Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 12. Juni 2018 - W 1 K 18.51
Tenor
I. Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 29. September 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Januar 2018 verpflichtet, den Diensteintritt des Klägers für die Besoldungsstufenfestsetzung um ein weiteres Jahr auf den 1. März 2003 fiktiv vorzuverlegen.
II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.
Tatbestand
Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 29. September 2017 in der Gestalt der Widerspruchsentscheidung vom 4. Januar 2018 verpflichtet, bei der fiktiven Vorverlegung des Diensteintritts zur Stufenfestlegung für die Bemessung des Grundgehaltes (Art. 31 Abs. 1 BayBesG) einen weiteren Zeitraum vom 1. April 2008 bis 31. März 2009 zu berücksichtigen.
die Klage abzuweisen.
Gründe
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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.
(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
Tenor
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Die einstweilige Anordnung vom 21. Juni 2012 wird für die Dauer von sechs Monaten, längstens jedoch bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde, wiederholt.
Tatbestand
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Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob für Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis außerhalb des Insolvenzverfahrens ein Wahlrecht zwischen Klage und Duldungsbescheid besteht.
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Der Kläger nimmt den Beklagten im Klagewege nach dem Anfechtungsgesetz auf Duldung der Zwangsvollstreckung in drei in dessen Eigentum stehende Geschäftsgrundstücke in Anspruch. Der Klage liegen Gewerbesteuerforderungen gegen die Mutter des Beklagten (im Folgenden Schuldnerin) zugrunde. Der Anspruch des Klägers gegen die Schuldnerin beläuft sich auf 55 955,63 €, wobei sich die Forderung aus rückständigen Gewerbesteuerforderungen, Säumnis- und Verspätungszuschlägen, verschiedenen Gebühren und Nachzahlungszinsen zusammensetzt.
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Die Schuldnerin betrieb auf den früher ihr gehörenden Geschäftsgrundstücken einen gewerblichen Handel. Mit Prüfungsanordnung vom 13. November 2008 ordnete das Finanzamt L. eine Betriebsprüfung für die Jahre 2003 bis 2005 an; am 25. November 2008 wurde der Prüfungszeitraum auf die Jahre ab 2000 erweitert. Noch während der laufenden Betriebsprüfung übertrug die Schuldnerin mit notariellem Überlassungsvertrag vom 19. Februar 2009 die Grundstücke ihrem Sohn - dem Beklagten - unentgeltlich als Schenkung. Nachdem der Kläger der Schuldnerin im Februar 2010 die Einleitung eines Gewerbeuntersagungsverfahrens angedroht hatte, meldete die Schuldnerin ihr Gewerbe im März 2010 ab. Es wird seither unter anderem vom Beklagten weiterbetrieben.
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Nachdem mehrere Vollstreckungsversuche des Klägers gegenüber der Schuldnerin erfolglos geblieben waren und die Schuldnerin die eidesstattliche Versicherung abgegeben hatte, erhob der Kläger gegen den Beklagten beim Landgericht C. Klage nach § 4 Abs. 1 AnfG wegen Gläubigerbenachteiligung und begehrte die Duldung der Zwangsvollstreckung in die Geschäftsgrundstücke. Das Landgericht erklärte den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für zulässig. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten änderte das Oberlandesgericht B. den Beschluss des Landgerichts ab und verwies den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Verwaltungsgericht. Zur Begründung führte es aus: Die Anfechtung wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis im Anwendungsbereich des Anfechtungsgesetzes könne ausschließlich durch Duldungsbescheid erfolgen. Eine Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung vor den ordentlichen Gerichten sei ausgeschlossen.
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Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 11. Februar 2015 abgewiesen. Der Klage fehle das Rechtsschutzbedürfnis, da der Kläger zum Erlass eines Duldungsbescheides aus § 191 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 AO verpflichtet sei. Dafür spreche der eindeutige Wortlaut der abgabenrechtlichen Norm. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Der Verwaltungsgerichtshof hat auf die Berufung des Klägers den Beklagten antragsgemäß zur Duldung der Zwangsvollstreckung verurteilt. Die Klage sei zulässig. Ihr fehle weder das Rechtsschutzbedürfnis noch sei sie kraft Gesetzes unstatthaft. Die Finanzbehörden hätten zur Durchsetzung ihrer Anfechtungsansprüche ein Wahlrecht; sie könnten auf das Instrument eines Duldungsbescheids zurückgreifen oder eine Klage nach dem Anfechtungsgesetz gegen den Dritten erheben.
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Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner vom Berufungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision. Der Wortlaut des § 191 Abs. 1 Satz 2 AO eröffne kein Wahlrecht. Die Regelung sei gegenüber dem Anfechtungsgesetz spezieller. Dem Kläger fehle das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage, da er sein Rechtsschutzziel genauso effektiv auf einfacherem Weg erreichen könne; insbesondere könne er auch mit einem abgabenrechtlichen Duldungsbescheid eine verjährungshemmende Wirkung erzielen. Zudem sei die Geltendmachung des Anfechtungsanspruchs durch Klage für den Bürger unter Kostengesichtspunkten belastender.
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Der Beklagte beantragt,
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das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 18. September 2015 zu ändern und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 11. Februar 2015 zurückzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Revision zurückzuweisen.
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Er verteidigt das Berufungsurteil.
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Die Landesanwaltschaft Bayern und der Vertreter des Bundesinteresses beteiligen sich am Verfahren. Sie teilen die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts.
Entscheidungsgründe
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Die Revision ist zulässig und begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs ist die auf §§ 1, 2, 4, 7, 11 und 13 AnfG gestützte Klage schon kraft Gesetzes unstatthaft.
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Zwar kann eine Behörde nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich auch dann eine Leistungsklage erheben, wenn sie den Anspruch durch Verwaltungsakt geltend machen könnte (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Februar 2011 - 8 C 53.09 - BVerwGE 139, 87 Rn. 12 m.w.N.). Dies gilt aber dann nicht, wenn das zugrunde liegende materielle Recht die Behörde gerade zum Erlass eines Verwaltungsaktes verpflichtet (vgl. BVerwG, Urteile vom 25. Oktober 1967 - 4 C 19.67 - BVerwGE 28, 153 <155> und vom 28. September 1979 - 7 C 22.78 - BVerwGE 58, 316 <318>; ebenso VGH München, Beschluss vom 13. Januar 2011 - 22 ZB 09.1525 - DVBl. 2011, 426 <427> sowie Ehlers, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2016, Vorbemerkung § 40 VwGO Rn. 85 m.w.N.). Dieser Fall liegt hier vor. Denn § 191 Abs. 1 Satz 2 AO, der für die hier streitige Gewerbesteuer als Realsteuer nach § 1 Abs. 2 Nr. 4, § 3 Abs. 2 AO entsprechend gilt, enthält ein solches Gebot zur hoheitlichen Durchsetzung des Anfechtungsanspruchs (1). Der Senat kann ohne Anrufung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe entscheiden, da die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 RsprEinhG für die Einleitung eines Vorlegungsverfahrens nicht gegeben sind (2).
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1. Dem Steuergläubiger steht nach § 191 Abs. 1 Satz 2 AO zur Anfechtung wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis außerhalb des Insolvenzverfahrens kein Wahlrecht zwischen einer Klage nach §§ 7, 13 AnfG und einem Duldungsbescheid zu. Vielmehr hat die Anfechtung zwingend durch Duldungsbescheid zu erfolgen, soweit sie nicht im Wege der Einrede nach § 9 AnfG geltend zu machen ist (ebenso BGH, Beschlüsse vom 27. Juli 2006 - IX ZB 141/05 - ZIP 2006, 1603 und vom 21. September 2006 - IX ZB 187/05 - FamRZ 2006, 1836; OLG Celle, Beschluss vom 6. August 2012 - 13 W 64/12 - juris Rn. 6; OLG Bamberg, Beschluss vom 25. März 2013 - 6 W 7/13 - n.v., S. 3; Huber, Anfechtungsgesetz, 11. Aufl. 2016, § 7 Rn. 24; a.A. BFH, Beschluss vom 1. Dezember 2005 - VII B 95/05 - BFH/NV 2006, 701).
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Maßgebend für die Auslegung von Gesetzen ist der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist. Der Erfassung des objektiven Willens des Gesetzgebers dienen die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung aus dem Wortlaut der Norm, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte. Unter ihnen hat keine einen unbedingten Vorrang vor einer anderen. Sie schließen einander nicht aus, sondern ergänzen sich gegenseitig. Das gilt auch für die Heranziehung der Gesetzesmaterialien, soweit sie auf den objektiven Gesetzesinhalt schließen lassen. Ausgangspunkt der Auslegung ist der Wortlaut der Vorschrift (stRspr, vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 17. Mai 1960 - 2 BvL 11/59 - BVerfGE 11, 126 <130 f.> und Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10, 2 BvR 2883/10, 2 BvR 22 BvR 2155/11 - BVerfGE 133, 168 Rn. 66; BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2015 - 9 C 10.14 - BVerwGE 151, 255 Rn. 18). Nicht entscheidend ist dagegen die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe oder einzelner ihrer Mitglieder über die Bedeutung der Bestimmung. Der Entstehungsgeschichte einer Vorschrift kommt für deren Auslegung nur insofern Bedeutung zu, als sie die Richtigkeit einer nach den angegebenen Grundsätzen ermittelten Auslegung bestätigt oder Zweifel behebt, die auf dem angegebenen Weg allein nicht ausgeräumt werden können (BVerfG, Urteil vom 21. Mai 1952 - 2 BvH 2/52 - BVerfGE 1, 299 <312>; Kammerbeschluss vom 31. März 2016 - 2 BvR 1576/13 - NVwZ-RR 2016, 521 Rn. 63 m.w.N.).
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Hiervon ausgehend ist ein Wahlrecht zwischen Duldungsbescheid und Klage zu verneinen. Für diese Auslegung sprechen der Wortlaut der Norm, die Gesetzessystematik sowie der Normzweck (a - c); demgegenüber lässt sich aus der Entstehungsgeschichte kein klares Ergebnis ableiten, das die gefundene Auslegung maßgeblich beeinflussen könnte (d).
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a) § 191 Abs. 1 AO lautet:
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"Wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner), kann durch Haftungsbescheid, wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, kann durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden. Die Anfechtung wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis außerhalb des Insolvenzverfahrens erfolgt durch Duldungsbescheid, soweit sie nicht im Wege der Einrede nach § 9 des Anfechtungsgesetzes geltend zu machen ist; bei der Berechnung von Fristen nach den §§ 3 und 4 des Anfechtungsgesetzes steht der Erlass eines Duldungsbescheids der gerichtlichen Geltendmachung der Anfechtung nach § 7 Abs. 1 des Anfechtungsgesetzes gleich. Die Bescheide sind schriftlich zu erteilen."
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Der Wortlaut des § 191 Abs. 1 Satz 2 AO spricht durch die apodiktische Formulierung "Die Anfechtung... erfolgt durch Duldungsbescheid" für ein Gebot zur hoheitlichen Durchsetzung des Anfechtungsanspruchs. Denn die Formulierung "erfolgt durch" ist nach juristischem Sprachgebrauch gleichbedeutend mit "Die Anfechtung ... hat durch Duldungsbescheid zu erfolgen". Demgegenüber fehlen Anhaltspunkte für ein Wahlrecht: Die Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung vor den ordentlichen Gerichten wird in der Norm nicht genannt; ein Wahlrecht wird auch nicht durch die Wortfolge "kann ... erfolgen" angedeutet. Vielmehr ist die einzig erwähnte Ausnahme zum Duldungsbescheid die einredeweise Geltendmachung nach § 9 AnfG. Damit spricht der Wortlaut dafür, dass die Anfechtung - abgesehen von der Einrede - ausschließlich durch Erlass eines Duldungsbescheids vorgenommen werden kann.
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b) Die Systematik des Gesetzes stützt dieses Auslegungsergebnis.
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Der in Rede stehende § 191 Abs. 1 Satz 2 AO wurde durch das Gesetz zur Bereinigung von steuerlichen Vorschriften vom 22. Dezember 1999 (BGBl. I S. 2601) neu in den im Übrigen unverändert gelassenen § 191 Abs. 1 AO eingefügt. Er stellt sich damit als spezielleres Gesetz (lex specialis) und zugleich als späteres Gesetz (lex posterior) einerseits gegenüber der allgemeinen Unterscheidung zwischen Haftungs- und Duldungsbescheiden in § 191 Abs. 1 Satz 1 AO und andererseits gegenüber den Anfechtungsregelungen in § 7 Abs. 1 und § 13 AnfG, die eine gerichtliche Geltendmachung des Anfechtungsrechts normieren, dar. Hinsichtlich der Berechnung von Fristen nach den §§ 3 und 4 AnfG steht der Erlass eines Duldungsbescheids der gerichtlichen Geltendmachung der Anfechtung nach § 7 Abs. 1 AnfG ausdrücklich gleich (§ 191 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 AO).
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Für ein Wahlrecht spricht auch nicht die Übergangsvorschrift des Art. 97 § 11b Satz 1 EGAO. Zwar ist danach der mit dem benannten Bereinigungsgesetz vom 22. Dezember 1999 neu eingefügte § 191 Abs. 1 Satz 2 AO rückwirkend zum 1. Januar 1999 anzuwenden, ohne dass das Verhältnis zu bereits erhobenen Klagen nach §§ 7, 13 AnfG klargestellt wird. Wenn die hier auszulegende Norm ihrem Wortlaut entsprechend nur noch den Duldungsbescheid zulässt, könnte dies bedeuten, dass eine in der Zeit von Januar bis Dezember 1999 erhobene Klage rückwirkend unzulässig geworden ist. Dieser Umstand zwingt jedoch nicht zur Annahme eines Wahlrechts. Abgesehen davon, dass einer bloßen Übergangsvorschrift kein entscheidendes Gewicht für die Auslegung einer Hauptregelung zukommt, ließe sich der aufgezeigte Konflikt, sollte er tatsächlich entstanden sein, ohne Weiteres lösen, sei es dadurch, dass man die fristwahrende Wirkung einer während der Übergangszeit schon erhobenen Klage bejaht, sei es durch eine aus Gründen des Vertrauensschutzes gebotene teleologische Reduktion der Übergangsregelung bezüglich der in der Übergangsfrist anhängig gemachten Klagen.
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c) Schließlich spricht auch der Normzweck des § 191 Abs. 1 Satz 2 AO für das gefundene Normverständnis.
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Die Anfechtung ist ein einfaches und wirkungsvolles Mittel, um dem Gläubiger den Vollstreckungszugriff auf Gegenstände zu erhalten, die sein Schuldner in anfechtbarer Weise weggegeben hat. In der Regel wird die Anfechtung im Zivilrechtsweg mittels Klage geltend gemacht (§ 13 AnfG). Für den Sonderfall der Anfechtung wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis regelt § 191 Abs. 1 Satz 2 AO - hiervon abweichend -, dass die Anfechtung durch Duldungsbescheid erfolgt. Der Gläubiger ist hier stets eine Finanzbehörde; dieser wird durch die Regelung die Befugnis zu hoheitlichem Handeln eingeräumt. Es liegt nahe, dass der Gesetzgeber damit zugleich die klageweise Geltendmachung ausschließen wollte, denn durch den Bescheid steht der Behörde bereits ein einfaches, schnelles und kostengünstiges Instrument zur Verfügung, um die Anfechtung geltend zu machen. Da der Duldungsbescheid der Klage hinsichtlich der Anfechtungsfristen ausdrücklich gleichgestellt wird (§ 191 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 AO), ist dieses Instrument auch ebenso effektiv wie eine Klage nach § 13 AnfG (vgl. Huber, Anfechtungsgesetz, 11. Aufl. 2016, § 7 Rn. 24). Für eine daneben bestehende Klagemöglichkeit, also ein Wahlrecht zwischen Duldungsbescheid und Klage, ist kein Bedürfnis erkennbar. Im Gegenteil: Ein Wahlrecht würde kaum lösbare Unklarheiten hinsichtlich des Rechtsweges schaffen, wenn der Anfechtungsgegner eine vorbeugende negative Feststellungsklage gegen eine drohende Anfechtung erhebt. Denn der Rechtsweg könnte nicht eindeutig bestimmt werden, wenn noch offen wäre, ob die Finanzbehörde von ihrer hoheitlichen Befugnis zum Erlass eines Duldungsbescheides Gebrauch machen will oder aber eine Klageerhebung beabsichtigt (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juli 2006 - IX ZB 141/05 - ZIP 2006, 1603 unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 29. November 1990 - IX ZR 265/89 - NJW 1991, 1061).
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d) Demgegenüber lässt sich aus der Entstehungsgeschichte des § 191 Abs. 1 Satz 2 AO kein klares Ergebnis ableiten. Aus den Gesetzesmaterialien lassen sich sowohl Argumente für die obenstehende Auslegung (aa) als auch solche dagegen, also für die Beibehaltung eines Wahlrechts anführen (bb). Angesichts dessen kann aus der historischen Auslegung nicht eindeutig auf den objektiven Gesetzesinhalt geschlossen werden (cc).
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aa) Die nachfolgende Begründung aus den Gesetzgebungsmaterialien zu § 191 Abs. 1 Satz 2 AO (BT-Drs. 14/1514 S. 48) spricht dafür, dass der Gesetzgeber ausschließlich den Erlass eines Duldungsbescheids für die Finanzbehörden vorsehen wollte:
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"Im Interesse der Rechtsklarheit, zur Vermeidung von Haushaltsausfällen und zur Vermeidung erheblichen Aufwandes bei den Amtsgerichten und der Finanzverwaltung soll in § 191 Abs. 1 AO eindeutig geregelt werden, dass die Finanzbehörden die Anfechtung wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis außerhalb des Insolvenzverfahrens auch ab dem 1. Januar 1999 durch Duldungsbescheid vornehmen. Ein Duldungsbescheid ist allerdings wie bisher entbehrlich, wenn die Anfechtung im Wege der Einrede geltend gemacht wird. Die Regelung begründet keine neuen Anfechtungstatbestände."
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Die Formulierung "durch Duldungsbescheid vornehmen" sowie der ausschließliche Hinweis auf die alternative Anfechtung im Wege der Einrede zeigt keinerlei Wahlrecht auf; eine Klage wird nicht erwähnt. Die Beschränkung der Finanzbehörde auf den Duldungsbescheid ist im Übrigen eine klare und eindeutige Regelung, die zur Vermeidung von Haushaltsausfällen dadurch beiträgt, dass der Erlass eines Duldungsbescheids eine einfache und schnelle Möglichkeit darstellt, die Anfechtung vorzunehmen. Auch vermeidet die Anfechtung allein durch Duldungsbescheid Aufwand bei den Zivilgerichten, weil diese mit Klagen der Finanzbehörden nicht mehr befasst werden können. Schließlich dürfte der Erlass eines Duldungsbescheids für die Finanzbehörden in der überwiegenden Zahl der Fälle einen geringeren Aufwand darstellen als die Erhebung einer Klage vor den Zivilgerichten, zumal sich an den Erlass eines Duldungsbescheids nicht immer ein gerichtliches Verfahren anschließt. Demgegenüber lassen sich mit einem Wahlrecht vor allem die Zwecke der Rechtssicherheit sowie der Entlastung der Amtsgerichte und der Finanzverwaltung nicht erreichen.
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bb) Für ein Wahlrecht könnte allerdings die Formulierung sprechen, dass die Finanzbehörden die Anfechtung "auch" ab dem 1. Januar 1999 durch Duldungsbescheid vornehmen. Dies könnte als klarstellender Hinweis dahin verstanden werden, dass lediglich der frühere Rechtszustand wiederhergestellt werden sollte, der im Zuge der Insolvenzrechtsreform mit dem Inkrafttreten des Anfechtungsgesetzes vom 5. Oktober 1994 am 1. Januar 1999 unklar geworden war. Für eine solche Auslegung könnte auch der unmittelbar vorangehende Absatz in der Gesetzesbegründung herangezogen werden:
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"Vor Inkrafttreten des neuen Insolvenzrechtes am 1. Januar 1999 konnten die Finanzbehörden nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und des Bundesverwaltungsgerichts auch denjenigen durch Duldungsbescheid nach § 191 AO in Anspruch nehmen, der nach dem damals geltenden Anfechtungsgesetz verpflichtet war, die Vollstreckung zu dulden (...). Nach dem ab dem 1. Januar 1999 geltenden Anfechtungsgesetz ist dagegen unklar, ob die Finanzbehörden im Falle der Anfechtung außerhalb des Insolvenzverfahrens noch Duldungsbescheide erlassen dürfen oder ob sie die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis im Wege der Klage vor dem Zivilgericht geltend machen müssen."
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Die in Bezug genommene Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und des Bundesverwaltungsgerichts hatte die gängige Praxis der Finanzbehörden, das Anfechtungsrecht auch im Wege eines Duldungsbescheids geltend zu machen, gebilligt. Sie sahen § 191 AO als Spezialregelung gegenüber § 9 AnfG a.F. (§ 13 AnfG n.F.) an, die nicht ihrerseits durch die Möglichkeit der zivilprozessualen Klage verdrängt wurde (vgl. BFH, Urteil vom 2. März 1983 - VII R 120/82 - BFHE 138, 10 <12>; BVerwG, Beschluss vom 28. Juni 1990 - 8 B 64.90 - Buchholz 401.0 § 191 AO Nr. 4 S. 11). Nach der Neufassung des Anfechtungsgesetzes durch das Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung vom 5. Oktober 1994 (BGBl. I S. 2911) war die Rechtslage unklar. Es war umstritten, ob eine andere als die gerichtliche Geltendmachung überhaupt noch möglich sein sollte (bejahend etwa: Fett/Barten, DStZ 1999, 91 <92>; Claßen, DStR 1999, 72 <73>; verneinend etwa Huber, ZIP 1998, 897 <902> und Nerlich/Niehus, AnfG, 2000, § 13 Rn. 24). Ausgelöst wurde dieser Streit vor allem durch die Gesetzesbegründung zur Neufassung des § 7 Abs. 1 AnfG (vgl. BT-Drs. 12/3803 S. 57), in der betont wurde, dass die Anknüpfung der Fristen an die gerichtliche Geltendmachung "mittelbar auch zum Ausdruck (bringe), dass die Finanzbehörden nicht mehr berechtigt sein sollen, das Anfechtungsrecht im Wege des Duldungsbescheids nach § 191 der Abgabenordnung geltend zu machen."
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cc) Eindeutig ist indes auch die vorgenannte Interpretation der Gesetzesmaterialien nicht. So muss die Gegenüberstellung von Duldungsbescheid auf der einen und Klage vor dem Zivilgericht auf der anderen Seite nicht zwingend im Sinne einer gewollten Klarstellung des Wahlrechts ausgelegt werden. Mindestens ebenso naheliegend ist, dass der Gesetzgeber mit § 191 Abs. 1 Satz 2 AO gerade zum Ausdruck bringen wollte, dass nunmehr eine klare und eindeutige Entscheidung für die speziellere Handlungsform, den Duldungsbescheid, getroffen werden sollte.
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Schon angesichts dieser Unklarheiten ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte kein eindeutiges Bild. Damit bleibt es bei dem durch die drei übrigen Auslegungsmethoden gefundenen Ergebnis: Die Anfechtung durch die Finanzbehörde nach § 191 Abs. 1 Satz 2 AO muss - abgesehen von der Einrede - zwingend durch Erlass eines Duldungsbescheids erfolgen.
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2. Die vorstehende Auslegung stimmt nicht mit der Rechtsansicht überein, die der Bundesfinanzhof in seinem Beschluss vom 1. Dezember 2005 - VII B 95/05 - (BFH/NV 2006, 701) vertreten hat. Das nötigt jedoch nicht zu einer Vorlage der Sache an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes gemäß §§ 11 ff. RsprEinhG. Denn die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 RsprEinhG für die Einleitung eines Vorlegungsverfahrens sind nicht gegeben. Der Beschluss des Bundesfinanzhofs beruht nicht auf der unterschiedlichen Beantwortung einer identischen Rechtsfrage im Sinne von § 2 Abs. 1 RsprEinhG.
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Nach § 2 Abs. 1 RsprEinhG muss sich die Rechtsfrage auf der Grundlage von Vorschriften stellen, die in ihrem Regelungsgehalt gänzlich übereinstimmen und nach denselben Prinzipien auszulegen sind (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschlüsse vom 6. Februar 1973 - GmS-OGB 1/72 - BVerwGE 41, 363 <365> und vom 12. März 1987 - GmS-OGB 6/86 - BVerwGE 77, 370 <373>). Darüber hinaus muss die Rechtsfrage sowohl für den erkennenden Senat in der anhängigen Sache als auch für den divergierenden Senat in der bereits entschiedenen Sache entscheidungserheblich sein (BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2015 - 9 C 10.14 - BVerwGE 151, 255 Rn. 34; vgl. BAG, Urteil vom 7. Dezember 2005 - 5 AZR 254/05 - juris Rn. 34; BGH, Beschluss vom 18. Februar 2002 - II ZR 331/00 - NJW 2002, 1207 <1208>; vgl. auch Pietzner, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Anh. § 11 RsprEinhG Rn. 13, Stand Januar 2000).
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An der letztgenannten Voraussetzung fehlt es hier. In der Entscheidung des Bundesfinanzhofs ging es um die damals als rechtsgrundsätzlich aufgeworfenen Fragen, wann das Finanzamt das Recht zum Erlass eines Duldungsbescheides verliert, ob das Finanzamt auch nach dem neuen Anfechtungsgesetz sein Anfechtungsrecht mittels Duldungsbescheids geltend machen kann und ob das Finanzamt gegen Treu und Glauben verstößt, wenn es nach Einziehung der gepfändeten Forderung den Bereicherungsanspruch des Dritten erfüllt und sich dabei die Rückforderung im Wege eines Duldungsbescheids vorbehält. Damit stand bei keiner der Fragen die im vorliegenden Fall entscheidungserhebliche Frage inmitten, ob die Behörde das Anfechtungsrecht statt durch Duldungsbescheid wahlweise durch Klage ausüben kann.
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3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, 2 VwGO.
Gründe
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Die Beschwerde hat keinen Erfolg.
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1. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.
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Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn sich die aufgeworfene Frage im Revisionsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits geklärt ist bzw. aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist (BVerwG, Beschlüsse vom 1. April 2014 - 1 B 1.14 - AuAS 2014, 110 und vom 10. März 2015 - 1 B 7.15 - juris).
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Die Beschwerde hält für grundsätzlich klärungsbedürftig,
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"ob die Streichung des § 100a Abs. 1 BVFG 2001 durch Art. 2 Nr. 2a des Gesetzes zur Änderung des Häftlingshilfegesetzes und zur Bereinigung des Bundesvertriebenengesetzes vom 07.11.2015 dazu geführt hat, dass nunmehr in noch offenen Bescheinigungsverfahren nach § 15 Abs. 1 BVFG von Antragstellern, die vor dem 07.09.2001 im Wege des Aufnahmeverfahrens nach Deutschland übergesiedelt sind und denen hier antragsgemäß oder ohne förmliche bestandskräftige Ablehnung eines Antrags auf Ausstellung einer Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG eine Bescheinigung nach § 15 Abs. 2 BVFG ausgestellt wurde, nicht mehr auf die ab dem 07.09.2001 geltende, sondern auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Übersiedlung nach Deutschland abzustellen ist,
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oder
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ob § 100a Abs. 1 BVFG 2001 trotz Streichung der Vorschrift durch den Gesetzgeber in den vorgenannten Fällen weiterhin anzuwenden ist."
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Dies rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Denn die aufgeworfene Frage kann bereits anhand des Gesetzes unter Berücksichtigung der anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden.
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Nach Art. 20 Abs. 3 GG ist die Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden. Die Gerichte sind kraft der Bindungswirkung einschlägig gültiger Normen zu deren Anwendung verpflichtet, dürfen sich über ihre Gesetzesbindung nicht hinwegsetzen. Der Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 GG) schließt es aus, dass die Gerichte Befugnisse beanspruchen, die die Verfassung dem Gesetzgeber übertragen hat, indem sie sich aus der Rolle des Normanwenders in die einer normsetzenden Instanz begeben und damit der Bindung an Recht und Gesetz entziehen (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 26. September 2011 - 2 BvR 2216/06, 2 BvR 42 BvR 469/07 - NJW 2012, 669 = juris Rn. 44 und vom 23. Mai 2016 - 1 BvR 2230/15, 1 BvR 21 BvR 2231/15 - juris Rn. 36, jeweils m.w.N.).
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Diese Verfassungsgrundsätze verbieten es dem Richter zwar nicht, das Recht fortzuentwickeln. Anlass zu richterlicher Rechtsfortbildung besteht insbesondere dort, wo Programme ausgefüllt, Lücken geschlossen, Wertungswidersprüche aufgelöst werden oder besonderen Umständen des Einzelfalls Rechnung getragen wird (BVerfG, Beschluss vom 6. Juli 2010 - 2 BvR 2661/06 - BVerfGE 126, 286 <306> und Kammerbeschluss vom 26. September 2011 - 2 BvR 2216/06, 2 BvR 42 BvR 469/07 - NJW 2012, 669 = juris Rn. 46). Der Befugnis zur "schöpferischen Rechtsfindung und Rechtsfortbildung" sind allerdings mit Rücksicht auf den aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit unverzichtbaren Grundsatz der Gesetzesbindung der Rechtsprechung Grenzen gesetzt (BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. Mai 2016 - 1 BvR 2230/15, 1 BvR 21 BvR 2231/15 - juris Rn. 37 m.w.N.). Der Richter darf sich nicht dem vom Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck des Gesetzes entziehen. Er muss die gesetzgeberische Grundentscheidung respektieren und den Willen des Gesetzgebers unter gewandelten Bedingungen möglichst zuverlässig zur Geltung bringen. Er hat hierbei den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung zu folgen. Eine Interpretation, die als richterliche Rechtsfortbildung den klaren Wortlaut des Gesetzes hintanstellt, keinen Widerhall im Gesetz findet und vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich oder - bei Vorliegen einer erkennbar planwidrigen Gesetzeslücke - stillschweigend gebilligt wird, greift unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein (BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 2011 - 1 BvR 918/10 - BVerfGE 128, 193 = juris Rn. 53, Kammerbeschlüsse vom 3. März 2015 - 1 BvR 3226/14 - ZGMR 2015, 121 = juris Rn. 18 und vom 23. Mai 2016 - 1 BvR 2230/15, 1 BvR 21 BvR 2231/15 - juris Rn. 39). Rechtsfortbildung überschreitet die zulässigen Grenzen, wenn sie deutlich erkennbare, möglicherweise sogar ausdrücklich im Wortlaut dokumentierte gesetzliche Entscheidungen abändert oder ohne ausreichende Rückbindung an gesetzliche Aussagen neue Regelungen schafft (BVerfG, Beschluss vom 6. Juli 2010 - 2 BvR 2661/06 - BVerfGE 126, 286 <306>). Hat der Gesetzgeber eine eindeutige Entscheidung getroffen, dürfen die Gerichte diese nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern oder durch judikative Lösung ersetzen (BVerwG, Urteil vom 18. April 2013 - 5 C 18.12 - Buchholz 436.511 § 93 SGB VIII Nr. 5 = juris Rn. 22 m.w.N.).
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Nach diesen Maßstäben ist die vom Berufungsgericht vertretene Auffassung, dass die aufgehobene Vorschrift des § 100a Abs. 1 BVFG 2001 auf Fälle der vorliegenden Art nicht anwendbar ist, nicht zu beanstanden. Art. 2 Nr. 2. a) des Gesetzes zur Änderung des Häftlingshilfegesetzes und zur Bereinigung des Bundesvertriebenengesetzes vom 7. November 2015 (BGBl. I S. 1922) ist einer einschränkenden Auslegung dahingehend, dass § 100a Abs. 1 BVFG 2001 trotz Streichung weiterhin ganz oder teilweise anzuwenden ist, nicht zugänglich. Voraussetzung für eine teleologische Reduzierung ist, dass der Wortlaut einer Vorschrift zu weit gefasst ist, diese also auch Fälle umfasst, die der inneren Teleologie (Zielsetzung) des Gesetzes widersprechen. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, weil bei einer Auslegung der Norm in dem Sinne, dass § 100a Abs. 1 BVFG 2001 trotz Streichung als fortbestehend zu behandeln ist, der Aufhebungsakt seines Anwendungsbereichs gänzlich beraubt würde und folglich nicht nur eine Einschränkung des Anwendungsbereichs vorliegen würde. Zwar ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien, dass die Streichung des § 100a Abs. 1 BVFG 2001 lediglich der Rechtsbereinigung dienen sollte und der Gesetzgeber davon ausging, dass sich der Zweck der Norm erledigt habe (BT-Drs. 18/4625 S.11). Diese unzutreffende tatsächliche Einschätzung berechtigt die Judikative indes auch dann nicht, sich über den eindeutig erkennbaren Willen des Gesetzgebers, die Vorschrift aufzuheben, hinwegzusetzen, wenn sie auf einem offenkundigen Irrtum des Gesetzgebers beruhte und etwa die durch die eindeutig gewollte Aufhebung des § 100a Abs. 1 BVFG 2001 bewirkten Rechtsfolgen von dem Gesetzgeber nicht gewollt gewesen wären. Der Gesetzgeber hat daher selbst tätig zu werden, falls er seine irrtümliche Vorstellung, dass die Norm keinen Anwendungsbereich mehr hat, korrigieren will.
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2. Im Übrigen wirft das Beschwerdevorbringen eine bestimmte abstrakte, klärungsbedürftige Rechtsfrage zu einer Norm des revisiblen Rechts nicht auf. Dies gilt insbesondere, soweit die Beschwerde (s. S. 13 der Beschwerdeschrift) Zweifel äußert, ob das Bundesverwaltungsgericht heute noch an der im Urteil vom 19. Oktober 2000 (- 5 C 44.99 -) erfolgten Auslegung des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BVFG festhalten würde.
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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.
(1) Das Grundgehalt wird, soweit nicht gesetzlich etwas Anderes bestimmt ist, nach Stufen bemessen. Dabei erfolgt der Aufstieg in eine nächsthöhere Stufe nach bestimmten Dienstzeiten, in denen anforderungsgerechte Leistungen erbracht wurden (Erfahrungszeiten).
(2) Mit der ersten Ernennung mit Anspruch auf Dienstbezüge im Anwendungsbereich dieses Gesetzes wird ein Grundgehalt der Stufe 1 festgesetzt, soweit nicht Erfahrungszeiten nach § 28 Absatz 1 bis 3 anerkannt werden. Die Stufe wird mit Wirkung vom Ersten des Monats festgesetzt, in dem die Ernennung wirksam wird. Die Stufenfestsetzung ist dem Beamten oder Soldaten schriftlich mitzuteilen. Die Sätze 1 bis 3 gelten entsprechend für
- 1.
die Versetzung, die Übernahme und den Übertritt in den Dienst des Bundes, - 2.
den Wechsel aus einem Amt der Bundesbesoldungsordnungen B, R, W oder C in ein Amt der Bundesbesoldungsordnung A sowie - 3.
die Einstellung eines ehemaligen Beamten, Richters, Berufssoldaten oder Soldaten auf Zeit in ein Amt der Bundesbesoldungsordnung A.
(3) Das Grundgehalt steigt nach Erfahrungszeiten von zwei Jahren in der Stufe 1, von jeweils drei Jahren in den Stufen 2 bis 4 und von jeweils vier Jahren in den Stufen 5 bis 7. Abweichend von Satz 1 beträgt die Erfahrungszeit in den Stufen 5 bis 7 bei Beamten in den Laufbahnen des einfachen Dienstes und bei Soldaten in den Laufbahnen der Mannschaften jeweils drei Jahre. Zeiten ohne Anspruch auf Dienstbezüge verzögern den Aufstieg um diese Zeiten, soweit in § 28 Absatz 5 nicht etwas Anderes bestimmt ist. Die Zeiten sind auf volle Monate abzurunden.
(4) Wird festgestellt, dass die Leistungen des Beamten oder Soldaten nicht den mit dem Amt verbundenen Anforderungen entsprechen, verbleibt er in seiner bisherigen Stufe des Grundgehaltes. Die Feststellung nach Satz 1 erfolgt auf der Grundlage einer geeigneten Leistungseinschätzung. Ist die Leistungseinschätzung älter als zwölf Monate, ist ergänzend eine aktuelle Leistungseinschätzung zu erstellen. Für die Feststellung nach Satz 1 können nur Leistungen berücksichtigt werden, auf die vor der Feststellung hingewiesen wurde.
(5) Wird auf der Grundlage einer weiteren Leistungseinschätzung festgestellt, dass die Leistungen des Beamten oder Soldaten wieder den mit dem Amt verbundenen Anforderungen entsprechen, erfolgt der Aufstieg in die nächsthöhere Stufe am ersten Tag des Monats, in dem diese Feststellung erfolgt. Wird in der Folgezeit festgestellt, dass der Beamte oder Soldat Leistungen erbringt, die die mit dem Amt verbundenen Anforderungen erheblich übersteigen, gilt der von dieser Feststellung erfasste Zeitraum nicht nur als laufende Erfahrungszeit, sondern wird zusätzlich so angerechnet, dass er für die Zukunft die Wirkung eines früheren Verbleibens in der Stufe entsprechend mindert oder aufhebt. Die für diese Anrechnung zu berücksichtigenden Zeiten sind auf volle Monate abzurunden. Maßgebender Zeitpunkt ist der Erste des Monats, in dem die entsprechende Feststellung erfolgt.
(6) Bei dauerhaft herausragenden Leistungen kann Beamten und Soldaten der Bundesbesoldungsordnung A für den Zeitraum bis zum Erreichen der nächsten Stufe das Grundgehalt der nächsthöheren Stufe gezahlt werden (Leistungsstufe). Die Zahl der in einem Kalenderjahr bei einem Dienstherrn vergebenen Leistungsstufen darf 15 Prozent der Zahl der bei dem Dienstherrn vorhandenen Beamten und Soldaten der Bundesbesoldungsordnung A, die das Endgrundgehalt noch nicht erreicht haben, nicht übersteigen. Die Bundesregierung wird ermächtigt, nähere Regelungen durch Rechtsverordnung zu treffen. In der Rechtsverordnung kann zugelassen werden, dass bei Dienstherren mit weniger als sieben Beamten im Sinne des Satzes 2 in jedem Kalenderjahr einem Beamten die Leistungsstufe gewährt wird.
(7) Die Entscheidung nach den Absätzen 4 bis 6 trifft die zuständige oberste Dienstbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle. Sie ist dem Beamten oder Soldaten schriftlich mitzuteilen. Widerspruch, Beschwerde nach der Wehrbeschwerdeordnung und Anfechtungsklage haben keine aufschiebende Wirkung.
(8) In der Probezeit nach § 11 Absatz 1 des Bundesbeamtengesetzes erfolgt das Aufsteigen in den Stufen entsprechend den in Absatz 3 genannten Zeiträumen.
(9) Der Beamte oder Soldat verbleibt in seiner bisherigen Stufe, solange er vorläufig des Dienstes enthoben ist. Führt ein Disziplinarverfahren nicht zur Entfernung aus dem Dienst oder endet das Dienstverhältnis nicht durch Entlassung auf Antrag des Beamten oder Soldaten oder infolge strafgerichtlicher Verurteilung, regelt sich das Aufsteigen im Zeitraum seiner vorläufigen Dienstenthebung nach Absatz 3.
Tenor
I.
Der Berufung wird zurückgewiesen.
II.
Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
II.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.