Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 12. Juni 2018 - W 1 K 18.51

bei uns veröffentlicht am12.06.2018

Gericht

Verwaltungsgericht Würzburg

Tenor

I. Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 29. September 2017 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Januar 2018 verpflichtet, den Diensteintritt des Klägers für die Besoldungsstufenfestsetzung um ein weiteres Jahr auf den 1. März 2003 fiktiv vorzuverlegen.

II. Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die fiktive Vorverlegung seines Diensteintritts zur Stufenfestlegung für die Bemessung des Grundgehaltes um ein weiteres Jahr.

Der am … geborene Kläger war nach seiner Zivildienstzeit, einem Hochschulstudium der Chemie sowie einer Promotionszeit im Zeitraum vom 1. Dezember 2004 bis 31. März 2009 als wissenschaftlicher Angestellter bei der Firma P. beschäftigt. Am 1. April 2009 wurde der Kläger in den Vorbereitungsdienst für die Laufbahn des höheren technischen Gewerbeaufsichtsdienstes eingestellt. Diesen absolvierte er bis zum 31. März 2010 im Angestelltenverhältnis, ab dem 1. April 2010 als Gewerbereferendar im Beamtenverhältnis auf Widerruf. Zum 1. April 2011 wurde der Kläger unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Gewerberat in der Laufbahn des höheren technischen Gewerbeaufsichtsdienstes ernannt und am 1. April 2012 zum Beamten auf Lebenszeit.

Mit Bescheid vom 1. März 2011 wurde dem Antrag des Klägers auf Anerkennung von sonstigen für die Beamtentätigkeit förderlichen hauptberuflichen Beschäftigungszeiten gemäß Art. 31 Abs. 2 Bayerisches Besoldungsgesetz (BayBesG) im Umfang von vier Jahren durch die Regierung von Unterfranken stattgegeben (u.a. ein Jahr und vier Monate bei der Firma P. (1. Dezember 2004 bis 31. März 2006)). Das Bayerische Staatsministerium der Finanzen versagte mit Schreiben vom 29. Juli 2011 sein Einvernehmen zu dieser Anerkennung und bat um entsprechende Abänderung des Bescheides. Mit Schreiben vom 23. Juni 2017 erklärte die Regierung von Unterfranken, dass eine Teilrücknahme des bestandskräftigen Bescheides nunmehr an der Jahresfrist des Art. 48 Abs. 4 BayVwVfG scheitere und der Bescheid nicht mehr abgeändert werden könne.

Hieraufhin wurde der Diensteintritt des Klägers für die Stufenfestsetzung zur Bemessung des Grundgehaltes ausgehend vom tatsächlichen Diensteintritt am 1. April 2011 mit Bescheid des Landesamts für Finanzen vom 29. September 2017 fiktiv um sieben Jahre und einen Monat auf den 1. März 2004 vorverlegt. Hierin enthalten ist u.a. eine Berücksichtigung im Umfang von zwei Jahren (1. April 2006 - 31. März 2008) wegen einer hauptberuflichen Beschäftigung bei der Firma P. nach Art. 31 Abs. 1 Nr. 1 BayBesG.

Mit Schreiben vom 13. Oktober 2017 legte der Kläger Widerspruch gegen diese Entscheidung ein und begehrte die fiktive Vorverlegung um ein weiteres Jahr, da die Tätigkeit bei der Firma P. im Umfang von drei Jahren Berücksichtigung finden müsse. Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 4. Januar 2018 zurückgewiesen.

Gegen diesen Bescheid hat der Kläger am 12. Januar 2018 Klage erhoben mit der Begründung, die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 31 Abs. 1 Nr. 1 Bayerisches Besoldungsgesetz (BayBesG) aufgrund der Tätigkeit bei P. für eine fiktive Vorverlegung um drei Jahre vollumfänglich seien erfüllt. Denn in § 2 Abs. 4 Nr. 2 der Zulassungs-, Ausbildungs- und Prüfungsordnung für den mittleren, gehobenen und höheren technischen Gewerbeaufsichtsdienst vom 3. Mai 2001 sei geregelt, dass in den Vorbereitungsdienst für den höheren technischen Gewerbeaufsichtsdienst eingestellt werden könne, wer nach der Prüfung regelmäßig drei Jahre fachbezogen praktisch tätig gewesen sei. Bei diesen geforderten drei Jahren handele es sich um Zeiten einer in der einschlägigen Laufbahnvorschrift für die Zulassung zur Fachlaufbahn in der entsprechenden Qualifikationsebene zusätzlich zu den Mindestanforderungen nach Art. 7 und 8 Leistungslaufbahngesetz (LlBG) vorgeschriebenen hauptberuflichen Beschäftigung in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis i.S.d. Art. 31 Abs. 1 Nr. 1 BayBesG. Diese Vorschrift sehe einen gebundenen Anspruch vor. Der Wortlaut der Vorschrift sei eindeutig; er enthalte keinen Hinweis auf die vom Beklagten vorgenommene Einschränkung. Bei der gegebenen eindeutigen Gesetzesformulierung verbiete sich ein Rückgriff auf eine weitere Auslegung. Dem Gesetzgeber sei es unbenommen gewesen, etwaige Einschränkungen, insbesondere hinsichtlich bereits von der Besoldungstabelle erfasster Stufenzeiten, im Gesetz selbst zu regeln, was jedoch nicht geschehen sei. Auf die Regelung von Ziffer 31.1.1.7 der Verwaltungsvorschriften zum Bayerischen Besoldungsgesetz könne sich der Beklagte angesichts des eindeutigen Gesetzeswortlauts nicht berufen; es sei nicht möglich, den eindeutigen Gesetzeswortlaut durch Verwaltungsvorschrift einzuschränken.

Der Kläger beantragt,

Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheides vom 29. September 2017 in der Gestalt der Widerspruchsentscheidung vom 4. Januar 2018 verpflichtet, bei der fiktiven Vorverlegung des Diensteintritts zur Stufenfestlegung für die Bemessung des Grundgehaltes (Art. 31 Abs. 1 BayBesG) einen weiteren Zeitraum vom 1. April 2008 bis 31. März 2009 zu berücksichtigen.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung hat der Beklagte ausgeführt, dass mit Inkrafttreten des neuen Dienstrechts auch die Besoldungstabelle überarbeitet worden sei und die angepassten Einstiegsstufen nunmehr insbesondere die üblichen Schul-, Ausbildungs- und Studienzeiten berücksichtigten. Im Rahmen der Ausarbeitung des Gesetzentwurfs sei geprüft worden, wann die Bewerber in den verschiedenen Qualifikationsebenen hauptsächlich in das Beamtenverhältnis eintreten. Daran anknüpfend seien z.B. in der Besoldungsgruppe A 13 zwei mit einem Wert belegte Stufen gestrichen und damit das Anfangsgrundgehalt angehoben worden. Dies zugrunde gelegt sei bei der Anwendung des Art. 31 Abs. 1 Nr. 1 BayBesG zu beachten, dass die vorgesehenen Mindestanforderungen für den Diensteintritt bei der Festlegung der neuen Anfangsstufen bereits Berücksichtigung gefunden hätten. In einem weiteren Schritt sei zu prüfen, ob sich der Qualifikationserwerb für eine Fachlaufbahn so lange verzögert habe, dass dies durch die neue Tabellenstruktur nicht mehr angemessen abgebildet werde. Dies sei regelmäßig dann der Fall, wenn die durch die Eingangsstufe pauschal berücksichtigten Vor- und Ausbildungszeiten im Einzelfall überschritten würden. Pauschal berücksichtigt würden laut Ziffer 31.1.1.7 der Verwaltungsvorschriften zum Bayerischen Besoldungsgesetz für die vierte Qualifikationsebene acht Jahre. Die Zeit des Qualifikationserwerbs sei im konkreten Fall des Klägers mit zehn Jahren zu veranschlagen: Art. 7 Abs. 1 Nr. 4 LlBG: Regelstudienzeit für den Studiengang Chemie: fünf Jahre (= zehn Semester); Art. 8 Abs. 1 Nr. 4 LlBG: Vorbereitungsdienst in der vierten Qualifikationsebene: zwei Jahre; Laufbahnvorschrift für die Fachlaufbahn: Nach der Prüfung ausgeübte hauptberufliche fachbezogene Beschäftigung im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis: drei Jahre. Demzufolge habe der Qualifikationserwerb vorliegend zwei Jahre länger in Anspruch genommen, als dies durch die Tabellenstruktur pauschal berücksichtigt werde. Nach Sinn und Zweck des Gesetzes sei daher die vorgeschriebene hauptberufliche Beschäftigung auch nur im Umfang von zwei Jahren zu berücksichtigen.

Die vom Beklagten im streitgegenständlichen Bescheid berücksichtigte Zeit ergebe sich aus einer systematischen Auslegung sowie einer Auslegung nach Sinn und Zweck des Art. 31 Abs. 1 Nr. 1 BayBesG. Diese Norm sei nicht isoliert zu betrachten, was sich bereits daraus ergebe, dass in Abs. 1 das Wort „Stufenfestlegung“ enthalten sei, wofür die Anlage 3 zum Bayerischen Besoldungsgesetz heranzuziehen sei, in welcher in Tabellenform u.a. die Stufen der jeweiligen Besoldungsordnungen geregelt seien. Dort zeigten sich bei den verschiedenen Besoldungsgruppen Unterschiede die Eingangsstufe betreffend. In der Besoldungsgruppe A 13 etwa erfolge der Einstieg in Stufe 4, wodurch der Gesetzgeber den in der vierten Qualifikationsebene naturgemäß längeren Vor- und Ausbildungszeiten Rechnung getragen habe. Der Gesetzgeber habe durch die Änderung der Eingangsstufen in den Besoldungsgruppen A 13/A 14 die hier wesentliche Entscheidung im Gesetz selbst getroffen. Wie sich aus der Gesetzesbegründung ergebe, habe der Gesetzgeber in der Besoldungsgruppe A 13 zwei Stufen gestrichen (Stufe 3 gestrichen, Stufe 5 wurde zu Stufe 4) und zugleich das Anfangsgrundgehalt angehoben. Vor der Gesetzesänderung seien acht Jahre erforderlich gewesen und nur vier Jahre pauschal berücksichtigt worden, um das Gehalt der Stufe 5 zu erreichen. Nunmehr stehe dieser Betrag bereits dem Einsteiger in der Besoldungsgruppe A 13 zu, was belege, dass die neue Einstiegsstufe 4 der Besoldungsgruppe A 13 acht Jahre pauschal berücksichtigte Vor- und Ausbildungszeiten beinhalte.

Sinn und Zweck des Art. 31 Abs. 1 Nr. 1 BayBesG sei es, einen Nachteilsausgleich für Beamte zu schaffen, bei denen Vor- und Ausbildung (Art. 7, 8 LlBG) abweichend von der Systematik des Leistungslaufbahngesetzes nicht ausreichten, um in die jeweilige Fachlaufbahn eingestellt zu werden. Wenn der Beklagte vorliegend gemäß Art. 31 Abs. 1 Nr. 1 BayBesG drei Jahre berücksichtige, so handele er systemwidrig und dem Sinn und Zweck der Vorschrift zuwiderlaufend. Denn infolge der Überarbeitung der Besoldungsstufen werde im Falle des Klägers bereits eine Vor- und Ausbildungszeit von acht Jahren pauschal berücksichtigt, obwohl diese Zeit insgesamt lediglich sieben Jahre umfasst habe (Regelstudienzeit, Vorbereitungsdienst). Hinzu kämen drei Jahre der hauptberuflichen Beschäftigungszeit; mithin kämen dem Kläger elf Jahre zugute, obwohl der gesamte Zeitraum der Vorbildung, Ausbildung und hauptberuflichen Tätigkeit lediglich zehn Jahre umfasst habe. Eine Berücksichtigung von insgesamt elf Jahren bzw. drei Jahren hauptberuflicher Beschäftigungszeit stelle ersichtlich eine Begünstigung des Klägers dar, die vom Gesetzgeber nicht gewollt sei, da dieser lediglich einen Nachteilsausgleich habe schaffen wollen. Unter Berücksichtigung dessen stehe auch die Verwaltungsvorschrift Ziffer 31.1.1.7 mit Art. 31 Abs. 1 Nr. 1 BayBesG in Einklang, da diese sowohl in der Systematik wie auch im Sinn und Zweck des Gesetzes eine Stütze finde.

Mit Schreiben des Beklagten vom 12. April 2018 sowie des Klägers vom 20. April 2018 haben die Beteiligten ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der vorgelegten Behördenakte sowie der Gerichtsakte verwiesen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger hat nach Art. 31 Abs. 1 Nr. 1 (BayBesG) einen Anspruch darauf, dass der Beklagte den Diensteintritt des Klägers für die Besoldungsstufenfestsetzung unter Abänderung des Bescheides vom 29. September 2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Januar 2018 um ein weiteres Jahr auf den 1. März 2003 fiktiv vorverlegt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Entscheidung konnte ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung ergehen, da die Beteiligten übereinstimmend hierauf verzichtet haben, § 101 Abs. 2 VwGO.

Gemäß Art. 31 Abs. 1 Nr. 1 BayBesG ist der Diensteintritt für die Stufenfestlegung nach Art. 30 Abs. 1 Sätze 2 und 6 um folgende berücksichtigungsfähige Zeiten fiktiv vorzuverlegen: Zeiten einer in den Laufbahnvorschriften für die Zulassung zur Fachlaufbahn in der entsprechenden Qualifikationsebene zusätzlich zu den Mindestanforderungen nach Art. 7 und 8 LlbG vorgeschriebenen hauptberuflichen Beschäftigung in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis.

Der Kläger erfüllt vorliegend sämtliche tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 31 Abs. 1 Nr. 1 BayBesG. Denn nach § 2 Abs. 4 Nr. 2 der Zulassungs-, Ausbildungs- und Prüfungsordnung für den mittleren, gehobenen und höheren technischen Gewerbeaufsichtsdienst (ZAPOtG) in der hier maßgeblichen Fassung vom 3. Mai 2001 konnte der Kläger in den Vorbereitungsdienst seiner Laufbahn des höheren technischen Gewerbeaufsichtsdienstes nur eingestellt werden, wenn er nach der Prüfung regelmäßig drei Jahre fachbezogen praktisch tätig gewesen ist. Bei diesem Erfordernis handelt es sich um eine Zeit einer in der einschlägigen Laufbahnvorschrift vorgeschriebenen hauptberuflichen Beschäftigung in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis i.S.d. Art. 31 Abs. 1 Nr. 1 BayBesG. Diese war auch zusätzlich zu den Mindestanforderungen nach Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 LlbG i.V.m. § 2 Abs. 4 Nr. 1 ZAPOtG (Abschlussprüfung an einer wissenschaftlichen Hochschule in einer für den Gewerbeaufsichtsdienst geeigneten Fachrichtung als Vorbildung) sowie Art. 8 Abs. 1, Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 LlbG i.V.m. §§ 4 ff. ZAPOtG (Vorbereitungsdienst als Ausbildung) als Einstellungsvoraussetzung zu erbringen. Insoweit besteht zwischen den Beteiligten Einigkeit.

Der Kläger war im Zeitraum vom 1. Dezember 2004 bis zum 31. März 2009 insgesamt vier Jahre und vier Monate bei der Firma P. im Rahmen eines privatrechtlichen Arbeitsverhältnisses hauptberuflich fachbezogen tätig. Da dem Kläger mit Bescheid der Regierung von Unterfranken vom 1. März 2011 ein Jahr und vier Monate der Tätigkeit bei P* … * … und weitere zwei Jahre durch Bescheid des Landesamts für Finanzen vom 29. September 2017 für die Stufenfestsetzung anerkannt worden sind, steht auch noch ein Jahr dieser früheren Tätigkeit für eine weitere fiktive Vorverlegung des Diensteintritts zur Verfügung. Nachdem somit die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 31 Abs. 1 Nr. 1 BayBesG vollumfänglich vorliegen, ist der Diensteintritt des Klägers unter Berücksichtigung der Tätigkeit bei P. um ein weiteres Jahr fiktiv auf den 1. März 2003 vorzuverlegen, da die genannte Norm einen gebundenen Anspruch vermittelt.

Ein hiervon abweichendes Ergebnis ergibt sich auch nicht aus der Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Vorschriften, insbesondere – entgegen der Auffassung des Beklagten – nicht aus der Gesetzessystematik der Art. 30, 31 BayBesG i.V.m. Anlage 3 zum Bayerischen Besoldungsgesetz bzw. aus dem Sinn und Zweck der genannten Vorschriften.

Maßgebend für die Auslegung von Gesetzen ist der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist. Der Erfassung des objektiven Willens des Gesetzgebers dienen die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung aus dem Wortlaut der Norm, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte. Unter ihnen hat keine einen unbedingten Vorrang vor einer anderen. Sie schließen einander nicht aus, sondern ergänzen sich gegenseitig. Das gilt auch für die Heranziehung der Gesetzesmaterialien, soweit sie auf den objektiven Gesetzesinhalt schließen lassen. Ausgangspunkt der Auslegung ist der Wortlaut der Vorschrift (stRspr, vgl. etwa BVerfG, B.v. 17.5.1960 - 2 BvL 11/59 – juris; U.v. 19.3.2013 – 2 BvR 2628/10, 2 BvR 2883/10, 2 BvR 2155/11 - juris; BVerwG, U.v. 25.1.2017 - 9 C 30/15 – juris; U.v.19.2.2015 - 9 C 10.14 - juris).

Es ist in diesem Zusammenhang jedoch zu beachten, dass eine Auslegung, die als richterliche Rechtsfortbildung den klaren Wortlaut des Gesetzes hintanstellt, keinen Widerhall im Gesetz findet und vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich oder bei Vorliegen einer erkennbar planwidrigen Gesetzeslücke stillschweigend gebilligt wird, unzulässig in die Kompetenzen des Gesetzgebers eingreift. Rechtsfortbildung überschreitet zulässige Grenzen, wenn sie deutlich erkennbare, möglicherweise sogar ausdrücklich im Wortlaut dokumentierte gesetzliche Entscheidungen abändert oder ohne ausreichende Rückbindung an gesetzliche Aussagen neue Regelungen schafft. Hat der Gesetzgeber eine eindeutige Entscheidung getroffen, dürfen die Gerichte diese nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern oder durch judikative Lösung ersetzen (vgl. BVerwG, B.v. 10.8.2016 – 1 B 83/16 – juris).

Dies zugrunde gelegt ist zunächst zu konstatieren, dass der Wortlaut des Art. 31 Abs. 1 Nr. 1 BayBesG klar und eindeutig für das zuvor dargestellte Ergebnis spricht, wonach Zeiten einer vorgeschriebenen hauptberuflichen Beschäftigung, die zusätzlich zu Vor- und Ausbildung gefordert werden, bei der Stufenfestlegung im Sinne einer zwingenden Vorverlegung des Diensteintritts um eben jene Zeiten zu berücksichtigen sind. Eine Einschränkung dahingehend, dass die zusätzlich vorgeschriebenen Zeiten – hier drei Jahre – nur anteilig zu berücksichtigen sind, soweit diese die durch die Besoldungseingangsstufe der jeweiligen Besoldungsgruppe pauschal berücksichtigten Vor- und Ausbildungszeiten im Einzelfall überschreiten, lässt sich dem Gesetzeswortlaut der genannten Norm in keiner Weise entnehmen, so dass vorliegend eine Berücksichtigung von lediglich zwei der geforderten drei Jahre einer hauptberuflichen Beschäftigung anhand des einschlägigen Wortlauts nicht in Betracht kommt. Etwas anderes ergibt sich auch nicht unter Berücksichtigung des Wortlauts von Art. 30 BayBesG sowie des Inhalts der Besoldungstabelle in Anlage 3 zum BayBesG. Vielmehr überschreitet die vom Beklagten vorgenommene Regelung die Wortlautgrenze.

Soweit der Beklagte für seine Auffassung auf die Systematik sowie Sinn und Zweck der vorliegenden gesetzlichen Regelungen abstellt, so ist hierzu festzustellen, dass nach Art. 30 Abs. 1 Satz 2 BayBesG beim jeweiligen Diensteintritt grundsätzlich die Zuordnung zur ersten mit einem Grundgehaltsbetrag ausgewiesenen Stufe der maßgeblichen Besoldungsgruppe (Anfangsstufe) erfolgt. Lediglich bei Vorliegen besonderer Umstände, die in Art. 31 Abs. 1 und Abs. 2 BayBesG geregelt sind, muss (Abs. 1) bzw. kann (Abs. 2) der Diensteintritt fiktiv vorverlegt werden. Hierbei sind – wie sich aus Art. 31 Abs. 1 Nr. 1 BayBesG ergibt – die Zeiten der stets zu absolvierenden Vor- und Ausbildung nicht geeignet, eine fiktive Vorverlegung des Diensteintritts zu rechtfertigen. Diese regelmäßig entstehenden Zeiträume, die von sämtlichen Regelbewerbern zu durchlaufen sind, sind bereits in der Besoldungsanfangsstufe der jeweiligen Besoldungsgruppe berücksichtigt. Etwas anderes gilt nach Art. 31 Abs. 1 Nr. 1 BayBesG jedoch dann, wenn den Beamtenbewerbern bestimmter Laufbahnen im Vorfeld der Einstellung eine zusätzliche hauptberufliche Tätigkeit abverlangt wird, die andere Bewerber nach den allgemeinen Regelungen des Leistungslaufbahngesetzes nicht zu erbringen haben. In diesen Fällen werden zur Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des öffentlichen Dienstes diese anerkennenswerten Zeiten wie Beamtendienstzeiten behandelt und der Diensteintritt für die Besoldung entsprechend fiktiv vorverlegt (vgl. LTDrs. 16/3200, S. 381). Nachdem der Kläger vorliegend nach § 2 Abs. 4 Nr. 2 ZAPOtG drei Jahre an zusätzlicher hauptberuflicher Tätigkeit zu erbringen hatte, ist auch in gleichem zeitlichen Umfang der Diensteintritt fiktiv vorzuverlegen, sodass eine Berücksichtigung von lediglich zwei Jahren der Tätigkeit bei P. weder der Systematik noch dem Sinn und Zweck des Gesetzes genüge tut. Bei der Anerkennung von drei Jahren handelt es sich entgegen der Auffassung des Beklagten demzufolge auch nicht um eine unzulässige Begünstigung des Klägers, sondern lediglich um einen adäquaten zeitlichen Ausgleich dafür, dass die einschlägige Zulassungsordnung dem Kläger eine dreijährige vordienstliche Tätigkeit zusätzlich abverlangt.

Schließlich lässt sich auch aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte des Art. 31 Abs. 1 Nr. 1 BayBesG nichts für die Auffassung des Beklagten herleiten. Aus der Landtagsdrucksache 16/3200, S. 381, ergibt sich, dass Sinn der Regelung des Art. 31 BayBesG ist, bei der Stufenzuordnung zum einen förderliche Vordienstzeiten und zum anderen familien- und gesellschaftspolitische Zeiten zu berücksichtigen. Um die Wettbewerbsfähigkeit des öffentlichen Dienstes zu stärken, würden anerkennenswerte Zeiten, die Bewerber vor dem tatsächlichen Dienstantritt verbracht haben, wie Beamtendienstzeiten behandelt. Nr. 1 sehe vor, dass Beschäftigungszeiten, die zusätzlich zu den laufbahnrechtlichen Mindestanforderungen der Art. 7 und 8 LlbG für die Zulassung zu einer Fachlaufbahn gefordert werden, Berücksichtigung finden. Woraus sich unter Beachtung dieser Ausführungen die nur zeitanteilige Berücksichtigung der zusätzlich vorgeschriebenen Zeiten ergeben soll, erschließt sich der Kammer nicht. Vielmehr steht gerade das in der Gesetzesbegründung zum Ausdruck kommende Ziel der Stärkung der Wettbewerbsfähigkeit des öffentlichen Dienstes der einschränkenden Auslegung des Beklagten entgegen und bestätigt vielmehr die Richtigkeit des o.g. Ergebnisses.

Dieses Ergebnis wird auch nicht dadurch infrage gestellt, dass der Beklagte vorträgt, dass die Besoldungsanfangsstufe der Besoldungsgruppe A 13 bereits eine Vor- und Ausbildungszeit von insgesamt acht Jahren beinhalte, so dass bei dem hiesigen Kläger, der für seinen Qualifikationserwerb insgesamt zehn Jahre benötigt habe (fünf Jahre Regelstudienzeit, zwei Jahre Vorbereitungsdienst sowie drei Jahre hauptberufliche Beschäftigung im privatrechtlichen Arbeitsverhältnis), nur noch zwei Jahre zusätzlich im Rahmen des Art. 31 Abs. 1 Nr. 1 BayBesG berücksichtigt werden könnten.

Bereits die vom Beklagten angenommene pauschale Berücksichtigung von acht Jahren Vor- und Ausbildungszeit bei einer Einstellung in die vierte Qualifikationsebene lässt sich weder dem Gesetzestext der Art. 30, 31 BayBesG noch der Systematik der Besoldungstabelle (Anlage 3 zum Bayerischen Besoldungsgesetz) entnehmen. Die erste mit einem Wert belegte Stufe in der Besoldungsgruppe A 13 ist die Stufe 4. Diese Stufe könnte bei einem fiktiven Einstieg in der Stufe 1 entsprechend Art. 30 Abs. 2 Satz 2 BayBesG nach sechs Jahren Dienstzeit erreicht werden, so dass unter Berücksichtigung dessen allenfalls von einer in die Besoldungstabelle einbezogenen Vor- und Ausbildungszeit von sechs Jahren ausgegangen werden könnte. Auch der Gesetzesbegründung zum neuen Besoldungsrecht und insbesondere zu Art. 30 BayBesG ist nichts zur Stützung der Auffassung des Beklagten zu entnehmen. Es wird dort ausgeführt (LTDrs. 16/3200, S. 378), dass die Grundgehaltstabelle dahingehend modifiziert werde, dass in der Besoldungsgruppe A 13 die ersten beiden mit einem Wert belegten Stufen gestrichen würden. Damit seien Verschlechterungen gegenüber der bisherigen Systematik nach § 27 BBesG (nach Lebensalter) weitestgehend ausgeschlossen. Für Berufseinsteiger, die sich früh für den Staatsdienst entschieden und ihre Einstiegsqualifikation z.B. durch eine unterdurchschnittliche Studiendauer zügig erwerben, ergäben sich im Vergleich zur alten Systematik Verbesserungen beim Einstiegsgrundgehalt. Hieraus lässt sich nach Überzeugung der Kammer lediglich ableiten, dass die Neuregelung und mit ihr die Streichung zweier Stufen in A 13 von dem Grundgedanken getragen war, Verschlechterungen im Vergleich zum bisherigen System der Besoldung nach Lebensalter zu vermeiden. Zudem hat der Gesetzgeber selbst konzediert, dass künftige Berufseinsteiger, die ihre Laufbahnqualifikation zügig erwerben, Vorteile gegenüber dem bisherigen System hätten, also Verbesserungen infolge der neuen Besoldungsstruktur durchaus möglich und auch gewollt, mindestens aber bewusst in Kauf genommen worden sind. Der Wille des Gesetzgebers, mit der neuen Besoldungstabelle für jede Qualifikationsebene eine spezifische Vor- und Ausbildungszeit festzulegen, lässt sich daraus nicht herleiten. Ebenfalls lässt sich aus den Gesetzesmaterialien nichts dafür entnehmen, dass etwaige besoldungsmäßige Verbesserungen beim Einstiegsgehalt im Rahmen einer Entscheidung nach Art. 31 Abs. 1 Nr. 1 BayBesG im Sinne der Auffassung des Beklagten wieder nivelliert werden sollten.

Eine abweichende Einschätzung zu der vorliegenden Rechtsfrage ergibt sich schließlich auch nicht aus den Erläuterungen zum Nachtragshaushaltsgesetz 2016 (vgl. LTDrs. 17/9416, S. 38 ff.). Dort wurde im Zusammenhang mit der Einfügung von Art. 31 Abs. 2 Sätze 1-3 BayBesG zum 1. Januar 2016 darauf verwiesen, dass im Zuge der Neugestaltung des Dienstrechts pauschal die für die jeweilige Qualifikationsebene erforderliche Vor- und Ausbildung in die Bemessung des Anfangsgrundgehalts einbezogen worden sei (…). In der vierten Qualifikationsebene seien pauschalierend acht Jahre an Vor- und Ausbildungszeit zu Grunde gelegt worden. Der Gesetzgeber sei davon ausgegangen, dass nach Erlangung der allgemeinen Hochschulreife im Regelfall acht Jahre benötigt würden, um die in Art. 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und 8 Abs. 2 Satz 1 Nr. 4 LlbG normierten Mindestanforderungen zu erfüllen. Nach diesem pauschalierenden Ansatz habe das Anfangsgrundgehalt dem Grundgehalt entsprechen müssen, das nach alter Rechtslage mit dem 27. Lebensjahr erreicht worden sei. Um darüber hinaus in Konkurrenz mit der freien Wirtschaft einen Anreiz für Bewerber der vierten Qualifikationsebene zu schaffen, sei in A 13 zusätzlich eine weitere Stufe gestrichen worden. Die Streichung habe grundsätzlich zur Folge, dass Bewerbern im Vergleich zum früheren Recht pauschal vier Jahre an Dienstzeiten mit Erfahrungswert gutgeschrieben würden. Da zwei Jahre an Berufserfahrung bereits pauschal in die erste Stufe einbezogen seien, laufe eine Berücksichtigung der ersten beiden Jahre einer förderlichen hauptberuflichen Beschäftigung in der Regel auf eine doppelte Berücksichtigung desselben Zeitraums hinaus, was vom Gesetzgeber nicht beabsichtigt gewesen sei.

Abgesehen von grundsätzlichen Zweifeln daran, ob die Motive und Erwägungen des Gesetzgebers für die am 1. Januar 2011 in Kraft getretene neue Besoldungsstruktur anhand der Gesetzesbegründung für ein am 1. Januar 2016 in Kraft getretenes Teil-Änderungsgesetz erschlossen werden können, zumal – wie zuvor ausgeführt – derartige Erwägungen in der ursprünglichen Gesetzesbegründung nicht zu finden sind, wird aus der dargelegten Gesetzesbegründung – LTDrs. 17/4 9016, S. 38 ff. – bereits nicht klar, auf welcher tatsächlichen und statistischen Grundlage die (angebliche) Vor- und Ausbildungszeit von acht Jahren in der vierten Qualifikationsebene beruht. Wenig nachvollziehbar verweisen die diesbezüglichen Erläuterungen nicht etwa auf die ursprünglichen Gesetzesmaterialien und dieser zugrundeliegende Erhebungen, sondern lediglich auf ein Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth.

Zentral ist jedoch darüber hinaus, dass selbst dann, wenn der Gesetzgeber in die Anfangsstufe der Besoldungsgruppe A 13 acht Jahre Vor- und Ausbildungszeit einberechnet haben sollte, dies bei gegebener Gesetzeslage nicht zu einer Schmälerung des Anspruchs des Klägers aus Art. 31 Abs. 1 Nr. 1 BayBesG führen kann. Denn wie den Erläuterungen zum Nachtragshaushaltsgesetz 2016 zu entnehmen ist, betrifft dieser Zeitraum von acht Jahren allein die Vor- und Ausbildungszeit nach Art. 7 und 8 LlbG. Im vorliegenden Fall relevante hauptberufliche Beschäftigungszeiten in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis werden davon offensichtlich nicht – auch nicht teilweise – erfasst und sind daher im vorgeschriebenen Umfang vollumfänglich bei einer fiktiven Vorverlegung des Diensteintritts zu berücksichtigen. Zudem wird in den Gesetzesmaterialien mehrfach erwähnt, dass es sich bei den genannten acht Jahren Vor- und Ausbildungszeit um eine Pauschale handelt. Es entspricht dem Wesen einer Pauschale, dass diese den Einzelfall nicht exakt abbildet und hierbei Ungenauigkeiten (im Verhältnis zur tatsächlichen Dauer der jeweiligen Vor- und Ausbildungszeit) zwangsläufig bewusst in Kauf zu nehmen sind. Im Einzelfall können sich aus einer derartigen Pauschale für den jeweiligen Beamten Vor- oder auch Nachteile ergeben, in erster Linie abhängig davon, wie schnell dieser insbesondere seine geforderte Vorbildung absolviert. Es wäre mit dem Wesen einer solchen Pauschale unvereinbar, wenn diese zwar für die Vor- und Ausbildung zugrunde gelegt würde, sie jedoch in Fällen, in denen besondere Zugangsvoraussetzungen für eine Fachlaufbahn gefordert werden, dadurch wieder aufgehoben bzw. relativiert wird, dass in diesen Fällen im Rahmen einer Entscheidung nach Art. 31 Abs. 1 Nr. 1 BayBesG abweichend eine im Einzelfall tatsächlich kürzere Vor- und Ausbildungszeit (hier: sieben Jahre) individuell in die Entscheidung einbezogen wird. Auch die in der Gesetzeserläuterung angesprochene beabsichtigte Anreizfunktion für Bewerber der vierten Qualifikationsebene in Form der Streichung einer weiteren Stufe bei der Einstiegsbesoldung würde durch die vom Beklagten vorgenommene Regelung zumindest teilweise konterkariert. Es ist demgegenüber vielmehr davon auszugehen, dass die Pauschale von acht Jahren für Vor- und Ausbildung sowie die zusätzlich geforderte Zeit der hauptberuflichen Beschäftigung nebeneinander in jeweils vollem Umfang zu berücksichtigen sind. Es ist aus sämtlichen Gesetzesmaterialien nichts dafür ersichtlich, dass Art. 31 Abs. 1 Nr. 1 BayBesG der Gestalt auszulegen ist, dass hierbei eine Pauschale von acht Jahren Vor- und Ausbildungszeit im Ausgangspunkt zugrundezulegen ist und nur noch darüber hinausgehende Zeiten des Qualifikationserwerbs zu einer fiktiven Vorverlegung des Diensteintritts führen könnten.

Entsprechend vorstehender Ausführungen vermag auch die Argumentation des Beklagten, dass mit der Einführung des neuen Dienstrechts am 1. Januar 2011 in der Besoldungsgruppe A 13 zwei mit einem Wert belegte Stufen weggefallen sind und das neue Einstiegsgehalt vor der Reform erst nach acht Jahren Erfahrungszeit zu erreichen gewesen sei, sodass davon auszugehen sei, dass acht Jahre an Vor- und Ausbildungszeit in der Besoldungsstruktur bereits enthalten seien, nicht durchzugreifen. Unabhängig davon müsste sich – bei Richtigkeit der Annahme des Beklagten – auch in den anderen Qualifikationsebenen eine vergleichbare Argumentationslinie erkennen lassen, was nicht der Fall ist. Denn beispielsweise ist in der dritten Qualifikationsebene (A9) eine mit einem Wert belegte Stufe hinzugekommen (Einstieg nunmehr in Stufe 1) und die Einstiegsbesoldung unverändert geblieben. Gleichwohl sind jedoch nach den internen Regelungen des Beklagten in die Besoldungstabelle (mindestens) vier Jahre Vor- und Ausbildungszeit (vgl. BayVwVBes Ziffer 31.1.1.7) einberechnet.

Die zuvor skizzierte Gesetzesänderung, die allein Absatz 2 des Art. 31 BayBesG betroffen hat, zeigt im Umkehrschluss vielmehr, dass der Gesetzgeber trotz Kenntnis der Problematik um eine etwaige doppelte Berücksichtigung bestimmter Zeiten des Qualifikationserwerbs Art. 31 Abs. 1 Nr. 1 BayBesG im Gegensatz zu dessen Abs. 2 unverändert gelassen hat. Es hätte dem Gesetzgeber im Rahmen seines weiten Ermessensspielraums frei gestanden, positiv zu regeln, dass dort nur die Zeiten Berücksichtigung finden dürfen, die über die in der Eingangsstufe der jeweiligen Qualifikationsebene bereits pauschal berücksichtigten Vor- und Ausbildungszeiten hinausgehen. Ohne eine solche ausdrückliche Regelung verbietet sich angesichts des eindeutigen Wortlauts der genannten Norm eine Anspruchseinschränkung, wie sie der Beklagte vorgenommen hat.

Die Verwaltungsvorschrift BayVwVBes Ziffer 31.1.1.7, auf die sich der Beklagte zentral stützt, entfaltet gegenüber der erkennenden Kammer bereits grundsätzlich keine Bindungswirkung (vgl. BVerwG, U.v. 26.6.2002 – 8 C 30/01 - juris; BayVGH, B.v. 26.3.2015 - 3 BV 13.157 – juris). Diese steht überdies angesichts vorstehender Ausführungen mit dem Inhalt der gesetzlichen Vorschrift des Art. 31 Abs. 1 Nr. 1 BayBesG nicht in Einklang und ist daher rechtswidrig. Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass auch in dieser Verwaltungsvorschrift eine objektiv greifbare und nachvollziehbare Herleitung der angeblich pauschal berücksichtigten Vor- und Ausbildungszeit von acht Jahren nicht erkennbar wird. In einem Klammerzusatz wird vielmehr darauf hingewiesen, dass im vorliegenden Zusammenhang nicht an das der neuen Tabellenstruktur zugrunde gelegte Haupteinstiegsalter angeknüpft werde, so dass es bei der – systemwidrigen – Projektion der pauschal berücksichtigten Vor- und Ausbildungszeiten auf einen möglichen Einstieg in die Grundgehaltstabelle zu Abweichungen vom Haupteinstiegsalter kommen könne. Indem eingeräumt wird, dass im Rahmen der Verwaltungsvorschrift gerade nicht an das der neuen Besoldungstabelle zugrunde liegende Haupteinstiegsalter angeknüpft wird, wird der beklagtenseitig als Argumentationsbasis propagierte Zusammenhang mit der neuen Tabellenstruktur gerade wieder aufgelöst.

Nach alledem war der Klage stattzugeben. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 12. Juni 2018 - W 1 K 18.51

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Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 12. Juni 2018 - W 1 K 18.51 zitiert 6 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 101


(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung

Bundesbesoldungsgesetz - BBesG | § 27 Bemessung des Grundgehaltes


(1) Das Grundgehalt wird, soweit nicht gesetzlich etwas Anderes bestimmt ist, nach Stufen bemessen. Dabei erfolgt der Aufstieg in eine nächsthöhere Stufe nach bestimmten Dienstzeiten, in denen anforderungsgerechte Leistungen erbracht wurden (Erfahrun

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Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 12. Juni 2018 - W 1 K 18.51 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

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Tenor Die einstweilige Anordnung vom 21. Juni 2012 wird für die Dauer von sechs Monaten, längstens jedoch bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde, wiederholt.

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

Tenor

Die einstweilige Anordnung vom 21. Juni 2012 wird für die Dauer von sechs Monaten, längstens jedoch bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde, wiederholt.

Tatbestand

1

Der Rechtsstreit betrifft die Frage, ob für Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis außerhalb des Insolvenzverfahrens ein Wahlrecht zwischen Klage und Duldungsbescheid besteht.

2

Der Kläger nimmt den Beklagten im Klagewege nach dem Anfechtungsgesetz auf Duldung der Zwangsvollstreckung in drei in dessen Eigentum stehende Geschäftsgrundstücke in Anspruch. Der Klage liegen Gewerbesteuerforderungen gegen die Mutter des Beklagten (im Folgenden Schuldnerin) zugrunde. Der Anspruch des Klägers gegen die Schuldnerin beläuft sich auf 55 955,63 €, wobei sich die Forderung aus rückständigen Gewerbesteuerforderungen, Säumnis- und Verspätungszuschlägen, verschiedenen Gebühren und Nachzahlungszinsen zusammensetzt.

3

Die Schuldnerin betrieb auf den früher ihr gehörenden Geschäftsgrundstücken einen gewerblichen Handel. Mit Prüfungsanordnung vom 13. November 2008 ordnete das Finanzamt L. eine Betriebsprüfung für die Jahre 2003 bis 2005 an; am 25. November 2008 wurde der Prüfungszeitraum auf die Jahre ab 2000 erweitert. Noch während der laufenden Betriebsprüfung übertrug die Schuldnerin mit notariellem Überlassungsvertrag vom 19. Februar 2009 die Grundstücke ihrem Sohn - dem Beklagten - unentgeltlich als Schenkung. Nachdem der Kläger der Schuldnerin im Februar 2010 die Einleitung eines Gewerbeuntersagungsverfahrens angedroht hatte, meldete die Schuldnerin ihr Gewerbe im März 2010 ab. Es wird seither unter anderem vom Beklagten weiterbetrieben.

4

Nachdem mehrere Vollstreckungsversuche des Klägers gegenüber der Schuldnerin erfolglos geblieben waren und die Schuldnerin die eidesstattliche Versicherung abgegeben hatte, erhob der Kläger gegen den Beklagten beim Landgericht C. Klage nach § 4 Abs. 1 AnfG wegen Gläubigerbenachteiligung und begehrte die Duldung der Zwangsvollstreckung in die Geschäftsgrundstücke. Das Landgericht erklärte den Rechtsweg zu den ordentlichen Gerichten für zulässig. Auf die sofortige Beschwerde des Beklagten änderte das Oberlandesgericht B. den Beschluss des Landgerichts ab und verwies den Rechtsstreit an das örtlich zuständige Verwaltungsgericht. Zur Begründung führte es aus: Die Anfechtung wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis im Anwendungsbereich des Anfechtungsgesetzes könne ausschließlich durch Duldungsbescheid erfolgen. Eine Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung vor den ordentlichen Gerichten sei ausgeschlossen.

5

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 11. Februar 2015 abgewiesen. Der Klage fehle das Rechtsschutzbedürfnis, da der Kläger zum Erlass eines Duldungsbescheides aus § 191 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 1 AO verpflichtet sei. Dafür spreche der eindeutige Wortlaut der abgabenrechtlichen Norm. Etwas anderes ergebe sich auch nicht aus der Entstehungsgeschichte der Vorschrift. Der Verwaltungsgerichtshof hat auf die Berufung des Klägers den Beklagten antragsgemäß zur Duldung der Zwangsvollstreckung verurteilt. Die Klage sei zulässig. Ihr fehle weder das Rechtsschutzbedürfnis noch sei sie kraft Gesetzes unstatthaft. Die Finanzbehörden hätten zur Durchsetzung ihrer Anfechtungsansprüche ein Wahlrecht; sie könnten auf das Instrument eines Duldungsbescheids zurückgreifen oder eine Klage nach dem Anfechtungsgesetz gegen den Dritten erheben.

6

Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner vom Berufungsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zugelassenen Revision. Der Wortlaut des § 191 Abs. 1 Satz 2 AO eröffne kein Wahlrecht. Die Regelung sei gegenüber dem Anfechtungsgesetz spezieller. Dem Kläger fehle das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage, da er sein Rechtsschutzziel genauso effektiv auf einfacherem Weg erreichen könne; insbesondere könne er auch mit einem abgabenrechtlichen Duldungsbescheid eine verjährungshemmende Wirkung erzielen. Zudem sei die Geltendmachung des Anfechtungsanspruchs durch Klage für den Bürger unter Kostengesichtspunkten belastender.

7

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 18. September 2015 zu ändern und die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Bayreuth vom 11. Februar 2015 zurückzuweisen.

8

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

9

Er verteidigt das Berufungsurteil.

10

Die Landesanwaltschaft Bayern und der Vertreter des Bundesinteresses beteiligen sich am Verfahren. Sie teilen die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision ist zulässig und begründet. Das angefochtene Urteil beruht auf der Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs ist die auf §§ 1, 2, 4, 7, 11 und 13 AnfG gestützte Klage schon kraft Gesetzes unstatthaft.

12

Zwar kann eine Behörde nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts grundsätzlich auch dann eine Leistungsklage erheben, wenn sie den Anspruch durch Verwaltungsakt geltend machen könnte (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 23. Februar 2011 - 8 C 53.09 - BVerwGE 139, 87 Rn. 12 m.w.N.). Dies gilt aber dann nicht, wenn das zugrunde liegende materielle Recht die Behörde gerade zum Erlass eines Verwaltungsaktes verpflichtet (vgl. BVerwG, Urteile vom 25. Oktober 1967 - 4 C 19.67 - BVerwGE 28, 153 <155> und vom 28. September 1979 - 7 C 22.78 - BVerwGE 58, 316 <318>; ebenso VGH München, Beschluss vom 13. Januar 2011 - 22 ZB 09.1525 - DVBl. 2011, 426 <427> sowie Ehlers, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Stand Juni 2016, Vorbemerkung § 40 VwGO Rn. 85 m.w.N.). Dieser Fall liegt hier vor. Denn § 191 Abs. 1 Satz 2 AO, der für die hier streitige Gewerbesteuer als Realsteuer nach § 1 Abs. 2 Nr. 4, § 3 Abs. 2 AO entsprechend gilt, enthält ein solches Gebot zur hoheitlichen Durchsetzung des Anfechtungsanspruchs (1). Der Senat kann ohne Anrufung des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe entscheiden, da die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 RsprEinhG für die Einleitung eines Vorlegungsverfahrens nicht gegeben sind (2).

13

1. Dem Steuergläubiger steht nach § 191 Abs. 1 Satz 2 AO zur Anfechtung wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis außerhalb des Insolvenzverfahrens kein Wahlrecht zwischen einer Klage nach §§ 7, 13 AnfG und einem Duldungsbescheid zu. Vielmehr hat die Anfechtung zwingend durch Duldungsbescheid zu erfolgen, soweit sie nicht im Wege der Einrede nach § 9 AnfG geltend zu machen ist (ebenso BGH, Beschlüsse vom 27. Juli 2006 - IX ZB 141/05 - ZIP 2006, 1603 und vom 21. September 2006 - IX ZB 187/05 - FamRZ 2006, 1836; OLG Celle, Beschluss vom 6. August 2012 - 13 W 64/12 - juris Rn. 6; OLG Bamberg, Beschluss vom 25. März 2013 - 6 W 7/13 - n.v., S. 3; Huber, Anfechtungsgesetz, 11. Aufl. 2016, § 7 Rn. 24; a.A. BFH, Beschluss vom 1. Dezember 2005 - VII B 95/05 - BFH/NV 2006, 701).

14

Maßgebend für die Auslegung von Gesetzen ist der in der Norm zum Ausdruck kommende objektivierte Wille des Gesetzgebers, wie er sich aus dem Wortlaut der Vorschrift und dem Sinnzusammenhang ergibt, in den sie hineingestellt ist. Der Erfassung des objektiven Willens des Gesetzgebers dienen die anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung aus dem Wortlaut der Norm, der Systematik, ihrem Sinn und Zweck sowie aus den Gesetzesmaterialien und der Entstehungsgeschichte. Unter ihnen hat keine einen unbedingten Vorrang vor einer anderen. Sie schließen einander nicht aus, sondern ergänzen sich gegenseitig. Das gilt auch für die Heranziehung der Gesetzesmaterialien, soweit sie auf den objektiven Gesetzesinhalt schließen lassen. Ausgangspunkt der Auslegung ist der Wortlaut der Vorschrift (stRspr, vgl. etwa BVerfG, Beschluss vom 17. Mai 1960 - 2 BvL 11/59 - BVerfGE 11, 126 <130 f.> und Urteil vom 19. März 2013 - 2 BvR 2628/10, 2 BvR 2883/10, 2 BvR 22 BvR 2155/11 - BVerfGE 133, 168 Rn. 66; BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2015 - 9 C 10.14 - BVerwGE 151, 255 Rn. 18). Nicht entscheidend ist dagegen die subjektive Vorstellung der am Gesetzgebungsverfahren beteiligten Organe oder einzelner ihrer Mitglieder über die Bedeutung der Bestimmung. Der Entstehungsgeschichte einer Vorschrift kommt für deren Auslegung nur insofern Bedeutung zu, als sie die Richtigkeit einer nach den angegebenen Grundsätzen ermittelten Auslegung bestätigt oder Zweifel behebt, die auf dem angegebenen Weg allein nicht ausgeräumt werden können (BVerfG, Urteil vom 21. Mai 1952 - 2 BvH 2/52 - BVerfGE 1, 299 <312>; Kammerbeschluss vom 31. März 2016 - 2 BvR 1576/13 - NVwZ-RR 2016, 521 Rn. 63 m.w.N.).

15

Hiervon ausgehend ist ein Wahlrecht zwischen Duldungsbescheid und Klage zu verneinen. Für diese Auslegung sprechen der Wortlaut der Norm, die Gesetzessystematik sowie der Normzweck (a - c); demgegenüber lässt sich aus der Entstehungsgeschichte kein klares Ergebnis ableiten, das die gefundene Auslegung maßgeblich beeinflussen könnte (d).

16

a) § 191 Abs. 1 AO lautet:

"Wer kraft Gesetzes für eine Steuer haftet (Haftungsschuldner), kann durch Haftungsbescheid, wer kraft Gesetzes verpflichtet ist, die Vollstreckung zu dulden, kann durch Duldungsbescheid in Anspruch genommen werden. Die Anfechtung wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis außerhalb des Insolvenzverfahrens erfolgt durch Duldungsbescheid, soweit sie nicht im Wege der Einrede nach § 9 des Anfechtungsgesetzes geltend zu machen ist; bei der Berechnung von Fristen nach den §§ 3 und 4 des Anfechtungsgesetzes steht der Erlass eines Duldungsbescheids der gerichtlichen Geltendmachung der Anfechtung nach § 7 Abs. 1 des Anfechtungsgesetzes gleich. Die Bescheide sind schriftlich zu erteilen."

17

Der Wortlaut des § 191 Abs. 1 Satz 2 AO spricht durch die apodiktische Formulierung "Die Anfechtung... erfolgt durch Duldungsbescheid" für ein Gebot zur hoheitlichen Durchsetzung des Anfechtungsanspruchs. Denn die Formulierung "erfolgt durch" ist nach juristischem Sprachgebrauch gleichbedeutend mit "Die Anfechtung ... hat durch Duldungsbescheid zu erfolgen". Demgegenüber fehlen Anhaltspunkte für ein Wahlrecht: Die Klage auf Duldung der Zwangsvollstreckung vor den ordentlichen Gerichten wird in der Norm nicht genannt; ein Wahlrecht wird auch nicht durch die Wortfolge "kann ... erfolgen" angedeutet. Vielmehr ist die einzig erwähnte Ausnahme zum Duldungsbescheid die einredeweise Geltendmachung nach § 9 AnfG. Damit spricht der Wortlaut dafür, dass die Anfechtung - abgesehen von der Einrede - ausschließlich durch Erlass eines Duldungsbescheids vorgenommen werden kann.

18

b) Die Systematik des Gesetzes stützt dieses Auslegungsergebnis.

19

Der in Rede stehende § 191 Abs. 1 Satz 2 AO wurde durch das Gesetz zur Bereinigung von steuerlichen Vorschriften vom 22. Dezember 1999 (BGBl. I S. 2601) neu in den im Übrigen unverändert gelassenen § 191 Abs. 1 AO eingefügt. Er stellt sich damit als spezielleres Gesetz (lex specialis) und zugleich als späteres Gesetz (lex posterior) einerseits gegenüber der allgemeinen Unterscheidung zwischen Haftungs- und Duldungsbescheiden in § 191 Abs. 1 Satz 1 AO und andererseits gegenüber den Anfechtungsregelungen in § 7 Abs. 1 und § 13 AnfG, die eine gerichtliche Geltendmachung des Anfechtungsrechts normieren, dar. Hinsichtlich der Berechnung von Fristen nach den §§ 3 und 4 AnfG steht der Erlass eines Duldungsbescheids der gerichtlichen Geltendmachung der Anfechtung nach § 7 Abs. 1 AnfG ausdrücklich gleich (§ 191 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 AO).

20

Für ein Wahlrecht spricht auch nicht die Übergangsvorschrift des Art. 97 § 11b Satz 1 EGAO. Zwar ist danach der mit dem benannten Bereinigungsgesetz vom 22. Dezember 1999 neu eingefügte § 191 Abs. 1 Satz 2 AO rückwirkend zum 1. Januar 1999 anzuwenden, ohne dass das Verhältnis zu bereits erhobenen Klagen nach §§ 7, 13 AnfG klargestellt wird. Wenn die hier auszulegende Norm ihrem Wortlaut entsprechend nur noch den Duldungsbescheid zulässt, könnte dies bedeuten, dass eine in der Zeit von Januar bis Dezember 1999 erhobene Klage rückwirkend unzulässig geworden ist. Dieser Umstand zwingt jedoch nicht zur Annahme eines Wahlrechts. Abgesehen davon, dass einer bloßen Übergangsvorschrift kein entscheidendes Gewicht für die Auslegung einer Hauptregelung zukommt, ließe sich der aufgezeigte Konflikt, sollte er tatsächlich entstanden sein, ohne Weiteres lösen, sei es dadurch, dass man die fristwahrende Wirkung einer während der Übergangszeit schon erhobenen Klage bejaht, sei es durch eine aus Gründen des Vertrauensschutzes gebotene teleologische Reduktion der Übergangsregelung bezüglich der in der Übergangsfrist anhängig gemachten Klagen.

21

c) Schließlich spricht auch der Normzweck des § 191 Abs. 1 Satz 2 AO für das gefundene Normverständnis.

22

Die Anfechtung ist ein einfaches und wirkungsvolles Mittel, um dem Gläubiger den Vollstreckungszugriff auf Gegenstände zu erhalten, die sein Schuldner in anfechtbarer Weise weggegeben hat. In der Regel wird die Anfechtung im Zivilrechtsweg mittels Klage geltend gemacht (§ 13 AnfG). Für den Sonderfall der Anfechtung wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis regelt § 191 Abs. 1 Satz 2 AO - hiervon abweichend -, dass die Anfechtung durch Duldungsbescheid erfolgt. Der Gläubiger ist hier stets eine Finanzbehörde; dieser wird durch die Regelung die Befugnis zu hoheitlichem Handeln eingeräumt. Es liegt nahe, dass der Gesetzgeber damit zugleich die klageweise Geltendmachung ausschließen wollte, denn durch den Bescheid steht der Behörde bereits ein einfaches, schnelles und kostengünstiges Instrument zur Verfügung, um die Anfechtung geltend zu machen. Da der Duldungsbescheid der Klage hinsichtlich der Anfechtungsfristen ausdrücklich gleichgestellt wird (§ 191 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 AO), ist dieses Instrument auch ebenso effektiv wie eine Klage nach § 13 AnfG (vgl. Huber, Anfechtungsgesetz, 11. Aufl. 2016, § 7 Rn. 24). Für eine daneben bestehende Klagemöglichkeit, also ein Wahlrecht zwischen Duldungsbescheid und Klage, ist kein Bedürfnis erkennbar. Im Gegenteil: Ein Wahlrecht würde kaum lösbare Unklarheiten hinsichtlich des Rechtsweges schaffen, wenn der Anfechtungsgegner eine vorbeugende negative Feststellungsklage gegen eine drohende Anfechtung erhebt. Denn der Rechtsweg könnte nicht eindeutig bestimmt werden, wenn noch offen wäre, ob die Finanzbehörde von ihrer hoheitlichen Befugnis zum Erlass eines Duldungsbescheides Gebrauch machen will oder aber eine Klageerhebung beabsichtigt (vgl. BGH, Beschluss vom 27. Juli 2006 - IX ZB 141/05 - ZIP 2006, 1603 unter Hinweis auf BGH, Urteil vom 29. November 1990 - IX ZR 265/89 - NJW 1991, 1061).

23

d) Demgegenüber lässt sich aus der Entstehungsgeschichte des § 191 Abs. 1 Satz 2 AO kein klares Ergebnis ableiten. Aus den Gesetzesmaterialien lassen sich sowohl Argumente für die obenstehende Auslegung (aa) als auch solche dagegen, also für die Beibehaltung eines Wahlrechts anführen (bb). Angesichts dessen kann aus der historischen Auslegung nicht eindeutig auf den objektiven Gesetzesinhalt geschlossen werden (cc).

24

aa) Die nachfolgende Begründung aus den Gesetzgebungsmaterialien zu § 191 Abs. 1 Satz 2 AO (BT-Drs. 14/1514 S. 48) spricht dafür, dass der Gesetzgeber ausschließlich den Erlass eines Duldungsbescheids für die Finanzbehörden vorsehen wollte:

"Im Interesse der Rechtsklarheit, zur Vermeidung von Haushaltsausfällen und zur Vermeidung erheblichen Aufwandes bei den Amtsgerichten und der Finanzverwaltung soll in § 191 Abs. 1 AO eindeutig geregelt werden, dass die Finanzbehörden die Anfechtung wegen Ansprüchen aus dem Steuerschuldverhältnis außerhalb des Insolvenzverfahrens auch ab dem 1. Januar 1999 durch Duldungsbescheid vornehmen. Ein Duldungsbescheid ist allerdings wie bisher entbehrlich, wenn die Anfechtung im Wege der Einrede geltend gemacht wird. Die Regelung begründet keine neuen Anfechtungstatbestände."

25

Die Formulierung "durch Duldungsbescheid vornehmen" sowie der ausschließliche Hinweis auf die alternative Anfechtung im Wege der Einrede zeigt keinerlei Wahlrecht auf; eine Klage wird nicht erwähnt. Die Beschränkung der Finanzbehörde auf den Duldungsbescheid ist im Übrigen eine klare und eindeutige Regelung, die zur Vermeidung von Haushaltsausfällen dadurch beiträgt, dass der Erlass eines Duldungsbescheids eine einfache und schnelle Möglichkeit darstellt, die Anfechtung vorzunehmen. Auch vermeidet die Anfechtung allein durch Duldungsbescheid Aufwand bei den Zivilgerichten, weil diese mit Klagen der Finanzbehörden nicht mehr befasst werden können. Schließlich dürfte der Erlass eines Duldungsbescheids für die Finanzbehörden in der überwiegenden Zahl der Fälle einen geringeren Aufwand darstellen als die Erhebung einer Klage vor den Zivilgerichten, zumal sich an den Erlass eines Duldungsbescheids nicht immer ein gerichtliches Verfahren anschließt. Demgegenüber lassen sich mit einem Wahlrecht vor allem die Zwecke der Rechtssicherheit sowie der Entlastung der Amtsgerichte und der Finanzverwaltung nicht erreichen.

26

bb) Für ein Wahlrecht könnte allerdings die Formulierung sprechen, dass die Finanzbehörden die Anfechtung "auch" ab dem 1. Januar 1999 durch Duldungsbescheid vornehmen. Dies könnte als klarstellender Hinweis dahin verstanden werden, dass lediglich der frühere Rechtszustand wiederhergestellt werden sollte, der im Zuge der Insolvenzrechtsreform mit dem Inkrafttreten des Anfechtungsgesetzes vom 5. Oktober 1994 am 1. Januar 1999 unklar geworden war. Für eine solche Auslegung könnte auch der unmittelbar vorangehende Absatz in der Gesetzesbegründung herangezogen werden:

"Vor Inkrafttreten des neuen Insolvenzrechtes am 1. Januar 1999 konnten die Finanzbehörden nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und des Bundesverwaltungsgerichts auch denjenigen durch Duldungsbescheid nach § 191 AO in Anspruch nehmen, der nach dem damals geltenden Anfechtungsgesetz verpflichtet war, die Vollstreckung zu dulden (...). Nach dem ab dem 1. Januar 1999 geltenden Anfechtungsgesetz ist dagegen unklar, ob die Finanzbehörden im Falle der Anfechtung außerhalb des Insolvenzverfahrens noch Duldungsbescheide erlassen dürfen oder ob sie die Ansprüche aus dem Steuerschuldverhältnis im Wege der Klage vor dem Zivilgericht geltend machen müssen."

27

Die in Bezug genommene Rechtsprechung des Bundesfinanzhofs und des Bundesverwaltungsgerichts hatte die gängige Praxis der Finanzbehörden, das Anfechtungsrecht auch im Wege eines Duldungsbescheids geltend zu machen, gebilligt. Sie sahen § 191 AO als Spezialregelung gegenüber § 9 AnfG a.F. (§ 13 AnfG n.F.) an, die nicht ihrerseits durch die Möglichkeit der zivilprozessualen Klage verdrängt wurde (vgl. BFH, Urteil vom 2. März 1983 - VII R 120/82 - BFHE 138, 10 <12>; BVerwG, Beschluss vom 28. Juni 1990 - 8 B 64.90 - Buchholz 401.0 § 191 AO Nr. 4 S. 11). Nach der Neufassung des Anfechtungsgesetzes durch das Einführungsgesetz zur Insolvenzordnung vom 5. Oktober 1994 (BGBl. I S. 2911) war die Rechtslage unklar. Es war umstritten, ob eine andere als die gerichtliche Geltendmachung überhaupt noch möglich sein sollte (bejahend etwa: Fett/Barten, DStZ 1999, 91 <92>; Claßen, DStR 1999, 72 <73>; verneinend etwa Huber, ZIP 1998, 897 <902> und Nerlich/Niehus, AnfG, 2000, § 13 Rn. 24). Ausgelöst wurde dieser Streit vor allem durch die Gesetzesbegründung zur Neufassung des § 7 Abs. 1 AnfG (vgl. BT-Drs. 12/3803 S. 57), in der betont wurde, dass die Anknüpfung der Fristen an die gerichtliche Geltendmachung "mittelbar auch zum Ausdruck (bringe), dass die Finanzbehörden nicht mehr berechtigt sein sollen, das Anfechtungsrecht im Wege des Duldungsbescheids nach § 191 der Abgabenordnung geltend zu machen."

28

cc) Eindeutig ist indes auch die vorgenannte Interpretation der Gesetzesmaterialien nicht. So muss die Gegenüberstellung von Duldungsbescheid auf der einen und Klage vor dem Zivilgericht auf der anderen Seite nicht zwingend im Sinne einer gewollten Klarstellung des Wahlrechts ausgelegt werden. Mindestens ebenso naheliegend ist, dass der Gesetzgeber mit § 191 Abs. 1 Satz 2 AO gerade zum Ausdruck bringen wollte, dass nunmehr eine klare und eindeutige Entscheidung für die speziellere Handlungsform, den Duldungsbescheid, getroffen werden sollte.

29

Schon angesichts dieser Unklarheiten ergibt sich aus der Entstehungsgeschichte kein eindeutiges Bild. Damit bleibt es bei dem durch die drei übrigen Auslegungsmethoden gefundenen Ergebnis: Die Anfechtung durch die Finanzbehörde nach § 191 Abs. 1 Satz 2 AO muss - abgesehen von der Einrede - zwingend durch Erlass eines Duldungsbescheids erfolgen.

30

2. Die vorstehende Auslegung stimmt nicht mit der Rechtsansicht überein, die der Bundesfinanzhof in seinem Beschluss vom 1. Dezember 2005 - VII B 95/05 - (BFH/NV 2006, 701) vertreten hat. Das nötigt jedoch nicht zu einer Vorlage der Sache an den Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes gemäß §§ 11 ff. RsprEinhG. Denn die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 RsprEinhG für die Einleitung eines Vorlegungsverfahrens sind nicht gegeben. Der Beschluss des Bundesfinanzhofs beruht nicht auf der unterschiedlichen Beantwortung einer identischen Rechtsfrage im Sinne von § 2 Abs. 1 RsprEinhG.

31

Nach § 2 Abs. 1 RsprEinhG muss sich die Rechtsfrage auf der Grundlage von Vorschriften stellen, die in ihrem Regelungsgehalt gänzlich übereinstimmen und nach denselben Prinzipien auszulegen sind (Gemeinsamer Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes, Beschlüsse vom 6. Februar 1973 - GmS-OGB 1/72 - BVerwGE 41, 363 <365> und vom 12. März 1987 - GmS-OGB 6/86 - BVerwGE 77, 370 <373>). Darüber hinaus muss die Rechtsfrage sowohl für den erkennenden Senat in der anhängigen Sache als auch für den divergierenden Senat in der bereits entschiedenen Sache entscheidungserheblich sein (BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2015 - 9 C 10.14 - BVerwGE 151, 255 Rn. 34; vgl. BAG, Urteil vom 7. Dezember 2005 - 5 AZR 254/05 - juris Rn. 34; BGH, Beschluss vom 18. Februar 2002 - II ZR 331/00 - NJW 2002, 1207 <1208>; vgl. auch Pietzner, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, Anh. § 11 RsprEinhG Rn. 13, Stand Januar 2000).

32

An der letztgenannten Voraussetzung fehlt es hier. In der Entscheidung des Bundesfinanzhofs ging es um die damals als rechtsgrundsätzlich aufgeworfenen Fragen, wann das Finanzamt das Recht zum Erlass eines Duldungsbescheides verliert, ob das Finanzamt auch nach dem neuen Anfechtungsgesetz sein Anfechtungsrecht mittels Duldungsbescheids geltend machen kann und ob das Finanzamt gegen Treu und Glauben verstößt, wenn es nach Einziehung der gepfändeten Forderung den Bereicherungsanspruch des Dritten erfüllt und sich dabei die Rückforderung im Wege eines Duldungsbescheids vorbehält. Damit stand bei keiner der Fragen die im vorliegenden Fall entscheidungserhebliche Frage inmitten, ob die Behörde das Anfechtungsrecht statt durch Duldungsbescheid wahlweise durch Klage ausüben kann.

33

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, 2 VwGO.

Gründe

1

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Der geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.

3

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn sich die aufgeworfene Frage im Revisionsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits geklärt ist bzw. aufgrund des Gesetzeswortlauts mit Hilfe der üblichen Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist (BVerwG, Beschlüsse vom 1. April 2014 - 1 B 1.14 - AuAS 2014, 110 und vom 10. März 2015 - 1 B 7.15 - juris).

4

Die Beschwerde hält für grundsätzlich klärungsbedürftig,

"ob die Streichung des § 100a Abs. 1 BVFG 2001 durch Art. 2 Nr. 2a des Gesetzes zur Änderung des Häftlingshilfegesetzes und zur Bereinigung des Bundesvertriebenengesetzes vom 07.11.2015 dazu geführt hat, dass nunmehr in noch offenen Bescheinigungsverfahren nach § 15 Abs. 1 BVFG von Antragstellern, die vor dem 07.09.2001 im Wege des Aufnahmeverfahrens nach Deutschland übergesiedelt sind und denen hier antragsgemäß oder ohne förmliche bestandskräftige Ablehnung eines Antrags auf Ausstellung einer Bescheinigung nach § 15 Abs. 1 BVFG eine Bescheinigung nach § 15 Abs. 2 BVFG ausgestellt wurde, nicht mehr auf die ab dem 07.09.2001 geltende, sondern auf die Rechtslage zum Zeitpunkt der Übersiedlung nach Deutschland abzustellen ist,

oder

ob § 100a Abs. 1 BVFG 2001 trotz Streichung der Vorschrift durch den Gesetzgeber in den vorgenannten Fällen weiterhin anzuwenden ist."

5

Dies rechtfertigt nicht die Zulassung der Revision. Denn die aufgeworfene Frage kann bereits anhand des Gesetzes unter Berücksichtigung der anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden.

6

Nach Art. 20 Abs. 3 GG ist die Rechtsprechung an Gesetz und Recht gebunden. Die Gerichte sind kraft der Bindungswirkung einschlägig gültiger Normen zu deren Anwendung verpflichtet, dürfen sich über ihre Gesetzesbindung nicht hinwegsetzen. Der Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 GG) schließt es aus, dass die Gerichte Befugnisse beanspruchen, die die Verfassung dem Gesetzgeber übertragen hat, indem sie sich aus der Rolle des Normanwenders in die einer normsetzenden Instanz begeben und damit der Bindung an Recht und Gesetz entziehen (BVerfG, Kammerbeschlüsse vom 26. September 2011 - 2 BvR 2216/06, 2 BvR 42 BvR 469/07 - NJW 2012, 669 = juris Rn. 44 und vom 23. Mai 2016 - 1 BvR 2230/15, 1 BvR 21 BvR 2231/15 - juris Rn. 36, jeweils m.w.N.).

7

Diese Verfassungsgrundsätze verbieten es dem Richter zwar nicht, das Recht fortzuentwickeln. Anlass zu richterlicher Rechtsfortbildung besteht insbesondere dort, wo Programme ausgefüllt, Lücken geschlossen, Wertungswidersprüche aufgelöst werden oder besonderen Umständen des Einzelfalls Rechnung getragen wird (BVerfG, Beschluss vom 6. Juli 2010 - 2 BvR 2661/06 - BVerfGE 126, 286 <306> und Kammerbeschluss vom 26. September 2011 - 2 BvR 2216/06, 2 BvR 42 BvR 469/07 - NJW 2012, 669 = juris Rn. 46). Der Befugnis zur "schöpferischen Rechtsfindung und Rechtsfortbildung" sind allerdings mit Rücksicht auf den aus Gründen der Rechtsstaatlichkeit unverzichtbaren Grundsatz der Gesetzesbindung der Rechtsprechung Grenzen gesetzt (BVerfG, Kammerbeschluss vom 23. Mai 2016 - 1 BvR 2230/15, 1 BvR 21 BvR 2231/15 - juris Rn. 37 m.w.N.). Der Richter darf sich nicht dem vom Gesetzgeber festgelegten Sinn und Zweck des Gesetzes entziehen. Er muss die gesetzgeberische Grundentscheidung respektieren und den Willen des Gesetzgebers unter gewandelten Bedingungen möglichst zuverlässig zur Geltung bringen. Er hat hierbei den anerkannten Methoden der Gesetzesauslegung zu folgen. Eine Interpretation, die als richterliche Rechtsfortbildung den klaren Wortlaut des Gesetzes hintanstellt, keinen Widerhall im Gesetz findet und vom Gesetzgeber nicht ausdrücklich oder - bei Vorliegen einer erkennbar planwidrigen Gesetzeslücke - stillschweigend gebilligt wird, greift unzulässig in die Kompetenzen des demokratisch legitimierten Gesetzgebers ein (BVerfG, Beschluss vom 25. Januar 2011 - 1 BvR 918/10 - BVerfGE 128, 193 = juris Rn. 53, Kammerbeschlüsse vom 3. März 2015 - 1 BvR 3226/14 - ZGMR 2015, 121 = juris Rn. 18 und vom 23. Mai 2016 - 1 BvR 2230/15, 1 BvR 21 BvR 2231/15 - juris Rn. 39). Rechtsfortbildung überschreitet die zulässigen Grenzen, wenn sie deutlich erkennbare, möglicherweise sogar ausdrücklich im Wortlaut dokumentierte gesetzliche Entscheidungen abändert oder ohne ausreichende Rückbindung an gesetzliche Aussagen neue Regelungen schafft (BVerfG, Beschluss vom 6. Juli 2010 - 2 BvR 2661/06 - BVerfGE 126, 286 <306>). Hat der Gesetzgeber eine eindeutige Entscheidung getroffen, dürfen die Gerichte diese nicht aufgrund eigener rechtspolitischer Vorstellungen verändern oder durch judikative Lösung ersetzen (BVerwG, Urteil vom 18. April 2013 - 5 C 18.12 - Buchholz 436.511 § 93 SGB VIII Nr. 5 = juris Rn. 22 m.w.N.).

8

Nach diesen Maßstäben ist die vom Berufungsgericht vertretene Auffassung, dass die aufgehobene Vorschrift des § 100a Abs. 1 BVFG 2001 auf Fälle der vorliegenden Art nicht anwendbar ist, nicht zu beanstanden. Art. 2 Nr. 2. a) des Gesetzes zur Änderung des Häftlingshilfegesetzes und zur Bereinigung des Bundesvertriebenengesetzes vom 7. November 2015 (BGBl. I S. 1922) ist einer einschränkenden Auslegung dahingehend, dass § 100a Abs. 1 BVFG 2001 trotz Streichung weiterhin ganz oder teilweise anzuwenden ist, nicht zugänglich. Voraussetzung für eine teleologische Reduzierung ist, dass der Wortlaut einer Vorschrift zu weit gefasst ist, diese also auch Fälle umfasst, die der inneren Teleologie (Zielsetzung) des Gesetzes widersprechen. Ein solcher Fall liegt hier nicht vor, weil bei einer Auslegung der Norm in dem Sinne, dass § 100a Abs. 1 BVFG 2001 trotz Streichung als fortbestehend zu behandeln ist, der Aufhebungsakt seines Anwendungsbereichs gänzlich beraubt würde und folglich nicht nur eine Einschränkung des Anwendungsbereichs vorliegen würde. Zwar ergibt sich aus den Gesetzesmaterialien, dass die Streichung des § 100a Abs. 1 BVFG 2001 lediglich der Rechtsbereinigung dienen sollte und der Gesetzgeber davon ausging, dass sich der Zweck der Norm erledigt habe (BT-Drs. 18/4625 S.11). Diese unzutreffende tatsächliche Einschätzung berechtigt die Judikative indes auch dann nicht, sich über den eindeutig erkennbaren Willen des Gesetzgebers, die Vorschrift aufzuheben, hinwegzusetzen, wenn sie auf einem offenkundigen Irrtum des Gesetzgebers beruhte und etwa die durch die eindeutig gewollte Aufhebung des § 100a Abs. 1 BVFG 2001 bewirkten Rechtsfolgen von dem Gesetzgeber nicht gewollt gewesen wären. Der Gesetzgeber hat daher selbst tätig zu werden, falls er seine irrtümliche Vorstellung, dass die Norm keinen Anwendungsbereich mehr hat, korrigieren will.

9

2. Im Übrigen wirft das Beschwerdevorbringen eine bestimmte abstrakte, klärungsbedürftige Rechtsfrage zu einer Norm des revisiblen Rechts nicht auf. Dies gilt insbesondere, soweit die Beschwerde (s. S. 13 der Beschwerdeschrift) Zweifel äußert, ob das Bundesverwaltungsgericht heute noch an der im Urteil vom 19. Oktober 2000 (- 5 C 44.99 -) erfolgten Auslegung des § 6 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 BVFG festhalten würde.

10

3. Von einer weitergehenden Begründung sieht der Senat ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

11

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 2 GKG.

(1) Das Grundgehalt wird, soweit nicht gesetzlich etwas Anderes bestimmt ist, nach Stufen bemessen. Dabei erfolgt der Aufstieg in eine nächsthöhere Stufe nach bestimmten Dienstzeiten, in denen anforderungsgerechte Leistungen erbracht wurden (Erfahrungszeiten).

(2) Mit der ersten Ernennung mit Anspruch auf Dienstbezüge im Anwendungsbereich dieses Gesetzes wird ein Grundgehalt der Stufe 1 festgesetzt, soweit nicht Erfahrungszeiten nach § 28 Absatz 1 bis 3 anerkannt werden. Die Stufe wird mit Wirkung vom Ersten des Monats festgesetzt, in dem die Ernennung wirksam wird. Die Stufenfestsetzung ist dem Beamten oder Soldaten schriftlich mitzuteilen. Die Sätze 1 bis 3 gelten entsprechend für

1.
die Versetzung, die Übernahme und den Übertritt in den Dienst des Bundes,
2.
den Wechsel aus einem Amt der Bundesbesoldungsordnungen B, R, W oder C in ein Amt der Bundesbesoldungsordnung A sowie
3.
die Einstellung eines ehemaligen Beamten, Richters, Berufssoldaten oder Soldaten auf Zeit in ein Amt der Bundesbesoldungsordnung A.

(3) Das Grundgehalt steigt nach Erfahrungszeiten von zwei Jahren in der Stufe 1, von jeweils drei Jahren in den Stufen 2 bis 4 und von jeweils vier Jahren in den Stufen 5 bis 7. Abweichend von Satz 1 beträgt die Erfahrungszeit in den Stufen 5 bis 7 bei Beamten in den Laufbahnen des einfachen Dienstes und bei Soldaten in den Laufbahnen der Mannschaften jeweils drei Jahre. Zeiten ohne Anspruch auf Dienstbezüge verzögern den Aufstieg um diese Zeiten, soweit in § 28 Absatz 5 nicht etwas Anderes bestimmt ist. Die Zeiten sind auf volle Monate abzurunden.

(4) Wird festgestellt, dass die Leistungen des Beamten oder Soldaten nicht den mit dem Amt verbundenen Anforderungen entsprechen, verbleibt er in seiner bisherigen Stufe des Grundgehaltes. Die Feststellung nach Satz 1 erfolgt auf der Grundlage einer geeigneten Leistungseinschätzung. Ist die Leistungseinschätzung älter als zwölf Monate, ist ergänzend eine aktuelle Leistungseinschätzung zu erstellen. Für die Feststellung nach Satz 1 können nur Leistungen berücksichtigt werden, auf die vor der Feststellung hingewiesen wurde.

(5) Wird auf der Grundlage einer weiteren Leistungseinschätzung festgestellt, dass die Leistungen des Beamten oder Soldaten wieder den mit dem Amt verbundenen Anforderungen entsprechen, erfolgt der Aufstieg in die nächsthöhere Stufe am ersten Tag des Monats, in dem diese Feststellung erfolgt. Wird in der Folgezeit festgestellt, dass der Beamte oder Soldat Leistungen erbringt, die die mit dem Amt verbundenen Anforderungen erheblich übersteigen, gilt der von dieser Feststellung erfasste Zeitraum nicht nur als laufende Erfahrungszeit, sondern wird zusätzlich so angerechnet, dass er für die Zukunft die Wirkung eines früheren Verbleibens in der Stufe entsprechend mindert oder aufhebt. Die für diese Anrechnung zu berücksichtigenden Zeiten sind auf volle Monate abzurunden. Maßgebender Zeitpunkt ist der Erste des Monats, in dem die entsprechende Feststellung erfolgt.

(6) Bei dauerhaft herausragenden Leistungen kann Beamten und Soldaten der Bundesbesoldungsordnung A für den Zeitraum bis zum Erreichen der nächsten Stufe das Grundgehalt der nächsthöheren Stufe gezahlt werden (Leistungsstufe). Die Zahl der in einem Kalenderjahr bei einem Dienstherrn vergebenen Leistungsstufen darf 15 Prozent der Zahl der bei dem Dienstherrn vorhandenen Beamten und Soldaten der Bundesbesoldungsordnung A, die das Endgrundgehalt noch nicht erreicht haben, nicht übersteigen. Die Bundesregierung wird ermächtigt, nähere Regelungen durch Rechtsverordnung zu treffen. In der Rechtsverordnung kann zugelassen werden, dass bei Dienstherren mit weniger als sieben Beamten im Sinne des Satzes 2 in jedem Kalenderjahr einem Beamten die Leistungsstufe gewährt wird.

(7) Die Entscheidung nach den Absätzen 4 bis 6 trifft die zuständige oberste Dienstbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle. Sie ist dem Beamten oder Soldaten schriftlich mitzuteilen. Widerspruch, Beschwerde nach der Wehrbeschwerdeordnung und Anfechtungsklage haben keine aufschiebende Wirkung.

(8) In der Probezeit nach § 11 Absatz 1 des Bundesbeamtengesetzes erfolgt das Aufsteigen in den Stufen entsprechend den in Absatz 3 genannten Zeiträumen.

(9) Der Beamte oder Soldat verbleibt in seiner bisherigen Stufe, solange er vorläufig des Dienstes enthoben ist. Führt ein Disziplinarverfahren nicht zur Entfernung aus dem Dienst oder endet das Dienstverhältnis nicht durch Entlassung auf Antrag des Beamten oder Soldaten oder infolge strafgerichtlicher Verurteilung, regelt sich das Aufsteigen im Zeitraum seiner vorläufigen Dienstenthebung nach Absatz 3.

Tenor

I.

Der Berufung wird zurückgewiesen.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, sofern nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

I.

Der 1949 geborene Kläger war von 1978 bis zum Jahr 1990 Erster Bürgermeister der Beklagten. Das Amtsgericht B. verurteilte ihn mit rechtskräftigem Urteil vom 23. Juni 2008 wegen Betrugs in 17 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren. Der Kläger hatte interessierten Personen in den Jahren 2000 bis 2006 Festgeldanlagen in Österreich angeboten, das Geld jedoch nicht vertragsgemäß angelegt, sondern für eigene Zwecke verwendet, wodurch ein Schaden in Höhe von 550.000 € entstanden war.

Der Kläger beantragte Anfang des Jahres 2009 erstmals die Gewährung von Pflichtehrensold. Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 24. März 2009 mit, dass ihm aufgrund seiner Verurteilung kein Pflichtehrensold gewährt werden könne. Mit Schreiben vom 9. Mai 2010 bat der Kläger um nochmalige Behandlung seiner Ehrensoldtätigkeit. Die Beklagte lehnte die Bewilligung mit Schreiben vom 14. Juni 2010 ein zweites Mal ab. Pflichtehrensold könne nur gewährt werden, wenn der Empfänger des Ehrensolds würdig sei. Diese Voraussetzung sei aber aufgrund der rechtskräftigen Verurteilung nicht gegeben. Damit habe der Antrag abgelehnt werden müssen.

Mit der hiergegen erhobenen Klage hat der Kläger zuletzt beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheids vom 14. Juni 2010 zu verpflichten, dem Kläger rückwirkend ab 1. März 2009 Pflichtehrensold zu gewähren,

hilfsweise, den Antrag des Klägers auf Gewährung von Pflichtehrensold unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu verbescheiden.

Das Verwaltungsgericht verpflichtete die Beklagte mit Urteil vom 30. November 2012 unter Aufhebung des Bescheids vom 14. Juni 2010, den Antrag des Klägers auf Gewährung von Pflichtehrensold neu zu verbescheiden. Der Kläger habe keinen Rechtsanspruch auf Gewährung von Pflichtehrensold, so dass der Hauptantrag in der Sache keinen Erfolg haben könne. Die Frage, ob der Kläger einen Anspruch auf Gewährung von Pflichtehrensold bzw. einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung darüber habe, beurteile sich nach Art. 59 Abs. 1 Satz 1 KWBG. Danach sei einem Ersten Bürgermeister für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Amt Ehrensold zu bewilligen, wenn er aus dieser Tätigkeit außer einem Übergangsgeld keine Versorgung erhalte, entweder das 60. Lebensjahr vollendet habe oder dienstunfähig sei und dieses Amt in derselben Gemeinde zwölf Jahre bekleidet habe oder aus diesem Amt nach mindestens zehn Jahren wegen Dienstunfähigkeit ausscheide. Der Kläger erfülle zwar in seiner Person all diese Anspruchsvoraussetzungen, habe aber dennoch keinen Anspruch auf Gewährung von Pflichtehrensold, sondern lediglich einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über diese Frage. Denn nicht nur die Entscheidung, ob die Gewährung von Pflichtehrensold wegen Unwürdigkeit zurückzunehmen sei, sondern auch die Entscheidung, ob die Gewährung von Pflichtehrensold wegen Unwürdigkeit (von Beginn an) zu versagen sei, stehe im Ermessen der Gemeinde. Die strafrechtliche Verurteilung des Klägers sei geeignet, die Annahme seiner Unwürdigkeit im Sinne des Art. 59 Abs. 5 KWBG zu rechtfertigen. Die Vorschrift erfasse ihrem Wortlaut nach allerdings nur die Fallgestaltung, dass jemand nach Vollendung seines 60. Lebensjahrs bereits Ehrensold erhalten habe und sich später Umstände ergäben, die die Frage der Unwürdigkeit aufwerfen würden. Die hier vorliegende Situation sei damit nicht vom Wortlaut der Vorschrift erfasst, denn der Kläger sei bereits vor Entstehung des Pflichtehrensolds aus dem Bürgermeisteramt ausgeschieden. Damit stelle sich die Frage, ob die Gewährung von Pflichtehrensold aufgrund der zwischen 2000 und 2006 begangenen Straftaten von Anfang an habe versagt werden können. Es sei schwer nachvollziehbar, wenn - gemäß dem Grundsatz „dolo agit, qui petit, quod statim redditurus est“ - in Fällen, in denen die Unwürdigkeit angenommen und Pflichtehrensold nicht gewährt werden solle, erst der Anspruch bejaht, Pflichtehrensold gewährt und diese Entscheidung unmittelbar zurückgenommen werden müsste. In diesen Fällen stehe die Versagung der Gewährung von Pflichtehrensold im Ermessen der Gemeinde. Das Gericht teile die Einschätzung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern, das in Ziff. 3.7 seiner Bekanntmachung vom 18. Januar 1986 - Ehrensold für frühere Bürgermeister und Bezirkstagspräsidenten - hinsichtlich der Frage, ob Pflichtehrensold wegen Unwürdigkeit von Anfang an zu versagen sei, ebenfalls von einer Ermessensentscheidung ausgehe. Das „kann“ in Art. 59 Abs. 5 KWBG beziehe sich also nicht nur auf die Rücknahme, sondern auch auf die anfängliche Nichtgewährung. Die Klage habe im Hilfsantrag Erfolg. Denn der Kläger habe einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag auf Gewährung von Pflichtehrensold. Dieser Anspruch sei durch die angefochtene Entscheidung nicht erfüllt, da die Beklagte, wie sich aus der Formulierung des angefochtenen Bescheids und der zugrundeliegenden Gemeinderatsbeschlüsse ergebe, von einer gebundenen Entscheidung ausgegangen sei. Damit sei der angefochtene Bescheid ermessensfehlerhaft und aufzuheben. Bei der Neuverbescheidung werde die Beklagte den Zweck der Gewährung von Pflichtehrensold in ihre Erwägungen einzustellen haben. Dieser liege zum einen in der Berücksichtigung der für eine Gemeinde geleisteten Dienste, zum anderen stelle der Pflichtehrensold einen Ausgleich für gewisse wirtschaftliche Nachteile dar, die der frühere Bürgermeister in seinem privaten Beruf infolge der Amtstätigkeit erlitten habe. Zu beachten sei auch, dass Pflichtehrensold als eine Art Treueprämie gedacht sei. Die Beklagte werde darüber entscheiden müssen, wie sich die Gesamtumstände des konkreten Falles auf ihre Entscheidung über die Würdigkeit des Klägers auswirke. Dabei werde sie zu überlegen haben, ob die Tatsache, dass der Kläger die Taten, derentwegen er rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe verurteilt worden sei, nach seiner Amtszeit begangen habe, eine Auswirkung auf die Entscheidung habe. In die Abwägungsentscheidung werde die Beklagte auch einzustellen haben, ob und wie sich der Umstand auswirke, dass der Kläger bei seinen rechtswidrigen Taten weder die Gemeinde geschädigt habe, noch seine frühere Amtsstellung zur Tatbegehung ausgenutzt habe. Auf der anderen Seite dürften keine Umstände einfließen, die bereits in das Strafmaß eingeflossen seien. Zu berücksichtigen sei auch, dass das Bayerische Beamtenversorgungsgesetz in Art. 80 eine Regelung über den Verlust der Versorgung infolge Verurteilung getroffen habe. Zwar sei die Pflichtehrensoldgewährung nicht mit Beamtenversorgung vergleichbar, allerdings könne die dortige Regelung zur groben Orientierung dienen.

Gegen dieses Urteil richtet sich die (vom Verwaltungsgericht) zugelassene Berufung. Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Abänderung des angefochtenen Urteils und unter Aufhebung ihres Bescheids vom 14. Juni 2010 zu verpflichten, dem Kläger rückwirkend ab 1. März 2009 Pflichtehrensold zu gewähren.

Art. 59 Abs. 1 KWBG sei keine Ermessensvorschrift. Art. 59 Abs. 5 KWBG, auf den sich das Verwaltungsgericht bei seiner Entscheidung gestützt habe, besage lediglich, dass die Bewilligung des Ehrensolds zurückgenommen werden könne, wenn sich der Empfänger des Ehrensolds nicht würdig erweise. Da dem Kläger jedoch kein Pflichtehrensold gewährt worden sei, sei Art. 59 Abs. 5 KWBG dem Wortlaut nach nicht anwendbar. Das Verwaltungsgericht gehe zu Unrecht davon aus, dass der Pflichtehrensold auch von Anfang an versagt werden könne, wenn sich der Empfänger des Ehrensolds nicht würdig erweise. Das Verwaltungsgericht habe sich diesbezüglich auf eine Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern berufen. Im Gesetz sei diese Möglichkeit nicht vorgesehen. Zu berücksichtigen sei auch, dass das Gesetz über kommunale Wahlbeamte im Jahr 2012 neu gefasst, eine entsprechende Änderung oder Klarstellung jedoch bei der Neufassung nicht berücksichtigt worden sei. Es sei daher davon auszugehen, dass der Gesetzgeber davon auch keinen Gebrauch habe machen wollen. Selbst wenn man mit dem Verwaltungsgericht annehmen wolle, dass der Pflichtehrensold auch schon von Anfang an versagt werden könne, scheitere die Anwendung des Art. 59 Abs. 5 KWBG jedenfalls daran, dass eine Unwürdigkeit im Sinne dieser Vorschrift vorliegend nicht gegeben sei. Art. 59 Abs. 5 KWBG setzte nämlich voraus, dass sich der Empfänger gerade in Bezug auf den Pflichtehrensold als nicht würdig erweise. Als einziger Grund für die mögliche Nichtwürdigkeit des Klägers komme jedoch dessen Verurteilung wegen Betrugs im Jahr 2008 in Betracht. Die diesem Urteil zugrunde liegenden Vorgänge hätten sich in den Jahren 2000 bis 2006 ereignet. Bürgermeister sei der Kläger von 1978 bis 1990 gewesen. Es bestehe daher zwischen den Vorgängen, die zu seiner Verurteilung geführt hätten, und der Tätigkeit des Klägers als Bürgermeister der Beklagten weder ein zeitlicher noch ein inhaltlicher Zusammenhang. Zur Unwürdigkeit in Bezug auf den Ehrensold könnten jedoch entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nur Verfehlungen führen, die während der Amtsführung oder im Zusammenhang mit dem Amt passiert seien. Nur wenn der Bürgermeister der Gemeinde oder dem Ansehen des Amts schade, könne es gerechtfertigt sein, ihm den Ehrensold zu versagen. Dies ergebe sich bereits aus dem Zweck der Gewährung, der in erster Linie in der Anerkennung der Gemeinde für die geleisteten Dienste liege und damit verbunden einen Ausgleich für die infolge des Amts erlittenen wirtschaftlichen Nachteile im Hinblick auf die Altersversorgung schaffen solle.

Die Beklagte beantragte mit Schriftsatz vom 29. April 2013,

die Berufung zurückzuweisen.

Das Verwaltungsgericht gehe zu Recht davon aus, dass der Pflichtehrensold auch von Anfang an versagt werden könne, wenn sich der Empfänger des Ehrensolds als nicht würdig erwiesen habe. Denn es wäre bloße Förmelei, wenn die Beklagte dem Kläger zunächst Pflichtehrensold gewähren und diese Entscheidung im gleichen Atemzug wieder zurücknehmen müsse. Zutreffend weise das Verwaltungsgericht unter Hinweis auf die dolo-agit-Einrede darauf hin, dass eine solche Vorgehensweise nur schwer nachvollziehbar wäre. Das Verwaltungsgericht habe seine Einschätzung zu Recht auf die Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 18. Januar 1986 gestützt. Letztlich sei der gebundene Anspruch des Klägers auch unter dem Gesichtspunkt des fehlenden Sachbescheidungsinteresses zu verneinen. Sei die begehrte Verwaltungsentscheidung für den Antragsteller ohne ersichtlichen Nutzen, fehle es an einem solchen Interesse. Nutzlos sei eine Entscheidung insbesondere dann, wenn sie demjenigen, der sie erstrebe, offensichtlich keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen könne. So liege der Fall hier. Denn die Gewährung des Pflichtehrensolds würde dem Kläger keinerlei rechtliche oder tatsächliche Vorteile bringen, weil die Beklagte zugleich die Rücknahme der Bewilligung vornehmen werde. Es liege ein Fall der Unwürdigkeit vor, der in den gewerbsmäßigen Kapitalanlagebetrugsfällen begründet sei, die der Kläger nachweislich in den Jahren 2000 bis 2006 begangen habe und wegen derer er mit Urteil des Amtsgerichts B. am 23. Juni 2008 zu einer dreijährigen Freiheitsstrafe verurteilt worden sei. Zwar sei der Kläger zu diesem Zeitpunkt bereits aus dem Bürgermeisteramt ausgeschieden gewesen. Gleichwohl seien Straftaten, die ein Bürgermeister zwischen seinem Ausscheiden und dem Erreichen des 60. Lebensjahrs als maßgebliche Altersgrenze für die Bewilligung des Pflichtehrensolds begehe, zu berücksichtigen. Es wäre verfehlt, nur auf solche Vorfälle abzustellen, die während der Amtsführung oder im Zusammenhang mit dem Amt passiert seien. Dafür biete der Gesetzeswortlaut keine Stütze. Vielmehr müsse sich der Empfänger stets würdig erweisen, solang er den Ehrensold beanspruche.

Die Landesanwaltschaft Bayern beteiligte sich als Vertreterin des öffentlichen Interesses an dem Verfahren und hält eine Zurückweisung des Berufung für rechtens.

Zur Ergänzung wird auf die Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

II.

Der Senat kann nach entsprechender Anhörung der Beteiligten über die Berufung durch Beschluss entscheiden, da er sie einstimmig für begründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält (§ 130 a VwGO).

Die - zulässige - Berufung ist nicht begründet.

Der Kläger hat (lediglich) einen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Entscheidung über seinen Antrag auf Gewährung von Pflichtehrensold, der ihm bereits vom Verwaltungsgericht zuerkannt worden ist.

Nach Art. 59 Abs. 1 Satz 1 des Gesetzes über kommunale Wahlbeamte und Wahlbeamtinnen (KWBG) in der Fassung vom 24. Juli 2012, zuletzt geändert am 27. September 2013, ist dem ersten Bürgermeister für die Zeit nach dem Ausscheiden aus dem Amt Pflichtehrensold zu gewähren, wenn er aus dieser Tätigkeit außer einem Übergangsgeld keine Versorgung enthält, entweder das sechzigste Lebensjahr vollendet hat oder dienstunfähig ist und dieses Amt in derselben Gemeinde mindestens zwölf Jahre bekleidet hat oder aus diesem Amt nach mindestens zehn Jahren wegen Dienstunfähigkeit ausscheidet. Der Kläger erfüllt in seiner Person diese Anspruchsvoraussetzungen. Er hat in der beklagten Gemeinde von 1978 bis 1990 das Amt des 1. Bürgermeisters ausgeübt, erhält aus diesem Amt keine Versorgung und war auch während seiner gesamten zwölfjährigen Dienstzeit immer in derselben Gemeinde tätig.

1. Aus der Binnensystematik des Art. 59 KWBG folgt, dass sich der Empfänger des (Pflicht-)Ehrensolds würdig erweisen muss. Ausdrücklich geregelt ist das in Art. 59 Abs. 5 KWBG. Danach kann die Bewilligung des Ehrensolds zurückgenommen werden, wenn sich der Empfänger oder die Empfängerin des Ehrensolds nicht würdig erweist. Nicht geregelt ist hingegen der Fall, dass sich der zukünftige Empfänger bereits vor der Entscheidung über die Bewilligung des Pflichtehrensolds unwürdig erwiesen hat. Die hier streitige Sachverhaltskonstellation hat der Gesetzgeber ersichtlich nicht bedacht. Es findet sich zwar in den Verwaltungsvorschriften „Ehrensold für frühere Bürgermeister und Bezirkstagspräsidenten“, Bekanntmachung des Bayerischen Staatsministeriums des Innern vom 18. Januar 1986 [Az.: IB2-3001-8g/1 (86)] unter Ziff.3.7 die Regelung, dass die Bewilligung des Ehrensolds von vornherein versagt werden kann, wenn sich ein Empfänger des Ehrensolds nicht würdig erweist. Das lässt jedoch nur darauf schließen, dass die Exekutive die Lücke erkannt hat, was jedoch der Legislative nicht zugerechnet werden kann, so dass aus der Novellierung des Gesetzes über kommunale Wahlbeamte und Wahlbeamtinnen und der Übernahme der (unzureichenden) Unwürdigkeitsklausel nicht geschlossen werden kann, dass der Gesetzgeber den Fall der anfänglichen Unwürdigkeit bewusst ausklammern wollte. Die Verwaltungsvorschrift entfaltet gegenüber dem Gericht keine Bindungswirkung. Die Gerichte dürfen ihren Entscheidungen nur materielles Recht, zu den Verwaltungsvorschriften nicht gehören, zugrunde legen und sind lediglich befugt sind, sich einer Gesetzesauslegung, die in einer Verwaltungsvorschrift vertreten wird, aus eigener Überzeugung anzuschließen. (vgl. BVerwG, U.v. 26.6.2002 - 8 C 30/01 - juris Rn. 23).

Da die „Würdigkeit“ des Empfängers im Wortlaut des Art. 59 Abs. 1 Satz 1 KWBG keinen Niederschlag gefunden hat, kann dem gesetzgeberischen Willen nur im Wege der teleologischen Reduktion zur Geltung verholfen werden (vgl. dazu Larenz, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 6. Auflage 1991, S. 375 f.; Larenz/Canaris, Methodenlehre der Rechtswissenschaft, 3. Auflage 1995, S. 210 f.). Die teleologische Reduktion gehört zu den anerkannten Auslegungsgrundsätzen. Sie kann dazu dienen, eine Vorschrift entgegen ihrem Wortlaut einschränkend auszulegen, wenn ihr Sinn und Zweck, ihre Entstehungsgeschichte und der Gesamtzusammenhang der einschlägigen Regelungen gegen eine uneingeschränkte Anwendung sprechen. Sie ist nicht auf Fälle beschränkt, in denen sie sich auf Ausführungen in den Gesetzesmaterialien stützen lässt, sondern erfasst auch solche wie den vorliegenden, in welchen die Gesetzesbegründung keinen Hinweis darauf enthält, dass sich der Gesetzgeber der in Rede stehenden besonderen Problematik bewusst gewesen ist (vgl. BVerwG, U.v. 7.5.2014 - 4 CN 5/13 - NVwZ 2014, 1170 - juris Rn. 14 mit weiteren Nachweisen; BVerwG, U.v. 16.5.2013 - 5 C 28/12 - BayVBl 2014, 311 - juris Rn. 9; vgl. die Gesetzesbegründungen zum KWBG: Bayer. Landtag, 5. Legislaturperiode, Beilage 525 vom 8.7.1963, S. 54 und LT-Drs. 16/11983, S. 38). Liegt eine solche Lücke vor, ist sie durch Hinzufügen einer dem gesetzgeberischen Plan entsprechenden Einschränkung zu schließen. So verhält es sich hier. Es liegt eine Regelungslücke vor, die - wie die vom Gesetzgeber geschaffene Rücknahmemöglichkeit zeigt - planwidrig ist und damit nicht seinem Willen entspricht, den er durch die Rücknahmemöglichkeit wegen Unwürdigkeit zum Ausdruck gebracht hat. Die Regelungslücke ist zu schließen, indem die „Würdigkeit“ als immanentes Tatbestandsmerkmal zu berücksichtigen ist und für den Fall der Unwürdigkeit die Versagung des Pflichtehrensolds in das Ermessen gestellt wird. Damit bleibt es bei der an sich gebundenen Entscheidung nach Art. 59 Abs. 1 Satz 1 KWBG. Wegen der gesetzgeberischen Entscheidung in Art. 59 Abs. 5 KWBG, die die Rücknahme in das Ermessen der Behörde stellt, ist für den Fall der Unwürdigkeit die Vorschrift zu einer Ermessensentscheidung zu „reduzieren“. Damit kann die Behörde die Umstände des Einzelfalls angemessen berücksichtigen. Der Senat schließt sich insoweit der Gesetzesauslegung in den Verwaltungsvorschriften „Ehrensold für frühere Bürgermeister und Bezirkstagspräsidenten“ an.

2. Der Kläger ist eines (Pflicht-)Ehrensolds unwürdig.

Die Prüfung, ob sich der Empfänger des Ehrensolds würdig erweist, ist nicht auf Vorfälle beschränkt, die in einem zeitlichen bzw. inhaltlichen Zusammenhang mit der Bürgermeistertätigkeit stehen. Das ergibt sich aus Art. 59 Abs. 5 KWBG und seiner Formulierung „nicht würdig erweist“. Es wird damit ersichtlich auf ein Ereignis nach der Bewilligung des Ehrensolds abgestellt, das in keinem Zusammenhang mit der ursprünglich ausgeübten Bürgermeistertätigkeit stehen muss, aber kann.

Der Kläger ist des Ehrensolds aufgrund seiner Verurteilung wegen Betrugs in einem besonders schweren Fall (§ 263 Abs. 1, Abs. 3 Nr. 1 StGB) unwürdig. Der Senat hat in seinem Urteil vom 5. März 1990 (3 B 88.0073, BayVBl 1990, 598 - juris Rn. 21) zur Frage der Würdigkeit bei der Gewährung von freiwilligen - und Pflichtehrensold ausgeführt, dass nicht jedes denkbare Vergehen die Unwürdigkeit des Täters begründet. Vielmehr seien der Unwertgehalt der Tat, die Art ihrer Begehung, die Motive des Täters und weitere Umstände des Einzelfalls mitentscheidend für das zu treffende „Unwürdigkeitsurteil“.

Der Unwertgehalt des Betrugs des Klägers wiegt schwer, was sich aus der gesetzgeberischen Wertung in § 24 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BeamtStG bzw. Art. 80 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayBeamtVG ablesen lässt. Nach § 24 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG endet das Beamtenverhältnis mit der Rechtskraft des Urteils, wenn ein Beamter durch das Urteil eines deutschen Gerichts wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt wird. Nach Art. 80 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayBeamtVG verliert mit der Rechtskraft des Urteils ein Ruhestandsbeamter, der durch Urteil eines deutschen Gerichts wegen einer vorsätzlichen Tat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens zwei Jahren verurteilt worden ist, seine Rechte als Ruhestandsbeamter. Daraus ist zu schließen, dass jedenfalls bei einer Verurteilung von mindestens zwei Jahren von der Unwürdigkeit des Beamten auszugehen ist. Hier wurde der Kläger zu drei Jahren Freiheitsstrafe verurteilt und liegt damit über der Zweijahresschwelle. Der Kläger hat sich damit eines (Pflicht-)Ehrensolds nicht würdig erwiesen.

3. Hinsichtlich der Ermessensausübung bei der Neuverbescheidung hat das Verwaltungsgericht bereits die zu berücksichtigenden maßgeblichen Erwägungen genannt, so dass insoweit auf das verwaltungsgerichtliche Urteil mit der Maßgabe Bezug genommen werden kann, dass die Frage der „Unwürdigkeit“ keine Ermessens- sondern Tatbestandsfrage ist. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der vom Verwaltungsgericht zitierten Entscheidung des Senats vom 21. Juli 2011 (3 ZB 10.1484 - juris Rn. 9), in der es um die Gewährung eines Ehrensolds ging und um die Frage, ob Umstände, die außerhalb des Bereichs der Beklagten liegen (dort: innerparteiliche Querelen, die zum Ausscheiden aus dem Bürgermeisteramt führten) für die Ermessensentscheidung von Belang sind. Der Senat hat diese Frage im dortigen Fall verneint. Daraus kann aber nicht geschlossen werden, dass sich eine zwischen dem Ausscheiden aus dem Bürgermeisteramt und der Entstehung des Anspruchs auf Pflichtehrensold begangene Straftat nicht auf die Frage der Würdigkeit auswirken würde. Nicht in die Ermessenserwägungen einzufließen hat auch der Blick auf Art. 80 BayBeamtVG, da die dortige gesetzgeberische Wertung bereits bei der Frage der Würdigkeit bzw. der insoweit maßgeblichen Schwelle der Erheblichkeit einer strafrechtlichen Verurteilung Berücksichtigung gefunden hat.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollsteckbarkeit beruht auf § 167 VwGO, §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2, § 191 VwGO und § 127 BRRG nicht erfüllt sind.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.