Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 17. Nov. 2005 - 1 S 2278/04

bei uns veröffentlicht am17.11.2005

Tenor

Auf Antrag des Klägers wird die Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 9. Juli 2004 - 18 K 1474/04 - zugelassen, soweit die Klage auf Unterlassung der im Klageantrag unter a), c) und e) genannten Tatsachenbehauptungen abgewiesen worden ist.

Im Übrigen wird der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens, soweit der Antrag abgelehnt wird; im Übrigen bleibt die Kostenentscheidung der Entscheidung über die Berufung vorbehalten.

Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird, soweit der Antrag abgelehnt wird, auf EUR 5.000,-- festgesetzt.

Gründe

 
Der auf die Zulassungsgründe nach § 124 Abs. 2 Nr. 1 und 5 VwGO gestützte Antrag auf Zulassung der Berufung hat nur teilweise Erfolg.
Soweit sich der Kläger gegen die im Klageantrag unter a), c) und e) aufgeführten Tatsachenbehauptungen wendet, ist der Antrag zulässig und begründet. Der vom Kläger geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 124 Abs. 2 Nr. 5 VwGO) einer Verletzung der Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) liegt vor. Der Kläger rügt zu Recht, dass das Verwaltungsgericht insoweit Beweisanträge verfahrensfehlerhaft abgelehnt hat; die Ablehnungsgründe finden im Gesetz keine Stütze.
Zum Beweis der Tatsache, dass auf Versammlungen des Klägers von Rednern bestimmte Äußerungen nicht getätigt und von der Menge bestimmte Parolen nicht skandiert worden sind, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung - auch unter Bezugnahme auf einen vorherigen Schriftsatz - beantragt, mehrere Zeugen zu vernehmen, die an diesen Versammlungen teilgenommen hatten. Das Verwaltungsgericht hat diese Anträge abgelehnt mit der Begründung, dass sie nicht entscheidungserheblich seien (§ 244 Abs. 3 Satz 2 2. Alt. StPO in entsprechender Anwendung). Auch wenn als wahr unterstellt werde, dass die Zeugen die Äußerungen bzw. die Sprechchöre nicht selbst gehört hätten, seien diese Hilfstatsachen nicht geeignet darzutun, dass die Äußerungen nicht doch gefallen und die Sprechchöre nicht doch skandiert worden seien. Es sei eine Vielzahl von Gründen denkbar, aus denen Besucher einer Veranstaltung einzelne Äußerungen von Rednern bzw. Reaktionen des Publikums nicht wahrnehmen. Diese Erwägungen halten einer rechtlichen Überprüfung nicht stand. Ihnen liegt die Annahme zu Grunde, dass der Kläger sich - ungeachtet der abweichenden Formulierung der Beweisanträge - auf die Behauptung beschränke, die Zeugen hätten ein bestimmtes Ereignis nicht wahrgenommen. Mit einer solchen bloßen „Wahrnehmungsbehauptung“ verfehlt das Verwaltungsgericht indessen das Beweisanliegen des Klägers (vgl. hierzu Niemöller, StV 2003, 687 <695> m.N.). Das Verständnis des Verwaltungsgerichts steht zwar im Ausgangspunkt in Einklang mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung, wonach die Beweisbehauptung beim Zeugenbeweis ausschließlich Wahrnehmungen des Zeugen zum Gegenstand haben kann. Bei dem hier vorliegenden Beweis einer so genannten Negativtatsache kann demnach i.d.R. nur die Behauptung, der Zeuge habe einen bestimmten Vorgang nicht wahrgenommen, unter Beweis gestellt werden; die Behauptung, der Vorgang habe nicht stattgefunden, ist demgegenüber als darüber hinausgehende Schlussfolgerung (Beweisziel) zu betrachten, die das Gericht - in gleicher Weise wie bei Vorliegen einer Indiztatsache (siehe hierzu BVerwG, Beschluss vom 20.05.1998 - 7 B 440/97 - , Buchholz 428 § 1 VermG Nr. 153 m.N.) - nicht zu ziehen brauche; die Wahrnehmungsbehauptung wird damit zur bloßen Beweisanregung (vgl. BGH, Urteil vom 06.07.1993 - 5 StR 279/93 -, BGHSt 39, 251). Auch in der Rechtsprechung ist indessen anerkannt, dass in Ausnahmefällen der Zeuge das Fehlen eines Umstandes oder das Ausbleiben eines Ereignisses unmittelbar wahrnehmen kann. Dies gilt insbesondere bei „einfachen“ Sachverhalten, d.h. überschaubaren Abläufen, wenn der Zeuge Wahrnehmungen über ein unmittelbar tatbestandserhebliches Geschehen machen soll (vgl. BGH, Urteil vom 06.07.1993 - 5 StR 279/93 -, BGHSt 39, 251 <253>; Beschluss vom 09.03.1999 - 1 StR 693/98 - NStZ 1999, 362; Beschluss vom 14.09.2004 - 4 StR 309/04 -, NStZ-RR 2005, 78; Niemöller, StV 2003, 687 <688> m.w.N.). Von einem solchen - und der gebotenen Konnexität zwischen Beweismittel und Beweisbehauptung - ist hier auszugehen, wenn der Kläger behauptet, die Zeugen hätten jeweils den gesamten Vorgang, also die Rede als Ganzes sowie auffällige bzw. prägende Geschehnisse während der Versammlung wahrgenommen.
Geht man hiervon aus, war es dem Verwaltungsgericht verwehrt, diese Beweisanträge im Wege der Wahrunterstellung unter Hinweis darauf abzulehnen, dass sie letztlich nicht entscheidungserhebliche Behauptungen beträfen (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.03.1987 - 9 C 47.85 -, BVerwGE 77, 150 <156 f.>).
Unberührt bleibt demgegenüber der Ablehnungsgrund der völligen Ungeeignetheit des Beweismittels (§ 244 Abs. 3 Satz 2 4. Alt. StPO in entsprechender Anwendung). Allein mit der Feststellung, dass eine Vielzahl von Gründen denkbar sei, aus denen Besucher einer Veranstaltung einzelne Äußerungen von Rednern bzw. Reaktionen des Publikums nicht wahrnehmen, hat das Verwaltungsgericht die Ablehnung aber nicht jedenfalls hilfsweise mit nachvollziehbaren Erwägungen auf diesen Grund gestützt. Denn völlig ungeeignet in diesem Sinne ist ein Zeuge als Beweismittel nur dann, wenn das Gericht ohne Rücksicht auf das bisher gewonnene Beweisergebnis feststellen kann, dass sich mit ihm das in dem Beweisantrag in Aussicht gestellte Ergebnis nach sicherer Lebenserfahrung nicht erzielen lässt. Dabei ist ein strenger Maßstab anzulegen. Die absolute Untauglichkeit muss sich aus dem Beweismittel im Zusammenhang mit der Beweisbehauptung selbst ergeben. Dabei darf ein geminderter, geringer oder zweifelhafter Beweiswert nicht mit völliger Ungeeignetheit gleichgesetzt werden (vgl. BGH, Beschluss vom 09.04.2002 - 4 StR 547/01 -, NStZ-RR 2002, 242; Niemöller, StV 2003, 687 <694 f.>). Darlegungen, die unter Würdigung der jeweiligen Wahrnehmungssituation der Zeugen den Schluss zuließen, sie seien völlig ungeeignet, finden sich in den Urteilsgründen nicht.
Soweit die Klage hinsichtlich der im Klageantrag unter b) und d) aufgeführten Tatsachenbehauptungen abgewiesen worden ist, hat der Zulassungsantrag hingegen keinen Erfolg.
Was die behauptete „Bereinigung“ des Internet-Auftritts des Klägers (Klagantrag b)) angeht, entspricht das Antragsvorbringen des Klägers schon deswegen nicht den Darlegungserfordernissen des § 124 a Abs. 4 Satz 4 VwGO; weil es jegliche Auseinandersetzung mit den insoweit maßgeblichen Entscheidungsgründen vermissen lässt.
Bezüglich der behaupteten Äußerungen des früheren Vorsitzenden des Klägers (Klagantrag d)) wird ein Verfahrensmangel nicht aufgezeigt. Insoweit kann der Senat dem fristgerecht vorgelegten Begründungsschriftsatz - auch vor dem Hintergrund der nachfolgenden präzisierenden Schriftsätze - nicht mit hinreichender Deutlichkeit entnehmen, ob der Kläger sich etwa auch dagegen wendet, dass einem - gegebenenfalls unter Verweis auf den Schriftsatz vom 24.06.2004 gestellten - Beweisantrag auf Vernehmung des Präsidenten des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz nicht entsprochen worden ist. Die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils, die sich hierzu nicht verhalten, sprechen allerdings dafür, dass das Verwaltungsgericht die Bezugnahme auf den genannten Schriftsatz jedenfalls nicht in diesem - umfassenden - Sinne verstanden und somit einen diesbezüglichen Beweisantrag auch nicht verbeschieden hat. Im Übrigen hätte der Kläger - wenn denn ein Verstoß gegen § 86 Abs. 2 VwGO vorläge - sein Rügerecht wohl mangels diesbezüglicher Rüge in der mündlichen Verhandlung verloren (vgl. BVerwG, Urteil vom 06.07.1998 - 9 C 45.97 -, BVerwGE 107, 128 <132>). Eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht könnte schließlich in dieser Hinsicht auch dann nicht geltend gemacht werden, wenn der Kläger einen solchen Beweisantrag nicht gestellt haben sollte; denn die Verfahrensrüge dient nicht dazu, eigene Versäumnisse im erstinstanzlichen Verfahren auszugleichen (vgl. hierzu etwa BVerwG, Beschluss vom 10.10.2001 - 9 BN 2/01 -, NVwZ-RR 2002, 140; VGH Baden-Württemberg, Beschluss vom 30.04.1997 - 8 S 1040/97 -, VBlBW 1997, 299). Dem Verwaltungsgericht musste sich eine Beweisaufnahme auch nicht aufdrängen.
Das Vorbringen des Klägers begründet schließlich in Bezug auf diesen Klagantrag auch keine ernstlichen Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils i.S. von § 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO; denn darin wird weder ein die angefochtene Entscheidung insoweit tragender Rechtssatz noch eine für die Entscheidung erhebliche Tatsachenfeststellung mit schlüssigen Gegenargumenten in Frage gestellt (vgl. hierzu BVerfG, Kammerbeschluss vom 23.06.2000 - 1 BvR 830/00 -, VBlBW 2000, 392; nunmehr bestätigt durch Beschluss vom 03.03.2004 - 1 BvR 461/03 - BVerfGE 110, 77 <83>).
10 
Mit der Würdigung der Aussage des als Zeugen gehörten ehemaligen Vorsitzenden des Klägers setzt sich die Antragsschrift nicht näher auseinander und legt insbesondere einen Verstoß gegen § 108 Abs. 1 VwGO nicht dar. Wie die weiteren Ausführungen in den späteren Schriftsätzen zu bewerten wären, bedarf keiner Klärung, da sie über eine zu beachtende bloße Verdeutlichung des in seinen wesentlichen Zügen bereits fristgerecht vorgetragenen Vorbringens weit hinausgehen. Schließlich zeigt der Kläger nicht auf, inwieweit die Vernehmung des Bediensteten des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz als solche angesichts der zu Recht nach § 99 Abs. 1 Satz 2 VwGO verweigerten Aktenvorlage einen Verstoß gegen den Grundsatz der Unmittelbarkeit der Beweisaufnahme (§ 96 Abs. 1 VwGO) darstellen könnte.
11 
Die Kostenentscheidung folgt, soweit der Zulassungsantrag erfolglos geblieben ist, aus § 154 Abs. 2 VwGO.
12 
Soweit die Berufung zugelassen ist, wird das Zulassungsverfahren als Berufungsverfahren fortgesetzt. Die Kostenentscheidung bleibt insoweit der Entscheidung über die Berufung vorbehalten.
13 
Die Festsetzung des Streitwerts für das Zulassungsverfahren beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1 und Abs. 3, § 47 Abs. 1 und § 52 Abs. 2 GKG.
14 
Der Beschluss ist unanfechtbar.
15 
Bezüglich der Zulassung der Berufung gilt folgendes:

Sonstige Literatur

 
16 
Belehrung über das zugelassene Rechtsmittel
17 
Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Beschlusses zu begründen. Die Begründung ist beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg, Schubertstraße 11, 68165 Mannheim oder Postfach 10 32 64, 68032 Mannheim, einzureichen. Die Begründung muss einen bestimmten Antrag sowie die im einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe) enthalten.
18 
Für den Berufungskläger besteht Vertretungszwang; dies gilt auch für die Begründung der Berufung. Der Berufungskläger muss sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer deutschen Hochschule im Sinne des Hochschulrahmengesetzes mit Befähigung zum Richteramt als Bevollmächtigten vertreten lassen. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können sich auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt sowie Diplomjuristen im höheren Dienst, Gebietskörperschaften auch durch Beamte oder Angestellte mit Befähigung zum Richteramt der zuständigen Aufsichtsbehörde oder des jeweiligen kommunalen Spitzenverbandes des Landes, dem sie als Mitglied zugehören, vertreten lassen. In derselben Weise muss sich jeder Beteiligte vertreten lassen, soweit er einen Antrag stellt.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 47 Rechtsmittelverfahren


(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, inn

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 63 Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren


(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anh

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 86


(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. (2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag ka

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 108


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) Das Urteil darf nur auf Tatsache

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 99


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(1) Dieses Gesetz regelt vermögensrechtliche Ansprüche an Vermögenswerten, die a) entschädigungslos enteignet und in Volkseigentum überführt wurden;b) gegen eine geringere Entschädigung enteignet wurden, als sie Bürgern der früheren Deutschen Demokra

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Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Tatbestand   1  Der Kläger (Kurzform: ...) ist eine islamische Gemeinschaft in der Rechtsform des eingetragenen Vereins. Eigenen Angaben zufolge ist
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 17. Nov. 2005 - 1 S 2278/04.

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bei uns veröffentlicht am 24.11.2006

Tenor Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Stuttgart vom 9. Juli 2004 - 18 K 1474/04 - geändert. Dem Beklagten wird untersagt, zu behaupten oder zu verbreiten: 1. Ein ehemaliger Minister habe auf einer Veranst

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Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

 
Der Kläger (Kurzform: ...) ist eine islamische Gemeinschaft in der Rechtsform des eingetragenen Vereins. Eigenen Angaben zufolge ist er die größte islamische Gemeinschaft Europas, unterhält in Deutschland über 500 Moscheen und betreut über 200.000 Mitglieder. Weiter wird in der Klagschrift ausgeführt, er befürworte die Integration der Muslime in die europäischen Gesellschaften. Da er glaube, dass es keine Rückkehr in die Heimatländer geben werde, veranstalte er seit einem Jahr eine breit angelegte Kampagne zur Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft durch seine Mitglieder. Er befürworte demokratisches Handeln und fordere die Gleichstellung von Mann und Frau; Gewalt werde als Mittel der Auseinandersetzung strikt abgelehnt.
Das Innenministerium Baden-Württemberg hat im Juli 2002 den Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2001 veröffentlicht. Der Kläger wird darin im Kapitel E („Sicherheitsgefährdende Bestrebungen von Ausländern“) unter 3.1.1 genannt und als türkische islamistische Vereinigung bezeichnet; den Kläger betreffende Ausführungen finden sich in der Druckversion des Verfassungsschutzberichts 2001 auf den Seiten 146 bis 157. Dieser ist auch ins Internet eingestellt und über die Adresse „www.verfassungsschutz-bw.de“ abrufbar. Die Internet-Version des Verfassungsschutzberichts 2001 unterscheidet sich von der Druckversion dadurch, dass zahlreiche dort in den Text eingearbeitete Abbildungen fehlen, weshalb trotz Identität des Textes die Seitenzahlen unterschiedlich sind.
Unter anderem sind im Verfassungsschutzbericht 2001 hinsichtlich des Klägers folgende Ausführungen enthalten:
- Auf Seite 147 der Druckversion (Seite 115 der Internetversion) wird neben dem Randhinweis „Verflechtungen in die Türkei“ unter anderem ausgeführt, der Kläger sei in enger Verbindung mit verschiedenen islamistischen Parteien des ehemaligen Ministerpräsidenten ... zu sehen, die in der Türkei seit Jahren politisch eine bedeutende Rolle spielten. Das Ziel der Parteien sei die Abschaffung der auf die säkularen Reformen Kemal Atatürks zurückgehenden Staatsform in der Türkei. Allerdings hätten diese Bestrebungen mit dem vom türkischen Verfassungsgericht am 22. Juni 2001 beschlossenen Verbot der „Fazilet-Partisi“ (FP, „Tugendpartei“) einen neuerlichen Rückschlag erlitten. Wie flexibel jedoch der Kläger hier in Deutschland sei, um im Vorfeld eines drohenden Verbots seiner Mutterorganisation in der Türkei auf einschneidende Veränderungen zu reagieren, sei bereits während einer Veranstaltung des Klägers anlässlich des Opferfestes“ Anfang März 2001 in Ulm deutlich geworden. Dort sei ein ehemaliger Minister der Türkei auch auf die schwierige Situation der FP eingegangen. Da die Partei in der Türkei von einem Verbot bedroht sei, solle man - so seine Argumentation - vorerst kein Geld mehr in die Türkei schicken. Bei einem Verbot würde nämlich das Vermögen der FP vom türkischen Staat beschlagnahmt. Die Gelder, die bisher aus Sicherheitsgründen durch mehrere Personen überbracht worden seien, würden derzeit bei Privatpersonen sicher verwahrt.
- Auf Seite 148 der Druckversion (Seite 117 der Internetversion) wird neben dem Randhinweis „ambivalente Haltung zu den Terroranschlägen in den USA“ unter anderem ausgeführt, dass der Kläger auf die Terroranschläge in den USA vom 11. September 2001 offiziell mit Bedauern und Distanzierung vom Terrorismus reagiert habe. Weiter wird ausgeführt: „Gleichzeitig war festzustellen, dass die Internetangebote der Organisation von belastenden Seiten und Links „bereinigt“ wurden, um unverfänglichen Themen Platz zu machen. Im Gegensatz zu den offiziellen Erklärungen der Organisationsspitze zeichneten die Reaktionen zu den Terroranschlägen in dem Sprachrohr der Organisation „Milli Gazete“ und in der ebenfalls in ...-Kreisen verbreiteten „Akit“ freilich ein anderes Bild.“
- Auf Seite 155 der Druckversion (Seiten 121/122 der Internetversion) wird neben dem Randhinweis „statt Integration Änderung des Systems in Deutschland angestrebt“ unter anderem ausgeführt, wie konkret die Vorstellungen im Zusammenhang mit einer Einflussnahme seien, hätten ...-Funktionäre bei einer Veranstaltung am 04. Juni 2001 in Neu-Ulm mit über tausend Teilnehmern, darunter viele aus Baden-Württemberg, bewiesen. Weiter wird ausgeführt: „Im Mittelpunkt der Erörterung stand die Frage der deutschen Staatsbürgerschaft. In fünf Jahren, so ein ...-Funktionär, gebe es 11 Millionen Muslime in Deutschland und in weiteren fünf Jahren habe man bereits die Einwohnerzahl der ehemaligen DDR erreicht. Wenn man drei Millionen Erwachsene für die ... gewinnen könne, sei es kein Problem, eine Partei zu gründen und ins Parlament in Berlin einzuziehen. Voraussetzung hierfür sei aber die deutsche Staatsbürgerschaft. Die hier geltenden Gesetze böten mehr Freiraum als die türkischen. Das müsse man ausnutzen. Man werde bereits „von vielen Linksparteien“ und deutschen Politikern unterstützt. Es werde noch fünf bis zehn Jahre dauern, aber dann würde man auch das erreichen, was man „wirklich wolle“. In Europa führe man die Auseinandersetzung mit anderen Mitteln. Hier sei Wissen und Bildung Macht, aber man könne auch anders kämpfen, sollte man nichts erreichen. Daran denke man aber im Moment nicht. Die Bedenken, dass man mit Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft die türkische verliere, zerstreute der Redner mit dem Hinweis, man könne sich derzeit nach Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft auch die türkische wieder ausstellen lassen, es müsse aber schnell gehandelt werden.“
- Auf Seiten 155/156 der Druckversion (Seite 122 der Internetversion) wird neben dem Randhinweis „Staatsbürgerschaftskampagne“ unter anderem ausgeführt: „Auch der Vorsitzende der ..., ..., stellte auf der Veranstaltung die Vorteile der deutschen Staatsbürgerschaft zum Erreichen des „gemeinsamen Ziels“ vor. Er rügte seine Zuhörer, die Zeit untätig verschlafen zu haben. Als deutsche Staatsbürger sollten sie Türken aus der Türkei heiraten. Dies sei mit geringem Aufwand möglich. Dadurch würden die Ehepartner und Kinder ebenfalls Deutsche; man stärke damit die Gemeinschaft und bringe diese ihrem Ziel in fünf Jahren näher. Die Zuhörer wurden während der Veranstaltung von „Einpeitschern“ animiert. Einblendungen von ... wurden frenetisch gefeiert. Man bejubelte ihn mit Sprechchören wie „Hoca, wenn du sagst, wir sollen kämpfen, dann kämpfen wir. Wenn du sagst, wir sollen töten, dann töten wir!“
- Schließlich wird auf Seite 156 der Druckversion (Seite 122 der Internetversion) unter anderem noch ausgeführt, auf der Veranstaltung sei deutlich worden, dass die von der ... gestartete Staatsangehörigkeitskampagne nicht wie behauptet auf Integration abziele, sondern auf die möglichst effiziente Verfolgung ihrer Ziele, wobei es darum gehe, zunächst den türkischstämmigen Bevölkerungsteil in Deutschland auszuweiten. Weiter heißt es: „Diese Ziele sind keineswegs nur unter religiösen Aspekten zu betrachten, stehen aber in engem Zusammenhang mit der Bekämpfung der säkularen Gesellschaftsform, welche die ... für die Türkei und die eigene Gemeinschaft türkisch-islamistischer Migranten in Europa ablehnt“.
Mit Schreiben vom 25.07.2002 wandte sich der Kläger in dieser Angelegenheit an das Innenministerium Baden-Württemberg und wies darauf hin, dass der Verfassungsschutzbericht 2001, soweit er darin Erwähnung finde, neben einer Vielzahl unangreifbarer Meinungsäußerungen auch Unwahrheiten enthalte, die so nicht hingenommen werden könnten. So habe es eine Rede mit dem auf Seite 115 [(Internetversion) bzw. 147 (Druckversion)] des Verfassungsschutzberichts 2001 wiedergegebenen Inhalt weder auf einer von ihm abgehaltenen Veranstaltung in Ulm Anfang März 2001 noch sonst wo gegeben. Ebenso habe es keine belastenden Seiten oder Links seines Internetangebotes gegeben; daher habe auch nichts bereinigt werden müssen. Weder bei der Veranstaltung in Neu-Ulm am 04.06.2001 noch sonst wo habe einer seiner Funktionäre eine Rede mit dem auf Seite 121 [(Internetversion) bzw. 155 (Druckversion)] des Verfassungsschutzberichts 2001 wiedergegebenen Inhalt gehalten. Schließlich habe es die auf Seite 122 [(Internetversion) bzw. Seiten 155/156 (Druckversion)] des Verfassungsschutzberichts 2001 wiedergegebenen Äußerungen des Herrn ... weder auf der Veranstaltung in Neu-Ulm noch sonst wo gegeben. Zuletzt seien weder in Neu-Ulm noch auf einer anderen von ihm abgehaltenen Veranstaltung Sprechchöre mit dem auf Seite 122 [(Internetversion) bzw. Seite 156 (Druckversion)] des Verfassungsschutzberichts 2001 wiedergegebenen Inhalt gerufen worden. Abschließend wies der Kläger darauf hin, soweit im Verfassungsschutzbericht 2001 unter der Rubrik „...“ über verschiedene Inhalte der „Milli Gazete“ berichtet werde, seien jene nicht Äußerungen seiner Funktionäre; sie würden auch nicht von ihm geteilt. Die „Milli Gazete“ sei eine in der Türkei redigierte Tageszeitung, mit der weder personelle Verflechtungen bestünden noch habe er redaktionellen Einfluss auf diese Zeitung. Die dort getätigten Aussagen stammten auch nicht von einem seiner Mitglieder. Deshalb habe er Anspruch darauf, dass über ihn die vorzitierten Unwahrheiten nicht verbreitet würden bzw. im Verfassungsschutzbericht 2001 unter der ihn betreffenden Rubrik nicht Äußerungen Dritter, die ihm nicht zuzurechnen seien, angeführt würden. Gleichzeitig wurde gebeten, eine beigefügte strafbewehrte Unterlassungserklärung bis zum 05.08.2002 rechtsgültig unterzeichnet zurückzuleiten, andernfalls gerichtliche Schritte eingeleitet würden.
10 
Hierauf teilte das Innenministerium Baden-Württemberg dem Kläger unter dem 16.09.2002 mit, dass die von ihm vorgebrachten Vorwürfe überprüft worden seien, eine sachliche Unrichtigkeit der Aussagen allerdings nicht habe festgestellt werden können. Daher werde keine Veranlassung gesehen, die kritisierten Passagen im Verfassungsschutzbericht des Landes nicht zu veröffentlichen.
11 
Mit seit dem 26.06.2003 rechtskräftigem Beschluss vom 16.05.2003 - 18 K 4179/02 - hat die Kammer den Antrag des Klägers, dem Beklagten im Wege der einstweiligen Anordnung zu untersagen, die im Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2001 auf den Seiten 146 bis 157 (Druckversion) bzw. Seiten 115 bis 122 (Internetversion) enthaltenen, im Einzelnen bezeichneten Tatsachenfeststellungen weiterhin zu behaupten oder zu verbreiten, zurückgewiesen.
12 
Bereits zuvor hatte der Kläger am 05.12.2002 in dieser Sache Klage erhoben und zur Begründung zunächst sein bisheriges Vorbringen wiederholt.
13 
Nachdem sich der Beklagte bereits im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes darauf berufen hatte, dass die vom Kläger gerügten Passagen im Verfassungsschutzbericht 2001 im Wesentlichen auf entsprechenden Erkenntnissen des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz beruhten, und in jenem Verfahren ein entsprechendes Behördenzeugnis vorgelegt worden war, teilte das Bayerische Staatsministerium des Innern unter dem 24.04.2003 mit, dass nach Durchsicht der vom Bayerischen Landesamt für Verfassungsschutz vorgelegten Originalakten die inhaltliche Authentizität der in dessen Behördenzeugnis enthaltenen Informationen bestätigt und die am Ende jenes Behördenzeugnisses erfolgte Bewertung der Zuverlässigkeit und Zulässigkeit der Datenerhebung geteilt werde. Darüber hinaus sehe sich das Bayerische Staatsministerium des Innern nicht in der Lage, dem Wunsch nach Vorlage der Akten des Bayrischen Landesamtes für Verfassungsschutz, die Daten des Klägers enthielten, zu entsprechen, denn das Bekanntwerden des Inhalts jener Akten würde dem Wohl des Bundes und der Länder Nachteile bereiten; ferner seien sie gemäß § 99 Abs. 1 S. 2 VwGO auch ihrem Wesen nach geheim zu halten.
14 
Hierauf beantragte der Kläger gemäß § 99 Abs. 2 Satz 1 VwGO eine Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg zur Frage der Rechtmäßigkeit der Verweigerung der Vorlage der Akten durch das Bayerische Staatsministerium des Innern. Das vorliegende Verfahren wurde deshalb durch Beschluss der Kammer vom 25.08.2003 gemäß § 94 VwGO ausgesetzt. Zur Begründung seines Antrags trug der Kläger unter dem 27.08.2003 u.a. vor, der Beklagte habe die streitgegenständlichen Vorwürfe in seinem Verfassungsschutzbericht für das Jahr 2002 nicht wiederholt, weil er offensichtlich eingesehen habe, dass er einer Fehlinformation des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz gefolgt sei. Gleichwohl verbreite der Beklagte die streitgegenständlichen unwahren Behauptungen nach wie vor im Internet, so dass auf Jahre hinaus dessen Nutzer sich auf die Richtigkeit der Äußerungen des Beklagten verlassen würden. Im Übrigen bestehe Grund zu der Annahme, dass die Erkenntnisse in der Behördenakte nicht auf Auskünften und Urkunden beruhten, deren Bekanntgabe dem Wohle des Bundes Nachteile bereiten könnte, sondern auf das „Zusammenschnipseln“ von Zeitungsartikeln und anderen Gerüchtequellen gestützt würden. Hinzu komme, dass das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz personell überhaupt nicht in der Lage sei, fremdsprachliche islamische Organisationen zu überwachen, da entsprechende sprachkundige Mitarbeiter nicht zur Verfügung stünden. Soweit die Erkenntnisse des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz auf „offenen Quellen“ wie beispielsweise Zeitschriften oder Flugblätter beruhten, handele es sich insoweit nicht um Urkunden oder Akten, deren Bekanntwerden dem Wohl des Bundes oder eines deutschen Landes Nachteile bereiten würde. Im Übrigen könne keine Person, die zu den von ihm durchgeführten Vorträgen oder Veranstaltungen „eingeschleust“ worden sei, das bestätigen, was in dem Behördenzeugnis zu finden sei. Dagegen könne das Gegenteil dessen von Hunderten von Versammlungsteilnehmern bestätigt werden. Durch die Vorlage des unüberprüfbaren Behördenzeugnisses und der Verweigerung weiterer Akteneinsicht werde ihm, dem Kläger, jede Möglichkeit eines Gegenbeweises abgeschnitten.
15 
Mit Beschluss vom 24.03.2004 - 14 S 93/04 -, rechtskräftig seit 14.05.2004, erklärte der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg die Verweigerung der Vorlage der den Kläger betreffenden Akten des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz durch das Bayrische Staatsministerium des Innern für rechtmäßig.
16 
Unter dem 24.06.2004 hat der Kläger ergänzend ausgeführt, die prozessuale Handhabung, eine Entscheidung gemäß § 99 VwGO beim Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg einzuholen, sei nicht sachgemäß gewesen sei, denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts sei Voraussetzung für die Durchführung des Zwischenverfahrens nach § 99 VwGO grundsätzlich ein Beweisbeschluss des Gerichts der Hauptsache. Außerdem enthält dieser Schriftsatz zahlreiche Beweisangebote sowie den Hinweis, dass bereits längere Zeit vor dem Terroranschlag am 11. September 2001 an einer neuen Homepage gearbeitet worden sei.
17 
Der Kläger beantragt,
18 
dem Beklagten zu untersagen, zu behaupten oder zu verbreiten:
19 
a) Ein ehemaliger Minister habe auf einer Veranstaltung der ... anlässlich des Opferfestes Anfang März 2001 in Ulm gesagt, man solle vorerst kein Geld mehr in die Türkei schicken. “Bei einem Verbot würde nämlich das Vermögen der FP vom türkischen Staat beschlagnahmt. Die Gelder, die bisher aus Sicherheitsgründen durch mehrere Personen überbracht worden seien, würden derzeit bei Privatpersonen sicher verwahrt.“
20 
b) Nach den Terroranschlägen in den USA vom 11. September 2001 seien die Internetangebote der Organisation von belastenden Seiten und Links „bereinigt“ worden.
21 
c) Ein ...-Funktionär habe bei einer Veranstaltung in Neu-Ulm am 04.06.2001 gesagt, wenn man drei Millionen Erwachsene für die ... gewinnen könne, sei es kein Problem, eine Partei zu gründen und ins Parlament in Berlin einzuziehen. ... Man werde bereits „von vielen Linksparteien“ und deutschen Politikern unterstützt. Es werde noch fünf bis zehn Jahre dauern, aber dann würde man auch das erreichen, was man „wirklich wolle“. In Europa führe man die Auseinandersetzung mit anderen Mitteln. Hier sei Wissen und Bildung Macht, aber man könne auch anders kämpfen, sollte man nichts erreichen. Daran denke man aber im Moment nicht. Die Bedenken, dass man mit Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft die türkische verliere, zerstreute der Redner mit dem Hinweis, man könne sich jederzeit nach Annahme der deutschen Staatsbürgerschaft auch die türkische wieder ausstellen lassen, es müsse aber schnell gehandelt werden.
22 
d) Der ...-Vorsitzende ... habe gesagt, „als deutsche Staatsbürger sollte man Türken aus der Türkei heiraten. Dies sei mit geringem Aufwand möglich. Dadurch würden die Ehepartner und Kinder ebenfalls Deutsche; man stärke damit die Gemeinschaft und bringe diese ihrem Ziel in fünf Jahren näher.“
23 
e) Bei einer ...-Veranstaltung habe die Menge Sprechchöre wie „Hoca, wenn du sagst, wir sollen kämpfen, dann kämpfen wir. Wenn du sagst, wir sollen töten, dann töten wir!“, gerufen.
24 
Der Beklagte beantragt,
25 
die Klage abzuweisen.
26 
Zur Begründung weist er darauf hin, dass die Kammer bereits in ihrem im Rahmen des Verfahrens des vorläufigen Rechtsschutzes ergangenen Beschluss vom 16.05.2003 zutreffend davon ausgegangen sei, dass alle streitbefangenen Textpassagen im Verfassungsschutzbericht 2001 ausschließlich Tatsachenbehauptungen enthielten. Die Aussage im Verfassungsschutzbericht 2001 über die „Bereinigung“ von Internetangeboten beziehe sich beispielsweise auf die Links der Homepage der Zentrale des Klägers in ... auf die Homepage der Presseorgane „Akit“ und „Milli Gazete“. Die Links zu diesen Presseorganen seien nach dem 11.09.2001 gelöscht worden. Die Bewertung der Verlinkung zu den genannten Presseorganen als in Bezug auf die Haltung zu den Terroranschlägen in den USA vom 01.09.2001 „belastend“ unterliege indessen nur einem eingeschränkten Prüfungsmaßstab. Angesichts der antiamerikanischen Haltung der „Milli Gazete“ sei die Nennung des gelöschten Links auf dieses Presseorgan im Verfassungsschutzbericht 2001 sachgerecht. Denn die „Milli Gazete“ bzw. für sie tätige Journalisten würden ein islamistisches Weltbild vertreten, in dem die Amerikaner als gegen die islamische Welt gerichtete Kräfte aufträten. Auf die Frage, ob die genannten Presseorgane im Sinne eines Sprachrohrs dem Kläger zurechenbar seien, komme es dabei nicht an.
27 
Entsprechendes gelte für den auf der Homepage der ... Mannheim gesetzten Link zur Adresse „www....“. Diese Seite habe am 25.08.2000 unter anderem einen Beitrag „Wie kann ich für den Jihad trainieren“ beinhaltet. Der Beitrag habe sich mit der terroristischen Ausbildung bis hin zum Umgang mit Handfeuerwaffen und scharfer Munition befasst. Die Web-Site sei nach den Anschlägen vom 11.09.2001 geändert und der Link zu „www....“ gelöscht worden. Über das Beseitigen dieser Links sei auch in der „taz“ in deren Ausgabe vom 25.09.2001 auf Seite 10 berichtet worden. Auf die Frage, ob die Homepage bzw. die Äußerungen des ...-Ortsverbands Mannheim dem Kläger zuzurechnen seien, komme es nicht an; es reiche aus, dass der Link auf die Homepage des Ortsverbandes auf Grund des dort vorhandenen Verweises auf die Adresse „www....“ als belastend im Hinblick auf die Haltung des Klägers zu den Terroranschlägen in den USA zu werten sei. Im Übrigen müsse sich der Kläger das Verhalten eines seiner Ortsverbände auch zurechnen lassen, zumal er die Verwendung des offiziellen ...-Symbols auf der besagten Homepage seit Jahren offenbar nicht beanstande. Hinzu komme, dass sowohl die Vorsitzenden des Mannheimer Vereins als auch dessen Sekretär vom damaligen Generalsekretär des Klägers und dessen stellvertretendem Bundesvorsitzenden ernannt worden seien. Deshalb sei davon auszugehen, dass ein Abhängigkeitsverhältnis zwischen Ortsvorstand und Vereinsvorstand bestehe. Die übrigen vom Kläger gerügten Textpassagen im Verfassungsschutzbericht 2001 würden Äußerungen von Rednern auf Veranstaltungen des Klägers zutreffend wiedergeben. Die darin enthaltenen Darstellungen beruhten auf entsprechenden Erkenntnissen des Bayerischen Landesamtes für Verfassungsschutz. Dass diese im Verfassungsschutzbericht 2001 zitierten Äußerungen auf den genannten Veranstaltungen gefallen seien, werde im Behördenzeugnis vom 30.10.2002 bestätigt. Darüber hinaus seien in jenem Behördenzeugnis im Hinblick auf die jeweiligen Veranstaltungen weitere detaillierte Angaben enthalten. Ebenso würden die im Verfassungsschutzbericht 2001 auf Seite 155 erwähnten Äußerungen auf der Veranstaltung vom 04.06.2001 in Neu-Ulm erheblich präzisiert. Entsprechendes gelte für die weiteren in diesem Zusammenhang im Verfassungsschutzbericht enthaltenen Äußerungen. Schließlich würden auch die auf Seite 156 des Verfassungsschutzberichts 2001 erwähnten Einblendungen von ... konkretisiert. Über eine bloße Bestätigung der streitbefangenen Textpassagen im Verfassungsschutzbericht 2001 hinaus habe das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz zahlreiche Details zu dem Rahmen genannt, in dem diese Äußerungen gefallen seien. Dies belege, dass das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz über detaillierte nachrichtendienstliche Quellen über die genannten Veranstaltungen verfüge. Im Übrigen habe das Bayerische Staatsministerium des Innern mit Schreiben vom 24.04.2003 die inhaltliche Authentizität der in jenem Behördenzeugnis enthaltenen Informationen nach Durchsicht der zugrundeliegenden Akten ebenso bestätigt wie die Bewertung der Zuverlässigkeit und Zulässigkeit der Datenerhebung. Aus dem Umstand, dass das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz über umfassende Detailkenntnisse aus den im Verfassungsschutzbericht 2001 in Bezug genommenen Veranstaltungen des Klägers verfüge und der gemäß § 99 Abs. 2 VwGO zuständige Fachsenat des Verwaltungsgerichtshofs Baden-Württemberg den zugehörigen Akten die entsprechenden Quellen bzw. Informanten habe entnehmen können, folge, dass an der Richtigkeit der Darstellung im Behördenzeugnis vom 30.10.2002 und in der diese bestätigenden Sperrerklärung vom 24.04.2003 keine Zweifel bestünden. Zwar habe das Gericht bei der Entscheidung in der Sache selbst im Rahmen der Sachverhaltswürdigung zu beurteilen, welches Gewicht dem Behördenzeugnis sowie der zugehörigen Sperrerklärung zukomme. Dabei sei allerdings zu berücksichtigen, dass das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz nach dem rechtskräftigen Beschluss des VGH Baden-Württemberg berechtigt gewesen sei, die Vorlage der ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen zu verweigern. Unter diesen Umständen sei die Behördenbestätigung vom 30.10.2002 als mittelbares Beweismittel verwertbar. Die vom Kläger vorgelegten eidesstattliche Versicherungen seines Vorsitzenden ... sowie des früheren Vorsitzenden ... könnten, wie die Kammer bereits in ihrem Beschluss vom 16.05.2003 zutreffend festgestellt habe, den erbrachten Beweis nicht erschüttern. Wegen weiterer Einzelheiten der Klageerwiderung wird auf die Schriftsätze der Prozessbevollmächtigten des Beklagten vom 23.06., 01.07. und 05.07.2004 verwiesen.
28 
In der mündlichen Verhandlung hat der Kläger-Vertreter ergänzend darauf hingewiesen, dass sich der soziale Geltungsanspruch aus der Satzung des Klägers ergebe, der danach eine religiöse Gemeinschaft sei. Im Übrigen hat er bekräftigt, dass Gegenstand des Verfahrens ausschließlich Tatsachenbehauptungen, nicht aber auch Wertungen seien.
29 
Das Gericht hat in der mündlichen Verhandlung Beweis erhoben durch Vernehmung eines Beamten des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz und des ehemaligen Vorsitzenden des Klägers als Zeugen. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die hierüber angefertigte Niederschrift, die dem Sitzungsprotokoll beigefügt ist, verwiesen. Weitere vom Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellte Beweisanträge hat die Kammer abgelehnt.
30 
Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakten des vorliegenden Verfahrens sowie des Verfahrens 18 K 4179/02 und die in diesen Verfahren von den Beteiligten vorgelegten Unterlagen verwiesen; Druck- und Internetversion des Verfassungsschutzberichts 2001 liegen dem Gericht ebenfalls vor.

Entscheidungsgründe

 
31 
Die auf Untersagung einer schlicht-hoheitlichen Tätigkeit, nämlich der Verbreitung bestimmter, im Landesverfassungsschutzbericht 2001 enthaltener Tatsachenbehauptungen gerichtete Klage ist als allgemeine Leistungsklage in der Form der Unterlassungsklage zulässig.
32 
Es ist allgemein anerkannt, dass gegenüber öffentlichen, in amtlicher Eigenschaft von Hoheitsträgern getätigten Äußerungen den Betroffenen ein öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch zustehen kann, wobei offen bleiben kann, ob dieser sich dogmatisch unmittelbar aus einzelnen Freiheitsgrundrechten (Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1, 4 Abs. 1 GG; vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 23.05.1989 - 7 C 2/87 -, NJW 1989, 2272, und Beschluss vom 13.03.1991 - 7 B 99/90 -, NJW 1991, 1770) oder aus einfachem Recht in Form einer analogen Anwendung der §§ 1004, 906 BGB (vgl. Laubinger, VerwArch. 1989, 261, 291 ff.) ergibt. Der jedenfalls gewohnheitsrechtlich anerkannte Anspruch (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.04.1999 - 21 A 490/97 -, NVwZ-RR 2000, 599 ff.) setzt einen rechtswidrigen Eingriff oder eine sonstige rechtswidrige Beeinträchtigung einer grundrechtlich oder einfach gesetzlich geschützten Rechtsposition voraus, ohne dass der Betroffene verpflichtet wäre, den Eingriff oder die Beeinträchtigung zu dulden. Insoweit steht vorliegend das allgemeine Persönlichkeitsrecht mit dem auch juristischen Personen zustehenden gesetzlichen Recht auf Schutz der Ehre in analoger Anwendung des § 823 Abs. 1 BGB in Rede. Dieses Recht steht auch Personenvereinigungen mit ideeller Zielsetzung zu, wenn und soweit ihr sozialer Geltungsanspruch in ihrem Aufgabenbereich betroffen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.05.1989, a.a.O.). Der Kläger kann deshalb Abwehransprüche gegen unwahre Tatsachenbehauptungen geltend machen. Tatsächliche Verfälschungen, insbesondere das Unterschieben nicht getaner Äußerungen, sind dabei auch dann unzulässig, wenn sie nicht rufschädigend wirken (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.01.2000 - 3 B 100/99 -, NVwZ-RR 2000, 598; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.04.1999, a.a.O.; Bamberger/Roth, BGB, 1. Aufl. 2003, Anhang zu § 823 RdNr. 44 f), so dass die vom Beklagten aufgeworfene Frage einer durch die beanstandeten Tatsachenbehauptungen entstandenen Rufschädigung keiner Entscheidung bedarf.
33 
Der Zulässigkeit der Klage kann auch nicht entgegengehalten werden, dass der Landesverfassungsschutzbericht 2001 bereits im Juli 2002 veröffentlicht worden und dieser Vorgang daher abgeschlossen ist. Denn der Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2001 ist nach wie vor ins Internet eingestellt und unter der Adresse „www.verfassungsschutz-bw.de“ jederzeit abrufbar.
34 
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Dem Kläger steht hinsichtlich der von ihm beanstandeten Tatsachenbehauptungen im Landesverfassungsschutzbericht 2001 und deren Verbreitung kein Unterlassungsanspruch zu.
35 
Einer Regierung steht grundsätzlich das Recht zur politischen Meinungsäußerung als ureigenes verfassungsmäßiges Recht gegenüber jedem zu, der sich an der politischen Auseinandersetzung beteiligt, ohne dass hierfür eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung erforderlich wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.04.1984 - 7 B 20/83 -, NJW 1984, 2591; VGH Baden-Württ., Urteil vom 29.08.1988 - 1 S 1233/86 -). Dies schließt auch die Ermittlung und Zusammenstellung gesellschaftlich relevanter Tatsachen sowie die Veröffentlichung von Informationen, Empfehlungen und gegebenenfalls Warnungen hierüber mit ein (vgl. VGH Baden-Württ., a.a.O., m.w.N.). Nach den §§ 12, 3 LVSG obliegt dem Landesamt für Verfassungsschutz in Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben die Sammlung und Auswertung von Informationen, Auskünften, Nachrichten und Unterlagen von Organisationen und Personen unter anderem über Bestrebungen, die gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind bzw. durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Hierüber kann die Öffentlichkeit periodisch oder aus gegebenen Anlass informiert werden. § 12 LVSG stellt indessen eine - abschließende - Ermächtigungsgrundlage nur insofern dar, als in Satz 2 die Bekanntgabe personenbezogener Daten im Hinblick auf den Datenschutz geregelt ist; im Übrigen umschreibt diese Vorschrift lediglich einen - neben der Aufgabenzuweisung in § 3 LVSG - weiteren Teilaspekt der Tätigkeit, nämlich die Unterrichtung der Öffentlichkeit. Der vom Innenministerium Baden-Württemberg und dem Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg jährlich herausgegebene Verfassungsschutzbericht ist eine Publikation im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit und stellt als solcher einen Tätigkeitsbericht über die im Laufe des Berichtszeitraums durchgeführten Maßnahmen sowie die dabei gewonnenen Erkenntnisse dar (vgl. VG Stuttgart, Beschluss vom 30.06.1993 - 18 K 1685/93 -). Darüber hinaus nimmt er eine wertende Beurteilung der gewonnenen Erkenntnisse vor, die aber vorliegend nicht Gegenstand des Verfahrens ist.
36 
Die vorliegend streitbefangenen Äußerungen des Beklagten enthalten ausschließlich Tatsachenbehauptungen, denn sie sind in ihrem Gehalt als etwas Geschehenes einer objektiven Klärung und damit dem Beweis zugänglich (vgl. BGH, Urteil vom 30.05.1974 - VI ZR 174/72 -, LM § 824 BGB Nr. 18 Bl. 1 m.w.N., Urteil vom 13.10.1964 - VI ZR 167/63 -, NJW 1965, 35 f, Urteil vom 20.05.1986 - VI ZR 242/85 -, NJW 1987, 1398 f.; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.04.1999, a.a.O.).
37 
Vorliegend hat das Gericht die Überzeugung gewonnen, dass sowohl die zitierten Aussagen - Äußerungen einzelner Personen bzw. auf Veranstaltungen skandierte Parolen - so gemacht worden sind als auch die behauptete Internet-Bereinigung stattgefunden hat und die vom Kläger gerügten Tatsachenbehauptungen damit der Wahrheit entsprechen.
38 
Die im Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2001 auf Seite 148, 3. Absatz (Druckversion) aufgestellte Behauptung, nach dem 11. September 2001 seien Internet-Angebote der Organisation (des Klägers) von belastenden Seiten und Links bereinigt worden, hat der Beklagte durch Vorlage entsprechender Ausdrucke aus dem Internet belegt. Danach enthielt die Homepage der Zentrale des Klägers in ... beispielsweise noch am 20.08.2001 unter anderem Verweise auf die Homepages der Presseorgane „Akit“ und „Milli Gazete“, die nach dem 11.09.2001 fehlten. Ebenfalls gelöscht wurde nach den Terroranschlägen in den USA des Weiteren eine auf der Homepage des „... Mannheim/...“ noch am 25.08.2000 enthaltener Link zu „www....“, wo sich unter anderem der militärische Ausbildung jeglicher Art als islamische Verpflichtung mit Trainings-Anleitungen, unter anderem zum Umgang mit Handfeuerwaffen, propagierende Beitrag fand, „Wie kann ich für den Jihad trainieren?“. Nach dem 11.09.2001 war die Homepage der „... Mannheim/...“ geändert und enthielt einen Beitrag mit der Überschrift „Wer steckt hinter den Anschlägen“. Die Äußerungen der ... Mannheim sind dem Kläger nach Überzeugung des Gerichts auch zuzurechnen. Dies ergibt sich schon aus seiner Organisationsstruktur, bei der seine Mitglieder ausweislich des Verfassungsschutzberichts Baden-Württemberg 2001 - unwidersprochen - in 60 Vereinen organisiert sind, die ihrerseits in vier regionale Verbände eingegliedert sind.
39 
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob der Kläger bereits längere Zeit vor dem Terroranschlag am 11.09.2001 an einer neuen Homepage gearbeitet hat, denn der zeitliche Zusammenhang zwischen diesem Terroranschlag und der Änderung der Homepages des Klägers wird hierdurch nicht berührt, weshalb es auf die Gründe dieser Änderung nicht ankommt. Soweit im Übrigen die genannten Links auf den Homepages des Klägers im Verfassungsschutzbericht 2001 als „belastend“ bezeichnet werden, handelt es sich nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern um eine Wertung, die nach der ausdrücklichen Erklärung des Kläger-Vertreters in der mündlichen Verhandlung nicht Gegenstand des Verfahrens ist.
40 
Auch hinsichtlich der übrigen streitgegenständlichen Tatsachenbehauptungen hat das Gericht die Überzeugung gewonnen, dass diese wahr sind.
41 
Zwar hat der Beklagte insoweit weder die Behördenakten vorgelegt noch unmittelbare Zeugen hierfür benannt. Doch hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg durch Beschluss vom 24.03.2004 - 14 S 93/04 - rechtskräftig entschieden, dass die Verweigerung der Vorlage der den Kläger betreffenden Akten des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz durch das Bayerische Staatsministerium des Innern rechtmäßig ist. Schon aus diesem Grund kann der Kläger nicht mehr damit gehört werden, das Zwischenverfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO ( sog. „in-camera“-Verfahren) sei nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden, weil nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.11.2003 - 20 F 13.03 - (DVBl. 2000, 254) vor Durchführung dieses Zwischenverfahrens regelmäßig durch Beweisbeschluss klargestellt werden müsse, welche Behördenakten entscheidungserheblich seien, was vorliegend indessen nicht geschehen sei. Hinzu kommt, dass nach der genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der Erlass eines solchen Beweisbeschlusses dann entbehrlich ist, wenn - wie hier - die zurückgehaltenen Unterlagen zweifelsfrei entscheidungserheblich sind. Dass diese nach Auffassung der Kammer entscheidungserheblich sind, folgt schon aus der Verfügung des Vorsitzenden vom 24.02.2003, mit der das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz aufgefordert worden war, unter Bezugnahme auf sein im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vorgelegtes Schreiben vom 30.10.2002 an das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg die dort genannten „nachrichtendienstlichen Quellen“ und die entsprechenden Unterlagen offen zu legen.
42 
Allerdings führt die Rechtmäßigkeit der Verweigerung der Aktenvorlage nicht dazu, dass das Gericht schon deshalb von der Richtigkeit der streitbefangenen Tatsachenbehauptungen, für die der Beklagte beweispflichtig ist, auszugehen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29.07.2002 - 2 AV 1/02 -, NVwZ 2002,1249). Vielmehr unterliegt dies der Beweiswürdigung des Gerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 01.02.1996 - 1 B 37.95 -, NVwZ-RR 1997, 133).
43 
Zunächst ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass sich der Beklagte dadurch, dass es ihm aus Gründen der Staatssicherheit nicht möglich ist, seine Erkenntnisquellen außerhalb des „in-camera“-Verfahrens offen zu legen, in einer Art Beweisnot befindet. Darüber hinaus hat der als Zeuge gehörte Bedienstete des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz in allgemeiner Weise überzeugend dargelegt, auf welche Art und Weise verfassungsschutzrelevante Erkenntnisse gewonnen und überprüft werden und dass vor einer Veröffentlichung interne Kontrollmechanismen vorgeschaltet sind. Insbesondere werden danach nur von verschiedenen Quellen bestätigte Informationen verwertet. Im Hinblick darauf, dass nach dessen Angaben die eingesetzten unmittelbaren V-Leute auch die erforderlichen Fremdsprachenkenntnisse besitzen und ihre Erkenntnisse zeitnah berichten, ist nach Überzeugung des Gerichts gewährleistet, dass zusammen mit dem Einsatz qualifizierter Dolmetscher Verständnis- und Übertragungsfehler weitestgehend ausgeschlossen sind. Hinzu kommt, dass dieser mittelbare Zeuge erklärt hat, er sei nach eigener Überprüfung aller Quellen und sonstigen Unterlagen zur Überzeugung gelangt, dass die streitbefangenen Tatsachenbehauptungen über den Inhalt bestimmter Redebeiträge und der Skandierung der vorgenannten Parolen allesamt der Wahrheit entsprechen. Irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass diese Angaben des mittelbaren Zeugen nicht der Wahrheit entsprechen, sind nach Überzeugung der Kammer nicht erkennbar.
44 
Demgegenüber hat der als Zeuge vernommene - im Jahresbericht 2001 zitierte - ehemalige Vorsitzende des Klägers zwar bekundet, die ihm zugeschriebenen Äußerungen bei einer Veranstaltung des Klägers am 04.06.2001 in Neu-Ulm so nicht gemacht zu haben. Das Gericht hält es indessen für wenig wahrscheinlich, dass sich ein Zeuge nach über drei Jahren noch an den genauen Wortlaut bestimmter Äußerungen erinnert, zumal der Zeuge zu diesem Thema bei zahlreichen Veranstaltungen im Jahre 2001 gesprochen hat. Hinzu kommt, dass der Zeuge als ehemaliger Vorsitzender der Klägerin nach Überzeugung der Kammer nach wie vor daran interessiert ist, die für den Kläger negativen Feststellungen des Beklagten zu widerlegen, so dass seine Aussage auch unter diesem Gesichtspunkt nicht geeignet ist, die streitigen Tatsachenbehauptungen in Zweifel zu ziehen.
45 
Soweit der Kläger-Vertreter beantragt hat, zum Beweis dafür, dass die in seinem Schriftsatz vom 04.12.2002 unter I c) und e) genannten Tatsachenbehauptungen nicht zutreffen, ebenfalls den ehemaligen Vorsitzenden als Zeugen zu hören, hat die Kammer den Beweisantrag als nicht entscheidungserheblich (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO analog) abgelehnt. Maßgebend hierfür ist, dass als wahr unterstellt werden kann, dass der Zeuge die unter Beweis gestellten Äußerungen und Sprechchöre selbst nicht gehört hat. Diese bloße Hilfstatsache (vgl. hierzu Herdegen in Karlsruher Kommentar zur StPO, 5. Aufl. 2003, § 244 RdNr. 74) ist jedoch an sich nicht geeignet darzutun, dass die streitbefangenen Äußerungen nicht doch gefallen sind und die genannten Sprechchöre nicht doch skandiert worden sind.
46 
Soweit der Kläger-Vertreter darüber hinaus die weiteren in seinem Schriftsatz vom 24.06.2004 angekündigten Beweisanträge gestellt hat, hat die Kammer auch diese abgelehnt. Soweit die dort genannten Zeugen hätten bekunden sollen, bestimmte Äußerungen nicht gehört zu haben, gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend. Auch insoweit kann zwar unterstellt werden, dass die als Zeugen benannten Personen diese Äußerungen tatsächlich nicht gehört haben. Damit ist aber weder der Beweis geführt, dass diese Äußerungen gar nicht gefallen sind, noch wären entsprechende Aussagen geeignet, die sich auf die glaubhaften Angaben des als Zeugen vom Hörensagen (sekundäres Beweismittel; vgl. BGH, Urteil vom 31.03.1989 - 2 StR 706/88 -, NJW 1989, 3291) vernommenen Beamten des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz gestützte Überzeugung der Kammer in relevanter Weise zu beeinflussen. Es sind eine Vielzahl von Gründen denkbar, aus denen Besucher einer Veranstaltung einzelne Äußerungen von Rednern bzw. Reaktionen des Publikums nicht wahrnehmen.
47 
Soweit der Kläger beantragt hat, den im Jahresbericht 2001 zitierten, in der Türkei lebenden ehemaligen türkischen Justizminister zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, dass er die ihm zugeschriebenen Äußerungen auf einer Veranstaltung in Ulm nicht getan habe, hat das Gericht von seiner Befugnis nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO Gebrauch gemacht. Die Anwendbarkeit dieser Vorschrift auch im Verwaltungsprozess entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. etwa Beschluss vom 27.03.2000 - 9 B 518.99 -, InfAuslR 2000, 412). Sie befreit das Gericht vom Verbot der Beweisantizipation (vgl. BGH, Urteil vom 18.01.1994 - 1 StR 745/93 - BGHSt 40, 60 = NJW 1994, 1484). Die Kammer ist vorliegend der Überzeugung, dass diese beantragte Beweiserhebung keinen Einfluss auf den Gang des Verfahrens gehabt hätte, denn ein Einfluss auf die auf Grund der mündlichen Verhandlung getroffene Beweiswürdigung kann auch für den Fall ausgeschlossen werden, dass der benannte Auslandszeuge die in sein Wissen gestellte Behauptung bestätigen würde. Der Wert der den Kläger entlastenden Aussage wäre von vornherein erheblich durch die engen Beziehungen des vom Kläger als Redner eingeladenen Zeugen - bei dem ein starkes Interesse daran, weder dem Kläger noch seinen eigenen politischen Zielen zu schaden, unterstellt werden kann - zum Kläger gemindert. Zudem bestünden auch insoweit erhebliche Zweifel, ob die Erinnerung eines Zeugen nach über drei Jahren noch eine verlässliche Erkenntnis bietet. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass der insoweit streitigen Tatsachenbehauptung (Hinweis des ehemaligen Ministers auf die „schwierige Situation der FP“ verbunden mit der Bitte an die Zuhörer, der FP vorerst kein Geld mehr in die Türkei zu schicken) nur eine geringe Bedeutung für den sozialen Geltungsanspruch des Klägers zukommt und auf der anderen Seite die Ladung des Zeugen nur unter Einschaltung türkischer Behörden möglich wäre (vgl. die auch im Verwaltungsprozess anwendbare Rechtshilfeordnung für Zivilsachen, Stichwort „Türkei“, sowie das Deutsch-türkische Abkommen über den Rechtsverkehr in Zivilsachen vom 28.05.1929, RGBl. 1930 II S. 6, dort insbesondere Art. 9), so dass für Ladung und Vernehmung des Zeugen ein erheblicher zeitlicher und organisatorischer Aufwand und eine deutliche Verzögerung des Verfahrens entstünden. Dieser Aufwand und der Nachteil einer zeitlich nicht absehbaren Verfahrensverzögerung erscheint im Hinblick auf die insoweit geringe Beeinträchtigung des sozialen Geltungsanspruchs des Klägers und die erhebliche Minderung des Beweiswerts der zu erwartenden Aussage unverhältnismäßig (vgl. zu den Abwägungskriterien im Rahmen von § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO BGH, Urteil vom 18.01.1994, a.a.O., und Urteil vom 25.04.2002 - 3 StR 506/01 -, NJW 2002, 2403; das BVerfG hat die BGH-Rspr. bestätigt).
48 
Da das Gericht somit auf Grund der mündlichen Verhandlung und der Beweisaufnahme zur Überzeugung gelangt ist, dass die streitbefangenen Tatsachenbehauptungen der Wahrheit entsprechen, war die Klage abzuweisen.
49 
Gründe für eine Zulassung der Berufung (§§ 124 a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO) liegen nicht vor.
50 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Gründe

 
31 
Die auf Untersagung einer schlicht-hoheitlichen Tätigkeit, nämlich der Verbreitung bestimmter, im Landesverfassungsschutzbericht 2001 enthaltener Tatsachenbehauptungen gerichtete Klage ist als allgemeine Leistungsklage in der Form der Unterlassungsklage zulässig.
32 
Es ist allgemein anerkannt, dass gegenüber öffentlichen, in amtlicher Eigenschaft von Hoheitsträgern getätigten Äußerungen den Betroffenen ein öffentlich-rechtlicher Unterlassungsanspruch zustehen kann, wobei offen bleiben kann, ob dieser sich dogmatisch unmittelbar aus einzelnen Freiheitsgrundrechten (Art. 2 Abs. 1, 1 Abs. 1, 4 Abs. 1 GG; vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 23.05.1989 - 7 C 2/87 -, NJW 1989, 2272, und Beschluss vom 13.03.1991 - 7 B 99/90 -, NJW 1991, 1770) oder aus einfachem Recht in Form einer analogen Anwendung der §§ 1004, 906 BGB (vgl. Laubinger, VerwArch. 1989, 261, 291 ff.) ergibt. Der jedenfalls gewohnheitsrechtlich anerkannte Anspruch (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.04.1999 - 21 A 490/97 -, NVwZ-RR 2000, 599 ff.) setzt einen rechtswidrigen Eingriff oder eine sonstige rechtswidrige Beeinträchtigung einer grundrechtlich oder einfach gesetzlich geschützten Rechtsposition voraus, ohne dass der Betroffene verpflichtet wäre, den Eingriff oder die Beeinträchtigung zu dulden. Insoweit steht vorliegend das allgemeine Persönlichkeitsrecht mit dem auch juristischen Personen zustehenden gesetzlichen Recht auf Schutz der Ehre in analoger Anwendung des § 823 Abs. 1 BGB in Rede. Dieses Recht steht auch Personenvereinigungen mit ideeller Zielsetzung zu, wenn und soweit ihr sozialer Geltungsanspruch in ihrem Aufgabenbereich betroffen ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 23.05.1989, a.a.O.). Der Kläger kann deshalb Abwehransprüche gegen unwahre Tatsachenbehauptungen geltend machen. Tatsächliche Verfälschungen, insbesondere das Unterschieben nicht getaner Äußerungen, sind dabei auch dann unzulässig, wenn sie nicht rufschädigend wirken (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.01.2000 - 3 B 100/99 -, NVwZ-RR 2000, 598; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.04.1999, a.a.O.; Bamberger/Roth, BGB, 1. Aufl. 2003, Anhang zu § 823 RdNr. 44 f), so dass die vom Beklagten aufgeworfene Frage einer durch die beanstandeten Tatsachenbehauptungen entstandenen Rufschädigung keiner Entscheidung bedarf.
33 
Der Zulässigkeit der Klage kann auch nicht entgegengehalten werden, dass der Landesverfassungsschutzbericht 2001 bereits im Juli 2002 veröffentlicht worden und dieser Vorgang daher abgeschlossen ist. Denn der Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2001 ist nach wie vor ins Internet eingestellt und unter der Adresse „www.verfassungsschutz-bw.de“ jederzeit abrufbar.
34 
Die Klage ist jedoch nicht begründet. Dem Kläger steht hinsichtlich der von ihm beanstandeten Tatsachenbehauptungen im Landesverfassungsschutzbericht 2001 und deren Verbreitung kein Unterlassungsanspruch zu.
35 
Einer Regierung steht grundsätzlich das Recht zur politischen Meinungsäußerung als ureigenes verfassungsmäßiges Recht gegenüber jedem zu, der sich an der politischen Auseinandersetzung beteiligt, ohne dass hierfür eine ausdrückliche gesetzliche Ermächtigung erforderlich wäre (vgl. BVerwG, Beschluss vom 13.04.1984 - 7 B 20/83 -, NJW 1984, 2591; VGH Baden-Württ., Urteil vom 29.08.1988 - 1 S 1233/86 -). Dies schließt auch die Ermittlung und Zusammenstellung gesellschaftlich relevanter Tatsachen sowie die Veröffentlichung von Informationen, Empfehlungen und gegebenenfalls Warnungen hierüber mit ein (vgl. VGH Baden-Württ., a.a.O., m.w.N.). Nach den §§ 12, 3 LVSG obliegt dem Landesamt für Verfassungsschutz in Erfüllung der ihm obliegenden Aufgaben die Sammlung und Auswertung von Informationen, Auskünften, Nachrichten und Unterlagen von Organisationen und Personen unter anderem über Bestrebungen, die gegen die freiheitlich-demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind bzw. durch die Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden. Hierüber kann die Öffentlichkeit periodisch oder aus gegebenen Anlass informiert werden. § 12 LVSG stellt indessen eine - abschließende - Ermächtigungsgrundlage nur insofern dar, als in Satz 2 die Bekanntgabe personenbezogener Daten im Hinblick auf den Datenschutz geregelt ist; im Übrigen umschreibt diese Vorschrift lediglich einen - neben der Aufgabenzuweisung in § 3 LVSG - weiteren Teilaspekt der Tätigkeit, nämlich die Unterrichtung der Öffentlichkeit. Der vom Innenministerium Baden-Württemberg und dem Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg jährlich herausgegebene Verfassungsschutzbericht ist eine Publikation im Rahmen der Öffentlichkeitsarbeit und stellt als solcher einen Tätigkeitsbericht über die im Laufe des Berichtszeitraums durchgeführten Maßnahmen sowie die dabei gewonnenen Erkenntnisse dar (vgl. VG Stuttgart, Beschluss vom 30.06.1993 - 18 K 1685/93 -). Darüber hinaus nimmt er eine wertende Beurteilung der gewonnenen Erkenntnisse vor, die aber vorliegend nicht Gegenstand des Verfahrens ist.
36 
Die vorliegend streitbefangenen Äußerungen des Beklagten enthalten ausschließlich Tatsachenbehauptungen, denn sie sind in ihrem Gehalt als etwas Geschehenes einer objektiven Klärung und damit dem Beweis zugänglich (vgl. BGH, Urteil vom 30.05.1974 - VI ZR 174/72 -, LM § 824 BGB Nr. 18 Bl. 1 m.w.N., Urteil vom 13.10.1964 - VI ZR 167/63 -, NJW 1965, 35 f, Urteil vom 20.05.1986 - VI ZR 242/85 -, NJW 1987, 1398 f.; OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 23.04.1999, a.a.O.).
37 
Vorliegend hat das Gericht die Überzeugung gewonnen, dass sowohl die zitierten Aussagen - Äußerungen einzelner Personen bzw. auf Veranstaltungen skandierte Parolen - so gemacht worden sind als auch die behauptete Internet-Bereinigung stattgefunden hat und die vom Kläger gerügten Tatsachenbehauptungen damit der Wahrheit entsprechen.
38 
Die im Verfassungsschutzbericht Baden-Württemberg 2001 auf Seite 148, 3. Absatz (Druckversion) aufgestellte Behauptung, nach dem 11. September 2001 seien Internet-Angebote der Organisation (des Klägers) von belastenden Seiten und Links bereinigt worden, hat der Beklagte durch Vorlage entsprechender Ausdrucke aus dem Internet belegt. Danach enthielt die Homepage der Zentrale des Klägers in ... beispielsweise noch am 20.08.2001 unter anderem Verweise auf die Homepages der Presseorgane „Akit“ und „Milli Gazete“, die nach dem 11.09.2001 fehlten. Ebenfalls gelöscht wurde nach den Terroranschlägen in den USA des Weiteren eine auf der Homepage des „... Mannheim/...“ noch am 25.08.2000 enthaltener Link zu „www....“, wo sich unter anderem der militärische Ausbildung jeglicher Art als islamische Verpflichtung mit Trainings-Anleitungen, unter anderem zum Umgang mit Handfeuerwaffen, propagierende Beitrag fand, „Wie kann ich für den Jihad trainieren?“. Nach dem 11.09.2001 war die Homepage der „... Mannheim/...“ geändert und enthielt einen Beitrag mit der Überschrift „Wer steckt hinter den Anschlägen“. Die Äußerungen der ... Mannheim sind dem Kläger nach Überzeugung des Gerichts auch zuzurechnen. Dies ergibt sich schon aus seiner Organisationsstruktur, bei der seine Mitglieder ausweislich des Verfassungsschutzberichts Baden-Württemberg 2001 - unwidersprochen - in 60 Vereinen organisiert sind, die ihrerseits in vier regionale Verbände eingegliedert sind.
39 
Unerheblich ist in diesem Zusammenhang, ob der Kläger bereits längere Zeit vor dem Terroranschlag am 11.09.2001 an einer neuen Homepage gearbeitet hat, denn der zeitliche Zusammenhang zwischen diesem Terroranschlag und der Änderung der Homepages des Klägers wird hierdurch nicht berührt, weshalb es auf die Gründe dieser Änderung nicht ankommt. Soweit im Übrigen die genannten Links auf den Homepages des Klägers im Verfassungsschutzbericht 2001 als „belastend“ bezeichnet werden, handelt es sich nicht um eine Tatsachenbehauptung, sondern um eine Wertung, die nach der ausdrücklichen Erklärung des Kläger-Vertreters in der mündlichen Verhandlung nicht Gegenstand des Verfahrens ist.
40 
Auch hinsichtlich der übrigen streitgegenständlichen Tatsachenbehauptungen hat das Gericht die Überzeugung gewonnen, dass diese wahr sind.
41 
Zwar hat der Beklagte insoweit weder die Behördenakten vorgelegt noch unmittelbare Zeugen hierfür benannt. Doch hat der Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg durch Beschluss vom 24.03.2004 - 14 S 93/04 - rechtskräftig entschieden, dass die Verweigerung der Vorlage der den Kläger betreffenden Akten des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz durch das Bayerische Staatsministerium des Innern rechtmäßig ist. Schon aus diesem Grund kann der Kläger nicht mehr damit gehört werden, das Zwischenverfahren nach § 99 Abs. 2 VwGO ( sog. „in-camera“-Verfahren) sei nicht ordnungsgemäß durchgeführt worden, weil nach dem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.11.2003 - 20 F 13.03 - (DVBl. 2000, 254) vor Durchführung dieses Zwischenverfahrens regelmäßig durch Beweisbeschluss klargestellt werden müsse, welche Behördenakten entscheidungserheblich seien, was vorliegend indessen nicht geschehen sei. Hinzu kommt, dass nach der genannten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der Erlass eines solchen Beweisbeschlusses dann entbehrlich ist, wenn - wie hier - die zurückgehaltenen Unterlagen zweifelsfrei entscheidungserheblich sind. Dass diese nach Auffassung der Kammer entscheidungserheblich sind, folgt schon aus der Verfügung des Vorsitzenden vom 24.02.2003, mit der das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz aufgefordert worden war, unter Bezugnahme auf sein im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vorgelegtes Schreiben vom 30.10.2002 an das Landesamt für Verfassungsschutz Baden-Württemberg die dort genannten „nachrichtendienstlichen Quellen“ und die entsprechenden Unterlagen offen zu legen.
42 
Allerdings führt die Rechtmäßigkeit der Verweigerung der Aktenvorlage nicht dazu, dass das Gericht schon deshalb von der Richtigkeit der streitbefangenen Tatsachenbehauptungen, für die der Beklagte beweispflichtig ist, auszugehen hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 29.07.2002 - 2 AV 1/02 -, NVwZ 2002,1249). Vielmehr unterliegt dies der Beweiswürdigung des Gerichts (vgl. BVerwG, Beschluss vom 01.02.1996 - 1 B 37.95 -, NVwZ-RR 1997, 133).
43 
Zunächst ist in diesem Zusammenhang zu berücksichtigen, dass sich der Beklagte dadurch, dass es ihm aus Gründen der Staatssicherheit nicht möglich ist, seine Erkenntnisquellen außerhalb des „in-camera“-Verfahrens offen zu legen, in einer Art Beweisnot befindet. Darüber hinaus hat der als Zeuge gehörte Bedienstete des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz in allgemeiner Weise überzeugend dargelegt, auf welche Art und Weise verfassungsschutzrelevante Erkenntnisse gewonnen und überprüft werden und dass vor einer Veröffentlichung interne Kontrollmechanismen vorgeschaltet sind. Insbesondere werden danach nur von verschiedenen Quellen bestätigte Informationen verwertet. Im Hinblick darauf, dass nach dessen Angaben die eingesetzten unmittelbaren V-Leute auch die erforderlichen Fremdsprachenkenntnisse besitzen und ihre Erkenntnisse zeitnah berichten, ist nach Überzeugung des Gerichts gewährleistet, dass zusammen mit dem Einsatz qualifizierter Dolmetscher Verständnis- und Übertragungsfehler weitestgehend ausgeschlossen sind. Hinzu kommt, dass dieser mittelbare Zeuge erklärt hat, er sei nach eigener Überprüfung aller Quellen und sonstigen Unterlagen zur Überzeugung gelangt, dass die streitbefangenen Tatsachenbehauptungen über den Inhalt bestimmter Redebeiträge und der Skandierung der vorgenannten Parolen allesamt der Wahrheit entsprechen. Irgendwelche Anhaltspunkte dafür, dass diese Angaben des mittelbaren Zeugen nicht der Wahrheit entsprechen, sind nach Überzeugung der Kammer nicht erkennbar.
44 
Demgegenüber hat der als Zeuge vernommene - im Jahresbericht 2001 zitierte - ehemalige Vorsitzende des Klägers zwar bekundet, die ihm zugeschriebenen Äußerungen bei einer Veranstaltung des Klägers am 04.06.2001 in Neu-Ulm so nicht gemacht zu haben. Das Gericht hält es indessen für wenig wahrscheinlich, dass sich ein Zeuge nach über drei Jahren noch an den genauen Wortlaut bestimmter Äußerungen erinnert, zumal der Zeuge zu diesem Thema bei zahlreichen Veranstaltungen im Jahre 2001 gesprochen hat. Hinzu kommt, dass der Zeuge als ehemaliger Vorsitzender der Klägerin nach Überzeugung der Kammer nach wie vor daran interessiert ist, die für den Kläger negativen Feststellungen des Beklagten zu widerlegen, so dass seine Aussage auch unter diesem Gesichtspunkt nicht geeignet ist, die streitigen Tatsachenbehauptungen in Zweifel zu ziehen.
45 
Soweit der Kläger-Vertreter beantragt hat, zum Beweis dafür, dass die in seinem Schriftsatz vom 04.12.2002 unter I c) und e) genannten Tatsachenbehauptungen nicht zutreffen, ebenfalls den ehemaligen Vorsitzenden als Zeugen zu hören, hat die Kammer den Beweisantrag als nicht entscheidungserheblich (§ 244 Abs. 3 Satz 2 StPO analog) abgelehnt. Maßgebend hierfür ist, dass als wahr unterstellt werden kann, dass der Zeuge die unter Beweis gestellten Äußerungen und Sprechchöre selbst nicht gehört hat. Diese bloße Hilfstatsache (vgl. hierzu Herdegen in Karlsruher Kommentar zur StPO, 5. Aufl. 2003, § 244 RdNr. 74) ist jedoch an sich nicht geeignet darzutun, dass die streitbefangenen Äußerungen nicht doch gefallen sind und die genannten Sprechchöre nicht doch skandiert worden sind.
46 
Soweit der Kläger-Vertreter darüber hinaus die weiteren in seinem Schriftsatz vom 24.06.2004 angekündigten Beweisanträge gestellt hat, hat die Kammer auch diese abgelehnt. Soweit die dort genannten Zeugen hätten bekunden sollen, bestimmte Äußerungen nicht gehört zu haben, gelten die vorstehenden Ausführungen entsprechend. Auch insoweit kann zwar unterstellt werden, dass die als Zeugen benannten Personen diese Äußerungen tatsächlich nicht gehört haben. Damit ist aber weder der Beweis geführt, dass diese Äußerungen gar nicht gefallen sind, noch wären entsprechende Aussagen geeignet, die sich auf die glaubhaften Angaben des als Zeugen vom Hörensagen (sekundäres Beweismittel; vgl. BGH, Urteil vom 31.03.1989 - 2 StR 706/88 -, NJW 1989, 3291) vernommenen Beamten des Bayerischen Landesamts für Verfassungsschutz gestützte Überzeugung der Kammer in relevanter Weise zu beeinflussen. Es sind eine Vielzahl von Gründen denkbar, aus denen Besucher einer Veranstaltung einzelne Äußerungen von Rednern bzw. Reaktionen des Publikums nicht wahrnehmen.
47 
Soweit der Kläger beantragt hat, den im Jahresbericht 2001 zitierten, in der Türkei lebenden ehemaligen türkischen Justizminister zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, dass er die ihm zugeschriebenen Äußerungen auf einer Veranstaltung in Ulm nicht getan habe, hat das Gericht von seiner Befugnis nach § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO Gebrauch gemacht. Die Anwendbarkeit dieser Vorschrift auch im Verwaltungsprozess entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. etwa Beschluss vom 27.03.2000 - 9 B 518.99 -, InfAuslR 2000, 412). Sie befreit das Gericht vom Verbot der Beweisantizipation (vgl. BGH, Urteil vom 18.01.1994 - 1 StR 745/93 - BGHSt 40, 60 = NJW 1994, 1484). Die Kammer ist vorliegend der Überzeugung, dass diese beantragte Beweiserhebung keinen Einfluss auf den Gang des Verfahrens gehabt hätte, denn ein Einfluss auf die auf Grund der mündlichen Verhandlung getroffene Beweiswürdigung kann auch für den Fall ausgeschlossen werden, dass der benannte Auslandszeuge die in sein Wissen gestellte Behauptung bestätigen würde. Der Wert der den Kläger entlastenden Aussage wäre von vornherein erheblich durch die engen Beziehungen des vom Kläger als Redner eingeladenen Zeugen - bei dem ein starkes Interesse daran, weder dem Kläger noch seinen eigenen politischen Zielen zu schaden, unterstellt werden kann - zum Kläger gemindert. Zudem bestünden auch insoweit erhebliche Zweifel, ob die Erinnerung eines Zeugen nach über drei Jahren noch eine verlässliche Erkenntnis bietet. Schließlich ist auch zu berücksichtigen, dass der insoweit streitigen Tatsachenbehauptung (Hinweis des ehemaligen Ministers auf die „schwierige Situation der FP“ verbunden mit der Bitte an die Zuhörer, der FP vorerst kein Geld mehr in die Türkei zu schicken) nur eine geringe Bedeutung für den sozialen Geltungsanspruch des Klägers zukommt und auf der anderen Seite die Ladung des Zeugen nur unter Einschaltung türkischer Behörden möglich wäre (vgl. die auch im Verwaltungsprozess anwendbare Rechtshilfeordnung für Zivilsachen, Stichwort „Türkei“, sowie das Deutsch-türkische Abkommen über den Rechtsverkehr in Zivilsachen vom 28.05.1929, RGBl. 1930 II S. 6, dort insbesondere Art. 9), so dass für Ladung und Vernehmung des Zeugen ein erheblicher zeitlicher und organisatorischer Aufwand und eine deutliche Verzögerung des Verfahrens entstünden. Dieser Aufwand und der Nachteil einer zeitlich nicht absehbaren Verfahrensverzögerung erscheint im Hinblick auf die insoweit geringe Beeinträchtigung des sozialen Geltungsanspruchs des Klägers und die erhebliche Minderung des Beweiswerts der zu erwartenden Aussage unverhältnismäßig (vgl. zu den Abwägungskriterien im Rahmen von § 244 Abs. 5 Satz 2 StPO BGH, Urteil vom 18.01.1994, a.a.O., und Urteil vom 25.04.2002 - 3 StR 506/01 -, NJW 2002, 2403; das BVerfG hat die BGH-Rspr. bestätigt).
48 
Da das Gericht somit auf Grund der mündlichen Verhandlung und der Beweisaufnahme zur Überzeugung gelangt ist, dass die streitbefangenen Tatsachenbehauptungen der Wahrheit entsprechen, war die Klage abzuweisen.
49 
Gründe für eine Zulassung der Berufung (§§ 124 a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nrn. 3 und 4 VwGO) liegen nicht vor.
50 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

(1) Dieses Gesetz regelt vermögensrechtliche Ansprüche an Vermögenswerten, die

a)
entschädigungslos enteignet und in Volkseigentum überführt wurden;
b)
gegen eine geringere Entschädigung enteignet wurden, als sie Bürgern der früheren Deutschen Demokratischen Republik zustand;
c)
durch staatliche Verwalter oder nach Überführung in Volkseigentum durch den Verfügungsberechtigten an Dritte veräußert wurden;
d)
auf der Grundlage des Beschlusses des Präsidiums des Ministerrates vom 9. Februar 1972 und im Zusammenhang stehender Regelungen in Volkseigentum übergeleitet wurden.

(2) Dieses Gesetz gilt des weiteren für bebaute Grundstücke und Gebäude, die auf Grund nicht kostendeckender Mieten und infolgedessen eingetretener oder unmittelbar bevorstehender Überschuldung durch Enteignung, Eigentumsverzicht, Schenkung oder Erbausschlagung in Volkseigentum übernommen wurden.

(3) Dieses Gesetz betrifft auch Ansprüche an Vermögenswerten sowie Nutzungsrechte, die auf Grund unlauterer Machenschaften, zum Beispiel durch Machtmißbrauch, Korruption, Nötigung oder Täuschung von seiten des Erwerbers, staatlicher Stellen oder Dritter, erworben wurden.

(4) Dieses Gesetz regelt ferner die Aufhebung der

-
staatlichen Treuhandverwaltung über Vermögenswerte von Bürgern, die das Gebiet der Deutschen Demokratischen Republik ohne die zum damaligen Zeitpunkt erforderliche Genehmigung verlassen haben;
-
vorläufigen Verwaltung über Vermögenswerte von Bürgern der Bundesrepublik Deutschland und Berlin (West) sowie von juristischen Personen mit Sitz in der Bundesrepublik Deutschland oder Berlin (West), die Staatsorganen der Deutschen Demokratischen Republik durch Rechtsvorschrift übertragen wurde;
-
Verwaltung des ausländischen Vermögens, die der Regierung der Deutschen Demokratischen Republik übertragen wurde
(im folgenden staatliche Verwaltung genannt) und die damit im Zusammenhang stehenden Ansprüche der Eigentümer und Berechtigten.

(5) Dieses Gesetz schließt die Behandlung von Forderungen und anderen Rechten in bezug auf Vermögenswerte gemäß den Absätzen 1 bis 4 ein.

(6) Dieses Gesetz ist entsprechend auf vermögensrechtliche Ansprüche von Bürgern und Vereinigungen anzuwenden, die in der Zeit vom 30. Januar 1933 bis zum 8. Mai 1945 aus rassischen, politischen, religiösen oder weltanschaulichen Gründen verfolgt wurden und deshalb ihr Vermögen infolge von Zwangsverkäufen, Enteignungen oder auf andere Weise verloren haben. Zugunsten des Berechtigten wird ein verfolgungsbedingter Vermögensverlust nach Maßgabe des II. Abschnitts der Anordnung BK/O (49) 180 der Alliierten Kommandantur Berlin vom 26. Juli 1949 (VOBl. für Groß-Berlin I S. 221) vermutet.

(7) Dieses Gesetz gilt entsprechend für die Rückgabe von Vermögenswerten, die im Zusammenhang mit der nach anderen Vorschriften erfolgten Aufhebung rechtsstaatswidriger straf-, ordnungsstraf- oder verwaltungsrechtlicher Entscheidungen steht.

(8) Dieses Gesetz gilt vorbehaltlich seiner Bestimmungen über Zuständigkeiten und Verfahren nicht für

a)
Enteignungen von Vermögenswerten auf besatzungsrechtlicher oder besatzungshoheitlicher Grundlage; Ansprüche nach den Absätzen 6 und 7 bleiben unberührt;
b)
vermögensrechtliche Ansprüche, die seitens der Deutschen Demokratischen Republik durch zwischenstaatliche Vereinbarungen geregelt wurden;
c)
Anteilrechte an der Altguthabenablösungsanleihe;
d)
Ansprüche von Gebietskörperschaften des beitretenden Gebiets gemäß Artikel 3 des Einigungsvertrages, soweit sie vom Kommunalvermögensgesetz vom 6. Juli 1990 (GBl. I Nr. 42 S. 660) erfasst sind.

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 309/04
vom
14 September 2004
in der Strafsache
gegen
wegen sexueller Nötigung
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung des Beschwerdeführers am 14. September 2004
gemäß § 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revision des Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Dortmund vom 16. Februar 2004 mit den Feststellungen aufgehoben.
2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung, auch über die Kosten des Rechtsmittels, an eine Strafkammer des Landgerichts Essen zurückverwiesen.

Gründe:


Das Landgericht hatte den Angeklagten wegen sexueller Nötigung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von vier Jahren verurteilt. Die Verurteilung des die Taten zum Nachteil seiner Schwiegertochter, der Nebenklägerin Manuela B. , bestreitenden Angeklagten hatte es allein auf die Aussage der Nebenklägerin gestützt. Dieses Urteil hat der Senat auf eine Aufklärungsrüge des Angeklagten durch Beschluß vom 25. Februar 2003 - 4 StR 499/02 - aufgehoben und die Sache zur erneuter Verhandlung und Entscheidung an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen. In der neuen Hauptverhandlung ist das Landgericht zu dem selben Schuldspruch gelangt. Es hat den Angeklagten nunmehr zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten verurteilt. Mit seiner hiergegen gerichteten Revision rügt der Angeklagte die Verletzung formellen und materiellen Rechts.

Das Rechtsmittel hat mit zwei Verfahrensrügen Erfolg; einer Erörterung der Sachrüge und der weiteren Verfahrensrüge bedarf es daher nicht.
1. Der Angeklagte hat erklärt, die Nebenklägerin habe auch früher schon Menschen, die sie kritisiert hätten, mit dem Vorwurf einer „unsittlichen Annäherung“ belastet. So habe sie ständig davon berichtet, ihr Vater, zwei Bekannte, die beim letzten Umzug der Familie geholfen hätten, und auch zwei Kollegen seien ihr „an die Wäsche gegangen“.
Die Verteidigung beantragte deshalb die Vernehmung der Zeugin Emmy F. zum Beweis der Tatsache, die Nebenklägerin habe anläßlich ihres ersten Besuches bei Frau F. unter Verwendung dieser Worte erklärt, sie sei von ihrem Vater "sexuell belästigt" worden.
Das Landgericht hat diesen Beweisantrag, soweit es um den konkreten Wortlaut der behaupteten Äußerung geht, mit der Beg ründung abgelehnt, die Zeugin sei ein untaugliches Beweismittel. Nach allgemeiner Lebenserfahrung erscheine es unmöglich, daß die Zeugin sich an den genauen Wortlaut einer Äußerung erinnern könne, die im Rahmen eines Gesprächs vo r über acht Jahren getätigt worden sei. Zwar habe die Zeugin bei einer telefonischen Befragung durch den Vorsitzenden Richter die Beweisbehauptung bestätigt und angegeben , sie könne sich deshalb so genau an den Wortlaut dieser Äußerung erinnern, weil sie "diese als ungehörig empfunden" und danach und in späteren Jahren (auch während des laufenden Verfahrens) im ganzen Verwandtenkreis immer wieder weitererzählt habe. Nach dem Ablauf "von vielen Jahren" könne aber der konkrete Wortlaut der Äußerung nicht reproduzi ert werden. Das häufige Weitererzählen könne allenfalls dazu führen, daß die Erinnerung an den
ge Weitererzählen könne allenfalls dazu führen, daß die Erinnerung an den Ursprungsvorgang hinsichtlich des Wortlauts schlechter werden und zum Schluß eine Rückbesinnung an den Ursprungswortlaut ganz unmöglich werde. Soweit der Antrag des Angeklagten dahin auszulegen sei, daß die Nebenklägerin bei einem Gespräch mit Frau F. Übergriffe ihres Vaters geschildert habe , die diese als sexuelle Übergriffe verstanden habe, könne die behauptete Tatsache als wahr unterstellt werden.
Die Ablehnung des Beweisantrages ist rechtsfehlerhaft.

a) Die Annahme des Landgerichts, die Zeugin sei, soweit es den genauen Wortlaut der Äußerung der Nebenklägerin betrifft, ein völlig ungeeignetes Beweismittel im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit 4 m.w.N.), begegnet schon deshalb durchgreifenden rechtlichen Bedenken, weil es einen allgemeinen Erfahrungssatz, daß ein Zeuge nach Ablauf „von vielen Jahren“ (hier: nach mehr als acht Jahren) den Wortlaut der Äußerung nicht mehr zuverlässig wiederg eben kann, nicht gibt. Auch die übrigen Erwägungen des Landgerichts sind verfahrensfehlerhaft.
Ob ein Zeuge, der für länger zurückliegende Vorgänge benannt worden ist, völlig ungeeignet ist, weil auszuschließen ist, daß er sie zuverlässig in seinem Gedächtnis behalten hat (vgl. BGHSt 14, 339, 342; BGH StV 1982, 339, 341; NStZ 1999, 362, 363), hat der Tatrichter anhand allgemeiner Lebenserfahrung unter Berücksichtigung aller Umstände, die dafür oder dagegen sprechen , daß der Zeuge die in sein Wissen gestellten Wahrnehmungen gemacht und im Gedächtnis behalten hat, zu beurteilen (vgl. BGH NStZ 1993, 295, 296; Meyer-Goßner StPO 47. Aufl. § 244 Rn. 60 m.w.N.). Maßgeblich für die Beur-
teilung ist insbesondere, ob der Vorgang, zu dem der Zeuge aussagen soll, für ihn bedeutsam gewesen ist, sein Interesse geweckt hat und ob sich der Zeuge auf Erinnerungshilfen stützen kann (vgl. Meyer-Goßner aaO). Bei der Prüfung der Geeignetheit des Beweismittels ist zwar in Grenzen eine Vorwegnahme der Beweiswürdigung und dabei auch Freibeweis zulässig, wobei jedoch feststehen muß, dass eine verwertbare Aussage keinesfalls zu erwarten ist (vgl. BGH NStZ 1999, 362, 363 m.w.N.). Das ist hier aber schon deshalb nicht der Fall, weil die Zeugin bei ihrer freibeweislichen Anhörung nachvollziehbare Gründe dafür genannt hat, daß sie den Wortlaut der Äußerung im Gedächtnis behalten hat. Hinzu kommt, was das Landgericht nicht bedacht hat, daß Gegenstand der Beweisbehauptung kein völlig belangloser Vorgang war (vgl. BGH NStZ 1993, 295, 296), sondern eine Äußerung der Nebenklägerin üb er sexuelle Belästigungen durch ihren leiblichen Vater, die für die Zeugin so bedeutsam gewesen sein kann, daß sie deren Wortlaut trotz des Zeitablaufs zuverlässig im Gedächtnis behalten hat. Bei einer solchen Sachlage würde die Zulässigkeit einer vorweggenommenen Beweiswürdigung die Ersetzung des Strengbeweises durch den Freibeweis in einem für die Schuldfrage wesentlichen Punkt bedeuten (vgl. BGH NStZ 1999, 362, 363).

b) Rechtsfehlerhaft ist auch die Wahrunterstellung der vom Landgericht dahin modifizierten Beweisbehauptung, die Zeugin habe die Äußerungen der Nebenklägerin als Schilderung sexueller Übergriffe verstanden. Diese Auslegung des eindeutig auf die Beweiserhebung über den genauen Wortlaut der Äußerungen der Nebenklägerin gerichteten Antrages verkür zt die Beweisbehauptung in unzulässiger Weise (vgl. BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Wahrunterstellung 4). Der Beweisantrag war objektiv nicht unklar und deshalb einer
Auslegung nicht zugänglich (vgl. Herdegen in KK-StPO 5. Aufl. § 244 Rdn. 47 m.w.N.).
2. Die Revision beanstandet ferner zu Recht die Ablehnung des von der Verteidigung im Rahmen der Schlußvorträge hilfsweise gestellten Antrages, den Richter am Landgericht Dr. G. zum Beweis der Tatsache zu vernehmen, daß die Nebenklägerin in der vorangegangenen Hauptverhandlung nicht bekundet hat, der Angeklagte habe sie mit einer Hand an beiden Händen festgehalten und mit der anderen Hand berührt. Das Landgericht hat aufgrund der Bekundungen der Nebenklägerin in der neuen Hauptverhandlung zur ersten Tat entsprechende Feststellungen getroffen und hat in den Urteilsgründen zur Ablehnung des Hilfsbeweisantrages ausgeführt, es handele sich insoweit um einen Beweisermittlungsantrag, weil nicht dargetan worden sei, was die Zeugin konkret geäußert haben solle. Auch die Aufklärungspflicht zwinge nicht zu der beantragten Vernehmung, zumal offen sei, in welcher Weise und mit welchen Nachfragen dieser Punkt behandelt worden sei.
Die Behandlung des Antrages als Beweisermittlungsantrag, der lediglich der Vorbereitung von Beweisanträgen dient, die von der Verteidigung noch nicht gestellt werden konnten, weil sie die Beweistatsache nicht kannte (vgl. BGHSt 30, 131, 142; Meyer-Goßner aaO § 244 Rdn. 25 m.w.N.), ist rechtsfehlerhaft. Zwar liegt grundsätzlich wegen der Notwendigkeit der Trennung von Beweistatsache und Beweisziel besonders dann, wenn - wie hier - Negativtatsachen in das Wissen eines Zeugen gestellt werden, die Annahme einer bloßen Beweisanregung nahe (vgl. BGHSt 39, 251, 254; BGH NStZ 1999, 362 f.; Meyer-Goßner aaO § 244 Rdn. 20, jeweils m.w.N.). So liegt es hier jedoch nicht. Der Hilfsbeweisantrag enthält eine Tatsachenbehauptung über die Be-
kundungen der Nebenklägerin in der vorangegangenen Hauptverhandlung und genügt damit den Anforderungen, die an die Bestimmtheit der in einem Antrag bezeichneten Beweistatsache zu stellen sind (vgl. BGHSt 39, 251, 253). Da der als Zeuge benannte Richter an der ersten Hauptverhandlung und damit an der Vernehmung der Nebenklägerin teilgenommen hat, sind die Bekundungen der Zeugin in jener Verhandlung und damit auch die in das Wissen des Zeugen gestellte Negativtatsache seiner unmittelbaren eigenen Wahrnehmung zugänglich gewesen, so daß die behauptete Negativtatsache, ohne daß der Charakter des auf Vernehmung des Zeugen gerichteten Antrags als Beweisantrag gefährdet wäre, Beweisthema sein kann (vgl. BGHSt 39, 251, 253; BGH NStZ 1999, 362, 363).
3. Auf den aufgezeigten Verfahrensfehlern kann das Urteil beruhen.
Die Bekundungen der Nebenklägerin zu ihrem Vorleben und zu den Tatvorwürfen weisen ebenso wie das Aussageverhalten der Nebenklägerin im Ermittlungsverfahren und den beiden Hauptverhandlungen zahlreiche Widersprüche und andere Ungereimtheiten auf, die jedoch nach Auffassung des Landgerichts auch, soweit sie nicht erklärbar sind, keinen Anlaß geben, an der Richtigkeit der Angaben insgesamt zu zweifeln.
Das Landgericht hat zur Glaubwürdigkeit der Nebenklägerin unter anderem ausgeführt, während der gesamten Aussage sei deutlich geworden, daß es für die Nebenklägerin überaus unangenehm und belastend gewesen sei, die sexualbezogenen Details des Geschehens mit eigenen Worten zu schildern. Sie pflege nach eigenem Bekunden auch im alltäglichen Leben keinen offenen Umgang mit sexualbezogenen Themen. Hiermit läßt sich die mit dem Antrag
auf Vernehmung der Zeugin F. unter Beweis gestellte Tatsache, daß die Nebenklägerin der ihr damals fremden Zeugin erklärt habe, sie sei von ihrem leiblichen Vater sexuell belästigt worden, nicht ohne weiteres in Einklang bringen.
Das Landgericht hat zudem im Hinblick auf Widersprüche in den Bekundungen der Nebenklägerin zum Alkoholgenuß des Angeklagten für möglich gehalten, daß diese in einzelnen Punkten versucht hat, ihre Angaben anzupassen , es hat dem aber keine entscheidende Bedeutung für die Beurteilung der Glaubwürdigkeit der Zeugin zugemessen. Ferner hat es hervorgehoben, daß die Nebenklägerin als einzige Zeugin des Geschehens durchaus schwerwiegendere Anschuldigungen hätte vorbringen können, dies aber "gerade nicht getan" habe. Möglicherweise wäre das Landgericht insoweit zu einer anderen Beurteilung gelangt, wenn die Nebenklägerin, wie von der Verteidigung mit dem rechtsfehlerhaft abgelehnten Hilfsbeweisantrag auf Vernehmung des Zeugen Dr. G. unter Beweis gestellt worden ist, Angaben zu der Fixierung ihrer Hände durch den Angeklagten bei der ersten Tat erstmals in der neuen Hauptverhandlung gemacht hat, zumal der Senat in dem Beschluß vom 25. Februar 2003 für die neue Hauptverhandlung vorsorglich darauf hingewiesen hatte, daß die sexuelle Nötigung erst mit der Ausführung der durch Gewalt erzwungenen sexuellen Handlung vollendet ist.
Bei dieser Sachlage kann nicht ausgeschlossen werden, daß das Landgericht , wären die rechtsfehlerhaft abgelehnten Beweiserhebungen durchgeführt worden, bei der gebotenen Gesamtwürdigung aller Indizien, die gegen die Glaubwürdigkeit der einzigen Belastungszeugin sprechen können (vgl. BGH StraFo 1997, 245 m.w.N.), zu durchgreifenden Zweifeln an der Richtigkeit des
Tatvorwurfs gelangt wäre; dies gilt umso mehr, als hier Aussage gegen Aussage steht und die Fragwürdigkeiten sich häufen.
4. Der Senat macht von der Möglichkeit der Zurückverweisung an ein anderes Gericht Gebrauch (§ 354 Abs. 2 Satz 1 StPO).
Tepperwien Maatz Athing
Ernemann Sost-Scheible

BUNDESGERICHTSHOF

BESCHLUSS
4 StR 547/01
vom
9. April 2002
in der Strafsache
gegen
1.
2.
wegen schweren Raubes
Der 4. Strafsenat des Bundesgerichtshofs hat auf Antrag des Generalbundesanwalts
und nach Anhörung der Beschwerdeführer am 9. April 2002 gemäß
§ 349 Abs. 4 StPO beschlossen:
1. Auf die Revisionen der Angeklagten wird das Urteil des Landgerichts Paderborn vom 4. Juli 2001 mit den Feststellungen aufgehoben. 2. Die Sache wird zu neuer Verhandlung und Entscheidung , auch über die Kosten der Rechtsmittel, an eine andere Strafkammer des Landgerichts zurückverwiesen.

Gründe:


Das Landgericht hat die Angeklagten wegen "gemeinschaftlichen schweren Raubes, tateinheitlich begangen in 14 Einzelakten, wobei es in 5 Fällen beim Versuch blieb”, zu mehrjährigen Freiheitsstrafen verurteilt und die Einziehung verschiedener Gegenstände angeordnet. Mit ihren Revisionen rügen die Angeklagten die Verletzung formellen und materiellen Rechts. Die Rechtsmittel haben jeweils mit einer Verfahrensrüge Erfolg; auf die weiteren Verfahrensrügen und auf die Sachbeschwerden kommt es deshalb nicht an.
1. Mit Recht beanstanden die Revisionen die Ablehnung eines Beweisantrages.

a) Der Rüge liegt folgendes Prozeßgeschehen zugrunde:
Gegenstand des Verfahrens ist ein bewaffneter Raubüberfall in einem Spielkasino zum Nachteil von 14 Kasinogästen. Nach den Feststellungen trugen die beiden Täter zur Maskierung Wollmützen mit Augenschlitzen (Kopfmasken ) und zusätzlich im Mundbereich Staubmasken. Die Angeklagten haben eine Beteiligung an dem Überfall bestritten.
Am zweiten Hauptverhandlungstag stellte der Verteidiger des Angeklagten Y. den Antrag, acht - bereits am ersten Verhandlungstag vernommenen - Tatzeugen eine in der Nähe des Tatorts aufgefundene Kopfmaske, die erst zu diesem Termin zur Verfügung stand, vorzuhalten. Die Zeugen würden dann bestätigen, daß keiner der Täter eine derartige Kopfmaske getragen habe , die Kopfmasken der Täter schwarz und nicht lindgrün gewesen seien, sie einen anderen Schnitt und die Mund- und Augenöffnungen andere Formen gehabt hätten. Diesem Beweisantrag hat sich der Verteidiger des Angeklagten Ö. angeschlossen. Das Landgericht hat den Antrag mit der Begründung zurückgewiesen, die Zeugen seien ungeeignete Beweismittel: Durch das plötzliche , mit sofortigem Schußwaffengebrauch einhergehende maskierte Auftreten der Täter sei ein derartiges Klima von Angst und Schrecken hervorgerufen worden, daß keine auch nur annähernd präzise Beobachtungen hätten gemacht werden können; zudem sei es in dem Lokal dunkel gewesen und die Täter hätten über den Wollmasken weiße Staubmasken getragen, so daß erhebliche Teile der Wollmasken verdeckt gewesen seien. Unter diesen Umstän-
den erscheine es ausgeschlossen, daû von einem der Zeugen nachvollziehbare Angaben über Art und Farbe der Wollmasken gemacht werden könnten.

b) Mit dieser Begründung durfte der Beweisantrag nicht abgelehnt werden. Völlig ungeeignet im Sinne des § 244 Abs. 3 Satz 2 StPO ist ein Zeuge als Beweismittel nur dann, wenn das Gericht ohne Rücksicht auf das bisher gewonnene Beweisergebnis feststellen kann, daû sich mit ihm das in dem Beweisantrag in Aussicht gestellte Ergebnis nach sicherer Lebenserfahrung nicht erzielen läût. Dabei ist ein strenger Maûstab anzulegen. Die absolute Untauglichkeit muû sich aus dem Beweismittel im Zusammenhang mit der Beweisbehauptung selbst ergeben. Ein geminderter, geringer oder zweifelhafter Beweiswert darf nicht mit völliger Ungeeignetheit gleichgesetzt werden (st. Rspr., vgl. nur BGHR StPO § 244 Abs. 3 Satz 2 Ungeeignetheit 4, 12, 13, 14, 15, 16).
Eine Ungeeignetheit der Beweismittel in diesem Sinne liegt hier nicht vor: Das Landgericht hat die Ablehnung des Beweisantrages allein mit dem nach dem Ergebnis der schon durchgeführten Beweisaufnahme voraussichtlich zu erwartenden geringen Beweiswert der Beweiserhebung begründet (es seien nämlich keine ”nachvollziehbaren Angaben” zu erwarten). Umstände dafür, daû die von den Angeklagten benannten Zeugen bei Durchführung der beantragten Beweisaufnahme zur weiteren Sachaufklärung nichts hätten beitragen können, sind jedoch nicht ersichtlich. Nach den Feststellungen ist das Gegenteil der Fall; denn mehrere Tatzeugen hatten die Maskierung der Täter – wenn auch in Farbe und Form unterschiedlich – beschrieben (UA 14 f.). Es liegt daher nahe, daû die benannten Zeugen nach Vorhalt der sichergestellten Maske weiterführende Angaben hätten machen können.

c) Auf der fehlerhaften Ablehnung des Beweisantrages kann das angefochtene Urteil beruhen, weil das Landgericht dem Umstand, daû die beim Tatort aufgefundene, mit DNA-Spuren des Angeklagten Y. behaftete Wollmütze bei dem Überfall verwendet worden sei, maûgebliche Indizwirkung für die Täterschaft der Angeklagten beigemessen hat (UA 13 ff., 30 ff.). Der Senat kann daher nicht ausschlieûen, daû die Strafkammer zu einer anderen Überzeugungsbildung gelangt wäre, wenn sie die beantragten Beweise erhoben und sich die Beweisbehauptung bestätigt hätte, daû die Täter des Überfalls die aufgefundene Kopfmaske nicht benutzt haben.
2. Für die neue Verhandlung weist der Senat darauf hin, daû das Landgericht , sofern es sich erneut von der Täterschaft der Angeklagten überzeugen sollte, nähere Feststellungen zu einem möglichen Rücktritt von den nur versuchten Einzelakten (§ 24 Abs. 2 StGB) zu treffen haben wird.
Tepperwien Maatz Kuckein
Richterin am Bundesgerichtshof Solin-Stojanoviæ ist infolge Urlaubs an der Unterschrift gehindert. Tepperwien Ernemann

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Behörden sind zur Vorlage von Urkunden oder Akten, zur Übermittlung elektronischer Dokumente und zu Auskünften verpflichtet. Wenn das Bekanntwerden des Inhalts dieser Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente oder dieser Auskünfte dem Wohl des Bundes oder eines Landes Nachteile bereiten würde oder wenn die Vorgänge nach einem Gesetz oder ihrem Wesen nach geheim gehalten werden müssen, kann die zuständige oberste Aufsichtsbehörde die Vorlage von Urkunden oder Akten, die Übermittlung der elektronischen Dokumente und die Erteilung der Auskünfte verweigern.

(2) Auf Antrag eines Beteiligten stellt das Oberverwaltungsgericht ohne mündliche Verhandlung durch Beschluss fest, ob die Verweigerung der Vorlage der Urkunden oder Akten, der Übermittlung der elektronischen Dokumente oder der Erteilung von Auskünften rechtmäßig ist. Verweigert eine oberste Bundesbehörde die Vorlage, Übermittlung oder Auskunft mit der Begründung, das Bekanntwerden des Inhalts der Urkunden, der Akten, der elektronischen Dokumente oder der Auskünfte würde dem Wohl des Bundes Nachteile bereiten, entscheidet das Bundesverwaltungsgericht; Gleiches gilt, wenn das Bundesverwaltungsgericht nach § 50 für die Hauptsache zuständig ist. Der Antrag ist bei dem für die Hauptsache zuständigen Gericht zu stellen. Dieses gibt den Antrag und die Hauptsacheakten an den nach § 189 zuständigen Spruchkörper ab. Die oberste Aufsichtsbehörde hat die nach Absatz 1 Satz 2 verweigerten Urkunden oder Akten auf Aufforderung dieses Spruchkörpers vorzulegen, die elektronischen Dokumente zu übermitteln oder die verweigerten Auskünfte zu erteilen. Sie ist zu diesem Verfahren beizuladen. Das Verfahren unterliegt den Vorschriften des materiellen Geheimschutzes. Können diese nicht eingehalten werden oder macht die zuständige Aufsichtsbehörde geltend, dass besondere Gründe der Geheimhaltung oder des Geheimschutzes der Übergabe der Urkunden oder Akten oder der Übermittlung der elektronischen Dokumente an das Gericht entgegenstehen, wird die Vorlage oder Übermittlung nach Satz 5 dadurch bewirkt, dass die Urkunden, Akten oder elektronischen Dokumente dem Gericht in von der obersten Aufsichtsbehörde bestimmten Räumlichkeiten zur Verfügung gestellt werden. Für die nach Satz 5 vorgelegten Akten, elektronischen Dokumente und für die gemäß Satz 8 geltend gemachten besonderen Gründe gilt § 100 nicht. Die Mitglieder des Gerichts sind zur Geheimhaltung verpflichtet; die Entscheidungsgründe dürfen Art und Inhalt der geheim gehaltenen Urkunden, Akten, elektronischen Dokumente und Auskünfte nicht erkennen lassen. Für das nichtrichterliche Personal gelten die Regelungen des personellen Geheimschutzes. Soweit nicht das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, kann der Beschluss selbständig mit der Beschwerde angefochten werden. Über die Beschwerde gegen den Beschluss eines Oberverwaltungsgerichts entscheidet das Bundesverwaltungsgericht. Für das Beschwerdeverfahren gelten die Sätze 4 bis 11 sinngemäß.

(1) Das Gericht erhebt Beweis in der mündlichen Verhandlung. Es kann insbesondere Augenschein einnehmen, Zeugen, Sachverständige und Beteiligte vernehmen und Urkunden heranziehen.

(2) Das Gericht kann in geeigneten Fällen schon vor der mündlichen Verhandlung durch eines seiner Mitglieder als beauftragten Richter Beweis erheben lassen oder durch Bezeichnung der einzelnen Beweisfragen ein anderes Gericht um die Beweisaufnahme ersuchen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.