Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 24. Nov. 2015 - W 6 K 15.30406

bei uns veröffentlicht am24.11.2015

Gericht

Verwaltungsgericht Würzburg

Tenor

I.

Die Beklagte wird unter Aufhebung der Nummern 4 und 5 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 10. März 2015 - soweit sie sich auf die Klägerin beziehen - verpflichtet festzustellen, dass in der Person der Klägerin ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Kosovo vorliegt.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

1. Die am ... 1944 geborene Klägerin ist kosovarische Staatsangehörige albanischer Volkszugehörigkeit, die zu ihrem Asylbegehren im Wesentlichen auf eine befürchtete Blutrache sowie auf ihre psychische Erkrankung verweist.

Mit Bescheid vom 10. März 2015 lehnte die Beklagte den Antrag der Klägerin (sowie ihres Ehemannes) auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 1) und den Antrag auf Asylanerkennung (Nr. 2) als offensichtlich unbegründet ab. Der subsidiäre Schutz wurde nicht zuerkannt (Nr. 3). Weiter wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 4). Die Klägerin wurde aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe dieser Entscheidung zu verlassen. Ihr wurde die Abschiebung in den Kosovo bzw. in einen anderen Staat angedroht (Nr. 5).

2. Am 23. März 2015 ließ die Klägerin im Verfahren W 6 K 15.30207 zusammen mit ihrem Ehemann Klage gegen den streitgegenständlichen Bescheid insgesamt erheben.

Mit Schriftsatz vom 21. Juni 2015 ließ die Klägerin ihren Klageantrag modifizieren und beantragen,

die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegt, und den Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom10. März 2015 aufzuheben, soweit er dem entgegensteht.

Im Übrigen nahm sie ihre Klage zurück.

Im Klageverfahren ließ die Klägerin verschiedene ärztliche und psychotherapeutische Bescheinigungen bzw. Gutachten vorlegen.

Mit Schriftsatz vom 19. November 2015 ließ die Klägerin vorbringen, durch das psychiatrische Gutachten vom 6. Oktober 2015 sei nachgewiesen, dass sich bei einer Rückkehr der Klägerin in das Heimatland deren Gesundheitszustand wesentlich und auch alsbald verschlechtern würde. Es komme nicht darauf an, ob die medikamentöse oder psychiatrische Behandlung auch im Kosovo gewährleistet sei. Des Weiteren erklärte die Klägerin ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren.

3. Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 25. März 2015,

die Klage abzuweisen.

Mit Schriftsätzen vom 20. Mai 2015 und 22. Oktober 2015 lehnte die Beklagte den Erlass einer Abhilfeentscheidung ab und führte dazu im Wesentlichen aus, es werde lediglich eine schwere depressive Episode, aber nicht das Vorliegen einer PTBS bestätigt. Die Behandlung könne auch im Kosovo durchgeführt werden, wenn gewährleistet sei, dass die Probandin regelmäßig ohne eine reale Gefahr ihres Lebens Arztbesuche wahrnehmen könne. Die Klägerin müsse nicht allein zurückkehren. Sie könne sich nach ihrer Rückkehr auf einen dort lebenden Familienverband stützen. Die latente Suizidgefahr sei auch bei einem Verbleib in Deutschland gegeben. Nicht beurteilt werden müsse in diesem Zusammenhang, ob eine mögliche Rückkehr der Klägerin in Begleitung ihres Ehemannes und ihres Enkelsohnes den Behandlungserfolg der Tochter gefährden könnte. Eine entsprechende Abhängigkeit bzw. ein solcher Folgeeffekt wäre ein inlandsbezogenes Hindernis und gegebenenfalls von der Ausländerbehörde zu beurteilen.

Die Beklagte erklärte sich (allgemein) mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden.

4. Mit Beschluss vom 31. März 2015 lehnte das Gericht im Verfahren W 6 S 15.30208 den Antrag der Klägerin auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihrer Klage gegen den Bescheid vom 10. März 2015 ab.

Mit Beschluss vom 20. April 2015 übertrug die Kammer den Rechtsstreit dem Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung.

In der mündlichen Verhandlung des Klageverfahrens am 3. Juni 2015 trennte das Gericht das Klagebegehren der Klägerin - die zunächst zusammen mit ihrem Ehemann Klage erhoben hatte - ab und führte ihre Klage unter dem neuen Aktenzeichen W 6 K 15.30406 fort. Das Gericht hörte die Klägerin informatorisch an. Mit Bezug auf eine mögliche psychische Erkrankung erließ das Gericht einen Beweisbeschluss.

Des Weiteren ordnete das Gericht mit Beschluss vom 3. Juni 2015 im Verfahren W 6 S 15.30407 unter Aufhebung seiner gegenteiligen Entscheidung vom 31. März 2015 (W 6 S 15.30208) die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung an.

Mit Beschluss vom 24. Juni 2015 trennte das Gericht den von der Klägerin zurückgenommenen Klageteil ab, führte ihn unter dem Verfahren W 6 K 15.30454 fort und stellte diesen Teil infolge der Rücknahme auf Kosten der Klägerin ein.

Mit psychiatrischem Gutachten vom 6. Oktober 2015 nahm die F. GmbH von Dr. B. zu den im Beweisbeschluss aufgeworfenen Fragen Stellung.

5. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakten W 6 K 15.30406, W 6 K 15.30207, W 6 S 15.30208, W 6 S 15.30407 und W 6 K 15.30454 sowie die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

Gründe

Die Klage, über die gemäß § 101 Abs. 2 VwGO mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entschieden werden konnte, ist zulässig und begründet.

1. Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 10. März 2015 ist in seinen Nummern 4 und 5 rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 und Abs. 5 Satz 1 VwGO), soweit er sich auf die Klägerin bezieht. Die Klägerin hat nach der gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung - wie zuletzt nur noch beantragt - einen Anspruch auf Feststellung des Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

2. Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dabei erfasst diese Regelung nur solche Gefahren, die in den spezifischen Verhältnissen im Zielstaat begründet sind. Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich auch aus der Krankheit eines Ausländers ergeben, wenn diese sich im Heimatstaat verschlimmert, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind. Eine zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben besteht auch dann, wenn die notwendige Behandlung oder Medikation zwar allgemein im Zielstaat zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer individuell jedoch aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht zugänglich ist. In die Beurteilung miteinzubeziehen und bei der Gefahrenprognose zu berücksichtigen sind sämtliche zielstaatsbezogenen Umstände, die zu einer Verschlimmerung der Erkrankung führen können. Hierbei muss eine beachtliche Wahrscheinlichkeit bestehen, dass dem Ausländer bei einer Rückkehr die in der Vorschrift genannte Gefahr droht. Dabei ist eine einzelfallbezogene Betrachtung der individuell bestimmten und erheblichen Gefährdungssituation anzulegen. Eine wesentliche Verschlechterung liegt nicht schon bei jeder zu befürchtenden ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustands vor. Erforderlich ist, dass die Gefahr der Krankheitsverschlechterung erheblich und konkret ist. Sie ist erheblich, wenn sich der Gesundheitszustand wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde, und konkret, wenn der Ausländer alsbald nach seiner Rückkehr in eine solche Lage geriete, weil keine wirksame Hilfe erlangen kann (vgl. zum Ganzen BVerwG, B.v. 2.11.1995 - 9 B 710/94 - Buchholz 310, § 108 VwGO Nr. 266; U.v. 29.7.1999 - 9 C 2/99 - juris; U.v. 29.10.2002 - 1 C 1/02 - Buchholz 402.240, § 53 AuslG Nr. 66 sowie speziell mit Bezug zum Kosovo jeweils m. w. N. VG Hannover, U.v. 30.9.2015 - 12 A 10590/14; VG München, B.v. 31.7.2015 - M 16 S 15.30983 - juris; VG Düsseldorf, G.v. 28.7.2015 - 7 K 5156/14.A - juris; VG Magdeburg, U.v. 12.3.2015 - 2 A 52/13 MD - Asylmagazin 2015, 244; VG Braunschweig, U.v. 23.2.2015 - 8 A 353/13). Auch nach dem Recht der Europäischen Union ist die rechtliche Bedeutung der ernsthaften Gefahr einer schweren und irreversiblen Verschlechterung des Gesundheitszustands anerkannt (vgl. EuGH, U.v. 18.12.2014 - C-562/13 - ABl. EU 2015, Nr. C 65, 13).

Nach diesen Grundsätzen ist hier ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich des Kosovo anzunehmen. Die beachtlich wahrscheinliche Gefahr besteht, dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin bei einer Rückkehr in den Kosovo alsbald erheblich verschlechtern würde, so dass ihr eine Rückkehr in den Kosovo nicht zumutbar ist,

3. Zwar ist der Beklagten zugute zu halten, dass grundsätzlich die Behandlung von psychischen Erkrankungen einschließlich einer posttraumatischen Belastungsstörung auch im Kosovo möglich und zumutbar ist (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kosovo vom 25.11.2014, Stand: September 2014, S. 21 ff., 25 ff.). Psychische Erkrankungen können sowohl medikamentös als auch psychotherapeutisch behandelt werden. Die Betreffende muss sich gegebenenfalls an das nächstgelegene Familien-Gesundheitszentrum wenden bzw. sich an Institutionen des sekundären oder tertiären Gesundheitsversorgung verweisen lassen (vgl. allgemein HessVGH, U.v. 16.7.2013 - 7 A 1602/12 - juris). Sie ist gehalten, die Möglichkeiten des kosovarischen Gesundheitssystems auszuschöpfen, um eventuelle Gesundheitsgefahren zu vermeiden bzw. jedenfalls zu minimieren (vgl. etwa OVG Saarland, B.v. 16.6.2015 - 2 A 197/14 - juris; BayVGH, B.v. 28.5.2015 - 21 ZB 15.30076 - juris sowie VG Leipzig, U.v. 16.10.2015 - 7 K 643/15.A; VG Hannover, U.v. 30.9.2015 - 12 A 15090/14; U.v. 19.3.2015 - 12 A 10746/14).

Weiter ist festzuhalten, dass eine mögliche Dekompensation mit Suizidalität für sich nicht ausreicht. Der Umstand, dass suizidale Handlungen bei einer Abschiebung bzw. Unterbrechung der Behandlung nicht völlig ausgeschlossen werden können, genügt für sich nicht, sofern keine beachtliche Wahrscheinlichkeit besteht. Eine wesentliche Verschlechterung ist zudem nicht schon bei jeder zu befürchtenden ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustands zu bejahen (vgl. OVG NRW, U.v. 27.1.2015 - 13 A 1201/12.A - NVwZ-RR 2015, 598; VG Darmstadt, B.v. 22.7.2015 - 2 L 817/15. DA.A).

Die vorstehend skizzierte Rechtsauffassung entspricht auch der ständigen Rechtsprechung des erkennenden Gerichts (vgl. nur VG Würzburg, B.v. 9.11.2015 - W 6 S 15.30723; B.v. 13.8.2015 - W 6 S 15.30557).

4. Im vorliegenden Einzelfall ist gleichwohl eine andere Beurteilung gerechtfertigt (vgl. auch VG Düsseldorf, G.v. 28.7.2015 - 7 K 5156/14.A - juris; VG Braunschweig, U.v. 30.2.2015 - 8 A 353/13), weil bei der Klägerin nicht nur eine ungünstige Entwicklung des Gesundheitszustands zu befürchten ist, sondern weil bei ihr bei einer Abschiebung eine mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohende Gefahr einer Verschlimmerung ihrer Erkrankung besteht mit der Folge, dass sich der Gesundheitszustand der Klägerin nach den konkreten Umständen ihres Einzelfalles alsbald nach ihrer Rückkehr wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Für die Annahme einer derartigen Gefahrenlage bestehen vorliegend substanziierte und durchgreifende Anhaltspunkte aufgrund der vorliegenden ärztlichen Stellungnahmen und Gutachten, insbesondere des vom Gericht eigens eingeholten Gutachtens der F. GmbH von Dr. B. vom 6. Oktober 2015.

So führt das Gutachten vom 6. Oktober 2015 auf Seite 27 f. ausdrücklich an, dass bei einer Rückkehr in den Kosovo mit einer Verschlechterung des Gesundheitszustands der Klägerin zu rechnen ist, da die Belastungsfaktoren dort höher sind und mit einer weiteren emotionalen Dekompensation zu rechnen ist. Dr. B. bezieht sich mit dieser Aussage auf die entsprechende Frage unter Nr. 5 des gerichtlichen Beweisbeschlusses, ob eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben und Gesundheit besteht, selbst wenn im Kosovo grundsätzlich eine Behandlung psychischer Erkrankungen möglich ist (wobei die letzte Formulierung, die auch die Klägerseite im Schriftsatz vom 19.11.2015 zitiert, im Gutachten lediglich die vom Gericht im Beweisbeschluss aufgeworfene Fragestellung wiederholt). Das Gutachten vom 6. Oktober 2015 führt weiter aus, die befürchtete Blutrache sei bei der Klägerin mit Angst verbunden. Allein der Aspekt der Angst sei ausreichend, um eine weitere Dekompensation zu begünstigen. Durch das depressive Moment und den Todeswunsch werde bei der Klägerin eine Selbstbestrafungsidee begünstigt, so dass sie äußere, dass es besser sei, wenn man aus der Familie sie umbringen würde. Darüber hinaus sei sie nicht zu einer selbstständigen Lebensführung in der Lage, so dass sie auf familiäre Unterstützung angewiesen sei. Eine psychiatrische Behandlung sei bei der Klägerin weiterhin indiziert, die jedoch auch im Kosovo durchgeführt werden können. Die Behandlung sei unter anderem aufgrund der aktuell noch als real erlebten Gefährdung durch die Blutrache, die zur Aufrechterhaltung der Symptomatik beitrage, mit hoher Wahrscheinlichkeit wenig zielführend. Auf Seite 28 ff. des Gutachtens ist zur prognostischen Einschätzung der Suizidgefahr weiter plausibel dargelegt, dass Patienten dann ein höheres Gefährdungspotential aufwiesen, wenn sie psychopathologische Symptome und andere Merkmale aufwiesen, die in Untersuchungen signifikant häufiger mit Suizid in Verbindung gebracht würden. Sowohl bei einem Verbleib in Deutschland als auch bei einer Rückkehr in den Kosovo sei bei der Klägerin eine erhöhte Suizidgefahr gegeben. Die Belastungsfaktoren zeichneten sich jedoch bei einer Rückkehr in den Kosovo als höher ab, da die Versorgung in Deutschland besser gewährleistet sei und die Angst wegen der Blutrache in Deutschland nicht zu einer objektiven Gefährdung führe. Das Gutachten stützt sich dabei auf die Diagnose einer schweren depressiven Episode ohne psychotische Symptome.

Unterstrichen wird die Einschätzung durch die medizinischen Stellungnahmen des Krankenhauses für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatische Medizin, Bezirkskrankenhaus Lohr am Main vom 23. März 2015, 1. April 2015 und 18. Mai 2015. Dort wird ausdrücklich ausgeführt, dass selbst unter einer adäquaten medizinisch/psychotherapeutischen Versorgung im Heimatland aufgrund einer drohenden Retraumatisierung von einer raschen Verschlechterung des Gesundheitszustands mit akuter Eigengefährdung auszugehen sei. Die Rückkehr in ihr Heimatland würde bei der Klägerin unter anderem zu einer raschen Dekompensation des psychischen Zustands mit einer schweren depressiven Symptomatik und psychotischer Störung führen. Durch Bedrohungsgefühl und Aussichtslosigkeit der Situation könne dann eine akute Suizidalität, möglicherweise mit Suizidhandlungen und damit akuter Eigengefährdung daraus folgen.

Ebenso geht das von der Klägerseite vorgelegte Privatgutachten von E. vom 26. April 2015 von einer deutlichen Suizidgefahr aus. Auch Dr. B. vermerkt in seinem Attest vom 17. März 2015, dass das Haushaltsdefizit eine Weiterbehandlung in Deutschland notwendig sei.

Hinzu kommt der persönliche Eindruck, den das Gericht von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 3. Juni 2015 gewonnen hat.

Das Gericht ist nach alledem davon überzeugt, dass die Klägerin schwer psychisch krank ist und dass sich ihr Gesundheitszustand bei einer Rückkehr in den Kosovo wesentlich verschlimmern würde bis hin zur Gefahr eines Selbstmordes. Denn die ärztlicherseits festgestellten Erkrankungen und insbesondere die diagnostizierte schwere depressive Episode lassen einerseits bei der Klägerin einen gesundheitlichen Gesamtzustand erkennen, der eine psychiatrische Behandlung indiziert. Andererseits führt der Gesundheitszustand der Klägerin dazu, dass sie nicht in der Lage ist, alleine zu leben, ihre täglichen Angelegenheiten allein zu besorgen und die notwendige medizinische Behandlung und Medikation sicherzustellen. Sie ist vielmehr auf die Hilfe anderer angewiesen. Hinzu kommt bei der Klägerin - unabhängig von einer tatsächlich bestehenden Gefahr wegen Blutrache - nach den gutachterlichen Feststellungen der Faktor der Angst, dass ihr bzw. ihren Familienangehörigen Blutrache drohe. Dies hat zur Konsequenz, dass eine theoretisch auch in Kosovo mögliche psychiatrische Behandlung nach der Feststellung im Gutachten am 6. Oktober 2015 mit hoher Wahrscheinlichkeit wenig zielführend ist, da die im Kosovo aktuell noch als real empfundene Gefährdung durch die Blutrache zur Aufrechterhaltung der Symptomatik beiträgt. Anders als bei einem Verbleib in der Bundesrepublik Deutschland führt bei der Klägerin gerade eine Rückkehr in Kosovo so zu einer Verschlimmerung des Gesundheitszustandes, obwohl dort grundsätzlich eine medizinische bzw. psychiatrische Behandlung möglich ist.

Mit entscheidend ist weiter, dass die notwendige familiäre Unterstützung im Kosovo nicht gewährleistet ist. Denn der ebenfalls psychisch kranken Tochter der Klägerin wurde bestandskräftig ein Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zuerkannt (vgl. W 6 K 15.30211). Konsequenz hieraus ist, dass der Familienverband bei einer Rückkehr im Kosovo nicht mehr so zur Unterstützung der Klägerin zur Verfügung stehen würde wie vorher. Zudem hat das Gericht in der mündlichen Verhandlung den persönlichen Eindruck gewonnen, dass der Ehemann der Klägerin - auch schon wegen seines Alters von 71 Jahren - allein nicht in der Lage ist, die Klägerin im Kosovo im ausreichenden Umfang zu unterstützen. Selbst wenn, worauf die Beklagte in ihrem Schriftsatz vom 22. Oktober 2015 zutreffend hinweist, die Beurteilung der Frage, ob eine mögliche Rückkehr der Klägerin in Begleitung ihres Ehemannes und ihres Enkelsohnes den Behandlungserfolg der Tochter gefährden könnte, als inlandsbezogenes Hindernis der Ausländerbehörde zu beurteilen ist, ist demgegenüber festzuhalten, dass bei der vorliegenden Beurteilung eines zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernisses auf die beachtlich wahrscheinlichen Umstände abzustellen ist, wie sie die Klägerin bei einer Rückkehr im Kosovo wahrscheinlich antreffen würde. Unter diesem Blickwinkel ist das Gericht davon überzeugt, dass gerade im vorliegenden Einzelfall die Klägerin bei Rückkehr nicht die erforderliche Hilfe und Unterstützung erfahren würde, um eventuellen Gesundheits- oder Lebensgefahren auf ein zumutbaren Maßes reduzieren zu können. Denn das Gericht geht davon aus, dass nicht nur die Tochter der Klägerin, sondern mit dieser auch der Enkelsohn der Klägerin für die Klägerin im Kosovo nicht mehr zur Verfügung stünde.

5. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO, §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 83b Gerichtskosten, Gegenstandswert


Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 77 Entscheidung des Gerichts


(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefä

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 101


(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 108


(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. (2) Das Urteil darf nur auf Tatsache

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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Die Antragsteller haben die Kosten des Verfahrens zu tragen.

Gründe

I.

Die Antragstellerin zu 1) sowie ihre drei minderjährigen Kinder, die Antragstellerin zu 2), der Antragsteller zu 3) und die Antragstellerin zu 4), sind Staatsangehörige des Kosovo. Sie reisten nach eigenen Angaben am 19. Februar 2015 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 26. Februar 2015 Asylanträge.

Bei der Anhörung vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) am 10. März 2015 gab die Antragstellerin zu 1) im Wesentlichen an, ihr Ehemann lebe seit 21 Jahren in Deutschland. Sie hätten auch einen Antrag auf Familienzusammenführung gestellt, aber darüber sei noch nicht entschieden worden. Im Kosovo hätten sie alle in einem Zimmer im Haus der Schwiegermutter gelebt. Ihr Ehemann habe ihr Geld geschickt. Die Kinder hätten auch in die Schule gehen können. Die Kinder hätten den Vater selten gesehen. Sie hätten endlich wieder eine Familie sein wollen. Der Antragstellerin zu 1) gehe es auch nicht gut. Sie sei im Kosovo wegen eines Kriegstraumas in Behandlung gewesen und habe Beruhigungstabletten bekommen. Sie sei in ... bei einem Psychologen in Behandlung gewesen, der sehr gut gewesen sei. Dieser hätte jedoch seine Praxis aufgegeben. Dies sei in den Jahren 2008/2009 gewesen. Danach sei sie nicht mehr in Behandlung gewesen. Sie habe nur noch Beruhigungstabletten genommen. Die habe man ohne Rezept in der Apotheke kaufen können. Der Psychologe in ... hätte ihr die gleichen Tabletten, aber mit einer höheren Dosis empfohlen. Die hätten sie beruhigt und ihr geholfen. Im Kosovo habe sie kein Haus und sie sei krank. Sie sei seit 21 Jahren allein ohne Mann. Sie wolle, dass sie alle zusammen leben könnten.

Mit Bescheid vom ... Juli 2015, zugestellt am 16. Juli 2015, lehnte das Bundesamt die Anträge auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sowie die Anträge auf Asylanerkennung als offensichtlich unbegründet ab, erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu und verneinte Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG. Die Antragsteller wurden aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe des Bescheids zu verlassen. Für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise wurde die Abschiebung nach Kosovo oder in einen anderen Staat angedroht, in den die Antragsteller einreisen dürften oder der zu ihrer Rückübernahme verpflichtet sei. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft und die Anerkennung als Asylberechtigte lägen offensichtlich nicht vor, da die Antragsteller keine Verfolgungsmaßnahmen durch den Staat oder zu berücksichtigende schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen seitens nichtstaatlicher Dritter zu befürchten hätten. Der Wunsch der Familienzusammenführung sei nicht geeignet, eine Verfolgungsfurcht zu begründen und somit die Flüchtlingseigenschaft feststellen zu lassen. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus lägen nicht vor, insbesondere sei weder von der kosovarischen Regierung noch durch nichtstaatliche Dritte eine unmenschliche Behandlung zu erwarten. Die nationalen und internationalen Sicherheitskräfte gewährleisteten Schutz und Sicherheit. Abschiebungsverbote lägen ebenfalls nicht vor. Die derzeitigen humanitären Bedingungen führten nicht zu der Annahme, dass bei Abschiebung der Antragsteller eine Verletzung von Art.3 EMRK vorliege. Wohnraum, wenn auch mitunter auf niedrigem Standard, stehe ausreichend zur Verfügung. Rückkehrer könnten zudem die Unterstützungen der in jeder Gemeinde eingerichteten Büros für Gemeinschaften und Rückkehrer (MOCR) in Anspruch nehmen und bedürftige Personen erhielten Unterstützung in Form von Sozialhilfe, die sich allerdings auf niedrigem Niveau bewege. Eine allgemein schwierige soziale und wirtschaftliche Lage begründe kein Abschiebungsverbot, sie müsse und könne von den Antragstellern ebenso wie von vielen ihrer Landsleute gegebenenfalls unter Aufbietung entsprechender Aktivitäten bewältigt werden. Eine Rückkehr sei für die Antragsteller insofern zumutbar. Auch die Verletzung anderer Menschenrechte oder Grundfreiheiten der EMRK komme nicht in Betracht. Den Antragstellern drohe auch keine individuelle Gefahr für Leib und Leben, die zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde. Auch die vorgetragenen psychischen Probleme der Antragstellerin zu 1) führten nicht zu einer Gewährung des nationalen Abschiebeverbots. Nachweise seien nicht eingereicht worden. Es sei nicht feststellbar, dass es sich um eine wesentliche Gesundheitsverschlechterung im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 60 Abs. 7 AufenthG handle. Aber selbst bei Annahme, dass die vorgetragene Erkrankung tatsächlich vorliege, sei ein Abschiebungsverbot nicht gegeben. Psychische sowie weitere Erkrankungen seien im Kosovo mindestens so weit behandelbar, dass eine erhebliche Gesundheitsverschlechterung nach Rückkehr ausgeschlossen werden könne.

Gegen diesen Bescheid erhoben die Bevollmächtigten der Antragsteller am 20. Juli 2015 Klage und beantragten gleichzeitig,

die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte, die Gerichtsakte im Klageverfahren M 16 K 15.30982 sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

II.

Der Antrag, die kraft Gesetzes (§ 75 AsylVfG) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung im streitgegenständlichen Bescheid des Bundesamts nach § 80 Abs. 5 VwGO anzuordnen, ist zulässig, insbesondere wurde die Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylVfG gewahrt.

Der Antrag ist jedoch nicht begründet, da keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen (vgl. Art. 16a Abs. 4 GG, § 36 Abs. 4 AsylVfG).

Gemäß Art. 16a GG, § 36 Abs. 4 AsylVfG kann das Verwaltungsgericht auf Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO die Aussetzung der Abschiebung anordnen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen. Im Rahmen der Entscheidung über einen solchen Antrag ist im Hinblick auf den durch Art. 19 Abs. 4 GG gebotenen effektiven Rechtsschutz auch zu prüfen, ob das Bundesamt zu Recht davon ausgegangen ist, dass der geltend gemachte Anspruch auf Asylanerkennung bzw. auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylVfG offensichtlich nicht besteht - wobei eine nur summarische Prüfung nicht ausreicht - und ob diese Ablehnung weiterhin Bestand haben kann (BVerfG, B.v. 2.5.1984 - 2 BvR 1413/83 - BVerfGE 67, 43 ff.). Offensichtlich unbegründet ist ein Asylantrag dann, wenn die Voraussetzungen für eine Anerkennung als Asylberechtigter (Art. 16a GG) und die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft offensichtlich nicht vorliegen (§ 30 Abs. 1 AsylVfG). Nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts liegen ernstliche Zweifel i. S.v. Art. 16a Abs. 4 Satz 1 GG vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Maßnahme einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (BVerfG, U.v. 14.5.1996 - 2 BvR 1516/93 - BVerfGE 94, 166 ff.). Dies ist nach ständiger Rechtsprechung dann anzunehmen, wenn an der Richtigkeit der tatsächlichen Feststellungen vernünftigerweise keine Zweifel bestehen, und bei einem solchen Sachverhalt nach allgemein anerkannter Rechtsauffassung sich die Abweisung geradezu aufdrängt (vgl. BVerfG, B.v. 5.2.1993 - 2 BvR 1294/92 - InfAuslR 1993, 196).

An der Rechtmäßigkeit der im vorliegenden Fall vom Bundesamt getroffenen Entscheidungen bestehen hier keine derartigen ernstlichen Zweifel.

Ein Verfolgungs- oder Lebensschicksal, das die Zuerkennung einer Rechtsstellung als Asylberechtigte oder als Flüchtlinge rechtfertigen würde, ist vorliegend aus dem Vortrag der Antragstellerin zu 1) nicht erkennbar. Die Antragsteller haben sich auf Gründe der Familienzusammenführung sowie in Bezug auf die Antragstellerin zu 1) auf gesundheitliche Gründe berufen. Dies begründet jedoch keine Verfolgung im Sinne von Art. 16a GG oder § 3 AsylVfG. Das Gericht folgt daher der zutreffenden Begründung der Antragsgegnerin im angegriffenen Bescheid, auf die verwiesen wird (§ 77 Abs. 2 AsylVfG).

Ernstliche Zweifel bestehen ebenfalls nicht hinsichtlich der Versagung subsidiären Schutzes (§ 4 AsylVfG) und der Verneinung von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Das Gericht nimmt auch insoweit auf die Begründung des Bundesamts Bezug (§ 77 Abs. 2 AsylVfG).

Insbesondere ist ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht gegeben. Nach dieser Vorschrift soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Vorschrift kann einen Anspruch auf Abschiebungsschutz begründen, wenn die Gefahr besteht, dass sich die Krankheit eines ausreisepflichtigen Ausländers in seinem Heimatstaat wesentlich verschlechtert. Für die Bestimmung der „Gefahr“ gilt der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, d. h. die drohende Rechtsgutverletzung darf nicht nur im Bereich des Möglichen liegen, sondern muss mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein (BVerwG, B.v. 2.11.1995 - 9 B 710/94 - juris). Eine Gefahr ist „erheblich“, wenn eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität zu erwarten ist. Das wäre der Fall, wenn sich der Gesundheitszustand des Ausländers wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Eine wesentliche Verschlechterung ist nicht schon bei einer befürchteten ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustandes anzunehmen, sondern nur bei außergewöhnlich schweren körperlichen oder psychischen Schäden. Außerdem muss die Gefahr konkret sein, was voraussetzt, dass die Verschlechterung des Gesundheitszustands alsbald nach der Rückkehr des Betroffenen in sein Herkunftsland eintreten wird, weil er auf die dort unzureichenden Möglichkeiten zur Behandlung seiner Leiden angewiesen wäre und anderswo wirksame Hilfe nicht in Anspruch nehmen könnte (vgl. BVerwG, U.v. 29.7.1999 - 9 C 2/99 - juris Rn. 8).

Eine erhebliche konkrete Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hat die Antragstellerin zu 1) nicht dargetan. Ärztliche Belege für ihre Erkrankung hat sie nicht vorgelegt. Im Übrigen geht das Gericht aufgrund der vorliegenden Erkenntnismittel davon aus, dass psychische Erkrankungen im Kosovo behandelbar sind (vgl. Bericht des Auswärtigen Amts zur asyl- und abschieberelevanten Lage in der Republik Kosovo vom 25. November 2014, Abschnitt IV.1.2.4). Zudem hat die Antragstellerin zu 1) bei ihrer Anhörung selbst angegeben, dass sie im Kosovo ärztlich behandelt worden sei und Tabletten eingenommen habe.

Soweit die Antragsteller aus Gründen der Familienzusammenführung eingereist sind, ist höchstrichterlich geklärt, dass das Recht auf Wahrung des Familienlebens im Bundesgebiet aus Art. 6 GG nicht zu den zielstaatsbezogenen Abschiebungshindernissen gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zählt, sondern zu den inlandsbezogenen, einem Vollzug der Abschiebung entgegenstehenden Hindernissen. Über diese inlandsbezogenen Abschiebungshindernisse entscheidet aber nicht das Bundesamt, sondern die zuständige Ausländerbehörde (vgl. BVerfG, B.v.13.11.1998 - 2 BvR 140/97 - juris; BVerwG, U.v.11.11.1997 - 9 C 13/96 - juris; BayVGH, B.v. 18.8.2010 - 2 ZB 08.30031 - juris).

Vor diesem Hintergrund ist auch die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG i. V. m. § 59 AufenthG erlassene Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden.

Der Antrag war nach alledem mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzulehnen. Das Verfahren ist nach § 83 b AsylVfG gerichtskostenfrei.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylVfG).

Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 15. Juli 2014 verpflichtet, unter Abänderung des dortigen Bescheides vom 2. Mai 2012 festzustellen, dass in Bezug auf die Klägerin ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG hinsichtlich des Kosovo vorliegt.

Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, trägt die Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.


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Tenor

Die Beklagte wird unter Änderung der Nr. 3 und Aufhebung der Nr. 4 des Bescheids der Beklagten vom 31.01.2013 verpflichtet, bei dem Kläger ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Iran festzustellen.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu 2/3 und die Beklagte zu 1/3; Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der jeweilige Vollstreckungsschuldner kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger ist iranischer Staatsangehöriger persischer Volkszugehörigkeit und reiste eigenen Angaben zufolge am 25.12.2010 auf dem Luftweg in die Bundesrepublik Deutschland ein, wo er am 29.12.2010 politisches Asyl beantragte.

2

Am 19.01.2011 wurde der Kläger vom Bundesamt zu seinem Asylbegehren angehört. Zur Begründung gab er im Wesentlichen an, er sei in der Stadt Hamedan, seinem Studienort, bei einem privaten Bauunternehmer angestellt gewesen. Unter den Mitarbeitern der Firma habe es immer wieder Diskussionen gegeben. Eines Tages, etwa einen Monat vor seiner Ausreise, sei die Diskussion so weit gegangen, dass einer der Mitarbeiter gesagt habe, dass auch ihre Firma korrupt sei. Er habe ihn dann gefragt, was er damit meine, und verschiedene Sachen dazu gesagt. Er vermute, dass einer der anderen anwesenden Angestellten ihn deswegen angezeigt habe. Als er am nächsten Tag zur Arbeit habe fahren wollen, sei er von unbekannten Leuten entführt worden. Man habe ihm die Augen verbunden und mit einem Auto an einen unbekannten Ort, in ein ihm nicht bekanntes Haus verbracht. Dort habe man ihm gesagt, dass er ganz viel stören würde, dass man Filmaufnahmen und Fotos von ihm habe und wüsste, was er gesagt habe. Nach zwei Tagen und einigen Stunden habe man ihn wieder freigelassen. Hintergrund hierfür sei gewesen, dass ein Freund von ihm, nachdem er verschwunden sei, seine Eltern informiert habe. Sein Vater sei daraufhin nach Hamedan gekommen und habe einem Mann Schmiergeld gezahlt, der aufgrund seiner Position den Kläger habe freilassen können. Einige Tage nach seiner Freilassung sei dieser Mann gekommen und habe mitgeteilt, dass er nichts mehr für ihn tun könne, weil seine – des Klägers - Akte schon offen, d. h. in Bearbeitung, sei und damit die Sache schlimmer sei, als er zunächst gedacht habe. Gegenüber seinem Vater habe der Mann geäußert, dass man ihn – den Kläger – als "Mohareb" bezeichnet habe, also als eine Person, die mit Gott und dem Glauben kämpfe. Als er davon erfahren habe, habe er aus Angst vor erneuter Festnahme sein Heimatland verlassen.

3

Wegen der weiteren Einzelheiten seines Vortrages wird auf den Inhalt seiner Anhörungsniederschrift vom 19.01.2011 und der Niederschrift über die Befragung zur Vorbereitung der Anhörung vom 29.12.2010 verwiesen.

4

Mit Bescheid vom 31.01.2013 lehnte die Beklagte den Asylantrag des Klägers und dessen Antrag auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ab und stellte fest, dass Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen. Sie forderte den Kläger zur Ausreise aus dem Bundesgebiet binnen 30 Tage nach unanfechtbarem Abschluss des Asylverfahrens auf und drohte ihm im Falle der Nichtbefolgung die Abschiebung in den Iran an. Der Bescheid wurde dem Kläger am 07.02.2013 durch PZU zugestellt.

5

Mit der hiergegen am 20.02.2013 erhobenen Klage hat der Kläger zum Vorfluchtgeschehen weiter vorgetragen und geltend gemacht, dass er an schweren depressiven Episode leide und sich deswegen seit Dezember 2013 in psychotherapeutischer Behandlung im Psychosozialen Zentrum (PSZ) befinde. Zum Nachweis hierfür legte er eine psychologische Stellungnahme vom 16.05.2014 sowie ein psychologisches Attest vom 22.01.2015, jeweils der Frau Dipl.-Psych. S., ..., vor, auf deren Inhalt Bezug genommen wird.

6

Der Kläger beantragt,

7

den Bescheid vom 31.01.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten,

8

ihn als Asylberechtigten anzuerkennen und ihm die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 und 4 AsylVfG zuzuerkennen,

9

hilfsweise, ihm subsidiären (internationalen) Schutz nach § 4 AsylVfG zuzuerkennen,

10

weiter hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten festzustellen, dass in seiner Person (nationale) Abschiebungsverbote gemäß 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Iran vorliegen.

11

Die Beklagte beantragt,

12

die Klage abzuweisen

13

und verteidigt den angefochtenen Bescheid.

14

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte, die Sitzungsniederschrift und den in das Verfahren eingeführten Verwaltungsvorgang der Beklagten Bezug genommen. Diese Unterlagen waren Gegenstand der Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

15

Die zulässige Klage hat in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg.

16

Das Bundesamt ist nach der Sach– und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) verpflichtet festzustellen, dass für den Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich Iran besteht. Insoweit ist der Bescheid vom 31.01.2013 rechtswidrig und aufzuheben - § 113 Abs. 5 VwGO (vgl. 1.). Im Übrigen ist die Klage unbegründet (vgl. 2.).

17

1. Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Dabei erfasst diese Regelung nur solche Gefahren, die in den spezifischen Verhältnissen im Zielstaat begründet sind, während Gefahren, die sich aus der Abschiebung als solche ergeben, nur von der Ausländerbehörde als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis berücksichtigt werden können (st. Rspr. zu § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG; vgl. etwa BVerwG, U. v. 29.10.2002 – 1 C 1.02 -, juris, m.w.N.). Ein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann sich auch aus der Krankheit eines Ausländers ergeben, wenn diese sich im Heimatstaat verschlimmert, weil die Behandlungsmöglichkeiten dort unzureichend sind. Es kann sich darüber hinaus trotz an sich verfügbarer medikamentöser und ärztlicher Behandlung aber auch aus sonstigen Umständen im Zielstaat ergeben, die dazu führen, dass der betroffene Ausländer diese medizinische Versorgung tatsächlich nicht erlangen kann. Denn eine zielstaatsbezogene Gefahr für Leib und Leben besteht auch dann, wenn die notwendige Behandlung oder Medikation zwar allgemein zur Verfügung steht, dem betroffenen Ausländer individuell jedoch aus finanziellen oder sonstigen Gründen nicht zugänglich ist. In die Beurteilung mit einzubeziehen und bei der Gefahrenprognose zu berücksichtigen sind sämtliche zielstaatsbezogenen Umstände, die zu einer Verschlimmerung der Erkrankung führen können (BVerwG, U. v. 17.10.2006 – 1 C 18.05 -, juris). Für die Annahme einer "konkreten Gefahr" genügt nicht die bloß theoretische Möglichkeit, Opfer von Eingriffen in Leib, Leben oder Freiheit zu werden. Vielmehr ist der Begriff der Gefahr im Sinn von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG im Ansatz kein anderer als der im asylrechtlichen Prognosemaßstab der "beachtlichen Wahrscheinlichkeit" angelegte, wobei jedoch das Element der Konkretheit der Gefahr für "diesen" Ausländer das zusätzliche Erfordernis einer einzelfallbezogenen individuell bestimmten und erheblichen Gefährdungssituation statuiert (BVerwG, U. v. 17.10.1995 – 9 C 9.95 -, juris).

18

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Denn aufgrund der im gerichtlichen Verfahren vorgelegten psychologischen Atteste, der Zeugenaussage der den Kläger seit 05.12.2013 durchgängig behandelnden Diplom-Psychologin S., gegen deren Sachkunde Bedenken nicht bestehen, sowie des in der mündlichen Verhandlung von dem Kläger gewonnenen Eindrucks ist das Gericht davon überzeugt, dass bei diesem eine schwere depressive Erkrankung vorliegt. Bei einer Rückkehr in den Iran ist aufgrund des labilen psychischen Zustands des Klägers ("besorgniserregend"), der bei ihm festgestellten, sich vertiefenden suizidalen Neigung (Nachsterbewunsch) sowie der subjektiv empfundenen erheblichen Ängste im Zusammenhang mit einer Rückführung eine erhebliche und alsbaldige Verschlechterung seines Gesundheitszustandes konkret zu befürchten. Vor dem Hintergrund der Bekundungen der Frau Diplom-Psychologin S. in der mündlichen Verhandlung, auf die hier Bezug genommen wird, hat das Gericht ferner keinen Zweifel daran, dass der Kläger derzeit akut behandlungsbedürftig ist und es hierzu insbesondere (auch) psychotherapeutischer und sozialtherapeutischer Maßnahmen dringend bedarf.

19

Eine solche ausreichende Behandlung ist im Iran für den Kläger gegenwärtig indes nicht hinreichend gewährleistet. Denn eine (ambulante oder stationäre) Psychotherapie ist im Iran "kein Thema", weil sie als "westliche Unkultur" angesehen wird (vgl. VG Arnsberg, U. v. 09.02.2007 – 13 K 1978/05.A -, juris, m. w. N.). Die dennoch angebotenen psychotherapeutischen und sozialtherapeutischen Maßnahmen sind zudem sehr kostspielig und müssen von den Patienten oder ihren Familien bezahlt werden mit der Folge, dass bei mittellosen Patienten eine entsprechende Behandlung aussichtslos ist (vgl. Deutsche Botschaft Teheran, Auskunft vom 05.12.2010 an OVG Bautzen). Gemessen daran ist in Bezug auf den Kläger zu berücksichtigen, dass dessen im Iran lebenden Eltern mittlerweile pensioniert sind und der Kläger nach Angaben der Frau Diplom-Psychologin S. aufgrund seines Krankheitsbildes gegenwärtig nicht fähig ist, seinen Tagesablauf zu strukturieren und für sich selbst zu sorgen, d. h. durch eigene Erwerbstätigkeit die Kosten für seinen Lebensunterhalt und seine medizinische Behandlung aufzubringen.

20

Im Rahmen einer Gesamtschau dieser Aspekte (Gesundheitszustand, Behandlungsbedürftigkeit und fehlende Fähigkeit, für sich selbst zu sorgen) würde der Kläger bei einer Rückkehr in den Iran nach der Überzeugung des Gerichts in eine ausweglose Lage geraten, die es abzuwenden gilt.

21

Da nach § 34 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 AsylVfG eine Abschiebungsandrohung unzulässig ist, wenn – wie hier - die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen, war neben der teilweisen Änderung der Nr. 3 die Abschiebungsandrohung in Nr. 4 des Bescheids des Bundesamts vom 31.01.2013 aufzuheben. Anhaltspunkte für eine atypische Fallgestaltung, bei der trotzdem eine Abschiebung in Betracht kommen könnte, sind nicht ersichtlich.

22

2. Im Übrigen ist die Klage unbegründet.

23

Der Kläger hat nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung, § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG, keinen Anspruch auf die Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a Abs. 1 GG und die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 AsylVfG, noch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylVfG. Zur Begründung verweist das Gericht zunächst in vollem Umfang auf die im Ergebnis zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid des Bundesamtes, denen es folgt (§ 77 Abs. 2 AsylVfG).

24

Ergänzend wird hierzu Folgendes ausgeführt:

25

Auch in der mündlichen Verhandlung vermochte der Kläger die Gründe, die gegen die Glaubhaftigkeit seines Vortrages sprechen, nicht auszuräumen. Stattdessen hat er sich zusätzlich widersprochen und sein Vorbringen nicht unerheblich gesteigert.

26

Widersprüchlich sind zunächst seine Angaben hinsichtlich des angeblich fluchtauslösenden Ereignisses. Im Rahmen seiner Befragung durch die Bundespolizeiinspektion Flughafen Düsseldorf, unmittelbar nach seiner Einreise am 25.12.2010, gab er hierzu ausschließlich an, er habe sein Heimatland verlassen müssen, weil er sich an der grünen Protestbewegung gegen den Präsidenten beteiligt habe und er wegen der Teilnahme an Demonstrationen nach den Wahlen von den Sicherheitskräften verfolgt worden sei. Hiervon hat er bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 19.01.2011 nicht weiter berichtet. Vielmehr gab er als maßgeblichen Grund für seine Ausreise nunmehr an, dass er im Iran bei einem privaten Bauunternehmer – als Aushilfe und technischer Zeichner (vgl. Befragung vom 29.12.2010) - angestellt gewesen sei und es in der Firma unter den Mitarbeitern immer wieder Diskussionen gegeben habe. Eines Tages sei die Diskussion so weit gegangen, dass einer der Mitarbeiter gesagt habe, dass auch ihre Firma korrupt sei. Er habe ihn dann gefragt, was er damit meine, verschiedene Sachen dazu gesagt und Position bezogen. Deswegen sei er von einem anderen anwesenden Angestellten wohl angezeigt und am folgenden Tag von Unbekannten verschleppt, anschließend für zwei Tage festgehalten und verhört worden. Im Rahmen des Klageverfahrens hat er seinen Vortrag hierzu erneut verändert und nicht unerheblich gesteigert. Als Grund für seine Entführung gab er hier an, es habe in dem Bauunternehmen ein konkretes Bauprojekt hinsichtlich einer Sporthalle gegeben, dessen Auftraggeber der Gouverneur der Provinz Hamedan gewesen sei. Er und weitere Ingenieure seien für die Kostenschätzung des Projekts verantwortlich gewesen und angehalten worden, die Baukosten hochzurechnen, damit möglichst hohe Fördergelder fließen. Dies sei zwischen dem Gouverneur und dem Chef des Bauunternehmens so vereinbart gewesen. Anlässlich einer Baubesprechung habe er sich dann zu Wort gemeldet und die geplante Manipulation in Anwesenheit des Gouverneurs gerügt, sich dahingehend geäußert, dass "auch der Revolutionsführer selbst ein Dieb" sei und auch gedroht, die für Korruption zuständige Behörde über die Vorgänge zu informieren. Von alledem hatte der Kläger bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt nichts berichtet. Dies verwundert umso mehr, als er am Ende dieser Anhörung auf entsprechendem Vorhalt des Anhörenden, die Richtigkeit und Vollständigkeit seines Vorbringens ausdrücklich bestätigt hat (vgl. Anhörungsniederschrift vom 19.01.2011, S. 4, Bl. 65 d. BA-A). Insoweit entsteht der Eindruck, als habe der Kläger nach Ablehnung seines Asylbegehrens durch das Bundesamt, versucht sein Vorbringen dem anzupassen, was nach seiner Vorstellung zum Erfolg seiner Klage führen dürfte.

27

Auch im Übrigen weist das Asylvorbringen des Klägers Widersprüche und Ungereimtheiten auf. Dies gilt namentlich u. a. für seine Angaben in Bezug auf den Zeitpunkt und den Hintergrund der Aufgabe seines Studiums (vgl. Anhörungsniederschrift vom 19.01.2011, S. 5, Bl. 66 d. BA-A, Niederschrift der Befragung durch die Bundespolizeiinspektion Flughafen Düsseldorf vom 25.12.2010, Bl. 48 d. BA-A sowie Niederschrift der Befragung vom 29.12.2010, Antwort zu Frage 18, Bl. 19 d. BA-A), seine Angaben hinsichtlich der Dauer der Autofahrt zum Ort seiner angeblichen Inhaftierung sowie hinsichtlich des Ortes, an dem man ihn wieder habe freigelassen (vgl. Angaben im Rahmen der Befragung zum biografischen Hintergrund, Psychologische Stellungnahme d. Frau Dipl.-Psych. S. vom 16.05.2014, S. 2, Bl. 46 d. GA; Schr. d. RA B. vom 07.03.2013, S. 2, Bl. 22 d. GA und Sitzungsniederschrift vom 27.02.2015, S. 7 und 8) und schließlich für seine Angaben hinsichtlich des Verlaufs der Festname. Denn während er bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt angab, man habe ihn während der Festnahme nichts getan, nicht einmal angefasst, gab er im Rahmen der Befragung zum biografischen Hintergrund an, er sei herumgestoßen und geschlagen worden. Soweit er schließlich in der mündlichen Verhandlung das Gebäude, in welchem man ihn festgehalten habe, näher beschrieben hat (vgl. Sitzungsniederschrift vom 27.02.2015, S. 8) lässt sich dies nicht ohne Weiteres mit seiner Angabe in Einklang bringen, man habe ihm erst in dem Raum, in dem man ihn verhört habe, die Augenbinde abgenommen (vgl. Schr. d. RA B. vom 07.03.2013, S. 2, Bl. 22 d. GA) und dort wieder angelegt (vgl. Sitzungsniederschrift vom 27.02.2015, S. 13).

28

Wegen dieser und vom Bundesamt in der angefochtenen Entscheidung angeführten Widersprüche und Ungereimtheiten ist das Asylvorbringen des Klägers insgesamt unglaubhaft geblieben. Das Gericht verkennt hierbei nicht, dass der Kläger im Rahmen der mündlichen Verhandlung sowohl den angeblichen Verhörsraum als auch die vernehmenden zwei Personen im Einzelnen beschreiben konnte. Dies rechtfertigt für sich indes keine andere Beurteilung der Glaubhaftigkeit seines Vorbringens. Denn diese Angaben erfolgten jeweils ausschließlich auf ganz konkrete und ins Detail gehende Fragen seines Prozessbevollmächtigten und lassen schon deshalb nicht zwingend den Schluss zu, der Kläger habe von tatsächlich Erlebtem berichtet. Zudem werden hierdurch die oben beschriebenen erheblichen Widersprüche im Vortrag des Klägers nicht ausgeräumt.

29

Ebenso wenig liegen hinreichende Anhaltspunkte dafür vor, dass die gegenwärtige psychische Erkrankung des Klägers sein Aussageverhalten beeinflusst hat bzw. beeinflusst und eine andere Beurteilung der Glaubhaftigkeit seiner Angaben erfordert. Denn maßgeblich ausgelöst wurde die depressive Episode nach Angaben der Frau Dipl.-Psych. S. erst durch den Freitod der Freundin des Klägers im August 2013 und seiner erfolglosen Teilnahme am Hungerstreik in Bitterfeld-Wolfen, ebenfalls im August 2013 (vgl. Psychologische Stellungnahme d. Frau Dipl.-Psych. S. vom 16.05.2014, S. 2, Bl. 46 d. GA) und damit durch Umstände, die nach seiner Anhörung vor dem Bundesamt eingetreten sind. Zudem ist der Kläger auch unter seiner Erkrankung bewusstseinsklar und zeitlich, örtlich wie auch zur Person hin orientiert (vgl. Psychologische Stellungnahme d. Frau Dipl.-Psych. S. vom 16.05.2014, S. 2, Bl. 46 d. GA). Einen entsprechenden Eindruck vermittelte er auch in der mündlichen Verhandlung.

30

Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 83b AsylVfG. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergeht gem. § 167 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 11, 711 ZPO.


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

I.

Die Anträge auf Zulassung der Berufung werden abgelehnt.

II.

Die Klägerinnen haben die Kosten des Zulassungsverfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

1. Der Antrag der Klägerinnen auf Zulassung der Berufung hat keinen Erfolg. Die geltend gemachten Zulassungsgründe der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG), der Divergenz (§ 78 Abs. 3 Nr. 2 AsylVfG) und eines in § 138 VwGO bezeichneten Verfahrensmangels (§ 78 Abs. 3 Nr. 3 AsylVfG) liegen nicht vor.

1.1 Es kann offenbleiben, ob die Klägerinnen eine Divergenz entsprechend den Anforderungen des § 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG hinreichend dargelegt haben. Das Verwaltungsgericht ist jedenfalls nicht von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu den Maßstäben des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG abgewichen. Danach ist die Gefahr, dass sich eine Erkrankung des Ausländers aufgrund der Verhältnisse im Abschiebezielstaat verschlimmert, in der Regel als individuelle Gefahr einzustufen, die am Maßstab des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG in direkter Anwendung zu prüfen ist. Erforderlich, aber auch ausreichend ist in diesen Fällen, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt, das heißt eine wesentliche Verschlimmerung der Erkrankung alsbald nach der Rückkehr des Ausländers droht (vgl. BVerwG, B. v. 17.8.2011 - 10 B 13/11 u. a. - juris). Das Verwaltungsgericht hat ausdrücklich auf diese Rechtsprechung verwiesen und sie auch der Sache nach seiner Entscheidung zugrunde gelegt (vgl. UA S. 7 ff.). Entgegen des Zulassungsvorbringens ist der Rechtssatz, dass eine Suizidalität, die im Zusammenhang mit einer drohenden Ausreise/Abschiebung auftrete, „stets nur“ als inlandsbezogenes Abschiebungsverbot beachtlich sei, im angegriffenen Urteil nicht aufgestellt. Vielmehr ist das Verwaltungsgericht im konkreten Einzelfall davon ausgegangen, dass eine Suizidgefahr „hier“ laut einer Stellungnahme der Fachärztin für Psychiatrie und Psychotherapie Dr. med. G. vom 12. Dezember 2014 nicht ausgeschlossen werden könne und bereits auf die anstehende Ausweisung bzw. deren Vollzug zurückzuführen sei; sie könne deshalb als inlandsbezogenes Vollstreckungshindernis allenfalls von der Ausländerbehörde berücksichtigt werden.

1.2 Die Berufung ist nicht wegen einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache zuzulassen.

Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten ist (Klärungsfähigkeit) sowie zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist (Klärungsbedürftigkeit) und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36).

Die Klägerin zu 1. und die Klägerin zu 2. messen der Rechtssache unter verschiedenen Aspekten eine Grundsatzbedeutung insoweit bei, als das Gericht sie im Hinblick auf die geltend gemachte Bedrohung durch die Familie des (festgenommenen) Mörders ihres Ehemannes bzw. Vaters auf die Hilfe (höherer) staatlicher Stellen und eine inländische Fluchtalternative verwiesen hat.

1.2.1 Sie halten die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob dann, wenn ein Mensch auf eine objektive Bedrohungssituation mit einer posttraumatischen Belastungsstörung, schweren Depressionen und Ängsten reagiert, der Verweis auf die grundsätzliche Möglichkeit einer psychotherapeutischen Behandlung im Herkunftsstaat und hinsichtlich der objektiven Lage auf ein Vermeidungsverhalten durch Umzug sowie Inanspruchnahme staatlicher Hilfe genügen oder ob nicht darüber hinausgehende Feststellungen nötig sind, dass angesichts der Wechselwirkungen zwischen Bedrohungssituation und Psyche die Heilung in dem konkreten Fall im Herkunftsstaat trotzdem nicht möglich ist.

Die Frage war für das Verwaltungsgericht nicht von Bedeutung und würde sich auch in einem Berufungsverfahren nicht stellen. Es kommt nicht darauf an, ob eine Heilung der mit der aufgeworfenen Frage unterstellten Erkrankung im Herkunftsstaat möglich ist. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG setzt, wie unter Nr. 1.1 ausgeführt, voraus, dass sich die vorhandene Erkrankung des Ausländers aufgrund zielstaatsbezogener Umstände in einer Weise verschlimmert, die zu einer erheblichen und konkreten Gefahr für Leib oder Leben führt.

Unabhängig davon ergibt sich aus den im erstinstanzlichen Verfahren vorgelegten ärztlichen Äußerungen nichts Konkretes dazu, dass eine Heilung der dort genannten psychischen Erkrankungen der Klägerinnen nur dann möglich ist, wenn eine Behandlung in Deutschland bzw. nicht im Herkunftsstaat durchgeführt wird. Auch das Zulassungsvorbringen bietet dafür keinen konkreten Anhalt.

1.2.2 Die Klägerinnen werfen als grundsätzlich bedeutsam zudem die Frage auf, ob eine Furcht vor Verfolgung gemäß § 3e AsylVfG dann verneint werden kann, wenn der Betroffene eine ins Krankhafte übersteigerte Furcht vor Verfolgung empfindet, oder ob bei dieser Fallkonstellation aufgrund der Erkrankung ein Verweis auf die interne Fluchtalternative (als unzumutbar oder unverhältnismäßig) ausscheidet.

Diese Frage ist nicht klärungsbedürftig; sie lässt sich ohne Weiteres aus dem Gesetz und der dazu ergangenen obergerichtlichen Rechtsprechung beantworten. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG i. V. m. § 60 Abs. 1 AufenthG ist - unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Vorgaben - einem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen, wenn seine Furcht begründet ist, dass er in seinem Herkunftsland Bedrohungen seines Lebens, seiner Freiheit oder anderer in Art. 9 Abs. 1 Richtlinie 2011/95/EU geschützter Rechtsgüter wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung ausgesetzt ist. Die Furcht vor Verfolgung ist begründet, wenn dem Ausländer die vorgenannten Gefahren aufgrund der in seinem Herkunftsland gegebenen Umstände in Anbetracht seiner individuellen Lage tatsächlich, d. h. mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen (vgl. BVerwG, U. v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 - juris). Nichts anderes gilt für die im Rahmen von § 3e Abs. 1 Nr. 1 AsylVfG zu treffende Feststellung, ob der Ausländer in einem Teil seines Landes keine begründete Furcht vor Verfolgung hat.

1.2.3 Schließlich halten die Klägerinnen für grundsätzlich klärungsbedürftig, ob ein Verweis auf die Hilfe höherer staatlicher Stellen „bei einem psychisch Erkrankten“ möglich oder jedenfalls zumutbar ist oder nicht ins Leere geht, weil die erlangbare staatliche Hilfe nie so umfassend sein kann, dass sie die psychische Bedrohungssituation ausschließt (im Gegensatz zu der Situation, wenn der Betreffende nicht auf sein Herkunftsland verwiesen wird).

Die Frage hat keine grundsätzliche Bedeutung, weil sie sich lediglich unter Berücksichtigung des individuellen Erscheinungsbildes und der jeweiligen Ausprägung einer psychischen Erkrankung und damit nur einzelfallbezogen beantworten lässt.

1.3 Die Klägerinnen machen geltend, das Verwaltungsgericht habe gegen den Grundsatz des rechtlichen Gehörs verstoßen. Es hätte dem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag nachkommen müssen, dass die Klägerin zu 1 schwer psychisch erkrankt sei und bei einer drohenden Abschiebung Suizidgefahr bestehe.

Das führt nicht weiter. Das Verwaltungsgericht hat die bedingt beantragte Vernehmung der Psychotherapeutin Z. als sachverständige Zeugin mangels Entscheidungserheblichkeit nicht für erforderlich gehalten. Nach seiner durch Auswertung vorhandener Erkenntnismittel gewonnenen Auffassung kann eine psychische Erkrankung im Kosovo behandelt werden. Die für den Fall einer Abschiebung behauptete Selbstmordgefahr hat das Verwaltungsgericht als ein inlandsbezogenes Abschiebungshindernis betrachtet, das allenfalls von der Ausländerbehörde zu berücksichtigen ist. Die so begründete Ablehnung des Beweisantrags ist prozessrechtlich nicht zu beanstanden und hätte im Übrigen auch die Ablehnung eines unbedingten Beweisantrags getragen. Eine Beweiserhebung, über Tatsachen, die nach der Rechtsauffassung des Gerichts nicht entscheidungserheblich sind, ist prozessrechtlich unter keinem Gesichtspunkt geboten (vgl. BVerwG, B. v. 30.11.2004 - 1 B 48.04 - juris). Vor diesem Hintergrund kann offenbleiben, ob bei Ablehnung eines Hilfsbeweisantrags der Vorwurf einer Verletzung des rechtlichen Gehörs nur dann begründet ist, wenn sich dem Gericht namentlich im Hinblick auf die angeregte Beweiserhebung eine weitere Beweisaufnahme hätte aufdrängen müssen (so BayVGH, B. v. 8.7.2014 - 2 ZB 14.30156 - juris).

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.

Mit der Ablehnung des Antrags wird das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 5. Februar 2015 rechtskräftig (§ 78 Abs. 5 Satz 2 AsylVfG).

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 21. März 2012 wird zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Die Antragstellerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

I.

Die Antragstellerin ist eine kosovarische Staatsangehörige vom Volk der Ashkali. Ihr Asylantrag wurde von der Antragsgegnerin mit Bescheid vom 8. Oktober 2015 als offensichtlich unbegründet abgelehnt. Ihr wurde die Abschiebung in den Kosovo angedroht. Die Antragstellerin ließ gegen den Bescheid im Verfahren W 6 K 15.30722 Klage erheben und gleichzeitig im vorliegenden Sofortverfahren beantragen,

gemäß § 80 Abs. 5 VwGO die aufschiebende Wirkung der vorliegenden Klage anzuordnen.

Zur Antragsbegründung ließ die Antragstellerin mit Schriftsatz vom 30. Oktober 2015 im Wesentlichen ausführen: Sie sei 70 Jahre alt und müsse im Rollstuhl leben. Sie sei von der Familie ihres Sohnes versorgt und gepflegt worden. Zum Gesundheitszustand werde auf die Angaben gegenüber dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge verwiesen. Es bestehe demnächst die Gefahr, dass sie dialysepflichtig werde. Bereits jetzt stehe fest, dass eine Niere gar nicht arbeite. Die Feststellung zur Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, dass die Antragstellerin über keine Bindungen im Bundesgebiet verfüge, sei im Hinblick auf die seit den neunziger Jahren hier in Deutschland lebenden Söhne unverständlich wie falsch. Mit Schriftsatz vom 5. November 2015 ließ sie noch ein ärztliches Attest vorlegen.

Die Beklagte lehnte den Asylantrag des Sohnes der Antragstellerin als offensichtlich unbegründet ab. Der dagegen erhobene Sofortantrag wurde mit Beschluss des Verwaltungsgerichts Würzburg vom 30. Oktober 2015 (W 6 S 15.30707) abgelehnt.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Gerichtsakte (einschließlich der Akte in der Hauptsache W 6 K 15.30722 sowie des Sohnes W 6 K 15.30706/W 6 S 15.30707) und die beigezogene Behördenakte Bezug genommen.

II.

1. Der Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO ist mangels Rechtsschutzbedürfnisses (Eilbedürftigkeit) für eine Eilentscheidung zum gegenwärtigen Zeitpunkt unzulässig, soweit er sich auf die Nr. 6 des streitgegenständlichen Bescheides (Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbotes) bezieht, weil das Einreise- und Aufenthaltsverbot vom Eintritt der Bedingung einer Abschiebung abhängt und zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht ersichtlich ist, ob die Antragstellerin überhaupt und falls ja wann sie abgeschoben wird. Die Neufassung des § 34a Abs. 2 AsylG (Wochenfrist für Antragstellung) galt zum Zeitpunkt des Erlasses des streitgegenständlichen Bescheides noch nicht; abgesehen davon enthält der Bescheid auch keine dahingehende Belehrung.

2. Der im Übrigen zulässige Antrag gemäß § 80 Abs. 5 VwGO, die aufschiebende Wirkung gegen die im streitgegenständlichen Bescheid enthaltene Ausreiseaufforderung und Abschiebungsandrohung anzuordnen, hat keinen Erfolg. Der Antrag ist unbegründet, da insoweit keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit des Bescheides bestehen (§ 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG).

Das Gericht folgt den Feststellungen und der Begründung im angefochtenen Bescheid und sieht zur Vermeidung von Wiederholungen von einer nochmaligen Darstellung ab (§ 77 Abs. 2 AsylG). Die Ausführungen im Bescheid decken sich mit der bestehenden Erkenntnislage, insbesondere mit dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes (Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kosovo vom 25.11.2014, Stand: September 2014).

Das Vorbringen der Antragstellerin rechtfertigt keine andere Beurteilung.

Zunächst ist festzuhalten, dass die Republik Kosovo mittlerweile als sicheres Herkunftsland gemäß § 29a AsylG eingestuft ist. Die von der Antragstellerin angegebenen Tatsachen und Beweismittel begründen nicht die Annahme, dass ihr abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat politische Verfolgung droht.

Des Weiteren ist im Hinblick auf die - nur unter Vorlage eines kurzen ärztlichen Attestes, obwohl die Antragstellerin schon bei ihrer Anhörung am 10. Februar 2015 nach ärztlichen Unterlagen gefragt wurde - geltend gemachten Erkrankungen (Diabetes, Nierenerkrankung, Bluthochdruck, TBC, Angewiesenheit auf Rollstuhls wegen Lähmung des rechten Beines und des rechten Armes nach Schlaganfall) anzumerken, dass diese Erkrankungen nicht die Annahme einer Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG rechtfertigen. Dem Vorbringen der Antragstellerin lässt sich nicht entnehmen, dass bei einer Abschiebung eine beachtlich wahrscheinlich drohende Gefahr einer Verschlimmerung der Krankheit besteht mit der Folge, dass sich der Gesundheitszustand der Antragstellerin bei den im Kosovo gegebenen Umständen alsbald nach ihrer Rückkehr wesentlich oder gar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Für die Annahme einer derartigen Gefahrenlage fehlen substanziierte Anhaltspunkte (vgl. OVG Saarland, B.v. 16.6.2015 - 2 A 197/14 - juris; BayVGH, B.v. 28.5.2015 - 21 ZB 15.30076 - juris sowie allgemein BVerwG, B.v. 26.11.2014 - 1 B 25/14 - juris). Eine wesentliche Verschlechterung liegt zudem nicht schon bei jeder zu befürchtenden ungünstigen Entwicklung des Gesundheitszustands vor. Abzustellen ist auf die konkrete Situation des Betreffenden, etwa ob eine abstrakt mögliche Behandlung auch für den jeweiligen Ausländer - etwa in räumlicher, zeitlicher und finanzieller Sicht - tatsächlich erreichbar ist (vgl. VG Düsseldorf, G.v. 28.7.2015 - 7 K 5156/14.A - juris; VG Darmstadt, B.v. 22.7.2015 - 2 L 817/15.DA.A). Die gesundheitliche Situation und die Möglichkeiten der medizinischen Versorgung der Antragstellerin stellen sich bei einer Rückkehr in den Kosovo nicht anders dar wie vor der Ausreise und wie bei zahlreichen anderen Landsleuten (auch ihrer Volkszugehörigkeit) im Kosovo. Dies gilt auch angesichts Umstandes, dass sie an den Rollstuhl gebunden und auf die Versorgung bzw. Verpflegung durch Familienangehörige angewiesen ist.

Aus dem vorgelegten Attest ergibt sich nicht, dass es sich bei den Erkrankungen um lebensbedrohliche Erkrankungen handelt, für die eine hinreichende Behandlung im Kosovo nicht möglich bzw. nicht erreichbar ist und die einen Verbleib in der Bundesrepublik Deutschland erfordern.

Die Behandlung der geltend gemachten Erkrankungen ist im Kosovo vielmehr möglich und zumutbar. Medikamente sind nach der Auskunftslage grundsätzlich verfügbar und finanzierbar; gegebenenfalls besteht die Möglichkeit einer Befreiung von der Zuzahlungspflicht (vgl. Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kosovo vom 25.11.2014, Stand: September 2014, S. 21 ff.). Konkret ist im Hinblick auf den geltend gemachten Diabetes anzumerken, dass diese Erkrankung nicht die Annahme einer Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG rechtfertigt, wie mittlerweile obergerichtlich geklärt ist (vgl. HessVGH, U.v. 16.7.2013 - 7 A 1602/12 - juris; NdsOVG, B.v. 10.11.2011 - 8 LB 108/10 - juris; B.v. 28.6.2011 - 8 LB 221/09 - juris). Denn die Behandlung eines Diabetes ist im Kosovo möglich und zumutbar. Medikamente sind nach der Auskunftslage verfügbar und finanzierbar; gegebenenfalls besteht die Möglichkeit einer Befreiung von der Zuzahlungspflicht. Zudem ist Insulin umsonst erhältlich. Da chronisch Kranke von der Zuzahlung im öffentlichen Gesundheitswesen grundsätzlich befreit sind, ist auch eine Langzeitblutzuckerkontrolle im öffentlichen Gesundheitswesen für Diabetiker kostenlos (Auskünfte der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Pristina an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 19.3.2013 und 11.10.2012 sowie an das OVG Mecklenburg-Vorpommern vom 20.2.2013). Des Weiteren ist in verschiedenen Dialysezentren im Kosovo grundsätzlich eine Dialyse durchführbar. Dialysepflichtige Personen gelten als chronisch erkrankt und sind von den Kosten der Behandlung freigestellt. Zugang hat jeder kosovarische Staatsbürger unabhängig von Nationalität, Religion usw. Selbst bei einer chronische Niereninsuffizienz bestünden symptomatische Behandlungsmöglichkeiten bzw. bei Bedarf - ebenso wie bei einer erforderlichen Nierentransplantation - die theoretische Möglichkeit einer Überweisung zur Behandlung im Ausland (Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Pristina an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 17.8.2015; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der Republik Kosovo vom 25.11.2014, Stand: September 2014, S. 25). Des Weiteren sind im Kosovo nach der Auskunftslage Medikamente zur Behandlung von Bluthochdruck verfügbar (Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Pristina an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 14.3.2011). Schließlich ist anzumerken, dass im Gesundheitssystem von Kosovo auch eine Basisversorgung von Patienten mit Tuberkulose (TBC) möglich ist (Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland in Pristina an das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vom 19.3.2010). Eine Behandlung der Tuberkulose hat im Jahr 2010 stattgefunden.

Soweit die Antragstellerin in der Sache allgemein darauf verweist, dass die Behandlungsmöglichkeiten im Kosovo schlechter seien als in der Bundesrepublik Deutschland, ist festzuhalten, dass eventuell alsbald und mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohenden wesentlichen bzw. lebensbedrohlichen Gesundheitsverschlechterungen im Rahmen des kosovarischen Gesundheitssystems begegnet werden kann und muss. Die Antragstellerin kann sich erforderlichenfalls an das nächstgelegene Familien-Gesundheitszentrum wenden bzw. sich auch an Institutionen der sekundären oder tertiären Gesundheitsversorgung überweisen lassen (vgl. HessVGH, U.v. 16.7.2013 - 7 A 1602/12 - juris). Die Antragstellerin ist gehalten, die Möglichkeiten des kosovarischen Gesundheitssystems auszuschöpfen, um eventuelle Gesundheitsgefahren zu vermeiden bzw. jedenfalls zu minimieren. Die Antragstellerin hat selbst eingeräumt, dass in der Vergangenheit eine Versorgung mit Medikamenten für sie möglich und erreichbar gewesen ist. Das Gericht geht davon aus, dass bei einer theoretischen Rückkehr entsprechende Behandlung auch in Zukunft in räumlicher, zeitlicher und finanzieller Hinsicht möglich sein wird (vgl. auch VG München, B.v. 31.7.2015 - M 16 S 15.30983 - juris; VG Bayreuth, U.v. 2.6.2015 - B 3 K 15.30165; OVG Saarland, B.v. 16.6.2015 - 2 A 197/14 - juris; BayVGH, B.v. 28.5.2015 - 21 ZB 15.30076 - juris; VG Hannover, U.v. 19.3.2015 - 12 A 10746/14).

Weiter ist anzumerken, dass die Antragstellerin bei einer Rückkehr in den Kosovo nicht auf sich alleingestellt ist bzw. allein und ohne Unterstützung bleibt. Die Gewährleistung des Existenzminimums und der notwendigen medizinischen Versorgung ist über die (Groß-)Familie sowie durch die Möglichkeit der Erlangung von Sozialleistungen grundsätzlich gesichert (vgl. VG Hannover, B.v. 17.8.2015 - 12 B 3980/15; VG Münster, U.v. 11.5.2015 - W 4 K 802/13.A - juris; VG Oldenburg, U.v. 10.4.2015 - 5 A 1688/14 - juris; VG Regensburg, U.v. 18.2.2015 - RO 6 K 14.30903 - juris). Das Gericht verkennt nicht die schwierigen Lebensverhältnisse im Kosovo. Diese betreffen jedoch jeden Kosovaren bzw. jede Kosovarin - insbesondere auch vom Volk der Ashkali - in vergleichbarer Lage in gleicher Weise.

Des Weiteren ist darauf hinzuweisen, dass die Ausländerbehörde zuständig ist, eventuelle inlandsbezogene Abschiebungshindernisse - etwa eine Reiseunfähigkeit - zu prüfen (§ 60a Abs. 2 AufenthG). Gleichermaßen darf die Ausländerbehörde gemäß § 43 Abs. 3 Satz 1 AsylG die Abschiebung vorübergehend aussetzen, um die gemeinsame Ausreise mit anderen Familienangehörigen zu ermöglichen (VG München, B.v. 31.7.2015 - M 16 S 15.30983 - juris).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.

Abschließend merkt das Gericht an - ohne dass es mangels Zulässigkeit des Antrags entscheidungserheblich darauf ankommt -, dass gewisse Bedenken hinsichtlich der Ermessensausübung bei der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 2 AufenthG bestehen. Denn die Antragsgegnerin verweist im streitgegenständlichen Bescheid einerseits auf die Möglichkeit der Unterstützung durch die zahlreichen nahen Angehörigen im In- und Ausland, die von der Antragstellerin auch ausdrücklich angeführt wurden. Sie führt aber widersprüchlich dazu im Zusammenhang mit der Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots aus, die Antragstellerin verfüge über keine wesentliche Bindungen in Deutschland, die im Rahmen der Ermessensprüfung zu berücksichtigen wären. Die konkrete rechtliche Würdigung dieser von der Antragsgegnerin vorgenommenen Ermessensausübung sowie der daraus sich ergebenden Folgen bleibt dem Hauptsacheverfahren überlassen. Insbesondere wird zu prüfen sein, ob und inwieweit der Antragsgegnerin eine Ergänzung ihrer Ermessenserwägungen möglich ist (§ 114 VwGO) bzw. ob und inwieweit sie im Wege der Abhilfe eventuell eine neue, ermessensfehlerfreie Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ausspricht.

Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 15. Juli 2014 verpflichtet, unter Abänderung des dortigen Bescheides vom 2. Mai 2012 festzustellen, dass in Bezug auf die Klägerin ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG hinsichtlich des Kosovo vorliegt.

Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, trägt die Beklagte.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 v.H. des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.


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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.