Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 27. Aug. 2018 - W 8 K 18.30790

bei uns veröffentlicht am27.08.2018

Gericht

Verwaltungsgericht Würzburg

Tenor

I. Die Nummern 2 bis 5 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 13. Juni 2017 werden aufgehoben.

Die Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger den subsidiären Schutz zuzuerkennen.

II. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu voll-streckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

Der am … … … geborene minderjährige Kläger ist libyscher Staatsangehöriger aus T. Er reiste nach eigenen Angaben am 7. November 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 16. Juli 2015 einen Asylantrag. Zur Begründung des Asylantrages gab der Kläger im Wesentlichen an: Bei einer Art Bürgerkrieg in Libyen seien seine Eltern getötet worden. Er habe sich ebenso wie sein Bruder einer Miliz namens Darae Libyen angeschlossen. Bei einer Auseinandersetzung mit einer anderen Miliz sei der Bruder getötet und er sei verletzt worden.

Mit Bescheid vom 13. Juni 2017 erkannte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und den subsidiären Schutzstatus (Nr. 2) nicht zu. Weiter stellte es fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 3). Der Kläger wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb von 30 Tagen nach Bekanntgabe der Entscheidung, im Falle der Klageerhebung innerhalb von 30 Tagen nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens, zu verlassen. Die Abschiebung nach Libyen oder in einen anderen Staat wurde angedroht (Nr. 4). Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 5). Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt: Der Kläger habe sich noch über ein Jahr in seinem Heimatland ohne weitere Verfolgungen oder Bedrohungen aufhalten können. Für Zivilpersonen liege ohne das Hinzutreten besonderer persönlicher gefahrerhöhender Gründe zumindest für den Großraum Tripolis derzeit keine ernsthafte und individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts vor. Hier bestehe eine innerstaatliche Fluchtalternative. Der Kläger sei ledig und erwerbsfähig und könne bei einer Rückkehr auch weiterhin seinen Lebensunterhalt im Herkunftsland bestreiten und sich das Existenzminimum zu erwirtschaften. Weiterhin lebe noch die Großfamilie in Libyen, so dass er auf ein familiäres Netzwerk zur Unterstützung zurückgreifen könne. Dass vorgelegte Attest zu einer posttraumatischen Belastungsstörung erfülle nicht die gesetzlich geforderten Voraussetzungen. In Tripolis seien eine grundlegende Behandlung des Klägers und eine Versorgung mit Medikamenten möglich. Dem Attest sei nicht zu entnehmen, dass der Kläger bei einer Rückkehr in sein Heimatland mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit mit einer schwerwiegenden Retraumatisierung und daraus folgend mit einer erheblichen Verschlimmerung der posttraumatischen Symptome zu rechnen habe.

Am 28. Juni 2017 ließ der Kläger Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid erheben. Mit Schriftsatz vom 21. August 2018 ließ der Kläger eine fachärztliche psychiatrische Stellungnahme vom 15. September 2017 vorlegen.

Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 4. Juli 2017,

die Klage abzuweisen.

Die Kammer übertrug den Rechtsstreit mit Beschluss vom 4. Januar 2018 dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung.

Mit Beschluss vom 30. April 2018 lehnte das Gericht den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Prozessbevollmächtigten ab.

In der mündlichen Verhandlung am 27. August 2018 nahm der Klägerbevollmächtigte die Klage betreffend die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft zurück. Das Gericht trennte den zurückgenommenen Klageteil ab, führte in unter dem Aktenzeichen W 8 K 18.31766 fort und stellte ihn auf Kosten des Klägers ein. Des Weiteren beantragte der Klägerbevollmächtigte,

die Beklagte unter Aufhebung der Nrn. 2 bis 5 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 13. Juni 2017 zu verpflichten, dem Kläger den subsidiären Schutz zuzuerkennen;

hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Das Gericht hörte den Kläger informatorisch an.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

Die Klage, über die entschieden werden konnte, obwohl nicht alle Beteiligten in der mündlichen Verhandlung erschienen sind (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig und begründet.

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 13. Juni 2017 ist in seinen Nrn. 2 bis 5 rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat im maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) einen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes (§ 4 AsylG). Aus diesem Grund war der streitgegenständliche Bescheid, wie zuletzt beantragt, insoweit aufzuheben. Über die hilfsweise gestellten Anträge zu den nationalen Abschiebungsverboten (§ 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG) sowie zur Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots gemäß § 11 Abs. 1 AufenthG war nicht zu entscheiden.

Unter Berücksichtigung der aktuell abschiebungsrelevanten Lage in Libyen hat der Kläger einen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes gemäß § 4 AsylG.

Nach § 4 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär schutzberechtigt, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt unter anderem Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG).

Hinsichtlich des Klägers ist aufgrund seiner Zugehörigkeit zum Volk der Tawergha und deren sich daraus für ihn ergebenden besonders schwierigen Situation in Libyen eine ernsthafte individuelle Bedrohung seines Lebens und seiner Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG festzustellen.

Nach der Erkenntnislage ist in Libyen von einem innerstaatlichen bewaffneten Konflikt auszugehen (vgl. VG Dresden, U.v. 22.9.2017 - 12 K 1598/16.A - Asylmagazin 4/2018, S. 123 [auszugsweise] - juris; ebenso im Ergebnis VG Ansbach, U.v. 29.3.2018 - AN 10 K 16.32482 - juris; offengelassen VG Chemnitz, U.v. 31.5.2018 - 7 K 2166/16.A - juris; U.v. 24.5.2018 - 7 K 3986/16.A - juris; U.v. 15.3.2018 - 7 K 2975/16.A - juris; U.v. 2.1.2018 - 7 K 692/16.A - juris; jeweils mit weiteren Nachweisen). Das Gericht schließt sich der Rechtsprechung des VG Dresden, auf die es in der mündlichen Verhandlung hingewiesen hat, an und nimmt auf die dortigen Ausführungen im Einzelnen Bezug (vgl. VG Dresden, U.v. 22.9.2017 - 12 K 1598/16.A - Asylmagazin 4/2018, S. 123 [auszugsweise] - juris Rn. 52 ff.). Dort ist unter Bezug auf zahlreiche Quellen ausgeführt, dass nach dem Sturz Gaddafis und der Befreiung ganz Libyens am 23. Oktober 2011 in Libyen ein Machtvakuum entstanden ist, dass die Ausbreitung von Milizen und bewaffneten Gruppen ermöglichte, die brutal um Gebiete und Öl kämpften. Weite Teile des Landes standen und stehen unter Kontrolle bewaffneter Gruppierungen mit Milizcharakter.

Aktuelle Erkenntnisse rechtfertigen die Annahme eines fortbestehenden innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in Libyen.

Nach dem Auswärtigen Amt (Auswärtiges Amt, Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Libyen vom 3. August 2018, Stand Juli 2018) befindet sich Libyen Mitte 2018 im siebten Jahr nach dem Tod des Diktators Gaddafi weiterhin im politischen Umbruch. Landesweite Sicherheit bleibt die größte und wichtigste Herausforderung des seit Dezember 2015 bestehenden Präsidialrats. Große Teile des Landes und der Gesellschaft werden von Milizen kontrolliert, andere Teile sind praktisch unregiert. Bewaffnete Gruppen beanspruchen jeweils auf ihrem Gebiet die Ausübung einer Art staatlicher Kontrolle. Eine der größten Gefahren für die Bevölkerung ist es, als Unbeteiligte in die immer wieder aufflammenden Auseinandersetzungen zwischen Milizen zu geraten bzw. Opfer eines terroristischen Anschlags zu werden. Menschenrechtsverletzungen in Libyen sind an der Tagesordnung. Die vulnerabelste Gruppe sind Migranten und Flüchtlinge. Aber auch Libyer sind Menschenrechtsverletzungen durch staatliche wie nichtstaatliche Akteure ausgesetzt, ohne sich dagegen wirksam schützen zu können. Ein einheitliches funktionierendes Rechtssystem steht nicht zur Verfügung. Besonders betroffen sind Minderheiten. Die Sicherheitslage in Libyen ist instabil. Dem Präsidialrat gegenüber loyalen Milizen aus der westlibyschen Stadt Misrata gelang es den sogenannten IS im Dezember 2016 aus seiner Hochburg in der zentralibyschen Küstenstadt Sirte zu vertreiben. Er ist weiterhin in Libyen aktiv und hat auch 2017 bis 2018 Anschläge verübt. In Ostlibyen geht General … gegen islamistische und dschihadistische Gruppen mit wenig Rücksicht auf die Zivilbevölkerung vor. Auch Tripolis ist faktisch im Einflussbereich von vier Milizen. Eine davon ist die salafistische Rada-Miliz. Diese Miliz übt inzwischen die vollständige Kontrolle über den einzigen funktionstüchtigen Flughafen (Mitiga) von Tripolis und das dort gelegene größte Gefängnis Westlibyens aus. Einer Vielzahl von Milizen werden Folter und standrechtliche Hinrichtungen vorgeworfen. Auch die im Osten vorherrschende LNA ist kein einheitliches Gebilde, vielmehr eine Klammer für einzelne Milizen, die auch eigene Interessen verfolgen und denen ihrerseits Menschenrechtsverletzungen sowie die Hinnahme ziviler Opfer nachgesagt werden.

Alle Konfliktparteien verübten wahllose sowie gezielte Angriffe auf dicht besiedelte Gebiete, die zum Tod von Zivilpersonen und der rechtswidrigen Tötungen führten. Tausende Menschen wurden von bewaffneten Gruppen verschleppt, willkürlich festgenommen und zeitlich unbegrenzt inhaftiert. In den Gefängnissen waren Folter und andere Misshandlungen an der Tagesordnung. Menschen wurden aufgrund ihrer Überzeugung, ihrer Herkunft, ihrer vermuteten politischen Zugehörigkeit und ihres mutmaßlichen Reichtums von bewaffneten Gruppen und Milizen verschleppt und rechtswidrig inhaftiert (Amnesty International, Report Libyen 2017/2018).

Die Lage im ganzen Land ist extrem unübersichtlich und unsicher. Es kommt immer wieder zu gewaltsamen Auseinandersetzungen. In großen Teilen des Landes herrschen bewaffnete Milizen oder sonstige bewaffnete Kräfte. In Abwesenheit staatlicher Kontrolle über das gesamte Territorium setzen sich Dutzende rivalisierende Milizen und militärischen Streitkräfte mit unterschiedlichen Zielsetzungen und Allianzen straffrei über internationales Recht hinweg. Rivalisierende Milizen und militärische Streitkräfte entführen Personen und lassen diese verschwinden, foltern, inhaftieren willkürlich und führen ungesetzliche Tötungen durch (BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Libyen vom 20.10.2017).

Im Ergebnis ist weiterhin aufgrund des Vorhandenseins verschiedener Regierungen sowie die fragile Situation ausnutzende terroristische Elemente, aufgrund deren die Lage nach wie vor unübersichtlich und unsicher ist, vom Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts auszugehen.

Darüber hinaus ist das Gericht überzeugt, dass dem Kläger mit der erforderlichen beachtlichen Wahrscheinlichkeit eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens und der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen dieses innerstaatlichen Konflikts bei einer Rückkehr droht. Eine ernsthafte individuelle Bedrohung für Leib oder Leben kann in erster Linie auf gefahrerhöhende persönliche Umstände beruhen. Diese sind solche Umstände, die den Betreffenden von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen als andere.

Aufgrund der Zugehörigkeit der Kläger zur Minderheit der Tawergha liegen gefahrerhöhende Umstände vor, die dazu führen, dass auch das Vorliegen eines geringeren Niveaus an willkürlicher Gewalt zur Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus führt (vgl. VG Dresden, U.v. 22.9.2017 - 12 K 1598/16.A - Asylmagazin 4/2018, S. 123 [auszugsweise] - juris Rn. 63 ff., 68 ff.). Denn aus der Situation der Tawergha in Libyen ergibt sich, dass der Kläger allein aufgrund seiner Zugehörigkeit dieser Minderheit zum einen von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen ist als andere und zum anderen wegen des bestehenden bewaffneten innerstaatlichen Konflikts zusätzlich die Gefahr gezielter Gewaltakte ausgesetzt ist. Denn die Tawergha sind schon aufgrund ihrer Hautfarbe nach außen erkennbar. Ihnen wird des Weiteren eine Unterstützung des früheren Gaddafi-Regimes zugeschrieben, so dass sie besonders Repressalien unterschiedlichster Art ausgesetzt sind wie Beleidigungen, Belästigungen, Angriffe, Entführungen, Misshandlungen bis hin zur Folter und legalen Tötungen durch bewaffnete Milizen. Besonders häufig und anhaltend sind die willkürliche Festnahmen (vgl. VG Dresden, U.v. 22.9.2017 - 12 K 1598/16.A - Asylmagazin 4/2018, S. 123 [auszugsweise] - juris Rn. 69 m.w.N.).

Das Auswärtige Amt schreibt in seinem Ad-hoc-Lagebericht (Auswärtiges Amt, Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Libyen vom 3. August 2018, Stand Juli 2018): Angriffe auf politische Gegner sind weit verbreitet, insbesondere auf Politiker, Menschenrechtsverteidiger, Journalisten, Juristen, religiöse Führer und (angebliche) ehemalige Anhänger Gaddafis. Die Kämpfe betrafen wiederholt die Zivilbevölkerung. In verschiedenen Städten kam es wiederholt zu Tötungen, standrechtlichen Hinrichtungen, Geiselnahmen, willkürlichen Festnahmen, Folter, und Übergriffe auf zivile Einrichtungen und Häuser. Die kleinere ethnische Minderheit, die ca. 42.000 Angehörige zählt, sind die Tawergha, dunkelhäutige Nachfahren ehemaliger Sklaven aus der gleichnamigen Stadt. Sie wurden 2011 im Zuge der Kämpfe gegen Gaddafi durch Milizen aus dem benachbarten Misrata aus ihrer Stadt vertrieben und sind seither in Lagern in Tripolis, Bengasi und anderen Städten des Landes untergebracht. Die Tawergha stellen einen beträchtlichen Teil der derzeit ca. 200.000 Binnenflüchtlinge in Libyen. Ihre Lebensbedingungen sind besorgniserregend. Ein im August 2016 geschlossenes Versöhnungsabkommen sieht die Rückkehr der Tawergha in ihre Heimatstadt vor. Bis Juli 2018 kehrte eine einzige Familie heim. Anfeindungen durch Teile des Misratis, zerstörte Infrastruktur und die Minengefahr stellen erhebliche Hindernisse dar. In dem Bericht über Binnenvertriebene, zu denen auch die Tawergha gehören, bemängelt die VN-Sonderberichterstatterin in ihrem Bericht im Juli, den in Libyen inexistenten Rechtsrahmen zum Schutz von Binnenvertriebenen sowie deren schlechte Versorgungs- und Sicherheitslage. Sie ruft die libysche Regierung dazu auf, die dramatische Situation der Binnenvertriebenen nicht länger kleinzureden. Zudem appelliert sie auch an bewaffnete Gruppen, die Kontrolle über Gebiete ausüben, die Bevölkerung besser zu schützen als bisher und sich im Umgang mit humanitären Akteuren kooperativer zu verhalten. Bis zum Jahresende 2017 hat es bezüglich der Rückkehr von Menschen nach Tawergha keine Fortschritte gegeben und die Vereinbarung war nicht ungesetzt (Amnesty International, Report Libyen 2017/2018).

Gefahrerhöhende Momente in der besonderen Situation des Klägers sind des Weiteren, dass der Kläger minderjährig ist; seine Eltern sowie sein Bruder tot sind, so dass er keine Kernfamilie mehr hat. Des Weiteren weist der Kläger Schussverletzungen auf und ist aufgrund des Todes seiner Eltern und seines Bruders sowie der ihn betreffenden gewaltsamen Auseinandersetzungen auch traumatisiert, woraus seine psychischen Probleme resultieren, die sich in Deutschland nach seiner Aussage zuletzt verbessert haben. Liegen somit im Fall des Klägers gefahrerhöhende Umstände vor genügt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung auch ein geringes Niveau willkürlicher Gewalt. In dem betreffenden Gebiet um die Voraussetzung des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG zu bejahen. Das Verwaltungsgericht Dresden (VG Dresden, U.v. 22.9.2017 - 12 K 1598/16.A - Asylmagazin 4/2018, S. 123 [auszugsweise] - juris Rn. 70 ff.) hat die Opferzahlen dargestellt mit dem Ergebnis, dass das festgestellte Risiko je nach Zielgebiet in Libyen teilweise noch weit von dem vom Bundesverwaltungsgericht in anderer Sache für unbedenklich gehaltenen Risiko zu 1:800 bzw. 1:1000 (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 - 10 C 13/10 - NVwZ 2012, 454 - juris Rn. 22 und 10 C 11.10 - juris Rn. 20) entfernt ist (vgl. auch VG Ansbach, U.v. 29.3.2018 - AN 10 K 16.32482 - juris Rn. 32).

Gleichwohl ist aufgrund der besonderen Situation des Klägers als Angehöriger der Volksgruppe der Tawergha eine erhöhte individuelle Bedrohung zu bejahen, wobei festzustellen ist, dass aufgrund der Vertreibung und Zerstörung der Heimatstadt Tawergha und der fehlenden zumutbaren Rückkehrmöglichkeit aufgrund der bestehenden - oben zitierten - Hindernisse auf die landesweite Lage abzustellen und insoweit eine landesweite Gefahr für den Kläger festzustellen ist. Dies gilt zum einen schon wegen der persönlichen gefahrerhöhenden Merkmale wie Zugehörigkeit zur Minderheit der Tawergha, Hautfarbe, Minderjährigkeit, Traumatisierung, fehlende Kernfamilie aufgrund der Tötung von Eltern und Bruder, Schussverletzungen. Hinzu kommt die dem Volk der Tawergha zugeschriebene Unterstützung des früheren Gaddafi-Regimes, wie der Kläger in der mündlichen Verhandlung auch ausdrücklich bestätigt hat.

Letzteres wird durch die Erkenntnislage bestätigt (vgl. Accord, Anfragebeantwortung zu Libyen: Lage von Menschen, die im Verdacht stehen UnterstützerInnen des Gaddafi-Regimes zu sein, 2014 bis heute vom 19. Januar 2017), wonach die Milizen tausende Soldaten und auch Anhänger, auch vermeintliche Anhänger des Gaddafi-Regimes festgenommen, ihre Häuser und Orte geplündert und niedergebrannt haben, wie etwa auch die Stadt Tawergha. Das Auswärtige Amt berichtete, dass Angriffe auch politische Gegner wie auch (angebliche) ehemalige Anhänger Gaddafis in Libyen heute noch weit verbreitet sind (vgl. Auswärtiges Amt, Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Libyen vom 3. August 2018, Stand Juli 2018).

Der Kläger erklärte selbst, sein Stamm sei auf verschiedene Gebiete verteilt. Er könne nicht mehr nach Bengasi zurückkehren, weil er dort gegen die dortigen Kämpfer gekämpft habe. Er bzw. sein ganzer Stamm sei zurzeit nicht sehr beliebt in Libyen. Er habe noch Kontakt zu Verwandten in Libyen. Sie lebten in Bengasi. Dort in Bengasi gebe es jeden Tag Tote. Jeden Tag sterbe einer.

Im Ergebnis ist unter Gesamtbetrachtung aller Umstände im vorliegenden Einzelfall bei einer wertenden Betrachtung auch unter Berücksichtigung der Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung und der medizinischen Versorgungslage der Opferzahl sowie der individuellen gefahrerhöhenden Momente, speziell wie beim Kläger durch seine Zugehörigkeit zum Volk der Tawergha und seiner persönlichen Umstände, vorliegend von der ernsthaften individuellen Bedrohung im Sinne von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG auszugehen, so dass sich ein Anspruch des Klägers auf Zuerkennung des subsidiären Schutzes ergibt (ebenso im Ergebnis VG Dresden, U.v. 22.9.2017 - 12 K 1598/16.A - Asylmagazin 4/2018, S. 123 [auszugsweise] - juris).

Des Weiteren spricht beim Kläger auch viel dafür, die Voraussetzungen des subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG zu bejahen, weil bei ihm aufgrund seiner persönlichen Umstände (einerseits Angehöriger der Volksgruppe der Tawergha, andererseits seine Minderjährigkeit, der Verlust der Kernfamilie, die dreifache Schussverletzung infolge einer gewaltsamen Auseinandersetzung mit einer Miliz und die daraus basierende Traumatisierung) die beachtliche Wahrscheinlichkeit eines ernsthaften Schadens durch Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung bei einer Rückkehr nach Libyen besteht.

Denn nach dem Auswärtigen Amt (vgl. Auswärtiges Amt, Ad-hoc-Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in Libyen vom 3. August 2018, Stand Juli 2018) werden in Libyen immer wieder Menschen von staatlichen Stellen sowie von bewaffneten Gruppen ohne jegliches Verfahren und ohne Einhaltung ihres justiziellen Rechte zum Teil jahrelang ihrer Freiheit beraubt. Die meisten Gefängnisse werden von Milizen kontrolliert. Einer der größten Haftanstalten ist das von der Rada-Miliz geführte Mitiga-Gefängnis am gleichen Ort wie der Flughafen in Tripolis. Nach Zeugenaussagen ist dort von Folter, rechtswidrigen Tötungen und Verweigerung des Zugangs zur medizinischen Versorgung und anderer unmenschlicher Behandlung berichtet. Auch sonst gibt es Hinweise, dass Insassen in von Milizen geführten Gefängnissen teils in Isolationshaft und unter Folter zur Abgabe von Geständnissen gezwungen werden. Folter ist in Libyen weit verbreitet und bleibt in der Regel straflos. Sie kommt insbesondere bei Festnahmen, Entführungen und Haft in inoffiziellen und in offiziellen Gefängnissen vor.

Nach Aussage des Auswärtigen Amts ist weiter davon auszugehen, dass zurückkehrende Libyer, insbesondere (aber wohl nicht nur) dann, wenn sie durch ausländische Polizei begleitet werden, Aufmerksamkeit und gegebenenfalls Misstrauen erwecken und bei der Einreise strengen Kontrollen unterzogen werden. Eine anschließende Inhaftierung ist insbesondere am Flughafen Mitiga, der von der salafistischen Rada-Miliz kontrolliert wird, nicht auszuschließen. Organisationen berichten von Menschenrechtsverletzungen in diesem Gefängnis. Weiter ist davon auszugehen, dass die salafistische Rada-Miliz, die den Flughafen Mitiga in Tripolis und das dort befindliche Gefängnis kontrolliert, Listen von gesuchten Libyern einsehen kann und bei der Einreisekontrolle strenge Maßstäbe anlegt. Auch die anderen libyschen Flughäfen werden von bewaffneten Gruppen kontrolliert, die meist ihre eigenen Kriterien für Einreise, Befragung und Festnahme setzen. Das Auswärtige Amt betont ausdrücklich das Einzelfalluntersuchungen des Risikos für Abzuschiebende in diesem Lichte durchzuführen sein werden. Nach Aussage des Bundesamtes für Fremdenwesen und Asyl (BFA, Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl der Republik Österreich, Länderinformationsblatt der Staatendokumentation Libyen vom 20.10.2017) ist eine Rückkehr nach Libyen derzeit nicht sinnvollerweise aktualisierbar.

Auch wenn sich ein Asylbewerber nicht auf gefahrerhöhende Momente infolge einer Abschiebung anstatt einer freiwilligen Rückkehr berufen kann, weil er nicht die Feststellung eines Abschiebungsverbots verlangen kann, wenn er durch eigenes zumutbares Verhalten - wie insbesondere eine freiwillige Rückkehr - im Zielstaat drohende Gefahren abwenden kann (vgl. BVerwG, U.v. 3.11.1992 - 9 C 21/92 - BVerwGE 91, 150; U.v. 15.4.1997 - 9 C 38.96 - BverwGE 104, 265; VGH BW, U.v. 26.2.2014 - A 11 S 2519/12 - juris), sieht das Gericht, wie erwähnt, auch bei einer freiwilligen Rückkehr des Klägers über einen Flughafen in seiner speziellen Situation zahlreiche gefahrerhöhende Momente als gegeben an, die eine Rückkehr wegen drohender Inhaftierung und dabei drohender Folter bzw. unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung auch unter diesem Aspekt unzumutbar erscheinen lassen.

Nach alledem ist dem Kläger unter Aufhebung der betreffenden Antragsablehnung in Nr. 2 des streitgegenständlichen Bescheides der subsidiäre Schutz gemäß § 4 AsylG zuzuerkennen.

Infolgedessen besteht kein Anlass für eine weitere Entscheidung über sonstige Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG, so dass die Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheides ebenfalls aufzuheben war (vgl. § 31 Abs. 3 Satz 2 AsylG). Über den hilfsweise gestellten Antrag zu den nationalen Abschiebungsverboten war nicht zu entscheiden.

Des Weiteren sind auch die verfügte Abschiebungsandrohung und die Ausreisefristbestimmung (Nr. 4 des Bundesamtsbescheides) rechtswidrig und daher aufzuheben. Denn das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge erlässt nach § 34 Abs. 1 AsylG i.V.m. § 59 und 60 Abs. 10 AufenthG die Abschiebungsandrohung nur, wenn dem Ausländer unter anderen nicht der subsidiäre Schutz zuerkannt wird. Umgekehrt darf im Fall der Zuerkennung des subsidiären Schutzes eine Abschiebungsandrohung nicht ergehen. Letzteres ist im gerichtlichen Verfahren - wenn auch noch nicht rechtskräftig - festgestellt.

Schließlich war auch die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 und Abs. 2 AufenthG (Nr. 6 des Bundesamtsbescheides) aufzuheben, weil mit der Aufhebung der Abschiebungsandrohung auch die Voraussetzungen für die Entscheidung über die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 2 AufenthG entfallen (vgl. § 75 Nr. 12 AufenthG).

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


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Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 4 Subsidiärer Schutz


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(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen n

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 83b Gerichtskosten, Gegenstandswert


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Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 77 Entscheidung des Gerichts


(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefä

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 59 Androhung der Abschiebung


(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfal

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 102


(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende di

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 34 Abschiebungsandrohung


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(1) Die Entscheidung des Bundesamtes ergeht schriftlich. Sie ist schriftlich zu begründen. Entscheidungen, die der Anfechtung unterliegen, sind den Beteiligten unverzüglich zuzustellen. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, ist eine

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Bundesverwaltungsgericht Urteil, 17. Nov. 2011 - 10 C 13/10

bei uns veröffentlicht am 17.11.2011

Tatbestand 1 Der Kläger, ein irakischer Staatsangehöriger, erstrebt Abschiebungsschutz wegen ihm im Irak drohender Gefahren.

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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

Tenor

1. Die Beklagte wird verpflichtet, den Klägern den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen. Der Bescheid der Beklagten vom 14. Dezember 2016 wird aufgehoben, soweit er dem entgegensteht. Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen.

2. Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Tatbestand

Die Kläger sind staatenlose Palästinenser mit gewöhnlichem Aufenthalt in Libyen. Der Kläger zu 1) wurde in Syrien geboren, lebt aber seit seinem 4. Lebensjahr in Libyen, seine Ehefrau, die Klägerin zu 2) sowie die Kinder, die weiteren Kläger, sind in Libyen geboren. Die Kläger reisten am 24. September 2014 über den Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein, nachdem sie das Mittelmeer mit einem Boot Richtung Italien überquert hatten. Sie stellten am 30. September 2014 Asylantrag.

Die persönliche Anhörung beim Bundesamt für ... (Bundesamt) erfolgte am 7. Mai 2015. Dabei gab der Kläger zu 1) im Wesentlichen an, dass er in Libyen in ... gelebt hatte, in der … Siedlung. Sie hätten das Land auf Grund des Krieges in Libyen und wegen der fehlenden Sicherheit dort verlassen. Sie seien vertrieben und hätten keinen sicheren Ort, um dort zu leben. Er wäre zwar persönlich nicht bedroht worden. Die Sicherheitslage wäre jedoch allgemein schlecht und sie würden nirgendwo mehr aufgenommen werden wegen ihrer palästinensischen Volkszugehörigkeit. Er hätte als staatenloser Palästinenser in Libyen keine Rechte gehabt. Die Situation dort wäre unbeschreiblich gewesen. Er hätte auch nicht in einen anderen Landesteil gehen können, denn er hätte sich dort nicht frei bewegen können. Er hätte manchmal eine ganze Woche zu Hause bleiben müssen und dann die Kinder nicht versorgen können. Nach Syrien könne er nicht gehen, denn wenn er Libyen verlassen würde, würde man ihn nicht wieder reinlassen. Außerdem würde er in Syrien zum Wehrdienst eingezogen werden. Die Klägerin zu 2) schloss sich bei der persönlichen Anhörung den Ausführungen ihres Ehemannes an und ergänzte, dass ihr Mann blond sei und die Libyer großen Hass gegen die Palästinenser hätten. Die Palästinenser würden als Verräter betrachtet, weil sie während der libyschen Revolution zu Gaddafi gehalten haben. Der Kläger zu 1) äußerte sich im Behördenverfahren unter dem 27. November 2015 zudem noch schriftlich gegenüber dem Bundesamt und führte insbesondere aus, in Libyen gäbe es auf Grund der fehlenden Regierung keine Sicherheit und keinen Frieden. Mörder und Straftäter würden freigelassen und Waffen wären fast überall erreichbar. Es käme zu Kindesentführungen, Diebstahl und Vergewaltigung. Als Ausländer wäre er besonders betroffen, da keine Schutzmöglichkeit mehr bestünde. Er führte weiter aus, dass das Haus seines Vaters, wo er mit seiner Familie gewohnt hätte, in der Nähe eines militärischen Lagers in … gewesen sei. Hier sei die Gefahr besonders groß gewesen, da auf dieses Lager Raketen und Bomben abgeworfen worden seien. Sie hätten auch versucht, einen anderen sicheren Ort zu finden, dies wäre jedoch auch deswegen nicht möglich gewesen, weil die Wege teilweise gesperrt gewesen seien. Nach Mitteilung des Klägers zu 1) vom 3. August 2016 an das Bundesamt würden sich seine Mutter und seine Geschwister ebenfalls in Deutschland aufhalten und hätten einen Aufenthaltstitel erhalten. Das Bundesamt teilte zum Verbleib der Familien am 19. Februar 2018 zudem mit, dass die Familie der Klägerin zu 2) weiterhin in ... lebe.

Am 14. Dezember 2016 erging der streitgegenständliche Bescheid, mit dem die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt wurde, die Anträge auf Asylanerkennung abgelehnt wurden, der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt wurde und festgestellt wurde, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Die Kläger wurden zur Ausreise binnen 30 Tage nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens aufgefordert, andernfalls wurde ihnen die Abschiebung nach Libyen bzw. in einen anderen Staat, in den sie einreisen dürfen und der zu einer Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.

Hinsichtlich der Begründung führte das Bundesamt zur Prüfung des Flüchtlingsschutzes nur aus, es sei nicht von einer Verfolgung der Kläger auszugehen, da sie vorgetragen haben, dass sie nicht persönlich bedroht oder verfolgt wurden. Auch subsidiärer Schutz käme deswegen nicht in Betracht, weil in Libyen zwar ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt herrsche, den Klägern aber nicht, wie es erforderlich sei, eine erhebliche individuelle Gefahr auf Grund willkürlicher Gewalt im Zusammenhang mit diesem Konflikt drohe. Ohne nähere Feststellungen führte das Bundesamt in der Bescheidsbegründung aus, dass der Grad an willkürlicher Gewalt im Zusammenhang mit diesem Konflikt nicht das Niveau erreiche, dass gleichsam jeder Angehörige der Zivilbevölkerung bei Rückkehr in das Kampfgebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt sei. Außerdem hätten die Kläger auch keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vorgetragen. Zur Prüfung des Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG, einem möglichen Abschiebungsverbot aus humanitären Gründen wegen einer allgemeinen schlechten humanitären Situation führte das Bundesamt ohne weitere Feststellungen zur humanitären Situation in Libyen aus, dass ein derartiges Abschiebungsverbot für die Kläger angesichts des erwerbsfähigen Alters der Kläger zu 1) und zu 2) und der Unterstützung durch die noch in Libyen lebende Familie der Klägerin zu 2) nicht in Betracht käme.

Hiergegen richten sich die Klagen vom 21. Dezember 2016 mit denen beantragt wurde, den Bescheid des Bundesamtes vom 14. Dezember 2016 aufzuheben, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise den subsidiären Schutzstatus, hilfsweise das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, nicht-libysche Staatsangehörige, wie die Kläger, würden in Libyen unter ständiger Bedrohung leben und müssten nahezu täglich mit ihrer Ausweisung rechnen. Der libysche Staat sei gegenüber den Klägern nicht schutzwillig. Angesichts des ungesicherten Aufenthaltsstatus in Libyen sei im Falle einer Abschiebung mit einer Abschiebung nach Syrien zu rechnen, so dass die Grundsätze für syrische Flüchtlinge herangezogen werden müssten.

Die Beklagte beantragte Klageabweisung und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass in Libyen einige Zehntausend Palästinenser dauerhaft leben würden, diese staatenlos sein würden und vor allem in der Region ... leben würden. Bei einer Ausreise aus Libyen würde ihnen meist die Rückkehr verwehrt werden. Nach dem Sturz Gaddafis hätte sich die islamistische Miliz Ansar al-Scharia in ... eingenistet und wäre zur maßgeblichen Kraft im machthabenden Revolutionsrat vom ... geworden. Sodann wäre die Stadt seit 2014 durch konkurrierende Milizen unter dem Kommando von General Haftar angegriffen worden. Dieser Angriff stehte im Zusammenhang mit dem 2. libyschen Bürgerkrieg seit 2014, bei dem sich rivalisierende Gruppen gegenüberstehen, im Wesentlichen die sogenannte Einheitsregierung, die im Westen des Landes Kontrolle ausübt sowie dem Machthaber Ostlibyens, dem General Haftar. Zudem fand sich zeitweise mit dem IS eine dritte Konfliktpartei. Zur Begründung der Klage wurde weiter auf das aktuelle Themenpapier der Schweizerischen Flüchtlingshilfe zu Palästinensern in Libyen und auf das aktuelle Themenpapier des Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research und Documentation zur Frage der Palästinenser in Libyen verwiesen, ohne dies jedoch weiter zu diskutieren. Weiter wurde darauf verwiesen, dass die Familie der Klägerin zu 2) weiterhin in ... lebt und die Klägerin zu 2) sowie ihre Kinder in Libyen geboren seien und dass die Stadt ... bei erwünschter Rückkehr über den Landweg als auch über den See Weg und den Luftweg zur erreichen sei.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung führte der Vertreter der Kläger aus, dass Palästinenser, die nicht in Libyen geboren seien, von vornherein kein Aufenthaltsrecht in Libyen hätten. Bei in Libyen geborenen Palästinensern sei die Sache möglicherweise anders zu beurteilen. Da die Kläger jedoch aus Libyen ausgereist seien, seien sie bei einer erneuten Einreise so zu behandeln, als wären sie neu in Libyen und außerhalb des Landes geboren.

Der Vertreter der Beklagten führte aus, dass eine Abschiebung nach Syrien nicht im Raum stünde.

Die informatorisch angehörten Kläger gaben im Wesentlichen Folgendes an: Es sei so, dass man als ausgereister Palästinenser keinesfalls nach Libyen zurück dürfe. Darüber gäbe es auch ein Papier. In ... wäre man auf Grund des Konflikts ständig in Gefahr gewesen. Es hätte Raketenangriffe, Sprengungen von Autos und weiteres gegeben. Gerade als Fremder werde man immer angegriffen. Die Kläger hätten in Libyen Reisepapiere besessen, auf denen vermerkt gewesen sei, dass sie Palästinenser seien, auf dem Reisedokument des Klägers zu 1) sei auch vermerkt, dass er aus Syrien stamme. In Libyen wäre es zu zunehmenden Diskriminierungen gegenüber den Palästinensern und vor allem gegenüber dem Kläger zu 1), der aus Syrien stamme, gekommen. Die Klägerin zu 2) berichtete, dass ihre Familie, die sich noch in Libyen aufhalte, zunehmend ausgeschlossen wird, die Kinder dürften unter anderem nicht zur Schule gehen. Auf das Haus der Familie der Klägerin zu 2) wären Schüsse gefallen. Zudem hätte es einen Bombenanschlag auf das Auto des Bruders der Klägerin zu 2) in Libyen gegeben. In Libyen hätte man insgesamt damit zu rechnen, gerade als Palästinenser, von den Konfliktparteien vorgehalten zu bekommen, jeweils die andere Seite zu unterstützen, da man fremd sei.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, jedoch nur zum Teil begründet, da die Kläger zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) zwar einen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (§ 4 Abs. 1 AsylG) haben und die Klage daher gemäß § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO insoweit begründet ist, ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 und Abs. 4 AsylG jedoch nicht besteht.

1. Das Gericht geht hinsichtlich der Lage im Herkunftsland von folgenden Feststellungen aus:

Nachdem einige Jahre vom Auswärtigen Amt kein Lagebericht zu Libyen vorgelegt wurde, existiert nun ein Lagebericht vom 12. Februar 2018 (Geschäftszeichen 508-516.80/3) zu Libyen. Angesichts der volatilen Lage in Libyen und angesichts dessen, dass sich in Libyen keine Deutsche Botschaft befindet, basiert der Lagebericht neben den Informationen, die von Kontaktpersonen über die lokalen Verhältnisse bezogen sind, im Wesentlichen auch aus der Auswertung anderer Berichte. Der Lagebericht geht nicht speziell auf die Situation der Palästinenser in Libyen ein. Wesentliche Aussage des Lageberichts ist, dass Teile des Landes von Milizen kontrolliert werden, andere Teile praktisch unregiert sind und insgesamt keine gesamtstaatliche Kontrolle besteht. Bewaffnete Gruppen beanspruchen jeweils auf ihrem Gebiet die Ausübung staatlicher Kontrolle. Daher sei es eine der größten Gefahren für die Bevölkerung als Unbeteiligte in die immer wieder aufflammenden Auseinandersetzungen zwischen Milizen zu geraten bzw. Opfer eines terroristischen Anschlags zu werden. Weiter ist ausgeführt, dass alle bewaffneten Gruppen in Libyen mit unpräzisen Waffen, wie Mörser oder Artilleriegranaten schießen und damit letztlich häufig wahllos auf Zivilisten. Außerdem werden Minen und Sprengfallen genutzt. Weiter ist ausgeführt, dass in ... bis Ende 2017 Luftangriffe auf dicht besiedelte zivile Gebiete stattfanden. Auch Autobomben seien dort benutzt worden. Außerdem wäre es zu Angriffen auf Krankenhäuser gekommen, auch in .... 2017 wäre über 371 zivile Kriegsopfer, also Tote und verwundete Zivilisten, berichtet worden. Die höchste Opferzahl wurde in ... erreicht. Nach dem Lagebericht dürfte diese Zahl weit entfernt sein von der tatsächlichen Opferzahl. Weiter ist im Lagebericht ausgeführt, dass Menschenrechtsverletzungen in Libyen an der Tagesordnung seien, die vulnerabelste Gruppe sind Migranten und Flüchtlinge, die der Repression von staatlichen wie auch nicht-staatlichen Akteuren ausgesetzt seien, ohne sich wirksam schützen zu können. Zurückzuführen ist dies wohl auf Betreiben des Westens, um die Fluchtrouten aus Afrika über Libyen zu schließen. Zur allgemeinen Lage in Libyen führt weiter der aktuelle Bericht des britischen Innenministeriums zur Sicherheitslage und zur humanitären Situation im Libyen vom Januar 2018, der im Internet öffentlich abrufbar ist (https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/673747/Libya_-_Security_Situation_-_CPIN_-_v3.0.pdf), aus, dass die humanitäre Versorgungslage äußerst schlecht sei, insbesondere im Hinblick auf die medizinische Versorgung. Von den etwa 6,5 Millionen Einwohnern in Libyen wären 1,3 Millionen Einwohner auf humanitäre Hilfe angewiesen, insbesondere in .... Es gäbe etwa 200.000 Binnenflüchtlinge. Es sei im Hinblick auf diese Information zwar nicht generell davon auszugehen, dass die humanitäre Lage dergestalt ist, dass eine Rückführung dorthin eine Verletzung des Verbots der Folter bzw. der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung nach Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention darstellt. Dies könne sich in manchen Landesteilen jedoch anders darstellen, insbesondere bei verletzlichen Personen. In dem britischen Bericht ist weiter ausgeführt, dass die Sicherheitslage derart schlecht sei, dass ungeachtet möglicher weniger Landesteile, die trotz der Abwesenheit einer Regierung relativ sicher seien, insgesamt für Libyen davon auszugehen sei, dass Zivilisten auf Grund des Bürgerkriegs dort ernsthaft individuell gefährdet seien und somit die Schwelle von Art. 15 c der Qualifikationsrichtlinie erreicht sei, also von einer ernsthaften individuellen Bedrohung auf Grund willkürlicher Gewalt auf Grund des bewaffneten Konflikts auszugehen sei.

Hinsichtlich der Sicherheitslage in ... im Allgemeinen, zum derzeitigen Zeitpunkt, ist wenig bekannt. Wie aus dem englischsprachigen Wikipedia-Artikel zu ... hervorgeht, berichten internationale Medien, dass der General Haftar, der Machthaber im Osten des Landes, die letzten Widerstandsnester der vorher in ... machthabenden islamistischen Miliz zum Ende des Jahres 2017 eingenommen hat. Ob die Miliz noch im Untergrund wirkt, ist nicht bekannt, solches ist jedoch nicht auszuschließen. Nach dem auf der Web-Seite der United Nations Support Mission in Libya, erschienen Human Rights Report on Civilian Casualties vom 1. März 2018 (https://unsmil.unmissions.org/human-rights-report-civilian-casualties-march-2018) hätte es im Februar 2018 146 zivile Opfer, Tote und Verwundete, des bewaffneten Konflikts gegeben. Die meisten Opfer wären auf Minen zurückzuführen. 126 der Opfer stammten aus .... Die Minen seien wohl wahrscheinlich von der vorher machthabenden Miliz zurückgelassen worden Die Lage der palästinensischen Flüchtlinge in Libyen im Speziellen würdigte zum einen das Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (ACCORD) vom 19. Januar 2017 (abrufbar im Internet unter www...net) und die Schweizerische Flüchtlingshilfe in einem Themenpapier vom 31. Oktober 2017, über die Internetseite der Schweizerischen Flüchtlingshilfe abrufbar (fluechtlingshilfe.ch). Bei diesen Berichten der Nichtregierungs- und Hilfsorganisationen handelt es sich um die aktuellsten Berichte zu der hier interessierenden Frage. Die Quellen, andere Berichte sowie Angaben von Informanten werden ausgewiesen. Im Wesentlichen wird im Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe zu der hier interessierenden Frage Folgendes ausgeführt: Nachdem die Palästinenser aus ihren ursprünglichen Siedlungsgebieten nach Gründung des Israelischen Staates vertrieben worden sind und bis heute in Flüchtlingslagern in den arabischen Nachbarstaaten sich aufhalten, kamen vor allem in 1970er Jahren mehr Palästinenser zum Arbeiten nach Libyen. In Libyen sind Palästinenser generell als arabische Freunde empfangen worden. Nach einem Richtungswechsel des früheren Staatsführers Gaddafi wurde ab dem Jahr 1994 ein Großteil der Palästinenser aus Libyen herausgeschafft bzw. sie verloren ihre Arbeitsstellen und Aufenthaltsbewilligungen. Diese Politik wurde jedoch 1997 beendet und die Palästinenser wurden wieder aufgenommen. Im Jahr 2011 hätten in Libyen etwa 70.000 Palästinenser gewohnt. Nach Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs im Jahr 2011 wären noch zunehmend weitere palästinensische Flüchtlinge aus Syrien nach Libyen gekommen. Zwischen den Neuankömmlingen und den sich schon länger in Libyen aufhaltenden Palästinenser zu unterscheiden sei kaum möglich. Die Mehrheit der Palästinenser würde in ... leben. Nach Ausbruch des Konflikts in Libyen wären sie in einer prekären Lage gewesen, da sie nicht mehr in ihre früheren Herkunftsgebiete zurückkehren konnten. Das Klima in Libyen ihnen gegenüber sei 2011 jedoch zunehmend schärfer geworden. Bis 2011 hätten Palästinenser ohne Visum nach Libyen einreisen können. Dies hätte sich jedoch geändert. Im Januar 2015 erließ die damalige Regierung in Dohuk im Osten des Landes eine Einreisesperre für Palästinenser, Syrer und Sudaner, da sie befürchtete, diese Personen würden islamistische Gruppierungen unterstützen. Dies gilt auch für Frauen und Kinder. Die tatsächliche Umsetzung dieser Einreisesperre ist jedoch unklar. Der im Osten des Landes machthabende Militärgeneral Haftar, der nun auch Herrschaft in ... ausübt, erließ im April 2017 eine Einreisesperre für Personen aus Syrien, Sudan, Pakistan und Bangladesh. Ob dies auch für Palästinenser gilt, gerade die die schon vorher in Libyen, gerade vor 2011, gelebt hatten, ist jedoch unklar. Im Bericht würde weiter ausgeführt, dass hinsichtlich der Migranten und Flüchtlinge in Libyen diese überwiegend in Haftanstalten sich aufhalten müssen. Dort komme es zu einer Vielzahl von Menschenrechtsverletzungen wie Folterungen und Versklavungen bis hin zu Tötungen. Viele dort Inhaftierte sterben wegen Hunger, Durst oder Krankheiten. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe geht weiter davon aus, dass es sich bei den inhaftierten Migranten hauptsächlich um solche aus der Subsahara-Region handelt. Es sei nicht davon auszugehen, dass Palästinenser im gleichen Maße wie Subsahara-Flüchtlinge systematisch verhaftet werden. Verhaftungen von Palästinensern aus Sicherheitsgründen wären inzwischen jedoch auch schon bekannt geworden, da vermutet wurde, sie würden islamistische Gruppierungen unterstützen. In einem solchen Fall gäbe es wohl keine Rechtsschutzmöglichkeiten. Verhaftungen von Palästinensern stünden wohl hauptsächlich im Zusammenhang mit einer Flucht über das Mittelmeer. Weiter ist im Bericht ausgeführt, dass sich vermehrt Palästinenser um Unterstützung bei dem UN-Flüchtlingshilfewerk bemühten. Aus ... seien viele Palästinenser durch Gewalt vertrieben worden. Im ganzen Land gäbe es Check-Points, die von Behörden und Milizen kontrolliert werden. An diesen Check-Points sei mit Verhaftungen zu rechnen. Auch Palästinenser würden an derartigen Check-Points zunehmend in Schwierigkeiten geraten. Gegenüber Palästinensern hätte es nach dem Jahr 2011 zunehmend Gewalt gegeben, da ihnen einerseits eine Verbindung zum damaligen Regime nachgesagt wurde, andererseits ihnen vorgeworfen wurde, nicht für das Regime zu kämpfen. Wegen Gewalt und weitere Kriminalität hätten die Palästinenser weder Zugang zu Schutz bei Stammesnetzwerken noch bei Behörden. Nach Fall des Gaddafi-Regimes wäre das Klima noch schlimmer geworden und Palästinenser wären aus ihren Wohnungen vertrieben worden, da die Grundstücke vormals von anderen Besitzern durch das ehemalige Regime konfisziert worden seien. Die Ankunft von neuen Palästinensern und Syrern hätte das Land zusätzlich belastet, da es nun zu einer erhöhten Konkurrenzsituation auf dem Arbeitsmarkt und bei sozialen Dienstleistungen gekommen sei. Nachdem sich die Lage nach Ausbruch des erneuten Bürgerkriegs im Jahr 2014 weiter verschlechtert hätte, wären Palästinenser in der Gesellschaft zunehmend wegen der Verschlechterung der Lage als Sündenböcke angesehen worden. Es hätte Gerüchte gegeben, dass sie in Verbindung zu Milizen und radikalen Gruppen stehen. Dies gelte insbesondere für Palästinenser, die in ... wohnen würden. Nachdem die Palästinenser vor 2011 in vielen Belangen gleich behandelt wurden wie libysche Bürger, sei zunehmend der Zugang zu Leistungen, wie dem Gesundheitssystem und zur Bildung eingeschränkt. Der letzte Bericht des UN-Flüchtlingshilfewerks vom Oktober 2015 zu Libyen bestätigt diese Aussage zur Situation der Palästinenser in Libyen und sieht daher Rückführungen nach Libyen nicht als möglich an. Das Bundesamt führt in einer aktuellen Stellungnahme vom 14. März 2018 im Verfahren AN 10 K 17.34737 zur Problematik aus, dass auf Grund des bewaffneten Konflikt und der politischen Instabilität in Libyen die humanitäre Lage prekär sei. Rund 2,44 Millionen Menschen bedürften humanitärer Unterstützung, was libysche Staatsangehörige ebenso wie Flüchtlinge beträfe. Besonders schwierig sei die Situation für Familien mit Kindern und alleinstehenden Frauen. Nach Fall des Gaddafi-Regimes seien die Palästinenser Opfer von Belästigungen und Einschüchterungen geworden, die Palästinenser wären zu Sündenböcken gemacht worden und ihnen wären Verbindungen zu Milizen und radikalen Gruppen unterstellt worden. Zusammenfassend geht das Bundesamt in der Stellungnahme davon aus, dass es Palästinensern auch in ihrer besonderen Situation nicht generell unmöglich ist, ihre Existenz in Libyen zu sichern. Es gäbe jedoch Situationen bei vulnerablen Personen, wie Familien mit kleinen Kindern, bei denen dies nicht erwartet werden könne und denen daher ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG gegeben werden müsse.

Weitere Sachaufklärung durch die Einholung einer Auskunft des Auswärtigen Amtes war nicht veranlasst, angesichts dessen, das Auswärtige Amt in Libyen nicht präsent ist, der aktuelle Lagebericht nicht auf die Situation der Palästinenser eingeht und angesichts dessen, dass das Gericht durch die anderen aktuellen Auskünfte, insbesondere der einschlägigen Auskunft des Schweizer Flüchtlingshilfewerks vom 31. Oktober 2017 genügend informiert ist. Diese Auskunft ist aufgrund ihres sachlichen Charakters und der Angabe der Quellen bei einzelnen Ausführungen auch hinreichend verlässlich und nachvollziehbar. Die letzte Auskunft des Auswärtigen Amtes an ein Verwaltungsgericht datiert vom 30. Juni 2017 (Geschäftszeichen 508-516.80/ 49491). Nach dieser Auskunft würden Palästinenser in Libyen nicht diskriminiert werden und sie könnten einen Aufenthaltstitel erhalten. Die Auskunft, die sich in Ergebnissätzen erschöpft und im Übrigen keine Quellen angibt, geht nicht auf die ersichtlich bekannt gewordenen zunehmenden Diskriminierungen, wie sie im Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe aufgeführt sind, ein und geht auch nicht darauf ein, dass zunehmend Einreisesperren verhängt werden, die möglicherweise auch gegen Palästinenser gelten. Auch angesichts dieser Schwächen war die Einholung einer neuen Auskunft des Auswärtigen Amtes zur Einschätzung der Lage der Palästinenser, die sich in den letzten Monaten nicht wesentlich verändert hat, nicht veranlasst.

2. Unter Berücksichtigung des Vorbringens der Kläger und der erhältlichen Erkenntnismittel ist den Klägern die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 4 AsylG nicht zuzuerkennen, da die Anspruchsvoraussetzungen nicht vorliegen.

Nach § 3 Abs. 1 und Abs. 4 AsylG ist einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Herkunftsland ist entweder das Land, dessen Staatsangehörigkeit der Ausländer besitzt oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

Da die Kläger allesamt staatenlos sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Libyen hatten, ist insoweit auf Libyen abzustellen. Nach dem Vortrag der Kläger droht ihnen in Libyen jedoch keine Verfolgungshandlung gemäß § 3 a Abs. 1 AsylG, die nach dem Gesetz gegen die Kläger individuell gerichtet sein muss. Kam es bereits zu einer Vorverfolgung, also bereits zu Verfolgungshandlungen vor Ausreise, so streitet für die Kläger eine tatsächliche Vermutung, dass sie bei Rückkehr ebenfalls wieder Verfolgung erleiden müssen, andernfalls sind stichhaltige Gründe von den Klägern darzulegen (siehe hierzu VG Dresden, Urteil vom 22.9.2017, 12 K 2300/16.A). Ein solches wurde von den Klägern jedoch nicht vorgetragen. Sie berufen sich hauptsächlich hinsichtlich ihres Fluchtgrundes auf die allgemeine Sicherheitslage und humanitäre Lage in Libyen gerade im Hinblick auf die besondere Situation von Palästinensern. Der Kläger zu 1) berichtete lediglich in der mündlichen Verhandlung ergänzend zu der Bundesamtsanhörung, es hätte einen konkreten Vorfall gegeben, bei dem, als er in … unterwegs war, Bewaffnete gekommen wären, die ihn bedroht hätten und das Auto hätten wegnehmen wollen. Dieser Vortrag, erreicht, selbst wenn man ihn als wahr unterstellt, jedoch nicht den nach § 3 a Abs. 1 AsylG erforderlichen Schweregrad. Weiteres hat der Kläger zu 1) auch auf Nachfrage, ob er noch etwas vorzutragen hätte, auch in der mündlichen Verhandlung nicht erzählt.

Nach Überzeugung des Gerichts droht den Klägern nicht allein wegen ihrer Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Palästinenser eine Verfolgung in Libyen. Die Annahme einer solchen gruppengerichteten Verfolgung setzt voraus, dass Gruppenmitglieder Rechtsschutzbeeinträchtigungen erfahren, aus deren Intensität und Häufigkeit jedes einzelne Gruppenmitglied die begründete Furcht herleiten kann, selbst alsbald Opfer einer solchen Verfolgungsmaßnahme zu werden. Es geht also darum, ob die Verfolgungshandlungen auf alle sich im Herkunftssaat befindlichen Gruppenmitglieder abzielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten und wiederholt um sich greifen, dass für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne Weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit besteht (BVerwG, Urteil vom 21.4.2009, 10 C 11/08). Für eine Bejahung der Gruppenverfolgung bedarf es nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einer Feststellung zur Anzahl und Intensität der Verfolgungsmaßnahme, die zur Gesamtzahl der Gruppenangehörigen unter abschließender Würdigung der Gesamtumstände im Rahmen einer wertenden Betrachtung in Verhältnis gesetzt wird. Neben der Ermittlung einer erforderlichen Verfolgungsdichte kann auch dann von einer Gruppenverfolgung ausgegangen werden, wenn hinreichend sichere Anhaltspunkte für ein staatliches Verfolgungsprogramm vorliegen, etwa wenn der Heimatstaat die betroffene Gruppe physisch vernichten oder ausrotten oder aus seinem Staatsglied vertreiben will (BVerwG, Urteil vom 5.7.1994, 9 C 158/94). Nach diesen Maßstäben ist jedoch vorliegend nicht von einer Gruppenverfolgung von staatenlosen Palästinensern bzw. Palästinensern in Libyen auszugehen. Es ergeben sich keine Anhaltspunkte für ein staatliches Verfolgungsprogramm zur Vernichtung der Palästinenser. Die in den Erkenntnismitteln berichteten einzelnen Verhaftungen sowie auch die Diskriminierungen, von denen berichtet wird, geben insgesamt nicht das Gesamtbild, dass der libysche Staat bzw. die in einzelnen Landesteilen machthabenden Parteien oder Organisationen bzw. Militärs sich zum Ziel gesetzt haben, die Palästinenser zu vernichten. Es ergeben sich auch keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass eine Vertreibung aus Libyen der Palästinenser insgesamt oder durch einzelne Verhaftungen bezweckt ist. Vielmehr ergibt sich das Bild eines zunehmend feindseligen Klimas gegenüber den Palästinensern in der Gesellschaft, vor allem wegen der schlechten Sicherheitslage und dem laufenden Konflikt sowie der angespannten Versorgungssituation. Palästinensern wird zunehmend feindselig gegenübergetreten und sie werden zunehmend vom öffentlichen Leben ausgeschlossen. Dieses Bild wird letztlich auch von dem Vortrag der Kläger bestätigt, die sich vor allem auf die schlechte Sicherheitslage berufen sowie auf das Gefühl, vom Leben immer mehr ausgeschlossen zu sein, da alles Fremde in Libyen nicht mehr wohlgelitten ist. Diese Problematik, die also für alle Fremden in Libyen besteht, wobei wohl auch die sich schon früher in Libyen befindlichen Palästinenser als fremd angesehen werden, ergibt auch nicht den Eindruck einer gezielten Vertreibung, wie sie nach der Auskunftslage in den 90ern gegenüber den Palästinenser noch betrieben wurde. Nach alledem ist somit nicht von einem staatlichen Verfolgungsprogramm auszugehen.

Auch ansonsten ist mangels hinreichender Verfolgungsdichte nicht von einer Verfolgung aller Palästinenser in Libyen bzw. auch der Palästinenser in ... auszugehen. Es fehlt an der Intensität und Häufigkeit von Verfolgungshandlungen gegen einzelne Gruppenmitglieder, so dass von einer Verfolgung jedes einzelnen Gruppenmitglieds ausgegangen werden könne. In den Erkenntnismitteln ist von vereinzelten Verhaftungen von Palästinensern die Rede, die gegen die Situation von anderen Migranten, vor allem aus der Subsahara-Region, die reihenweise verhaftet werden und menschenrechtswidrigen Haftbedingungen ausgesetzt sind, gegenüberzustellen ist. Zudem hätten sich immer mehr Palästinenser hilfesuchend an das UN-Flüchtlingshilfewerk gewandt. Weiteres zu den Verhaftungen und einer damit verbundenen Agenda ist nicht bekannt. Die Kläger haben zudem zu diesem Punkt auch nichts vorgetragen. Das Gericht geht daher nicht davon aus, dass diese Maßnahmen die Häufigkeit erreichen, die für die Annahme einer Gruppenverfolgung nötig wäre. Etwas anderes gilt auch nicht im Hinblick auf die vorgetragenen Diskriminierungen. Dies gilt zum einen für die berichteten Einschränkungen beim Zugang zum Gesundheitssystem und zur Bildung. Da nach § 3 a Abs. 2 Nr. 2 AsylG auch diskriminierende Maßnahmen Verfolgungshandlungen darstellen können, und die nach § 3 a Abs. 1 AsylG erforderliche Erheblichkeitsschwelle, die für eine Verfolgungshandlung gefordert wird, auch bei der Komulation unterschiedlicher Maßnahmen bestehen kann, ist eine Verfolgung bei fehlenden bzw. verweigertem Zugang zu wichtigen Institutionen und System nicht ausgeschlossen (BVerwG, Urteil vom 20.2.2013, 10 C 23/12). Angesichts dessen, dass nach der Auskunftslage, insbesondere dem Bericht des britischen Homeoffice vom Januar 2018 alle Bevölkerungsgruppen Schwierigkeiten mit dem Zugang zur Bildung und zum Gesundheitssystem haben, ist jedoch nicht hinsichtlich dieses Aspektes von einer Verfolgungshandlung auszugehen, zumal eine Verfolgung im Regelfall nur bei einer schwerwiegenden Verletzung von in der Europäischen Menschenrechtskonvention verbürgten Rechten, insbesondere dem Recht auf Leben, dem Verbot von Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe, dem Verbot von Sklaverei und dem Verbot von Verurteilung ohne gesetzliche Grundlage vorliegt (hierzu Heusch/Haderlein/ Schönenbroicher, Das Neue Asylrecht 2016, Seite 21 m.w.N. zur Rspr.). Nach der Auskunftslage ist zudem davon auszugehen, dass Palästinenser in Libyen einer Arbeit nachgehen dürfen. Hinsichtlich der weiteren Umstände, mit denen Palästinenser in Libyen nach der Auskunftslage zu rechnen haben, entsteht für das Gericht das Bild, dass diese im Schwerpunkt nicht dem Staat, sondern der libyschen Gesellschaft zuzurechnen sind. Dies gilt insbesondere für den Umstand, dass Palästinenser zunehmend zu Sündenböcken gemacht werden und ihnen Verbindungen zu radikalen Gruppen unterstellt werden, die zunehmend verübte Kriminalität gegenüber Palästinensern und allgemein das feindselige Klima ihnen gegenüber. Die Maßnahmen sind daher kaum einem Verfolgungsakteur zuzurechnen, was jedoch nach § 3 Abs. 1 und Abs. 4 AsylG Anspruchsvoraussetzung ist. Zwar kann nach § 3 c Nr. 3 AsylG die Verfolgung auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen wenn der Staat oder andere herrschende Organisationen nicht in der Lage oder willens sind, Schutz zu gewährleisten. Angesichts der Erkenntnismittellage ist eher nicht von einer Schutzfähigkeit und einem Schutzwillen des libyschen Staates bzw. der in den jeweiligen Landesteilen herrschenden Gruppen und Organisationen auszugehen. Zudem können Palästinenser nicht auf den Schutz von Stammesstrukturen wie ansässige Libyer zurückgreifen. Andererseits geht das Gericht nach der aktuellen Erkenntnismittellage nicht davon aus, dass diese Umstände staatlich forciert werden. Die zuletzt erwähnten Umstände und Vorkommnisse können letztlich deswegen nicht bei der Prüfung der Gruppenverfolgung herangezogen werden, weil sie den bereits eingeführten asylrechtlichen Erheblichkeitsmaßstab nicht überschreiten, die Verfolgungshandlungen nicht den erforderlichen Schweregrad haben, denn eine Lebensgefährdung bzw. eine Behandlung, die einer Folter gleichkommt sowie eine Versklavung ist darin nicht zu erblicken.

Nach alledem ist nicht von einer Gruppenverfolgung in Libyen von Palästinensern auszugehen.

In Bezug auf die vorstehenden Ausführungen ist auch im Hinblick auf den individuellen Vortrag der Kläger keine Schlechterstellung im Hinblick auf den Zugang zur Bildung und Gesundheit gegenüber libyschen Staatsangehörigen festzustellen, die den asylrechtlichen Schweregrad nach § 3 a Abs. 1 AsylG erreicht. Gleiches gilt für Maßnahmen, die den Klägern möglicherweise von der libyschen Bevölkerung zugefügt werden könnten. Der Vortrag der Kläger hierzu ist auch nicht hinreichend substantiiert (zu diesem Erfordernis an den klägerischen Vortrag, BVerwG, Urteil vom 22.3.1983, 9 C 68.81).

Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft kommt auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Aussperrung oder Ausgrenzung in Betracht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts könne Rückkehrverweigerung eine politische Verfolgung darstellen, wenn sie wegen asylerheblicher Merkmale erfolge. Eine solche liegt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nahe, wenn eigene Staatsangehörige betroffen sind. Bei Staatenlosen liege es demgegenüber nahe, dass eine solche Maßnahme auf anderen als asylrechtlichen Gründen beruht, etwa wenn der Staat ein Interesse daran habe, die durch den Aufenthalt entstandene wirtschaftliche Belastung zu mindern oder Gefahren für die Staatssicherheit und potentielle Unruhestifter zu vermeiden (BVerwG, Urteil vom 24.10.1995, 9 C 75/95). So liegt der Fall hier. Es handelt sich bei den Klägern nicht um Staatsbürger, sondern Staatenlose. Nach der Erkenntnismittellage ist wohl eher davon auszugehen, dass Palästinenser nach Libyen nicht mehr einreisen dürfen. Betroffen sind jedoch nicht nur Palästinenser, sondern auch Staatsangehörige einer Vielzahl von Ländern. Es deutet daher nichts auf eine Diskriminierung von Palästinensern hin. Angesichts der vorgetragenen Motive, möglichst Sympathisanten von Islamisten fernzuhalten und angesichts der angespannten Versorgungslage im Land, liegt es auch nahe, dass die Motive für die Verweigerung der Nichteinreise nicht in der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung von Palästinensern liegen, sondern in Sicherheitsbedenken und Versorgungsbedenken motiviert waren. Dies ist jedoch im Rahmen des § 3 AsylG nicht beachtlich.

Nach alledem war der Antrag auf Verpflichtung zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft abzulehnen und es war über den Hilfsantrag zu entscheiden.

3. Die Kläger haben einen Anspruch auf Verpflichtung zur Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO, gemäß § 4 Abs. 1 AsylG. Denn die Anspruchsvoraussetzungen liegen zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) vor.

Den Klägern droht bei einer möglichen Rückkehr nach Libyen ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG, in der Form einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit von einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

Ein bewaffneter Konflikt ist dadurch gekennzeichnet, dass er die Schwelle von reinen Unruhen, Spannungen und Gewaltakten überschreitet und dass mehrere bewaffnete Gruppen aufeinander treffen (EuGH, Urteil vom 30.1.2014, C 285/12). Angesichts des nach wie vor bestehenden Bürgerkrieges in Libyen, bei dem sich im Wesentlichen zwei Lager gegenüberstehen, es in manchen Landesteilen jedoch keine Herrschaftsmacht gibt und sich eine Vielzahl von rivalisierenden Milizen finden, ist von dem Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts angesichts der Auskunftslage auszugehen (so auch VG Dresden, Urteil vom 22.9.2017, 12 K 2300/16).

Nach der Rechtsprechung muss dieser Konflikt insbesondere in der Herkunftsregion der Kläger liegen, in die die Kläger typischerweise zurückkehren würden, wenn der Konflikt nicht landesweit besteht (BVerwG, Urteil vom 14.7.2009, 10 C 9/08). Die aktuellen Berichte, insbesondere der aktuelle Lagebericht des Auswärtigen Amtes sowie auch der Bericht des britischen Homeoffice vom Januar 2018 gehen jedoch von einem landesweiten bewaffneten Konflikt aus. Insbesondere gäbe es immer wieder Auseinandersetzungen zwischen Milizen. Auf Grund des Konflikts zwischen einer islamistischen Miliz und dem General Haftar ist insbesondere ... über die vergangenen Jahre der Schwerpunkt kriegerischer Auseinandersetzungen gewesen. Nach der Auskunftslage ist ... zwar von dem General Haftar eingenommen worden und nach dem Eintrag des Online-Lexikons Wikipedia, das auf internationale Presse verweist, wäre auch das letzte Widerstandsnest der Islamisten eingenommen worden. Dies soll Ende des Jahres 2017 passiert sein. Diese Ereignisse liegen angesichts der Einschätzung zur allgemeinen Lage in Libyen noch nicht lange genug zurück, um sicher davon sprechen zu können, dass auch in ... kein bewaffneter Konflikt mehr besteht, zumal nicht ausgeschlossen werden kann, dass die bisher in ... machthabende Miliz oder andere Milizen noch vorhanden sind und aus dem Untergrund weiter Krieg führen oder zurückkehren. Zudem kommt es nach der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes bei der Prüfung einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts, da die Tatbestandsmerkmale aufeinander bezogen sind und letztlich entscheidend der Schutz von Zivilpersonen vor der beschriebenen Gewalt ist, entscheidend nur darauf an, ob in der Herkunftsregion tatsächlich ein derartiger Grad von Gewalt herrscht, der zu der beschriebenen ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson führt (EuGH, Urteil vom 30.1.2014, C 285/12).

Eine derartige ernsthafte individuelle Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt liegt jedoch hinsichtlich der Kläger, wenn man auf die Herkunftsregion ... abstellt, vor.

Zugrunde zu legen ist hier der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (BVerwG, Urteil vom 31.1.2013, 10 C 5/12). Dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab erfordert, dass eine Rechtsgutsverletzung nicht nur im Bereich des Möglichen liegt. Bei zusammenfassender Bewertung des Sachverhalts und verständiger Würdigung aller objektiven Umstände dahingehend, ob bei einem vernünftig denkenden besonnenen Menschen eine ernsthafte Furcht vor der Rechtsgutsverletzung gerechtfertigt ist, müssen die für die Rechtsgutsverletzung sprechenden Umstände größeres Gewicht haben als die dagegensprechenden Tatsachen (BVerwG, Urteil vom 17.10.1995, 9 C 9/95). Damit ist auch gesagt, dass es bei dieser Gefahrenabschätzung bzw. Prognose zwar nicht auf das Individuum und somit nicht auf eine besonders ängstliche Person ankommt, aber die gefährlichen Umstände dennoch subjektivierend, aus der Perspektive eines vernünftigen besonnenen Menschen zu betrachten sind. Daher ist nicht erforderlich, dass der ernsthafte Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG bereits eingetreten ist, wenn eine hinreichend konkrete Gefahr besteht. Weiter fordert die beachtliche Wahrscheinlichkeit mehr als die theoretische Möglichkeit einer solchen Schädigung, es ist aber auch nicht automatisch zu fordern, dass die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts immer über 50 Prozent liegen muss. Ein vernünftiger besonnener Mensch wird nicht nur die Wahrscheinlichkeit allein in Betracht ziehen, sondern auch die Schwere eines befürchteten Eingriffs. Bei hinreichenden schweren Gefahren, insbesondere Todesgefahr, kann bei einer geringen mathematischen Schadens-Wahrscheinlichkeit die Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, die bei einem vernünftigen besonnenen Menschen zu einer begründeten Furcht vor derartigen Folgen führt, überschritten werden (zu den Grundsätzen: BVerwG, Beschluss vom 7.2.2008, 10 C 33.07 und Berlit, ZAR 2017, 110).

Nach diesen Maßstäben liegt hinsichtlich der Kläger eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts vor. Eine solche kann dann zu bejahen sein, wenn der Grad an willkürlicher Gewalt so hoch ist, dass praktisch jede Zivilperson, die in das Land bzw. Landesteil reist, davon betroffen ist. Zur Beurteilung bedarf es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einer quantitativen Ermittlung der Gefahrendichte, also Feststellungen zu den Opferzahlen, die ins Verhältnis zur Gesamtbevölkerung gesetzt wird, sowie abschließend einer wertenden Gesamtbetrachtung (BVerwG, Urteil vom 27.4.2010, 10 C 4.09). Auf Grund dieser wertenden Gesamtbetrachtung ist das quantitative Verhältnis zwischen der Opferzahl und der Gesamtbevölkerung nur ein Hilfsmittel bei der Gefahrabschätzung und nicht das alleinige Kriterium, da es sonst auf eine inhumane reine Knochenzählerei hinausliefe. Denn zur Einschätzung der Konfliktlage und der Gefährdung der Kläger bedarf es auch der Würdigung von deren individuellen Situation sowie hinsichtlich des Konflikts der qualitativen Beurteilung, etwa im Hinblick auf politische, strukturelle, wirtschaftliche und taktische Konfliktmerkmale. Denn in Bürgerkriegssituationen wird selten rational gehandelt (Berlit, ZAR 2017, 110). Dies gilt besonders deswegen, weil die Feststellungen zu den Opferzahlen häufig auf ungenauen Angaben basieren, die Verhältnisse im Herkunftsland auf Grund des Konflikts nicht hinreichend klar und die Zahlen daher nicht verlässlich sind (Berlit, ZAR 2017, 110). Es gibt daher keine konkrete Messzahl, ab der gesagt werden kann, dass der Grad willkürlicher Gewalt genügend hoch oder zu niedrig ist. Eine solche Aussage trifft auch das Revisionsgericht Bundesverwaltungsgericht nicht, zumal es keine Tatsacheninstanz ist. Lediglich zur Situation im Irak fand sich die Aussage, dass ein Schadensrisiko von 1:1.000 sehr weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt anzusehen ist (BVerwG, Urteil vom 17.11.2011, 10 C 13.10). Angesichts dessen, dass es immer einer wertenden Betrachtung für das konkrete Land für den konkreten Konflikt bedarf, können diese Zahlen kaum als fester Messwert angesehen werden. Im Übrigen erscheint es dem Gericht, dass hinsichtlich einer quantitativen Betrachtungsweise auch deswegen äußerste Vorsicht geboten ist, da auch in Ländern mit hohen Schutzquoten, die Gefahrendichte in einer quantitativen Betrachtung sehr gering ausfällt. Beispielsweise wird für Afghanistan, ein Land mit etwas über 30 Millionen Einwohnern, die zivile Opferzahl durch den Bürgerkrieg mit 140.000 Opfern bemessen (Berlit, ZAR 2017, 110). Gleiches gilt für Syrien, wo nach übereinstimmenden Medienberichten die zivile Opferzahl in die Hunderttausende geht, bei einer Einwohnerzahl von etwa 20 Millionen. Zudem kann nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts neben den bekannten Opferzahlen eine Dunkelziffer hinzugerechnet werden (BVerwG, Beschluss vom 29.11.1996, 9 B 445.96). Vorliegend berichtet die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Libyen (UNSMIL), im Internet frei abrufbar, zu zivilen Opfern des Konflikts in Libyen. 2016 gab es insgesamt 567 berichtete Opfer, 2017 242 berichtete Opfer bei einer Gesamtzahl von 6,5 Millionen Einwohnern in Libyen (vgl. zu dieser Berechnung auch VG Dresden, Urteil vom 22.9.2017, 12 K 2300/16.A). In ... wurden von der Unterstützermission der UN für 2017 96 Opfer und für 2016 296 zivile Opfer berichtet (zu dieser Berechnung: VG Dresden, Urteil vom 22.9.2017, 12 K 2300/16.A). Nachdem der Kampf um ... zum Ende des Jahres 2017 offiziell beendet worden ist, hat sich die Sicherheitslage möglicherweise etwas entspannt, gleichwohl werden von der Unterstützermission für Februar 2018 122 Opfer in ... berichtet. Neben den Zahlen ist für das erkennende Gericht insbesondere maßgeblich, dass der Konflikt in Libyen, wie auch vom Auswärtigen Amt im aktuellen Lagebericht dargestellt, sich so darstellt, dass es eine Vielzahl von Unruheherden gibt, gerade auch durch die vielen am Kampf beteiligten Milizen und ... der absolute Schwerpunkt kriegerischer Auseinandersetzungen im Osten des Landes war. Kennzeichnend ist auch, dass die Konfliktparteien zu unpräzisen Waffen wie Mörser- und Artilleriegranaten gegriffen haben und bei deren Einsatz somit bewusst in Kauf genommen haben, dass zivile Gebiete getroffen werden. Die Unterstützermission der UN berichtet, dass es zu Bombardements durch Flugzeuge von Wohngebieten gekommen ist. Weiterhin wurde Gebrauch gemacht von Kampfmitteln wie Minen und Sprengfallen. Dies sind Kampfmittel, die gerade die Zivilbevölkerung besonders betreffen und zum Ziel haben, die Sicherheit in einem bestimmten Gebiet längerfristig zu unterminieren. Es handelt sich dabei um ein Paradebeispiel von willkürlicher Gewalt, also im Rahmen des Konflikts eingesetzter Gewalt, die sich gegen die Zivilbevölkerung richtet. Besonders ... ist davon insbesondere betroffen, weil nach aktuellen Informationen der Unterstützermission der UN die allermeisten Opfer in ... Opfer von Minen sind. Angesichts dessen, dass der akute Kampf in ... erst vor kurzem beendet wurde, liegt es nahe, dass Angehörige der Zivilbevölkerung, insbesondere in ..., Furcht vor Lebensgefahren bzw. Gefahren wegen körperlicher Unversehrtheit in begründetem Ausmaß haben, die auf kriegerische Handlungen zurückzuführen ist. Dies vor allem deswegen, weil nach dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes die Dunkelziffer der Opferzahl nicht nur um ein Vielfaches, sondern wohl weit über den berichteten Opferzahlen liegen dürfte. Es ist daher fraglich, ob bei der Dunkelziffer eine Vervierfachung ausreicht (so VG Dresden, Urteil vom 22.9.2017, 12 K 2300/16.A). Entwickeln sich die Opferzahlen im Jahr 2018 weiter wie im Februar 2018, so wäre zumindest von einer berichteten Opferzahl im vierstelligen Bereich auszugehen. Selbst wenn man die Dunkelziffer mit dem Faktor 4 ansetzt und von 650.000 Einwohnern in ... ausgeht, berechnet sich bei den somit geschätzten 4.000 Opfern, bezogen auf die Einwohnerzahl, ein nicht unerheblicher Faktor von etwa 6:1.000. Die Frage, ob für jede Zivilperson der verlangte Gefahrengrad vorliegt, muss jedoch letztlich entschieden werden. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann der Gefahrengrad niedriger ausfallen, wenn gefahrerhöhende Umstände vorliegen. Solche Umstände sind etwa, von Berufs wegen, etwa als Arzt oder Journalist, gezwungen zu sein, nahe an den Kämpfen zu sein. Weiter zählen dazu auch solche persönlichen Umstände, auf Grund derer die Kläger als Zivilpersonen zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte, etwa wegen der religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit, ausgesetzt sind (BVerwG, Urteil vom 27.4.2010, 10 C 4/09). Das Bundesverwaltungsgericht bezieht daher nicht nur die für Bürgerkriege bzw. bewaffnete Konflikte typischen Gefahren, durch Kollateralschäden gefährdet zu sein, in den Schutz des § 4 Abs. 1 AsylG mit ein. Nach dem Verständnis des erkennenden Gerichtes geht es vom Sinn und Zweck her wegen des Einbezuges von Teilen der Zivilbevölkerung mit besonderen Merkmalen auch darum, davor zu schützen, dass im Rahmen eines bewaffneten Konfliktes der Zusammenbruch der Ordnung ausgenutzt wird, um Personen, gegenüber denen Feindseligkeiten bestehen, bewusst zu schädigen. Das erkennende Gericht deutet dies so, dass § 4 Abs. 1 AsylG nicht nur vor bewussten Schädigungen durch die Konfliktparteien schützen will, da ein solcher Schutz im Regelfall bereits über § 3 Abs. 1 AsylG gewährleistet ist und dass es Gewaltphänomene gegenüber gefährdeten Gruppen gibt, die im Rahmen von bewaffneten Konflikten gerade diesen drohen wie etwa Aggressionen durch die Gesellschaft, die angesichts des Zusammenbruchs der Ordnung und der kriegsbedingten schlechten Versorgungs- und Sicherheitslage nicht verhütet werden und denen diese Bevölkerung schutzlos ausgeliefert ist. Dies dient letztlich auch der Schließung von Schutzlücken.

Nach der so verstandenen Auslegung des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG bestehen ernsthafte individuelle Bedrohungen von Leben oder der Unversehrtheit, wenn nicht für die Palästinenser in... allgemein durch den dort herrschenden Konflikt, zumindest für die Kläger. Wie bereits ausgeführt, besteht für Palästinenser in ... ein erhebliches Klima der Feindseligkeit der Gewalt und Kriminalität. Auf Grund der zunehmend schlechten Lage werden die Palästinenser, die nunmehr als Fremde angesehen werden, zu Sündenböcken gemacht, und gegen sie richten sich Aggressionen, gegen die kein staatlicher Schutz zu erlangen ist. Zudem wird Palästinensern nicht nur von der Bevölkerung, sondern auch von den Konfliktparteien unterstellt, die jeweils andere Seite zu unterstützen bzw. Terroristen oder Islamisten zu sein. Es steht daher zu befürchten, dass wegen des Konflikts, der zum Zusammenbruch der Sicherheit und Ordnung geführt hat, ein Klima entstanden ist, welches Bedrohungen des Lebens und der Unversehrtheit durch bewaffnete Gruppen oder die Bevölkerung allgemein in ... wenn nicht gegenüber allen Palästinensern zumindest im Hinblick auf die Kläger bestehen würde. Die Kläger sind auf Grund ihrer individuellen Umstände besonders schutzbedürftig. Als Familie mit kleinen Kindern, insbesondere einem Neugeborenen (Verfahren AN 10 K 18.30213), sind sie besonders verwundbar. Die Familie der Klägerin zu 2), die sich wohl noch in ... aufhält, ist selbst nach dem Vortrag der Kläger konkreten Bedrohungen wie Bombenanschlägen schon noch ausgesetzt gewesen und deswegen selbst gefährdet. Eine Unterstützung von dieser Seite dürfte daher eingeschränkt sein. Zudem dürfte der Kläger zu 1) besonders als Fremder wahrgenommen und erkannt werden. Denn er stammt ursprünglich aus Syrien und ist dort auch geboren, was nach seinen glaubhaften Angaben in den libyschen Reisepapieren auch vermerkt ist. Zudem ist der Kläger zu 1), wie manche Palästinenser in der Levante, deutlich hellhäutig und hat eine blonde Haarfarbe. Da die meisten nordafrikanischen Araber eher dunkelhäutig sind und dunkles Haar tragen, ist der Kläger zu 1) daher deutlich auffällig und als Fremder erkennbar. Auf die besondere Situation von Palästinensern geht die bisherige einschlägige erstinstanzliche Rechtsprechung (statt aller VG Dresden, U. v. 22.9.2017, 12 K 2300/16.A) bei der Prüfung des § 4 AsylG nicht genügend ein.

Nach alledem liegen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG hinsichtlich der Kläger vor.

Interner Schutz nach § 3 e Abs. 1 i.V.m. § 4 Abs. 3 AsylG ist für die Kläger auf Grund des landesweiten bewaffneten Konfliktes, des landesweit feindseligen Klimas gegenüber Palästinensern und vor allem hinsichtlich der vielen im Land sich befindlichen Check-Points, die auch von Milizen betrieben werden, nicht zu erlangen. Bei einer möglichen Einreise in das Land bzw. einer Weiterreise in andere Landesteile ist daher zu erwarten, dass die Kläger, insbesondere wegen des auffälligen Aussehens des Klägers zu 1), als Fremde bzw. Palästinenser erkannt werden und ihnen die beschriebenen Gefährdungen dann drohen.

4. Über den weiteren Hilfsantrag war daher nicht mehr zu entscheiden. Angesichts der nach der Auskunftslage in Libyen bestehenden allgemeinen desolaten humanitären Situation, die nach der Stellungnahme des Bundesamts gerade bei vulnerablen Personengruppen beachtlich ist, wäre die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG für die Kläger angesichts der beschriebenen persönlichen Merkmale, insbesondere der Tatsache, dass es sich um eine Familie mit kleinen Kindern handelt, nahegelegen.

5. Die Abschiebungsandrohung nach § 34 Abs. 1 AsylG war daher obsolet und aufzuheben. Dies gilt auch für die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes in § 11 Abs. 2 AufenthG.

6. Die Kosten des nach § 83 b AsylG gerichtskostenfreien Verfahrens waren gemäß § 155 Abs. 1 VwGO gegeneinander aufzuheben, da der Flüchtlingsschutz, hinsichtlich dessen die Kläger unterlegen sind, wertmäßig die Hälfte gegenüber den übrigen Streitgegenständen ausmacht.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein irakischer Staatsangehöriger, erstrebt Abschiebungsschutz wegen ihm im Irak drohender Gefahren.

2

Der 1976 in Mosul geborene Kläger ist kurdischer Volkszugehöriger sunnitischen Glaubens. Zur Begründung des im Juli 2001 beim Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt -) gestellten Asylantrags gab er an, dass er in Mosul ein Lebensmittelgeschäft betrieben habe. Eine von einem Kunden in seinem Laden abgestellte Tasche, die Flugblätter von Schiiten enthalten habe, sei von einem Unbekannten inspiziert worden. Sein Vater habe ihm daraufhin zur Flucht geraten und sei seinetwegen später verhaftet worden. Er befürchte, wegen des Vorfalls getötet oder lebenslang inhaftiert zu werden. Mit Bescheid vom 14. September 2001 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers ab, stellte jedoch fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 51 Abs. 1 AuslG 1990 (inzwischen § 60 Abs. 1 AufenthG) hinsichtlich des Irak vorliegen. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger aufgrund der illegalen Ausreise und der Asylantragstellung verfolgt werde.

3

Wegen der veränderten politischen Verhältnisse im Irak widerrief das Bundesamt am 16. März 2006 die Flüchtlingsanerkennung und stellte zugleich fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen.

4

Die hiergegen erhobene Klage hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 1. Februar 2007 im Wesentlichen ausgeführt, der Widerruf sei rechtmäßig, weil der Kläger im Irak nach dem Sturz des Regimes von Saddam Hussein keine Verfolgung mehr zu befürchten habe. Er könne auch keine Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG bzw. subsidiären Schutz gemäß Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG beanspruchen. Im Irak liege kein landesweiter innerstaatlicher bewaffneter Konflikt vor. Zudem habe der Kläger die Möglichkeit, in Teilen des Irak internen Schutz zu finden. Im Übrigen stehe die Erlasslage des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, die bei allgemeinen Gefahren vergleichbaren Abschiebungsschutz biete, der Gewährung richtliniengemäßen subsidiären Schutzes entgegen.

5

Während des Revisionsverfahrens hat der Kläger seine Revision hinsichtlich des Widerrufs der Flüchtlingsanerkennung zurückgenommen. Der erkennende Senat hat mit Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 44.07 - das Revisionsverfahren insoweit eingestellt. Im Übrigen hat er, soweit die Verpflichtung zur Feststellung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes aus § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG und hilfsweise nationalen Abschiebungsschutzes aus § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG begehrt wird, das Berufungsurteil aufgehoben und die Sache an das Berufungsgericht zurückverwiesen. Zur Begründung hat er darauf abgestellt, dass § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG keinen landesweiten bewaffneten Konflikt voraussetze. Die zusätzliche Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger könne innerhalb des Irak internen Schutz finden, beruhe auf einer zu schmalen Tatsachengrundlage. Schließlich verletze der Verweis auf die Aussetzung von Abschiebungen durch ministerielle Erlasse revisibles Recht. Denn § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG sei richtlinienkonform dahin auszulegen, dass die Sperrwirkung nicht greife, wenn die Voraussetzungen des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG erfüllt seien.

6

Während des neuen Berufungsverfahrens hat die Beklagte darauf hingewiesen, dass der Kläger im Besitz einer Niederlassungserlaubnis sei. Damit sei sein Aufenthalt gesichert und es komme auf subsidiären Schutz nicht mehr an.

7

Der Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des Klägers mit Urteil vom 21. Januar 2010 zurückgewiesen, soweit sie sich auf das noch anhängige Begehren zur Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG bezieht. Die Berufung sei zulässig, denn für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG bestehe ein Rechtsschutzbedürfnis, obwohl der Kläger mittlerweile im Besitz einer Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG sei. Die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus nach Art. 18 der Richtlinie 2004/83/EG könne dem Kläger eine zusätzliche Rechtsposition vermitteln. Die Berufung sei aber unbegründet. Mit Blick auf § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG führt das Berufungsgericht aus, es könne dahinstehen, ob die im Irak seit 2003 andauernden und durch staatliche Sicherheitskräfte bekämpften terroristischen Handlungen nach Intensität und Größenordnung als innerstaatlicher bewaffneter Konflikt zu qualifizieren seien. Jedenfalls sei der Kläger keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt. An seinem Herkunftsort in Mosul bestehe keine so hohe Gefahrendichte, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt sei. Dies ergebe sich aus der Zahl der Anschläge und der Anzahl der Opfer im Verhältnis zur Einwohnerzahl. Die Wahrscheinlichkeit, durch einen Terroranschlag in der Provinz Ninive verletzt oder getötet zu werden, habe 2009 ca. 0,12 % oder ca. 1:800 pro Jahr betragen. Für eine Verschärfung der Sicherheitslage gebe es keine Anhaltspunkte. Gefahrerhöhende individuelle Umstände seien bei dem Kläger nicht ersichtlich. Die Voraussetzungen des hilfsweise begehrten nationalen Abschiebungsschutzes (§ 60 Abs. 7 Satz 1 und § 60 Abs. 5 AufenthG) lägen ebenfalls nicht vor.

8

Mit seiner vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision wendet sich der Kläger allein gegen die Ablehnung der Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Er rügt, der Verwaltungsgerichtshof habe bei der Ermittlung der Gefahrendichte auf die im Rahmen der Gruppenverfolgung entwickelten Kriterien der Verfolgungsdichte abgestellt, ohne zwischen den Schutzsystemen zu differenzieren und die Besonderheiten des subsidiären Schutzes zu berücksichtigen. Auch seien die in das Verfahren eingeführten Quellen zur Häufigkeit von Anschlägen im Irak und zur Zahl der Toten und Verletzten nicht interpretiert und bewertet worden.

9

Die Beklagte verteidigt das Berufungsurteil.

Entscheidungsgründe

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Die Revision des Klägers, über die der Senat im Einverständnis mit den Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 101 Abs. 2 i.V.m. § 141 Satz 1 und § 125 Abs. 1 Satz 1 VwGO), ist unbegründet. Das Berufungsgericht hat die begehrte Verpflichtung zur Gewährung subsidiären unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes ohne Verstoß gegen revisibles Recht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) abgelehnt.

11

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist nur noch das Verpflichtungsbegehren auf Gewährung subsidiären unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes. Die darüber hinausgehende Beschränkung des Revisionsantrags auf das Vorliegen eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG erweist sich als unwirksam. Denn der geltend gemachte Anspruch auf Verpflichtung zur Gewährung von Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG (entsprechend den Voraussetzungen für den subsidiären Schutz in Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EU Nr. L 304 S. 12; ber. ABl EU vom 5. August 2005 Nr. L 204 S. 24) bildet nach dem dafür maßgeblichen materiellen Recht einen einheitlichen, in sich nicht weiter teilbaren Streitgegenstand (Urteile vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 11 und vom 8. September 2011 - BVerwG 10 C 14.10 - zur Veröffentlichung in der Sammlung BVerwGE vorgesehen - Rn. 16). Eine Revision kann daher nicht wirksam auf einzelne materielle Anspruchsgrundlagen dieses einheitlichen prozessualen Anspruchs beschränkt werden (Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 13).

12

Für diesen Verpflichtungsantrag ist, obwohl der Kläger mittlerweile eine Niederlassungserlaubnis nach § 26 Abs. 4 AufenthG besitzt, entgegen der Rechtsauffassung der Beklagten das Rechtsschutzinteresse nicht entfallen. Dieses Interesse fehlt nur, wenn die Klage für den Kläger offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen kann (Urteil vom 29. April 2004 - BVerwG 3 C 25.03 - BVerwGE 121, 1 <3>). Der Beklagten ist einzuräumen, dass sich nach nationalem Aufenthaltsrecht die Rechtsstellung eines Ausländers in der Situation des Klägers, der im Besitz einer Niederlassungserlaubnis gemäß § 26 Abs. 4 AufenthG ist, durch die Zuerkennung unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes derzeit nicht verbessern kann. Diese Betrachtung greift aber zu kurz. Denn aus dem Umsetzungsdefizit des deutschen Gesetzgebers, der - entgegen den unionsrechtlichen Vorgaben der Richtlinie 2004/83/EG im 5. Erwägungsgrund, in Art. 2 Buchst. f und in Art. 18 - den Status des subsidiär Schutzberechtigten im nationalen Recht nicht explizit ausgeformt hat, darf für den Kläger kein Nachteil entstehen (vgl. auch Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 13). Er hat daher ein legitimes Interesse, dass trotz seiner gesicherten aufenthaltsrechtlichen Stellung mit Blick auf diesen Schutzstatus und die damit einhergehenden Vergünstigungen über das Bestehen eines unionsrechtlich begründeten Abschiebungsverbots entschieden wird.

13

Die zulässige Klage ist aber unbegründet. Auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen, nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und das Revisionsgericht daher bindenden tatsächlichen Feststellungen (§ 137 Abs. 2 VwGO) greift keines der auf Unionsrecht beruhenden Abschiebungsverbote (§ 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG).

14

1. Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Diese Bestimmung entspricht nach der Rechtsprechung des Senats trotz geringfügig abweichender Formulierungen den Vorgaben des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG und ist in diesem Sinne auszulegen (Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 Rn. 17 und Rn. 36).

15

Das Berufungsgericht hat offen gelassen, ob die im Irak seit 2003 andauernden und durch staatliche Sicherheitskräfte bekämpften terroristischen Handlungen nach Intensität und Größenordnung als innerstaatlicher bewaffneter Konflikt anzusprechen sind, weil der Kläger auch bei Annahme eines derartigen Konflikts keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt wären. Das hält revisionsgerichtlicher Nachprüfung stand.

16

a) Für seine Prognose, ob der Kläger bei Rückkehr in den Irak einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt ist, hat der Verwaltungsgerichtshof zu Recht auf die tatsächlichen Verhältnisse in seiner Herkunftsregion Mosul abgestellt. Dort hat der Kläger zuletzt gelebt, so dass die Annahme gerechtfertigt ist, dass er dorthin zurückkehren wird (Urteil vom 14. Juli 2009 - BVerwG 10 C 9.08 - BVerwGE 134, 188 Rn. 17).

17

b) Das Berufungsgericht hat des Weiteren zutreffend geprüft, ob von dem - zugunsten des Klägers unterstellten - bewaffneten Konflikt in der Region von Mosul für eine Vielzahl von Zivilpersonen eine allgemeine Gefahr ausgeht, die sich in der Person des Klägers so verdichtet, dass sie für diesen eine erhebliche individuelle Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG darstellt. Denn auch eine von einem bewaffneten Konflikt ausgehende allgemeine Gefahr kann sich individuell verdichten und damit die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG und des Art. 15 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG erfüllen (Urteil vom 24. Juni 2008 a.a.O. Rn. 34).

18

Eine derartige Individualisierung kann sich bei einem hohen Niveau willkürlicher Gewalt für die Zivilbevölkerung aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Betroffenen ergeben. Dazu gehören in erster Linie persönliche Umstände, die den Antragsteller von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen - z.B. als Arzt oder Journalist - gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Möglich sind aber auch solche persönlichen Umstände, aufgrund derer der Antragsteller als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte - etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit - ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht bereits die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt (Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 4.09 - BVerwGE 136, 360 Rn. 33). Gefahrerhöhende individuelle Umstände hat das Berufungsgericht bei dem Kläger nicht festgestellt (UA S. 12); dem ist der Kläger mit der Revision auch nicht entgegengetreten.

19

Eine Individualisierung der allgemeinen Gefahr kann aber auch dann, wenn individuelle gefahrerhöhende Umstände fehlen, ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre (Urteil vom 14. Juli 2009 a.a.O. Rn. 15 mit Verweis auf EuGH, Urteil vom 17. Februar 2009 - Rs. C-465/07, Elgafaji - Slg. 2009, I-921 = NVwZ 2009, 705). Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich (Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 33).

20

In jedem Fall setzt § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG für die Annahme einer erheblichen individuellen Gefahr voraus, dass dem Betroffenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein Schaden an den Rechtsgütern Leib oder Leben droht. Das ergibt sich aus dem Tatbestandsmerkmal "... tatsächlich Gefahr liefe ..." in Art. 2 Buchst. e der Richtlinie 2004/83/EG. Der darin enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieser stellt bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr ab ("real risk"; vgl. nur EGMR (GK), Urteil vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi/Italien - NVwZ 2008, 1330 ); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 22 zu § 60 Abs. 2 AufenthG und Art. 15 Buchst. b Richtlinie 2004/83/EG).

21

Gemäß § 60 Abs. 11 AufenthG gilt für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG u.a. die Beweisregel des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG. Danach ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird. Diese Beweiserleichterung in Gestalt einer widerleglichen tatsächlichen Vermutung setzt aber auch im Rahmen des subsidiären Schutzes voraus, dass ein innerer Zusammenhang zwischen dem vor der Ausreise erlittenen oder damals unmittelbar drohenden Schaden (Vorschädigung) und dem befürchteten künftigen Schaden besteht. Denn die der Vorschrift zugrunde liegende Wiederholungsvermutung beruht wesentlich auf der Vorstellung, dass eine Verfolgungs- oder Schadenswiederholung - bei gleichbleibender Ausgangssituation - aus tatsächlichen Gründen naheliegt (Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 31).

22

Eine für die Annahme einer erheblichen individuellen Gefahr ausreichende Gefahrendichte hat das Berufungsgericht für den Bereich der Stadt Mosul verneint. Es hat - in Anlehnung an die Vorgehensweise zur Feststellung einer Gruppenverfolgung im Bereich des Flüchtlingsrechts (vgl. dazu Urteil vom 18. Juli 2006 - BVerwG 1 C 15.05 - BVerwGE 126, 243 Rn. 20 ff.) - aufgrund aktueller Quellen die Gesamtzahl der in der Provinz Ninive und deren Hauptstadt Mosul lebenden Zivilpersonen annäherungsweise ermittelt und dazu die Häufigkeit von Akten willkürlicher Gewalt sowie der Zahl der dabei Verletzten und Getöteten in Beziehung gesetzt. Dabei hat es festgestellt, dass das Risiko, in der Provinz Ninive verletzt oder getötet zu werden, für das gesamte Jahr 2009 ungefähr 1:800 betrug. Einen Trend zur Verschlechterung der Sicherheitslage vermochte es nicht festzustellen (UA S. 12). Seine auf der Grundlage dieser Feststellungen gezogene Schlussfolgerung, dass der Kläger bei seiner Rückkehr in sein Herkunftsland keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt ausgesetzt ist, ist revisionsgerichtlich im Ergebnis nicht zu beanstanden.

23

Zwar bedarf es - wie die Revision im Ansatz zu Recht rügt - neben dieser quantitativen Ermittlung auch einer wertenden Gesamtbetrachtung des statistischen Materials mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung (Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 33). Zu dieser wertenden Betrachtung gehört jedenfalls auch die Würdigung der medizinischen Versorgungslage in dem jeweiligen Gebiet, von deren Qualität und Erreichbarkeit die Schwere eingetretener körperlicher Verletzungen mit Blick auf die den Opfern dauerhaft verbleibenden Verletzungsfolgen abhängen kann. Der Mangel in der Vorgehensweise des Berufungsgerichts bleibt aber im vorliegenden Fall ohne Folgen. Denn die Höhe des vom Berufungsgericht festgestellten Risikos eines dem Kläger drohenden Schadens ist so weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt, dass sich der Mangel im Ergebnis nicht auszuwirken vermag.

24

Auch der Umstand, dass der Verwaltungsgerichtshof nicht auf die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG eingegangen ist, verhilft der Revision nicht zum Erfolg, denn das Vorfluchtschicksal des Klägers gab dazu keinen Anlass. Dieses lässt keine Beeinträchtigung erkennen, die auch unter dem Blickwinkel des Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG die Qualität einer Vorschädigung erreichen könnte. Zudem bestünde kein sachlicher Zusammenhang mit den nunmehr im Irak drohenden Gefahren.

25

2. Das Berufungsgericht hat auch die Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2 und 3 AufenthG in den Blick genommen, sie aber nicht als durchgreifend angesehen. Dagegen bestehen aus revisionsgerichtlicher Sicht keine Bedenken.

Tenor

1. Die Beklagte wird verpflichtet, den Klägern den subsidiären Schutzstatus zuzuerkennen. Der Bescheid der Beklagten vom 14. Dezember 2016 wird aufgehoben, soweit er dem entgegensteht. Im Übrigen werden die Klagen abgewiesen.

2. Die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

Tatbestand

Die Kläger sind staatenlose Palästinenser mit gewöhnlichem Aufenthalt in Libyen. Der Kläger zu 1) wurde in Syrien geboren, lebt aber seit seinem 4. Lebensjahr in Libyen, seine Ehefrau, die Klägerin zu 2) sowie die Kinder, die weiteren Kläger, sind in Libyen geboren. Die Kläger reisten am 24. September 2014 über den Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein, nachdem sie das Mittelmeer mit einem Boot Richtung Italien überquert hatten. Sie stellten am 30. September 2014 Asylantrag.

Die persönliche Anhörung beim Bundesamt für ... (Bundesamt) erfolgte am 7. Mai 2015. Dabei gab der Kläger zu 1) im Wesentlichen an, dass er in Libyen in ... gelebt hatte, in der … Siedlung. Sie hätten das Land auf Grund des Krieges in Libyen und wegen der fehlenden Sicherheit dort verlassen. Sie seien vertrieben und hätten keinen sicheren Ort, um dort zu leben. Er wäre zwar persönlich nicht bedroht worden. Die Sicherheitslage wäre jedoch allgemein schlecht und sie würden nirgendwo mehr aufgenommen werden wegen ihrer palästinensischen Volkszugehörigkeit. Er hätte als staatenloser Palästinenser in Libyen keine Rechte gehabt. Die Situation dort wäre unbeschreiblich gewesen. Er hätte auch nicht in einen anderen Landesteil gehen können, denn er hätte sich dort nicht frei bewegen können. Er hätte manchmal eine ganze Woche zu Hause bleiben müssen und dann die Kinder nicht versorgen können. Nach Syrien könne er nicht gehen, denn wenn er Libyen verlassen würde, würde man ihn nicht wieder reinlassen. Außerdem würde er in Syrien zum Wehrdienst eingezogen werden. Die Klägerin zu 2) schloss sich bei der persönlichen Anhörung den Ausführungen ihres Ehemannes an und ergänzte, dass ihr Mann blond sei und die Libyer großen Hass gegen die Palästinenser hätten. Die Palästinenser würden als Verräter betrachtet, weil sie während der libyschen Revolution zu Gaddafi gehalten haben. Der Kläger zu 1) äußerte sich im Behördenverfahren unter dem 27. November 2015 zudem noch schriftlich gegenüber dem Bundesamt und führte insbesondere aus, in Libyen gäbe es auf Grund der fehlenden Regierung keine Sicherheit und keinen Frieden. Mörder und Straftäter würden freigelassen und Waffen wären fast überall erreichbar. Es käme zu Kindesentführungen, Diebstahl und Vergewaltigung. Als Ausländer wäre er besonders betroffen, da keine Schutzmöglichkeit mehr bestünde. Er führte weiter aus, dass das Haus seines Vaters, wo er mit seiner Familie gewohnt hätte, in der Nähe eines militärischen Lagers in … gewesen sei. Hier sei die Gefahr besonders groß gewesen, da auf dieses Lager Raketen und Bomben abgeworfen worden seien. Sie hätten auch versucht, einen anderen sicheren Ort zu finden, dies wäre jedoch auch deswegen nicht möglich gewesen, weil die Wege teilweise gesperrt gewesen seien. Nach Mitteilung des Klägers zu 1) vom 3. August 2016 an das Bundesamt würden sich seine Mutter und seine Geschwister ebenfalls in Deutschland aufhalten und hätten einen Aufenthaltstitel erhalten. Das Bundesamt teilte zum Verbleib der Familien am 19. Februar 2018 zudem mit, dass die Familie der Klägerin zu 2) weiterhin in ... lebe.

Am 14. Dezember 2016 erging der streitgegenständliche Bescheid, mit dem die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt wurde, die Anträge auf Asylanerkennung abgelehnt wurden, der subsidiäre Schutzstatus nicht zuerkannt wurde und festgestellt wurde, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen. Die Kläger wurden zur Ausreise binnen 30 Tage nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens aufgefordert, andernfalls wurde ihnen die Abschiebung nach Libyen bzw. in einen anderen Staat, in den sie einreisen dürfen und der zu einer Rückübernahme verpflichtet ist, angedroht. Das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet.

Hinsichtlich der Begründung führte das Bundesamt zur Prüfung des Flüchtlingsschutzes nur aus, es sei nicht von einer Verfolgung der Kläger auszugehen, da sie vorgetragen haben, dass sie nicht persönlich bedroht oder verfolgt wurden. Auch subsidiärer Schutz käme deswegen nicht in Betracht, weil in Libyen zwar ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt herrsche, den Klägern aber nicht, wie es erforderlich sei, eine erhebliche individuelle Gefahr auf Grund willkürlicher Gewalt im Zusammenhang mit diesem Konflikt drohe. Ohne nähere Feststellungen führte das Bundesamt in der Bescheidsbegründung aus, dass der Grad an willkürlicher Gewalt im Zusammenhang mit diesem Konflikt nicht das Niveau erreiche, dass gleichsam jeder Angehörige der Zivilbevölkerung bei Rückkehr in das Kampfgebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt sei. Außerdem hätten die Kläger auch keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vorgetragen. Zur Prüfung des Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG, einem möglichen Abschiebungsverbot aus humanitären Gründen wegen einer allgemeinen schlechten humanitären Situation führte das Bundesamt ohne weitere Feststellungen zur humanitären Situation in Libyen aus, dass ein derartiges Abschiebungsverbot für die Kläger angesichts des erwerbsfähigen Alters der Kläger zu 1) und zu 2) und der Unterstützung durch die noch in Libyen lebende Familie der Klägerin zu 2) nicht in Betracht käme.

Hiergegen richten sich die Klagen vom 21. Dezember 2016 mit denen beantragt wurde, den Bescheid des Bundesamtes vom 14. Dezember 2016 aufzuheben, den Klägern die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, hilfsweise den subsidiären Schutzstatus, hilfsweise das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, nicht-libysche Staatsangehörige, wie die Kläger, würden in Libyen unter ständiger Bedrohung leben und müssten nahezu täglich mit ihrer Ausweisung rechnen. Der libysche Staat sei gegenüber den Klägern nicht schutzwillig. Angesichts des ungesicherten Aufenthaltsstatus in Libyen sei im Falle einer Abschiebung mit einer Abschiebung nach Syrien zu rechnen, so dass die Grundsätze für syrische Flüchtlinge herangezogen werden müssten.

Die Beklagte beantragte Klageabweisung und führte zur Begründung im Wesentlichen aus, dass in Libyen einige Zehntausend Palästinenser dauerhaft leben würden, diese staatenlos sein würden und vor allem in der Region ... leben würden. Bei einer Ausreise aus Libyen würde ihnen meist die Rückkehr verwehrt werden. Nach dem Sturz Gaddafis hätte sich die islamistische Miliz Ansar al-Scharia in ... eingenistet und wäre zur maßgeblichen Kraft im machthabenden Revolutionsrat vom ... geworden. Sodann wäre die Stadt seit 2014 durch konkurrierende Milizen unter dem Kommando von General Haftar angegriffen worden. Dieser Angriff stehte im Zusammenhang mit dem 2. libyschen Bürgerkrieg seit 2014, bei dem sich rivalisierende Gruppen gegenüberstehen, im Wesentlichen die sogenannte Einheitsregierung, die im Westen des Landes Kontrolle ausübt sowie dem Machthaber Ostlibyens, dem General Haftar. Zudem fand sich zeitweise mit dem IS eine dritte Konfliktpartei. Zur Begründung der Klage wurde weiter auf das aktuelle Themenpapier der Schweizerischen Flüchtlingshilfe zu Palästinensern in Libyen und auf das aktuelle Themenpapier des Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research und Documentation zur Frage der Palästinenser in Libyen verwiesen, ohne dies jedoch weiter zu diskutieren. Weiter wurde darauf verwiesen, dass die Familie der Klägerin zu 2) weiterhin in ... lebt und die Klägerin zu 2) sowie ihre Kinder in Libyen geboren seien und dass die Stadt ... bei erwünschter Rückkehr über den Landweg als auch über den See Weg und den Luftweg zur erreichen sei.

Im Rahmen der mündlichen Verhandlung führte der Vertreter der Kläger aus, dass Palästinenser, die nicht in Libyen geboren seien, von vornherein kein Aufenthaltsrecht in Libyen hätten. Bei in Libyen geborenen Palästinensern sei die Sache möglicherweise anders zu beurteilen. Da die Kläger jedoch aus Libyen ausgereist seien, seien sie bei einer erneuten Einreise so zu behandeln, als wären sie neu in Libyen und außerhalb des Landes geboren.

Der Vertreter der Beklagten führte aus, dass eine Abschiebung nach Syrien nicht im Raum stünde.

Die informatorisch angehörten Kläger gaben im Wesentlichen Folgendes an: Es sei so, dass man als ausgereister Palästinenser keinesfalls nach Libyen zurück dürfe. Darüber gäbe es auch ein Papier. In ... wäre man auf Grund des Konflikts ständig in Gefahr gewesen. Es hätte Raketenangriffe, Sprengungen von Autos und weiteres gegeben. Gerade als Fremder werde man immer angegriffen. Die Kläger hätten in Libyen Reisepapiere besessen, auf denen vermerkt gewesen sei, dass sie Palästinenser seien, auf dem Reisedokument des Klägers zu 1) sei auch vermerkt, dass er aus Syrien stamme. In Libyen wäre es zu zunehmenden Diskriminierungen gegenüber den Palästinensern und vor allem gegenüber dem Kläger zu 1), der aus Syrien stamme, gekommen. Die Klägerin zu 2) berichtete, dass ihre Familie, die sich noch in Libyen aufhalte, zunehmend ausgeschlossen wird, die Kinder dürften unter anderem nicht zur Schule gehen. Auf das Haus der Familie der Klägerin zu 2) wären Schüsse gefallen. Zudem hätte es einen Bombenanschlag auf das Auto des Bruders der Klägerin zu 2) in Libyen gegeben. In Libyen hätte man insgesamt damit zu rechnen, gerade als Palästinenser, von den Konfliktparteien vorgehalten zu bekommen, jeweils die andere Seite zu unterstützen, da man fremd sei.

Wegen der Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Akteninhalt verwiesen.

Gründe

Die Klage ist zulässig, jedoch nur zum Teil begründet, da die Kläger zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) zwar einen Anspruch auf Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus (§ 4 Abs. 1 AsylG) haben und die Klage daher gemäß § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO insoweit begründet ist, ein Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 und Abs. 4 AsylG jedoch nicht besteht.

1. Das Gericht geht hinsichtlich der Lage im Herkunftsland von folgenden Feststellungen aus:

Nachdem einige Jahre vom Auswärtigen Amt kein Lagebericht zu Libyen vorgelegt wurde, existiert nun ein Lagebericht vom 12. Februar 2018 (Geschäftszeichen 508-516.80/3) zu Libyen. Angesichts der volatilen Lage in Libyen und angesichts dessen, dass sich in Libyen keine Deutsche Botschaft befindet, basiert der Lagebericht neben den Informationen, die von Kontaktpersonen über die lokalen Verhältnisse bezogen sind, im Wesentlichen auch aus der Auswertung anderer Berichte. Der Lagebericht geht nicht speziell auf die Situation der Palästinenser in Libyen ein. Wesentliche Aussage des Lageberichts ist, dass Teile des Landes von Milizen kontrolliert werden, andere Teile praktisch unregiert sind und insgesamt keine gesamtstaatliche Kontrolle besteht. Bewaffnete Gruppen beanspruchen jeweils auf ihrem Gebiet die Ausübung staatlicher Kontrolle. Daher sei es eine der größten Gefahren für die Bevölkerung als Unbeteiligte in die immer wieder aufflammenden Auseinandersetzungen zwischen Milizen zu geraten bzw. Opfer eines terroristischen Anschlags zu werden. Weiter ist ausgeführt, dass alle bewaffneten Gruppen in Libyen mit unpräzisen Waffen, wie Mörser oder Artilleriegranaten schießen und damit letztlich häufig wahllos auf Zivilisten. Außerdem werden Minen und Sprengfallen genutzt. Weiter ist ausgeführt, dass in ... bis Ende 2017 Luftangriffe auf dicht besiedelte zivile Gebiete stattfanden. Auch Autobomben seien dort benutzt worden. Außerdem wäre es zu Angriffen auf Krankenhäuser gekommen, auch in .... 2017 wäre über 371 zivile Kriegsopfer, also Tote und verwundete Zivilisten, berichtet worden. Die höchste Opferzahl wurde in ... erreicht. Nach dem Lagebericht dürfte diese Zahl weit entfernt sein von der tatsächlichen Opferzahl. Weiter ist im Lagebericht ausgeführt, dass Menschenrechtsverletzungen in Libyen an der Tagesordnung seien, die vulnerabelste Gruppe sind Migranten und Flüchtlinge, die der Repression von staatlichen wie auch nicht-staatlichen Akteuren ausgesetzt seien, ohne sich wirksam schützen zu können. Zurückzuführen ist dies wohl auf Betreiben des Westens, um die Fluchtrouten aus Afrika über Libyen zu schließen. Zur allgemeinen Lage in Libyen führt weiter der aktuelle Bericht des britischen Innenministeriums zur Sicherheitslage und zur humanitären Situation im Libyen vom Januar 2018, der im Internet öffentlich abrufbar ist (https://assets.publishing.service.gov.uk/government/uploads/system/uploads/attachment_data/file/673747/Libya_-_Security_Situation_-_CPIN_-_v3.0.pdf), aus, dass die humanitäre Versorgungslage äußerst schlecht sei, insbesondere im Hinblick auf die medizinische Versorgung. Von den etwa 6,5 Millionen Einwohnern in Libyen wären 1,3 Millionen Einwohner auf humanitäre Hilfe angewiesen, insbesondere in .... Es gäbe etwa 200.000 Binnenflüchtlinge. Es sei im Hinblick auf diese Information zwar nicht generell davon auszugehen, dass die humanitäre Lage dergestalt ist, dass eine Rückführung dorthin eine Verletzung des Verbots der Folter bzw. der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung nach Art. 3 der Europäischen Menschenrechtskonvention darstellt. Dies könne sich in manchen Landesteilen jedoch anders darstellen, insbesondere bei verletzlichen Personen. In dem britischen Bericht ist weiter ausgeführt, dass die Sicherheitslage derart schlecht sei, dass ungeachtet möglicher weniger Landesteile, die trotz der Abwesenheit einer Regierung relativ sicher seien, insgesamt für Libyen davon auszugehen sei, dass Zivilisten auf Grund des Bürgerkriegs dort ernsthaft individuell gefährdet seien und somit die Schwelle von Art. 15 c der Qualifikationsrichtlinie erreicht sei, also von einer ernsthaften individuellen Bedrohung auf Grund willkürlicher Gewalt auf Grund des bewaffneten Konflikts auszugehen sei.

Hinsichtlich der Sicherheitslage in ... im Allgemeinen, zum derzeitigen Zeitpunkt, ist wenig bekannt. Wie aus dem englischsprachigen Wikipedia-Artikel zu ... hervorgeht, berichten internationale Medien, dass der General Haftar, der Machthaber im Osten des Landes, die letzten Widerstandsnester der vorher in ... machthabenden islamistischen Miliz zum Ende des Jahres 2017 eingenommen hat. Ob die Miliz noch im Untergrund wirkt, ist nicht bekannt, solches ist jedoch nicht auszuschließen. Nach dem auf der Web-Seite der United Nations Support Mission in Libya, erschienen Human Rights Report on Civilian Casualties vom 1. März 2018 (https://unsmil.unmissions.org/human-rights-report-civilian-casualties-march-2018) hätte es im Februar 2018 146 zivile Opfer, Tote und Verwundete, des bewaffneten Konflikts gegeben. Die meisten Opfer wären auf Minen zurückzuführen. 126 der Opfer stammten aus .... Die Minen seien wohl wahrscheinlich von der vorher machthabenden Miliz zurückgelassen worden Die Lage der palästinensischen Flüchtlinge in Libyen im Speziellen würdigte zum einen das Austrian Centre for Country of Origin and Asylum Research and Documentation (ACCORD) vom 19. Januar 2017 (abrufbar im Internet unter www...net) und die Schweizerische Flüchtlingshilfe in einem Themenpapier vom 31. Oktober 2017, über die Internetseite der Schweizerischen Flüchtlingshilfe abrufbar (fluechtlingshilfe.ch). Bei diesen Berichten der Nichtregierungs- und Hilfsorganisationen handelt es sich um die aktuellsten Berichte zu der hier interessierenden Frage. Die Quellen, andere Berichte sowie Angaben von Informanten werden ausgewiesen. Im Wesentlichen wird im Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe zu der hier interessierenden Frage Folgendes ausgeführt: Nachdem die Palästinenser aus ihren ursprünglichen Siedlungsgebieten nach Gründung des Israelischen Staates vertrieben worden sind und bis heute in Flüchtlingslagern in den arabischen Nachbarstaaten sich aufhalten, kamen vor allem in 1970er Jahren mehr Palästinenser zum Arbeiten nach Libyen. In Libyen sind Palästinenser generell als arabische Freunde empfangen worden. Nach einem Richtungswechsel des früheren Staatsführers Gaddafi wurde ab dem Jahr 1994 ein Großteil der Palästinenser aus Libyen herausgeschafft bzw. sie verloren ihre Arbeitsstellen und Aufenthaltsbewilligungen. Diese Politik wurde jedoch 1997 beendet und die Palästinenser wurden wieder aufgenommen. Im Jahr 2011 hätten in Libyen etwa 70.000 Palästinenser gewohnt. Nach Ausbruch des syrischen Bürgerkriegs im Jahr 2011 wären noch zunehmend weitere palästinensische Flüchtlinge aus Syrien nach Libyen gekommen. Zwischen den Neuankömmlingen und den sich schon länger in Libyen aufhaltenden Palästinenser zu unterscheiden sei kaum möglich. Die Mehrheit der Palästinenser würde in ... leben. Nach Ausbruch des Konflikts in Libyen wären sie in einer prekären Lage gewesen, da sie nicht mehr in ihre früheren Herkunftsgebiete zurückkehren konnten. Das Klima in Libyen ihnen gegenüber sei 2011 jedoch zunehmend schärfer geworden. Bis 2011 hätten Palästinenser ohne Visum nach Libyen einreisen können. Dies hätte sich jedoch geändert. Im Januar 2015 erließ die damalige Regierung in Dohuk im Osten des Landes eine Einreisesperre für Palästinenser, Syrer und Sudaner, da sie befürchtete, diese Personen würden islamistische Gruppierungen unterstützen. Dies gilt auch für Frauen und Kinder. Die tatsächliche Umsetzung dieser Einreisesperre ist jedoch unklar. Der im Osten des Landes machthabende Militärgeneral Haftar, der nun auch Herrschaft in ... ausübt, erließ im April 2017 eine Einreisesperre für Personen aus Syrien, Sudan, Pakistan und Bangladesh. Ob dies auch für Palästinenser gilt, gerade die die schon vorher in Libyen, gerade vor 2011, gelebt hatten, ist jedoch unklar. Im Bericht würde weiter ausgeführt, dass hinsichtlich der Migranten und Flüchtlinge in Libyen diese überwiegend in Haftanstalten sich aufhalten müssen. Dort komme es zu einer Vielzahl von Menschenrechtsverletzungen wie Folterungen und Versklavungen bis hin zu Tötungen. Viele dort Inhaftierte sterben wegen Hunger, Durst oder Krankheiten. Die Schweizerische Flüchtlingshilfe geht weiter davon aus, dass es sich bei den inhaftierten Migranten hauptsächlich um solche aus der Subsahara-Region handelt. Es sei nicht davon auszugehen, dass Palästinenser im gleichen Maße wie Subsahara-Flüchtlinge systematisch verhaftet werden. Verhaftungen von Palästinensern aus Sicherheitsgründen wären inzwischen jedoch auch schon bekannt geworden, da vermutet wurde, sie würden islamistische Gruppierungen unterstützen. In einem solchen Fall gäbe es wohl keine Rechtsschutzmöglichkeiten. Verhaftungen von Palästinensern stünden wohl hauptsächlich im Zusammenhang mit einer Flucht über das Mittelmeer. Weiter ist im Bericht ausgeführt, dass sich vermehrt Palästinenser um Unterstützung bei dem UN-Flüchtlingshilfewerk bemühten. Aus ... seien viele Palästinenser durch Gewalt vertrieben worden. Im ganzen Land gäbe es Check-Points, die von Behörden und Milizen kontrolliert werden. An diesen Check-Points sei mit Verhaftungen zu rechnen. Auch Palästinenser würden an derartigen Check-Points zunehmend in Schwierigkeiten geraten. Gegenüber Palästinensern hätte es nach dem Jahr 2011 zunehmend Gewalt gegeben, da ihnen einerseits eine Verbindung zum damaligen Regime nachgesagt wurde, andererseits ihnen vorgeworfen wurde, nicht für das Regime zu kämpfen. Wegen Gewalt und weitere Kriminalität hätten die Palästinenser weder Zugang zu Schutz bei Stammesnetzwerken noch bei Behörden. Nach Fall des Gaddafi-Regimes wäre das Klima noch schlimmer geworden und Palästinenser wären aus ihren Wohnungen vertrieben worden, da die Grundstücke vormals von anderen Besitzern durch das ehemalige Regime konfisziert worden seien. Die Ankunft von neuen Palästinensern und Syrern hätte das Land zusätzlich belastet, da es nun zu einer erhöhten Konkurrenzsituation auf dem Arbeitsmarkt und bei sozialen Dienstleistungen gekommen sei. Nachdem sich die Lage nach Ausbruch des erneuten Bürgerkriegs im Jahr 2014 weiter verschlechtert hätte, wären Palästinenser in der Gesellschaft zunehmend wegen der Verschlechterung der Lage als Sündenböcke angesehen worden. Es hätte Gerüchte gegeben, dass sie in Verbindung zu Milizen und radikalen Gruppen stehen. Dies gelte insbesondere für Palästinenser, die in ... wohnen würden. Nachdem die Palästinenser vor 2011 in vielen Belangen gleich behandelt wurden wie libysche Bürger, sei zunehmend der Zugang zu Leistungen, wie dem Gesundheitssystem und zur Bildung eingeschränkt. Der letzte Bericht des UN-Flüchtlingshilfewerks vom Oktober 2015 zu Libyen bestätigt diese Aussage zur Situation der Palästinenser in Libyen und sieht daher Rückführungen nach Libyen nicht als möglich an. Das Bundesamt führt in einer aktuellen Stellungnahme vom 14. März 2018 im Verfahren AN 10 K 17.34737 zur Problematik aus, dass auf Grund des bewaffneten Konflikt und der politischen Instabilität in Libyen die humanitäre Lage prekär sei. Rund 2,44 Millionen Menschen bedürften humanitärer Unterstützung, was libysche Staatsangehörige ebenso wie Flüchtlinge beträfe. Besonders schwierig sei die Situation für Familien mit Kindern und alleinstehenden Frauen. Nach Fall des Gaddafi-Regimes seien die Palästinenser Opfer von Belästigungen und Einschüchterungen geworden, die Palästinenser wären zu Sündenböcken gemacht worden und ihnen wären Verbindungen zu Milizen und radikalen Gruppen unterstellt worden. Zusammenfassend geht das Bundesamt in der Stellungnahme davon aus, dass es Palästinensern auch in ihrer besonderen Situation nicht generell unmöglich ist, ihre Existenz in Libyen zu sichern. Es gäbe jedoch Situationen bei vulnerablen Personen, wie Familien mit kleinen Kindern, bei denen dies nicht erwartet werden könne und denen daher ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG gegeben werden müsse.

Weitere Sachaufklärung durch die Einholung einer Auskunft des Auswärtigen Amtes war nicht veranlasst, angesichts dessen, das Auswärtige Amt in Libyen nicht präsent ist, der aktuelle Lagebericht nicht auf die Situation der Palästinenser eingeht und angesichts dessen, dass das Gericht durch die anderen aktuellen Auskünfte, insbesondere der einschlägigen Auskunft des Schweizer Flüchtlingshilfewerks vom 31. Oktober 2017 genügend informiert ist. Diese Auskunft ist aufgrund ihres sachlichen Charakters und der Angabe der Quellen bei einzelnen Ausführungen auch hinreichend verlässlich und nachvollziehbar. Die letzte Auskunft des Auswärtigen Amtes an ein Verwaltungsgericht datiert vom 30. Juni 2017 (Geschäftszeichen 508-516.80/ 49491). Nach dieser Auskunft würden Palästinenser in Libyen nicht diskriminiert werden und sie könnten einen Aufenthaltstitel erhalten. Die Auskunft, die sich in Ergebnissätzen erschöpft und im Übrigen keine Quellen angibt, geht nicht auf die ersichtlich bekannt gewordenen zunehmenden Diskriminierungen, wie sie im Bericht der Schweizerischen Flüchtlingshilfe aufgeführt sind, ein und geht auch nicht darauf ein, dass zunehmend Einreisesperren verhängt werden, die möglicherweise auch gegen Palästinenser gelten. Auch angesichts dieser Schwächen war die Einholung einer neuen Auskunft des Auswärtigen Amtes zur Einschätzung der Lage der Palästinenser, die sich in den letzten Monaten nicht wesentlich verändert hat, nicht veranlasst.

2. Unter Berücksichtigung des Vorbringens der Kläger und der erhältlichen Erkenntnismittel ist den Klägern die Flüchtlingseigenschaft gemäß § 3 Abs. 1 und Abs. 4 AsylG nicht zuzuerkennen, da die Anspruchsvoraussetzungen nicht vorliegen.

Nach § 3 Abs. 1 und Abs. 4 AsylG ist einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Herkunftsland ist entweder das Land, dessen Staatsangehörigkeit der Ausländer besitzt oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte.

Da die Kläger allesamt staatenlos sind und ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Libyen hatten, ist insoweit auf Libyen abzustellen. Nach dem Vortrag der Kläger droht ihnen in Libyen jedoch keine Verfolgungshandlung gemäß § 3 a Abs. 1 AsylG, die nach dem Gesetz gegen die Kläger individuell gerichtet sein muss. Kam es bereits zu einer Vorverfolgung, also bereits zu Verfolgungshandlungen vor Ausreise, so streitet für die Kläger eine tatsächliche Vermutung, dass sie bei Rückkehr ebenfalls wieder Verfolgung erleiden müssen, andernfalls sind stichhaltige Gründe von den Klägern darzulegen (siehe hierzu VG Dresden, Urteil vom 22.9.2017, 12 K 2300/16.A). Ein solches wurde von den Klägern jedoch nicht vorgetragen. Sie berufen sich hauptsächlich hinsichtlich ihres Fluchtgrundes auf die allgemeine Sicherheitslage und humanitäre Lage in Libyen gerade im Hinblick auf die besondere Situation von Palästinensern. Der Kläger zu 1) berichtete lediglich in der mündlichen Verhandlung ergänzend zu der Bundesamtsanhörung, es hätte einen konkreten Vorfall gegeben, bei dem, als er in … unterwegs war, Bewaffnete gekommen wären, die ihn bedroht hätten und das Auto hätten wegnehmen wollen. Dieser Vortrag, erreicht, selbst wenn man ihn als wahr unterstellt, jedoch nicht den nach § 3 a Abs. 1 AsylG erforderlichen Schweregrad. Weiteres hat der Kläger zu 1) auch auf Nachfrage, ob er noch etwas vorzutragen hätte, auch in der mündlichen Verhandlung nicht erzählt.

Nach Überzeugung des Gerichts droht den Klägern nicht allein wegen ihrer Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Palästinenser eine Verfolgung in Libyen. Die Annahme einer solchen gruppengerichteten Verfolgung setzt voraus, dass Gruppenmitglieder Rechtsschutzbeeinträchtigungen erfahren, aus deren Intensität und Häufigkeit jedes einzelne Gruppenmitglied die begründete Furcht herleiten kann, selbst alsbald Opfer einer solchen Verfolgungsmaßnahme zu werden. Es geht also darum, ob die Verfolgungshandlungen auf alle sich im Herkunftssaat befindlichen Gruppenmitglieder abzielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten und wiederholt um sich greifen, dass für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne Weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit besteht (BVerwG, Urteil vom 21.4.2009, 10 C 11/08). Für eine Bejahung der Gruppenverfolgung bedarf es nach der zitierten Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einer Feststellung zur Anzahl und Intensität der Verfolgungsmaßnahme, die zur Gesamtzahl der Gruppenangehörigen unter abschließender Würdigung der Gesamtumstände im Rahmen einer wertenden Betrachtung in Verhältnis gesetzt wird. Neben der Ermittlung einer erforderlichen Verfolgungsdichte kann auch dann von einer Gruppenverfolgung ausgegangen werden, wenn hinreichend sichere Anhaltspunkte für ein staatliches Verfolgungsprogramm vorliegen, etwa wenn der Heimatstaat die betroffene Gruppe physisch vernichten oder ausrotten oder aus seinem Staatsglied vertreiben will (BVerwG, Urteil vom 5.7.1994, 9 C 158/94). Nach diesen Maßstäben ist jedoch vorliegend nicht von einer Gruppenverfolgung von staatenlosen Palästinensern bzw. Palästinensern in Libyen auszugehen. Es ergeben sich keine Anhaltspunkte für ein staatliches Verfolgungsprogramm zur Vernichtung der Palästinenser. Die in den Erkenntnismitteln berichteten einzelnen Verhaftungen sowie auch die Diskriminierungen, von denen berichtet wird, geben insgesamt nicht das Gesamtbild, dass der libysche Staat bzw. die in einzelnen Landesteilen machthabenden Parteien oder Organisationen bzw. Militärs sich zum Ziel gesetzt haben, die Palästinenser zu vernichten. Es ergeben sich auch keine hinreichenden Anhaltspunkte, dass eine Vertreibung aus Libyen der Palästinenser insgesamt oder durch einzelne Verhaftungen bezweckt ist. Vielmehr ergibt sich das Bild eines zunehmend feindseligen Klimas gegenüber den Palästinensern in der Gesellschaft, vor allem wegen der schlechten Sicherheitslage und dem laufenden Konflikt sowie der angespannten Versorgungssituation. Palästinensern wird zunehmend feindselig gegenübergetreten und sie werden zunehmend vom öffentlichen Leben ausgeschlossen. Dieses Bild wird letztlich auch von dem Vortrag der Kläger bestätigt, die sich vor allem auf die schlechte Sicherheitslage berufen sowie auf das Gefühl, vom Leben immer mehr ausgeschlossen zu sein, da alles Fremde in Libyen nicht mehr wohlgelitten ist. Diese Problematik, die also für alle Fremden in Libyen besteht, wobei wohl auch die sich schon früher in Libyen befindlichen Palästinenser als fremd angesehen werden, ergibt auch nicht den Eindruck einer gezielten Vertreibung, wie sie nach der Auskunftslage in den 90ern gegenüber den Palästinenser noch betrieben wurde. Nach alledem ist somit nicht von einem staatlichen Verfolgungsprogramm auszugehen.

Auch ansonsten ist mangels hinreichender Verfolgungsdichte nicht von einer Verfolgung aller Palästinenser in Libyen bzw. auch der Palästinenser in ... auszugehen. Es fehlt an der Intensität und Häufigkeit von Verfolgungshandlungen gegen einzelne Gruppenmitglieder, so dass von einer Verfolgung jedes einzelnen Gruppenmitglieds ausgegangen werden könne. In den Erkenntnismitteln ist von vereinzelten Verhaftungen von Palästinensern die Rede, die gegen die Situation von anderen Migranten, vor allem aus der Subsahara-Region, die reihenweise verhaftet werden und menschenrechtswidrigen Haftbedingungen ausgesetzt sind, gegenüberzustellen ist. Zudem hätten sich immer mehr Palästinenser hilfesuchend an das UN-Flüchtlingshilfewerk gewandt. Weiteres zu den Verhaftungen und einer damit verbundenen Agenda ist nicht bekannt. Die Kläger haben zudem zu diesem Punkt auch nichts vorgetragen. Das Gericht geht daher nicht davon aus, dass diese Maßnahmen die Häufigkeit erreichen, die für die Annahme einer Gruppenverfolgung nötig wäre. Etwas anderes gilt auch nicht im Hinblick auf die vorgetragenen Diskriminierungen. Dies gilt zum einen für die berichteten Einschränkungen beim Zugang zum Gesundheitssystem und zur Bildung. Da nach § 3 a Abs. 2 Nr. 2 AsylG auch diskriminierende Maßnahmen Verfolgungshandlungen darstellen können, und die nach § 3 a Abs. 1 AsylG erforderliche Erheblichkeitsschwelle, die für eine Verfolgungshandlung gefordert wird, auch bei der Komulation unterschiedlicher Maßnahmen bestehen kann, ist eine Verfolgung bei fehlenden bzw. verweigertem Zugang zu wichtigen Institutionen und System nicht ausgeschlossen (BVerwG, Urteil vom 20.2.2013, 10 C 23/12). Angesichts dessen, dass nach der Auskunftslage, insbesondere dem Bericht des britischen Homeoffice vom Januar 2018 alle Bevölkerungsgruppen Schwierigkeiten mit dem Zugang zur Bildung und zum Gesundheitssystem haben, ist jedoch nicht hinsichtlich dieses Aspektes von einer Verfolgungshandlung auszugehen, zumal eine Verfolgung im Regelfall nur bei einer schwerwiegenden Verletzung von in der Europäischen Menschenrechtskonvention verbürgten Rechten, insbesondere dem Recht auf Leben, dem Verbot von Folter, unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Strafe, dem Verbot von Sklaverei und dem Verbot von Verurteilung ohne gesetzliche Grundlage vorliegt (hierzu Heusch/Haderlein/ Schönenbroicher, Das Neue Asylrecht 2016, Seite 21 m.w.N. zur Rspr.). Nach der Auskunftslage ist zudem davon auszugehen, dass Palästinenser in Libyen einer Arbeit nachgehen dürfen. Hinsichtlich der weiteren Umstände, mit denen Palästinenser in Libyen nach der Auskunftslage zu rechnen haben, entsteht für das Gericht das Bild, dass diese im Schwerpunkt nicht dem Staat, sondern der libyschen Gesellschaft zuzurechnen sind. Dies gilt insbesondere für den Umstand, dass Palästinenser zunehmend zu Sündenböcken gemacht werden und ihnen Verbindungen zu radikalen Gruppen unterstellt werden, die zunehmend verübte Kriminalität gegenüber Palästinensern und allgemein das feindselige Klima ihnen gegenüber. Die Maßnahmen sind daher kaum einem Verfolgungsakteur zuzurechnen, was jedoch nach § 3 Abs. 1 und Abs. 4 AsylG Anspruchsvoraussetzung ist. Zwar kann nach § 3 c Nr. 3 AsylG die Verfolgung auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen wenn der Staat oder andere herrschende Organisationen nicht in der Lage oder willens sind, Schutz zu gewährleisten. Angesichts der Erkenntnismittellage ist eher nicht von einer Schutzfähigkeit und einem Schutzwillen des libyschen Staates bzw. der in den jeweiligen Landesteilen herrschenden Gruppen und Organisationen auszugehen. Zudem können Palästinenser nicht auf den Schutz von Stammesstrukturen wie ansässige Libyer zurückgreifen. Andererseits geht das Gericht nach der aktuellen Erkenntnismittellage nicht davon aus, dass diese Umstände staatlich forciert werden. Die zuletzt erwähnten Umstände und Vorkommnisse können letztlich deswegen nicht bei der Prüfung der Gruppenverfolgung herangezogen werden, weil sie den bereits eingeführten asylrechtlichen Erheblichkeitsmaßstab nicht überschreiten, die Verfolgungshandlungen nicht den erforderlichen Schweregrad haben, denn eine Lebensgefährdung bzw. eine Behandlung, die einer Folter gleichkommt sowie eine Versklavung ist darin nicht zu erblicken.

Nach alledem ist nicht von einer Gruppenverfolgung in Libyen von Palästinensern auszugehen.

In Bezug auf die vorstehenden Ausführungen ist auch im Hinblick auf den individuellen Vortrag der Kläger keine Schlechterstellung im Hinblick auf den Zugang zur Bildung und Gesundheit gegenüber libyschen Staatsangehörigen festzustellen, die den asylrechtlichen Schweregrad nach § 3 a Abs. 1 AsylG erreicht. Gleiches gilt für Maßnahmen, die den Klägern möglicherweise von der libyschen Bevölkerung zugefügt werden könnten. Der Vortrag der Kläger hierzu ist auch nicht hinreichend substantiiert (zu diesem Erfordernis an den klägerischen Vortrag, BVerwG, Urteil vom 22.3.1983, 9 C 68.81).

Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft kommt auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer Aussperrung oder Ausgrenzung in Betracht. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts könne Rückkehrverweigerung eine politische Verfolgung darstellen, wenn sie wegen asylerheblicher Merkmale erfolge. Eine solche liegt nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nahe, wenn eigene Staatsangehörige betroffen sind. Bei Staatenlosen liege es demgegenüber nahe, dass eine solche Maßnahme auf anderen als asylrechtlichen Gründen beruht, etwa wenn der Staat ein Interesse daran habe, die durch den Aufenthalt entstandene wirtschaftliche Belastung zu mindern oder Gefahren für die Staatssicherheit und potentielle Unruhestifter zu vermeiden (BVerwG, Urteil vom 24.10.1995, 9 C 75/95). So liegt der Fall hier. Es handelt sich bei den Klägern nicht um Staatsbürger, sondern Staatenlose. Nach der Erkenntnismittellage ist wohl eher davon auszugehen, dass Palästinenser nach Libyen nicht mehr einreisen dürfen. Betroffen sind jedoch nicht nur Palästinenser, sondern auch Staatsangehörige einer Vielzahl von Ländern. Es deutet daher nichts auf eine Diskriminierung von Palästinensern hin. Angesichts der vorgetragenen Motive, möglichst Sympathisanten von Islamisten fernzuhalten und angesichts der angespannten Versorgungslage im Land, liegt es auch nahe, dass die Motive für die Verweigerung der Nichteinreise nicht in der Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder der politischen Überzeugung von Palästinensern liegen, sondern in Sicherheitsbedenken und Versorgungsbedenken motiviert waren. Dies ist jedoch im Rahmen des § 3 AsylG nicht beachtlich.

Nach alledem war der Antrag auf Verpflichtung zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft abzulehnen und es war über den Hilfsantrag zu entscheiden.

3. Die Kläger haben einen Anspruch auf Verpflichtung zur Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus gemäß § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO, gemäß § 4 Abs. 1 AsylG. Denn die Anspruchsvoraussetzungen liegen zum entscheidungserheblichen Zeitpunkt des Schlusses der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylG) vor.

Den Klägern droht bei einer möglichen Rückkehr nach Libyen ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG, in der Form einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit von einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

Ein bewaffneter Konflikt ist dadurch gekennzeichnet, dass er die Schwelle von reinen Unruhen, Spannungen und Gewaltakten überschreitet und dass mehrere bewaffnete Gruppen aufeinander treffen (EuGH, Urteil vom 30.1.2014, C 285/12). Angesichts des nach wie vor bestehenden Bürgerkrieges in Libyen, bei dem sich im Wesentlichen zwei Lager gegenüberstehen, es in manchen Landesteilen jedoch keine Herrschaftsmacht gibt und sich eine Vielzahl von rivalisierenden Milizen finden, ist von dem Vorliegen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts angesichts der Auskunftslage auszugehen (so auch VG Dresden, Urteil vom 22.9.2017, 12 K 2300/16).

Nach der Rechtsprechung muss dieser Konflikt insbesondere in der Herkunftsregion der Kläger liegen, in die die Kläger typischerweise zurückkehren würden, wenn der Konflikt nicht landesweit besteht (BVerwG, Urteil vom 14.7.2009, 10 C 9/08). Die aktuellen Berichte, insbesondere der aktuelle Lagebericht des Auswärtigen Amtes sowie auch der Bericht des britischen Homeoffice vom Januar 2018 gehen jedoch von einem landesweiten bewaffneten Konflikt aus. Insbesondere gäbe es immer wieder Auseinandersetzungen zwischen Milizen. Auf Grund des Konflikts zwischen einer islamistischen Miliz und dem General Haftar ist insbesondere ... über die vergangenen Jahre der Schwerpunkt kriegerischer Auseinandersetzungen gewesen. Nach der Auskunftslage ist ... zwar von dem General Haftar eingenommen worden und nach dem Eintrag des Online-Lexikons Wikipedia, das auf internationale Presse verweist, wäre auch das letzte Widerstandsnest der Islamisten eingenommen worden. Dies soll Ende des Jahres 2017 passiert sein. Diese Ereignisse liegen angesichts der Einschätzung zur allgemeinen Lage in Libyen noch nicht lange genug zurück, um sicher davon sprechen zu können, dass auch in ... kein bewaffneter Konflikt mehr besteht, zumal nicht ausgeschlossen werden kann, dass die bisher in ... machthabende Miliz oder andere Milizen noch vorhanden sind und aus dem Untergrund weiter Krieg führen oder zurückkehren. Zudem kommt es nach der neueren Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes bei der Prüfung einer ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts, da die Tatbestandsmerkmale aufeinander bezogen sind und letztlich entscheidend der Schutz von Zivilpersonen vor der beschriebenen Gewalt ist, entscheidend nur darauf an, ob in der Herkunftsregion tatsächlich ein derartiger Grad von Gewalt herrscht, der zu der beschriebenen ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson führt (EuGH, Urteil vom 30.1.2014, C 285/12).

Eine derartige ernsthafte individuelle Bedrohung infolge willkürlicher Gewalt liegt jedoch hinsichtlich der Kläger, wenn man auf die Herkunftsregion ... abstellt, vor.

Zugrunde zu legen ist hier der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (BVerwG, Urteil vom 31.1.2013, 10 C 5/12). Dieser Wahrscheinlichkeitsmaßstab erfordert, dass eine Rechtsgutsverletzung nicht nur im Bereich des Möglichen liegt. Bei zusammenfassender Bewertung des Sachverhalts und verständiger Würdigung aller objektiven Umstände dahingehend, ob bei einem vernünftig denkenden besonnenen Menschen eine ernsthafte Furcht vor der Rechtsgutsverletzung gerechtfertigt ist, müssen die für die Rechtsgutsverletzung sprechenden Umstände größeres Gewicht haben als die dagegensprechenden Tatsachen (BVerwG, Urteil vom 17.10.1995, 9 C 9/95). Damit ist auch gesagt, dass es bei dieser Gefahrenabschätzung bzw. Prognose zwar nicht auf das Individuum und somit nicht auf eine besonders ängstliche Person ankommt, aber die gefährlichen Umstände dennoch subjektivierend, aus der Perspektive eines vernünftigen besonnenen Menschen zu betrachten sind. Daher ist nicht erforderlich, dass der ernsthafte Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 AsylG bereits eingetreten ist, wenn eine hinreichend konkrete Gefahr besteht. Weiter fordert die beachtliche Wahrscheinlichkeit mehr als die theoretische Möglichkeit einer solchen Schädigung, es ist aber auch nicht automatisch zu fordern, dass die Wahrscheinlichkeit des Schadenseintritts immer über 50 Prozent liegen muss. Ein vernünftiger besonnener Mensch wird nicht nur die Wahrscheinlichkeit allein in Betracht ziehen, sondern auch die Schwere eines befürchteten Eingriffs. Bei hinreichenden schweren Gefahren, insbesondere Todesgefahr, kann bei einer geringen mathematischen Schadens-Wahrscheinlichkeit die Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, die bei einem vernünftigen besonnenen Menschen zu einer begründeten Furcht vor derartigen Folgen führt, überschritten werden (zu den Grundsätzen: BVerwG, Beschluss vom 7.2.2008, 10 C 33.07 und Berlit, ZAR 2017, 110).

Nach diesen Maßstäben liegt hinsichtlich der Kläger eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit im Rahmen eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts vor. Eine solche kann dann zu bejahen sein, wenn der Grad an willkürlicher Gewalt so hoch ist, dass praktisch jede Zivilperson, die in das Land bzw. Landesteil reist, davon betroffen ist. Zur Beurteilung bedarf es nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts einer quantitativen Ermittlung der Gefahrendichte, also Feststellungen zu den Opferzahlen, die ins Verhältnis zur Gesamtbevölkerung gesetzt wird, sowie abschließend einer wertenden Gesamtbetrachtung (BVerwG, Urteil vom 27.4.2010, 10 C 4.09). Auf Grund dieser wertenden Gesamtbetrachtung ist das quantitative Verhältnis zwischen der Opferzahl und der Gesamtbevölkerung nur ein Hilfsmittel bei der Gefahrabschätzung und nicht das alleinige Kriterium, da es sonst auf eine inhumane reine Knochenzählerei hinausliefe. Denn zur Einschätzung der Konfliktlage und der Gefährdung der Kläger bedarf es auch der Würdigung von deren individuellen Situation sowie hinsichtlich des Konflikts der qualitativen Beurteilung, etwa im Hinblick auf politische, strukturelle, wirtschaftliche und taktische Konfliktmerkmale. Denn in Bürgerkriegssituationen wird selten rational gehandelt (Berlit, ZAR 2017, 110). Dies gilt besonders deswegen, weil die Feststellungen zu den Opferzahlen häufig auf ungenauen Angaben basieren, die Verhältnisse im Herkunftsland auf Grund des Konflikts nicht hinreichend klar und die Zahlen daher nicht verlässlich sind (Berlit, ZAR 2017, 110). Es gibt daher keine konkrete Messzahl, ab der gesagt werden kann, dass der Grad willkürlicher Gewalt genügend hoch oder zu niedrig ist. Eine solche Aussage trifft auch das Revisionsgericht Bundesverwaltungsgericht nicht, zumal es keine Tatsacheninstanz ist. Lediglich zur Situation im Irak fand sich die Aussage, dass ein Schadensrisiko von 1:1.000 sehr weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt anzusehen ist (BVerwG, Urteil vom 17.11.2011, 10 C 13.10). Angesichts dessen, dass es immer einer wertenden Betrachtung für das konkrete Land für den konkreten Konflikt bedarf, können diese Zahlen kaum als fester Messwert angesehen werden. Im Übrigen erscheint es dem Gericht, dass hinsichtlich einer quantitativen Betrachtungsweise auch deswegen äußerste Vorsicht geboten ist, da auch in Ländern mit hohen Schutzquoten, die Gefahrendichte in einer quantitativen Betrachtung sehr gering ausfällt. Beispielsweise wird für Afghanistan, ein Land mit etwas über 30 Millionen Einwohnern, die zivile Opferzahl durch den Bürgerkrieg mit 140.000 Opfern bemessen (Berlit, ZAR 2017, 110). Gleiches gilt für Syrien, wo nach übereinstimmenden Medienberichten die zivile Opferzahl in die Hunderttausende geht, bei einer Einwohnerzahl von etwa 20 Millionen. Zudem kann nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts neben den bekannten Opferzahlen eine Dunkelziffer hinzugerechnet werden (BVerwG, Beschluss vom 29.11.1996, 9 B 445.96). Vorliegend berichtet die Unterstützungsmission der Vereinten Nationen in Libyen (UNSMIL), im Internet frei abrufbar, zu zivilen Opfern des Konflikts in Libyen. 2016 gab es insgesamt 567 berichtete Opfer, 2017 242 berichtete Opfer bei einer Gesamtzahl von 6,5 Millionen Einwohnern in Libyen (vgl. zu dieser Berechnung auch VG Dresden, Urteil vom 22.9.2017, 12 K 2300/16.A). In ... wurden von der Unterstützermission der UN für 2017 96 Opfer und für 2016 296 zivile Opfer berichtet (zu dieser Berechnung: VG Dresden, Urteil vom 22.9.2017, 12 K 2300/16.A). Nachdem der Kampf um ... zum Ende des Jahres 2017 offiziell beendet worden ist, hat sich die Sicherheitslage möglicherweise etwas entspannt, gleichwohl werden von der Unterstützermission für Februar 2018 122 Opfer in ... berichtet. Neben den Zahlen ist für das erkennende Gericht insbesondere maßgeblich, dass der Konflikt in Libyen, wie auch vom Auswärtigen Amt im aktuellen Lagebericht dargestellt, sich so darstellt, dass es eine Vielzahl von Unruheherden gibt, gerade auch durch die vielen am Kampf beteiligten Milizen und ... der absolute Schwerpunkt kriegerischer Auseinandersetzungen im Osten des Landes war. Kennzeichnend ist auch, dass die Konfliktparteien zu unpräzisen Waffen wie Mörser- und Artilleriegranaten gegriffen haben und bei deren Einsatz somit bewusst in Kauf genommen haben, dass zivile Gebiete getroffen werden. Die Unterstützermission der UN berichtet, dass es zu Bombardements durch Flugzeuge von Wohngebieten gekommen ist. Weiterhin wurde Gebrauch gemacht von Kampfmitteln wie Minen und Sprengfallen. Dies sind Kampfmittel, die gerade die Zivilbevölkerung besonders betreffen und zum Ziel haben, die Sicherheit in einem bestimmten Gebiet längerfristig zu unterminieren. Es handelt sich dabei um ein Paradebeispiel von willkürlicher Gewalt, also im Rahmen des Konflikts eingesetzter Gewalt, die sich gegen die Zivilbevölkerung richtet. Besonders ... ist davon insbesondere betroffen, weil nach aktuellen Informationen der Unterstützermission der UN die allermeisten Opfer in ... Opfer von Minen sind. Angesichts dessen, dass der akute Kampf in ... erst vor kurzem beendet wurde, liegt es nahe, dass Angehörige der Zivilbevölkerung, insbesondere in ..., Furcht vor Lebensgefahren bzw. Gefahren wegen körperlicher Unversehrtheit in begründetem Ausmaß haben, die auf kriegerische Handlungen zurückzuführen ist. Dies vor allem deswegen, weil nach dem aktuellen Lagebericht des Auswärtigen Amtes die Dunkelziffer der Opferzahl nicht nur um ein Vielfaches, sondern wohl weit über den berichteten Opferzahlen liegen dürfte. Es ist daher fraglich, ob bei der Dunkelziffer eine Vervierfachung ausreicht (so VG Dresden, Urteil vom 22.9.2017, 12 K 2300/16.A). Entwickeln sich die Opferzahlen im Jahr 2018 weiter wie im Februar 2018, so wäre zumindest von einer berichteten Opferzahl im vierstelligen Bereich auszugehen. Selbst wenn man die Dunkelziffer mit dem Faktor 4 ansetzt und von 650.000 Einwohnern in ... ausgeht, berechnet sich bei den somit geschätzten 4.000 Opfern, bezogen auf die Einwohnerzahl, ein nicht unerheblicher Faktor von etwa 6:1.000. Die Frage, ob für jede Zivilperson der verlangte Gefahrengrad vorliegt, muss jedoch letztlich entschieden werden. Denn nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kann der Gefahrengrad niedriger ausfallen, wenn gefahrerhöhende Umstände vorliegen. Solche Umstände sind etwa, von Berufs wegen, etwa als Arzt oder Journalist, gezwungen zu sein, nahe an den Kämpfen zu sein. Weiter zählen dazu auch solche persönlichen Umstände, auf Grund derer die Kläger als Zivilpersonen zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte, etwa wegen der religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit, ausgesetzt sind (BVerwG, Urteil vom 27.4.2010, 10 C 4/09). Das Bundesverwaltungsgericht bezieht daher nicht nur die für Bürgerkriege bzw. bewaffnete Konflikte typischen Gefahren, durch Kollateralschäden gefährdet zu sein, in den Schutz des § 4 Abs. 1 AsylG mit ein. Nach dem Verständnis des erkennenden Gerichtes geht es vom Sinn und Zweck her wegen des Einbezuges von Teilen der Zivilbevölkerung mit besonderen Merkmalen auch darum, davor zu schützen, dass im Rahmen eines bewaffneten Konfliktes der Zusammenbruch der Ordnung ausgenutzt wird, um Personen, gegenüber denen Feindseligkeiten bestehen, bewusst zu schädigen. Das erkennende Gericht deutet dies so, dass § 4 Abs. 1 AsylG nicht nur vor bewussten Schädigungen durch die Konfliktparteien schützen will, da ein solcher Schutz im Regelfall bereits über § 3 Abs. 1 AsylG gewährleistet ist und dass es Gewaltphänomene gegenüber gefährdeten Gruppen gibt, die im Rahmen von bewaffneten Konflikten gerade diesen drohen wie etwa Aggressionen durch die Gesellschaft, die angesichts des Zusammenbruchs der Ordnung und der kriegsbedingten schlechten Versorgungs- und Sicherheitslage nicht verhütet werden und denen diese Bevölkerung schutzlos ausgeliefert ist. Dies dient letztlich auch der Schließung von Schutzlücken.

Nach der so verstandenen Auslegung des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG bestehen ernsthafte individuelle Bedrohungen von Leben oder der Unversehrtheit, wenn nicht für die Palästinenser in... allgemein durch den dort herrschenden Konflikt, zumindest für die Kläger. Wie bereits ausgeführt, besteht für Palästinenser in ... ein erhebliches Klima der Feindseligkeit der Gewalt und Kriminalität. Auf Grund der zunehmend schlechten Lage werden die Palästinenser, die nunmehr als Fremde angesehen werden, zu Sündenböcken gemacht, und gegen sie richten sich Aggressionen, gegen die kein staatlicher Schutz zu erlangen ist. Zudem wird Palästinensern nicht nur von der Bevölkerung, sondern auch von den Konfliktparteien unterstellt, die jeweils andere Seite zu unterstützen bzw. Terroristen oder Islamisten zu sein. Es steht daher zu befürchten, dass wegen des Konflikts, der zum Zusammenbruch der Sicherheit und Ordnung geführt hat, ein Klima entstanden ist, welches Bedrohungen des Lebens und der Unversehrtheit durch bewaffnete Gruppen oder die Bevölkerung allgemein in ... wenn nicht gegenüber allen Palästinensern zumindest im Hinblick auf die Kläger bestehen würde. Die Kläger sind auf Grund ihrer individuellen Umstände besonders schutzbedürftig. Als Familie mit kleinen Kindern, insbesondere einem Neugeborenen (Verfahren AN 10 K 18.30213), sind sie besonders verwundbar. Die Familie der Klägerin zu 2), die sich wohl noch in ... aufhält, ist selbst nach dem Vortrag der Kläger konkreten Bedrohungen wie Bombenanschlägen schon noch ausgesetzt gewesen und deswegen selbst gefährdet. Eine Unterstützung von dieser Seite dürfte daher eingeschränkt sein. Zudem dürfte der Kläger zu 1) besonders als Fremder wahrgenommen und erkannt werden. Denn er stammt ursprünglich aus Syrien und ist dort auch geboren, was nach seinen glaubhaften Angaben in den libyschen Reisepapieren auch vermerkt ist. Zudem ist der Kläger zu 1), wie manche Palästinenser in der Levante, deutlich hellhäutig und hat eine blonde Haarfarbe. Da die meisten nordafrikanischen Araber eher dunkelhäutig sind und dunkles Haar tragen, ist der Kläger zu 1) daher deutlich auffällig und als Fremder erkennbar. Auf die besondere Situation von Palästinensern geht die bisherige einschlägige erstinstanzliche Rechtsprechung (statt aller VG Dresden, U. v. 22.9.2017, 12 K 2300/16.A) bei der Prüfung des § 4 AsylG nicht genügend ein.

Nach alledem liegen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG hinsichtlich der Kläger vor.

Interner Schutz nach § 3 e Abs. 1 i.V.m. § 4 Abs. 3 AsylG ist für die Kläger auf Grund des landesweiten bewaffneten Konfliktes, des landesweit feindseligen Klimas gegenüber Palästinensern und vor allem hinsichtlich der vielen im Land sich befindlichen Check-Points, die auch von Milizen betrieben werden, nicht zu erlangen. Bei einer möglichen Einreise in das Land bzw. einer Weiterreise in andere Landesteile ist daher zu erwarten, dass die Kläger, insbesondere wegen des auffälligen Aussehens des Klägers zu 1), als Fremde bzw. Palästinenser erkannt werden und ihnen die beschriebenen Gefährdungen dann drohen.

4. Über den weiteren Hilfsantrag war daher nicht mehr zu entscheiden. Angesichts der nach der Auskunftslage in Libyen bestehenden allgemeinen desolaten humanitären Situation, die nach der Stellungnahme des Bundesamts gerade bei vulnerablen Personengruppen beachtlich ist, wäre die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 5 AufenthG für die Kläger angesichts der beschriebenen persönlichen Merkmale, insbesondere der Tatsache, dass es sich um eine Familie mit kleinen Kindern handelt, nahegelegen.

5. Die Abschiebungsandrohung nach § 34 Abs. 1 AsylG war daher obsolet und aufzuheben. Dies gilt auch für die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes in § 11 Abs. 2 AufenthG.

6. Die Kosten des nach § 83 b AsylG gerichtskostenfreien Verfahrens waren gemäß § 155 Abs. 1 VwGO gegeneinander aufzuheben, da der Flüchtlingsschutz, hinsichtlich dessen die Kläger unterlegen sind, wertmäßig die Hälfte gegenüber den übrigen Streitgegenständen ausmacht.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Entscheidung des Bundesamtes ergeht schriftlich. Sie ist schriftlich zu begründen. Entscheidungen, die der Anfechtung unterliegen, sind den Beteiligten unverzüglich zuzustellen. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, ist eine Übersetzung der Entscheidungsformel und der Rechtsbehelfsbelehrung in einer Sprache beizufügen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann. Das Bundesamt informiert mit der Entscheidung über die Rechte und Pflichten, die sich aus ihr ergeben.

(2) In Entscheidungen über zulässige Asylanträge und nach § 30 Absatz 5 ist ausdrücklich festzustellen, ob dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft oder der subsidiäre Schutz zuerkannt wird und ob er als Asylberechtigter anerkannt wird. In den Fällen des § 13 Absatz 2 Satz 2 ist nur über den beschränkten Antrag zu entscheiden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 und in Entscheidungen über unzulässige Asylanträge ist festzustellen, ob die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 oder 7 des Aufenthaltsgesetzes vorliegen. Davon kann abgesehen werden, wenn der Ausländer als Asylberechtigter anerkannt wird oder ihm internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt wird. Von der Feststellung nach Satz 1 kann auch abgesehen werden, wenn das Bundesamt in einem früheren Verfahren über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes entschieden hat und die Voraussetzungen des § 51 Absatz 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes nicht vorliegen.

(4) Wird der Asylantrag nur nach § 26a als unzulässig abgelehnt, bleibt § 26 Absatz 5 in den Fällen des § 26 Absatz 1 bis 4 unberührt.

(5) Wird ein Ausländer nach § 26 Absatz 1 bis 3 als Asylberechtigter anerkannt oder wird ihm nach § 26 Absatz 5 internationaler Schutz im Sinne des § 1 Absatz 1 Nummer 2 zuerkannt, soll von der Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen werden.

(6) Wird der Asylantrag nach § 29 Absatz 1 Nummer 1 als unzulässig abgelehnt, wird dem Ausländer in der Entscheidung mitgeteilt, welcher andere Staat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

(7) In der Entscheidung des Bundesamtes ist die AZR-Nummer nach § 3 Absatz 1 Nummer 2 des Gesetzes über das Ausländerzentralregister zu nennen.

(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn

1.
der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,
2.
dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird,
2a.
dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird,
3.
die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ausnahmsweise zulässig ist und
4.
der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.
Eine Anhörung des Ausländers vor Erlass der Abschiebungsandrohung ist nicht erforderlich. Im Übrigen bleibt die Ausländerbehörde für Entscheidungen nach § 59 Absatz 1 Satz 4 und Absatz 6 des Aufenthaltsgesetzes zuständig.

(2) Die Abschiebungsandrohung soll mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, sind die Entscheidungsformel der Abschiebungsandrohung und die Rechtsbehelfsbelehrung dem Ausländer in eine Sprache zu übersetzen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann.

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

Das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge hat unbeschadet der Aufgaben nach anderen Gesetzen folgende Aufgaben:

1.
Koordinierung der Informationen über den Aufenthalt zum Zweck der Erwerbstätigkeit zwischen den Ausländerbehörden, der Bundesagentur für Arbeit und der für Pass- und Visaangelegenheiten vom Auswärtigen Amt ermächtigten deutschen Auslandsvertretungen;
2.
a)
Entwicklung von Grundstruktur und Lerninhalten des Integrationskurses nach § 43 Abs. 3 und der berufsbezogenen Deutschsprachförderung nach § 45a,
b)
deren Durchführung und
c)
Maßnahmen nach § 9 Abs. 5 des Bundesvertriebenengesetzes;
3.
fachliche Zuarbeit für die Bundesregierung auf dem Gebiet der Integrationsförderung und der Erstellung von Informationsmaterial über Integrationsangebote von Bund, Ländern und Kommunen für Ausländer und Spätaussiedler;
4.
Betreiben wissenschaftlicher Forschungen über Migrationsfragen (Begleitforschung) zur Gewinnung analytischer Aussagen für die Steuerung der Zuwanderung;
4a.
Betreiben wissenschaftlicher Forschungen über Integrationsfragen;
5.
Zusammenarbeit mit den Verwaltungsbehörden der Mitgliedstaaten der Europäischen Union als Nationale Kontaktstelle und zuständige Behörde nach Artikel 27 der Richtlinie 2001/55/EG, Artikel 25 der Richtlinie 2003/109/EG, Artikel 22 Absatz 1 der Richtlinie 2009/50/EG, Artikel 26 der Richtlinie 2014/66/EU und Artikel 37 der Richtlinie (EU) 2016/801 sowie für Mitteilungen nach § 51 Absatz 8a;
5a.
Prüfung der Mitteilungen nach § 16c Absatz 1, § 18e Absatz 1 und § 19a Absatz 1 sowie Ausstellung der Bescheinigungen nach § 16c Absatz 4, § 18e Absatz 5 und § 19a Absatz 4 oder Ablehnung der Einreise und des Aufenthalts;
6.
Führung des Registers nach § 91a;
7.
Koordinierung der Programme und Mitwirkung an Projekten zur Förderung der freiwilligen Rückkehr sowie Auszahlung hierfür bewilligter Mittel;
8.
die Durchführung des Aufnahmeverfahrens nach § 23 Abs. 2 und 4 und die Verteilung der nach § 23 sowie der nach § 22 Satz 2 aufgenommenen Ausländer auf die Länder;
9.
Durchführung einer migrationsspezifischen Beratung nach § 45 Satz 1, soweit sie nicht durch andere Stellen wahrgenommen wird; hierzu kann es sich privater oder öffentlicher Träger bedienen;
10.
Anerkennung von Forschungseinrichtungen zum Abschluss von Aufnahmevereinbarungen nach § 18d; hierbei wird das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge durch einen Beirat für Forschungsmigration unterstützt;
11.
Koordinierung der Informationsübermittlung und Auswertung von Erkenntnissen der Bundesbehörden, insbesondere des Bundeskriminalamtes und des Bundesamtes für Verfassungsschutz, zu Ausländern, bei denen wegen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit ausländer-, asyl- oder staatsangehörigkeitsrechtliche Maßnahmen in Betracht kommen;
12.
Anordnung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 1 im Fall einer Abschiebungsandrohung nach den §§ 34, 35 des Asylgesetzes oder einer Abschiebungsanordnung nach § 34a des Asylgesetzes sowie die Anordnung und Befristung eines Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Absatz 7;
13.
unbeschadet des § 71 Absatz 3 Nummer 7 die Beschaffung von Heimreisedokumenten für Ausländer im Wege der Amtshilfe.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.