Bedarf und seine Leistungsfähigkeit sowie die örtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen, soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Dabei soll den Wünschen des Berechtigten oder Verpflichteten entsprochen werden, soweit sie angemessen sind." Auf diese Regelung kann sich der Kläger bei der Auslegung des Leistungsrechts nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V nicht stützen. Die in § 33 SGB I angesprochene Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse betrifft nämlich nur die Ausgestaltung vorhandener Rechtsansprüche, nicht hingegen die Begründung der Rechtsansprüche als solche. Die Regelung bezieht sich also nicht auf das "Ob" des Bestehens, sondern nur auf das "Wie" der Erfüllung einer bestehenden Leistungspflicht (Mrozynski, SGB I, 5. Aufl 2014, § 33 RdNr 2). Demgemäß hat der Senat bei einem gehbehinderten und auch in der Armkraft beeinträchtigten Versicherten, der den Nahbereich seiner Wohnung nicht mehr zu Fuß erschließen konnte, einen Anspruch nach § 33 SGB V auf eine Mobilitätshilfe mit Elektromotor zuerkannt und bei dessen Ausgestaltung ein Wahlrecht des Versicherten zwischen einem Elektrorollstuhl und einem Shoprider nach § 33 SGB I angenommen(BSG SozR 3-1200 § 33 Nr 1).

40

5. Der Leistungsanspruch gegen die Beklagte lässt sich - wie bereits angedeutet - auch nicht aus den Vorschriften des SGB IX über die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen herleiten. Ein Anspruch aus § 31 SGB IX scheidet aus. Diese Vorschrift gibt hinsichtlich des Hilfsmittelbegriffs nur den Regelungsgehalt im Bereich der medizinischen Rehabilitation wieder, wie er durch die höchstrichterliche Rechtsprechung entwickelt worden ist, und bestätigt somit diese Rechtsprechung. Eine Ausweitung der Leistungspflicht der GKV bei der Hilfsmittelversorgung war nicht beabsichtigt, was vor allem darin zum Ausdruck kommt, dass nach § 7 Satz 2 SGB IX die Regelung des § 33 SGB V maßgeblich bleibt: "Die Zuständigkeit und die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe richten sich nach den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen"(vgl im Einzelnen BSGE 91, 60, 64 RdNr 12, 13 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3 RdNr 13, 14 sowie zur Gesetzesbegründung BT-Drucks 14/5074 S 94).

41

6. Auch die Beigeladene war im vorliegenden Fall nicht zur Sachleistung verpflichtet. Die Beklagte hat einen gegen die Pflegekasse gerichteten Anspruch zu Recht verneint.

42

a) Rechtsgrundlage des Leistungsanspruchs gegen eine Pflegekasse ist § 40 Abs 1 Satz 1 SGB XI in der bis heute unverändert gebliebenen Fassung des Pflege-Versicherungsgesetzes vom 26.5.1994 (BGBl I 1014). Danach haben Pflegebedürftige Anspruch auf Versorgung mit Pflegehilfsmitteln, die zur Erleichterung der Pflege oder zur Linderung der Beschwerden des Pflegebedürftigen beitragen oder ihm eine selbstständigere Lebensführung ermöglichen, soweit die Hilfsmittel nicht wegen Krankheit oder Behinderung von der Krankenversicherung oder anderen zuständigen Leistungsträgern zu leisten sind. Nach § 40 Abs 3 SGB XI in der Fassung des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes vom 28.5.2008 (BGBI I 874) sollen technische Pflegehilfsmittel in allen geeigneten Fällen vorrangig leihweise überlassen werden (Satz 1). Die Pflegekassen können die Bewilligung davon abhängig machen, dass die Pflegebedürftigen sich das Pflegehilfsmittel anpassen oder sich selbst oder die Pflegeperson in seinem Gebrauch ausbilden lassen (Satz 2). Der Anspruch umfasst auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Pflegehilfsmitteln sowie die Ausbildung in ihrem Gebrauch (Satz 3). Die Voraussetzungen für die - nach Wahl der Beklagten durch Leihe oder Übereignung mögliche - Ausstattung der Versicherten mit dem begehrten Autoschwenksitz waren jedoch nicht erfüllt, wobei hier ohnehin nur die erste und dritte Variante des § 40 Abs 1 Satz 1 SGB XI in Betracht kamen; um die Linderung der Beschwerden der Versicherten ging es ersichtlich nicht.

43

b) Hier kam vor allem die erste Tatbestandsvariante des § 40 Abs 1 Satz 1 SGB XI - Erleichterung der Pflege - in Betracht. Diese Variante erfasst insbesondere Hilfen bei den Verrichtungen der Körperpflege, der Ernährung und der Mobilität, also der Grundpflege nach § 14 Abs 4 Nr 1 bis 3 SGB XI. Der Autoschwenksitz kann als Hilfsmittel für Rollstuhlfahrer bei der Verrichtung "Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung" (§ 14 Abs 4 Nr 3 SGB XI) eingestuft werden. Dabei sind alle Wege außerhalb der Wohnung zu berücksichtigen, die für die Aufrechterhaltung der Lebensführung zu Hause unumgänglich sind und bei denen das persönliche Erscheinen des Pflegebedürftigen notwendig ist. Dies ist zB beim Besuch einer Arztpraxis immer dann der Fall, wenn vom behandelnden Arzt ein Hausbesuch nicht erwartet werden kann. Gleiches gilt für mobilitätserhaltende Behandlungen bei Physiotherapeuten (BSG SozR 4-3300 § 15 Nr 1; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 5; Udsching, SGB XI, 3. Aufl 2010, § 14 RdNr 40). Hier war der Aufenthalt der Versicherten in einer Tagespflegeeinrichtung nach den objektiven Gegebenheiten für die Aufrechterhaltung ihrer Lebensführung zu Hause erforderlich. Für die Erforderlichkeit ist maßgeblich, dass der Aufenthalt des Pflegebedürftigen in der Einrichtung regelmäßig erst die Möglichkeit schafft, dass er durch seine Angehörigen weiterhin zu Hause gepflegt werden kann, zB weil er ohne die Tagespflege auf Dauer in ein Pflegeheim umziehen müsste. Allerdings wird ein Autoschwenksitz für die Wege zur - hier anfangs zweimal und zuletzt fünfmal wöchentlich durchgeführten - Tagespflege schon deswegen nicht "benötigt", weil der Transport eines Versicherten gemäß § 41 Abs 1 Satz 2 SGB XI von Mitarbeitern eines Fahrdienstes durchgeführt werden kann. Der Transport eines Pflegebedürftigen zur Tagespflegeeinrichtung und zurück ist vom Gesetzgeber ausdrücklich dem Bereich der teilstationären Pflege (§ 41 Abs 1 Satz 2 SGB XI) zugeordnet und als Sachleistung der Pflegekassen ausgestaltet (§ 4 Abs 1 SGB XI) worden. Für den Transport ist die Pflegeeinrichtung bzw deren Fahrdienst zuständig, sodass ein eigener (oder leihweise überlassener) Autoschwenksitz regelmäßig für diese Fahrten nicht "benötigt" wird. Ob die Versicherte lieber von ihrem Ehemann - dem Kläger - als von den Mitarbeitern des Fahrdienstes transportiert worden wäre, ist unerheblich. Leistungen nach § 40 SGB XI zur ambulanten Pflege müssen nicht deshalb gewährt werden, weil der Betroffene die vorhandenen, gesetzlich vorgesehenen Angebote im Rahmen der von ihm in Anspruch genommenen teilstationären Pflege nicht nutzen will. Wenn dabei Eigenbeteiligungen anfallen, beruht das darauf, dass die Leistungen der Pflegeversicherung nicht den vollständigen Bedarf decken, sondern der Höhe nach begrenzt sind (zur Ausweitung des Sachleistungsanspruchs nach § 41 SGB XI zum 1.1.2015 vgl die Neufassung dieser Vorschrift durch Art 1 Nr 11 des Ersten Gesetzes zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften - Erstes Pflegestärkungsgesetz vom 17.12.2014, BGBl I 2222, 2224). Dieser Umstand kann aber keinen Anspruch auf ein Pflegehilfsmittel zum Zwecke des Transports auslösen, für den im Gesetz ausdrücklich ein Anspruch gegen die Pflegeeinrichtung bzw deren Fahrdienst statuiert wurde.

44

Für die Fahrten zu Ärzten und Therapeuten ist ggf die GKV zuständig (§ 60 SGB V). Sonstige für die Aufrechterhaltung der Lebensführung zu Hause notwendige Wege und Aufenthalte außerhalb der Wohnung sind hier weder vom LSG festgestellt noch vom Kläger vorgetragen worden. Daher scheidet die Hilfe bei der Verrichtung "Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung" als Zweck der Versorgung mit dem Autoschwenksitz aus.

45

c) Auch die Voraussetzungen der dritten Variante des § 40 Abs 1 Satz 1 SGB XI, also die Ermöglichung einer selbstständigeren Lebensführung des Pflegebedürftigen, sind nicht erfüllt, weil es nicht darum ging, der Versicherten auf diese Weise die Verwirklichung ihres allgemeinen Grundbedürfnisses auf Mobilität im Nahbereich der Wohnung zu erleichtern. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass nicht etwa eine selbstständige, also von fremder Unterstützung unabhängige Lebensführung ermöglicht werden soll, sondern im Gesetz nur von einer "selbstständigeren" Lebensführung die Rede ist, wozu es ausreicht, dass ein bestimmter Aspekt der Lebensführung durch eine regelmäßig verfügbare Hilfestellung leichter oder besser verwirklicht werden kann. Über die Ermöglichung einer selbstständigeren Lebensführung hinaus enthält die Vorschrift keine weiteren Anforderungen, die an die Einsatz- und Verwendungsmöglichkeiten des Hilfsmittels zu stellen sind (Udsching, aaO, § 40 RdNr 9 mwN). Hilfsmittel, die den Zwecken des § 40 Abs 1 Satz 1 SGB XI dienen, sind nach der gesetzlichen Wertung "Pflegehilfsmittel", und zwar unabhängig davon, ob sie daneben auch die Begriffsmerkmale eines Hilfsmittels iS des § 33 SGB V erfüllen.

46

Das Tatbestandsmerkmal der "selbstständigeren" Lebensführung kann indes nur erfüllt werden, wenn die Anschaffung des Pflegehilfsmittels nicht in erster Linie im Interesse der Pflegeperson erfolgt, sondern die Anschaffung den Zweck hat, dass der Pflegebedürftige mit Hilfe des Pflegehilfsmittels bei den allgemeinen Lebensbetätigungen partiell selbstständiger agieren kann, also in verringertem Maße von der Unterstützung Dritter abhängig ist. Das war hier nach den Feststellungen des LSG nicht der Fall. Im Vordergrund stand stets die Notwendigkeit ständiger Beaufsichtigung der Versicherten und nicht deren aktive Lebensgestaltung.

47

Darüber hinaus ist der Tatbestand der Ermöglichung einer selbstständigeren Lebensführung auch aus grundsätzlichen Erwägungen nicht erfüllt. Es kann bei diesem Tatbestand nicht darum gehen, einem Pflegebedürftigen Pflegehilfsmittel für jede denkbare Form und Variante einer selbst gewählten Lebensführung zur Verfügung zu stellen. Eine Einschränkung der Leistungspflicht der Pflegekassen bei der Versorgung der Versicherten mit Pflegehilfsmitteln ergibt sich aus der gesetzlichen Regelung des § 40 Abs 1 SGB XI selbst, wonach die Pflegekassen die Versicherten nur bei häuslicher Pflege auch mit den dazu erforderlichen Pflegehilfsmitteln auszustatten haben. § 40 SGB XI gehört innerhalb des Vierten Kapitels des SGB XI ("Leistungen der Pflegeversicherung") zu dessen Dritten Abschnitt ("Leistungen") und dort zum Ersten Teil, der mit "Leistungen bei häuslicher Pflege" überschrieben ist. Die Pflegehilfsmittel müssen dabei geeignet sein, den Pflegebedürftigen in die Lage zu versetzen, möglichst lange in seiner häuslichen Umgebung bleiben zu können und vollstationäre Pflege zu vermeiden (§ 3 SGB XI: Vorrang der häuslichen Pflege). Diese Zweckbestimmung erfordert eine Eingrenzung der "selbstständigeren Lebensführung" auf jene Verrichtungen, die dem Leben im häuslichen Bereich zugerechnet werden können und im weiteren Sinne der Aufrechterhaltung der Fähigkeit des Versicherten dienen, möglichst lange in der eigenen Wohnung zu verbleiben. Zu diesem Bereich der Lebensführung gehört nicht das Autofahren selbst und auch nicht die Erreichbarkeit von Zielen und Personen mit einem Pkw zu Zwecken, die nicht zum Zuständigkeitsbereich der sozialen Pflegeversicherung zählen, sondern in die Zuständigkeit anderer Sozialversicherungsträger fallen. Insbesondere ist zu beachten, dass die Pflegekassen nicht zu jenen Rehabilitationsträgern zählen, die nach dem SGB IX für Leistungen der medizinischen Rehabilitation oder für Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, also die soziale Rehabilitation zuständig sind (§§ 5, 6 SGB IX). Zur Ermöglichung einer "selbstständigeren Lebensführung" iS des § 40 Abs 1 SGB XI gehört demgemäß nicht die Bereitstellung eines Autoschwenksitzes für Fahrten zum Besuch von Verwandten und Bekannten sowie zur Freizeitgestaltung (Besuch von Veranstaltungen, Fahrten zum Schwimmbad, Ausflugsfahrten). Der regelmäßige Einkauf von Lebensmitteln - und damit die Fahrt zum Supermarkt - gehört zwar zum Kern der Lebensführung im häuslichen Bereich, jedoch war es nach Feststellung des LSG nicht Zweck der Anschaffung des Autoschwenksitzes, der Versicherten das eigenständige und von fremder Hilfe weniger abhängige Einkaufen (wieder) zu ermöglichen; das Einkaufen war und blieb vielmehr Aufgabe des Klägers, und die Versicherte sollte ihn auf den Fahrten zu den Einkaufsstätten nur begleiten, damit sie in dieser Zeit nicht ohne Aufsicht war.

48

Die Aufsicht selbst diente zwar im weiteren Sinne auch der Ermöglichung des Verbleibs der Versicherten in der häuslichen Umgebung und damit der Förderung des Vorrangs der häuslichen Pflege (§ 3 SGB XI), um die es bei der Ausstattung von Versicherten mit Pflegehilfsmitteln geht. Die Aufsicht bei den Einkaufsfahrten kann den Anspruch auf Versorgung mit dem Autoschwenksitz aber schon deshalb nicht begründen, weil der Kläger für die Einkaufsfahrten jene Stunden hätte nutzen können, in denen die Versicherte sich in der Tagespflegeeinrichtung aufhielt. Die Tagespflege hat gerade auch den Zweck, der Pflegeperson Betätigungen außer Haus zu ermöglichen und sie in dieser Zeit von der ansonsten notwendigen Beaufsichtigung des Pflegebedürftigen zu entlasten.

49

7. Auch aus den Vorschriften des SGB XII über die Eingliederungshilfe, die die Beklagte als erstangegangener Rehabilitationsträger im Rahmen des § 14 Abs 2 SGB IX zu berücksichtigen hatte, ergibt sich kein Anspruch. Dabei kann offen bleiben, ob die Ausstattung eines Pkw mit einem Autoschwenksitz von der Leistungspflicht der Sozialhilfeträger nach § 54 SGB XII sowie den dort in Bezug genommenen Bestimmungen des SGB IX(hier: Versorgung mit Hilfsmitteln nach § 55 Abs 2 Nr 1 SGB IX als Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft) erfasst ist. Jedenfalls schließt hier zum einen die Regelung des § 41 SGB XI über die Bestandteile der teilstationären Pflege einen Anspruch auf der Grundlage des SGB XII aus, soweit es um den Transport der Versicherten zur Tagespflege geht: die Versicherte benötigte Transportleistungen nur in Lebensbereichen, die von den Vorschriften des SGB V(§ 60 Krankentransport) und SGB XI (§ 41 Transport zur Tagespflege) erfasst waren. Insoweit greifen Spezialregelungen über die Transportkosten ein, die die Erforderlichkeit der Ausstattung des Pkw mit einem Schwenksitz entfallen lassen.

50

Soweit es um die Teilhabe der Versicherten am sozialen Leben im Übrigen geht, ist von Bedeutung, dass Streitgegenstand ein Erstattungsanspruch ist; denn die Versicherte bzw der Kläger hat den Sitz bereits angeschafft. Weil die sozialhilferechtlichen Leistungen nach § 54 SGB XII grundsätzlich einkommens- und vermögensabhängig sind und die Kostenerstattungsregelung des § 15 Abs 1 SGB IX durch die Ausnahmevorschrift des Satzes 5 die Anwendung der Vorschriften über die Umwandlung des nicht erfüllten Sachleistungsanspruchs in einen Erstattungsanspruch(§ 15 Abs 1 Satz 1 bis 3 SGB IX) gegenüber dem Sozialhilfeträger auch deshalb ausschließt, hätte die Versicherte im Verwaltungsverfahren deutlich machen müssen, dass sie den Anspruch gegen die Beklagte auch als einkommens- und vermögensabhängige Leistung verfolgen will. Da das nicht geschehen ist, war die Beklagte nicht gehalten, über den geltend gemachten Zahlungsanspruch auch unter sozialhilferechtlichen Grundsätzen zu entscheiden. Dementsprechend war es auch nicht erforderlich, den zuständigen Sozialhilfeträger gemäß § 75 Abs 2 SGG zum Rechtsstreit notwendig beizuladen(Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 75 RdNr 13c).

51

8. Die Kostenentscheidung für den zweiten und dritten Rechtszug beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die für die Versicherten geltende kostenrechtliche Sonderregelung des § 183 SGG war hier nur im ersten Rechtszug anwendbar. Nach dem Tod seiner Ehefrau, der Versicherten, hat der Kläger den Rechtsstreit als Alleinerbe und Rechtsnachfolger fortgeführt. Er war als Ehemann, der mit seiner Ehefrau in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hatte, aber nicht Sonderrechtsnachfolger iS des § 56 Abs 1 SGB I, weil die Klage nicht "fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen" betrifft. Streitgegenstand ist ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 SGB V, der sich auf zwei dem Anwendungsbereich des § 33 SGB V bzw des § 40 SGB XI zuzuordnende Sachleistungen bezog, nämlich der Anschaffung des Autoschwenksitzes im März 2008 und dessen Einbau im neu erworbenen Pkw im November 2009. Es geht daher rechtlich um zwei Sachleistungsansprüche im Hilfsmittelbereich und nicht um "laufende Geldleistungen". Daher kann dem Kläger die Kostenprivilegierung des § 183 SGG für den zweiten und dritten Rechtszug nicht zugutekommen.

52

9. Die Streitwertfestsetzung für den zweiten und dritten Rechtszug beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 und 3, § 52 Abs 3 und § 47 Abs 1 GKG.

(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

(2) Ist für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt, erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag.

(3) Hat die Krankenkasse Leistungen ohne Rechtsgrundlage oder entgegen geltendem Recht erbracht und hat ein Vorstandsmitglied hiervon gewußt oder hätte es hiervon wissen müssen, hat die zuständige Aufsichtsbehörde nach Anhörung des Vorstandsmitglieds den Verwaltungsrat zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat das Regreßverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(1) Aufwendungen für ärztlich verordnete Hilfsmittel, Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle sowie Körperersatzstücke sind beihilfefähig, wenn sie im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Beihilfefähig sind vorbehaltlich des Absatzes 4 Aufwendungen für Anschaffung, Reparatur, Ersatz, Betrieb, Unterweisung in den Gebrauch und Unterhaltung der in Anlage 11 genannten Hilfsmittel, Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle und Körperersatzstücke unter den dort genannten Voraussetzungen. Aufwendungen für den Ersatz eines unbrauchbar gewordenen Gegenstandes im Sinne von Satz 1 sind nach Ablauf von sechs Monaten seit Anschaffung beihilfefähig, wenn eine erneute ärztliche Verordnung vorliegt.

(2) Nicht beihilfefähig sind Aufwendungen für

1.
Hilfsmittel und Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle, die
a)
einen geringen oder umstrittenen therapeutischen Nutzen haben,
b)
einen niedrigen Abgabepreis haben,
c)
der allgemeinen Lebenshaltung zuzurechnen sind oder
d)
in Anlage 12 genannt sind, und
2.
gesondert ausgewiesene Versandkosten.

(3) Aufwendungen für das Mieten von Hilfsmitteln und Geräten zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle nach Absatz 1 Satz 1 sind beihilfefähig, soweit sie nicht höher als die Aufwendungen für deren Anschaffung sind.

(4) Sind Hilfsmittel und Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 weder in Anlage 11 oder 12 aufgeführt noch mit den aufgeführten Gegenständen vergleichbar, sind hierfür getätigte Aufwendungen ausnahmsweise beihilfefähig, wenn dies im Hinblick auf die Fürsorgepflicht nach § 78 des Bundesbeamtengesetzes notwendig ist. Die Festsetzungsstelle entscheidet in Fällen des Satzes 1 mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde. Die oberste Dienstbehörde hat bei Aufwendungen von mehr als 600 Euro vor ihrer Zustimmung das Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat herzustellen. Soweit das Einvernehmen des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat allgemein erklärt ist, kann die oberste Dienstbehörde ihre Zuständigkeit auf eine andere Behörde übertragen. Absatz 2 bleibt unberührt.

(5) Aufwendungen für den Betrieb und die Unterhaltung der Hilfsmittel und Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 sind nur in Höhe des 100 Euro je Kalenderjahr übersteigenden Betrages beihilfefähig. Nicht beihilfefähig sind Aufwendungen für Batterien von Hörgeräten sowie Pflege- und Reinigungsmittel für Kontaktlinsen. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

(6) Beihilfefähig sind auch Aufwendungen für Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn die beihilfeberechtigte oder berücksichtigungsfähige Person selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der die Gefahr einer Infektion durch Stichverletzungen, insbesondere durch Blutentnahmen und Injektionen, besteht oder angenommen werden kann.

(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

(2) Ist für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt, erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag.

(3) Hat die Krankenkasse Leistungen ohne Rechtsgrundlage oder entgegen geltendem Recht erbracht und hat ein Vorstandsmitglied hiervon gewußt oder hätte es hiervon wissen müssen, hat die zuständige Aufsichtsbehörde nach Anhörung des Vorstandsmitglieds den Verwaltungsrat zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat das Regreßverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 2. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist ein Anspruch des Klägers gegen die beklagte Krankenkasse auf Versorgung mit einer Unterschenkel-Sportprothese als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).

2

Der im Jahre 1978 geborene Kläger erlitt am 19.9.2003 bei einem Verkehrsunfall schwere Verletzungen; Komplikationen im Heilungsverlauf führten schließlich am 9.4.2008 zur Amputation des rechten Unterschenkels (GdB 90). Die Beklagte hat ihn mit einer Modular-Unterschenkelprothese aus Gießharz mit einem Carbonfederfuß sowie einer wasserfesten Prothese für die Mobilität in Nassbereichen ausgestattet. Der Kläger ist vollschichtig berufstätig und verbringt seine Freizeit vornehmlich mit sportlichen Aktivitäten. Er geht regelmäßig zum Schwimmen und in ein Fitnessstudio, fährt Rad, wandert, spielt Tischtennis und betätigt sich in einer Behindertensportgruppe als Sitzballspieler.

3

Am 21.4.2009 beantragte der Kläger unter Vorlage einer vertragsärztlichen Verordnung vom 3.4.2009 und eines Kostenvoranschlags über 11 450,96 Euro die zusätzliche Versorgung mit einer Unterschenkel-Sportprothese mit Oberschenkelhülse in Silikonschafttechnik zur Teilnahme an den sportlichen Aktivitäten. Er gab an, die vorhandene Prothese sei für den Sport weder vorgesehen noch auf Dauer geeignet. Insbesondere für das von ihm auch schon vor dem Unfall bevorzugte Badmintonspiel sei die Sportprothese erforderlich, weil sie über einen rückfedernden Spezialfuß nebst Seitenfeder verfüge und ihm auf diese Weise die sportarttypischen, besonders schnellen und kraftvollen Sprünge ermöglicht würden. Die Beklagte lehnte den Leistungsantrag nach Einholung einer Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ab, weil die Sportprothese für den Behinderungsausgleich nicht erforderlich sei. Er könne mit der Alltagsprothese problemlos gehen und stehen und seinen bisherigen sportlichen Aktivitäten ausreichend nachgehen. Die Sportprothese diene einem rein sportlichen Mobilitätsbedürfnis und sei wegen der starken Fußfederung für den Alltagsgebrauch eher ungeeignet. Die Zweitversorgung mit der Sportprothese könne daher auch nicht mit einer Verlängerung der Gebrauchsfähigkeit der Alltagsprothese begründet werden (Bescheid vom 22.4.2009, Widerspruchsbescheid vom 14.12.2009).

4

Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 8.6.2011). Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 2.2.2012): Eine Beinprothese diene zwar dem unmittelbaren Behinderungsausgleich, bei dem grundsätzlich das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits gelte. Allerdings gebe es auch beim unmittelbaren Behinderungsausgleich keinen Anspruch auf Optimalversorgung. Die Sportprothese biete im Vergleich zu der vorhandenen Alltagsprothese nur einen geringen, auf bestimmte sportliche Aktivitäten in der Freizeit beschränkten Gebrauchsvorteil. Die Grundfunktionen des sicheren Gehens und Stehens seien durch die Alltagsprothese und die Badeprothese hinreichend gewährleistet. Auch die meisten Sportarten könnten mit diesen Prothesen ausgeübt werden. Nur das Badmintonspiel würde durch die Sportprothese erleichtert. Dieser Zweck rechtfertige die Zusatzversorgung jedoch nicht; einem gehbehinderten Menschen müsse nicht jede Form der Freizeitbetätigung auf Kosten der Versichertengemeinschaft der GKV ermöglicht werden.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 33 Abs 1 SGB V). Die prothetische Versorgung müsse nicht nur das normale Gehen, Stehen und Treppensteigen ermöglichen, sondern auch das schnelle Laufen, das Springen und sonstige rasche Bewegungen der Beine, weil es dabei um Körperfunktionen gehe, über die jeder nicht gehbehinderte Mensch verfüge. Die Gleichbehandlung mit nicht behinderten Menschen sei auch beim Freizeitsport zu gewährleisten (Art 3 Abs 3 GG, § 1 SGB IX). Die Alltagsprothese benutze er beim Sport nur als Notbehelf. Es besteht immer die Gefahr eines Materialbruchs durch Überlastung. Alltagsprothesen und Sportprothesen dienten grundsätzlich verschiedenen Zwecken, sodass die Maßstäbe einer üblichen "Zweitversorgung" nicht anwendbar seien. Gerügt werde auch die Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG). Das LSG hätte ermitteln müssen, ob er mit den vorhandenen Prothesen auch im Sportbereich im Sinne eines Gleichziehens mit den Fähigkeiten eines nicht gehbehinderten Menschen ausreichend versorgt sei.

6

Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG Rheinland-Pfalz vom 2.2.2012 und des SG Mainz vom 8.6.2011 zu ändern, den Bescheid der Beklagten vom 22.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.12.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn mit einer Unterschenkel-Sportprothese mit Oberschenkelhülse in Silikonschafttechnik zu versorgen.

7

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Berufungsurteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Klägers ist unbegründet.

9

Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, dass der Kläger keinen Versorgungsanspruch nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V hat, weil die Sportprothese nur der sportlichen Betätigung in der Freizeit dient und damit ein Versorgungsziel verfolgt wird, für das die Krankenkassen nicht aufzukommen haben. Die Ermöglichung sportlicher Aktivitäten fällt grundsätzlich nur dann in die Leistungspflicht der GKV bei der Hilfsmittelversorgung, wenn es dabei zugleich um die Gewährleistung eines allgemeinen Grundbedürfnisses des täglichen Lebens geht, wie es zB bei der Teilnahme am Sportunterricht in der Schule im Rahmen der Schulpflicht (BSG SozR 2200 § 182 Nr 73 - Sportbrille) oder bei der Integration von Kindern und Jugendlichen in den Kreis Gleichaltriger (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 27 - Rollstuhl-Bike als Fahrradersatz) der Fall ist, oder wenn es sich um die Teilnahme am ärztlich verordneten Rehabilitationssport und Funktionstraining (§ 44 Abs 1 Nr 3 und 4 SGB IX) handelt. Die Förderung des Freizeitsports und des Vereinssports gehört hingegen nicht zu den Aufgaben der Krankenkassen bei der Hilfsmittelversorgung (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 35 - Sportrollstuhl zur Teilnahme am Rollstuhlbasketballspiel in einem Behindertensportverein).

10

1. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Leistungsanspruchs ist § 33 Abs 1 S 1 SGB V in der ab 1.4.2007 geltenden Fassung von Art 1 Nr 17 GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) vom 26.3.2007 (BGBl I 378), weil bei Leistungsklagen, auch wenn sie - wie hier - mit einer Anfechtungsklage verbunden sind, grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgebend ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 54 RdNr 34 mwN). Nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen sind. Nach § 33 Abs 1 S 4 SGB V umfasst der Anspruch auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Im vorliegenden Fall geht es um eine besondere Variante der Erstbeschaffung eines Hilfsmittels, deren Tatbestandsvoraussetzungen aber hier nicht erfüllt sind.

11

2. Die Leistungsablehnung ist rechtmäßig, weil die Sportprothese im vorliegenden Fall zum Behinderungsausgleich nicht erforderlich ist. Dieser in § 33 Abs 1 S 1 SGB V als 3. Variante genannte - und hier allein in Betracht kommende - Zweck (vgl jetzt auch § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX) eines von der GKV zu leistenden Hilfsmittels hat zweierlei Bedeutung.

12

a) Im Vordergrund einer Hilfsmittelversorgung steht zumeist der Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst. Bei diesem unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Die gesonderte Prüfung, ob ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betroffen ist, entfällt, weil sich die unmittelbar auszugleichende Funktionsbeeinträchtigung selbst immer schon auf ein Grundbedürfnis bezieht; die Erhaltung bzw Wiederherstellung einer Körperfunktion ist als solche ein Grundbedürfnis. Dabei kann die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem nicht behinderten Menschen erreicht ist (BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 4 - C-leg II). Die Wirtschaftlichkeit eines dem unmittelbaren Behinderungsausgleich dienenden Hilfsmittels ist grundsätzlich zu unterstellen und erst zu prüfen, wenn zwei tatsächlich gleichwertige, aber unterschiedlich teure Hilfsmittel zur Wahl stehen (vgl § 33 Abs 1 S 5 SGB V und § 31 Abs 3 SGB IX).

13

b) Daneben können Hilfsmittel den Zweck haben, die direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen (sog mittelbarer Behinderungsausgleich). In diesem Rahmen ist die GKV allerdings nur für den Basisausgleich der Folgen der Behinderung eintrittspflichtig (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 35 RdNr 14). Es geht hier nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Menschen. Denn Aufgabe der GKV ist in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation (vgl § 1 SGB V sowie § 6 Abs 1 Nr 1 iVm § 5 Nr 1 und 3 SGB IX), also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist von der GKV daher nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Nach ständiger Rechtsprechung gehören zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (BSGE 93, 176, 180 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 12; BSGE 91, 60, 63 RdNr 9 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3 RdNr 10; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 14; stRspr). Zum Grundbedürfnis der Erschließung eines geistigen Freiraums gehört ua die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen Menschen sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Grundwissens bzw eines Schulwissens (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 29 und 46; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 11 RdNr 18). Zum körperlichen Freiraum gehört - im Sinne eines Basisausgleichs der eingeschränkten Bewegungsfreiheit - die Fähigkeit, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (zB Supermarkt, Arzt, Apotheke, Geldinstitut, Post), nicht aber die Bewegung außerhalb dieses Nahbereichs. Soweit überhaupt die Frage eines größeren Radius über das zu Fuß Erreichbare hinaus aufgeworfen worden ist, sind schon immer zusätzliche qualitative Momente verlangt worden (vgl BSGE 93, 176, 180 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 12 - Erreichbarkeit ambulanter medizinischer Versorgung für Wachkomapatientin; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 27 - Rollstuhl-Bike für Jugendliche; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 46 - behindertengerechtes Dreirad; BSG SozR 2200 § 182b Nr 13 - Faltrollstuhl).

14

c) Dem Gegenstand nach besteht für den unmittelbaren ebenso wie für den mittelbaren Behinderungsausgleich ein Anspruch auf die im Einzelfall ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Hilfsmittelversorgung, nicht jedoch ein Anspruch auf Optimalversorgung. Deshalb besteht kein Anspruch auf ein teureres Hilfsmittel, soweit die kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell in gleicher Weise geeignet ist (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 26 S 153; stRspr); andernfalls sind die Mehrkosten gemäß § 33 Abs 1 S 5 SGB V(ebenso § 31 Abs 3 SGB IX) von dem Versicherten selbst zu tragen. Die Krankenkassen haben auch nicht für solche "Innovationen" aufzukommen, die keine wesentlichen Gebrauchsvorteile für den Versicherten bewirken, sondern sich auf einen bloß besseren Komfort im Gebrauch oder eine bessere Optik beschränken (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44; BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 15).

15

d) Auf das normale Gehen, Stehen und Treppensteigen ausgelegte Beinprothesen sind Körperersatzstücke gemäß § 33 Abs 1 S 1 SGB V. Sie dienen dem unmittelbaren Ersatz des fehlenden Körperteils und dessen ausgefallener Funktion. Sie sind auf den Ausgleich der Behinderung selbst gerichtet und dienen der medizinischen Rehabilitation, ohne dass zusätzlich die Erfüllung eines allgemeinen Grundbedürfnisses des täglichen Lebens zu prüfen ist, wie es bei Hilfsmitteln erforderlich wäre, die nur die direkten und indirekten Folgen einer Behinderung ausgleichen sollen. Bei einer Beinprothese geht es um das Grundbedürfnis auf möglichst sicheres, gefahrloses Gehen und Stehen, wie es bei nicht behinderten Menschen durch die Funktion der Beine gewährleistet ist. Diese Funktion muss in möglichst weitgehender Weise ausgeglichen werden (BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8 - C-leg II).

16

3. Diese Grundsätze waren für den erkennenden Senat maßgeblich, als er in zwei Entscheidungen vom 25.6.2009 (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 23 und 24) die Frage zu klären hatte, ob beinamputierte Versicherte, die bereits mit einer normalen Laufprothese ausgestattet sind, die zusätzliche Versorgung mit einer Badeprothese beanspruchen können. Dies wurde für eine übliche (süßwasserbeständige) Badeprothese bejaht, für eine salzwasserbeständige Badeprothese dagegen verneint. Dabei ging es indes nicht, wie es auf den ersten Blick scheinen könnte, um die Ermöglichung einer bestimmten gesundheitsfördernden sportlichen Betätigung, nämlich das Schwimmen, sondern um die Befriedigung des Mobilitätsbedürfnisses in Nassbereichen und damit um die Erfüllung eines allgemeinen Grundbedürfnisses des täglichen Lebens.

17

a) Die normale Beinprothese hat einen konstruktionsbedingten Gebrauchsnachteil, weil sie nicht dort zu verwenden ist, wo der Benutzer beim Gehen und Stehen mit Wasser in Kontakt kommt. Durch den Kontakt mit Wasser besteht die große Gefahr einer Beschädigung, sodass die Krankenkassen zur Reparatur bzw zum Ersatz verpflichtet wären, was erhebliche Kosten verursacht. Außerdem ist der Fuß einer normalen Laufprothese so ausgelegt, dass er mit Schuhen getragen wird. Im Schwimmbad ist das Tragen von Straßenschuhen in aller Regel verboten. Ohne Schuhe besteht aber eine besondere Rutschgefahr. Unterarmgehstützen bieten nicht den gleichen Halt wie eine Beinprothese und sind für die Gang- und Standsicherheit nur ergänzend heranzuziehen. Die normale Laufprothese ist beim Aufenthalt in und am Wasser (Schwimmbad, Fluss, See) ungeeignet. Dieser Gebrauchsnachteil wird durch die zusätzliche Ausstattung mit einer Badeprothese kompensiert. Die Badeprothese gleicht praktisch das Funktionsdefizit der Alltagsprothese in Nassbereichen aus.

18

b) Der danach gegebene Anspruch eines beinamputierten Versicherten auf Versorgung mit einer Badeprothese wird durch die Bereitstellung einer normalen (süßwasserfesten) Prothese erfüllt. Das Funktionsdefizit einer Alltagsprothese ist dadurch im häuslichen Nassbereich vollständig und im außerhäuslichen Bereich im Wesentlichen erfüllt, weil es den Aufenthalt in herkömmlichen Schwimmbädern sowie an Flüssen und Binnenseen ermöglicht. Nicht geeignet ist eine süßwasserfeste Badeprothese lediglich für den Aufenthalt im und am Salzwasser, also in Salzwasser-Schwimmbädern und am Meer. Einen Ausgleich dieses Gebrauchsnachteils der ihm zur Verfügung gestellten Badeprothese kann der Versicherte jedoch nicht verlangen. Entscheidend ist insoweit, dass die salzwasserfeste Badeprothese dem Versicherten nicht - wie bei der normalen Badeprothese - in erster Linie das gefahrlose Gehen und Stehen in Nassbereichen innerhalb und außerhalb der Wohnung überhaupt erst ermöglichen soll, sondern der Aufenthalt in einer ganz speziellen Umgebung im Vordergrund steht (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 23 und 24).

19

c) In solchen Konstellationen kommt es maßgeblich darauf an, ob die jeweilige "Zusatzfunktion" eines - in der Grundausführung dem unmittelbaren Behinderungsausgleich dienenden - Hilfsmittels (hier: die Salzwasserfestigkeit) notwendig ist, den besonderen Bedürfnissen eines behinderten Menschen zur Bewältigung seines Alltags unter Berücksichtigung der speziellen Grundsätze und Gebote des SGB IX Rechnung zu tragen. Dies war dort zu verneinen. Es ging lediglich um eine marginale Einschränkung der Alltagsgestaltung, die dem Versicherten zuzumuten ist, weil sie weder seine Selbstbestimmung noch seine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft fühlbar beeinträchtigt (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 23 und 24).

20

Aber auch bei der Bewältigung des Alltags ist es einem Versicherten zumutbar, auf die vorhandenen Hilfsmittel zurückzugreifen. Nicht jede Form der Freizeitbeschäftigung muss auf Kosten der Versichertengemeinschaft der GKV ermöglicht werden. Dazu gehört der Aufenthalt im und am Salzwasser, sei es in einem Salzwasserthermalbad oder im Urlaub am Meer. Es ist zumutbar, das Salzwasser zu meiden und sich auf den Aufenthalt im Süßwasserbereich zu beschränken. Ein Versicherter, der diesen zumutbaren Gebrauchsnachteil einer normalen Badeprothese nicht hinnehmen möchte und eine salzwasserfeste Badeprothese benutzen will, hat die dadurch entstehenden Mehrkosten selbst zu tragen (§ 33 Abs 1 S 5 SGB V und § 31 Abs 3 SGB IX).

21

4. Im Verhältnis von normaler Laufprothese und Badeprothese geht es um zwei sich in ihren Funktionen ergänzende Hilfsmittel zum unmittelbaren Behindertenausgleich, die stets nebeneinander beansprucht werden können. Davon zu unterscheiden ist die Situation eines Versicherten, der zum unmittelbaren Behinderungsausgleich mit einem herkömmlichen, voll funktionsfähigen Hilfsmittel versorgt ist, nun aber ein dem gleichen Zweck dienendes, aber technisch verbessertes oder aufwändiger ausgestattetes Hilfsmittel beansprucht. Es geht dabei um den besonderen Fall der qualifizierten Zweitversorgung bei Vorhandensein von zwei demselben Versorgungsziel dienenden Hilfsmitteln. Diese Situation ist zB gegeben, wenn ein gehbehinderter Versicherter, der mit einer herkömmlichen, mechanisch gesteuerten und noch voll funktionsfähigen Prothese ausgestattet ist, die Versorgung mit einer technisch weiterentwickelten, über ein mikroprozessorgesteuertes Kniegelenk verfügenden Prothese (C-leg) begehrt. Der erkennende Senat hat diesen Anspruch auf Zweitversorgung in mehreren Entscheidungen stattgegeben (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44; BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8): Beim unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Daher kann die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem nicht behinderten Menschen erreicht ist (BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8 RdNr 4 - C-leg II). Dabei muss es stets um "wesentliche" Gebrauchsvorteile des neuartigen Hilfsmittels gehen, was dann der Fall ist, wenn sich die Gebrauchsvorteile allgemein im Alltagsleben auswirken, sich also nicht auf einen bloß besseren Komfort im Gebrauch oder eine bessere Optik beschränken. Da eine C-leg-Prothese im Vergleich zu einer hergebrachten mechanisch wirkenden Prothese über deutliche allgemeine - und damit "wesentliche" - Gebrauchsvorteile verfügt (zB weitgehende Annäherung an ein natürliches Gangbild und erhebliche Reduzierung der Sturzgefahr beim Gehen auf unebenem Untergrund und auf Treppen, vgl BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 5, 14, 15),ist der Anspruch auf Zweitversorgung jeweils zuerkannt worden.

22

5. An diese Grundsätze ist anzuknüpfen, wenn es um die zusätzliche Versorgung eines beinamputierten Versicherten, der schon mit einer normalen Laufprothese und einer Badeprothese ausgestattet ist, mit einer Sportprothese geht, die ihm den Bereich des Freizeitsports noch weiter eröffnen soll, insbesondere mit Blick auf das von ihm bevorzugte Badmintonspiel.

23

Die Sportprothese gleicht nicht ein Funktionsdefizit der normalen Laufprothese im Alltagsgebrauch aus, wie es bei der Badeprothese in Nassbereichen der Fall ist. Sie ermöglicht zwar durch den rückfedernden Spezialfuß ein besseres Springen und andere rasche Körperbewegungen, wie sie einem nicht gehbehinderten Menschen gleichen Alters regelmäßig ohne Weiteres möglich sind. Diesen Gebrauchsvorteil im Vergleich zur normalen Laufprothese benötigt der Kläger jedoch nicht zur Bewältigung von Mobilitätserfordernissen im Alltag, sondern ausschließlich für den Freizeitsport, der ihm in einem erheblichen Maße auch schon durch die vorhandene Prothese ermöglicht wird. Hierin besteht der Unterschied zu der Situation von beinamputierten Versicherten, die zwar mit einer funktionstüchtigen, alltagstauglichen mechanischen Beinprothese ausgestattet sind, nunmehr aber eine elektronisch gesteuerte Beinprothese beanspruchen, weil das Gangbild verbessert und die Sicherheit beim Gehen erheblich erhöht wird. Während beim C-leg der Gebrauchsvorteil also "wesentlich" ist, weil er sich im gesamten Alltagsgebrauch auswirkt, ist der Gebrauchsvorteil einer Sportprothese nicht "wesentlich", weil sie nur dem speziellen Mobilitätsbedürfnis des Klägers bei seinen sportlichen Aktivitäten in der Freizeit, vor allem beim Badmintonspiel, dient. Im Vergleich zur normalen Laufprothese, die ebenfalls sportliche Betätigungen in nennenswertem Umfang ermöglicht, bietet die Sportprothese für den Alltagsgebrauch keinen Gebrauchsvorteil, sondern wirkt sich sogar nachteilig aus, weil der rückfedernde Spezialfuß beim normalen Gehen eher hinderlich wirkt. Daher hat die Beklagte den Leistungsantrag des Klägers nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V zu Recht abgelehnt.

24

6. Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf das "Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen" (UN-Konvention) berufen. Diese Konvention ist am 3.5.2008 in Kraft getreten und durch Vertragsgesetz zum Übereinkommen vom 21.12.2008 (BGBl II 1419) innerstaatlich verbindlich geworden; sie war deshalb zum Zeitpunkt der Entscheidung des LSG als geltendes Recht zu beachten (andere Situation in BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 25 RdNr 28). Allerdings können aus der UN-Konvention keine über § 33 SGB V hinausgehenden Leistungsansprüche hergeleitet werden. Insbesondere ergeben sich solche Ansprüche nicht aus Art 20 UN-Konvention. Danach verpflichten sich die Vertragsstaaten zu wirksamen Maßnahmen, um für Menschen mit Behinderungen persönliche Mobilität mit größtmöglicher Unabhängigkeit sicherzustellen. Zu diesem Zweck haben sie ua den Zugang zu hochwertigen Mobilitätshilfen zu erschwinglichen Preisen zu erleichtern. Hierbei handelt es sich indes nur um eine Verpflichtung der Vertragsstaaten, deren volle Verwirklichung gemäß Art 4 Abs 2 UN-Konvention nach und nach angestrebt werden soll (Rothfritz, Die Konvention der Vereinten Nationen zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen, 2010, S 465). Zudem kann aus den Regelungen der UN-Konvention kein subjektiv-öffentliches Recht des Einzelnen abgeleitet werden, ein konkretes und der persönlichen Mobilität dienendes Hilfsmittel von einem bestimmten Leistungsträger verlangen zu können. Die Bundesrepublik Deutschland trägt dem von der UN-Konvention angestrebten Zweck, den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten sowie die Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern (Art 1 UN-Konvention), ausreichend durch das gegliederte Leistungssystem des SGB und insbesondere durch dessen Neuntes Buch (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - SGB IX) Rechnung. Weitergehende Einzelansprüche werden - zumindest für den Bereich der GKV - durch die UN-Konvention nicht begründet (vgl BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 35 RdNr 19).

25

7. Ein möglicher Anspruch gegen die Beklagte als erstangegangene Rehabilitationsträgerin nach § 14 SGB IX scheidet aus, weil die Leistungszuständigkeit anderer Sozialleistungsträger (Unfallversicherung, Sozialhilfe) weder aus den Akten ersichtlich noch vom Kläger geltend gemacht worden ist.

26

8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Aufwendungen für ärztlich verordnete Hilfsmittel, Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle sowie Körperersatzstücke sind beihilfefähig, wenn sie im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Beihilfefähig sind vorbehaltlich des Absatzes 4 Aufwendungen für Anschaffung, Reparatur, Ersatz, Betrieb, Unterweisung in den Gebrauch und Unterhaltung der in Anlage 11 genannten Hilfsmittel, Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle und Körperersatzstücke unter den dort genannten Voraussetzungen. Aufwendungen für den Ersatz eines unbrauchbar gewordenen Gegenstandes im Sinne von Satz 1 sind nach Ablauf von sechs Monaten seit Anschaffung beihilfefähig, wenn eine erneute ärztliche Verordnung vorliegt.

(2) Nicht beihilfefähig sind Aufwendungen für

1.
Hilfsmittel und Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle, die
a)
einen geringen oder umstrittenen therapeutischen Nutzen haben,
b)
einen niedrigen Abgabepreis haben,
c)
der allgemeinen Lebenshaltung zuzurechnen sind oder
d)
in Anlage 12 genannt sind, und
2.
gesondert ausgewiesene Versandkosten.

(3) Aufwendungen für das Mieten von Hilfsmitteln und Geräten zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle nach Absatz 1 Satz 1 sind beihilfefähig, soweit sie nicht höher als die Aufwendungen für deren Anschaffung sind.

(4) Sind Hilfsmittel und Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 weder in Anlage 11 oder 12 aufgeführt noch mit den aufgeführten Gegenständen vergleichbar, sind hierfür getätigte Aufwendungen ausnahmsweise beihilfefähig, wenn dies im Hinblick auf die Fürsorgepflicht nach § 78 des Bundesbeamtengesetzes notwendig ist. Die Festsetzungsstelle entscheidet in Fällen des Satzes 1 mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde. Die oberste Dienstbehörde hat bei Aufwendungen von mehr als 600 Euro vor ihrer Zustimmung das Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat herzustellen. Soweit das Einvernehmen des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat allgemein erklärt ist, kann die oberste Dienstbehörde ihre Zuständigkeit auf eine andere Behörde übertragen. Absatz 2 bleibt unberührt.

(5) Aufwendungen für den Betrieb und die Unterhaltung der Hilfsmittel und Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 sind nur in Höhe des 100 Euro je Kalenderjahr übersteigenden Betrages beihilfefähig. Nicht beihilfefähig sind Aufwendungen für Batterien von Hörgeräten sowie Pflege- und Reinigungsmittel für Kontaktlinsen. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

(6) Beihilfefähig sind auch Aufwendungen für Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn die beihilfeberechtigte oder berücksichtigungsfähige Person selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der die Gefahr einer Infektion durch Stichverletzungen, insbesondere durch Blutentnahmen und Injektionen, besteht oder angenommen werden kann.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) Das Verwaltungsgericht lässt die Berufung in dem Urteil zu, wenn die Gründe des § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 vorliegen. Das Oberverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden. Zu einer Nichtzulassung der Berufung ist das Verwaltungsgericht nicht befugt.

(2) Die Berufung ist, wenn sie von dem Verwaltungsgericht zugelassen worden ist, innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils bei dem Verwaltungsgericht einzulegen. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen.

(3) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 2 innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Begründungsfrist kann auf einen vor ihrem Ablauf gestellten Antrag von dem Vorsitzenden des Senats verlängert werden. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag enthalten sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe). Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, so ist die Berufung unzulässig.

(4) Wird die Berufung nicht in dem Urteil des Verwaltungsgerichts zugelassen, so ist die Zulassung innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils zu beantragen. Der Antrag ist bei dem Verwaltungsgericht zu stellen. Er muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Die Stellung des Antrags hemmt die Rechtskraft des Urteils.

(5) Über den Antrag entscheidet das Oberverwaltungsgericht durch Beschluss. Die Berufung ist zuzulassen, wenn einer der Gründe des § 124 Abs. 2 dargelegt ist und vorliegt. Der Beschluss soll kurz begründet werden. Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil rechtskräftig. Lässt das Oberverwaltungsgericht die Berufung zu, wird das Antragsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt; der Einlegung einer Berufung bedarf es nicht.

(6) Die Berufung ist in den Fällen des Absatzes 5 innerhalb eines Monats nach Zustellung des Beschlusses über die Zulassung der Berufung zu begründen. Die Begründung ist bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Absatz 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Aufwendungen für ärztlich verordnete Hilfsmittel, Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle sowie Körperersatzstücke sind beihilfefähig, wenn sie im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Beihilfefähig sind vorbehaltlich des Absatzes 4 Aufwendungen für Anschaffung, Reparatur, Ersatz, Betrieb, Unterweisung in den Gebrauch und Unterhaltung der in Anlage 11 genannten Hilfsmittel, Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle und Körperersatzstücke unter den dort genannten Voraussetzungen. Aufwendungen für den Ersatz eines unbrauchbar gewordenen Gegenstandes im Sinne von Satz 1 sind nach Ablauf von sechs Monaten seit Anschaffung beihilfefähig, wenn eine erneute ärztliche Verordnung vorliegt.

(2) Nicht beihilfefähig sind Aufwendungen für

1.
Hilfsmittel und Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle, die
a)
einen geringen oder umstrittenen therapeutischen Nutzen haben,
b)
einen niedrigen Abgabepreis haben,
c)
der allgemeinen Lebenshaltung zuzurechnen sind oder
d)
in Anlage 12 genannt sind, und
2.
gesondert ausgewiesene Versandkosten.

(3) Aufwendungen für das Mieten von Hilfsmitteln und Geräten zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle nach Absatz 1 Satz 1 sind beihilfefähig, soweit sie nicht höher als die Aufwendungen für deren Anschaffung sind.

(4) Sind Hilfsmittel und Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 weder in Anlage 11 oder 12 aufgeführt noch mit den aufgeführten Gegenständen vergleichbar, sind hierfür getätigte Aufwendungen ausnahmsweise beihilfefähig, wenn dies im Hinblick auf die Fürsorgepflicht nach § 78 des Bundesbeamtengesetzes notwendig ist. Die Festsetzungsstelle entscheidet in Fällen des Satzes 1 mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde. Die oberste Dienstbehörde hat bei Aufwendungen von mehr als 600 Euro vor ihrer Zustimmung das Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat herzustellen. Soweit das Einvernehmen des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat allgemein erklärt ist, kann die oberste Dienstbehörde ihre Zuständigkeit auf eine andere Behörde übertragen. Absatz 2 bleibt unberührt.

(5) Aufwendungen für den Betrieb und die Unterhaltung der Hilfsmittel und Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 sind nur in Höhe des 100 Euro je Kalenderjahr übersteigenden Betrages beihilfefähig. Nicht beihilfefähig sind Aufwendungen für Batterien von Hörgeräten sowie Pflege- und Reinigungsmittel für Kontaktlinsen. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

(6) Beihilfefähig sind auch Aufwendungen für Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn die beihilfeberechtigte oder berücksichtigungsfähige Person selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der die Gefahr einer Infektion durch Stichverletzungen, insbesondere durch Blutentnahmen und Injektionen, besteht oder angenommen werden kann.

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 31. März 2011 - 6 K 303/09 - wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten über die Versorgung des Klägers mit einem Elektromobil (Cityliner 412).
Der Kläger ist Beamter der Bundesfinanzverwaltung der Bundesrepublik Deutschland und für sich und seine Ehefrau mit einem Bemessungssatz von jeweils 70 Prozent beihilfeberechtigt. Die Ehefrau des Klägers leidet an Multipler Sklerose (MS) und ist stark gehbehindert (Merkmal „aG“). Nach den unbestrittenen Angaben der Beklagten erhält sie seit dem 01.08.2001 von der Beihilfestelle anteilige Pflegeleistungen der Stufe III (Pflegegeld für häusliche Pflege).
Unter dem 30.11.2008 beantragte der Kläger unter anderem Beihilfe für das für seine Ehefrau im September 2008 angeschaffte „behindertengerechte Elektromobil Cityliner 412“. Laut Rechnung der Firma R. belaufen sich die Kosten hierfür auf 3.928,57 EUR. In der ärztlichen Bescheinigung des Dr. med. J. vom 01.04.2008 wird sinngemäß die medizinische Notwendigkeit für ein „Elektrokrankenfahrzeug“ attestiert und ausgeführt, die Ehefrau des Klägers wohne an einem Berghang und ohne ein Elektrokrankenfahrzeug könne sie sich nicht fortbewegen.
Mit Bescheid vom 03.12.2008 lehnte die Beklagte die Ausstattung der Ehefrau des Klägers mit einem Elektromobil mit der Begründung ab, es handele sich nicht um ein beihilfefähiges Hilfsmittel. Den hiergegen erhobenen Widerspruch des Klägers, den er damit begründete, im Jahre 2003 sei für den Kauf eines behindertengerechten Elektromobils Beihilfe gewährt worden, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 03.02.2009 zurück. Zur Begründung führte die Behörde unter anderem aus, nach Nr. 1 der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 der Beihilfevorschriften des Bundes seien Krankenfahrstühle mit Zubehör beihilfefähig. Nicht beihilfefähig seien dagegen die unter Nr. 9 der Anlage 3 aufgeführten Gegenstände, wozu auch Elektrofahrzeuge, d.h. auch das hier zu beurteilende Elektromobil gehörten.
Der Kläger hat am 02.03.2009 beim Verwaltungsgericht Freiburg Klage erhoben mit dem sinngemäßen Antrag, die Beklagte zu verpflichten, ihm Beihilfe in Höhe von 70 Prozent für die Anschaffung eines Elektromobils Cityliner 412 zu gewähren und die entgegenstehenden Bescheide der Beklagten vom 03.12.2008 und 03.02.2009 aufzuheben.
Das Verwaltungsgericht Freiburg hat mit Urteil vom 31.03.2011 die Klage abgewiesen und im Wesentlichen ausgeführt: Bei dem vom Kläger angeschafften Elektromobil handele es sich ersichtlich nicht um einen Krankenfahrstuhl im Sinne von Nr. 1 der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 der Beihilfevorschriften des Bundes, sondern um ein Elektrofahrzeug im Sinne von Nr. 9 der Anlage 3. Dieses Fahrzeug sei so gebaut, dass es schon von seinem optischen Eindruck her niemandem einfallen werde, dieses Fahrzeug als Krankenfahrstuhl zu bezeichnen. Wegen seiner Konstruktion und seinen Ausmaßen sei das Fahrzeug auch nicht dazu geeignet, in Wohnungen als Ersatz für einen Stuhl zu dienen. Das Elektromobil sei zur Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr gedacht und entsprechend sei es auch ausgestattet mit Beleuchtung, Blinker, Bremslichtern und Warnblinklicht. Dafür, dass es sich nicht um einen Krankenfahrstuhl handele, spreche im Übrigen auch die Internet-Präsentation der Herstellerfirma. Diese präsentiere das Elektromobil unter dem Oberbegriff „Scooter“ und nicht unter dem Oberbegriff „Rollstühle“, unter dem sie unter anderem auch elektrisch betriebene Rollstühle anbiete.
Die Anschaffung des Elektromobils sei nicht beihilfefähig, weil der Gegenstand der allgemeinen Lebenshaltung zuzurechnen sei. Es handele sich nicht um ein Hilfsmittel, das speziell auf die Nutzung durch kranke oder behinderte Menschen zugeschnitten sei. Ein Elektromobil spreche einen breiteren Personenkreis an, der keines Rollstuhls bedürfe, aber seine Mobilität erhöhen wolle. Es könne unabhängig von bestimmten Krankheitszuständen auch im Rahmen der allgemeinen Lebenshaltung etwa von älteren, nicht krankheitsbedingt in der Gehfähigkeit eingeschränkten, aber allgemein körperlich schwächeren Menschen benutzt werden. Der allgemeinen Lebenshaltung dienten diejenigen Hilfsmittel, die üblicherweise herangezogen würden, um die „Unbequemlichkeiten“ des Lebens zu erleichtern, und die aufgrund der objektiven Eigenart und Beschaffenheit des Gegenstandes keinen unmittelbaren Bezug zu dem festgestellten Krankheitsbild hätten.
Der Umstand, dass die Beklagte früher Beihilfe für ein ähnliches Gerät gewährt habe, begründe auch keinen Vertrauensschutz. Die Abrechnung der Beihilfestellen habe Einzelfallcharakter und enthalte keine darüber hinausgehende positive Feststellung oder Festlegung zur Beihilfefähigkeit künftiger Anträge. Selbst wenn die früher für ein ähnliches Gerät bewilligte Beihilfe rechtswidrig gewesen wäre, sei die Beklagte nicht verpflichtet, diese rechtswidrige Praxis fortzusetzen.
Die Fürsorgepflicht gebiete ebenfalls nicht die Gewährung einer weiteren Beihilfe. Die Beihilfevorschriften stellten eine für den Regelfall grundsätzlich abschließende Konkretisierung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn in Krankheits-, Geburts- und Todesfällen dar. Weitergehende Beihilfeansprüche könnten allenfalls begründet sein, wenn die Fürsorgepflicht in einem Einzelfall gleichwohl noch in ihrem Wesenskern verletzt wäre. Daran wäre etwa zu denken, wenn die Ehefrau des Klägers erst durch ein Elektromobil die ihren Grundbedürfnissen zuzuordnende Bewegungsfreiheit erhielte; diese Bewegungsfreiheit könnte sie aber bereits durch einen - beihilfefähigen - Krankenfahrstuhl erhalten.
10 
Gegen das ihm am 08.04.2011 zugestellte Urteil hat der Kläger am 09.05.2011 (einem Montag) - die vom Verwaltungsgericht zugelassene - Berufung beim Verwaltungsgerichtshof eingelegt. Nachdem der Kläger am 09.05.2011 darauf hingewiesen worden war, dass die Berufung beim Verwaltungsgericht einzulegen ist, hat er am 20.05.2011 beim Verwaltungsgericht (nochmals) Berufung eingelegt und Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt. Zur Begründung dieses Antrags macht der Kläger geltend: Die Rechtsanwaltsfachangestellte des Bevollmächtigten habe in die Berufungsschrift als Adressaten den Verwaltungsgerichtshof eingetragen. Sie habe am 09.05.2011 gegen 11.00 Uhr dem Bevollmächtigten die Berufungsschrift vorgelegt. Der Bevollmächtigte habe kurzfristig wegen der Erkrankung seines Sohnes um ungefähr 12.00 Uhr die Kanzlei verlassen müssen. Zuvor habe er die Berufungsschrift unterzeichnet und die Rechtsanwaltsfachangestellte darauf hingewiesen, dass die erste Seite der Berufungsschrift noch ausgetauscht werden müsse, weil die Berufung beim Verwaltungsgericht einzureichen sei. Die Rechtsanwaltsfachangestellte habe den Berufungsschriftsatz in der alten Form - also adressiert an den Verwaltungsgerichtshof - um 12.19 Uhr gefaxt. Hierbei habe sie vergessen, dass der Adressat in dem Berufungsschriftsatz noch habe ausgetauscht werden müssen. Die Rechtsanwaltsfachangestellte sei eine ausgesprochen erfahrene und zuverlässige Kraft mit zwölfjähriger Berufserfahrung. Deshalb habe der Bevollmächtigte bei Verlassen der Kanzlei auch davon ausgehen dürfen, dass der Adressat der Berufungsschrift seinen Anweisungen entsprechend geändert werde.
11 
In der Sache trägt der Kläger zur Begründung der Berufung unter anderem Folgendes vor: Das angeschaffte Elektromobil sei als Krankenfahrstuhl im Sinne der Anlage 3 Nr. 1 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 der Beihilfevorschriften des Bundes anzusehen. Es sei mit einem Elektrokrankenstuhl in jeder Hinsicht vergleichbar. Das Elektromobil könne auch nicht als Gegenstand der allgemeinen Lebenshaltung angesehen werden. Es sei speziell für behinderte und in ihrer Gehfähigkeit eingeschränkte Personen entwickelt worden. Dem Verwaltungsgericht sei zwar insoweit Recht zu geben, als das Elektromobil auch von älteren, körperlich geschwächten Personen genutzt werden könne. Dies gelte jedoch auch für Rollstühle im herkömmlichen Sinne.
12 
Ein Anspruch lasse sich darüber hinaus auch aus der grundgesetzlich garantierten Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber dem Beamten ableiten. Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts könne die Ehefrau des Klägers die ihren Grundbedürfnissen zuzuordnende Bewegungsfreiheit nicht bereits durch einen Krankenfahrstuhl erhalten. Ihre Mobilität sei durch das angeschaffte Elektromobil deutlich gestiegen. Hierdurch sei es ihr auch alleine möglich, sich außerhalb der Wohnung fortzubewegen.
13 
Der Kläger beantragt,
14 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Freiburg vom 31. März 2011 - 6 K 303/09 - zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung ihrer Bescheide vom 09.12.2008 und 03.02.2009 zu verpflichten, ihm eine Beihilfe in Höhe von 70 Prozent zu den Kosten für die Anschaffung eines Elektromobils in Höhe von 3.928,57 EUR zu gewähren.
15 
Die Beklagte beantragt,
16 
die Berufung zurückzuweisen.
17 
Sie erwidert: In Nr. 9 der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 der Beihilfevorschriften des Bundes seien Gegenstände aufgeführt, die der allgemeinen Lebenshaltung unterlägen und die deshalb von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen seien. Dort seien Elektrofahrzeuge (= Elektromobile) namentlich genannt. Die Versorgung mit einem der Erkrankung der Ehefrau des Klägers entsprechenden - medizinisch notwendigen - Fortbewegungsmittel werde mit einem Krankenfahrstuhl, der unter Nr. 1 der Anlage 3 als beihilfefähiges Hilfsmittel aufgeführt sei, gewährleistet. Hierzu gehörten auch Elektrorollstühle, zu deren Anschaffungskosten von der Beihilfestelle eine anteilige Beihilfe gewährt worden wäre. Dadurch wäre dem Anspruch der Ehefrau des Klägers auf Bewegungsfreiheit ausreichend Genüge getan. Die Versorgung mit einem Elektromobil gehe dagegen über den Maßstab des medizinisch Notwendigen hinaus.
18 
Das hier zu beurteilende Elektromobil könne - entgegen der Auffassung des Klägers - auch nicht als Krankenfahrstuhl im Sinne der Anlage 3 Nr. 1 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 der Beihilfevorschriften des Bundes angesehen werden. Auch bei wohlwollender Auslegung sei das Elektromobil, das ersichtlich für die Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr konstruiert und hierfür ausgestattet sei, hingegen für die Nutzung innerhalb einer Wohnung aufgrund seiner Abmessungen und seines Wendekreises völlig ungeeignet sei, nicht mit einem speziell zum Ausgleich von Behinderungen konzipierten Krankenfahrstuhl vergleichbar. In der Bedienungsanleitung für das vom Kläger angeschaffte Elektromobil werde darauf hingewiesen, dass als Voraussetzung für dessen Nutzung die grundsätzliche Eignung des Fahrers zur Teilnahme am Straßenverkehr gewährleistet sein müsse. Zudem werde mehrmals auf die durch den Gebrauch des Fahrzeugs möglichen Gefahren (Unfall-, Kurzschluss-, Verletzungs-, Kippgefahr, Überschreitung der Sicherheitsgrenzen bei Geschwindigkeit und Gefälle) aufmerksam gemacht. Nutzungseinschränkungen und -gefahren dieses Umfangs seien mit der Bezeichnung Krankenfahrstuhl, die nach der Definition ausschließlich eine Benutzung durch kranke und behinderte Personen ermöglichen solle, nicht vereinbar. Sie gäben vielmehr Hinweis darauf, dass die Nutzung hauptsächlich durch gesunde, allenfalls in ihrer Bewegungsfähigkeit eingeschränkte Personen erfolgen könne.
19 
Im häuslichen Bereich sei die Ehefrau des Klägers mit einem „normalen“ Rollstuhl versorgt. Zudem erhalte sie seit dem 01.08.2001 von der Beihilfestelle anteilige Pflegeleistungen der Stufe III (Pflegegeld für häusliche Pflege). Dieses Pflegegeld diene auch zur Verbesserung der Bewegungsfreiheit (Mobilität) der Ehefrau des Klägers. Vor diesem Hintergrund sei davon auszugehen, dass die Pflegeperson - bei einem Betreuungsbedarf „rund um die Uhr“, wie er der Pflegestufe III zugrundezulegen sei - dafür Sorge zu tragen habe, dass der Ehefrau des Klägers die Teilnahme am allgemeinen Leben ermöglicht werde. Hierzu könne mit Hilfe der Pflegeperson der bereits vorhandene Rollstuhl verwendet werden. Eine zusätzliche Versorgung mit einem Elektromobil sei daher nicht erforderlich.
20 
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die dem Senat vorliegenden Akten sowie die Schriftsätze der Beteiligten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
21 
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
I.
22 
Die Berufung des Klägers ist zulässig.
23 
Die vom Verwaltungsgericht in seinem Urteil zugelassene Berufung (§ 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO) ist zwar beim Verwaltungsgericht erst nach Ablauf der einmonatigen Berufungsfrist des § 124 a Abs. 2 Satz 1 VwGO und damit verspätet eingelegt worden. Wegen der versäumten Frist ist dem Kläger jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§§ 125 Abs. 1, 60 VwGO), da er ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Frist für die Einlegung der Berufung verhindert war. Nach dem Vorbringen des Klägers hat die Rechtsanwaltsfachangestellte seines Prozessbevollmächtigten am letzten Tag der Berufungsfrist - am Montag, dem 09.05.2011 - die Berufung entgegen der ausdrücklichen Anweisung des Bevollmächtigten beim Verwaltungsgerichtshof und nicht beim Verwaltungsgericht eingereicht. Der Kläger hat diese Darstellung durch eine eidesstattliche Versicherung der Angestellten hinreichend glaubhaft gemacht. Das danach anzunehmende Verschulden des Büropersonals seines Bevollmächtigten ist dem Kläger nicht zuzurechnen. Soweit ein Bevollmächtigter seinem Personal - wie hier - Weisungen erteilt hat, darf er grundsätzlich darauf vertrauen, dass sein sonst zuverlässiges Personal seine Weisungen befolgt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl., § 60 RdNr. 21). Danach hat der Bevollmächtigte des Klägers hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Versäumung der Berufungsfrist auf einem Versehen seiner sonst zuverlässigen Kanzleiangestellten beruhte. Der Wiedereinsetzungsantrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses gestellt worden und erfüllt damit auch die weiteren, sich aus § 60 Abs. 2 Satz 1 1 Hs. VwGO ergebenden Voraussetzungen.
II.
24 
Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage, mit der der Kläger die Gewährung einer Beihilfe für die Anschaffung eines Elektromobils beansprucht, zu Recht abgewiesen.
25 
1. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 - 2 C 35.04 - BVerwGE 125, 21 m.w.N.). Ob und inwieweit der Kläger Anspruch auf Beihilfe für das für seine Ehefrau angeschaffte Elektromobil hat, bestimmt sich danach auf der Grundlage der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften des Bundes für Beihilfen in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen (Beihilfevorschriften - BhV -) in der im Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen geltenden Fassung vom 01.11.2001. Zwar genügen die Beihilfevorschriften nicht den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts, sie waren jedoch für eine Übergangszeit weiterhin anwendbar (vgl. BVerwG, Urteile vom 17.06.2004 - 2 C 50.02 - BVerwGE 121, 103 und vom 26.08.2009 - 2 C 62.08 - NVwZ-RR 2010, 366). Das Verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang zutreffend angenommen, dass die Frist, bis zu deren Ablauf die Beihilfevorschriften übergangsweise weiterhin anzuwenden waren, im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung über den Beihilfeantrag des Klägers noch nicht abgelaufen war. Die Vorschriften sind erst seit Inkrafttreten der Beihilfeverordnung des Bundes (BBhV, BGBl. I 2009, 326) nicht mehr anwendbar (BVerwG, Urteil vom 26.08.2009, aaO).
26 
2. Die Aufwendungen für die Anschaffung des hier zu beurteilenden Elektromobils sind dem Grunde nach nicht notwendig und damit nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BhV nicht beihilfefähig.
27 
a) Gemäß der genannten Vorschrift sind beihilfefähig nach den folgenden Bestimmungen Aufwendungen, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. § 6 BhV trifft nähere Regelungen über die beihilfefähigen Aufwendungen aus Anlass einer Krankheit. Nach Abs. 1 Nr. 4 dieser Vorschrift sind aus Anlass einer Krankheit beihilfefähig die Aufwendungen u.a. für die Anschaffung der vom Arzt schriftlich verordneten Hilfsmittel. Voraussetzungen und Umfang der Beihilfefähigkeit bestimmen sich nach der Anlage 3. Nach Nr. 1 der Anlage 3 sind die notwendigen und angemessenen Aufwendungen für die Anschaffung der Hilfsmittel - gegebenenfalls im Rahmen der Höchstbeträge - beihilfefähig, wenn sie vom Arzt schriftlich verordnet und nachstehend aufgeführt sind. Dazu gehört ein „Krankenfahrstuhl mit Zubehör“. In Nr. 9 der Anlage 3 wird weiter bestimmt, dass zu den Hilfsmitteln nicht Gegenstände gehören, die nicht notwendig und angemessen (§ 5 Abs. 1 BhV), von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis (§ 6 Abs. 4 Nr. 3) sind oder der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen; daran anschließend sind im Einzelnen Gegenstände aufgeführt, die nicht zu den Hilfsmitteln gehören (sog. Negativkatalog). Durch die Formulierung „insbesondere“ wird in diesem Zusammenhang klargestellt, dass dieser Katalog nicht abschließend ist; in diesem Negativkatalog ist unter anderem aufgeführt „Elektrofahrzeuge (z.B. LARK, Graf Carello)“. Vor dem Hintergrund dieser Systematik in der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV ist eine Gesamtabwägung vorzunehmen, ob die Aufwendungen für den zu beurteilenden Gegenstand unter Berücksichtigung der genannten Beispielsfälle notwendig und angemessen sind, oder ob sie im Hinblick auf die genannten Ausschlussgründe - insbesondere weil die Gegenstände der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen - von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen sind (vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 26.09.2011 - 2 S 825/11).
28 
b) Das Verwaltungsgericht hat - ausgehend von den dargestellten Rechtsvorschriften - das vom Kläger angeschaffte Elektromobil nicht als „Krankenfahrstuhl“ im Sinne der Nr. 1 der Anlage 3, sondern als „Elektrofahrzeug“ nach Nr. 9 der Anlage eingestuft und dementsprechend die Beihilfefähigkeit des Gegenstand verneint. Diese Einschätzung begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
29 
aa) Nach der nicht zu beanstandenden Auslegung der Beklagten unterfallen dem Begriff „Krankenfahrstuhl“ sowohl Rollstühle ohne Antrieb als auch Elektrorollstühle, jedoch nicht Elektromobile wie das hier zu beurteilende Fahrzeug. Bereits der Wortlaut „Krankenfahrstuhl“ legt die Einbeziehung von Elektromobilen bzw. Scootern in diese „Hilfsmittelgruppe“ nicht nahe. Zudem ist - wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt - für einen Krankenfahrstuhl charakteristisch, dass er gerade auch in Gebäuden, d.h. in Wohnungen oder sonstigen Aufenthaltsbereichen, genutzt wird; seine Konstruktion als fahrbarer Stuhl mit entsprechenden Abmessungen und entsprechendem Wenderadius ermöglicht es seinem Benutzer, sich in Wohnungen von Raum zu Raum zu bewegen und z.B. auch an Tische heranzufahren. Das hier zu beurteilende Elektromobil ist dagegen ersichtlich für die Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr konstruiert und entsprechend ausgestattet; für eine Nutzung innerhalb einer Wohnung ist es aufgrund seiner Abmessungen und seines Wendekreises völlig ungeeignet. Vor diesem Hintergrund ist es mit einem speziell zum Ausgleich von Behinderungen konzipierten Krankenfahrstuhl nicht vergleichbar. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber durch die Auflistung von „Elektrofahrzeugen“ unter Nr. 9 der Anlage 3 ausdrücklich klargestellt, dass Geräte wie das hier zu beurteilende gerade nicht dem Begriff eines „Krankenfahrstuhls“ i.S.v. Nr. 1 der Anlage 3 unterfallen. Die unter dem Begriff „Elektrofahrzeuge“ beispielhaft aufgeführten Marken LARK und Graf Carello sind nach ihrem Aussehen und ihrer Funktion ohne weiteres mit dem vom Kläger angeschafften Elektromobil Cityliner 412 vergleichbar. Der Gesetzgeber hat danach eine eindeutige Abgrenzung zwischen „Krankenfahrstuhl mit Zubehör“ einerseits und „Elektrofahrzeugen“ andererseits vorgenommen, die eine erweiternde Auslegung des Begriffs „Krankenfahrstuhl“ und eine Einbeziehung des Cityliners 412 unter diese Rubrik ausschließt.
30 
Soweit das OVG Bremen ein Elektromobil in die Rubrik „Krankenfahrstuhl“ in Nr. 1 der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV eingestuft hat (Urteil vom 15.12.1999 - 2 A 112/99 - NordÖR 2000, 247), kann dieser Auffassung im Hinblick auf die dargelegte Systematik nicht gefolgt werden. Das OVG Bremen vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, ein Elektromobil könne nicht als Gegenstand, der der allgemeinen Lebenshaltung unterliegt, im Sinne von Nr. 9 der Anlage 3 angesehen werden, sondern müsse als beihilfefähiges Hilfsmittel eingestuft werden. Mit dieser Begründung wendet sich das OVG Bremen im Hinblick auf Elektromobile im Kern gegen die Rechtmäßigkeit der maßgeblichen Beihilfevorschriften des Bundes und leitet aus übergeordneten Gesichtspunkten entgegen dem Wortlaut der Vorschriften einen Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil ab. Mit dieser Begründung kann jedoch ein unmittelbarer Anspruch des Beihilfeberechtigten auf Versorgung mit einem Elektromobil bereits nach den einschlägigen Rechtsvorschriften des Bundes nicht angenommen werden.
31 
bb) Die danach in Nr. 9 der Anlage 3 getroffene Entscheidung des Gesetzgebers, Elektromobile grundsätzlich nicht als erforderliche Hilfsmittel und damit nicht als beihilfefähig anzusehen, hält einer rechtlichen Überprüfung stand.
32 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur gesetzlichen Krankenversicherung ist ein Hilfsmittel erforderlich, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehören danach das Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die (elementare) Körperpflege, das selbständige Wohnen sowie das Erschließen eines körperlichen Freiraums im Nahbereich der Wohnung und das Bedürfnis bei Krankheit oder Behinderung Ärzte und Therapeuten aufzusuchen. Das im Fall der Klägerin einschlägige Grundbedürfnis des Erschließens eines gewissen körperlichen Freiraums ist nur im Sinne eines Basisausgleichs und nicht als vollständiges Gleichziehen mit den letztlich unbegrenzten Mobilitätsmöglichkeiten des Gesunden zu verstehen. Der Basisausgleich umfasst insoweit die Fähigkeit, sich in der Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang in die frische Luft zu gelangen oder die Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte, zu denen das Einkaufen von Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens gehört, zu erledigen sind (vgl. zum Ganzen: BSG, Urteil vom 24.05.2006 - B 3 KR16/05 R -SozR 4-2500 § 33 Nr. 12). Die Benutzung eines Kraftfahrzeugs, sei es als Fahrer oder Mitfahrer, zählt jedoch nicht zu den Grundbedürfnissen, die durch die Leistungen der Krankenversicherung zu befriedigen sind. Auf diese zum Recht der gesetzlichen Krankenversicherung entwickelten Grundsätze kann auch im Rahmen entsprechender beihilferechtlicher Entscheidungen zurückgegriffen werden, da sie den Verpflichtungen des Dienstherrn entsprechen, die diesem aus seiner Fürsorgepflicht gegenüber seinen Beamten erwachsen (vgl. etwa VGH Bad.-Württ, Urt. v. 24.04.1996 - 4 S 3208/94 - DÖD 1997, 37).
33 
Das hier zu beurteilende Elektromobil Cityliner 412 erweist sich danach zur Überzeugung des Senats nicht als notwendig i.S.d. § 5 Abs. 1 BhV. Ist - wie hier - das allgemeine Grundbedürfnis der „Bewegungsfreiheit“ betroffen, so richtet sich die Notwendigkeit eines Hilfsmittels in erster Linie danach, ob dadurch der Bewegungsradius in einem Umfang erweitert wird, den ein Gesunder üblicherweise noch zu Fuß erreicht. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Ehefrau des Klägers die Bewegung im Nahbereich der Wohnung wegen ihrer MS-Erkrankung nicht mehr in ausreichendem Umfang möglich ist. Sie bedarf daher zur Erschließung des erforderlichen körperlichen Freiraums - dies ist ebenfalls unstreitig - eines Hilfsmittels. Die Beklagte kommt bei dieser Sachlage ihren Verpflichtungen, die ihr aus der Fürsorgepflicht gegenüber ihren Beamten erwächst, in ausreichendem Maße nach, wenn sie entsprechend ihren Vorschriften die Aufwendungen für die Anschaffung eines „Krankenfahrstuhls“ übernimmt. Dies kann bedeuten, dass der Kranke bzw. Behinderte unter Berücksichtigung der besonderen Umstände seines Einzelfalles gegebenenfalls Anspruch auf die Übernahme der Kosten eines Elektrorollstuhls hat, um ihm auf diesem Weg den erforderlichen körperlichen Freiraum zu verschaffen. Ein - darüber hinausgehender - Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil bzw. ein Wahlrecht des Beihilfeberechtigten, ihm entweder einen Elektrorollstuhl oder ein Elektromobil zur Verfügung zu stellen, besteht hingegen nicht.
34 
In Fällen wie dem hier zu beurteilenden gewährleistet regelmäßig ein Hilfsmittel in Form eines Elektrorollstuhls das allgemeine Grundbedürfnis des Kranken bzw. des Behinderten auf „Bewegungsfreiheit“. Dieses Hilfsmittel sorgt für die erforderliche Mobilität des Kranken bzw. Behinderten sowohl in Wohnungen und sonstigen Aufenthaltsräumen als auch außerhalb der Wohnung in einem Nahbereich, den ein Gesunder üblicherweise noch zu Fuß erreicht. So ermöglicht es die Konstruktion des Elektrorollstuhls mit entsprechenden Abmessungen und Wenderadius seinem Benutzer, sich in Wohnungen von Raum zu Raum zu bewegen und z.B. auch an Tische heranzufahren. Der Elektrorollstuhl stellt ferner bei Einkäufen im Nahbereich und bei der Aufsuchung von Ärzten und Therapeuten sicher, dass der Benutzer sich in den entsprechenden Räumlichkeiten fortbewegen kann und insoweit mobil ist. Ein Elektromobil ist hingegen nicht geeignet, die erforderliche Mobilität des Benutzers in Wohnungen oder sonstigen Aufenthaltsräumen sicherzustellen. Aufgrund seiner Abmessungen und seines Wendekreises ist es - wie dargelegt - nur für die Benutzung auf der Straße geeignet. Der Kranke bzw. der Behinderte kann damit nur den Weg zu den Einkaufsgeschäften und den Praxisräumen seiner Ärzte und Therapeuten zurücklegen, im Geschäft und in der Praxis selbst ist er jedoch auf weitere Hilfestellung bzw. ein weiteres Hilfsmittel angewiesen. So wäre es der Ehefrau des Klägers etwa unmöglich, mit dem von ihr angeschafften Elektromobil einen (kleineren) Supermarkt aufzusuchen und dort auch selbständig durch die Geschäftsräume zu fahren, um die Waren auszusuchen. Bei dieser Sachlage stellt sich die Entscheidung des Gesetzgebers, stark Gehbehinderten wie der Ehefrau des Klägers bei typisierender Betrachtung einen Elektrorollstuhl im Rahmen der Hilfsmittelversorgung zur Verfügung zu stellen - nicht jedoch ein Elektromobil - als sachgerecht dar. Das Hilfsmittel eines Elektrorollstuhls sichert das Grundbedürfnis der „Bewegungsfreiheit“ in umfassender Weise und stellt im Vergleich zum Elektromobil das zielgerichtetere bzw. das zielgenauere Hilfsmittel dar. Ist danach das Elektromobil kein gleichermaßen geeignetes Hilfsmittel, steht dem Beihilfeberechtigten auch kein Wahlrecht zwischen Elektrorollstuhl und Elektromobil zu und es kommt auf die Frage, welches Hilfsmittel wirtschaftlicher ist, nicht an.
35 
Dem Umstand, dass das Elektromobil im Vergleich zum Elektrorollstuhl dem Kranken bzw. Behinderten eine schnellere Fortbewegung und auch das Zurücklegen größerer Strecken ermöglicht, kommt in diesem Zusammenhang keine maßgebliche Bedeutung zu. Auch der Elektrorollstuhl sichert die Mobilität im Nahbereich der Wohnung in ausreichendem Maße. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang insbesondere, dass ein gesunder Fußgänger sich den Nahbereich einer Wohnung wesentlich schneller erschließen kann als dies für einen Behinderten mit Hilfe eines Elektrorollstuhls möglich ist. Ziel des Basisausgleichs ist es gerade nicht, ein vollständiges Gleichziehen mit Gesunden zu ermöglichen. Unerheblich ist schließlich auch, dass mit Hilfe eines Elektromobils weitaus größere Entfernungen zurückgelegt werden können und dementsprechend sich der Behinderte einen größeren Bewegungsradius verschaffen kann. Auch hier gilt, dass die Hilfsmittelversorgung nur den Nahbereich der Wohnung erschließen soll, jedoch nicht einen Bereich, den ein Gesunder üblicherweise mit dem Fahrrad, einem Elektrobike oder gar einem Kraftfahrzeug aufsucht.
36 
cc) Ob es unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht des Dienstherrn im Einzelfall ausnahmsweise geboten sein kann, von der generellen Entscheidung des Gesetzgebers abzuweichen, wonach lediglich Elektrorollstühle, jedoch keine Elektromobile beihilfefähig sind, bedarf hier keiner Entscheidung. Im Fall der Ehefrau des Klägers sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die ausnahmsweise einen Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil begründen könnten. Das der Ehefrau des Klägers von der Beklagten früher zur Verfügung gestellte Elektromobil hatte zwar die Mobilität der Ehefrau des Klägers deutlich erhöht und es ihr - nach eigenem Vortrag - ermöglicht, sich alleine außerhalb der Wohnung fortzubewegen. Die erforderliche Mobilität kann jedoch - wie dargelegt - grundsätzlich durch die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl sichergestellt werden. Die Ehefrau des Klägers hat auch keine Besonderheiten vorgetragen, die in ihrem Fall die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl als nicht ausreichend erscheinen ließen.
37 
Soweit sich die Beklagte im Berufungsverfahren sinngemäß darauf berufen hat, der Ehefrau des Klägers sei Pflegegeld der Stufe III zuerkannt worden und die entsprechende Pflegeperson habe mit Hilfe des bereits vorhandenen Rollstuhls die Teilnahme der Ehefrau des Klägers am allgemeinen Leben zu ermöglichen, braucht diesem Vortrag nicht weiter nachgegangen zu werden. Ob die Ehefrau des Klägers Anspruch auf die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl hat, ist nicht Streitgegenstand dieses Verfahrens, zumal sie einen entsprechenden Antrag bislang nicht gestellt hat.
38 
dd) Da nach alledem das von der Ehefrau des Klägers angeschaffte Elektromobil nicht notwendig i.S.d. § 5 Abs. 1 BhV ist, bedarf es auch keiner Entscheidung, ob Elektromobile darüber hinaus im Sinne von Nr. 9 der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV als Gegenstände anzusehen sind, die der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen und - auch deshalb - von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen sind. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 03.11.1999 - B 3 KR 16/99 R - FEVS 51, 395) ist ein Elektromobil kein allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens im Sinne des § 33 Abs. 1 SGB V, weil es nur von Personen benutzt wird, die durch Krankheit oder Behinderung in ihrer Gehfähigkeit eingeschränkt sind, jedoch nicht in nennenswertem Umfang auch von gesunden Menschen (so wohl auch OVG Bremen, Urteil vom 15.12.1999, aaO). Im Gegensatz dazu vertritt das OVG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 07.07.1998 - 12 A 5885/96 - Juris) die Auffassung, bei einem Elektromobil handele es sich um ein Fortbewegungsmittel, das der allgemeinen Lebenshaltung zuzurechnen sei. Dafür lässt sich - so zu Recht das Verwaltungsgericht - anführen, dass ein Elektromobil auch einen breiteren Personenkreis anspricht, der keines Rollstuhls bedarf, aber seine Mobilität erhöhen will. Ein Elektromobil kann - unabhängig von bestimmten Krankheitszuständen oder Behinderungen - auch etwa von älteren, nicht krankheitsbedingt in der Gehfähigkeit eingeschränkten, aber allgemein körperlich schwächeren Menschen benutzt werden. Vor diesem tatsächlichen Hintergrund begegnet die Annahme des Bundessozialgerichts, Elektromobile würden ausschließlich von Kranken oder Behinderten benutzt, gewissen Zweifeln. Mangels Entscheidungserheblichkeit braucht der Senat jedoch der Frage, in welchem Umfang Elektromobile auch von gesunden (älteren) Menschen benutzt werden, nicht weiter nachzugehen.
39 
3. Schließlich vermittelt auch der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG der Ehefrau des Klägers keinen Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil. Sie beruft sich in diesem Zusammenhang darauf, dass die Beklagte ihr im Jahre 2003 Beihilfe für die Anschaffung eines vergleichbaren Elektromobils gewährt habe. Sollte die Beklagte der Ehefrau des Klägers in der Vergangenheit aufgrund individueller Besonderheiten die Beihilfe zu Recht gewährt haben, würde es nunmehr an einem vergleichbaren Sachverhalt fehlen; nach den obigen Ausführungen sind im Zeitpunkt dieser Entscheidung keine Besonderheiten gegeben, die einen Anspruch der Ehefrau des Klägers begründen könnten. Sollte die Beklagte dagegen in der Vergangenheit unter Verstoß gegen die Beihilfevorschriften des Bundes der Ehefrau des Klägers einen Anspruch auf Beihilfe für die Anschaffung eines Elektromobils zuerkannt haben, ließe sich aus dem Gleichheitsgrundsatz ein Anspruch, ihr gegenüber nochmals eine solche (rechtswidrige) Entscheidung zu treffen, nicht herleiten. Die Verwaltung ist nach Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden. Diese Bindung entfällt nicht deshalb, weil eine Behörde diese Bindung während eines bestimmten Zeitraums nicht hinreichend beachtet hat. Deshalb kann die Verletzung des Gleichheitssatzes mit Erfolg, d.h. mit dem Anspruch auf Einräumung einer Begünstigung nur rügen, wer nach der maßgebenden objektiven Rechtslage einen Anspruch auf die von ihm begehrte Gleichbehandlung hat. Gebietet die Rechtslage die erstrebte Behandlung nicht bzw. schließt sie sie aus, so ist der Gleichheitssatz auch dann nicht verletzt, wenn eine Behandlung entgegen der objektiven Rechtslage in anderen (gleichgelagerten) Fällen gewährt worden ist (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 26.02.1993 - 8 C 20.92 - BVerwGE 92, 153; Urteil vom 10.12.1969 - VIII C 104.69 - BVerwGE 34, 278; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 07.09.2011 - 2 S 1202/10 -).
40 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
41 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
42 
Beschluss vom 10. Oktober 2011
43 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 3 GKG auf 2.750,-- EUR festgesetzt.
44 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

Gründe

 
21 
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§§ 125 Abs. 1, 101 Abs. 2 VwGO).
I.
22 
Die Berufung des Klägers ist zulässig.
23 
Die vom Verwaltungsgericht in seinem Urteil zugelassene Berufung (§ 124 a Abs. 1 Satz 1 VwGO) ist zwar beim Verwaltungsgericht erst nach Ablauf der einmonatigen Berufungsfrist des § 124 a Abs. 2 Satz 1 VwGO und damit verspätet eingelegt worden. Wegen der versäumten Frist ist dem Kläger jedoch Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren (§§ 125 Abs. 1, 60 VwGO), da er ohne sein Verschulden an der Einhaltung der Frist für die Einlegung der Berufung verhindert war. Nach dem Vorbringen des Klägers hat die Rechtsanwaltsfachangestellte seines Prozessbevollmächtigten am letzten Tag der Berufungsfrist - am Montag, dem 09.05.2011 - die Berufung entgegen der ausdrücklichen Anweisung des Bevollmächtigten beim Verwaltungsgerichtshof und nicht beim Verwaltungsgericht eingereicht. Der Kläger hat diese Darstellung durch eine eidesstattliche Versicherung der Angestellten hinreichend glaubhaft gemacht. Das danach anzunehmende Verschulden des Büropersonals seines Bevollmächtigten ist dem Kläger nicht zuzurechnen. Soweit ein Bevollmächtigter seinem Personal - wie hier - Weisungen erteilt hat, darf er grundsätzlich darauf vertrauen, dass sein sonst zuverlässiges Personal seine Weisungen befolgt (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl., § 60 RdNr. 21). Danach hat der Bevollmächtigte des Klägers hinreichend glaubhaft gemacht, dass die Versäumung der Berufungsfrist auf einem Versehen seiner sonst zuverlässigen Kanzleiangestellten beruhte. Der Wiedereinsetzungsantrag ist binnen zwei Wochen nach Wegfall des Hindernisses gestellt worden und erfüllt damit auch die weiteren, sich aus § 60 Abs. 2 Satz 1 1 Hs. VwGO ergebenden Voraussetzungen.
II.
24 
Die Berufung des Klägers ist jedoch unbegründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage, mit der der Kläger die Gewährung einer Beihilfe für die Anschaffung eines Elektromobils beansprucht, zu Recht abgewiesen.
25 
1. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.2005 - 2 C 35.04 - BVerwGE 125, 21 m.w.N.). Ob und inwieweit der Kläger Anspruch auf Beihilfe für das für seine Ehefrau angeschaffte Elektromobil hat, bestimmt sich danach auf der Grundlage der Allgemeinen Verwaltungsvorschriften des Bundes für Beihilfen in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und Todesfällen (Beihilfevorschriften - BhV -) in der im Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen geltenden Fassung vom 01.11.2001. Zwar genügen die Beihilfevorschriften nicht den Anforderungen des verfassungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts, sie waren jedoch für eine Übergangszeit weiterhin anwendbar (vgl. BVerwG, Urteile vom 17.06.2004 - 2 C 50.02 - BVerwGE 121, 103 und vom 26.08.2009 - 2 C 62.08 - NVwZ-RR 2010, 366). Das Verwaltungsgericht hat in diesem Zusammenhang zutreffend angenommen, dass die Frist, bis zu deren Ablauf die Beihilfevorschriften übergangsweise weiterhin anzuwenden waren, im Zeitpunkt der behördlichen Entscheidung über den Beihilfeantrag des Klägers noch nicht abgelaufen war. Die Vorschriften sind erst seit Inkrafttreten der Beihilfeverordnung des Bundes (BBhV, BGBl. I 2009, 326) nicht mehr anwendbar (BVerwG, Urteil vom 26.08.2009, aaO).
26 
2. Die Aufwendungen für die Anschaffung des hier zu beurteilenden Elektromobils sind dem Grunde nach nicht notwendig und damit nach § 5 Abs. 1 Satz 1 BhV nicht beihilfefähig.
27 
a) Gemäß der genannten Vorschrift sind beihilfefähig nach den folgenden Bestimmungen Aufwendungen, wenn sie dem Grunde nach notwendig und soweit sie der Höhe nach angemessen sind. § 6 BhV trifft nähere Regelungen über die beihilfefähigen Aufwendungen aus Anlass einer Krankheit. Nach Abs. 1 Nr. 4 dieser Vorschrift sind aus Anlass einer Krankheit beihilfefähig die Aufwendungen u.a. für die Anschaffung der vom Arzt schriftlich verordneten Hilfsmittel. Voraussetzungen und Umfang der Beihilfefähigkeit bestimmen sich nach der Anlage 3. Nach Nr. 1 der Anlage 3 sind die notwendigen und angemessenen Aufwendungen für die Anschaffung der Hilfsmittel - gegebenenfalls im Rahmen der Höchstbeträge - beihilfefähig, wenn sie vom Arzt schriftlich verordnet und nachstehend aufgeführt sind. Dazu gehört ein „Krankenfahrstuhl mit Zubehör“. In Nr. 9 der Anlage 3 wird weiter bestimmt, dass zu den Hilfsmitteln nicht Gegenstände gehören, die nicht notwendig und angemessen (§ 5 Abs. 1 BhV), von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis (§ 6 Abs. 4 Nr. 3) sind oder der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen; daran anschließend sind im Einzelnen Gegenstände aufgeführt, die nicht zu den Hilfsmitteln gehören (sog. Negativkatalog). Durch die Formulierung „insbesondere“ wird in diesem Zusammenhang klargestellt, dass dieser Katalog nicht abschließend ist; in diesem Negativkatalog ist unter anderem aufgeführt „Elektrofahrzeuge (z.B. LARK, Graf Carello)“. Vor dem Hintergrund dieser Systematik in der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV ist eine Gesamtabwägung vorzunehmen, ob die Aufwendungen für den zu beurteilenden Gegenstand unter Berücksichtigung der genannten Beispielsfälle notwendig und angemessen sind, oder ob sie im Hinblick auf die genannten Ausschlussgründe - insbesondere weil die Gegenstände der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen - von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen sind (vgl. dazu VGH Bad.-Württ., Urteil vom 26.09.2011 - 2 S 825/11).
28 
b) Das Verwaltungsgericht hat - ausgehend von den dargestellten Rechtsvorschriften - das vom Kläger angeschaffte Elektromobil nicht als „Krankenfahrstuhl“ im Sinne der Nr. 1 der Anlage 3, sondern als „Elektrofahrzeug“ nach Nr. 9 der Anlage eingestuft und dementsprechend die Beihilfefähigkeit des Gegenstand verneint. Diese Einschätzung begegnet keinen rechtlichen Bedenken.
29 
aa) Nach der nicht zu beanstandenden Auslegung der Beklagten unterfallen dem Begriff „Krankenfahrstuhl“ sowohl Rollstühle ohne Antrieb als auch Elektrorollstühle, jedoch nicht Elektromobile wie das hier zu beurteilende Fahrzeug. Bereits der Wortlaut „Krankenfahrstuhl“ legt die Einbeziehung von Elektromobilen bzw. Scootern in diese „Hilfsmittelgruppe“ nicht nahe. Zudem ist - wie das Verwaltungsgericht zu Recht ausführt - für einen Krankenfahrstuhl charakteristisch, dass er gerade auch in Gebäuden, d.h. in Wohnungen oder sonstigen Aufenthaltsbereichen, genutzt wird; seine Konstruktion als fahrbarer Stuhl mit entsprechenden Abmessungen und entsprechendem Wenderadius ermöglicht es seinem Benutzer, sich in Wohnungen von Raum zu Raum zu bewegen und z.B. auch an Tische heranzufahren. Das hier zu beurteilende Elektromobil ist dagegen ersichtlich für die Teilnahme am öffentlichen Straßenverkehr konstruiert und entsprechend ausgestattet; für eine Nutzung innerhalb einer Wohnung ist es aufgrund seiner Abmessungen und seines Wendekreises völlig ungeeignet. Vor diesem Hintergrund ist es mit einem speziell zum Ausgleich von Behinderungen konzipierten Krankenfahrstuhl nicht vergleichbar. Darüber hinaus hat der Gesetzgeber durch die Auflistung von „Elektrofahrzeugen“ unter Nr. 9 der Anlage 3 ausdrücklich klargestellt, dass Geräte wie das hier zu beurteilende gerade nicht dem Begriff eines „Krankenfahrstuhls“ i.S.v. Nr. 1 der Anlage 3 unterfallen. Die unter dem Begriff „Elektrofahrzeuge“ beispielhaft aufgeführten Marken LARK und Graf Carello sind nach ihrem Aussehen und ihrer Funktion ohne weiteres mit dem vom Kläger angeschafften Elektromobil Cityliner 412 vergleichbar. Der Gesetzgeber hat danach eine eindeutige Abgrenzung zwischen „Krankenfahrstuhl mit Zubehör“ einerseits und „Elektrofahrzeugen“ andererseits vorgenommen, die eine erweiternde Auslegung des Begriffs „Krankenfahrstuhl“ und eine Einbeziehung des Cityliners 412 unter diese Rubrik ausschließt.
30 
Soweit das OVG Bremen ein Elektromobil in die Rubrik „Krankenfahrstuhl“ in Nr. 1 der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV eingestuft hat (Urteil vom 15.12.1999 - 2 A 112/99 - NordÖR 2000, 247), kann dieser Auffassung im Hinblick auf die dargelegte Systematik nicht gefolgt werden. Das OVG Bremen vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, ein Elektromobil könne nicht als Gegenstand, der der allgemeinen Lebenshaltung unterliegt, im Sinne von Nr. 9 der Anlage 3 angesehen werden, sondern müsse als beihilfefähiges Hilfsmittel eingestuft werden. Mit dieser Begründung wendet sich das OVG Bremen im Hinblick auf Elektromobile im Kern gegen die Rechtmäßigkeit der maßgeblichen Beihilfevorschriften des Bundes und leitet aus übergeordneten Gesichtspunkten entgegen dem Wortlaut der Vorschriften einen Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil ab. Mit dieser Begründung kann jedoch ein unmittelbarer Anspruch des Beihilfeberechtigten auf Versorgung mit einem Elektromobil bereits nach den einschlägigen Rechtsvorschriften des Bundes nicht angenommen werden.
31 
bb) Die danach in Nr. 9 der Anlage 3 getroffene Entscheidung des Gesetzgebers, Elektromobile grundsätzlich nicht als erforderliche Hilfsmittel und damit nicht als beihilfefähig anzusehen, hält einer rechtlichen Überprüfung stand.
32 
Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts zur gesetzlichen Krankenversicherung ist ein Hilfsmittel erforderlich, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Zu den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens gehören danach das Gehen, Stehen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die (elementare) Körperpflege, das selbständige Wohnen sowie das Erschließen eines körperlichen Freiraums im Nahbereich der Wohnung und das Bedürfnis bei Krankheit oder Behinderung Ärzte und Therapeuten aufzusuchen. Das im Fall der Klägerin einschlägige Grundbedürfnis des Erschließens eines gewissen körperlichen Freiraums ist nur im Sinne eines Basisausgleichs und nicht als vollständiges Gleichziehen mit den letztlich unbegrenzten Mobilitätsmöglichkeiten des Gesunden zu verstehen. Der Basisausgleich umfasst insoweit die Fähigkeit, sich in der Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang in die frische Luft zu gelangen oder die Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte, zu denen das Einkaufen von Lebensmitteln und Gebrauchsgegenständen des täglichen Lebens gehört, zu erledigen sind (vgl. zum Ganzen: BSG, Urteil vom 24.05.2006 - B 3 KR16/05 R -SozR 4-2500 § 33 Nr. 12). Die Benutzung eines Kraftfahrzeugs, sei es als Fahrer oder Mitfahrer, zählt jedoch nicht zu den Grundbedürfnissen, die durch die Leistungen der Krankenversicherung zu befriedigen sind. Auf diese zum Recht der gesetzlichen Krankenversicherung entwickelten Grundsätze kann auch im Rahmen entsprechender beihilferechtlicher Entscheidungen zurückgegriffen werden, da sie den Verpflichtungen des Dienstherrn entsprechen, die diesem aus seiner Fürsorgepflicht gegenüber seinen Beamten erwachsen (vgl. etwa VGH Bad.-Württ, Urt. v. 24.04.1996 - 4 S 3208/94 - DÖD 1997, 37).
33 
Das hier zu beurteilende Elektromobil Cityliner 412 erweist sich danach zur Überzeugung des Senats nicht als notwendig i.S.d. § 5 Abs. 1 BhV. Ist - wie hier - das allgemeine Grundbedürfnis der „Bewegungsfreiheit“ betroffen, so richtet sich die Notwendigkeit eines Hilfsmittels in erster Linie danach, ob dadurch der Bewegungsradius in einem Umfang erweitert wird, den ein Gesunder üblicherweise noch zu Fuß erreicht. Zwischen den Beteiligten ist unstreitig, dass der Ehefrau des Klägers die Bewegung im Nahbereich der Wohnung wegen ihrer MS-Erkrankung nicht mehr in ausreichendem Umfang möglich ist. Sie bedarf daher zur Erschließung des erforderlichen körperlichen Freiraums - dies ist ebenfalls unstreitig - eines Hilfsmittels. Die Beklagte kommt bei dieser Sachlage ihren Verpflichtungen, die ihr aus der Fürsorgepflicht gegenüber ihren Beamten erwächst, in ausreichendem Maße nach, wenn sie entsprechend ihren Vorschriften die Aufwendungen für die Anschaffung eines „Krankenfahrstuhls“ übernimmt. Dies kann bedeuten, dass der Kranke bzw. Behinderte unter Berücksichtigung der besonderen Umstände seines Einzelfalles gegebenenfalls Anspruch auf die Übernahme der Kosten eines Elektrorollstuhls hat, um ihm auf diesem Weg den erforderlichen körperlichen Freiraum zu verschaffen. Ein - darüber hinausgehender - Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil bzw. ein Wahlrecht des Beihilfeberechtigten, ihm entweder einen Elektrorollstuhl oder ein Elektromobil zur Verfügung zu stellen, besteht hingegen nicht.
34 
In Fällen wie dem hier zu beurteilenden gewährleistet regelmäßig ein Hilfsmittel in Form eines Elektrorollstuhls das allgemeine Grundbedürfnis des Kranken bzw. des Behinderten auf „Bewegungsfreiheit“. Dieses Hilfsmittel sorgt für die erforderliche Mobilität des Kranken bzw. Behinderten sowohl in Wohnungen und sonstigen Aufenthaltsräumen als auch außerhalb der Wohnung in einem Nahbereich, den ein Gesunder üblicherweise noch zu Fuß erreicht. So ermöglicht es die Konstruktion des Elektrorollstuhls mit entsprechenden Abmessungen und Wenderadius seinem Benutzer, sich in Wohnungen von Raum zu Raum zu bewegen und z.B. auch an Tische heranzufahren. Der Elektrorollstuhl stellt ferner bei Einkäufen im Nahbereich und bei der Aufsuchung von Ärzten und Therapeuten sicher, dass der Benutzer sich in den entsprechenden Räumlichkeiten fortbewegen kann und insoweit mobil ist. Ein Elektromobil ist hingegen nicht geeignet, die erforderliche Mobilität des Benutzers in Wohnungen oder sonstigen Aufenthaltsräumen sicherzustellen. Aufgrund seiner Abmessungen und seines Wendekreises ist es - wie dargelegt - nur für die Benutzung auf der Straße geeignet. Der Kranke bzw. der Behinderte kann damit nur den Weg zu den Einkaufsgeschäften und den Praxisräumen seiner Ärzte und Therapeuten zurücklegen, im Geschäft und in der Praxis selbst ist er jedoch auf weitere Hilfestellung bzw. ein weiteres Hilfsmittel angewiesen. So wäre es der Ehefrau des Klägers etwa unmöglich, mit dem von ihr angeschafften Elektromobil einen (kleineren) Supermarkt aufzusuchen und dort auch selbständig durch die Geschäftsräume zu fahren, um die Waren auszusuchen. Bei dieser Sachlage stellt sich die Entscheidung des Gesetzgebers, stark Gehbehinderten wie der Ehefrau des Klägers bei typisierender Betrachtung einen Elektrorollstuhl im Rahmen der Hilfsmittelversorgung zur Verfügung zu stellen - nicht jedoch ein Elektromobil - als sachgerecht dar. Das Hilfsmittel eines Elektrorollstuhls sichert das Grundbedürfnis der „Bewegungsfreiheit“ in umfassender Weise und stellt im Vergleich zum Elektromobil das zielgerichtetere bzw. das zielgenauere Hilfsmittel dar. Ist danach das Elektromobil kein gleichermaßen geeignetes Hilfsmittel, steht dem Beihilfeberechtigten auch kein Wahlrecht zwischen Elektrorollstuhl und Elektromobil zu und es kommt auf die Frage, welches Hilfsmittel wirtschaftlicher ist, nicht an.
35 
Dem Umstand, dass das Elektromobil im Vergleich zum Elektrorollstuhl dem Kranken bzw. Behinderten eine schnellere Fortbewegung und auch das Zurücklegen größerer Strecken ermöglicht, kommt in diesem Zusammenhang keine maßgebliche Bedeutung zu. Auch der Elektrorollstuhl sichert die Mobilität im Nahbereich der Wohnung in ausreichendem Maße. Unerheblich ist in diesem Zusammenhang insbesondere, dass ein gesunder Fußgänger sich den Nahbereich einer Wohnung wesentlich schneller erschließen kann als dies für einen Behinderten mit Hilfe eines Elektrorollstuhls möglich ist. Ziel des Basisausgleichs ist es gerade nicht, ein vollständiges Gleichziehen mit Gesunden zu ermöglichen. Unerheblich ist schließlich auch, dass mit Hilfe eines Elektromobils weitaus größere Entfernungen zurückgelegt werden können und dementsprechend sich der Behinderte einen größeren Bewegungsradius verschaffen kann. Auch hier gilt, dass die Hilfsmittelversorgung nur den Nahbereich der Wohnung erschließen soll, jedoch nicht einen Bereich, den ein Gesunder üblicherweise mit dem Fahrrad, einem Elektrobike oder gar einem Kraftfahrzeug aufsucht.
36 
cc) Ob es unter dem Gesichtspunkt der Fürsorgepflicht des Dienstherrn im Einzelfall ausnahmsweise geboten sein kann, von der generellen Entscheidung des Gesetzgebers abzuweichen, wonach lediglich Elektrorollstühle, jedoch keine Elektromobile beihilfefähig sind, bedarf hier keiner Entscheidung. Im Fall der Ehefrau des Klägers sind keine Anhaltspunkte ersichtlich, die ausnahmsweise einen Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil begründen könnten. Das der Ehefrau des Klägers von der Beklagten früher zur Verfügung gestellte Elektromobil hatte zwar die Mobilität der Ehefrau des Klägers deutlich erhöht und es ihr - nach eigenem Vortrag - ermöglicht, sich alleine außerhalb der Wohnung fortzubewegen. Die erforderliche Mobilität kann jedoch - wie dargelegt - grundsätzlich durch die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl sichergestellt werden. Die Ehefrau des Klägers hat auch keine Besonderheiten vorgetragen, die in ihrem Fall die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl als nicht ausreichend erscheinen ließen.
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Soweit sich die Beklagte im Berufungsverfahren sinngemäß darauf berufen hat, der Ehefrau des Klägers sei Pflegegeld der Stufe III zuerkannt worden und die entsprechende Pflegeperson habe mit Hilfe des bereits vorhandenen Rollstuhls die Teilnahme der Ehefrau des Klägers am allgemeinen Leben zu ermöglichen, braucht diesem Vortrag nicht weiter nachgegangen zu werden. Ob die Ehefrau des Klägers Anspruch auf die Versorgung mit einem Elektrorollstuhl hat, ist nicht Streitgegenstand dieses Verfahrens, zumal sie einen entsprechenden Antrag bislang nicht gestellt hat.
38 
dd) Da nach alledem das von der Ehefrau des Klägers angeschaffte Elektromobil nicht notwendig i.S.d. § 5 Abs. 1 BhV ist, bedarf es auch keiner Entscheidung, ob Elektromobile darüber hinaus im Sinne von Nr. 9 der Anlage 3 zu § 6 Abs. 1 Nr. 4 BhV als Gegenstände anzusehen sind, die der allgemeinen Lebenshaltung unterliegen und - auch deshalb - von der Beihilfefähigkeit ausgeschlossen sind. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (Urteil vom 03.11.1999 - B 3 KR 16/99 R - FEVS 51, 395) ist ein Elektromobil kein allgemeiner Gebrauchsgegenstand des täglichen Lebens im Sinne des § 33 Abs. 1 SGB V, weil es nur von Personen benutzt wird, die durch Krankheit oder Behinderung in ihrer Gehfähigkeit eingeschränkt sind, jedoch nicht in nennenswertem Umfang auch von gesunden Menschen (so wohl auch OVG Bremen, Urteil vom 15.12.1999, aaO). Im Gegensatz dazu vertritt das OVG Nordrhein-Westfalen (Beschluss vom 07.07.1998 - 12 A 5885/96 - Juris) die Auffassung, bei einem Elektromobil handele es sich um ein Fortbewegungsmittel, das der allgemeinen Lebenshaltung zuzurechnen sei. Dafür lässt sich - so zu Recht das Verwaltungsgericht - anführen, dass ein Elektromobil auch einen breiteren Personenkreis anspricht, der keines Rollstuhls bedarf, aber seine Mobilität erhöhen will. Ein Elektromobil kann - unabhängig von bestimmten Krankheitszuständen oder Behinderungen - auch etwa von älteren, nicht krankheitsbedingt in der Gehfähigkeit eingeschränkten, aber allgemein körperlich schwächeren Menschen benutzt werden. Vor diesem tatsächlichen Hintergrund begegnet die Annahme des Bundessozialgerichts, Elektromobile würden ausschließlich von Kranken oder Behinderten benutzt, gewissen Zweifeln. Mangels Entscheidungserheblichkeit braucht der Senat jedoch der Frage, in welchem Umfang Elektromobile auch von gesunden (älteren) Menschen benutzt werden, nicht weiter nachzugehen.
39 
3. Schließlich vermittelt auch der Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG der Ehefrau des Klägers keinen Anspruch auf Versorgung mit einem Elektromobil. Sie beruft sich in diesem Zusammenhang darauf, dass die Beklagte ihr im Jahre 2003 Beihilfe für die Anschaffung eines vergleichbaren Elektromobils gewährt habe. Sollte die Beklagte der Ehefrau des Klägers in der Vergangenheit aufgrund individueller Besonderheiten die Beihilfe zu Recht gewährt haben, würde es nunmehr an einem vergleichbaren Sachverhalt fehlen; nach den obigen Ausführungen sind im Zeitpunkt dieser Entscheidung keine Besonderheiten gegeben, die einen Anspruch der Ehefrau des Klägers begründen könnten. Sollte die Beklagte dagegen in der Vergangenheit unter Verstoß gegen die Beihilfevorschriften des Bundes der Ehefrau des Klägers einen Anspruch auf Beihilfe für die Anschaffung eines Elektromobils zuerkannt haben, ließe sich aus dem Gleichheitsgrundsatz ein Anspruch, ihr gegenüber nochmals eine solche (rechtswidrige) Entscheidung zu treffen, nicht herleiten. Die Verwaltung ist nach Art. 20 Abs. 3 GG an Gesetz und Recht gebunden. Diese Bindung entfällt nicht deshalb, weil eine Behörde diese Bindung während eines bestimmten Zeitraums nicht hinreichend beachtet hat. Deshalb kann die Verletzung des Gleichheitssatzes mit Erfolg, d.h. mit dem Anspruch auf Einräumung einer Begünstigung nur rügen, wer nach der maßgebenden objektiven Rechtslage einen Anspruch auf die von ihm begehrte Gleichbehandlung hat. Gebietet die Rechtslage die erstrebte Behandlung nicht bzw. schließt sie sie aus, so ist der Gleichheitssatz auch dann nicht verletzt, wenn eine Behandlung entgegen der objektiven Rechtslage in anderen (gleichgelagerten) Fällen gewährt worden ist (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 26.02.1993 - 8 C 20.92 - BVerwGE 92, 153; Urteil vom 10.12.1969 - VIII C 104.69 - BVerwGE 34, 278; VGH Bad.-Württ., Urteil vom 07.09.2011 - 2 S 1202/10 -).
40 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
41 
Die in § 132 Abs. 2 VwGO genannten Voraussetzungen für eine Zulassung der Revision liegen nicht vor.
42 
Beschluss vom 10. Oktober 2011
43 
Der Streitwert wird gemäß § 52 Abs. 3 GKG auf 2.750,-- EUR festgesetzt.
44 
Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs. 4 ausgeschlossen sind. Die Hilfsmittel müssen mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 2 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte erfüllen, soweit sie im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 1 gelistet oder von den dort genannten Produktgruppen erfasst sind. Der Anspruch auf Versorgung mit Hilfsmitteln zum Behinderungsausgleich hängt bei stationärer Pflege nicht davon ab, in welchem Umfang eine Teilhabe am Leben der Gemeinschaft noch möglich ist; die Pflicht der stationären Pflegeeinrichtungen zur Vorhaltung von Hilfsmitteln und Pflegehilfsmitteln, die für den üblichen Pflegebetrieb jeweils notwendig sind, bleibt hiervon unberührt. Für nicht durch Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 Abs. 1 unberührt. Der Anspruch umfasst auch zusätzlich zur Bereitstellung des Hilfsmittels zu erbringende, notwendige Leistungen wie die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Ein Anspruch besteht auch auf solche Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn der Versicherte selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der durch mögliche Stichverletzungen eine Infektionsgefahr besteht oder angenommen werden kann. Zu diesen Tätigkeiten gehören insbesondere Blutentnahmen und Injektionen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Januar 2020 die Tätigkeiten, bei denen eine erhöhte Infektionsgefährdung angenommen werden kann. Wählen Versicherte Hilfsmittel oder zusätzliche Leistungen, die über das Maß des Notwendigen hinausgehen, haben sie die Mehrkosten und dadurch bedingte höhere Folgekosten selbst zu tragen. § 18 Absatz 6a des Elften Buches ist zu beachten.

(2) Versicherte haben bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen entsprechend den Voraussetzungen nach Absatz 1. Für Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, besteht der Anspruch auf Sehhilfen, wenn sie

1.
nach ICD 10-GM 2017 auf Grund ihrer Sehbeeinträchtigung oder Blindheit bei bestmöglicher Brillenkorrektur auf beiden Augen eine schwere Sehbeeinträchtigung mindestens der Stufe 1 oder
2.
einen verordneten Fern-Korrekturausgleich für einen Refraktionsfehler von mehr als 6 Dioptrien bei Myopie oder Hyperopie oder mehr als 4 Dioptrien bei Astigmatismus
aufweisen; Anspruch auf therapeutische Sehhilfen besteht, wenn diese der Behandlung von Augenverletzungen oder Augenerkrankungen dienen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen therapeutische Sehhilfen verordnet werden. Der Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen umfaßt nicht die Kosten des Brillengestells.

(3) Anspruch auf Versorgung mit Kontaktlinsen besteht für anspruchsberechtigte Versicherte nach Absatz 2 nur in medizinisch zwingend erforderlichen Ausnahmefällen. Der Gemeinsame Bundesausschuss bestimmt in den Richtlinien nach § 92, bei welchen Indikationen Kontaktlinsen verordnet werden. Wählen Versicherte statt einer erforderlichen Brille Kontaktlinsen und liegen die Voraussetzungen des Satzes 1 nicht vor, zahlt die Krankenkasse als Zuschuß zu den Kosten von Kontaktlinsen höchstens den Betrag, den sie für eine erforderliche Brille aufzuwenden hätte. Die Kosten für Pflegemittel werden nicht übernommen.

(4) Ein erneuter Anspruch auf Versorgung mit Sehhilfen nach Absatz 2 besteht für Versicherte, die das vierzehnte Lebensjahr vollendet haben, nur bei einer Änderung der Sehfähigkeit um mindestens 0,5 Dioptrien; für medizinisch zwingend erforderliche Fälle kann der Gemeinsame Bundesausschuss in den Richtlinien nach § 92 Ausnahmen zulassen.

(5) Die Krankenkasse kann den Versicherten die erforderlichen Hilfsmittel auch leihweise überlassen. Sie kann die Bewilligung von Hilfsmitteln davon abhängig machen, daß die Versicherten sich das Hilfsmittel anpassen oder sich in seinem Gebrauch ausbilden lassen.

(5a) Eine vertragsärztliche Verordnung ist für die Beantragung von Leistungen nach den Absätzen 1 bis 4 nur erforderlich, soweit eine erstmalige oder erneute ärztliche Diagnose oder Therapieentscheidung medizinisch geboten ist. Abweichend von Satz 1 können die Krankenkassen eine vertragsärztliche Verordnung als Voraussetzung für die Kostenübernahme verlangen, soweit sie auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichtet haben. § 18 Absatz 6a und § 40 Absatz 6 des Elften Buches sind zu beachten.

(5b) Sofern die Krankenkassen nicht auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichten, haben sie den Antrag auf Bewilligung eines Hilfsmittels mit eigenem weisungsgebundenem Personal zu prüfen. Sie können in geeigneten Fällen durch den Medizinischen Dienst vor Bewilligung eines Hilfsmittels nach § 275 Absatz 3 Nummer 1 prüfen lassen, ob das Hilfsmittel erforderlich ist. Eine Beauftragung Dritter ist nicht zulässig.

(6) Die Versicherten können alle Leistungserbringer in Anspruch nehmen, die Vertragspartner ihrer Krankenkasse sind. Vertragsärzte oder Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt ist oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder Verordnungen bestimmten Leistungserbringern zuweisen, noch die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einem bestimmten Leistungserbringer einzulösen. Die Sätze 1 und 2 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(7) Die Krankenkasse übernimmt die jeweils vertraglich vereinbarten Preise.

(8) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegebenen Hilfsmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag zu dem von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrag an die abgebende Stelle. Der Vergütungsanspruch nach Absatz 7 verringert sich um die Zuzahlung; § 43c Abs. 1 Satz 2 findet keine Anwendung. Die Zuzahlung bei zum Verbrauch bestimmten Hilfsmitteln beträgt 10 vom Hundert des insgesamt von der Krankenkasse zu übernehmenden Betrags, jedoch höchstens 10 Euro für den gesamten Monatsbedarf.

(9) Absatz 1 Satz 9 gilt entsprechend für Intraokularlinsen beschränkt auf die Kosten der Linsen.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 2. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist ein Anspruch des Klägers gegen die beklagte Krankenkasse auf Versorgung mit einer Unterschenkel-Sportprothese als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).

2

Der im Jahre 1978 geborene Kläger erlitt am 19.9.2003 bei einem Verkehrsunfall schwere Verletzungen; Komplikationen im Heilungsverlauf führten schließlich am 9.4.2008 zur Amputation des rechten Unterschenkels (GdB 90). Die Beklagte hat ihn mit einer Modular-Unterschenkelprothese aus Gießharz mit einem Carbonfederfuß sowie einer wasserfesten Prothese für die Mobilität in Nassbereichen ausgestattet. Der Kläger ist vollschichtig berufstätig und verbringt seine Freizeit vornehmlich mit sportlichen Aktivitäten. Er geht regelmäßig zum Schwimmen und in ein Fitnessstudio, fährt Rad, wandert, spielt Tischtennis und betätigt sich in einer Behindertensportgruppe als Sitzballspieler.

3

Am 21.4.2009 beantragte der Kläger unter Vorlage einer vertragsärztlichen Verordnung vom 3.4.2009 und eines Kostenvoranschlags über 11 450,96 Euro die zusätzliche Versorgung mit einer Unterschenkel-Sportprothese mit Oberschenkelhülse in Silikonschafttechnik zur Teilnahme an den sportlichen Aktivitäten. Er gab an, die vorhandene Prothese sei für den Sport weder vorgesehen noch auf Dauer geeignet. Insbesondere für das von ihm auch schon vor dem Unfall bevorzugte Badmintonspiel sei die Sportprothese erforderlich, weil sie über einen rückfedernden Spezialfuß nebst Seitenfeder verfüge und ihm auf diese Weise die sportarttypischen, besonders schnellen und kraftvollen Sprünge ermöglicht würden. Die Beklagte lehnte den Leistungsantrag nach Einholung einer Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ab, weil die Sportprothese für den Behinderungsausgleich nicht erforderlich sei. Er könne mit der Alltagsprothese problemlos gehen und stehen und seinen bisherigen sportlichen Aktivitäten ausreichend nachgehen. Die Sportprothese diene einem rein sportlichen Mobilitätsbedürfnis und sei wegen der starken Fußfederung für den Alltagsgebrauch eher ungeeignet. Die Zweitversorgung mit der Sportprothese könne daher auch nicht mit einer Verlängerung der Gebrauchsfähigkeit der Alltagsprothese begründet werden (Bescheid vom 22.4.2009, Widerspruchsbescheid vom 14.12.2009).

4

Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 8.6.2011). Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 2.2.2012): Eine Beinprothese diene zwar dem unmittelbaren Behinderungsausgleich, bei dem grundsätzlich das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits gelte. Allerdings gebe es auch beim unmittelbaren Behinderungsausgleich keinen Anspruch auf Optimalversorgung. Die Sportprothese biete im Vergleich zu der vorhandenen Alltagsprothese nur einen geringen, auf bestimmte sportliche Aktivitäten in der Freizeit beschränkten Gebrauchsvorteil. Die Grundfunktionen des sicheren Gehens und Stehens seien durch die Alltagsprothese und die Badeprothese hinreichend gewährleistet. Auch die meisten Sportarten könnten mit diesen Prothesen ausgeübt werden. Nur das Badmintonspiel würde durch die Sportprothese erleichtert. Dieser Zweck rechtfertige die Zusatzversorgung jedoch nicht; einem gehbehinderten Menschen müsse nicht jede Form der Freizeitbetätigung auf Kosten der Versichertengemeinschaft der GKV ermöglicht werden.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 33 Abs 1 SGB V). Die prothetische Versorgung müsse nicht nur das normale Gehen, Stehen und Treppensteigen ermöglichen, sondern auch das schnelle Laufen, das Springen und sonstige rasche Bewegungen der Beine, weil es dabei um Körperfunktionen gehe, über die jeder nicht gehbehinderte Mensch verfüge. Die Gleichbehandlung mit nicht behinderten Menschen sei auch beim Freizeitsport zu gewährleisten (Art 3 Abs 3 GG, § 1 SGB IX). Die Alltagsprothese benutze er beim Sport nur als Notbehelf. Es besteht immer die Gefahr eines Materialbruchs durch Überlastung. Alltagsprothesen und Sportprothesen dienten grundsätzlich verschiedenen Zwecken, sodass die Maßstäbe einer üblichen "Zweitversorgung" nicht anwendbar seien. Gerügt werde auch die Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG). Das LSG hätte ermitteln müssen, ob er mit den vorhandenen Prothesen auch im Sportbereich im Sinne eines Gleichziehens mit den Fähigkeiten eines nicht gehbehinderten Menschen ausreichend versorgt sei.

6

Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG Rheinland-Pfalz vom 2.2.2012 und des SG Mainz vom 8.6.2011 zu ändern, den Bescheid der Beklagten vom 22.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.12.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn mit einer Unterschenkel-Sportprothese mit Oberschenkelhülse in Silikonschafttechnik zu versorgen.

7

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Berufungsurteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Klägers ist unbegründet.

9

Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, dass der Kläger keinen Versorgungsanspruch nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V hat, weil die Sportprothese nur der sportlichen Betätigung in der Freizeit dient und damit ein Versorgungsziel verfolgt wird, für das die Krankenkassen nicht aufzukommen haben. Die Ermöglichung sportlicher Aktivitäten fällt grundsätzlich nur dann in die Leistungspflicht der GKV bei der Hilfsmittelversorgung, wenn es dabei zugleich um die Gewährleistung eines allgemeinen Grundbedürfnisses des täglichen Lebens geht, wie es zB bei der Teilnahme am Sportunterricht in der Schule im Rahmen der Schulpflicht (BSG SozR 2200 § 182 Nr 73 - Sportbrille) oder bei der Integration von Kindern und Jugendlichen in den Kreis Gleichaltriger (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 27 - Rollstuhl-Bike als Fahrradersatz) der Fall ist, oder wenn es sich um die Teilnahme am ärztlich verordneten Rehabilitationssport und Funktionstraining (§ 44 Abs 1 Nr 3 und 4 SGB IX) handelt. Die Förderung des Freizeitsports und des Vereinssports gehört hingegen nicht zu den Aufgaben der Krankenkassen bei der Hilfsmittelversorgung (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 35 - Sportrollstuhl zur Teilnahme am Rollstuhlbasketballspiel in einem Behindertensportverein).

10

1. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Leistungsanspruchs ist § 33 Abs 1 S 1 SGB V in der ab 1.4.2007 geltenden Fassung von Art 1 Nr 17 GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) vom 26.3.2007 (BGBl I 378), weil bei Leistungsklagen, auch wenn sie - wie hier - mit einer Anfechtungsklage verbunden sind, grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgebend ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 54 RdNr 34 mwN). Nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen sind. Nach § 33 Abs 1 S 4 SGB V umfasst der Anspruch auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Im vorliegenden Fall geht es um eine besondere Variante der Erstbeschaffung eines Hilfsmittels, deren Tatbestandsvoraussetzungen aber hier nicht erfüllt sind.

11

2. Die Leistungsablehnung ist rechtmäßig, weil die Sportprothese im vorliegenden Fall zum Behinderungsausgleich nicht erforderlich ist. Dieser in § 33 Abs 1 S 1 SGB V als 3. Variante genannte - und hier allein in Betracht kommende - Zweck (vgl jetzt auch § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX) eines von der GKV zu leistenden Hilfsmittels hat zweierlei Bedeutung.

12

a) Im Vordergrund einer Hilfsmittelversorgung steht zumeist der Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst. Bei diesem unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Die gesonderte Prüfung, ob ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betroffen ist, entfällt, weil sich die unmittelbar auszugleichende Funktionsbeeinträchtigung selbst immer schon auf ein Grundbedürfnis bezieht; die Erhaltung bzw Wiederherstellung einer Körperfunktion ist als solche ein Grundbedürfnis. Dabei kann die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem nicht behinderten Menschen erreicht ist (BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 4 - C-leg II). Die Wirtschaftlichkeit eines dem unmittelbaren Behinderungsausgleich dienenden Hilfsmittels ist grundsätzlich zu unterstellen und erst zu prüfen, wenn zwei tatsächlich gleichwertige, aber unterschiedlich teure Hilfsmittel zur Wahl stehen (vgl § 33 Abs 1 S 5 SGB V und § 31 Abs 3 SGB IX).

13

b) Daneben können Hilfsmittel den Zweck haben, die direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen (sog mittelbarer Behinderungsausgleich). In diesem Rahmen ist die GKV allerdings nur für den Basisausgleich der Folgen der Behinderung eintrittspflichtig (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 35 RdNr 14). Es geht hier nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Menschen. Denn Aufgabe der GKV ist in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation (vgl § 1 SGB V sowie § 6 Abs 1 Nr 1 iVm § 5 Nr 1 und 3 SGB IX), also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist von der GKV daher nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Nach ständiger Rechtsprechung gehören zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (BSGE 93, 176, 180 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 12; BSGE 91, 60, 63 RdNr 9 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3 RdNr 10; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 14; stRspr). Zum Grundbedürfnis der Erschließung eines geistigen Freiraums gehört ua die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen Menschen sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Grundwissens bzw eines Schulwissens (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 29 und 46; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 11 RdNr 18). Zum körperlichen Freiraum gehört - im Sinne eines Basisausgleichs der eingeschränkten Bewegungsfreiheit - die Fähigkeit, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (zB Supermarkt, Arzt, Apotheke, Geldinstitut, Post), nicht aber die Bewegung außerhalb dieses Nahbereichs. Soweit überhaupt die Frage eines größeren Radius über das zu Fuß Erreichbare hinaus aufgeworfen worden ist, sind schon immer zusätzliche qualitative Momente verlangt worden (vgl BSGE 93, 176, 180 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 12 - Erreichbarkeit ambulanter medizinischer Versorgung für Wachkomapatientin; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 27 - Rollstuhl-Bike für Jugendliche; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 46 - behindertengerechtes Dreirad; BSG SozR 2200 § 182b Nr 13 - Faltrollstuhl).

14

c) Dem Gegenstand nach besteht für den unmittelbaren ebenso wie für den mittelbaren Behinderungsausgleich ein Anspruch auf die im Einzelfall ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Hilfsmittelversorgung, nicht jedoch ein Anspruch auf Optimalversorgung. Deshalb besteht kein Anspruch auf ein teureres Hilfsmittel, soweit die kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell in gleicher Weise geeignet ist (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 26 S 153; stRspr); andernfalls sind die Mehrkosten gemäß § 33 Abs 1 S 5 SGB V(ebenso § 31 Abs 3 SGB IX) von dem Versicherten selbst zu tragen. Die Krankenkassen haben auch nicht für solche "Innovationen" aufzukommen, die keine wesentlichen Gebrauchsvorteile für den Versicherten bewirken, sondern sich auf einen bloß besseren Komfort im Gebrauch oder eine bessere Optik beschränken (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44; BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 15).

15

d) Auf das normale Gehen, Stehen und Treppensteigen ausgelegte Beinprothesen sind Körperersatzstücke gemäß § 33 Abs 1 S 1 SGB V. Sie dienen dem unmittelbaren Ersatz des fehlenden Körperteils und dessen ausgefallener Funktion. Sie sind auf den Ausgleich der Behinderung selbst gerichtet und dienen der medizinischen Rehabilitation, ohne dass zusätzlich die Erfüllung eines allgemeinen Grundbedürfnisses des täglichen Lebens zu prüfen ist, wie es bei Hilfsmitteln erforderlich wäre, die nur die direkten und indirekten Folgen einer Behinderung ausgleichen sollen. Bei einer Beinprothese geht es um das Grundbedürfnis auf möglichst sicheres, gefahrloses Gehen und Stehen, wie es bei nicht behinderten Menschen durch die Funktion der Beine gewährleistet ist. Diese Funktion muss in möglichst weitgehender Weise ausgeglichen werden (BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8 - C-leg II).

16

3. Diese Grundsätze waren für den erkennenden Senat maßgeblich, als er in zwei Entscheidungen vom 25.6.2009 (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 23 und 24) die Frage zu klären hatte, ob beinamputierte Versicherte, die bereits mit einer normalen Laufprothese ausgestattet sind, die zusätzliche Versorgung mit einer Badeprothese beanspruchen können. Dies wurde für eine übliche (süßwasserbeständige) Badeprothese bejaht, für eine salzwasserbeständige Badeprothese dagegen verneint. Dabei ging es indes nicht, wie es auf den ersten Blick scheinen könnte, um die Ermöglichung einer bestimmten gesundheitsfördernden sportlichen Betätigung, nämlich das Schwimmen, sondern um die Befriedigung des Mobilitätsbedürfnisses in Nassbereichen und damit um die Erfüllung eines allgemeinen Grundbedürfnisses des täglichen Lebens.

17

a) Die normale Beinprothese hat einen konstruktionsbedingten Gebrauchsnachteil, weil sie nicht dort zu verwenden ist, wo der Benutzer beim Gehen und Stehen mit Wasser in Kontakt kommt. Durch den Kontakt mit Wasser besteht die große Gefahr einer Beschädigung, sodass die Krankenkassen zur Reparatur bzw zum Ersatz verpflichtet wären, was erhebliche Kosten verursacht. Außerdem ist der Fuß einer normalen Laufprothese so ausgelegt, dass er mit Schuhen getragen wird. Im Schwimmbad ist das Tragen von Straßenschuhen in aller Regel verboten. Ohne Schuhe besteht aber eine besondere Rutschgefahr. Unterarmgehstützen bieten nicht den gleichen Halt wie eine Beinprothese und sind für die Gang- und Standsicherheit nur ergänzend heranzuziehen. Die normale Laufprothese ist beim Aufenthalt in und am Wasser (Schwimmbad, Fluss, See) ungeeignet. Dieser Gebrauchsnachteil wird durch die zusätzliche Ausstattung mit einer Badeprothese kompensiert. Die Badeprothese gleicht praktisch das Funktionsdefizit der Alltagsprothese in Nassbereichen aus.

18

b) Der danach gegebene Anspruch eines beinamputierten Versicherten auf Versorgung mit einer Badeprothese wird durch die Bereitstellung einer normalen (süßwasserfesten) Prothese erfüllt. Das Funktionsdefizit einer Alltagsprothese ist dadurch im häuslichen Nassbereich vollständig und im außerhäuslichen Bereich im Wesentlichen erfüllt, weil es den Aufenthalt in herkömmlichen Schwimmbädern sowie an Flüssen und Binnenseen ermöglicht. Nicht geeignet ist eine süßwasserfeste Badeprothese lediglich für den Aufenthalt im und am Salzwasser, also in Salzwasser-Schwimmbädern und am Meer. Einen Ausgleich dieses Gebrauchsnachteils der ihm zur Verfügung gestellten Badeprothese kann der Versicherte jedoch nicht verlangen. Entscheidend ist insoweit, dass die salzwasserfeste Badeprothese dem Versicherten nicht - wie bei der normalen Badeprothese - in erster Linie das gefahrlose Gehen und Stehen in Nassbereichen innerhalb und außerhalb der Wohnung überhaupt erst ermöglichen soll, sondern der Aufenthalt in einer ganz speziellen Umgebung im Vordergrund steht (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 23 und 24).

19

c) In solchen Konstellationen kommt es maßgeblich darauf an, ob die jeweilige "Zusatzfunktion" eines - in der Grundausführung dem unmittelbaren Behinderungsausgleich dienenden - Hilfsmittels (hier: die Salzwasserfestigkeit) notwendig ist, den besonderen Bedürfnissen eines behinderten Menschen zur Bewältigung seines Alltags unter Berücksichtigung der speziellen Grundsätze und Gebote des SGB IX Rechnung zu tragen. Dies war dort zu verneinen. Es ging lediglich um eine marginale Einschränkung der Alltagsgestaltung, die dem Versicherten zuzumuten ist, weil sie weder seine Selbstbestimmung noch seine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft fühlbar beeinträchtigt (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 23 und 24).

20

Aber auch bei der Bewältigung des Alltags ist es einem Versicherten zumutbar, auf die vorhandenen Hilfsmittel zurückzugreifen. Nicht jede Form der Freizeitbeschäftigung muss auf Kosten der Versichertengemeinschaft der GKV ermöglicht werden. Dazu gehört der Aufenthalt im und am Salzwasser, sei es in einem Salzwasserthermalbad oder im Urlaub am Meer. Es ist zumutbar, das Salzwasser zu meiden und sich auf den Aufenthalt im Süßwasserbereich zu beschränken. Ein Versicherter, der diesen zumutbaren Gebrauchsnachteil einer normalen Badeprothese nicht hinnehmen möchte und eine salzwasserfeste Badeprothese benutzen will, hat die dadurch entstehenden Mehrkosten selbst zu tragen (§ 33 Abs 1 S 5 SGB V und § 31 Abs 3 SGB IX).

21

4. Im Verhältnis von normaler Laufprothese und Badeprothese geht es um zwei sich in ihren Funktionen ergänzende Hilfsmittel zum unmittelbaren Behindertenausgleich, die stets nebeneinander beansprucht werden können. Davon zu unterscheiden ist die Situation eines Versicherten, der zum unmittelbaren Behinderungsausgleich mit einem herkömmlichen, voll funktionsfähigen Hilfsmittel versorgt ist, nun aber ein dem gleichen Zweck dienendes, aber technisch verbessertes oder aufwändiger ausgestattetes Hilfsmittel beansprucht. Es geht dabei um den besonderen Fall der qualifizierten Zweitversorgung bei Vorhandensein von zwei demselben Versorgungsziel dienenden Hilfsmitteln. Diese Situation ist zB gegeben, wenn ein gehbehinderter Versicherter, der mit einer herkömmlichen, mechanisch gesteuerten und noch voll funktionsfähigen Prothese ausgestattet ist, die Versorgung mit einer technisch weiterentwickelten, über ein mikroprozessorgesteuertes Kniegelenk verfügenden Prothese (C-leg) begehrt. Der erkennende Senat hat diesen Anspruch auf Zweitversorgung in mehreren Entscheidungen stattgegeben (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44; BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8): Beim unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Daher kann die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem nicht behinderten Menschen erreicht ist (BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8 RdNr 4 - C-leg II). Dabei muss es stets um "wesentliche" Gebrauchsvorteile des neuartigen Hilfsmittels gehen, was dann der Fall ist, wenn sich die Gebrauchsvorteile allgemein im Alltagsleben auswirken, sich also nicht auf einen bloß besseren Komfort im Gebrauch oder eine bessere Optik beschränken. Da eine C-leg-Prothese im Vergleich zu einer hergebrachten mechanisch wirkenden Prothese über deutliche allgemeine - und damit "wesentliche" - Gebrauchsvorteile verfügt (zB weitgehende Annäherung an ein natürliches Gangbild und erhebliche Reduzierung der Sturzgefahr beim Gehen auf unebenem Untergrund und auf Treppen, vgl BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 5, 14, 15),ist der Anspruch auf Zweitversorgung jeweils zuerkannt worden.

22

5. An diese Grundsätze ist anzuknüpfen, wenn es um die zusätzliche Versorgung eines beinamputierten Versicherten, der schon mit einer normalen Laufprothese und einer Badeprothese ausgestattet ist, mit einer Sportprothese geht, die ihm den Bereich des Freizeitsports noch weiter eröffnen soll, insbesondere mit Blick auf das von ihm bevorzugte Badmintonspiel.

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Die Sportprothese gleicht nicht ein Funktionsdefizit der normalen Laufprothese im Alltagsgebrauch aus, wie es bei der Badeprothese in Nassbereichen der Fall ist. Sie ermöglicht zwar durch den rückfedernden Spezialfuß ein besseres Springen und andere rasche Körperbewegungen, wie sie einem nicht gehbehinderten Menschen gleichen Alters regelmäßig ohne Weiteres möglich sind. Diesen Gebrauchsvorteil im Vergleich zur normalen Laufprothese benötigt der Kläger jedoch nicht zur Bewältigung von Mobilitätserfordernissen im Alltag, sondern ausschließlich für den Freizeitsport, der ihm in einem erheblichen Maße auch schon durch die vorhandene Prothese ermöglicht wird. Hierin besteht der Unterschied zu der Situation von beinamputierten Versicherten, die zwar mit einer funktionstüchtigen, alltagstauglichen mechanischen Beinprothese ausgestattet sind, nunmehr aber eine elektronisch gesteuerte Beinprothese beanspruchen, weil das Gangbild verbessert und die Sicherheit beim Gehen erheblich erhöht wird. Während beim C-leg der Gebrauchsvorteil also "wesentlich" ist, weil er sich im gesamten Alltagsgebrauch auswirkt, ist der Gebrauchsvorteil einer Sportprothese nicht "wesentlich", weil sie nur dem speziellen Mobilitätsbedürfnis des Klägers bei seinen sportlichen Aktivitäten in der Freizeit, vor allem beim Badmintonspiel, dient. Im Vergleich zur normalen Laufprothese, die ebenfalls sportliche Betätigungen in nennenswertem Umfang ermöglicht, bietet die Sportprothese für den Alltagsgebrauch keinen Gebrauchsvorteil, sondern wirkt sich sogar nachteilig aus, weil der rückfedernde Spezialfuß beim normalen Gehen eher hinderlich wirkt. Daher hat die Beklagte den Leistungsantrag des Klägers nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V zu Recht abgelehnt.

24

6. Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf das "Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen" (UN-Konvention) berufen. Diese Konvention ist am 3.5.2008 in Kraft getreten und durch Vertragsgesetz zum Übereinkommen vom 21.12.2008 (BGBl II 1419) innerstaatlich verbindlich geworden; sie war deshalb zum Zeitpunkt der Entscheidung des LSG als geltendes Recht zu beachten (andere Situation in BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 25 RdNr 28). Allerdings können aus der UN-Konvention keine über § 33 SGB V hinausgehenden Leistungsansprüche hergeleitet werden. Insbesondere ergeben sich solche Ansprüche nicht aus Art 20 UN-Konvention. Danach verpflichten sich die Vertragsstaaten zu wirksamen Maßnahmen, um für Menschen mit Behinderungen persönliche Mobilität mit größtmöglicher Unabhängigkeit sicherzustellen. Zu diesem Zweck haben sie ua den Zugang zu hochwertigen Mobilitätshilfen zu erschwinglichen Preisen zu erleichtern. Hierbei handelt es sich indes nur um eine Verpflichtung der Vertragsstaaten, deren volle Verwirklichung gemäß Art 4 Abs 2 UN-Konvention nach und nach angestrebt werden soll (Rothfritz, Die Konvention der Vereinten Nationen zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen, 2010, S 465). Zudem kann aus den Regelungen der UN-Konvention kein subjektiv-öffentliches Recht des Einzelnen abgeleitet werden, ein konkretes und der persönlichen Mobilität dienendes Hilfsmittel von einem bestimmten Leistungsträger verlangen zu können. Die Bundesrepublik Deutschland trägt dem von der UN-Konvention angestrebten Zweck, den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten sowie die Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern (Art 1 UN-Konvention), ausreichend durch das gegliederte Leistungssystem des SGB und insbesondere durch dessen Neuntes Buch (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - SGB IX) Rechnung. Weitergehende Einzelansprüche werden - zumindest für den Bereich der GKV - durch die UN-Konvention nicht begründet (vgl BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 35 RdNr 19).

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7. Ein möglicher Anspruch gegen die Beklagte als erstangegangene Rehabilitationsträgerin nach § 14 SGB IX scheidet aus, weil die Leistungszuständigkeit anderer Sozialleistungsträger (Unfallversicherung, Sozialhilfe) weder aus den Akten ersichtlich noch vom Kläger geltend gemacht worden ist.

26

8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Aufwendungen für ärztlich verordnete Hilfsmittel, Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle sowie Körperersatzstücke sind beihilfefähig, wenn sie im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Beihilfefähig sind vorbehaltlich des Absatzes 4 Aufwendungen für Anschaffung, Reparatur, Ersatz, Betrieb, Unterweisung in den Gebrauch und Unterhaltung der in Anlage 11 genannten Hilfsmittel, Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle und Körperersatzstücke unter den dort genannten Voraussetzungen. Aufwendungen für den Ersatz eines unbrauchbar gewordenen Gegenstandes im Sinne von Satz 1 sind nach Ablauf von sechs Monaten seit Anschaffung beihilfefähig, wenn eine erneute ärztliche Verordnung vorliegt.

(2) Nicht beihilfefähig sind Aufwendungen für

1.
Hilfsmittel und Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle, die
a)
einen geringen oder umstrittenen therapeutischen Nutzen haben,
b)
einen niedrigen Abgabepreis haben,
c)
der allgemeinen Lebenshaltung zuzurechnen sind oder
d)
in Anlage 12 genannt sind, und
2.
gesondert ausgewiesene Versandkosten.

(3) Aufwendungen für das Mieten von Hilfsmitteln und Geräten zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle nach Absatz 1 Satz 1 sind beihilfefähig, soweit sie nicht höher als die Aufwendungen für deren Anschaffung sind.

(4) Sind Hilfsmittel und Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 weder in Anlage 11 oder 12 aufgeführt noch mit den aufgeführten Gegenständen vergleichbar, sind hierfür getätigte Aufwendungen ausnahmsweise beihilfefähig, wenn dies im Hinblick auf die Fürsorgepflicht nach § 78 des Bundesbeamtengesetzes notwendig ist. Die Festsetzungsstelle entscheidet in Fällen des Satzes 1 mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde. Die oberste Dienstbehörde hat bei Aufwendungen von mehr als 600 Euro vor ihrer Zustimmung das Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat herzustellen. Soweit das Einvernehmen des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat allgemein erklärt ist, kann die oberste Dienstbehörde ihre Zuständigkeit auf eine andere Behörde übertragen. Absatz 2 bleibt unberührt.

(5) Aufwendungen für den Betrieb und die Unterhaltung der Hilfsmittel und Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 sind nur in Höhe des 100 Euro je Kalenderjahr übersteigenden Betrages beihilfefähig. Nicht beihilfefähig sind Aufwendungen für Batterien von Hörgeräten sowie Pflege- und Reinigungsmittel für Kontaktlinsen. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

(6) Beihilfefähig sind auch Aufwendungen für Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn die beihilfeberechtigte oder berücksichtigungsfähige Person selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der die Gefahr einer Infektion durch Stichverletzungen, insbesondere durch Blutentnahmen und Injektionen, besteht oder angenommen werden kann.

(1) Krankenkassen, ihre Landesverbände oder Arbeitsgemeinschaften schließen im Wege von Vertragsverhandlungen Verträge mit Leistungserbringern oder Verbänden oder sonstigen Zusammenschlüssen der Leistungserbringer über die Einzelheiten der Versorgung mit Hilfsmitteln, deren Wiedereinsatz, die Qualität der Hilfsmittel und zusätzlich zu erbringender Leistungen, die Anforderungen an die Fortbildung der Leistungserbringer, die Preise und die Abrechnung. Darüber hinaus können die Vertragsparteien in den Verträgen nach Satz 1 auch einen Ausgleich der Kosten für erhöhte Hygienemaßnahmen infolge der COVID-19-Pandemie vereinbaren. Dabei haben Krankenkassen, ihre Landesverbände oder Arbeitsgemeinschaften jedem Leistungserbringer oder Verband oder sonstigen Zusammenschlüssen der Leistungserbringer Vertragsverhandlungen zu ermöglichen. In den Verträgen nach Satz 1 sind eine hinreichende Anzahl an mehrkostenfreien Hilfsmitteln, die Qualität der Hilfsmittel, die notwendige Beratung der Versicherten und die sonstigen zusätzlichen Leistungen im Sinne des § 33 Absatz 1 Satz 5 sicherzustellen und ist für eine wohnortnahe Versorgung der Versicherten zu sorgen. Den Verträgen sind mindestens die im Hilfsmittelverzeichnis nach § 139 Absatz 2 festgelegten Anforderungen an die Qualität der Versorgung und Produkte zugrunde zu legen. Die Absicht, über die Versorgung mit bestimmten Hilfsmitteln Verträge zu schließen, ist auf einem geeigneten Portal der Europäischen Union oder mittels einem vergleichbaren unionsweit publizierenden Medium unionsweit öffentlich bekannt zu machen. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen legt bis zum 30. September 2020 ein einheitliches, verbindliches Verfahren zur unionsweiten Bekanntmachung der Absicht, über die Versorgung mit bestimmten Hilfsmitteln Verträge zu schließen, fest. Über die Inhalte abgeschlossener Verträge einschließlich der Vertragspartner sind andere Leistungserbringer auf Nachfrage unverzüglich zu informieren. Werden nach Abschluss des Vertrages die Anforderungen an die Qualität der Versorgung und der Produkte nach § 139 Absatz 2 durch Fortschreibung des Hilfsmittelverzeichnisses verändert, liegt darin eine wesentliche Änderung der Verhältnisse, die die Vertragsparteien zur Vertragsanpassung oder Kündigung berechtigt.

(1a) Im Fall der Nichteinigung wird der streitige Inhalt der Verträge nach Absatz 1 auf Anruf einer der Verhandlungspartner durch eine von den jeweiligen Vertragspartnern zu bestimmende unabhängige Schiedsperson innerhalb von drei Monaten ab Bestimmung der Schiedsperson festgelegt. Eine Nichteinigung nach Satz 1 liegt vor, wenn mindestens einer der Vertragspartner intensive Bemühungen zur Erreichung eines Vertrages auf dem Verhandlungswege nachweisen kann. Einigen sich die Vertragspartner nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese von der für die vertragschließende Krankenkasse zuständigen Aufsichtsbehörde innerhalb eines Monats nach Vorliegen der für die Bestimmung der Schiedsperson notwendigen Informationen bestimmt. Die Schiedsperson gilt als bestimmt, sobald sie sich gegenüber den Vertragspartnern zu ihrer Bestellung bereiterklärt hat. Der bisherige Vertrag und die bisherigen Preise gelten bis zur Entscheidung durch die Schiedsperson fort. Legt die Schiedsperson Preise fest, hat sie diese so festzusetzen, dass eine in der Qualität gesicherte, ausreichende, zweckmäßige sowie wirtschaftliche Versorgung gewährleistet ist. Zur Ermittlung hat die Schiedsperson insbesondere die Kalkulationsgrundlagen der jeweiligen Verhandlungspartner und die marktüblichen Preise zu berücksichtigen. Die Verhandlungspartner sind verpflichtet, der Schiedsperson auf Verlangen alle für die zu treffende Festlegung erforderlichen Unterlagen zur Verfügung zu stellen. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen die Vertragspartner zu gleichen Teilen. Widerspruch und Klage gegen die Bestimmung der Schiedsperson durch die Aufsichtsbehörde haben keine aufschiebende Wirkung. Klagen gegen die Festlegung des Vertragsinhalts sind gegen den Vertragspartner zu richten. Der von der Schiedsperson festgelegte Vertragsinhalt oder von der Schiedsperson festgelegte einzelne Bestimmungen des Vertrages gelten bis zur gerichtlichen Ersetzung oder gerichtlichen Feststellung der Unbilligkeit weiter.

(2) Den Verträgen nach Absatz 1 Satz 1 können Leistungserbringer zu den gleichen Bedingungen als Vertragspartner beitreten, soweit sie nicht auf Grund bestehender Verträge bereits zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Hierbei sind entsprechend Absatz 1 Satz 1 Vertragsverhandlungen zu ermöglichen. Verträgen, die mit Verbänden oder sonstigen Zusammenschlüssen der Leistungserbringer abgeschlossen wurden, können auch Verbände und sonstige Zusammenschlüsse der Leistungserbringer beitreten. Die Sätze 1 und 2 gelten entsprechend für fortgeltende Verträge, die vor dem 1. April 2007 abgeschlossen wurden. § 126 Abs. 1a und 2 bleibt unberührt.

(3) Soweit für ein erforderliches Hilfsmittel keine Verträge der Krankenkasse nach Absatz 1 mit Leistungserbringern bestehen oder durch Vertragspartner eine Versorgung der Versicherten in einer für sie zumutbaren Weise nicht möglich ist, trifft die Krankenkasse eine Vereinbarung im Einzelfall mit einem Leistungserbringer; Absatz 1 Satz 2, 4 und 5 gilt entsprechend. Sie kann vorher auch bei anderen Leistungserbringern in pseudonymisierter Form Preisangebote einholen. In den Fällen des § 33 Abs. 1 Satz 5 gilt Satz 1 entsprechend.

(4) Für Hilfsmittel, für die ein Festbetrag festgesetzt wurde, können in den Verträgen nach den Absätzen 1 und 3 Preise höchstens bis zur Höhe des Festbetrags vereinbart werden.

(5) Die Leistungserbringer haben die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung zu beraten, welche Hilfsmittel und zusätzlichen Leistungen nach § 33 Absatz 1 Satz 1 und 5 für die konkrete Versorgungssituation im Einzelfall geeignet und notwendig sind. Die Leistungserbringer haben die Beratung nach Satz 1 schriftlich oder elektronisch zu dokumentieren und sich durch Unterschrift der Versicherten bestätigen zu lassen. Das Nähere ist in den Verträgen nach § 127 zu regeln. Im Falle des § 33 Absatz 1 Satz 9 sind die Versicherten vor der Wahl der Hilfsmittel oder zusätzlicher Leistungen auch über die von ihnen zu tragenden Mehrkosten zu informieren. Satz 2 gilt entsprechend.

(6) Die Krankenkassen haben ihre Versicherten über die zur Versorgung berechtigten Vertragspartner und über die wesentlichen Inhalte der Verträge zu informieren. Abweichend von Satz 1 informieren die Krankenkassen ihre Versicherten auf Nachfrage, wenn diese bereits einen Leistungserbringer gewählt oder die Krankenkassen auf die Genehmigung der beantragten Hilfsmittelversorgung verzichtet haben. Sie können auch den Vertragsärzten entsprechende Informationen zur Verfügung stellen. Die Krankenkassen haben die wesentlichen Inhalte der Verträge nach Satz 1 für Versicherte anderer Krankenkassen im Internet zu veröffentlichen.

(7) Die Krankenkassen überwachen die Einhaltung der vertraglichen und gesetzlichen Pflichten der Leistungserbringer nach diesem Gesetz. Zur Sicherung der Qualität in der Hilfsmittelversorgung führen sie Auffälligkeits- und Stichprobenprüfungen durch. Die Leistungserbringer sind verpflichtet, den Krankenkassen auf Verlangen die für die Prüfungen nach Satz 1 erforderlichen einrichtungsbezogenen Informationen und Auskünfte zu erteilen und die von den Versicherten unterzeichnete Bestätigung über die Durchführung der Beratung nach Absatz 5 Satz 1 vorzulegen. Soweit es für Prüfungen nach Satz 1 erforderlich ist und der Versicherte schriftlich oder elektronisch eingewilligt hat, können die Krankenkassen von den Leistungserbringern auch die personenbezogene Dokumentation über den Verlauf der Versorgung einzelner Versicherter anfordern. Die Leistungserbringer sind insoweit zur Datenübermittlung verpflichtet. Die Krankenkassen stellen vertraglich sicher, dass Verstöße der Leistungserbringer gegen ihre vertraglichen und gesetzlichen Pflichten nach diesem Gesetz angemessen geahndet werden. Schwerwiegende Verstöße sind der Stelle, die das Zertifikat nach § 126 Absatz 1a Satz 2 erteilt hat, mitzuteilen.

(8) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen gibt bis zum 30. Juni 2017 Rahmenempfehlungen zur Sicherung der Qualität in der Hilfsmittelversorgung ab, in denen insbesondere Regelungen zum Umfang der Stichprobenprüfungen in den jeweiligen Produktbereichen, zu möglichen weiteren Überwachungsinstrumenten und darüber getroffen werden, wann Auffälligkeiten anzunehmen sind.

(9) Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der Interessen der Leistungserbringer maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene geben bis zum 31. Dezember 2017 gemeinsam Rahmenempfehlungen zur Vereinfachung und Vereinheitlichung der Durchführung und Abrechnung der Versorgung mit Hilfsmitteln ab. Kommt eine Einigung bis zum Ablauf der nach Satz 1 bestimmten Frist nicht zustande, wird der Empfehlungsinhalt durch eine von den Empfehlungspartnern nach Satz 1 gemeinsam zu benennende unabhängige Schiedsperson festgelegt. Einigen sich die Empfehlungspartner nicht auf eine Schiedsperson, so wird diese von der für den Spitzenverband Bund der Krankenkassen zuständigen Aufsichtsbehörde bestimmt. Die Kosten des Schiedsverfahrens tragen der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und die für die Wahrnehmung der Interessen der Leistungserbringer maßgeblichen Spitzenorganisationen auf Bundesebene je zur Hälfte. In den Empfehlungen können auch Regelungen über die in § 302 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 3 genannten Inhalte getroffen werden. § 139 Absatz 2 bleibt unberührt. In den Empfehlungen sind auch die notwendigen Regelungen für die Verwendung von Verordnungen von Leistungen nach § 33 in elektronischer Form zu treffen. Es ist festzulegen, dass für die Übermittlung der elektronischen Verordnung die Dienste der Anwendungen der Telematikinfrastruktur nach § 334 Absatz 1 Satz 2 genutzt werden, sobald diese Dienste zur Verfügung stehen. Die Regelungen müssen vereinbar sein mit den Festlegungen der Bundesmantelverträge nach § 86. Die Empfehlungen nach Satz 1 sind den Verträgen nach den Absätzen 1 und 3 zugrunde zu legen.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 8. März 2013 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens und des Revisionsverfahrens.

Der Streitwert wird für das Berufungsverfahren und das Revisionsverfahren auf 3689,65 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt als Alleinerbe und Rechtsnachfolger seiner bei der beklagten Krankenkasse versichert gewesenen Ehefrau Kostenerstattung für einen selbst beschafften Autoschwenksitz.

2

Die im Jahre 1930 geborene Versicherte litt an körperlichen Funktionseinschränkungen sowie an fortgeschrittener Demenz und konnte - mit Führung - nur noch wenige Schritte gehen. Ihr waren deshalb ua die Merkzeichen aG (außergewöhnliche Gehbehinderung), H (Hilflosigkeit) und B (Notwendigkeit ständiger Begleitung) zuerkannt. Von der beigeladenen Pflegekasse erhielt sie Leistungen nach der Pflegestufe III. Sie wurde bis zu ihrem Tod am 5.10.2010 von ihrem Ehemann zu Hause betreut und gepflegt; an vier und zuletzt an fünf Tagen pro Woche war sie tagsüber in einer Einrichtung der Tagespflege in G. untergebracht. Die Fahrten zur Tagespflegestätte und zurück wurden vom Kläger im eigenen Pkw durchgeführt, wobei der jedesmal notwendige Umstieg vom Rollstuhl auf den Beifahrersitz bei Fahrtbeginn und der umgekehrte Umstieg bei Fahrtende wegen der zunehmenden Bewegungseinschränkungen der Versicherten und ihrem Unvermögen zu jeder Form der Mithilfe beim Umsteigen immer aufwändiger wurde und von dem ebenfalls im Jahre 1930 geborenen Kläger kaum noch bewältigt werden konnte.

3

Am 13.2.2008 beantragte die Versicherte bei der Beklagten die Versorgung mit einem in den Pkw ihres Ehemannes einzubauenden Autoschwenksitz, um auf einfache Weise den Umstieg zwischen Rollstuhl und Beifahrersitz bewerkstelligen zu können. Ihr Ehemann müsse sie nicht nur in die - damals erst zweimal pro Woche aufgesuchte - Tagespflegeeinrichtung, sondern auch regelmäßig zu Ärzten in M. und G. fahren. Da sie ständiger Beaufsichtigung bedürfe und deshalb nicht allein gelassen werden könne, müsse sie auch bei Einkäufen und Freizeitaktivitäten immer im Pkw mitgenommen werden.

4

Die Beklagte lehnte den Antrag ab, weil die Versicherte mit einem Rollstuhl ausgestattet sei, der die vorhandenen Mobilitätsdefizite im allein maßgebenden Nahbereich der Wohnung hinreichend ausgleiche (Bescheid vom 19.2.2008). Die Versicherte ließ daraufhin auf eigene Kosten einen Autoschwenksitz auf der Beifahrerseite des Pkw einbauen (Rechnung vom 6.3.2008 über 3507,53 Euro), fügte dem Widerspruch eine vertragsärztliche Bescheinigung vom 28.2.2008 über die Notwendigkeit des Hilfsmittels bei und beantragte nunmehr Kostenerstattung. Auch diesen Antrag lehnte die Beklagte ab (Bescheid vom 14.5.2008, Widerspruchsbescheid vom 16.7.2008), weil die Versicherte mit dem Rollstuhl zur Sicherung ihrer Mobilität ausreichend versorgt sei. Für die Transporte zwischen Wohnung und Tagespflegestätte könne die Versicherte einen Fahrdienst in Anspruch nehmen (§ 41 Abs 1 Satz 2 SGB XI), dessen Kosten von der Leistungspflicht der Pflegekassen nach Maßgabe der Monatshöchstbeträge des § 41 Abs 2 Satz 2 SGB XI umfasst seien.

5

Am 25.11.2009 ließ der Kläger den Schwenksitz für 875 Euro aus dem verkauften alten Pkw ausbauen und in sein neu erworbenes Fahrzeug einbauen. Nach dem Tod seiner Ehefrau verkaufte er dann den Schwenksitz für 800 Euro, wobei er für zwei Inserate, Telefonate und die Auslieferungsfahrt insgesamt 195 Euro aufgewandt hat. Zur Berechnung des Erstattungsanspruches reduzierte er die aufgewandten Kosten über 4382,53 Euro (3507,53 + 875 Euro) um die bei Hilfsmitteln übliche Eigenbeteiligung (§ 33 Abs 8 SGB V) und um den Wiederverkaufserlös (605 Euro); schließlich bezifferte er die Klageforderung auf 3689,65 Euro.

6

Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 28.3.2012). Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 8.3.2013): Die bei dem mittelbaren Behinderungsausgleich sicherzustellende Erreichbarkeit des Nahbereichs um die Wohnung sei durch die Ausstattung der Versicherten mit einem Rollstuhl gewährleistet gewesen. Auf die konkreten Verhältnisse im Wohnumfeld komme es dabei nicht an, sodass es ohne Bedeutung sei, welche Wegstrecke zum Aufsuchen von Ärzten und Therapeuten zurückzulegen war. Die Wahrnehmung von Versorgungswegen (zB Einkäufe, Bankgeschäfte) sei wegen der Demenz der Versicherten ohnehin nicht in Betracht gekommen. Der Kläger habe seine Ehefrau im Pkw mitgenommen, weil er sie nicht allein in der Wohnung lassen konnte oder wollte. Die Empfehlung der behandelnden Ärztin, mit der Versicherten kleine Ausflüge zu unternehmen, rechtfertige die Hilfsmittelversorgung nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V nicht, weil die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) beim mittelbaren Behinderungsausgleich grundsätzlich nicht für die Mobilität außerhalb des Nahbereichs der Wohnung einzustehen habe. Auch für das Aufsuchen der Tagespflegeeinrichtung sei der Autoschwenksitz nicht erforderlich gewesen. Die teilstationäre Pflege umfasse auch die dabei anfallenden Transportkosten (§ 41 Abs 1 Satz 2 SGB XI). Soweit die Leistungsbeträge nach § 41 Abs 2 Satz 2 SGB XI für die Tagespflege und die Transporte nicht ausreichten, sei dies Ausdruck des grundsätzlich nicht auf volle Kostendeckung angelegten Systems der Pflegeversicherung. Mit dem Argument, die Kosten des Schwenksitzes seien auf Dauer günstiger als die Transportkosten von täglich 10,50 Euro, verkenne der Kläger die rechtliche und wirtschaftliche Trennung zwischen Krankenkasse und Pflegekasse (§ 46 Abs 1 SGB XI). Die Transportkosten seien im Rahmen des § 33 SGB V unerheblich, weil die Beklagte hiermit nicht belastet werde.

7

Mit der Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 33 Abs 1 SGB V). Das LSG habe die Leistungspflicht der GKV bei der Hilfsmittelversorgung zum mittelbaren Behinderungsausgleich zu eng gefasst. Die Mobilitätserfordernisse im Nahbereich um die Wohnung seien nicht abstrakt, sondern anhand der konkreten Gegebenheiten des Wohnumfeldes zu bestimmen. Mit der Erreichbarkeit von Ärzten und Therapeuten, von Einkaufsmöglichkeiten und auch von Pflegeeinrichtungen sei das Grundbedürfnis auf Erschließung eines körperlichen Freiraums selbst betroffen. Völlig unberücksichtigt geblieben sei auch das Bedürfnis demenzkranker Menschen, soziale Kontakte so lange wie möglich zu pflegen und zu erhalten.

8

Während des Revisionsverfahrens ist die Pflegekasse bei der AOK NORDWEST mit ihrer Zustimmung zum Rechtsstreit notwendig beigeladen worden (§ 75 Abs 2 SGG).

9

Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG Nordrhein-Westfalen vom 8. März 2013 und des SG Münster vom 28. März 2012 zu ändern, die Bescheide der Beklagten vom 19. Februar 2008 und 14. Mai 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. Juli 2008 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm 3689,65 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozent-punkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 15. Januar 2010 zu zahlen.

10

Die Beklagte und die Beigeladene verteidigen das angefochtene Urteil und beantragen,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision des Klägers ist unbegründet. Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, dass ein Anspruch der Versicherten gegen die Beklagte auf Versorgung mit einem Autoschwenksitz nicht bestanden hat. Auch die Beigeladene war nicht zur Leistung verpflichtet. Deshalb konnte durch die Selbstbeschaffung der Leistung ein Kostenerstattungsanspruch nicht entstehen. Die ablehnenden Bescheide der Beklagten vom 19.2.2008 und 14.5.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16.7.2008 sind somit rechtmäßig.

12

1. Grundlage des geltend gemachten Kostenerstattungsanspruchs ist § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V: "Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war." Die Tatbestandsvoraussetzungen dieser Vorschrift, die im Bereich der GKV unmittelbar und im Bereich der sozialen Pflegeversicherung entsprechend anzuwenden ist (vgl Krahmer in LPK-SGB XI, 4. Aufl 2014, § 4 RdNr 9 mwN), sind weder im Verhältnis zur Beklagten noch im Verhältnis zur Beigeladenen erfüllt, wobei im vorliegenden Fall ausschließlich die zweite Variante, also die Leistungsbeschaffung nach rechtswidriger Antragsablehnung, in Betracht zu ziehen war.

13

a) Dabei ist festzuhalten, dass die Beklagte in dem Bescheid vom 14.5.2008 nicht nur die eigene Leistungspflicht nach § 33 Abs 1 SGB V, sondern auch eine etwaige Leistungspflicht der Beigeladenen nach § 40 Abs 1 SGB XI geprüft und verneint hat. Die Beklagte hat damit eine Parallelprüfung vorgenommen, wie sie seit dem 1.1.2012 für Fälle der vorliegenden Art sogar gesetzlich vorgeschrieben ist: Nach § 40 Abs 5 Satz 1 SGB XI in der Fassung des Gesetzes zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung(GKV-Versorgungsstrukturgesetz ) vom 22.12.2011 (BGBI I 2983) gilt nunmehr: "Für Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel, die sowohl den in § 23 und § 33 des Fünften Buches als auch den in Absatz 1 genannten Zwecken dienen können, prüft der Leistungsträger, bei dem die Leistung beantragt wird, ob ein Anspruch gegenüber der Krankenkasse oder der Pflegekasse besteht und entscheidet über die Bewilligung der Hilfsmittel und Pflegehilfsmittel." Diese gesetzliche Zuständigkeitserweiterung des erstangegangenen Leistungsträgers galt hier zwar noch nicht, weil sich der Vorgang im Jahre 2008 abgespielt hat, aber dennoch muss sich die Beigeladene das Verwaltungshandeln der Beklagten wegen ihrer engen organisatorischen Verbindung (§ 46 Abs 1 Satz 2 SGB XI) und dem in solchen Fällen seinerzeit häufig zu beobachtenden Verzicht auf Erteilung eines eigenen Bescheids der Pflegekasse zurechnen lassen. Im Falle rechtswidriger Leistungsablehnung nach § 40 Abs 1 SGB XI konnte sich der Kostenerstattungsanspruch analog § 13 Abs 3 SGB V also auch gegen die Beigeladene richten.

14

b) Für den Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 SGB V ist es unerheblich, ob der Kläger den Kaufpreis für den Autoschwenksitz und den Werklohn für dessen Einbau in den neuen Pkw aus eigenen Mitteln oder aus dem Vermögen seiner Ehefrau, der Versicherten, finanziert hat. Die Aktivlegitimation für den Kostenerstattungsanspruch lag unabhängig von dieser Finanzierungsfrage zunächst bei der Versicherten und nach deren Tod beim Kläger (BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 8).

15

2. Anspruchsgrundlage für das ursprüngliche Sachleistungsbegehren der Versicherten gegenüber der Beklagten ist § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V. Maßgeblich ist die Fassung dieser Vorschrift durch Art 1 Nr 17 Buchst a des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz ) vom 26.3.2007 (BGBl I 378). Danach haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, wenn sie nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens oder nach § 34 Abs 4 SGB V (Hilfsmittel von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis) aus der GKV-Versorgung ausgeschlossen und im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Der Anspruch umfasst nach § 33 Abs 1 Satz 4 SGB V auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Dabei besteht ein Anspruch auf Versorgung mit Blick auf die "Erforderlichkeit im Einzelfall" nur, soweit das begehrte Hilfsmittel geeignet, ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich ist und das Maß des Notwendigen nicht überschreitet; darüber hinausgehende Leistungen darf die Krankenkasse gemäß § 12 Abs 1 SGB V nicht bewilligen(vgl BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 11 RdNr 16). Für den Versorgungsanspruch ist nicht entscheidend, ob das begehrte Hilfsmittel im Hilfsmittelverzeichnis (§ 139 SGB V, für Pflegehilfsmittel § 78 Abs 2 SGB XI) gelistet ist, denn es handelt sich bei diesem Verzeichnis nicht um eine abschließende Regelung im Sinne einer Positivliste (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 16, 20, 27; BSGE 99, 197 = SozR 4-2500 § 33 Nr 16, RdNr 20; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 11, 12, 32). Die Voraussetzungen des Versorgungsanspruchs nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V waren hier nicht erfüllt, weil der Autoschwenksitz zum Behinderungsausgleich nicht "erforderlich" war.

16

a) Der Versorgungsanspruch nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V bestand nicht allein deshalb, weil der Autoschwenksitz als Hilfsmittel der GKV vertragsärztlich verordnet(§ 73 Abs 2 Satz 1 Nr 7 SGB V) worden ist. Es liegt zwar keine förmliche vertragsärztliche Verordnung vor, wohl aber eine Bescheinigung des Hausarztes über die aus seiner fachlichen Sicht gegebene Notwendigkeit des Hilfsmittels. Eine solche formlose Bescheinigung haben Vertragsärzte in der Vergangenheit immer dann verwendet, wenn es um ein Hilfsmittel ging, das nicht im Hilfsmittelverzeichnis (§ 139 SGB V) aufgeführt war. Hintergrund war die bis zum 31.3.2007 geltende Regelung zum Hilfsmittelverzeichnis in § 128 SGB V(idF des Gesundheits-Reformgesetzes - GRG - vom 20.12.1988, BGBl I 2477), wonach in dem Verzeichnis "die" von der Leistungspflicht umfassten Hilfsmittel aufzuführen waren. Dies wurde in der Praxis vielfach so verstanden, dass ein Vertragsarzt nur dann eine förmliche "Verordnung" iS des § 73 Abs 2 Satz 1 Nr 7 SGB V ausstellen durfte, wenn das Hilfsmittel in dem Hilfsmittelverzeichnis gelistet war, und er ansonsten auf eine formlose "Bescheinigung" über die medizinische Erforderlichkeit eines (nicht gelisteten) Hilfsmittels zurückgreifen musste. Die Neuregelung der Bestimmungen zum Hilfsmittelverzeichnis durch den zum 1.4.2007 in Kraft getretenen § 139 SGB V(idF des GKV-WSG) hat das Ausweichen der Ärzte auf solche formlosen Bescheinigungen überflüssig gemacht, weil in § 139 Abs 1 Satz 2 SGB V nunmehr geregelt ist, dass in dem Verzeichnis "von der Leistungspflicht umfasste Hilfsmittel aufzuführen" sind, die - von der Rechtsprechung des BSG immer wieder beanstandete - Einschränkung auf "die" von der Leistungspflicht umfassten Hilfsmittel also entfallen ist(vgl Begründung zum Gesetzentwurf eines GKV-WSG, BT-Drucks 16/3100 S 150 zu Nr 116, § 139). Vertragsärzte können seit dem 1.4.2007 somit auch (noch) nicht im Hilfsmittelverzeichnis gelistete, aber im Einzelfall medizinisch notwendige Hilfsmittel förmlich verordnen (§ 73 Abs 2 Satz 1 Nr 7 SGB V). Dabei können sie nun auch nicht mehr in Konflikt mit den - auch für sie verbindlichen (§ 91 Abs 6 SGB V idF des GKV-VStG, in Kraft ab 1.1.2012; bis 31.12.2011 § 91 Abs 9 idF des GKV-WSG) - Richtlinien nach § 92 Abs 1 Satz 2 Nr 6 SGB V über die Verordnung von Hilfsmitteln in der vertragsärztlichen Versorgung (Hilfsmittel-Richtlinien) geraten, die in ihrer ursprünglichen Fassung vom 17.6.1992 (Beilage zum BAnz 1992, Nr 183b, 5 bis 18) in Übereinstimmung mit § 128 SGB V(idF des GRG) noch angeordnet hatten, dass nur solche Hilfsmittel verordnet werden dürfen, die im Hilfsmittelverzeichnis aufgeführt sind (vgl Teil A II b) Nr 8). Diese vom erkennenden Senat ebenfalls mehrfach als rechtswidrig beanstandete Einschränkung (BSG SozR 4-2500 § 127 Nr 2 RdNr 10; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 26 RdNr 9) ist durch die Hilfsmittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA; HilfsM-RL) vom 29.12.2011/15.3.2012 (BAnz AT vom 10.4.2012) gestrichen und durch eine den §§ 33 und 139 SGB V(idF des GKV-WSG) entsprechende offene Regelung ersetzt worden (vgl § 6 Abs 5 HilfsM-RL). Mit Blick auf die zunächst an die neue Fassung des § 139 SGB V nicht angepassten Richtlinien haben aber Vertragsärzte mitunter - und so auch hier - auch nach dem 1.4.2007 noch auf formlose "Bescheinigungen" zurückgegriffen, wenn sie nicht im Hilfsmittelverzeichnis gelistete Hilfsmittel verordnen wollten. Dies ist leistungsrechtlich jedoch unschädlich; denn eine solche Bescheinigung steht insoweit einer förmlichen "Verordnung" gleich.

17

Den Krankenkassen steht allerdings ein eigenes Prüfungs- und Entscheidungsrecht zu, ob ein Hilfsmittel nach Maßgabe des § 33 SGB V der medizinischen Rehabilitation dient, also zur Sicherung des Erfolges der Krankenbehandlung, zur Vorbeugung gegen eine drohende Behinderung oder zum Ausgleich einer bestehenden Behinderung im Einzelfall erforderlich ist(BSGE 107, 44 = SozR 4-2500 § 33 Nr 31, RdNr 14; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 33 RdNr 10; Engelmann in jurisPK-SGB V, 2. Aufl 2012, § 139 RdNr 17); dabei können die Krankenkassen zur Klärung medizinisch-therapeutischer Fragen den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung einschalten (vgl § 275 Abs 3 Nr 1 SGB V; ebenso § 5 Abs 3 HilfsM-RL). Eine vertragsärztliche Verordnung wäre allenfalls dann für eine Krankenkasse verbindlich, wenn sie für bestimmte Hilfsmittel auf ein Prüfungs- und Genehmigungsrecht generell verzichtet hätte, was zB durch vertragliche Vereinbarungen mit Leistungserbringern bzw deren Verbänden möglich ist (§ 127 SGB V). Eine solche Vereinbarung ist für Autoschwenksitze nicht geschlossen worden.

18

b) Ein Autoschwenksitz ist von einer Krankenkasse auch nicht schon deshalb als Hilfsmittel zu gewähren, weil ein Versicherter wegen seiner Gehunfähigkeit mit einem Rollstuhl versorgt worden ist und das Gerät die Funktion hat, einem gehunfähigen Versicherten, der sich nicht aus eigener Kraft auf den Beifahrersitz eines Pkw begeben kann, das Umsteigen vom Rollstuhl in den Pkw zu ermöglichen bzw zu erleichtern. Obwohl ein Autoschwenksitz also in der Regel nur in Kombination mit einem Rollstuhl eine Funktion hat und insofern als "Zusatzgerät" zum Rollstuhl bezeichnet werden kann, folgt aus der medizinisch-rehabilitativen Notwendigkeit des Rollstuhls noch nicht die Erforderlichkeit des Autoschwenksitzes als Hilfsmittel der GKV. Dieses Gerät hat im Rahmen des - hier allein in Betracht kommenden - Behinderungsausgleichs (dritte Variante des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V) für einen gehunfähigen Versicherten eine eigenständige Bedeutung, weil es die Bewegungsmöglichkeiten mit dem Rollstuhl erweitert, indem durch die Mitnahme in einem Pkw alle denkbaren Ziele auch außerhalb des Nahbereichs um die Wohnung erreicht werden können. Ein Autoschwenksitz hat also von seiner Konstruktion und seinem Verwendungszweck her einen eigenständigen Nutzen für den Versicherten und seine Begleitperson. Dieser Gebrauchsvorteil muss den Kriterien der Versorgung mit einem "anderen Hilfsmittel" iS des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V zum Zwecke des Behinderungsausgleichs genügen und verlangt somit eine gesonderte, von der medizinisch-rehabilitativen Notwendigkeit der Versorgung mit einem Rollstuhl unabhängige Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen(so bereits BSG Urteil vom 7.10.2010 - B 3 KR 13/09 R - BSGE 107, 44 = SozR 4-2500 § 33 Nr 31, RdNr 15 zur Treppensteighilfe).

19

c) Zur Frage der Erforderlichkeit eines Hilfsmittels zum Behinderungsausgleich iS der dritten Variante des § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V(vgl jetzt auch § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX) wird stets unterschieden zwischen dem unmittelbaren Behinderungsausgleich, bei dem das Hilfsmittel unmittelbar dem Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst dient, und dem mittelbaren Behinderungsausgleich, bei dem das Hilfsmittel zum Ausgleich der direkten und indirekten Behinderungsfolgen eingesetzt wird. Diese Differenzierung ist notwendig, weil unter Einbeziehung einer historischen Betrachtung unzweifelhaft ist, dass der Ausfall einer Körperfunktion den Krankheitsbegriff in der GKV erfüllt und es daher zum Aufgabenbereich der GKV gehört, ausgefallene oder beeinträchtigte Körperfunktionen soweit wie möglich wiederherzustellen oder zu verbessern.

20

Beim mittelbaren Behinderungsausgleich geht es demgegenüber darum, einem behinderten Menschen, dessen Funktionsbeeinträchtigung durch medizinische Maßnahmen einschließlich des Einsatzes von Hilfsmitteln nicht weiter behoben werden kann, das Leben mit den Folgen dieser Beeinträchtigung zu erleichtern. Dabei liegt es auf der Hand, dass es nicht Aufgabe der GKV sein kann, jegliche Behinderungsfolgen in allen Lebensbereichen auszugleichen. So ist es beispielsweise Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme, einen Ausgleich für spezielle berufliche Anforderungen zu schaffen. Es ist auch nicht Sache der GKV, alle Auswirkungen der Behinderung beispielsweise im Hinblick auf spezielle Sport- oder Freizeitinteressen durch Hilfsmittel auszugleichen (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 23 - Druckbeatmungsgerät für Campingurlaub; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 23 - Salzwasserprothese; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 35 - Sportrollstuhl; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 40 - Unterschenkel-Sportprothese). Auch nach dem der Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen gewidmeten SGB IX ist die GKV nur für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie für unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen, nicht aber für Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben und für Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zuständig (§ 6 Abs 1 Nr 1, § 5 SGB IX).

21

Um hier den Aufgabenbereich der GKV abzugrenzen, ist ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich von der GKV nach ständiger Rechtsprechung nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mindert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Zu diesen elementaren Grundbedürfnissen eines Menschen gehören das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 12; BSGE 91, 60, 63 RdNr 10 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3 RdNr 9; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 14; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 30 RdNr 12; stRspr). Zum Grundbedürfnis der Erschließung eines geistigen Freiraums gehört ua die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen Menschen sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Grundwissens bzw eines Schulwissens (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 29 und 46; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 11 RdNr 18). Zur Erschließung des körperlichen Freiraums gehört insbesondere die Fähigkeit, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und sie zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (Versorgungswege, zB Supermarkt, Arzt, Apotheke, Geldinstitut, Post), nicht aber die Bewegung außerhalb dieses Nahbereichs. Soweit überhaupt die Frage eines größeren Radius über das zu Fuß Erreichbare hinaus aufgeworfen worden ist, sind schon immer zusätzliche qualitative Momente verlangt worden (vgl BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7 - Erreichbarkeit ambulanter medizinischer Versorgung für Wachkomapatientin; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 27 - Rollstuhl-Bike für Jugendliche; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 46 - behindertengerechtes Dreirad; BSG SozR 2200 § 182b Nr 13 - Faltrollstuhl).

22

Zu Wertungswidersprüchen führt die Differenzierung zwischen dem unmittelbaren und dem mittelbaren Behinderungsausgleich nicht, da die durch den unmittelbaren Behinderungsausgleich bewirkte Erhaltung, Wiederherstellung oder Verbesserung einer beeinträchtigten Körperfunktion bereits als solche ein Grundbedürfnis darstellt. Beim unmittelbaren Behinderungsausgleich kommt daher der Frage nach der Erfüllung eines allgemeinen Grundbedürfnisses des täglichen Lebens erst dann Bedeutung zu, wenn es nicht um die erstmalige Behebung eines Funktionsdefizits geht und auch nicht um die reine Ersatzbeschaffung, sondern um die Versorgung eines für den Behinderungsausgleich bereits ausreichend ausgestatteten Versicherten mit einem zweiten Hilfsmittel gleicher Art als Zweitausstattung, als Ausstattung für einen speziellen Zweck in Abgrenzung zur Ausstattung für das tägliche Leben oder mit einem technisch weiterentwickelten Hilfsmittel. Dabei kommt es auf den Umfang der mit dem neuen Hilfsmittel zu erreichenden Gebrauchsvorteile an (zB computergestütztes statt mechanisches Kniegelenksystem, vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44; BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8).

23

Dem Gegenstand nach besteht für den unmittelbaren ebenso wie für den mittelbaren Behinderungsausgleich Anspruch auf die im Einzelfall ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Hilfsmittelversorgung, nicht jedoch auf eine Optimalversorgung. Deshalb besteht kein Anspruch auf ein teureres Hilfsmittel, soweit die kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell in gleicher Weise geeignet ist (stRspr, vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 26 S 153); anderenfalls sind die Mehrkosten gemäß § 33 Abs 1 Satz 5 SGB V(ebenso § 31 Abs 3 SGB IX) von dem Versicherten selbst zu tragen. Demgemäß haben die Krankenkassen nicht für solche "Innovationen" aufzukommen, die keine wesentlichen Gebrauchsvorteile für den Versicherten bewirken, sondern sich auf einen bloß besseren Komfort im Gebrauch oder eine bessere Optik beschränken (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44; BSGE 93, 183, 188 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 15 - jeweils zum C-Leg).

24

d) Im vorliegenden Fall geht es - wie bei der Ausstattung mit einem Rollstuhl - nicht um den unmittelbaren, sondern um einen mittelbaren Behinderungsausgleich im Bereich der Mobilität, weil durch das Hilfsmittel nicht das Gehen selbst ermöglicht wird (so zB bei einer Beinprothese). Ausgeglichen werden lediglich die Folgen der Funktionsbeeinträchtigung der Beine, hier in Form der Unfähigkeit, selbst und aus eigener Kraft - oder auch nur mit stützender Hilfe einer Begleitperson - einen Pkw zu besteigen und wieder zu verlassen.

25

Das Grundbedürfnis auf Erschließung eines körperlichen Freiraums umfasst allerdings grundsätzlich nur die Bewegungsmöglichkeit in der eigenen Wohnung und im umliegenden Nahbereich, die regelmäßig durch Rollstühle gewährleistet wird. Ist die Fortbewegung im Rollstuhl nicht möglich oder unzumutbar und steht deshalb die Nutzung eines Pkw im Raum (zum allgemeinen Grundbedürfnis der "Bewegungsfreiheit" vgl BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 11 - Einsatz eines zweisitzigen Rollstuhls im Nahbereich zur qualitativen Erweiterung des persönlichen Freiraums), muss der Zweck, so an einen ansonsten nicht oder nur unter besonderen Schwierigkeiten zu erreichenden Ort zu kommen, vom Maßstab der medizinischen Rehabilitation gedeckt sein, weil die GKV nur für diesen Bereich der Hilfsmittelversorgung zuständig ist (§ 5 Nr 1 SGB IX). Die Leistungspflicht der GKV entfällt, wenn - wie bereits ausgeführt - zB die berufliche oder die soziale Rehabilitation bezweckt wird (§ 5 Nr 2 und 4 SGB IX).

26

Die spezielle Pflicht der Krankenkassen, behinderten Menschen durch eine angemessene Hilfsmittelversorgung eine möglichst selbstständige Lebensführung zu erhalten, ergibt sich also nur im Zuständigkeitsbereich der GKV. Die Erhaltung einer möglichst selbstständigen Lebensführung ist nur dann Aufgabe der GKV, wenn es dabei um medizinische Rehabilitation geht. Nach ständiger Rechtsprechung des Senats gilt für die Bestimmung des Nahbereichs der Wohnung ein abstrakter, von den Gegebenheiten des jeweiligen Wohnorts unabhängiger Maßstab (BSGE 102, 90 = SozR 4-2500 § 33 Nr 21, RdNr 14 - Kraftknoten; BSGE 98, 213 = SozR 4-2500 § 33 Nr 15, RdNr 17 - behinderungsgerechter Pkw; zuletzt BSGE 108, 206 = SozR 4-2500 § 33 Nr 34, RdNr 35 - Rollstuhl-Bike). Darauf hat das LSG zutreffend hingewiesen. Bei der Hilfsmittelversorgung durch die GKV kommt es also nicht auf die konkreten Wohnverhältnisse des einzelnen Versicherten an. Die baulichen Gegebenheiten der Wohnung und die Gestaltung des individuellen Umfeldes, die anderswo - etwa nach einem Umzug - nicht ebenso vorhanden sind und dort den Einsatz eines bestimmten Hilfsmittels entbehrlich machen würden, sind bei der Hilfsmittelversorgung durch die GKV nicht zu berücksichtigen. Denn für die medizinische Rehabilitation als Aufgabe der GKV sind allein der Gesundheitszustand des Versicherten und dessen Funktionsdefizite maßgeblich, nicht aber seine Wohnsituation. Die Leistungen der GKV dürfen - soweit gesetzlich nicht ausdrücklich vorgesehen - nicht maßgeblich von anderen als medizinischen Erfordernissen abhängig gemacht werden. Aus diesem Grund nimmt der Senat auch bezüglich anderer Hilfsmittel grundsätzlich auf einen abstrakten, von den Gegebenheiten des jeweiligen Wohnorts unabhängigen Maßstab zB bei der Bestimmung des Nahbereichs Bezug (stRspr, BSGE 108, 206 = SozR 4-2500 § 33 Nr 34, RdNr 35 - Rollstuhl-Bike). Der Versicherte muss das Hilfsmittel also nicht nur gerade wegen der Gegebenheiten seiner konkreten Wohnverhältnisse, sondern in gleicher Weise in praktisch jeder Art von Wohnung und jeder Art ihres Umfeldes benötigen. Der entscheidende Unterschied zwischen dem SGB V und dem SGB XI liegt im vorliegenden Zusammenhang also darin, dass der Anspruch auf Hilfsmittelversorgung zum mittelbaren Behinderungsausgleich (§ 33 Abs 1 Satz 1 SGB V) davon abhängt, dass der Versicherte das Hilfsmittel seiner Zweckbestimmung nach praktisch überall, also wohnortunabhängig benötigt, während der Versorgungsanspruch in der sozialen Pflegeversicherung nach § 40 SGB XI gerade an die konkreten individuellen Wohnverhältnisse des Pflegebedürftigen anknüpft. Diese Systementscheidung des Gesetzgebers ist rechtlich nicht zu beanstanden.

27

e) Ein über die Befriedigung von elementaren Grundbedürfnissen hinausgehender Behinderungsausgleich ist als Leistung der GKV nicht vorgesehen, was sich zwar nicht aus dem Wortlaut des § 33 SGB V, wohl aber nunmehr aus der Regelung des § 26 Abs 2 Nr 6 iVm § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX ergibt, die der Gesetzgeber in Kenntnis der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Hilfsmittelversorgung nach § 33 SGB V im Zuge der Einführung des SGB IX mit Wirkung zum 1.7.2001 in Kraft gesetzt hat (vgl Art 1 des Gesetzes vom 19.6.2001, BGBl I 1046). Der Wortlaut des § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX stellt nunmehr ausdrücklich klar, dass es nur um einen Behinderungsausgleich "bei der Befriedigung von Grundbedürfnissen des täglichen Lebens" gehen kann. Damit wird der Hilfsmittelbegriff für alle Träger von Leistungen der medizinischen Rehabilitation (§ 6 Abs 1, § 5 Nr 1, § 26 SGB IX) für diesen Bereich einheitlich definiert. Selbst wenn der Vorrang abweichender Regelungen für den einzelnen Rehabilitationsträger weiterhin besteht (§ 7 Satz 2 SGB IX), kann aus der insoweit unberührt gebliebenen Fassung des § 33 SGB V nicht geschlossen werden, der Gesetzgeber habe nunmehr den Behinderungsausgleich durch die GKV über die bisherige Rechtsprechung hinaus ausweiten wollen(BSGE 98, 213 = SozR 4-2500 § 33 Nr 15, RdNr 16).

28

3. Mit dieser Entscheidung setzt der erkennende Senat seine langjährige Rechtsprechung zu den Voraussetzungen und den Grenzen des Anspruchs der Versicherten auf Versorgung mit Hilfsmitteln der GKV nach § 33 SGB V fort. Auch unter Berücksichtigung der im Schrifttum verschiedentlich geäußerten Kritik (vgl zum Stand der Diskussion zB Brockmann, Sozialrecht aktuell Sonderheft 2013, 19 ff; Davy in Festschrift 50 Jahre Bundessozialgericht 2004, 403 ff; Davy, SGb 2004, 315 ff; Liebold, Auswirkungen des SGB IX auf die gesetzliche Krankenversicherung, 2007, 216 ff; Masuch, SozSich 2004, 314 ff; Welti, SGb 2010, 597 ff; Welti, SuP 2009, 683 ff; Schütze, SGb 2013, 147 ff; Trésoret, NZS 2013, 491 ff; Henning, SGb 2015, 83 ff) sieht der Senat keinen Anlass, von den tragenden Säulen des Systems der Hilfsmittelversorgung der GKV abzurücken. Dazu gehören die Unterscheidung zwischen dem unmittelbaren und dem mittelbaren Behinderungsausgleich, die Anknüpfung des mittelbaren Behinderungsausgleichs an die allgemeinen Grundbedürfnisse des täglichen Lebens, die grundsätzliche Beschränkung des elementaren Grundbedürfnisses auf Erschließung eines gewissen körperlichen Freiraums durch Mobilitätshilfen auf die eigene Wohnung des Versicherten und deren Nahbereich sowie die Definition des mittelbaren Behinderungsausgleichs allein anhand der drohenden bzw vorhandenen Funktionsdefizite, also ohne Berücksichtigung der konkreten Ausgestaltung des Wohnorts und der individuellen Wohnverhältnisse des Versicherten. Dieses Regelungssystem hat sich bewährt, führt zu sachgerechten Ergebnissen und gewährleistet eine nachvollziehbare Abgrenzung zu den Leistungspflichten anderer Sozialleistungsträger bei der Hilfsmittelversorgung, zB bei der beruflichen und sozialen Rehabilitation.

29

a) Es wird geltend gemacht, das BSG trage bei seiner Rechtsprechung zu § 33 SGB V nicht dem gewandelten Begriff der Behinderung Rechnung, wie er in § 2 Abs 1 Satz 1 SGB IX niedergelegt sei: "Menschen sind behindert, wenn ihre körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für das Lebensalter typischen Zustand abweichen und daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist." Bevor das SGB IX in Kraft trat, habe man unter dem Begriff Behinderung eine Funktionseinschränkung im medizinischen Sinne verstanden. Der in § 2 Abs 1 Satz 1 SGB IX normierte Behinderungsbegriff rücke demgegenüber das Ziel der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft in den Vordergrund. Eine Behinderung liege nunmehr vor, wenn die Funktionsbeeinträchtigung eine Teilhabestörung hervorruft (Heinz, WZS 2011, 174, 177 f; Liebold, aaO, S 136 ff; Welti, SGb 2010, 597, 599; Welti, SuP 2009, 683, 687 f; Henning, SGb 2015, 83, 87; zur Gesetzeshistorie BT-Drucks 14/5074 S 92 und 98). Welches Hilfsmittel erforderlich sei, müsse - gerade auch im Bereich der Mobilität - mit Blick auf die Teilhabestörung festgestellt werden. Dazu sei es unerlässlich, die individuellen Kontextfaktoren zu berücksichtigen; denn erst durch jene könne die durch die Funktionseinschränkung hervorgerufene Teilhabebeeinträchtigung festgestellt werden. Zu den zu berücksichtigenden individuellen Kontextfaktoren zählten insbesondere Familie, Wohnung und Wohnort (Welti, SuP 2009, 683, 688; Henning, SGb 2015, 83, 87).

30

Dieser Einwand trifft nicht zu. Der erkennende Senat hat selbstverständlich den Behinderungsbegriff des § 2 Abs 1 Satz 1 SGB IX bei seiner Rechtsprechung berücksichtigt(BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 45 zur Damenperücke), wie es auch durch die Regelung des § 11 Abs 2 Satz 3 SGB V ausdrücklich angeordnet worden ist: "Die Leistungen nach Satz 1 (gemeint sind Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen) werden unter Beachtung des Neunten Buches erbracht, soweit in diesem Buch nichts anderes bestimmt ist." Dies kann aber nicht zu den von den Kritikern geforderten Konsequenzen führen. Die Krankenkassen haben das Ziel der gleichberechtigten Teilhabe behinderter Menschen am Leben in der Gesellschaft (§ 1 Satz 1, § 4 SGB IX) bei der Leistungsgewährung nach § 33 SGB V zwar stets zu beachten, dabei aber die Grenzen ihrer Zuständigkeit zu wahren. Das Förderungsgebot des SGB IX gilt nur innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der GKV bei der Hilfsmittelversorgung, dehnt den Zuständigkeitsbereich selbst aber nicht aus. Denn die Krankenkassen sind immer nur für die medizinische Rehabilitation zuständig (§ 5 Nr 1, § 6 Abs 1 Nr 1 SGB IX), und dies bedeutet für den Bereich des mittelbaren Behinderungsausgleichs, um den es in diesem Zusammenhang nur gehen kann, die Beschränkung auf den Ausgleich von Behinderungsfolgen bei den Grundbedürfnissen des täglichen Lebens, wie in § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX ausdrücklich normiert. Sind elementare Grundbedürfnisse nicht betroffen, entfällt die Zuständigkeit der GKV beim mittelbaren Behinderungsausgleich, auch wenn das Hilfsmittel möglicherweise geeignet wäre, die Teilhabe des Versicherten am Leben in der Gesellschaft zu fördern. Etwas anderes könnte nur gelten, wenn der Gesetzgeber sich entschlösse, die Zuständigkeit der Krankenkassen bei der Hilfsmittelversorgung auf die "Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft" iS des § 5 Nr 4 SGB IX auszuweiten. Als Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft werden nach § 55 Abs 1 SGB IX die Leistungen erbracht, die den behinderten Menschen die Teilhabe am Leben in der Gesellschaft ermöglichen oder sichern oder sie so weit wie möglich unabhängig von Pflege machen und nach den Kapiteln 4 bis 6 (4: Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, 5: Leistungen zur Teilhabe am Arbeitsleben, 6: Unterhaltssichernde und andere ergänzende Leistungen) nicht erbracht werden; dazu gehört auch die Versorgung mit anderen als den in § 31 SGB IX genannten Hilfsmitteln.

31

b) Die nach der bisherigen Konzeption des § 33 SGB V weitgehend ausgeschlossene Berücksichtigung des Wohnorts und des Wohnumfelds des Versicherten kann ebenfalls nur durch den Gesetzgeber korrigiert werden. Er hätte zB die Möglichkeit, innerhalb des § 33 Abs 1 SGB V die Berücksichtigung der individuellen Wohn- und Lebensverhältnisse anzuordnen - und würde auf diese Weise zu einem weitgehenden Gleichklang mit dem System der sozialen Pflegeversicherung(§ 40 SGB XI) gelangen.

32

Bisher hat der Gesetzgeber allerdings keinen Anlass gesehen, die langjährige Rechtsprechung des erkennenden Senats zur Hilfsmittelversorgung der Versicherten nach § 33 SGB V im Bereich des - allein umstrittenen - mittelbaren Behinderungsausgleichs zu korrigieren. Dies spricht dafür, dass er diese Rechtsprechung jedenfalls bisher billigt und keinen Korrekturbedarf sieht. Auch dieser Umstand spricht dafür, an der bisherigen Rechtsprechung zu § 33 SGB V festzuhalten.

33

c) Die Kritiker machen ferner geltend, im Bereich der gesetzlichen Unfallversicherung werde nicht zwischen unmittelbarem und mittelbarem Behinderungsausgleich unterschieden und nach dem Grundsatz der optimalen Rehabilitation (Rehabilitation "mit allen geeigneten Mitteln", vgl §§ 1, 26 Abs 2 SGB VII) eine über die Befriedigung elementarer Grundbedürfnisse hinausreichende Hilfsmittelversorgung praktiziert, obgleich auch für die Unfallversicherungsträger als Träger der medizinischen Rehabilitation die Regelung des § 31 SGB IX gelte, sodass die einschränkende Auslegung des erkennenden Senats zur Reichweite des Anspruchs auf Versorgung mit Hilfsmitteln durch die GKV nach § 33 SGB V und § 31 SGB IX nicht gerechtfertigt sei(Brandenburg, Sozialrecht aktuell Sonderheft 2013, 16, 18; Henning, SGb 2015, 83, 88). Dem kann gleichfalls nicht zugestimmt werden. Die Kritik berücksichtigt nicht die deutlich abweichenden - nämlich breiter angelegten - Tatbestandsvoraussetzungen für die Hilfsmittelversorgung in der gesetzlichen Unfallversicherung. Nach § 31 Abs 1 Satz 1 SGB VII sind dort Hilfsmittel "alle ärztlich verordneten Sachen, die den Erfolg der Heilbehandlung sichern oder die Folgen von Gesundheitsschäden mildern oder ausgleichen". Zudem sind die Träger der Unfallversicherung für alle vier Gruppen der Leistungen zur Teilhabe (§ 5 Nr 1 bis 4 SGB IX) zuständig, sodass sie teilhaberechtlich nicht nur Hilfsmittel zur medizinischen Rehabilitation (§ 31 SGB IX), sondern auch Hilfsmittel zur Teilhabe am Arbeitsleben (§ 33 Abs 8 Satz 1 Nr 4 SGB IX) und Hilfsmittel zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft (§ 55 Abs 2 Nr 1 SGB IX) zu erbringen haben. Die Leistungspflicht der Unfallversicherung bei der Hilfsmittelversorgung der Versicherten ist also erheblich weiter gefasst als in der GKV und beschränkt sich gerade nicht auf die rein medizinische Rehabilitation.

34

4. Nach den zur Hilfsmittelversorgung in der GKV entwickelten Grundsätzen bestand kein Anspruch der Versicherten gemäß § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V auf Kosten der Beklagten mit einem Autoschwenksitz versorgt zu werden(zum Anspruch auf Ausstattung mit einem Autoschwenksitz vgl zB BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 3 und 29; BSGE 93, 176 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7), und zwar unabhängig davon, ob es um die Übereignung oder die leihweise Überlassung des Geräts geht und auch unabhängig davon, ob das Gerät fabrikneu oder schon gebraucht ist. Der Versorgungsanspruch gegen die Krankenkasse nach § 33 SGB V bestand hier bereits vom Grundsatz her nicht.

35

a) Da es bei der Bestimmung des Nahbereichs einer Wohnung auf einen abstrakten Maßstab und nicht auf die konkreten Verhältnisse ankommt, ist es unerheblich, welche Entfernungen zwischen der Wohnung der Versicherten und den Praxen der Ärzte und Therapeuten sowie der Tagespflegeeinrichtung konkret zurückzulegen waren. Standardmäßig liegen diese Orte innerhalb des Nahbereichs der Wohnung. Den Nahbereich der Wohnung konnte die Versicherte im Rollstuhl sitzend mit Hilfe ihres Ehemannes erschließen. Soweit der Kläger geltend macht, auch die Erschließung des Nahbereichs sei nicht mehr gesichert gewesen, weil ihm selbst das ständige Schieben des Rollstuhls immer schwerer gefallen sei, hat die Beklagte zu Recht darauf hingewiesen, dass die Möglichkeit bestanden hätte, eine - an den Rollstuhl anzubauende - elektrische Schiebehilfe als Hilfsmittel zur Gewährleistung der Mobilität im Nahbereich zu beantragen (§ 33 Abs 1 Satz 1 SGB V).

36

b) Die Wahrnehmung von Versorgungswegen, zB zum Einkauf, schied wegen der fortgeschrittenen Demenz der Versicherten ohnehin aus. Bei der Mitnahme der Versicherten zu den Einkäufen und dem wöchentlichen Besuch eines Bades in Bad L. stand nicht die Gewährleistung der Mobilität im Vordergrund, sondern die Notwendigkeit ständiger Beaufsichtigung wegen der demenzbedingten Möglichkeit der Selbst- und Fremdgefährdung bei unbeaufsichtigtem alleinigem Verbleib in der Wohnung.

37

c) Die Aufrechterhaltung der sozialen Kontakte durch den Besuch von außerhalb des Nahbereichs lebenden Angehörigen, Freunden und Bekannten gehört zum Bereich der sozialen Rehabilitation, deren Gewährleistung nicht zum Aufgabenspektrum der GKV zählt (BSGE 107, 44 = SozR 4-2500 § 33 Nr 31, RdNr 35). Das Autofahren selbst und das Mitfahren im Auto gehört nicht zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens (BSGE 98, 213 = SozR 4-2500 § 33 Nr 15).

38

d) Sollte im Einzelfall für das Aufsuchen der Praxen von Ärzten und Therapeuten die Nutzung eines Rollstuhltaxis erforderlich gewesen sein, wäre die Beklagte für den Transport nach § 60 Abs 1 Satz 2, Abs 2 Satz 1 Nr 4 SGB V sachleistungspflichtig gewesen, weil die Versicherte über die Merkzeichen H und aG verfügte sowie der Pflegestufe III zugeordnet war(vgl § 8 Abs 3 der Krankentransport-Richtlinien des GBA vom 22.1.2004, BAnz 2004, Nr 18, 1342).

39

e) Das vorstehende Ergebnis hat auch im Lichte des § 33 SGB I Bestand; dort heißt es: "Ist der Inhalt von Rechten oder Pflichten nach Art und Umfang nicht im einzelnen bestimmt, sind bei ihrer Ausgestaltung die persönlichen Verhältnisse des Berechtigten oder Verpflichteten, sein Bedarf und seine Leistungsfähigkeit sowie die örtlichen Verhältnisse zu berücksichtigen, soweit Rechtsvorschriften nicht entgegenstehen. Dabei soll den Wünschen des Berechtigten oder Verpflichteten entsprochen werden, soweit sie angemessen sind." Auf diese Regelung kann sich der Kläger bei der Auslegung des Leistungsrechts nach § 33 Abs 1 Satz 1 SGB V nicht stützen. Die in § 33 SGB I angesprochene Berücksichtigung der örtlichen Verhältnisse betrifft nämlich nur die Ausgestaltung vorhandener Rechtsansprüche, nicht hingegen die Begründung der Rechtsansprüche als solche. Die Regelung bezieht sich also nicht auf das "Ob" des Bestehens, sondern nur auf das "Wie" der Erfüllung einer bestehenden Leistungspflicht (Mrozynski, SGB I, 5. Aufl 2014, § 33 RdNr 2). Demgemäß hat der Senat bei einem gehbehinderten und auch in der Armkraft beeinträchtigten Versicherten, der den Nahbereich seiner Wohnung nicht mehr zu Fuß erschließen konnte, einen Anspruch nach § 33 SGB V auf eine Mobilitätshilfe mit Elektromotor zuerkannt und bei dessen Ausgestaltung ein Wahlrecht des Versicherten zwischen einem Elektrorollstuhl und einem Shoprider nach § 33 SGB I angenommen(BSG SozR 3-1200 § 33 Nr 1).

40

5. Der Leistungsanspruch gegen die Beklagte lässt sich - wie bereits angedeutet - auch nicht aus den Vorschriften des SGB IX über die Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen herleiten. Ein Anspruch aus § 31 SGB IX scheidet aus. Diese Vorschrift gibt hinsichtlich des Hilfsmittelbegriffs nur den Regelungsgehalt im Bereich der medizinischen Rehabilitation wieder, wie er durch die höchstrichterliche Rechtsprechung entwickelt worden ist, und bestätigt somit diese Rechtsprechung. Eine Ausweitung der Leistungspflicht der GKV bei der Hilfsmittelversorgung war nicht beabsichtigt, was vor allem darin zum Ausdruck kommt, dass nach § 7 Satz 2 SGB IX die Regelung des § 33 SGB V maßgeblich bleibt: "Die Zuständigkeit und die Voraussetzungen für die Leistungen zur Teilhabe richten sich nach den für den jeweiligen Rehabilitationsträger geltenden Leistungsgesetzen"(vgl im Einzelnen BSGE 91, 60, 64 RdNr 12, 13 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3 RdNr 13, 14 sowie zur Gesetzesbegründung BT-Drucks 14/5074 S 94).

41

6. Auch die Beigeladene war im vorliegenden Fall nicht zur Sachleistung verpflichtet. Die Beklagte hat einen gegen die Pflegekasse gerichteten Anspruch zu Recht verneint.

42

a) Rechtsgrundlage des Leistungsanspruchs gegen eine Pflegekasse ist § 40 Abs 1 Satz 1 SGB XI in der bis heute unverändert gebliebenen Fassung des Pflege-Versicherungsgesetzes vom 26.5.1994 (BGBl I 1014). Danach haben Pflegebedürftige Anspruch auf Versorgung mit Pflegehilfsmitteln, die zur Erleichterung der Pflege oder zur Linderung der Beschwerden des Pflegebedürftigen beitragen oder ihm eine selbstständigere Lebensführung ermöglichen, soweit die Hilfsmittel nicht wegen Krankheit oder Behinderung von der Krankenversicherung oder anderen zuständigen Leistungsträgern zu leisten sind. Nach § 40 Abs 3 SGB XI in der Fassung des Pflege-Weiterentwicklungsgesetzes vom 28.5.2008 (BGBI I 874) sollen technische Pflegehilfsmittel in allen geeigneten Fällen vorrangig leihweise überlassen werden (Satz 1). Die Pflegekassen können die Bewilligung davon abhängig machen, dass die Pflegebedürftigen sich das Pflegehilfsmittel anpassen oder sich selbst oder die Pflegeperson in seinem Gebrauch ausbilden lassen (Satz 2). Der Anspruch umfasst auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Pflegehilfsmitteln sowie die Ausbildung in ihrem Gebrauch (Satz 3). Die Voraussetzungen für die - nach Wahl der Beklagten durch Leihe oder Übereignung mögliche - Ausstattung der Versicherten mit dem begehrten Autoschwenksitz waren jedoch nicht erfüllt, wobei hier ohnehin nur die erste und dritte Variante des § 40 Abs 1 Satz 1 SGB XI in Betracht kamen; um die Linderung der Beschwerden der Versicherten ging es ersichtlich nicht.

43

b) Hier kam vor allem die erste Tatbestandsvariante des § 40 Abs 1 Satz 1 SGB XI - Erleichterung der Pflege - in Betracht. Diese Variante erfasst insbesondere Hilfen bei den Verrichtungen der Körperpflege, der Ernährung und der Mobilität, also der Grundpflege nach § 14 Abs 4 Nr 1 bis 3 SGB XI. Der Autoschwenksitz kann als Hilfsmittel für Rollstuhlfahrer bei der Verrichtung "Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung" (§ 14 Abs 4 Nr 3 SGB XI) eingestuft werden. Dabei sind alle Wege außerhalb der Wohnung zu berücksichtigen, die für die Aufrechterhaltung der Lebensführung zu Hause unumgänglich sind und bei denen das persönliche Erscheinen des Pflegebedürftigen notwendig ist. Dies ist zB beim Besuch einer Arztpraxis immer dann der Fall, wenn vom behandelnden Arzt ein Hausbesuch nicht erwartet werden kann. Gleiches gilt für mobilitätserhaltende Behandlungen bei Physiotherapeuten (BSG SozR 4-3300 § 15 Nr 1; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 5; Udsching, SGB XI, 3. Aufl 2010, § 14 RdNr 40). Hier war der Aufenthalt der Versicherten in einer Tagespflegeeinrichtung nach den objektiven Gegebenheiten für die Aufrechterhaltung ihrer Lebensführung zu Hause erforderlich. Für die Erforderlichkeit ist maßgeblich, dass der Aufenthalt des Pflegebedürftigen in der Einrichtung regelmäßig erst die Möglichkeit schafft, dass er durch seine Angehörigen weiterhin zu Hause gepflegt werden kann, zB weil er ohne die Tagespflege auf Dauer in ein Pflegeheim umziehen müsste. Allerdings wird ein Autoschwenksitz für die Wege zur - hier anfangs zweimal und zuletzt fünfmal wöchentlich durchgeführten - Tagespflege schon deswegen nicht "benötigt", weil der Transport eines Versicherten gemäß § 41 Abs 1 Satz 2 SGB XI von Mitarbeitern eines Fahrdienstes durchgeführt werden kann. Der Transport eines Pflegebedürftigen zur Tagespflegeeinrichtung und zurück ist vom Gesetzgeber ausdrücklich dem Bereich der teilstationären Pflege (§ 41 Abs 1 Satz 2 SGB XI) zugeordnet und als Sachleistung der Pflegekassen ausgestaltet (§ 4 Abs 1 SGB XI) worden. Für den Transport ist die Pflegeeinrichtung bzw deren Fahrdienst zuständig, sodass ein eigener (oder leihweise überlassener) Autoschwenksitz regelmäßig für diese Fahrten nicht "benötigt" wird. Ob die Versicherte lieber von ihrem Ehemann - dem Kläger - als von den Mitarbeitern des Fahrdienstes transportiert worden wäre, ist unerheblich. Leistungen nach § 40 SGB XI zur ambulanten Pflege müssen nicht deshalb gewährt werden, weil der Betroffene die vorhandenen, gesetzlich vorgesehenen Angebote im Rahmen der von ihm in Anspruch genommenen teilstationären Pflege nicht nutzen will. Wenn dabei Eigenbeteiligungen anfallen, beruht das darauf, dass die Leistungen der Pflegeversicherung nicht den vollständigen Bedarf decken, sondern der Höhe nach begrenzt sind (zur Ausweitung des Sachleistungsanspruchs nach § 41 SGB XI zum 1.1.2015 vgl die Neufassung dieser Vorschrift durch Art 1 Nr 11 des Ersten Gesetzes zur Stärkung der pflegerischen Versorgung und zur Änderung weiterer Vorschriften - Erstes Pflegestärkungsgesetz vom 17.12.2014, BGBl I 2222, 2224). Dieser Umstand kann aber keinen Anspruch auf ein Pflegehilfsmittel zum Zwecke des Transports auslösen, für den im Gesetz ausdrücklich ein Anspruch gegen die Pflegeeinrichtung bzw deren Fahrdienst statuiert wurde.

44

Für die Fahrten zu Ärzten und Therapeuten ist ggf die GKV zuständig (§ 60 SGB V). Sonstige für die Aufrechterhaltung der Lebensführung zu Hause notwendige Wege und Aufenthalte außerhalb der Wohnung sind hier weder vom LSG festgestellt noch vom Kläger vorgetragen worden. Daher scheidet die Hilfe bei der Verrichtung "Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung" als Zweck der Versorgung mit dem Autoschwenksitz aus.

45

c) Auch die Voraussetzungen der dritten Variante des § 40 Abs 1 Satz 1 SGB XI, also die Ermöglichung einer selbstständigeren Lebensführung des Pflegebedürftigen, sind nicht erfüllt, weil es nicht darum ging, der Versicherten auf diese Weise die Verwirklichung ihres allgemeinen Grundbedürfnisses auf Mobilität im Nahbereich der Wohnung zu erleichtern. In diesem Zusammenhang ist festzuhalten, dass nicht etwa eine selbstständige, also von fremder Unterstützung unabhängige Lebensführung ermöglicht werden soll, sondern im Gesetz nur von einer "selbstständigeren" Lebensführung die Rede ist, wozu es ausreicht, dass ein bestimmter Aspekt der Lebensführung durch eine regelmäßig verfügbare Hilfestellung leichter oder besser verwirklicht werden kann. Über die Ermöglichung einer selbstständigeren Lebensführung hinaus enthält die Vorschrift keine weiteren Anforderungen, die an die Einsatz- und Verwendungsmöglichkeiten des Hilfsmittels zu stellen sind (Udsching, aaO, § 40 RdNr 9 mwN). Hilfsmittel, die den Zwecken des § 40 Abs 1 Satz 1 SGB XI dienen, sind nach der gesetzlichen Wertung "Pflegehilfsmittel", und zwar unabhängig davon, ob sie daneben auch die Begriffsmerkmale eines Hilfsmittels iS des § 33 SGB V erfüllen.

46

Das Tatbestandsmerkmal der "selbstständigeren" Lebensführung kann indes nur erfüllt werden, wenn die Anschaffung des Pflegehilfsmittels nicht in erster Linie im Interesse der Pflegeperson erfolgt, sondern die Anschaffung den Zweck hat, dass der Pflegebedürftige mit Hilfe des Pflegehilfsmittels bei den allgemeinen Lebensbetätigungen partiell selbstständiger agieren kann, also in verringertem Maße von der Unterstützung Dritter abhängig ist. Das war hier nach den Feststellungen des LSG nicht der Fall. Im Vordergrund stand stets die Notwendigkeit ständiger Beaufsichtigung der Versicherten und nicht deren aktive Lebensgestaltung.

47

Darüber hinaus ist der Tatbestand der Ermöglichung einer selbstständigeren Lebensführung auch aus grundsätzlichen Erwägungen nicht erfüllt. Es kann bei diesem Tatbestand nicht darum gehen, einem Pflegebedürftigen Pflegehilfsmittel für jede denkbare Form und Variante einer selbst gewählten Lebensführung zur Verfügung zu stellen. Eine Einschränkung der Leistungspflicht der Pflegekassen bei der Versorgung der Versicherten mit Pflegehilfsmitteln ergibt sich aus der gesetzlichen Regelung des § 40 Abs 1 SGB XI selbst, wonach die Pflegekassen die Versicherten nur bei häuslicher Pflege auch mit den dazu erforderlichen Pflegehilfsmitteln auszustatten haben. § 40 SGB XI gehört innerhalb des Vierten Kapitels des SGB XI ("Leistungen der Pflegeversicherung") zu dessen Dritten Abschnitt ("Leistungen") und dort zum Ersten Teil, der mit "Leistungen bei häuslicher Pflege" überschrieben ist. Die Pflegehilfsmittel müssen dabei geeignet sein, den Pflegebedürftigen in die Lage zu versetzen, möglichst lange in seiner häuslichen Umgebung bleiben zu können und vollstationäre Pflege zu vermeiden (§ 3 SGB XI: Vorrang der häuslichen Pflege). Diese Zweckbestimmung erfordert eine Eingrenzung der "selbstständigeren Lebensführung" auf jene Verrichtungen, die dem Leben im häuslichen Bereich zugerechnet werden können und im weiteren Sinne der Aufrechterhaltung der Fähigkeit des Versicherten dienen, möglichst lange in der eigenen Wohnung zu verbleiben. Zu diesem Bereich der Lebensführung gehört nicht das Autofahren selbst und auch nicht die Erreichbarkeit von Zielen und Personen mit einem Pkw zu Zwecken, die nicht zum Zuständigkeitsbereich der sozialen Pflegeversicherung zählen, sondern in die Zuständigkeit anderer Sozialversicherungsträger fallen. Insbesondere ist zu beachten, dass die Pflegekassen nicht zu jenen Rehabilitationsträgern zählen, die nach dem SGB IX für Leistungen der medizinischen Rehabilitation oder für Leistungen zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft, also die soziale Rehabilitation zuständig sind (§§ 5, 6 SGB IX). Zur Ermöglichung einer "selbstständigeren Lebensführung" iS des § 40 Abs 1 SGB XI gehört demgemäß nicht die Bereitstellung eines Autoschwenksitzes für Fahrten zum Besuch von Verwandten und Bekannten sowie zur Freizeitgestaltung (Besuch von Veranstaltungen, Fahrten zum Schwimmbad, Ausflugsfahrten). Der regelmäßige Einkauf von Lebensmitteln - und damit die Fahrt zum Supermarkt - gehört zwar zum Kern der Lebensführung im häuslichen Bereich, jedoch war es nach Feststellung des LSG nicht Zweck der Anschaffung des Autoschwenksitzes, der Versicherten das eigenständige und von fremder Hilfe weniger abhängige Einkaufen (wieder) zu ermöglichen; das Einkaufen war und blieb vielmehr Aufgabe des Klägers, und die Versicherte sollte ihn auf den Fahrten zu den Einkaufsstätten nur begleiten, damit sie in dieser Zeit nicht ohne Aufsicht war.

48

Die Aufsicht selbst diente zwar im weiteren Sinne auch der Ermöglichung des Verbleibs der Versicherten in der häuslichen Umgebung und damit der Förderung des Vorrangs der häuslichen Pflege (§ 3 SGB XI), um die es bei der Ausstattung von Versicherten mit Pflegehilfsmitteln geht. Die Aufsicht bei den Einkaufsfahrten kann den Anspruch auf Versorgung mit dem Autoschwenksitz aber schon deshalb nicht begründen, weil der Kläger für die Einkaufsfahrten jene Stunden hätte nutzen können, in denen die Versicherte sich in der Tagespflegeeinrichtung aufhielt. Die Tagespflege hat gerade auch den Zweck, der Pflegeperson Betätigungen außer Haus zu ermöglichen und sie in dieser Zeit von der ansonsten notwendigen Beaufsichtigung des Pflegebedürftigen zu entlasten.

49

7. Auch aus den Vorschriften des SGB XII über die Eingliederungshilfe, die die Beklagte als erstangegangener Rehabilitationsträger im Rahmen des § 14 Abs 2 SGB IX zu berücksichtigen hatte, ergibt sich kein Anspruch. Dabei kann offen bleiben, ob die Ausstattung eines Pkw mit einem Autoschwenksitz von der Leistungspflicht der Sozialhilfeträger nach § 54 SGB XII sowie den dort in Bezug genommenen Bestimmungen des SGB IX(hier: Versorgung mit Hilfsmitteln nach § 55 Abs 2 Nr 1 SGB IX als Leistung zur Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft) erfasst ist. Jedenfalls schließt hier zum einen die Regelung des § 41 SGB XI über die Bestandteile der teilstationären Pflege einen Anspruch auf der Grundlage des SGB XII aus, soweit es um den Transport der Versicherten zur Tagespflege geht: die Versicherte benötigte Transportleistungen nur in Lebensbereichen, die von den Vorschriften des SGB V(§ 60 Krankentransport) und SGB XI (§ 41 Transport zur Tagespflege) erfasst waren. Insoweit greifen Spezialregelungen über die Transportkosten ein, die die Erforderlichkeit der Ausstattung des Pkw mit einem Schwenksitz entfallen lassen.

50

Soweit es um die Teilhabe der Versicherten am sozialen Leben im Übrigen geht, ist von Bedeutung, dass Streitgegenstand ein Erstattungsanspruch ist; denn die Versicherte bzw der Kläger hat den Sitz bereits angeschafft. Weil die sozialhilferechtlichen Leistungen nach § 54 SGB XII grundsätzlich einkommens- und vermögensabhängig sind und die Kostenerstattungsregelung des § 15 Abs 1 SGB IX durch die Ausnahmevorschrift des Satzes 5 die Anwendung der Vorschriften über die Umwandlung des nicht erfüllten Sachleistungsanspruchs in einen Erstattungsanspruch(§ 15 Abs 1 Satz 1 bis 3 SGB IX) gegenüber dem Sozialhilfeträger auch deshalb ausschließt, hätte die Versicherte im Verwaltungsverfahren deutlich machen müssen, dass sie den Anspruch gegen die Beklagte auch als einkommens- und vermögensabhängige Leistung verfolgen will. Da das nicht geschehen ist, war die Beklagte nicht gehalten, über den geltend gemachten Zahlungsanspruch auch unter sozialhilferechtlichen Grundsätzen zu entscheiden. Dementsprechend war es auch nicht erforderlich, den zuständigen Sozialhilfeträger gemäß § 75 Abs 2 SGG zum Rechtsstreit notwendig beizuladen(Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 11. Aufl 2014, § 75 RdNr 13c).

51

8. Die Kostenentscheidung für den zweiten und dritten Rechtszug beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 3 SGG iVm § 154 Abs 2 VwGO. Die für die Versicherten geltende kostenrechtliche Sonderregelung des § 183 SGG war hier nur im ersten Rechtszug anwendbar. Nach dem Tod seiner Ehefrau, der Versicherten, hat der Kläger den Rechtsstreit als Alleinerbe und Rechtsnachfolger fortgeführt. Er war als Ehemann, der mit seiner Ehefrau in einem gemeinsamen Haushalt gelebt hatte, aber nicht Sonderrechtsnachfolger iS des § 56 Abs 1 SGB I, weil die Klage nicht "fällige Ansprüche auf laufende Geldleistungen" betrifft. Streitgegenstand ist ein Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs 3 SGB V, der sich auf zwei dem Anwendungsbereich des § 33 SGB V bzw des § 40 SGB XI zuzuordnende Sachleistungen bezog, nämlich der Anschaffung des Autoschwenksitzes im März 2008 und dessen Einbau im neu erworbenen Pkw im November 2009. Es geht daher rechtlich um zwei Sachleistungsansprüche im Hilfsmittelbereich und nicht um "laufende Geldleistungen". Daher kann dem Kläger die Kostenprivilegierung des § 183 SGG für den zweiten und dritten Rechtszug nicht zugutekommen.

52

9. Die Streitwertfestsetzung für den zweiten und dritten Rechtszug beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Teilsatz 1 SGG iVm § 63 Abs 2 und 3, § 52 Abs 3 und § 47 Abs 1 GKG.

(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

(2) Ist für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt, erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag.

(3) Hat die Krankenkasse Leistungen ohne Rechtsgrundlage oder entgegen geltendem Recht erbracht und hat ein Vorstandsmitglied hiervon gewußt oder hätte es hiervon wissen müssen, hat die zuständige Aufsichtsbehörde nach Anhörung des Vorstandsmitglieds den Verwaltungsrat zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat das Regreßverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

(1) Aufwendungen für ärztlich verordnete Hilfsmittel, Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle sowie Körperersatzstücke sind beihilfefähig, wenn sie im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Beihilfefähig sind vorbehaltlich des Absatzes 4 Aufwendungen für Anschaffung, Reparatur, Ersatz, Betrieb, Unterweisung in den Gebrauch und Unterhaltung der in Anlage 11 genannten Hilfsmittel, Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle und Körperersatzstücke unter den dort genannten Voraussetzungen. Aufwendungen für den Ersatz eines unbrauchbar gewordenen Gegenstandes im Sinne von Satz 1 sind nach Ablauf von sechs Monaten seit Anschaffung beihilfefähig, wenn eine erneute ärztliche Verordnung vorliegt.

(2) Nicht beihilfefähig sind Aufwendungen für

1.
Hilfsmittel und Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle, die
a)
einen geringen oder umstrittenen therapeutischen Nutzen haben,
b)
einen niedrigen Abgabepreis haben,
c)
der allgemeinen Lebenshaltung zuzurechnen sind oder
d)
in Anlage 12 genannt sind, und
2.
gesondert ausgewiesene Versandkosten.

(3) Aufwendungen für das Mieten von Hilfsmitteln und Geräten zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle nach Absatz 1 Satz 1 sind beihilfefähig, soweit sie nicht höher als die Aufwendungen für deren Anschaffung sind.

(4) Sind Hilfsmittel und Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 weder in Anlage 11 oder 12 aufgeführt noch mit den aufgeführten Gegenständen vergleichbar, sind hierfür getätigte Aufwendungen ausnahmsweise beihilfefähig, wenn dies im Hinblick auf die Fürsorgepflicht nach § 78 des Bundesbeamtengesetzes notwendig ist. Die Festsetzungsstelle entscheidet in Fällen des Satzes 1 mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde. Die oberste Dienstbehörde hat bei Aufwendungen von mehr als 600 Euro vor ihrer Zustimmung das Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat herzustellen. Soweit das Einvernehmen des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat allgemein erklärt ist, kann die oberste Dienstbehörde ihre Zuständigkeit auf eine andere Behörde übertragen. Absatz 2 bleibt unberührt.

(5) Aufwendungen für den Betrieb und die Unterhaltung der Hilfsmittel und Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 sind nur in Höhe des 100 Euro je Kalenderjahr übersteigenden Betrages beihilfefähig. Nicht beihilfefähig sind Aufwendungen für Batterien von Hörgeräten sowie Pflege- und Reinigungsmittel für Kontaktlinsen. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

(6) Beihilfefähig sind auch Aufwendungen für Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn die beihilfeberechtigte oder berücksichtigungsfähige Person selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der die Gefahr einer Infektion durch Stichverletzungen, insbesondere durch Blutentnahmen und Injektionen, besteht oder angenommen werden kann.

(1) Die Leistungen müssen ausreichend, zweckmäßig und wirtschaftlich sein; sie dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Leistungen, die nicht notwendig oder unwirtschaftlich sind, können Versicherte nicht beanspruchen, dürfen die Leistungserbringer nicht bewirken und die Krankenkassen nicht bewilligen.

(2) Ist für eine Leistung ein Festbetrag festgesetzt, erfüllt die Krankenkasse ihre Leistungspflicht mit dem Festbetrag.

(3) Hat die Krankenkasse Leistungen ohne Rechtsgrundlage oder entgegen geltendem Recht erbracht und hat ein Vorstandsmitglied hiervon gewußt oder hätte es hiervon wissen müssen, hat die zuständige Aufsichtsbehörde nach Anhörung des Vorstandsmitglieds den Verwaltungsrat zu veranlassen, das Vorstandsmitglied auf Ersatz des aus der Pflichtverletzung entstandenen Schadens in Anspruch zu nehmen, falls der Verwaltungsrat das Regreßverfahren nicht bereits von sich aus eingeleitet hat.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 2. Februar 2012 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Streitig ist ein Anspruch des Klägers gegen die beklagte Krankenkasse auf Versorgung mit einer Unterschenkel-Sportprothese als Sachleistung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV).

2

Der im Jahre 1978 geborene Kläger erlitt am 19.9.2003 bei einem Verkehrsunfall schwere Verletzungen; Komplikationen im Heilungsverlauf führten schließlich am 9.4.2008 zur Amputation des rechten Unterschenkels (GdB 90). Die Beklagte hat ihn mit einer Modular-Unterschenkelprothese aus Gießharz mit einem Carbonfederfuß sowie einer wasserfesten Prothese für die Mobilität in Nassbereichen ausgestattet. Der Kläger ist vollschichtig berufstätig und verbringt seine Freizeit vornehmlich mit sportlichen Aktivitäten. Er geht regelmäßig zum Schwimmen und in ein Fitnessstudio, fährt Rad, wandert, spielt Tischtennis und betätigt sich in einer Behindertensportgruppe als Sitzballspieler.

3

Am 21.4.2009 beantragte der Kläger unter Vorlage einer vertragsärztlichen Verordnung vom 3.4.2009 und eines Kostenvoranschlags über 11 450,96 Euro die zusätzliche Versorgung mit einer Unterschenkel-Sportprothese mit Oberschenkelhülse in Silikonschafttechnik zur Teilnahme an den sportlichen Aktivitäten. Er gab an, die vorhandene Prothese sei für den Sport weder vorgesehen noch auf Dauer geeignet. Insbesondere für das von ihm auch schon vor dem Unfall bevorzugte Badmintonspiel sei die Sportprothese erforderlich, weil sie über einen rückfedernden Spezialfuß nebst Seitenfeder verfüge und ihm auf diese Weise die sportarttypischen, besonders schnellen und kraftvollen Sprünge ermöglicht würden. Die Beklagte lehnte den Leistungsantrag nach Einholung einer Stellungnahme des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) ab, weil die Sportprothese für den Behinderungsausgleich nicht erforderlich sei. Er könne mit der Alltagsprothese problemlos gehen und stehen und seinen bisherigen sportlichen Aktivitäten ausreichend nachgehen. Die Sportprothese diene einem rein sportlichen Mobilitätsbedürfnis und sei wegen der starken Fußfederung für den Alltagsgebrauch eher ungeeignet. Die Zweitversorgung mit der Sportprothese könne daher auch nicht mit einer Verlängerung der Gebrauchsfähigkeit der Alltagsprothese begründet werden (Bescheid vom 22.4.2009, Widerspruchsbescheid vom 14.12.2009).

4

Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 8.6.2011). Das LSG hat die Berufung des Klägers zurückgewiesen (Urteil vom 2.2.2012): Eine Beinprothese diene zwar dem unmittelbaren Behinderungsausgleich, bei dem grundsätzlich das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits gelte. Allerdings gebe es auch beim unmittelbaren Behinderungsausgleich keinen Anspruch auf Optimalversorgung. Die Sportprothese biete im Vergleich zu der vorhandenen Alltagsprothese nur einen geringen, auf bestimmte sportliche Aktivitäten in der Freizeit beschränkten Gebrauchsvorteil. Die Grundfunktionen des sicheren Gehens und Stehens seien durch die Alltagsprothese und die Badeprothese hinreichend gewährleistet. Auch die meisten Sportarten könnten mit diesen Prothesen ausgeübt werden. Nur das Badmintonspiel würde durch die Sportprothese erleichtert. Dieser Zweck rechtfertige die Zusatzversorgung jedoch nicht; einem gehbehinderten Menschen müsse nicht jede Form der Freizeitbetätigung auf Kosten der Versichertengemeinschaft der GKV ermöglicht werden.

5

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt der Kläger die Verletzung materiellen Rechts (§ 33 Abs 1 SGB V). Die prothetische Versorgung müsse nicht nur das normale Gehen, Stehen und Treppensteigen ermöglichen, sondern auch das schnelle Laufen, das Springen und sonstige rasche Bewegungen der Beine, weil es dabei um Körperfunktionen gehe, über die jeder nicht gehbehinderte Mensch verfüge. Die Gleichbehandlung mit nicht behinderten Menschen sei auch beim Freizeitsport zu gewährleisten (Art 3 Abs 3 GG, § 1 SGB IX). Die Alltagsprothese benutze er beim Sport nur als Notbehelf. Es besteht immer die Gefahr eines Materialbruchs durch Überlastung. Alltagsprothesen und Sportprothesen dienten grundsätzlich verschiedenen Zwecken, sodass die Maßstäbe einer üblichen "Zweitversorgung" nicht anwendbar seien. Gerügt werde auch die Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG). Das LSG hätte ermitteln müssen, ob er mit den vorhandenen Prothesen auch im Sportbereich im Sinne eines Gleichziehens mit den Fähigkeiten eines nicht gehbehinderten Menschen ausreichend versorgt sei.

6

Der Kläger beantragt,
die Urteile des LSG Rheinland-Pfalz vom 2.2.2012 und des SG Mainz vom 8.6.2011 zu ändern, den Bescheid der Beklagten vom 22.4.2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14.12.2009 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihn mit einer Unterschenkel-Sportprothese mit Oberschenkelhülse in Silikonschafttechnik zu versorgen.

7

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Berufungsurteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision des Klägers ist unbegründet.

9

Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, dass der Kläger keinen Versorgungsanspruch nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V hat, weil die Sportprothese nur der sportlichen Betätigung in der Freizeit dient und damit ein Versorgungsziel verfolgt wird, für das die Krankenkassen nicht aufzukommen haben. Die Ermöglichung sportlicher Aktivitäten fällt grundsätzlich nur dann in die Leistungspflicht der GKV bei der Hilfsmittelversorgung, wenn es dabei zugleich um die Gewährleistung eines allgemeinen Grundbedürfnisses des täglichen Lebens geht, wie es zB bei der Teilnahme am Sportunterricht in der Schule im Rahmen der Schulpflicht (BSG SozR 2200 § 182 Nr 73 - Sportbrille) oder bei der Integration von Kindern und Jugendlichen in den Kreis Gleichaltriger (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 27 - Rollstuhl-Bike als Fahrradersatz) der Fall ist, oder wenn es sich um die Teilnahme am ärztlich verordneten Rehabilitationssport und Funktionstraining (§ 44 Abs 1 Nr 3 und 4 SGB IX) handelt. Die Förderung des Freizeitsports und des Vereinssports gehört hingegen nicht zu den Aufgaben der Krankenkassen bei der Hilfsmittelversorgung (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 35 - Sportrollstuhl zur Teilnahme am Rollstuhlbasketballspiel in einem Behindertensportverein).

10

1. Rechtsgrundlage des geltend gemachten Leistungsanspruchs ist § 33 Abs 1 S 1 SGB V in der ab 1.4.2007 geltenden Fassung von Art 1 Nr 17 GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetz (GKV-WSG) vom 26.3.2007 (BGBl I 378), weil bei Leistungsklagen, auch wenn sie - wie hier - mit einer Anfechtungsklage verbunden sind, grundsätzlich der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgebend ist (Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl 2012, § 54 RdNr 34 mwN). Nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Versorgung mit Hörhilfen, Körperersatzstücken, orthopädischen und anderen Hilfsmitteln, die im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen, soweit die Hilfsmittel nicht als allgemeine Gebrauchsgegenstände des täglichen Lebens anzusehen oder nach § 34 Abs 4 SGB V ausgeschlossen sind. Nach § 33 Abs 1 S 4 SGB V umfasst der Anspruch auch die notwendige Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung von Hilfsmitteln, die Ausbildung in ihrem Gebrauch und, soweit zum Schutz der Versicherten vor unvertretbaren gesundheitlichen Risiken erforderlich, die nach dem Stand der Technik zur Erhaltung der Funktionsfähigkeit und der technischen Sicherheit notwendigen Wartungen und technischen Kontrollen. Im vorliegenden Fall geht es um eine besondere Variante der Erstbeschaffung eines Hilfsmittels, deren Tatbestandsvoraussetzungen aber hier nicht erfüllt sind.

11

2. Die Leistungsablehnung ist rechtmäßig, weil die Sportprothese im vorliegenden Fall zum Behinderungsausgleich nicht erforderlich ist. Dieser in § 33 Abs 1 S 1 SGB V als 3. Variante genannte - und hier allein in Betracht kommende - Zweck (vgl jetzt auch § 31 Abs 1 Nr 3 SGB IX) eines von der GKV zu leistenden Hilfsmittels hat zweierlei Bedeutung.

12

a) Im Vordergrund einer Hilfsmittelversorgung steht zumeist der Ausgleich der ausgefallenen oder beeinträchtigten Körperfunktion selbst. Bei diesem unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Die gesonderte Prüfung, ob ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betroffen ist, entfällt, weil sich die unmittelbar auszugleichende Funktionsbeeinträchtigung selbst immer schon auf ein Grundbedürfnis bezieht; die Erhaltung bzw Wiederherstellung einer Körperfunktion ist als solche ein Grundbedürfnis. Dabei kann die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem nicht behinderten Menschen erreicht ist (BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 4 - C-leg II). Die Wirtschaftlichkeit eines dem unmittelbaren Behinderungsausgleich dienenden Hilfsmittels ist grundsätzlich zu unterstellen und erst zu prüfen, wenn zwei tatsächlich gleichwertige, aber unterschiedlich teure Hilfsmittel zur Wahl stehen (vgl § 33 Abs 1 S 5 SGB V und § 31 Abs 3 SGB IX).

13

b) Daneben können Hilfsmittel den Zweck haben, die direkten und indirekten Folgen der Behinderung auszugleichen (sog mittelbarer Behinderungsausgleich). In diesem Rahmen ist die GKV allerdings nur für den Basisausgleich der Folgen der Behinderung eintrittspflichtig (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 35 RdNr 14). Es geht hier nicht um einen Ausgleich im Sinne des vollständigen Gleichziehens mit den letztlich unbegrenzten Möglichkeiten eines gesunden Menschen. Denn Aufgabe der GKV ist in allen Fällen allein die medizinische Rehabilitation (vgl § 1 SGB V sowie § 6 Abs 1 Nr 1 iVm § 5 Nr 1 und 3 SGB IX), also die möglichst weitgehende Wiederherstellung der Gesundheit und der Organfunktionen einschließlich der Sicherung des Behandlungserfolges, um ein selbstständiges Leben führen und die Anforderungen des Alltags meistern zu können. Eine darüber hinausgehende berufliche oder soziale Rehabilitation ist hingegen Aufgabe anderer Sozialleistungssysteme. Ein Hilfsmittel zum mittelbaren Behinderungsausgleich ist von der GKV daher nur zu gewähren, wenn es die Auswirkungen der Behinderung im gesamten täglichen Leben beseitigt oder mildert und damit ein allgemeines Grundbedürfnis des täglichen Lebens betrifft. Nach ständiger Rechtsprechung gehören zu den allgemeinen Grundbedürfnissen des täglichen Lebens das Gehen, Stehen, Sitzen, Liegen, Greifen, Sehen, Hören, die Nahrungsaufnahme, das Ausscheiden, die elementare Körperpflege, das selbstständige Wohnen sowie das Erschließen eines gewissen körperlichen und geistigen Freiraums (BSGE 93, 176, 180 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 12; BSGE 91, 60, 63 RdNr 9 = SozR 4-2500 § 33 Nr 3 RdNr 10; BSG SozR 3-3300 § 14 Nr 14; stRspr). Zum Grundbedürfnis der Erschließung eines geistigen Freiraums gehört ua die Aufnahme von Informationen, die Kommunikation mit anderen Menschen sowie das Erlernen eines lebensnotwendigen Grundwissens bzw eines Schulwissens (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 29 und 46; BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 11 RdNr 18). Zum körperlichen Freiraum gehört - im Sinne eines Basisausgleichs der eingeschränkten Bewegungsfreiheit - die Fähigkeit, sich in der eigenen Wohnung zu bewegen und die Wohnung zu verlassen, um bei einem kurzen Spaziergang "an die frische Luft zu kommen" oder um die - üblicherweise im Nahbereich der Wohnung liegenden - Stellen zu erreichen, an denen Alltagsgeschäfte zu erledigen sind (zB Supermarkt, Arzt, Apotheke, Geldinstitut, Post), nicht aber die Bewegung außerhalb dieses Nahbereichs. Soweit überhaupt die Frage eines größeren Radius über das zu Fuß Erreichbare hinaus aufgeworfen worden ist, sind schon immer zusätzliche qualitative Momente verlangt worden (vgl BSGE 93, 176, 180 = SozR 4-2500 § 33 Nr 7, RdNr 12 - Erreichbarkeit ambulanter medizinischer Versorgung für Wachkomapatientin; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 27 - Rollstuhl-Bike für Jugendliche; BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 46 - behindertengerechtes Dreirad; BSG SozR 2200 § 182b Nr 13 - Faltrollstuhl).

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c) Dem Gegenstand nach besteht für den unmittelbaren ebenso wie für den mittelbaren Behinderungsausgleich ein Anspruch auf die im Einzelfall ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Hilfsmittelversorgung, nicht jedoch ein Anspruch auf Optimalversorgung. Deshalb besteht kein Anspruch auf ein teureres Hilfsmittel, soweit die kostengünstigere Versorgung für den angestrebten Nachteilsausgleich funktionell in gleicher Weise geeignet ist (vgl BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 26 S 153; stRspr); andernfalls sind die Mehrkosten gemäß § 33 Abs 1 S 5 SGB V(ebenso § 31 Abs 3 SGB IX) von dem Versicherten selbst zu tragen. Die Krankenkassen haben auch nicht für solche "Innovationen" aufzukommen, die keine wesentlichen Gebrauchsvorteile für den Versicherten bewirken, sondern sich auf einen bloß besseren Komfort im Gebrauch oder eine bessere Optik beschränken (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44; BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 15).

15

d) Auf das normale Gehen, Stehen und Treppensteigen ausgelegte Beinprothesen sind Körperersatzstücke gemäß § 33 Abs 1 S 1 SGB V. Sie dienen dem unmittelbaren Ersatz des fehlenden Körperteils und dessen ausgefallener Funktion. Sie sind auf den Ausgleich der Behinderung selbst gerichtet und dienen der medizinischen Rehabilitation, ohne dass zusätzlich die Erfüllung eines allgemeinen Grundbedürfnisses des täglichen Lebens zu prüfen ist, wie es bei Hilfsmitteln erforderlich wäre, die nur die direkten und indirekten Folgen einer Behinderung ausgleichen sollen. Bei einer Beinprothese geht es um das Grundbedürfnis auf möglichst sicheres, gefahrloses Gehen und Stehen, wie es bei nicht behinderten Menschen durch die Funktion der Beine gewährleistet ist. Diese Funktion muss in möglichst weitgehender Weise ausgeglichen werden (BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8 - C-leg II).

16

3. Diese Grundsätze waren für den erkennenden Senat maßgeblich, als er in zwei Entscheidungen vom 25.6.2009 (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 23 und 24) die Frage zu klären hatte, ob beinamputierte Versicherte, die bereits mit einer normalen Laufprothese ausgestattet sind, die zusätzliche Versorgung mit einer Badeprothese beanspruchen können. Dies wurde für eine übliche (süßwasserbeständige) Badeprothese bejaht, für eine salzwasserbeständige Badeprothese dagegen verneint. Dabei ging es indes nicht, wie es auf den ersten Blick scheinen könnte, um die Ermöglichung einer bestimmten gesundheitsfördernden sportlichen Betätigung, nämlich das Schwimmen, sondern um die Befriedigung des Mobilitätsbedürfnisses in Nassbereichen und damit um die Erfüllung eines allgemeinen Grundbedürfnisses des täglichen Lebens.

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a) Die normale Beinprothese hat einen konstruktionsbedingten Gebrauchsnachteil, weil sie nicht dort zu verwenden ist, wo der Benutzer beim Gehen und Stehen mit Wasser in Kontakt kommt. Durch den Kontakt mit Wasser besteht die große Gefahr einer Beschädigung, sodass die Krankenkassen zur Reparatur bzw zum Ersatz verpflichtet wären, was erhebliche Kosten verursacht. Außerdem ist der Fuß einer normalen Laufprothese so ausgelegt, dass er mit Schuhen getragen wird. Im Schwimmbad ist das Tragen von Straßenschuhen in aller Regel verboten. Ohne Schuhe besteht aber eine besondere Rutschgefahr. Unterarmgehstützen bieten nicht den gleichen Halt wie eine Beinprothese und sind für die Gang- und Standsicherheit nur ergänzend heranzuziehen. Die normale Laufprothese ist beim Aufenthalt in und am Wasser (Schwimmbad, Fluss, See) ungeeignet. Dieser Gebrauchsnachteil wird durch die zusätzliche Ausstattung mit einer Badeprothese kompensiert. Die Badeprothese gleicht praktisch das Funktionsdefizit der Alltagsprothese in Nassbereichen aus.

18

b) Der danach gegebene Anspruch eines beinamputierten Versicherten auf Versorgung mit einer Badeprothese wird durch die Bereitstellung einer normalen (süßwasserfesten) Prothese erfüllt. Das Funktionsdefizit einer Alltagsprothese ist dadurch im häuslichen Nassbereich vollständig und im außerhäuslichen Bereich im Wesentlichen erfüllt, weil es den Aufenthalt in herkömmlichen Schwimmbädern sowie an Flüssen und Binnenseen ermöglicht. Nicht geeignet ist eine süßwasserfeste Badeprothese lediglich für den Aufenthalt im und am Salzwasser, also in Salzwasser-Schwimmbädern und am Meer. Einen Ausgleich dieses Gebrauchsnachteils der ihm zur Verfügung gestellten Badeprothese kann der Versicherte jedoch nicht verlangen. Entscheidend ist insoweit, dass die salzwasserfeste Badeprothese dem Versicherten nicht - wie bei der normalen Badeprothese - in erster Linie das gefahrlose Gehen und Stehen in Nassbereichen innerhalb und außerhalb der Wohnung überhaupt erst ermöglichen soll, sondern der Aufenthalt in einer ganz speziellen Umgebung im Vordergrund steht (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 23 und 24).

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c) In solchen Konstellationen kommt es maßgeblich darauf an, ob die jeweilige "Zusatzfunktion" eines - in der Grundausführung dem unmittelbaren Behinderungsausgleich dienenden - Hilfsmittels (hier: die Salzwasserfestigkeit) notwendig ist, den besonderen Bedürfnissen eines behinderten Menschen zur Bewältigung seines Alltags unter Berücksichtigung der speziellen Grundsätze und Gebote des SGB IX Rechnung zu tragen. Dies war dort zu verneinen. Es ging lediglich um eine marginale Einschränkung der Alltagsgestaltung, die dem Versicherten zuzumuten ist, weil sie weder seine Selbstbestimmung noch seine gleichberechtigte Teilhabe am Leben in der Gesellschaft fühlbar beeinträchtigt (BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 23 und 24).

20

Aber auch bei der Bewältigung des Alltags ist es einem Versicherten zumutbar, auf die vorhandenen Hilfsmittel zurückzugreifen. Nicht jede Form der Freizeitbeschäftigung muss auf Kosten der Versichertengemeinschaft der GKV ermöglicht werden. Dazu gehört der Aufenthalt im und am Salzwasser, sei es in einem Salzwasserthermalbad oder im Urlaub am Meer. Es ist zumutbar, das Salzwasser zu meiden und sich auf den Aufenthalt im Süßwasserbereich zu beschränken. Ein Versicherter, der diesen zumutbaren Gebrauchsnachteil einer normalen Badeprothese nicht hinnehmen möchte und eine salzwasserfeste Badeprothese benutzen will, hat die dadurch entstehenden Mehrkosten selbst zu tragen (§ 33 Abs 1 S 5 SGB V und § 31 Abs 3 SGB IX).

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4. Im Verhältnis von normaler Laufprothese und Badeprothese geht es um zwei sich in ihren Funktionen ergänzende Hilfsmittel zum unmittelbaren Behindertenausgleich, die stets nebeneinander beansprucht werden können. Davon zu unterscheiden ist die Situation eines Versicherten, der zum unmittelbaren Behinderungsausgleich mit einem herkömmlichen, voll funktionsfähigen Hilfsmittel versorgt ist, nun aber ein dem gleichen Zweck dienendes, aber technisch verbessertes oder aufwändiger ausgestattetes Hilfsmittel beansprucht. Es geht dabei um den besonderen Fall der qualifizierten Zweitversorgung bei Vorhandensein von zwei demselben Versorgungsziel dienenden Hilfsmitteln. Diese Situation ist zB gegeben, wenn ein gehbehinderter Versicherter, der mit einer herkömmlichen, mechanisch gesteuerten und noch voll funktionsfähigen Prothese ausgestattet ist, die Versorgung mit einer technisch weiterentwickelten, über ein mikroprozessorgesteuertes Kniegelenk verfügenden Prothese (C-leg) begehrt. Der erkennende Senat hat diesen Anspruch auf Zweitversorgung in mehreren Entscheidungen stattgegeben (BSG SozR 3-2500 § 33 Nr 44; BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8): Beim unmittelbaren Behinderungsausgleich gilt das Gebot eines möglichst weitgehenden Ausgleichs des Funktionsdefizits, und zwar unter Berücksichtigung des aktuellen Stands des medizinischen und technischen Fortschritts. Daher kann die Versorgung mit einem fortschrittlichen, technisch weiterentwickelten Hilfsmittel nicht mit der Begründung abgelehnt werden, der bisher erreichte Versorgungsstandard sei ausreichend, solange ein Ausgleich der Behinderung nicht vollständig im Sinne des Gleichziehens mit einem nicht behinderten Menschen erreicht ist (BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8 RdNr 4 - C-leg II). Dabei muss es stets um "wesentliche" Gebrauchsvorteile des neuartigen Hilfsmittels gehen, was dann der Fall ist, wenn sich die Gebrauchsvorteile allgemein im Alltagsleben auswirken, sich also nicht auf einen bloß besseren Komfort im Gebrauch oder eine bessere Optik beschränken. Da eine C-leg-Prothese im Vergleich zu einer hergebrachten mechanisch wirkenden Prothese über deutliche allgemeine - und damit "wesentliche" - Gebrauchsvorteile verfügt (zB weitgehende Annäherung an ein natürliches Gangbild und erhebliche Reduzierung der Sturzgefahr beim Gehen auf unebenem Untergrund und auf Treppen, vgl BSGE 93, 183 = SozR 4-2500 § 33 Nr 8, RdNr 5, 14, 15),ist der Anspruch auf Zweitversorgung jeweils zuerkannt worden.

22

5. An diese Grundsätze ist anzuknüpfen, wenn es um die zusätzliche Versorgung eines beinamputierten Versicherten, der schon mit einer normalen Laufprothese und einer Badeprothese ausgestattet ist, mit einer Sportprothese geht, die ihm den Bereich des Freizeitsports noch weiter eröffnen soll, insbesondere mit Blick auf das von ihm bevorzugte Badmintonspiel.

23

Die Sportprothese gleicht nicht ein Funktionsdefizit der normalen Laufprothese im Alltagsgebrauch aus, wie es bei der Badeprothese in Nassbereichen der Fall ist. Sie ermöglicht zwar durch den rückfedernden Spezialfuß ein besseres Springen und andere rasche Körperbewegungen, wie sie einem nicht gehbehinderten Menschen gleichen Alters regelmäßig ohne Weiteres möglich sind. Diesen Gebrauchsvorteil im Vergleich zur normalen Laufprothese benötigt der Kläger jedoch nicht zur Bewältigung von Mobilitätserfordernissen im Alltag, sondern ausschließlich für den Freizeitsport, der ihm in einem erheblichen Maße auch schon durch die vorhandene Prothese ermöglicht wird. Hierin besteht der Unterschied zu der Situation von beinamputierten Versicherten, die zwar mit einer funktionstüchtigen, alltagstauglichen mechanischen Beinprothese ausgestattet sind, nunmehr aber eine elektronisch gesteuerte Beinprothese beanspruchen, weil das Gangbild verbessert und die Sicherheit beim Gehen erheblich erhöht wird. Während beim C-leg der Gebrauchsvorteil also "wesentlich" ist, weil er sich im gesamten Alltagsgebrauch auswirkt, ist der Gebrauchsvorteil einer Sportprothese nicht "wesentlich", weil sie nur dem speziellen Mobilitätsbedürfnis des Klägers bei seinen sportlichen Aktivitäten in der Freizeit, vor allem beim Badmintonspiel, dient. Im Vergleich zur normalen Laufprothese, die ebenfalls sportliche Betätigungen in nennenswertem Umfang ermöglicht, bietet die Sportprothese für den Alltagsgebrauch keinen Gebrauchsvorteil, sondern wirkt sich sogar nachteilig aus, weil der rückfedernde Spezialfuß beim normalen Gehen eher hinderlich wirkt. Daher hat die Beklagte den Leistungsantrag des Klägers nach § 33 Abs 1 S 1 SGB V zu Recht abgelehnt.

24

6. Der Kläger kann sich auch nicht mit Erfolg auf das "Übereinkommen der Vereinten Nationen über die Rechte von Menschen mit Behinderungen" (UN-Konvention) berufen. Diese Konvention ist am 3.5.2008 in Kraft getreten und durch Vertragsgesetz zum Übereinkommen vom 21.12.2008 (BGBl II 1419) innerstaatlich verbindlich geworden; sie war deshalb zum Zeitpunkt der Entscheidung des LSG als geltendes Recht zu beachten (andere Situation in BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 25 RdNr 28). Allerdings können aus der UN-Konvention keine über § 33 SGB V hinausgehenden Leistungsansprüche hergeleitet werden. Insbesondere ergeben sich solche Ansprüche nicht aus Art 20 UN-Konvention. Danach verpflichten sich die Vertragsstaaten zu wirksamen Maßnahmen, um für Menschen mit Behinderungen persönliche Mobilität mit größtmöglicher Unabhängigkeit sicherzustellen. Zu diesem Zweck haben sie ua den Zugang zu hochwertigen Mobilitätshilfen zu erschwinglichen Preisen zu erleichtern. Hierbei handelt es sich indes nur um eine Verpflichtung der Vertragsstaaten, deren volle Verwirklichung gemäß Art 4 Abs 2 UN-Konvention nach und nach angestrebt werden soll (Rothfritz, Die Konvention der Vereinten Nationen zum Schutz der Rechte von Menschen mit Behinderungen, 2010, S 465). Zudem kann aus den Regelungen der UN-Konvention kein subjektiv-öffentliches Recht des Einzelnen abgeleitet werden, ein konkretes und der persönlichen Mobilität dienendes Hilfsmittel von einem bestimmten Leistungsträger verlangen zu können. Die Bundesrepublik Deutschland trägt dem von der UN-Konvention angestrebten Zweck, den vollen und gleichberechtigten Genuss aller Menschenrechte und Grundfreiheiten durch alle Menschen mit Behinderungen zu fördern, zu schützen und zu gewährleisten sowie die Achtung der ihnen innewohnenden Würde zu fördern (Art 1 UN-Konvention), ausreichend durch das gegliederte Leistungssystem des SGB und insbesondere durch dessen Neuntes Buch (Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen - SGB IX) Rechnung. Weitergehende Einzelansprüche werden - zumindest für den Bereich der GKV - durch die UN-Konvention nicht begründet (vgl BSG SozR 4-2500 § 33 Nr 35 RdNr 19).

25

7. Ein möglicher Anspruch gegen die Beklagte als erstangegangene Rehabilitationsträgerin nach § 14 SGB IX scheidet aus, weil die Leistungszuständigkeit anderer Sozialleistungsträger (Unfallversicherung, Sozialhilfe) weder aus den Akten ersichtlich noch vom Kläger geltend gemacht worden ist.

26

8. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Aufwendungen für ärztlich verordnete Hilfsmittel, Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle sowie Körperersatzstücke sind beihilfefähig, wenn sie im Einzelfall erforderlich sind, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Beihilfefähig sind vorbehaltlich des Absatzes 4 Aufwendungen für Anschaffung, Reparatur, Ersatz, Betrieb, Unterweisung in den Gebrauch und Unterhaltung der in Anlage 11 genannten Hilfsmittel, Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle und Körperersatzstücke unter den dort genannten Voraussetzungen. Aufwendungen für den Ersatz eines unbrauchbar gewordenen Gegenstandes im Sinne von Satz 1 sind nach Ablauf von sechs Monaten seit Anschaffung beihilfefähig, wenn eine erneute ärztliche Verordnung vorliegt.

(2) Nicht beihilfefähig sind Aufwendungen für

1.
Hilfsmittel und Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle, die
a)
einen geringen oder umstrittenen therapeutischen Nutzen haben,
b)
einen niedrigen Abgabepreis haben,
c)
der allgemeinen Lebenshaltung zuzurechnen sind oder
d)
in Anlage 12 genannt sind, und
2.
gesondert ausgewiesene Versandkosten.

(3) Aufwendungen für das Mieten von Hilfsmitteln und Geräten zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle nach Absatz 1 Satz 1 sind beihilfefähig, soweit sie nicht höher als die Aufwendungen für deren Anschaffung sind.

(4) Sind Hilfsmittel und Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 weder in Anlage 11 oder 12 aufgeführt noch mit den aufgeführten Gegenständen vergleichbar, sind hierfür getätigte Aufwendungen ausnahmsweise beihilfefähig, wenn dies im Hinblick auf die Fürsorgepflicht nach § 78 des Bundesbeamtengesetzes notwendig ist. Die Festsetzungsstelle entscheidet in Fällen des Satzes 1 mit Zustimmung der obersten Dienstbehörde. Die oberste Dienstbehörde hat bei Aufwendungen von mehr als 600 Euro vor ihrer Zustimmung das Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat herzustellen. Soweit das Einvernehmen des Bundesministeriums des Innern, für Bau und Heimat allgemein erklärt ist, kann die oberste Dienstbehörde ihre Zuständigkeit auf eine andere Behörde übertragen. Absatz 2 bleibt unberührt.

(5) Aufwendungen für den Betrieb und die Unterhaltung der Hilfsmittel und Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle im Sinne des Absatzes 1 Satz 1 sind nur in Höhe des 100 Euro je Kalenderjahr übersteigenden Betrages beihilfefähig. Nicht beihilfefähig sind Aufwendungen für Batterien von Hörgeräten sowie Pflege- und Reinigungsmittel für Kontaktlinsen. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für Personen, die das 18. Lebensjahr noch nicht vollendet haben.

(6) Beihilfefähig sind auch Aufwendungen für Hilfsmittel, die eine dritte Person durch einen Sicherheitsmechanismus vor Nadelstichverletzungen schützen, wenn die beihilfeberechtigte oder berücksichtigungsfähige Person selbst nicht zur Anwendung des Hilfsmittels in der Lage ist und es hierfür einer Tätigkeit der dritten Person bedarf, bei der die Gefahr einer Infektion durch Stichverletzungen, insbesondere durch Blutentnahmen und Injektionen, besteht oder angenommen werden kann.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.