Verwaltungsgericht Würzburg Urteil, 23. Mai 2017 - W 1 K 16.1162

bei uns veröffentlicht am23.05.2017

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte zuvor in gleicher Höhe Sicherheit leistet.

Tatbestand

Der Kläger ist als Versorgungsempfänger beihilfeberechtigt mit einem Bemessungssatz von 70%.

Mit Beihilfeantrag vom 8. Mai 2016 begehrte der Kläger u.a. die Gewährung einer Beihilfe zu einer Rechnung vom 21. April 2016 für Aufwendungen für zahnärztliche Leistungen und Material- und Laborkosten in Höhe von 11.737,98 €.

Mit Beihilfebescheid vom 23. Mai 2016 wurde dem Kläger für diese Rechnung eine Beihilfe in Höhe von 6.495,10 € gewährt und zur Begründung für die Erstattungskürzung auf § 14 BayBhV verwiesen.

Hiergegen legte der Kläger mit Schreiben vom 17. Juni 2016 Widerspruch ein, da er die Berechnungen nicht nachvollziehen könne.

Mit Bescheid vom 10. Oktober 2016 wurde der Widerspruch durch den Beklagten zurückgewiesen und ausgeführt, dass nach § 14 BayBhV Material- und Laborkosten bei zahnärztlicher Behandlung nur zu 40% beihilfefähig seien. Bei einem diesbezüglichen Betrag von 4.098,78 € ergäben sich beihilfefähige Material- und Laborkosten in Höhe von 1.639,51 €, auf welche dann in Addition mit dem zahnärztlichen Honorar der Bemessungssatz von 70% anzuwenden sei. Die Berechnung der Beihilfegewährung sei demzufolge korrekt durchgeführt worden.

Gegen den am 14. Oktober 2016 zugestellten Bescheid ließ der Kläger mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 14. November 2016, eingegangen beim Bayerischen Verwaltungsgericht Würzburg am gleichen Tage, Klage erheben. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, dass der pauschale Beihilfebemessungssatz von 40% in § 14 BayBhV gegen die Fürsorge- und Alimentationspflicht des Dienstherrn verstoße und mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz nicht vereinbar sei. Die Fürsorgepflicht verlange, dass der Dienstherr den amtsangemessenen Lebensunterhalt auch in besonderen Belastungssituationen wie Krankheit oder Pflegebedürftigkeit sicherstellen müsse und der Beamte nicht mit finanziellen Aufwendungen belastet bleibe, die er nicht in zumutbarer Weise aus seiner Alimentation bestreiten könne. Gerade im Bereich zahnärztlicher Behandlungen könne der Anteil der Material- und Laborkosten hoch sein, sodass ein wesentlicher Anteil der Gesamtbehandlungskosten nicht von der Beihilfe gedeckt sei. Es sei kein sachlicher Grund dafür erkennbar, weshalb der Gesetzgeber eine Differenzierung hinsichtlich des Beihilfesatzes für das ärztliche Honorar einerseits sowie die Material- und Laborkosten andererseits vornehme.

Der Kläger beantragt,

Der Bescheid des Landesamtes für Finanzen vom 23. Mai 2016 in Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesamts für Finanzen vom 10. Oktober 2016 wird abgeändert und der Beklagte verpflichtet, weitergehende Beihilfe unter vollständiger Anerkennung der Material- und Laborkosten als beihilfefähig zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er führt aus, eine Beschränkung der Beihilfeleistungen für bestimmte Aufwendungen widerspreche nach ständiger Rechtsprechung nicht der Alimentations- oder Fürsorgepflicht, da die Beihilfe nicht zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gehöre. Es bestehe lediglich ein Anspruch auf medizinische Vollversorgung vergleichbar der in der gesetzlichen Krankenversicherung; dort würde zu Zahnersatz sowie Labor- und Materialkosten auch nur ein Festzuschuss in niedriger Höhe gewährt. Die Fürsorgepflicht werde durch die erlassenen Beihilfevorschriften konkretisiert, wobei dem Dienstherrn ein weiter Gestaltungsspielraum zustehe, sodass sich ein Beihilfeanspruch grundsätzlich nicht unmittelbar aus der Fürsorgepflicht ergeben könne. Die Beihilfe stelle lediglich eine ergänzende Hilfe dar, die den Beamten von den nicht durch die Besoldung gedeckten Aufwendungen in angemessenem und notwendigem Umfang freistellen solle. Es sei dem Kläger als Versorgungsempfänger der Besoldungsgruppe A 14 zuzumuten, durch Abschluss einer Beihilfeergänzungsversicherung entstehende Lücken zu schließen. Zwar müsse der Dienstherr Vorkehrungen treffen, dass der amtsangemessene Lebensunterhalt bei Eintritt besonderer finanzieller Belastungen wie in Krankheitsfällen nicht gefährdet werde; eine den Wesenskern der Fürsorgepflicht betreffende unzumutbare Belastung sei vorliegend jedoch nicht erkennbar.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der vorgelegten Behördenakte verwiesen.

Gründe

Die Klage, über die auch in Abwesenheit eines Vertreters des Beklagten verhandelt und entschieden werden konnte (§ 102 Abs. 2 VwGO), ist zulässig, jedoch unbegründet, da der Kläger keinen Anspruch auf eine weitergehende Beihilfe zu der Zahnarztrechnung vom 21. April 2016 unter vollständiger Anerkennung der darin enthaltenen Material- und Laborkosten als beihilfefähig hat. Der hierzu ergangene Beihilfebescheid vom 23. Mai 2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 10. Oktober 2016 ist vielmehr rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1, Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Gemäß Art. 96 Abs. 2 Satz 1 BayBG werden Beihilfeleistungen zu den nachgewiesenen medizinisch notwendigen und angemessenen Aufwendungen in Krankheits-, Geburts- und Pflegefällen und zur Gesundheitsvorsorge des Beamten bzw. der Beamtin sowie berücksichtigungsfähiger Angehöriger nach Maßgabe der aufgrund von Art. 96 Abs. 5 Satz 1 BayBG erlassenen Rechtsverordnung (Bayer. Beihilfeverordnung - BayBhV) gewährt. Maßgeblich ist im vorliegenden Falle die seit dem 1. Oktober 2014 gültige Fassung der Bayer. Beihilfeverordnung. Aufwendungen der beihilfeberechtigten Personen (§ 2 BayBhV) in Krankheits-, Pflege-, Geburts- und sonstigen Fällen sind beihilfefähig, wenn sie dem Grunde nach medizinisch notwendig und der Höhe nach angemessen sind und die Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist (§ 7 Abs. 1 Satz 1 BayBhV).

I.

Der Beklagte hat vorliegend zu Recht die Aufwendungen des Klägers für Material- und Laborkosten nur zu 40% als beihilfefähig anerkannt. Denn gemäß § 14 BayBhV sind bei zahnärztlichen Leistungen nach Anlage 1 Abschnitt C Nrn. 2150 bis 2320, Abschnitte F und K GOZ entstandene Aufwendungen für Material- und Laborkosten nach § 9 GOZ (u.a. Edelmetalle und Keramik) sowie die nach § 4 Abs. 3 GOZ gesondert abrechenbaren Praxiskosten zu 40 v.H. beihilfefähig. Vorliegend sind aus dem Gesamtrechnungsbetrag der Zahnarztrechnung vom 21. April 2016 derartige Kosten i.H.v. 4.098,78 EUR entstanden, sodass sich ein beihilfefähiger Betrag an Material- und Laborkosten in Höhe von 1.639,51 EUR (40%) errechnet. In Addition mit dem (in voller Höhe) beihilfefähigen sonstigen zahnärztlichen Honorar i.H.v. 7.639,20 EUR ergibt sich bei dem Beihilfebemessungssatz des Klägers (70%) ein Beihilfeanspruch von insgesamt 6.495,10 EUR, welcher dem Kläger mit dem angegriffenen Bescheid bereits gewährt worden ist. Gegen diese Berechnung hat der Kläger keine Einwände erhoben.

II.

Entgegen der Auffassung des Klägers verstößt § 14 BayBhV auch nicht gegen höherrangiges Gesetzesrecht, insbesondere steht die genannte Regelung mit der Fürsorge- und Alimentationspflicht des Beklagten aus Art. 33 Abs. 5 GG sowie mit dem Gleichbehandlungsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 GG in Einklang. Darüber hinaus besteht für die vom Verordnungsgeber vorgenommene Beschränkung eine hinreichend bestimmte gesetzliche Grundlage in Art. 96 Abs. 5 Satz 1 und Satz 2 Nr. 2.a), b) BayBG, wonach vom Verordnungsgeber Bestimmungen hinsichtlich des Inhalts und Umfangs der Beihilfen über die Einführung von Höchstgrenzen sowie die Beschränkung auf bestimmte Indikationen getroffen werden dürfen. Von dieser Verordnungsermächtigung ist die vorliegende Begrenzungsregelung gedeckt.

1. Entgegen der Ansicht des Klägers verstößt die in § 14 BayBhV geregelte Begrenzung der Beihilfefähigkeit von Material- und Laborkosten auf 40% nicht gegen die Fürsorge- und Alimentationspflicht des Dienstherrn. Diese hergebrachten Grundsätze im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG verlangen weder, dass Aufwendungen der Beamten in Krankheitsfällen durch Leistungen einer beihilfekonformen Krankenversicherung und ergänzende Beihilfen vollständig gedeckt werden, noch, dass die von der Beihilfe nicht erfassten Kosten in vollem Umfang versicherbar sind. Ein darauf gerichtetes Vertrauen genießt keinen verfassungsrechtlichen Schutz.

Die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht ergänzt die ebenfalls durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistete Alimentationspflicht des Dienstherrn. Die Fürsorgepflicht verlangt, dass der Dienstherr den amtsangemessenen Lebensunterhalt der Beamten und ihrer Familien lebenslang - und damit auch nach Beendigung des aktiven Dienstes - auch in besonderen Belastungssituationen wie Krankheit oder Pflegebedürftigkeit sicherstellt. Er muss dafür Sorge tragen, dass Beamte in diesen Lebenslagen nicht mit erheblichen finanziellen Aufwendungen belastet bleiben, die sie nicht mehr in zumutbarer Weise aus ihrer Alimentation bestreiten können. Grundlage dieses Anspruchs und der entsprechenden Alimentationsverpflichtung des Dienstherrn ist die mit der Berufung in das Beamtenverhältnis verbundene Pflicht des Beamten, unter Einsatz seiner ganzen Persönlichkeit diesem - grundsätzlich auf Lebenszeit - seine Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen. Die entsprechende Alimentation in Form von Dienstbezügen sowie einer Alters- und Hinterbliebenenversorgung ist Voraussetzung dafür, dass sich der Beamte ganz dem öffentlichen Dienst als Lebensberuf widmen und in wirtschaftlicher und rechtlicher Unabhängigkeit zur Erfüllung der dem Berufsbeamtentum vom Grundgesetz zugewiesenen Aufgabe, im politischen Kräftespiel eine stabile, gesetzestreue Verwaltung zu sichern, beitragen kann. Er ist nicht gezwungen, durch zusätzliche Arbeit oder Aufwendungen seinen Unterhalt und die Versorgung seiner Familie, insbesondere nach seinem Tod, sicherstellen zu müssen (vgl. BayVerfGH, E.v. 10.2.2015 - Vf. 1-VII-13 -, juris m.w.N.).

Eine verfassungsrechtliche Verpflichtung, den Beamten und Versorgungsempfängern für Krankheitsfälle oder vergleichbare Belastungen Unterstützung gerade in Form von Beihilfen im Sinne der Beihilfevorschriften oder gar von Beihilfen in bestimmter Höhe zu gewähren, besteht aber nicht. Dem Dienstherrn wird durch Art. 33 Abs. 5 GG die Entscheidung überlassen, ob er der Fürsorgepflicht durch eine entsprechende Bemessung der Dienstbezüge oder über Sachleistungen, Zuschüsse oder in anderer geeigneter Weise genügt. Entscheidet sich der Dienstherr für ein Beihilfesystem, muss dieses allerdings den Anforderungen genügen, die dem Dienstherrn aus der Fürsorgepflicht gegenüber den Beamten erwachsen. Die Fürsorgepflicht gebietet, für das Wohl und Wehe des Beamten und seiner Familienangehörigen zu sorgen und Schaden von ihnen abzuwenden. Hat sich der Dienstherr entschieden, seiner Fürsorgepflicht durch die Zahlung von Beihilfen nachzukommen, muss er mithin dafür Sorge tragen, dass der Beamte aus Anlass von Krankheits-, Geburts- und Todesfällen nicht mit erheblichen Aufwendungen belastet bleibt, die für ihn unabwendbar sind und denen er sich nicht entziehen kann (vgl. BVerfG, B.v. 13.11.1990 - 2 BvF 3/88 - juris m.w.N.; BVerwG, U.v. 2.4.2014 - 5 C 40/12 – juris; U.v. 20.3.2008 - 2 C 49/07 - juris, U.v. 31.1.2002 - 2 C 1.01 – juris).

Dem Dienstherrn steht bei der Konkretisierung des Fürsorgeprinzips durch die Beihilfevorschriften ein weiter Gestaltungsspielraum zu. Hierdurch wird der Dienstherr von Verfassungswegen grundsätzlich nicht gehindert, im Rahmen der nach medizinischer Einschätzung behandlungsbedürftigen Leiden Unterschiede zu machen und die Erstattung von Behandlungskosten aus triftigen Gründen zu beschränken oder auszuschließen. Die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht verlangt weder, dass Aufwendungen der Beamten in Krankheitsfällen durch Leistungen einer beihilfekonformen Krankenversicherung und ergänzende Beihilfen vollständig gedeckt werden, noch, dass die von der Beihilfe nicht erfassten Kosten in vollem Umfang versicherbar sind. Der Dienstherr muss zwar eine medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung im Krankheitsfall gewährleisten. Das bedeutet aber nicht, dass die Aufwendungen einer medizinisch notwendigen Leistung in jedem Fall und in voller Höhe zu erstatten sind (vgl. BVerfG, B.v. 13.11.1990 – 2 BvF 3/88 - juris m.w.N.; BVerwG, U.v. 20.3.2008 - 2 C 49/07 - juris m.w.N., U.v. 31.1.2002 - 2 C 1.01 - juris; BayVGH, U.v. 14.7.2015 – 14 B 13.654 – juris; OVG NRW, U.v. 18.8.2005 - 1 A 801/04 - juris; VG Oldenburg, U.v. 2.4.2014 - 6 A 6199/13 – juris).

Gemessen an diesen Grundsätzen begegnet die in § 14 BayBhV vorgesehene Begrenzung der Beihilfefähigkeit von Material- und Laborkosten auf 40% keinen rechtlichen Bedenken. Die Begrenzung der Beihilfefähigkeit ist Teil des sich aus dem Gesamtzusammenhang der Beihilfevorschriften ergebenden Programms zur Konkretisierung der Fürsorgepflicht im Bereich zahnärztlicher Leistungen. Die Regelung ist nicht willkürlich und hat kein solches Gewicht, dass die Beihilfegewährung den Vorgaben des höherrangigen Rechts, insbesondere der Fürsorgepflicht des Dienstherrn, nicht mehr gerecht würde; denn es wird hierbei nicht – wie in anderen Bereichen der Beihilfe, vgl. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayBhV – eine Kostenerstattung gänzlich ausgeschlossen, sondern ein beihilfefähiger Betrag von 40% weiterhin anerkannt. Die Beschränkung der Material- und Laborkosten erfolgt nicht in Anknüpfung an den Gesichtspunkt der medizinischen Notwendigkeit, sondern im Hinblick auf den Gesichtspunkt der Angemessenheit der beihilfefähigen Aufwendungen. Hiermit wird der legitime Zweck verfolgt, einer Ausuferung der für die öffentlichen Kassen entstehenden Kosten aufgrund im Allgemeinen kostspieliger Zahnbehandlungen entgegenzuwirken (vgl. BVerfG, E.v. 8.4.1987 – 1 BvL 8,16/84 – BVerfGE 75, 40 ff.), indem bei Zahnersatz von Beihilfeberechtigten ein vergleichbares Erstattungsniveau erreicht werden soll, wie es auch für gesetzlich Versicherte besteht (vgl. VG Düsseldorf, U.v. 11.9.2015 – 13 K 4988/14 – juris mit Hinweis auf http://www.rpmed.de/pdf /aktuelles/Bundesbeihilfeverordnung-Entwurf-2007-04-02.pdf, S. 10 des besonderen Teils zur inhaltlich vergleichbaren Vorschrift des § 16 BBhV).

Darüber hinaus ist sichergestellt, dass die Beamten und Versorgungsempfänger nicht mit erheblichen, für sie unzumutbaren Aufwendungen belastet bleiben, die sie auch über eine zumutbare Eigenvorsorge nicht abdecken können. Denn der Beamte hat gerade die Möglichkeit, zur Deckung der sich aus § 14 BayBhV ergebenden Kürzung des Beihilfeanspruchs im Bereich der Material- und Laborkosten für zahnärztliche Behandlungen in angemessenem Umfang privaten Krankenversicherungsschutz in Anspruch zu nehmen. Es existieren diesbezügliche Angebote der privaten Krankenversicherer für entsprechende Beihilfeergänzungstarife (vgl. auch VG Düsseldorf, U.v. 11.9.2015 – 13 K 4988/14 – juris). Eine derartige ergänzende Eigenvorsorge kann grundsätzlich ohne Verletzung der Alimentationspflicht aus den Bezügen des Beamten getragen und auch nach dem Abschluss des Grundvertrages mit der privaten Krankenversicherung, welcher die entstehenden Aufwendungen jenseits des Beihilfebemessungssatzes des Beamten abdeckt, mit der Krankenversicherung vereinbart werden (vgl. hierzu: https://www...de/Private-Krankenversicherung-fuer-Beamte-So-zahlen-Sie-weniger-dazu-5030296-0/). Daneben hat der Beamte die Möglichkeit, durch die Auswahl der zum Einsatz kommenden Materialien auf die Höhe der von § 14 BayBhV erfassten Kosten maßgeblich einzuwirken, zumal der behandelnde Zahnarzt gemäß § 9 Abs. 2 GOZ zur Erteilung eines Kostenvoranschlages verpflichtet ist, aus dem die Höhe der konkret entstehenden Kosten ersichtlich wird. Der Beamte hat es somit selbst in der Hand, die Höhe der ungedeckten Kosten zu beeinflussen und damit durch die Wahl kostengünstiger Materialien auch zu beschränken. Zudem ist zu bedenken, dass zahnärztliche Leistungen der hier in Rede stehenden Art in aller Regel nicht häufig in Anspruch genommen werden müssen, so dass sich die finanzielle Belastung rechnerisch auch auf mehrere Jahre verteilt. Schließlich kann bei außergewöhnlich hohen Belastungen im Einzelfall der Fürsorgepflicht durch eine ausnahmsweise zusätzliche Beihilfegewährung durch die Vorschrift des § 49 Abs. 2 BayBhV, der die Funktion einer Härtefallregelung zukommt (vgl. VG Ansbach, U.v. 26.07.2016 - AN 1 K 14.01929 – juris; VG München, U.v. 17.08.2015 - M 17 K 15.1706 – juris), Rechnung getragen werden.

Überdies ist auch im vorliegenden Einzelfall kein durch § 14 BayBhV bewirkter Verstoß gegen die Alimentations- und Fürsorgepflicht des Beklagten erkennbar. Der Kläger ist Versorgungsempfänger in der Besoldungsgruppe A 14 und bezieht nach unbestrittener Mitteilung des Beklagten ein monatliches Ruhegehalt in Höhe von 3.869,16 €. Er ist damit in der Lage, die im vorliegenden Fall entstehenden „zusätzlichen Kosten“ in Höhe von 1.721,49 € (unter Zugrundelegung der Beihilfefähigkeit der Material- und Laborkosten zu 100% anstelle der normierten 40%) zu tragen, ohne dass sein angemessener Lebensunterhalt gefährdet bzw. der Wesenskern der Fürsorgepflicht des Dienstherrn verletzt wäre; für die gegenteilige Einschätzung wurden Anhaltspunkte weder vorgetragen noch sind solche anderweitig ersichtlich.

Der Dienstherr hat auch nicht dadurch gegen seine Fürsorgepflicht verstoßen, indem er den Kläger nicht auf die Möglichkeit hingewiesen hat, eine private Zusatzversicherung abzuschließen, um die entstehende Beihilfelücke aufzufangen. Dem Dienstherrn obliegt keine aus der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht abzuleitende allgemeine Pflicht zur Belehrung über alle für die Beamten einschlägigen Vorschriften, vor allem dann nicht, wenn es sich um rechtliche Kenntnisse handelt, die zumutbar bei jedem Beamten vorausgesetzt werden können oder die sich der Beamte unschwer selbst verschaffen kann, beispielsweise durch eine entsprechende Nachfrage bei der zuständigen Beihilfestelle oder seiner privaten Krankenversicherung. Mangelnde Kenntnis des Rechts geht aus diesem Grunde in der Regel zu Lasten des Beamten, weil das geltende Recht allgemein als bekannt anzusehen ist. Es besteht daher auch keine allgemeine Pflicht des Dienstherrn, auf Änderungen der Rechtslage hinzuweisen (vgl. BVerwG, U.v. 30.1.1997 - 2 C 10.96 – juris; BayVGH, U.v. 8.10.2012 - 14 BV 11.763 – juris; OVG Lüneburg, U.v. 5.4.2011 - 5 LB 218/09 -, juris).

2. Die in § 14 BayBhV getroffene Begrenzung der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Material- und Laborkosten ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Sie beruht auf einer angesichts der Begrenzung der Beihilfefähigkeit geforderten inneren, den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG standhaltenden Rechtfertigung. Der Vergleich mit den Regelungen der gesetzlichen Krankenversicherung vermag ebenfalls keinen Gleichheitsverstoß zu begründen.

Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln, stellt es aber dem Normgeber frei, aufgrund autonomer Wertungen die Differenzierungsmerkmale auszuwählen, an die er eine Gleich- oder Ungleichbehandlung anknüpft. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz unterschiedliche Grenzen für den Normgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen können. Knüpft die Ungleichbehandlung nicht an ein personenbezogenes, d.h. von den Betroffenen gar nicht oder nur schwer beeinflussbares Merkmal, sondern an Lebenssachverhalte an oder hängt sie von freiwilligen Entscheidungen der Betroffenen ab, hat der Normgeber grundsätzlich einen weiten Gestaltungsspielraum. Ein Gleichheitsverstoß ist nur dann anzunehmen, wenn sich im Hinblick auf die Eigenart des geregelten Sachbereiches ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die Regelung schlechthin nicht finden lässt, die Regelung also willkürlich erscheint. Bei der Ungleichbehandlung von Personengruppen unterliegt der Normgeber dagegen regelmäßig engen rechtlichen Bindungen. Dies gilt auch, wenn eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt. Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz kann in diesen Fällen schon dann angenommen werden, wenn für die Differenzierung keine Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können. Für beide Fallgruppen gilt, dass die vom Normgeber für eine Differenzierung im Beihilferecht angeführten Gründe auch vor der verfassungsrechtlichen Fürsorgepflicht des Dienstherrn Bestand haben müssen, in der die Beihilfe ihre Grundlage hat. Zwar begründet die Durchbrechung einer vom Gesetz selbst statuierten Sachgesetzlichkeit für sich genommen noch keine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG. Sie kann jedoch ein Indiz für eine objektiv willkürliche Regelung oder das Fehlen eines nach Art und Gewicht hinreichenden Rechtfertigungsgrundes darstellen. Solange der Gesetzgeber am gegenwärtig praktizierten „Mischsystem“ aus privat finanzierter Vorsorge und ergänzender Beihilfe festhält, ist daher eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes indiziert, wenn eine bestimmte Regelung die im Beihilfesystem angelegte Sachgesetzlichkeit, dass notwendige und angemessene Aufwendungen beihilfefähig sind, ohne zureichenden Grund verlässt (vgl. BVerwG, U.v. 2.4. 2014 - 5 C 40.12 -, juris m.w.N.)

Der Kläger macht eine Ungleichbehandlung vorliegend insoweit geltend, dass kein sachlicher Grund dafür erkennbar sei, dass der Gesetzgeber eine Differenzierung beim beihilfefähigen Satz für das ärztliche Honorar einerseits und die Material- und Laborkosten andererseits vornimmt; zudem verweist er auf die einschlägigen Regelungen der gesetzlichen Krankenversicherung.

An vorstehenden Ausführungen gemessen ist die in § 14 BayBhV festgesetzte Beschränkung der Beihilfefähigkeit auf 40% nicht als willkürlich zu beanstanden. Das Gericht ist auf eine Willkürprüfung beschränkt, da diese Beschränkung der Beihilfefähigkeit im Vergleich zum sonstigen ärztlichen Honorar – wie im Übrigen auch im Verhältnis zu den Regelungen der gesetzlichen Krankenversicherung – klar ersichtlich allein an sachliche Unterschiede in Form bestimmter Kostenarten und Abrechnungsziffern der GOZ anknüpft und hierdurch keine unmittelbare oder auch nur mittelbare Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt wird. Die Leistungsbegrenzung beruht auf einem auch unter Berücksichtigung der Fürsorgepflicht plausiblen und sachlich vertretbaren Grund, nämlich der Begrenzung von steuerfinanzierten Beihilfeausgaben bei im Allgemeinen kostenintensiven Zahnbehandlungen; insoweit wird auf die vorstehenden Ausführungen unter II.1. verwiesen. Zudem handelt es sich – wie ebenfalls bereits erwähnt – bei den von § 14 BayBhV erfassten Kosten um einen Bereich, der regelmäßig erheblich mehr als andere Aufwendungen bei Krankheit von der Auswahl bestimmter Materialien abhängt, auf welche der Beamte selbst Einfluss nehmen kann, um die Höhe der Kosten zu beeinflussen und letztlich auch in bestimmtem Umfang zu begrenzen. Auch diese Tatsache ist geeignet, einen sachlichen Differenzierungsgrund für eine Leistungsbegrenzung darzustellen. Dass gleichzeitig zur Erreichung des genannten Zieles die Alimentations- und Fürsorgepflicht des Dienstherrn eingehalten wurde, ist gleichfalls unter II.1. bereits dargestellt worden. Beim Erlass beihilferechtlicher Vorschriften hat der Gesetz- und Verordnungsgeber einen weiten Spielraum politischen Ermessens, innerhalb dessen er das Beihilferecht den tatsächlichen Notwendigkeiten und der fortschreitenden Entwicklung anpassen und verschiedenartige Gesichtspunkte berücksichtigen darf. Den Gerichten ist die Überprüfung verwehrt, ob der Gesetzgeber dabei die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste Lösung gewählt hat. Die Gerichte dürfen – jenseits der Frage der Einhaltung der Fürsorge- und Alimentationspflicht nach Art. 33 Abs. 5 GG – nur die Überschreitung äußerster Grenzen beanstanden, jenseits derer sich gesetzliche Vorschriften bei der Abgrenzung von Lebenssachverhalten als evident sachwidrig erweisen (vgl. BVerwG, U.v. 12.12.2013 - 2 C 49/11 – juris zum Besoldungsrecht). Dies ist vorliegend entsprechend vorstehender Ausführungen ersichtlich nicht der Fall.

Eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG lässt sich auch nicht damit begründen, dass in den §§ 55 ff. SGB V eine im Vergleich zum System der Beihilfe abweichende Kostenerstattungsregelung mit Festzuschüssen betreffend Zahnersatz für gesetzlich krankenversicherte Personen vorgesehen ist. Denn durch Unterschiede in der Leistungsgewährung nach den Bayerischen Beihilfevorschriften und den Vorschriften des Fünften Buches Sozialgesetzbuch wird das Gebot der Gleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1 GG in der Regel und so auch hier nicht verletzt, ohne dass es der Erörterung weiterer Einzelheiten bedürfte. Denn die Krankheitsvorsorge aufgrund von Beihilfe und ergänzender Privatversicherung unterscheidet sich im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Verankerung, die Finanzierung, die Leistungsvoraussetzungen, das Leistungsspektrum und die Leistungsformen grundlegend von der gesetzlichen Krankenversicherung (BVerwG, U.v. 2.4.2014 - 5 C 40.12 -, juris, Rn. 16 m.w.N Auch darüber hinaus ist ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz durch die Regelung des § 14 BayBhV nicht ersichtlich.

Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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Tatbestand 1 Der Kläger begehrt die Gewährung weiterer Beihilfeleistungen für die Anschaffung der ihm ärztlich verordneten zwei Hörgeräte.

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Tenor I. Die Klage wird abgewiesen. II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. III. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe de

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(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Neben den für die einzelnen zahnärztlichen Leistungen vorgesehenen Gebühren können als Auslagen die dem Zahnarzt tatsächlich entstandenen angemessenen Kosten für zahntechnische Leistungen berechnet werden, soweit diese Kosten nicht nach den Bestimmungen des Gebührenverzeichnisses mit den Gebühren abgegolten sind.

(2) Der Zahnarzt hat dem Zahlungspflichtigen vor der Behandlung einen Kostenvoranschlag des gewerblichen oder des praxiseigenen Labors über die voraussichtlich entstehenden Kosten für zahntechnische Leistungen anzubieten und auf dessen Verlangen in Textform vorzulegen, sofern die Kosten insgesamt voraussichtlich einen Betrag von 1 000 Euro überschreiten. Für Behandlungen, die auf der Grundlage eines Heil- und Kostenplans für einen Behandlungszeitraum von mehr als zwölf Monaten geplant werden, gilt Satz 1 nur, sofern voraussichtlich bereits innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten Kosten von mehr als 1 000 Euro entstehen. Der Kostenvoranschlag muss die voraussichtlichen Gesamtkosten für zahntechnische Leistungen und die dabei verwendeten Materialien angeben. Art, Umfang und Ausführung der einzelnen Leistungen, Berechnungsgrundlage und Herstellungsort der zahntechnischen Leistungen sind dem Zahlungspflichtigen auf Verlangen näher zu erläutern. Ist eine Überschreitung der im Kostenvoranschlag genannten Kosten um mehr als 15 vom Hundert zu erwarten, hat der Zahnarzt den Zahlungspflichtigen hierüber unverzüglich in Textform zu unterrichten.

(1) Gebühren sind Vergütungen für die im Gebührenverzeichnis (Anlage 1) genannten zahnärztlichen Leistungen.

(2) Der Zahnarzt kann Gebühren nur für selbständige zahnärztliche Leistungen berechnen, die er selbst erbracht hat oder die unter seiner Aufsicht nach fachlicher Weisung erbracht wurden (eigene Leistungen). Für eine Leistung, die Bestandteil oder eine besondere Ausführung einer anderen Leistung nach dem Gebührenverzeichnis ist, kann der Zahnarzt eine Gebühr nicht berechnen, wenn er für die andere Leistung eine Gebühr berechnet. Dies gilt auch für die zur Erbringung der im Gebührenverzeichnis aufgeführten operativen Leistungen methodisch notwendigen operativen Einzelschritte. Eine Leistung ist methodisch notwendiger Bestandteil einer anderen Leistung, wenn sie inhaltlich von der Leistungsbeschreibung der anderen Leistung (Zielleistung) umfasst und auch in deren Bewertung berücksichtigt worden ist.

(3) Mit den Gebühren sind die Praxiskosten einschließlich der Kosten für Füllungsmaterial, für den Sprechstundenbedarf, für die Anwendung von Instrumenten und Apparaten sowie für Lagerhaltung abgegolten, soweit nicht im Gebührenverzeichnis etwas anderes bestimmt ist. Hat der Zahnarzt zahnärztliche Leistungen unter Inanspruchnahme Dritter, die nach dieser Verordnung selbst nicht liquidationsberechtigt sind, erbracht, so sind die hierdurch entstandenen Kosten ebenfalls mit der Gebühr abgegolten.

(4) Kosten, die nach Absatz 3 mit den Gebühren abgegolten sind, dürfen nicht gesondert berechnet werden. Eine Abtretung des Vergütungsanspruchs in Höhe solcher Kosten ist gegenüber dem Zahlungspflichtigen unwirksam.

(5) Sollen Leistungen durch Dritte erbracht werden, die diese dem Zahlungspflichtigen unmittelbar berechnen, so hat der Zahnarzt ihn darüber zu unterrichten.

(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.

(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.

(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.

(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.

(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.

(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.

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Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Gewährung weiterer Beihilfeleistungen für die Anschaffung der ihm ärztlich verordneten zwei Hörgeräte.

2

Er ist als Bundesbeamter im Ruhestand Versorgungsempfänger der Beklagten mit einem Beihilfebemessungssatz von 70 v.H.

3

Am 17. Januar 2011 beantragte der Kläger die Gewährung von Beihilfe für die am selben Tag erfolgte Beschaffung von zwei Hörgeräten zu einem Preis von jeweils 2 099 € sowie für die Beschaffung von zwei Maßotoplastiken zu einem Preis von jeweils 69 €. Der Rechnungsbetrag belief sich nach Abzug eines Kundenrabatts auf 4 124,10 €. Mit Bescheid vom 26. Januar 2011 setzte die Beklagte die Beihilfe insoweit auf einen Betrag von 1 435 € fest. Sie stützte sich auf die Höchstbetragsregelung des § 25 Abs. 1 Satz 2 der Bundesbeihilfeverordnung - BBhV - i.V.m. Ziff. 1 der Anlage 5, die die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für Hörgeräte, einschließlich der Nebenkosten, auf einen Betrag von 1 025 € je Ohr beschränkte.

4

Auf die nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht die Beklagte verpflichtet, dem Kläger eine weitere Beihilfe in Höhe von 1 451,87 € zu gewähren.

5

Das Oberverwaltungsgericht hat der Berufung der Beklagten stattgegeben und die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, die Aufwendungen für beide Hörgeräte seien zwar grundsätzlich beihilfefähig, da sie im Sinne des § 6 Abs. 1 BBhV notwendig sowie wirtschaftlich angemessen und die Hörgeräte - wie von § 25 Abs. 1 BBhV vorausgesetzt - erforderlich seien. Die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für Hörgeräte einschließlich der Nebenkosten sei aber durch § 25 Abs. 1 Satz 2 BBhV i.V.m. Ziff. 1 der Anlage 5 wirksam auf 1 025 € je Ohr begrenzt. Diese Höchstbetragsregelung finde ihre Rechtsgrundlage in § 80 Abs. 4 Bundesbeamtengesetz. Sie verstoße nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz nach Art. 3 Abs. 1 GG. Ebenso stehe sie mit der verfassungsrechtlich in Art. 33 Abs. 5 GG verankerten Fürsorgepflicht des Dienstherrn in Einklang. Das Fehlen einer abstrakt-generellen Härtefallregelung für die Fälle, in denen ein Beamter wegen der Höhe seiner Alimentation in nicht mehr zumutbarer Weise mit krankheitsbedingten Aufwendungen belastet werde, ändere daran nichts. Denn unzumutbare Belastungen könnten, ohne dass es auf das Vorliegen einer planwidrigen Regelungslücke ankomme, bis zum Erlass einer ausdrücklichen Regelung im Einzelfall durch die entsprechende Anwendung der Belastungsgrenze des § 50 Abs. 1 BBhV vermieden werden. Ob dem Kläger bei Anwendung der Belastungsgrenze eine weitere Beihilfe zustehe, sei in einem von ihm durch einen entsprechenden Antrag einzuleitenden gesonderten Verwaltungsverfahren zu ermitteln. Einen solchen Antrag habe der Kläger bisher nicht gestellt, so dass auch das (hilfsweise) auf Neubescheidung gerichtete Begehren keinen Erfolg habe.

6

Mit seiner Revision macht der Kläger Rechts- und Verfahrensfehler geltend. Er rügt eine Verletzung des Art. 33 Abs. 5 GG. Eine Höchstbetragsregelung, die - wie nach der hier noch maßgeblichen beihilferechtlichen Bestimmung - in den typischen Fällen keine ausreichende Versorgung mit Hörgeräten gewährleiste, verstoße gegen die Fürsorgepflicht des Dienstherrn. Der für Hörgeräte festgesetzte Höchstbetrag von 1 025 € je Ohr sei willkürlich und mit den tatsächlichen durchschnittlichen Kosten für Hörgeräte nicht in Übereinstimmung zu bringen. Dies stelle auch eine Art der Altersdiskriminierung dar, da Schwerhörigkeit eine Erkrankung sei, die in der Regel im fortgeschrittenen Lebensalter auftrete. Das angefochtene Urteil verletze zudem § 50 Abs. 1 BBhV. Diese Regelung könne nicht analog angewandt werden, da es sowohl an einer planwidrigen Regelungslücke als auch an einer Vergleichbarkeit der Sachverhalte fehle. Erforderliche Hilfsmittel seien in der Regel erheblich teurer als nichtverschreibungspflichtige Arzneimittel. Darüber hinaus habe das Oberverwaltungsgericht das Gebot der prozessualen Fairness verletzt und eine unzulässige Überraschungsentscheidung getroffen.

7

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil.

Entscheidungsgründe

8

Die Revision, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheidet (§ 141 Satz 1, § 125 Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 101 Abs. 2 VwGO), hat Erfolg. Das angefochtene Urteil verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), soweit das Oberverwaltungsgericht entscheidungstragend angenommen hat, § 50 Abs. 1 der Bundesbeihilfeverordnung vom 13. Februar 2009 (BGBl I S. 326) in der hier anzuwendenden Fassung der Ersten Verordnung zur Änderung der Bundesbeihilfeverordnung vom 17. Dezember 2009 (BGBl I S. 3922) - BBhV - sei auf Aufwendungen, die den in der Bundesbeihilfeverordnung für Hörgeräte einschließlich Nebenkosten festgesetzten Höchstbetrag überstiegen, entsprechend anzuwenden. Vielmehr ist insoweit § 25 Abs. 4 Satz 1 BBhV analog heranzuziehen. Ob ein Anspruch auf die geltend gemachte weitere Beihilfe bei Berücksichtigung dieser Vorschrift abzulehnen ist und sich die Entscheidung somit aus anderen Gründen im Ergebnis als richtig erweist, kann der Senat mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht entscheiden. Die Sache ist daher gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen. Damit bedarf es keiner Entscheidung über die von der Revision vorgebrachten Verfahrensrügen.

9

Die Voraussetzungen für die geltend gemachte weitere Beihilfe, die sich aus § 2 Abs. 1 Nr. 2, § 6 Abs. 1 Satz 1 und § 25 Abs. 1 Satz 1 und 2 i.V.m. Ziff. 1 Anlage 5 BBhV ergeben, sind dem Grunde nach erfüllt. Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (stRspr, vgl. Urteil vom 8. November 2012 - BVerwG 5 C 4.12 - Buchholz 270.1 § 22 BBhV Nr. 1 Rn. 12 m.w.N.). Maßgeblicher Zeitpunkt ist danach hier der Tag der Rechnungsstellung des Hörgeräteakustikers am 17. Januar 2011. Nach den genannten Bestimmungen haben Versorgungsempfänger einen Anspruch auf Beihilfe zu den notwendigen und wirtschaftlich angemessenen Aufwendungen für ein ärztlich verordnetes Hilfsmittel, das im Einzelfall erforderlich ist, um den Erfolg der Krankenbehandlung zu sichern, einer drohenden Behinderung vorzubeugen oder eine Behinderung auszugleichen. Das Hilfsmittel muss zudem in Anlage 5 BBhV genannt sein. Das Vorliegen dieser Voraussetzungen steht zwischen den Beteiligten nicht im Streit. Zu entscheiden ist allein darüber, ob die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen für die Anschaffung von Hörgeräten einschließlich der Nebenkosten zum maßgeblichen Zeitpunkt wirksam auf den Höchstbetrag von 1 025 € je Ohr beschränkt war. Das war der Fall. Ein Ausschluss - oder wie hier - eine Begrenzung der Beihilfefähigkeit stellt sich als Einschränkung des im Beihilferecht verankerten Grundsatzes dar, dass Beihilfe gewährt wird, soweit die Aufwendungen notwendig und angemessen sind (vgl. § 6 Abs. 1 Satz 1 BBhV). Sie bedürfen deshalb in formeller Hinsicht einer ausdrücklichen Rechtsgrundlage (1.) und müssen in materieller Hinsicht mit höherrangigem Recht vereinbar sein (2.) (vgl. Urteile vom 8. November 2012 a.a.O. Rn. 17 und vom 28. Mai 2009 - BVerwG 2 C 28.08 - Buchholz 270 § 6 BhV Nr. 19 Rn. 14 m.w.N.).

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1. § 25 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Ziff. 1 der Anlage 5 BBhV bestimmt, dass die notwendigen und angemessenen Aufwendungen für die Anschaffung ärztlich verordneter Hörgeräte, einschließlich der Nebenkosten bis zu 1 025 € je Ohr gegebenenfalls zuzüglich der Aufwendungen einer medizinisch notwendigen Fernbedienung beihilfefähig sind.

11

Diese Verordnungsregelung beruht auf einer hinreichend bestimmten gesetzlichen Verordnungsermächtigung. Denn sie wurde auf der Grundlage des § 80 Abs. 4 Bundesbeamtengesetz - BBG - vom 5. Februar 2009 (BGBl I S. 160) in der rückwirkend zum 1. Januar 2009 in Kraft getretenen Fassung des Gesetzes vom 14. November 2011 (BGBl I S. 2219) erlassen. Danach regelt das Bundesministerium des Innern im Einvernehmen mit dem Auswärtigen Amt, dem Bundesministerium der Finanzen, dem Bundesministerium der Verteidigung und dem Bundesministerium für Gesundheit durch Rechtsverordnung die Einzelheiten der Beihilfegewährung, insbesondere der Höchstbeträge, des völligen oder teilweisen Ausschlusses von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln in Anlehnung an das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch und der Berücksichtigung von Kindern. Von dieser Verordnungsermächtigung ist die in Rede stehende Höchstbetragsregelung gedeckt. Konkrete inhaltliche Vorgaben für die Festlegung und Ausgestaltung der Höchstbeträge sind der Verordnungsermächtigung nicht zu entnehmen. Sie verpflichtet den Verordnungsgeber insbesondere nicht, sich insoweit an den Regelungen des Rechts der gesetzlichen Krankenversicherung (z.B. § 36 Abs. 3 i.V.m. § 35 Abs. 5 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch - SGB V - in der Fassung des Gesetzes vom 20. Dezember 1988 , zuletzt geändert durch Gesetz vom 27. März 2014 ), zu orientieren. Dafür sprechen bereits deutlich der Wortlaut des § 80 Abs. 4 BBG und dessen binnensystematische Gliederung. Nach dem Satzbau bezieht sich das Gebot, sich an das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch anzulehnen, nur auf den ebenfalls beispielhaft aufgezählten völligen oder teilweisen Ausschluss von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln, nicht aber auf Höchstbeträge. Dieser Befund wird durch den in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck kommenden Willen des Gesetzgebers bestätigt. In der Gesetzesbegründung zu § 80 Abs. 4 BBG wird zwischen der Festlegung von Höchstbeträgen und dem Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln unterschieden. Die entsprechenden Regelungen des Fünften Buches Sozialgesetzbuch werden dabei - wie sich aus dem Wort "insoweit" erschließt - allein im Hinblick auf die dem Verordnungsgeber eingeräumte Möglichkeit in Bezug genommen, die Beihilfefähigkeit von Arznei-, Heil- und Hilfsmitteln auszuschließen. Nur "insoweit" soll sichergestellt werden, dass für die Beihilfe das gleiche Leistungsprogramm wie für gesetzlich Krankenversicherte gilt (vgl. BTDrucks 16/70769 S. 119).

12

2. Die Begrenzung der Beihilfefähigkeit für Hörgeräte auf den Höchstbetrag des § 25 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Ziff. 1 der Anlage 5 BBhV verletzt weder den allgemeinen Gleichheitssatz (a) noch die Fürsorgepflicht des Dienstherrn (b).

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a) Die Höchstbetragsregelung für Hörgeräte ist mit dem allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Sie beruht auf einer angesichts der Begrenzung der Beihilfefähigkeit geforderten (vgl. Urteil vom 28. Mai 2009 a.a.O.) inneren, den Anforderungen des Art. 3 Abs. 1 GG standhaltenden Rechtfertigung (aa). Der Vergleich mit den Regelungen der gesetzlichen Krankenversicherung kann keinen Gleichheitsverstoß begründen (bb). Eine gleichheitswidrige Benachteiligung älterer Beihilfeberechtigter gegenüber jüngeren Beihilfeberechtigten liegt nicht vor (cc).

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aa) Der allgemeine Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG gebietet, wesentlich Gleiches gleich zu behandeln, stellt es aber dem Normgeber frei, aufgrund autonomer Wertungen die Differenzierungsmerkmale auszuwählen, an die er eine Gleich- oder Ungleichbehandlung anknüpft. Je nach Regelungsgegenstand und Differenzierungsmerkmalen ergeben sich aus dem allgemeinen Gleichheitssatz unterschiedliche Grenzen für den Normgeber, die vom bloßen Willkürverbot bis zu einer strengen Bindung an Verhältnismäßigkeitserfordernisse reichen können (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 13. März 2007 - 1 BvF 1/05 - BVerfGE 118, 79 <100> und vom 21. Juni 2011 - 1 BvR 2035/07 - BVerfGE 129, 49 <68> m.w.N.). Knüpft die Ungleichbehandlung nicht an ein personenbezogenes, d.h. von den Betroffenen gar nicht oder nur schwer beeinflussbares Merkmal, sondern an Lebenssachverhalte an oder hängt sie von freiwilligen Entscheidungen der Betroffenen ab, hat der Normgeber grundsätzlich einen weiten Gestaltungsspielraum. Ein Gleichheitsverstoß ist nur dann anzunehmen, wenn sich im Hinblick auf die Eigenart des geregelten Sachbereiches ein vernünftiger, einleuchtender Grund für die Regelung schlechthin nicht finden lässt, die Regelung also willkürlich erscheint. Bei der Ungleichbehandlung von Personengruppen unterliegt der Normgeber dagegen regelmäßig engen rechtlichen Bindungen. Dies gilt auch, wenn eine Ungleichbehandlung von Sachverhalten mittelbar eine Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 13. März 2007 a.a.O. m.w.N.). Ein Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz kann in diesen Fällen schon dann angenommen werden, wenn für die Differenzierung keine Gründe von solcher Art und solchem Gewicht bestehen, dass sie die ungleichen Rechtsfolgen rechtfertigen können. Für beide Fallgruppen gilt, dass die vom Normgeber für eine Differenzierung im Beihilferecht angeführten Gründe auch vor der verfassungsrechtlichen Fürsorgepflicht des Dienstherrn Bestand haben müssen, in der die Beihilfe ihre Grundlage hat (vgl. zu Vorstehendem insgesamt Urteile vom 13. Dezember 2012 - BVerwG 5 C 3.12 - Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 43 Rn. 29 und vom 5. Mai 2010 - BVerwG 2 C 12.10 - ZBR 2011, 126 Rn. 10 f. jeweils m.w.N.). Zwar begründet die Durchbrechung einer vom Gesetz selbst statuierten Sachgesetzlichkeit für sich genommen noch keine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG. Sie kann jedoch ein Indiz für eine objektiv willkürliche Regelung oder das Fehlen eines nach Art und Gewicht hinreichenden Rechtfertigungsgrundes darstellen (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 16. September 2009 - 1 BvR 2275/07 - ZOV 2009, 291 <295> m.w.N.). Solange der Gesetzgeber am gegenwärtig praktizierten "Mischsystem" aus privat finanzierter Vorsorge und ergänzender Beihilfe festhält, ist daher eine Verletzung des allgemeinen Gleichheitssatzes indiziert, wenn eine bestimmte Regelung die im Beihilfesystem angelegte Sachgesetzlichkeit, dass notwendige und angemessene Aufwendungen beihilfefähig sind, ohne zureichenden Grund verlässt.

15

Hieran gemessen ist der für Hörgeräte in § 25 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Ziff. 1 der Anlage 5 BBhV festgesetzte Höchstbetrag nicht als willkürlich zu beanstanden. Der Senat ist auf eine Willkürprüfung beschränkt, da dieser Betrag an sachliche Unterschiede zwischen den in Anlage 5 BBhV genannten Hilfsmitteln anknüpft und hierdurch auch keine mittelbare Ungleichbehandlung von Personengruppen bewirkt wird. Die durch den Höchstbetrag bedingte Leistungsbegrenzung beruht auf einem auch unter Berücksichtigung der Fürsorgepflicht plausiblen und sachlich vertretbaren Grund. Bei der Entscheidung, ob und für welche Hilfsmittel im Einzelnen die notwendigen und angemessenen Anschaffungskosten nur bis zu einer bestimmten Obergrenze als beihilfefähig anerkannt und demzufolge die Beihilfeberechtigten gegebenenfalls mit einem Teil dieser Kosten belastet werden, steht dem Normgeber ein Gestaltungsspielraum zu (vgl. Urteile vom 28. April 2011 - BVerwG 2 C 51.08 - ZBR 2011, 379 Rn. 14 und vom 31. Januar 2002 - BVerwG 2 C 1.01 - Buchholz 237.0 § 101 BaWüLBG Nr. 1 S. 2 f.). Die Festlegung des in Rede stehenden Höchstbetrages für Hörgeräte überschreitet diesen Spielraum nicht. Sie erlaubt in einer Vielzahl von Fällen die Anschaffung medizinisch notwendiger und technisch hochwertiger Hörgeräte. Soweit eine Zuzahlung erforderlich ist, liegt dem Höchstbetrag erkennbar die willkürfreie Wertung zugrunde, dass es sich insoweit um hochpreisige Hilfsmittel handelt, die im Allgemeinen eine längere Lebensdauer aufweisen und nicht in kürzeren Abständen angeschafft werden müssen. Demzufolge verteilt sich eine etwaige den Beihilfeberechtigten treffende finanzielle Belastung rechnerisch auf mehrere Jahre, sodass dieser regelmäßig in der Lage sein wird, hierfür eine entsprechende Eigenvorsorge zu treffen.

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bb) Eine Verletzung des Art. 3 Abs. 1 GG lässt sich auch nicht damit begründen, dass gesetzlich Krankenversicherte nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. Urteil vom 17. Dezember 2009 - B 3 KR 20/08 R - BSGE 105, 170) einen Anspruch auf kostenfreie Versorgung mit einem Hörgerät haben, das einen im Recht der gesetzlichen Krankenversicherung festgelegten Festbetrag übersteigt, wenn eine objektiv ausreichende Versorgung zum Festbetrag unmöglich ist. Unabhängig davon, ob hier überhaupt ein solcher Fall vorliegt, wird das Gebot der Gleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1 GG in der Regel und so auch hier durch Unterschiede in der Leistungsgewährung nach den Beihilfevorschriften des Bundes und den Vorschriften des Fünften Buches Sozialgesetzbuch nicht verletzt. Denn die Krankheitsvorsorge aufgrund von Beihilfe und ergänzender Privatversicherung unterscheidet sich im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Verankerung, die Finanzierung, die Leistungsvoraussetzungen, das Leistungsspektrum und die Leistungsformen grundlegend von der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. Urteil vom 5. Mai 2010 a.a.O. Rn. 17 m.w.N.).

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cc) Die höhenmäßige Begrenzung der Beihilfefähigkeit für Hörgeräte benachteiligt - entgegen der Auffassung des Klägers - auch nicht gleichheitswidrig Beihilfeberechtigte "im fortgeschrittenen Lebensalter" gegenüber jüngeren Beihilfeberechtigten. Sie unterscheidet nicht zwischen diesen beiden Personengruppen, sondern gilt unterschiedslos für alle Beihilfeberechtigten. Mithin wird der Beihilfeanspruch für ältere Beihilfeberechtigte nicht von anderen als den für jedermann geltenden Voraussetzungen abhängig gemacht. Zwar kann auch eine gesetzliche Regelung, deren Wortlaut eine Ungleichbehandlung vermeidet, dann dem Gleichheitssatz widersprechen, wenn sich aus ihrer praktischen Auswirkung eine offenbare und sachlich nicht mehr zu rechtfertigende Ungleichheit ergibt und diese ungleiche Auswirkung gerade auf die rechtliche Gestaltung zurückzuführen ist (vgl. BVerfG, Urteil vom 3. Dezember 1968 - 2 BvE 1, 3 und 5/67 - BVerfGE 24, 300 <358> und Beschluss vom 9. August 1978 - 2 BvR 831/76 - BVerfGE 49, 148 <165>). Diese Voraussetzungen liegen hier jedoch nicht vor. Es ist bereits nicht offensichtlich, dass die Begrenzung der Beihilfefähigkeit für Hörgeräte typischerweise und damit in aller Regel einen Kreis von Beihilfeberechtigten in der Weise betrifft, dass eine Art. 3 Abs. 1 GG zuwiderlaufende "Altersdiskriminierung" - wie sie der Kläger geltend macht - in Erwägung gezogen werden könnte.

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b) Die Höchstbetragsregelung für Hörgeräte muss mit der Fürsorgepflicht des Dienstherrn, die auf Bundesebene einfachgesetzlich in § 78 BBG normiert und als hergebrachter Grundsatz des Berufsbeamtentums im Sinne von Art. 33 Abs. 5 GG verfassungsrechtlich verankert ist (vgl. Urteil vom 13. Dezember 2012 a.a.O. Rn. 15 ff.), in Einklang stehen (aa). Dabei kann hier offenbleiben, ob die Bundesbeihilfeverordnung in Bezug auf die Leistungsbegrenzung gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Ziff. 1 der Anlage 5 BBhV den Anforderungen der verfassungsrechtlichen Fürsorgepflicht nur dann in vollem Umfang gerecht wird, wenn sie eine abstrakt-generelle Regelung zur Vermeidung unzumutbarer Härten im Einzelfall vorhält. Denn an einer solchen Härtefallregelung mangelt es hier nicht (bb).

19

aa) Die Fürsorgepflicht ergänzt die ebenfalls in Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistete Alimentationspflicht des Dienstherrn. Sie fordert, dass der Dienstherr den amtsangemessenen Lebensunterhalt der Beamten bzw. Versorgungsempfänger und ihrer Familien auch in besonderen Belastungssituationen wie Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Geburt oder Tod sicherstellt. Ob er diese Pflicht über eine entsprechende Bemessung der Dienstbezüge, über Sachleistungen, Zuschüsse oder in sonst geeigneter Weise erfüllt, bleibt von Verfassungs wegen seiner Entscheidung überlassen (stRspr, vgl. z.B. Urteile vom 10. Oktober 2013 - BVerwG 5 C 32.12 - zur Veröffentlichung in Buchholz vorgesehen Rn. 24 = NVwZ-RR 2014, 240 <242>; vom 13. Dezember 2012 - BVerwG 5 C 3.12 - Buchholz 271 LBeihilfeR Nr. 43 Rn. 18; vom 28. April 2011 - BVerwG 2 C 51.08 - ZBR 2011, 379 Rn. 14 und vom 28. Mai 2008 - BVerwG 2 C 1.07 - Buchholz 237.8 § 90 RhPLBG Nr. 4 Rn. 25 jeweils m.w.N.). Für die genannten besonderen Belastungssituationen wird die Fürsorgepflicht grundsätzlich abschließend durch die Beihilfevorschriften konkretisiert (stRspr, vgl. z.B. Urteil vom 10. Oktober 2013 a.a.O. Rn. 25 m.w.N.). Im Bereich der Krankenvorsorge verpflichtet sie den Dienstherrn, den Beamten bzw. Versorgungsempfänger von in Hinblick auf seine Alimentation unzumutbaren und unabwendbaren Belastungen freizuhalten (vgl. Beschluss vom 22. März 2005 - BVerwG 2 B 9.05 -), gebietet aber keine lückenlose Erstattung aller krankheitsbedingten Kosten. Daher ist der Dienstherr aus Gründen der Fürsorgepflicht grundsätzlich nicht gehindert, im Rahmen der nach medizinischer Einschätzung behandlungsbedürftigen Leiden Unterschiede zu machen und die Beihilfefähigkeit aus triftigen Gründen zu beschränken oder ganz auszuschließen (stRspr, vgl. z.B. Urteile vom 13. Dezember 2012 a.a.O. Rn. 19; vom 24. Februar 2011 - BVerwG 2 C 9.10 - USK 2011, 88 Rn. 15 und vom 28. Mai 2008 a.a.O. Rn. 25 f. sowie Beschluss vom 18. Januar 2013 - BVerwG 5 B 44.12 - juris Rn. 8, jeweils m.w.N.). Nach Maßgabe dieser Grundsätze hat der Dienstherr, wenn er sich - wie nach dem gegenwärtig praktizierten System - entscheidet, seiner Fürsorgepflicht durch die Zahlung von Beihilfen nachzukommen, die zu der aus der gewährten Alimentation zu bestreitenden Eigenvorsorge ergänzend hinzutreten, und dabei für bestimmte krankheitsbedingte Aufwendungen einen Leistungsausschluss oder eine Leistungsbegrenzung vorsieht, dafür zu sorgen, dass der Beamte bzw. Versorgungsempfänger nicht mit erheblichen finanziellen Kosten belastet bleibt, die er durch die Regelalimentation und eine zumutbare Eigenvorsorge nicht bewältigen kann. Geschieht dies nicht und führt eine Beschränkung zu unzumutbaren Belastungen, ist der nicht zur Disposition des Dienstherrn stehende Wesenskern der Fürsorgepflicht mit der Folge betroffen, dass die Beihilfefähigkeit nicht ausgeschlossen oder begrenzt werden darf (vgl. Urteil vom 13. Dezember 2012 a.a.O. Rn. 21 m.w.N.).

20

bb) Es kann hier dahinstehen, ob und in wie vielen Fällen die mit dem Höchstbetrag verbundene Begrenzung der Beihilfefähigkeit für Hörgeräte ausnahmsweise zu einer unzumutbaren Belastung der Beihilfeberechtigten führt. Ferner muss nicht entschieden werden, ob der Verordnungsgeber aus Gründen der verfassungsrechtlichen Fürsorgepflicht für solche Fälle normative Vorkehrungen treffen musste. Ebenso kann offenbleiben, ob die Leistungsbegrenzung gemäß § 25 Abs. 1 Satz 2 i.V.m. Ziff. 1 der Anlage 5 BBhV ohne eine abstrakt-generelle Regelung zur Vermeidung unzumutbarer Härten insgesamt oder nur teilweise unwirksam gewesen ist. Denn selbst wenn es einer Härtefallregelung bedurfte, fehlte es zu dem entscheidungserheblichen Zeitpunkt an einer solchen nicht. Das Oberverwaltungsgericht hat zwar Bundesrecht verletzt, soweit es der Sache nach § 50 Abs. 1 BBhV analog angewandt hat ((1)). Eine etwaige Regelungslücke war aber durch analoge Anwendung des § 25 Abs. 4 Satz 1 BBhV zu schließen ((2)).

21

(1) Eine Analogie zu § 50 Abs. 1 BBhV scheidet aus. Jede Art der gesetzesimmanenten richterlichen Rechtsfortbildung - hier die Analogie - setzt eine Regelungslücke im Sinne einer planwidrigen Unvollständigkeit des Gesetzes - hier im materiellen Sinne - voraus. Ob eine Regelungslücke vorliegt, ist danach zu beurteilen, ob die vom Regelungsprogramm des Verordnungsgebers erfassten Fälle in den Vorschriften der Verordnung tatsächlich Berücksichtigung gefunden haben. Sie ist zu bejahen, wenn festzustellen ist, dass der Wortlaut der Verordnungsregelungen nicht alle Fälle erfasst, die nach deren Sinn und Zweck erfasst sein sollten (vgl. z.B. für Gesetze im formellen Sinne Urteil vom 12. September 2013 - BVerwG 5 C 35.12 - zur Veröffentlichung in Buchholz vorgesehen Rn. 27 = DVBl 2014, 307 <309> m.w.N.). Darüber hinaus ist eine vergleichbare Sach- und Interessenlage erforderlich. Die Bundesbeihilfeverordnung weist zwar für Härtefälle, die sich aus der Anwendung der Höchstbetragsregelung für Hörgeräte ergeben, eine planwidrige Regelungslücke auf ((a)). Die Sach- und Interessenlage in derartigen Fällen ist indessen nicht die gleiche, die der in § 50 Abs. 1 BBhV getroffenen Regelung zugrunde liegt ((b)).

22

(a) Die hier anzuwendende Bundesbeihilfeverordnung vom 13. Februar 2009 in der Fassung der Ersten Verordnung zur Änderung der Bundesbeihilfeverordnung vom 17. Dezember 2009 war lückenhaft. Sie traf - was zwischen den Beteiligten nicht im Streit steht - für den in Rede stehenden Sachverhalt keine ausdrückliche Härtefallregelung. Allerdings war ihr zu entnehmen, dass den Beihilfeberechtigten nach dem Plan des Verordnungsgebers ausnahmsweise ein über das geregelte Beihilfeniveau hinausgehender Anspruch zugestanden werden soll, wenn und soweit sie infolge eines teilweisen oder vollständigen Ausschlusses der Beihilfefähigkeit mit Kosten belastet blieben, die ihre finanziellen Möglichkeiten erheblich übersteigen. Dafür sprechen die bereits in der hier anzuwendenden Fassung enthaltenen zahlreichen Härtefallregelungen für andere Konstellationen. So sind beispielsweise nach § 6 Abs. 1 Satz 2 Alt. 2 BBhV andere (als notwendige und wirtschaftlich angemessene) Aufwendungen ausnahmsweise beihilfefähig, soweit die Ablehnung der Beihilfe im Hinblick auf die Fürsorgepflicht nach § 78 BBG eine besondere Härte darstellen würde. Darüber hinaus regelt § 25 Abs. 4 Satz 1 BBhV, dass getätigte Aufwendungen für Hilfsmittel und Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle im Sinne des § 25 Abs. 1 Satz 1 BBhV, die weder in Anlage 5 oder 6 aufgeführt noch mit den aufgeführten Gegenständen vergleichbar sind, ausnahmsweise beihilfefähig sind, wenn dies im Hinblick auf die Fürsorgepflicht nach § 78 BBG notwendig ist. Des Weiteren sieht § 31 Abs. 3 Nr. 2 Satz 2 BBhV vor, dass Fahrtkosten einschließlich Flugkosten anlässlich von Behandlungen außerhalb der Europäischen Union ausnahmsweise beihilfefähig sind, soweit sie aus zwingenden medizinischen Gründen im Hinblick auf die Fürsorgepflicht nach § 78 BBG erforderlich sind. In dieselbe Richtung weist § 41 Abs. 3 BBhV, wonach das Bundesministerium des Innern die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Maßnahmen zur Früherkennung, Überwachung und Verhütung von Erkrankungen, die nicht nach anderen Vorschriften dieser Verordnung beihilfefähig sind, in Verwaltungsvorschriften für diejenigen Fälle ausnahmsweise zulassen kann, in denen die Gewährung von Beihilfe im Hinblick auf die Fürsorgepflicht nach § 78 BBG notwendig ist. Ebenso bestimmt § 47 Abs. 1 BBhV, dass die oberste Dienstbehörde oder eine von ihr bestimmte Behörde im Hinblick auf die Fürsorgepflicht nach § 78 BBG den Bemessungssatz für Aufwendungen anlässlich einer Dienstbeschädigung angemessen erhöhen kann, soweit nicht bereits Ansprüche nach dem Bundesversorgungsgesetz bestehen; gemäß § 47 Abs. 3 Satz 1 BBhV kann sie den Bemessungssatz in weiteren besonderen Ausnahmefällen im Einvernehmen mit dem Bundesministerium des Innern angemessen erhöhen, wenn dies im Hinblick auf die Fürsorgepflicht nach § 78 BBG zwingend geboten ist. Dass der Verordnungsgeber die angeführten Regelungen nicht als abschließend und demzufolge den Höchstbetrag für Hörgeräte nicht als starre Obergrenze verstanden hat, zeigt sich daran, dass er in die am 20. September 2012 in Kraft getretene Dritte Verordnung zur Änderung der Bundesbeihilfeverordnung vom 8. September 2012 (BGBl I S. 1935) - BBhV n.F. - eine ausdrückliche Härtefallregelung für Hörgeräte aufgenommen hat. Nach Ziff. 8.8 der Anlage 11 zu § 25 Abs. 1 und 4 BBhV n.F. kann der Höchstbetrag für Hörgeräte überschritten werden, soweit dies erforderlich ist, um eine ausreichende Versorgung bei beidseitiger an Taubheit grenzender Schwerhörigkeit oder bei vergleichbar schwerwiegenden Sachverhalten zu gewährleisten. Zudem hat der Verordnungsgeber mit § 6 Abs. 7 Satz 1 BBhV n.F. eine allgemeine Härtefallregelung geschaffen.

23

(b) Eine Analogie scheidet jedoch aus, weil der hier zu beurteilende Sachverhalt mit dem von § 50 Abs. 1 BBhV erfassten Sachverhalt nicht vergleichbar ist. Der Verordnungsgeber wollte mit §§ 49 und 50 BBhV die Maßnahmen des zum 1. Januar 2004 in Kraft getretenen Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Modernisierungsgesetz - GMG -) vom 14. November 2003 (BGBl I S. 2190) wirkungsgleich auf den Beihilfebereich übertragen. Die Beihilfeberechtigten sollten in entsprechender Weise wie die gesetzlich Krankenversicherten zur Kostentragung herangezogen werden. Dementsprechend sieht § 49 BBhV vergleichbar der Regelung der gesetzlichen Krankenversicherung über die Zuzahlungspflicht (§ 61 SGB V) einen Abzug von Eigenbehalten vor (vgl. Begründung des Entwurfs der Bundesbeihilfeverordnung, Stand: 2. April 2007, S. 34). § 50 Abs. 1 BBhV setzt daneben die Regelung der gesetzlichen Krankenversicherung über die Begrenzung der Zuzahlungspflicht (§ 62 SGB V) um (vgl. Begründung des Entwurfs der Beihilfeverordnung a.a.O. S. 36). Danach sind auf Antrag Eigenbehalte nach § 49 BBhV von den beihilfefähigen Aufwendungen oder der Beihilfe für ein Kalenderjahr nicht abzuziehen, soweit sie die Belastungsgrenze nach Satz 4, d.h. zwei oder ein Prozent der jährlichen Einnahmen nach § 39 Abs. 3 Satz 3 bis 7 BBhV, übersteigen. Im Unterschied dazu geht es bei der Gewährung einer über das geregelte Beihilfeniveau hinausgehenden Leistung nicht darum, eine wirkungsgleiche Belastung zwischen Beihilfeberechtigten und gesetzlich Krankenversicherten herzustellen. Die Einräumung eines Beihilfeanspruchs über den festgelegten Höchstbetrag hinaus dient allein der Erfüllung der Fürsorgepflicht des Dienstherrn im Einzelfall.

24

(2) Die planwidrige Regelungslücke ist mit Blick auf die vergleichbare Sach- und Interessenlage durch entsprechende Heranziehung des § 25 Abs. 4 Satz 1 BBhV zu schließen.

25

Nach § 25 Abs. 4 Satz 1 BBhV sind getätigte Aufwendungen für Hilfsmittel und Geräte zur Selbstbehandlung und Selbstkontrolle im Sinne des Absatzes 1 Satz 1, die weder in Anlage 5 oder 6 aufgeführt noch mit den aufgeführten Gegenständen vergleichbar sind, ausnahmsweise beihilfefähig, wenn dies im Hinblick auf die Fürsorgepflicht nach § 78 BBG notwendig ist. Die Entscheidung hierüber ist von Amts wegen in dem durch Beihilfeantrag eingeleiteten Verfahren zu treffen. Bei wertender Betrachtung macht es aus der Sicht der Fürsorgepflicht keinen sachlichen Unterschied, ob bei der Anschaffung von Hilfsmitteln der vollständige Ausschluss der Beihilfefähigkeit oder deren höhenmäßige Begrenzung zu einer unzumutbaren finanziellen Belastung der Beihilfeberechtigten führt. Sowohl in den in § 25 Abs. 4 Satz 1 BBhV geregelten Fallkonstellationen als auch in dem nicht geregelten Fall, dass für ein in der Anlage 5 genanntes Hilfsmittel ein Höchstbetrag als Obergrenze für die Beihilfefähigkeit der Aufwendungen festgelegt ist, bedarf es eines über das geregelte Beihilfeniveau hinausgehenden Anspruchs, um zu gewährleisten, dass der verfassungsrechtlichen Fürsorgepflicht auch unter Berücksichtigung des pauschalierenden und typisierenden Charakters der Beihilfevorschriften im Einzelfall genügt wird.

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Das Oberverwaltungsgericht hat keine tatsächlichen Feststellungen dazu getroffen, ob die Ablehnung der Gewährung weiterer Beihilfeleistungen für die Anschaffung der Hörgeräte eine besondere Härte für den Kläger darstellt. Die Sache ist daher an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen, damit es diese Prüfung nachholen kann.

Gründe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

Aktenzeichen: 14 B 13.654

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 14. Juli 2015

14. Senat

(VG München, Entscheidung vom 12. August 2010, Az.: M 17 K 10.939)

Sachgebietsschlüssel: 1335

Hauptpunkte: Beihilfe für Beamte des Freistaats ...; Zulässigkeit eines grundsätzlichen Ausschlusses der Beihilfefähigkeit von Brillen für Erwachsene (verneint).

Rechtsquellen:

Leitsätze:

In der Verwaltungsstreitsache

...

gegen

Freistaat ...,

vertreten durch: Landesanwaltschaft ..., L-str. ..., M.,

- Beklagter -

wegen Beihilfe (Aufwendungen für Sehhilfe);

hier: Berufung des Klägers gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 12. August 2010,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 14. Senat, durch die Vorsitzende Richterin am Verwaltungsgerichtshof Koch, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Klein, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Siller aufgrund mündlicher Verhandlung vom 14. Juli 2015 am 14. Juli 2015 folgendes Urteil:

I.

Das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 12. August 2010 wird abgeändert. Der Beklagte wird unter Abänderung des Bescheids des Landesamts für Finanzen vom 15. September 2009 verpflichtet‚ dem Kläger für die Aufwendungen zur Anschaffung der Gleitsichtbrille Beihilfe in Höhe von 232‚40 Euro zu gewähren.

II.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden‚ falls nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der zum maßgeblichen Zeitpunkt mit einem Bemessungssatz von 70% beihilfeberechtigte Kläger‚ ein zwischenzeitlich im Ruhestand befindlicher Universitätsprofessor‚ begehrt Beihilfeleistungen für eine Gleitsichtbrille.

Der vom Kläger aufgesuchte Arzt für Augenheilkunde hat mit Datum 22. Juli 2009 Gleitsichtgläser mit folgenden Werten verordnet: Ferne Rechts: Sph -12.5, cyl -1.5, A 140°, RA 4 Prismen Basis innen; Ferne Links: Sph -4.5, cyl -1.25, A 34°, LA 6 Prismen Basis unten; Nähe Rechts: Sph -10.0, cyl -1.5, A 140°, RA 4 Prismen Basis innen; Nähe Links: Sph -2.0, cyl -1.25, A 34°, LA 6 Prismen Basis unten. Dem augenärztlichen Attest vom 22. Dezember 2009 ist zu entnehmen, dass beim Kläger eine Myopia per magna (ca. -13 dpt.) bestehe, zusätzlich orthoptisch eine Exophorie in der Nähe -8°, Ferne -3° und eine musculus obliquus inferior overaction links mehr als rechts sowie eine Hyotropie, die eine Prismenkorrektur erforderlich mache, da sonst Doppelbilder entstünden. Bei bester Korrektur betrage die Sehschärfe rechts 0.8, links 1.0. Ohne Brille sei der Kläger nicht arbeitsfähig und wesentlich sehbehindert.

Der Kläger beantragte am 10. September 2009 Beihilfe für eine Nah-‚ eine Fern- und eine Gleitsichtbrille unter Vorlage von drei Rechnungen jeweils vom 14. August 2009 in Höhe von 336‚50 Euro‚ 296 Euro und 923‚50 Euro. Mit Bescheid vom 15. September 2009 lehnte der Beklagte die Gewährung von Beihilfe für die genannten Rechnungen unter Hinweis auf die Nichterstattungsfähigkeit der Aufwendungen für Sehhilfen gemäß § 22 Abs. 1 BayBhV ab. Eine der Indikationen nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayBhV, die ausnahmsweise die Erstattung der Aufwendungen für Sehhilfen nach Vollendung des 18. Lebensjahres erlaube‚ liege nicht vor. Dem hiergegen eingelegten Widerspruch half der Beklagte mit Schreiben vom 19. Februar 2010 nicht ab; vom Erlass eines förmlichen Widerspruchsbescheids wurde abgesehen.

Die vom Kläger erhobene Verpflichtungsklage auf Beihilfegewährung „für die Sehhilfe“ wies das Bayerische Verwaltungsgericht München mit Urteil vom 12. August 2010 ab. Dem Kläger stehe kein Anspruch auf Gewährung von Beihilfe für die Sehhilfen zu. Die Voraussetzungen des § 22 Abs. 1 BayBhV‚ der eine Gewährung von Beihilfe für Sehhilfen nur unter eingeschränkten Voraussetzungen vorsehe‚ lägen nicht vor. Das Gericht halte die Vorschrift nicht für verfassungswidrig und verneine einen Anspruch des Klägers aus der Fürsorgepflicht. Das gegenwärtig praktizierte System der Beihilfe gehöre nicht zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums und werde daher nicht durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistet. Die Fürsorgepflicht ergänze die durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleistete Alimentationspflicht des Dienstherrn. Sie erfordere‚ dass der Dienstherr den amtsangemessen Lebensunterhalt der Beamten und deren Familien auch in besonderen Belastungssituationen‚ wie Krankheit und Pflegebedürftigkeit, sichere. Er müsse dafür Sorge tragen‚ dass Beamte in diesen Lebenslagen nicht mit erheblichen finanziellen Aufwendungen belastet blieben‚ die sie nicht mehr in zumutbarer Weise aus ihrer Alimentation bestreiten könnten. Dies sei auf Grundlage des gegenwärtig praktizierten „Mischsystems“ zu beurteilen‚ in dem zur Eigenvorsorge des Beamten durch Abschluss einer auf die Beihilfevorschriften abgestimmten Versicherung die ergänzende Beihilfegewährung trete. Die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht verlange weder‚ dass Aufwendungen der Beamten im Krankheitsfall durch Leistungen einer beihilfekonformen Krankenversicherung und der ergänzenden Beihilfe vollständig abgedeckt würden‚ noch dass die von der Beihilfe nicht erfassten Kosten in vollem Umfang versicherbar seien. Der Dienstherr sei durch die Fürsorgepflicht in ihrem von Art. 33 Abs. 5 GG erfassten Kernbereich grundsätzlich nicht daran gehindert‚ im Rahmen der nach medizinischer Einschätzung behandlungsbedürftigen Leiden Unterschiede zu machen und die Erstattung von Behandlungskosten aus triftigen Gründen zu beschränken oder auszuschließen. Die Begrenzung der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Brillen halte sich im Rahmen des dem Dienstherrn bei der Konkretisierung seiner Fürsorgepflicht zustehenden Ermessens. Die Leistungsbegrenzung für erwachsene Personen überfordere einen Beamten (speziell auch den Kläger) finanziell grundsätzlich nicht, zumal Aufwendungen für Sehhilfen nur in größeren zeitlichen Abständen anfielen und durch eine private Krankenversicherung grundsätzlich versichert werden könnten. Unter dem Gesichtspunkt des Sparzwangs der öffentlichen Haushalte sowie unter dem Gesichtspunkt‚ dass für die zu leistende ergänzende Beihilfe nicht auf ein traditionelles Anspruchsniveau der Beamtenschaft abgestellt werden könne‚ könne die Leistungsbegrenzung für erwachsene Personen bzw. die Einschränkung auf sehr schwere Augenleiden nicht als Verletzung der Fürsorgepflicht im Wesenskern angesehen werden. In diesem Zusammenhang sei darauf hinzuweisen‚ dass die Beihilfevorschriften der Beschränkung für Sehhilfen im Bereich der gesetzlichen Krankenversicherung nachgebildet worden seien.

Im Rahmen der vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Berufung beschränkte der Kläger seine Klage auf die Gewährung von Beihilfe für die Gleitsichtbrille in bestimmter Höhe.

Der Kläger beantragt‚

das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 12. August 2010 abzuändern und unter Abänderung des Bescheids des Landesamts für Finanzen vom 15. September 2009 den Beklagten zu verpflichten‚ für die Aufwendungen zur Anschaffung der Gleitsichtbrille Beihilfe in Höhe von 232‚40 Euro zu gewähren.

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts zwinge die Verfassung den Verordnungsgeber neben der „quantitativen“ auch zur Beachtung einer „qualitativen“ Belastungsgrenze. Der Ausschluss gewisser Hilfsmittel von der Beihilfe liege mindestens dann außerhalb des ihm zustehenden Ermessensspielraums‚ wenn sie unmittelbar die Dienstfähigkeit sicher stellten‚ deren Erhalt der Kläger - wie jeder Beamte - seinem Dienstherrn unabhängig von seiner Besoldung schon unter Treuegesichtspunkten schulde. Der Verweis auf einen angeblichen „öffentlichen Sparzwang“ sei kein stichhaltiges Argument. Der Auffassung des Verwaltungsgerichts‚ es bestehe keine verfassungsrechtliche Verpflichtung‚ den Beamten in Krankheitsfällen Unterstützungen in Form von Beihilfen oder gar von Beihilfen in bestimmter Höhe zu gewähren‚ werde nicht beigepflichtet. Vielmehr sei eine verfassungsrechtliche Verpflichtung des Dienstherrn zur Gewährung von Beihilfe unbestritten und er habe lediglich ein Ermessen‚ solange er die Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern nicht verletze. Auch aus Gründen des „Sparzwangs der öffentlichen Haushalte“ dürfe den Beamten kein Sonderopfer zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte auferlegt werden. Nicht ersichtlich sei‚ auf welches „traditionelle Anspruchsniveau“ sich das Verwaltungsgericht berufe. Das Argument‚ die Beschränkung der Beihilfe nur für „sehr schwere Augenleiden“ sei der Angleichung an die gesetzliche Krankenversicherung geschuldet‚ könne keine Eingriffe in den durch Art. 33 Abs. 5 GG geschützten Kernbereich der Fürsorgepflicht rechtfertigen. Im Rahmen der Beihilfe sei zu beachten‚ dass der Kläger die Sehhilfe zur Herstellung seiner Dienstfähigkeit benötige. Der Dienstherr habe sich prinzipiell an den Kosten aller Hilfsmittel zu beteiligen‚ die zum Ausgleich einer Behinderung erforderlich seien‚ erst recht wenn sie zur Herstellung der Dienstfähigkeit unerlässlich seien. Der Verordnungsgeber habe indessen unsachlich und willkürlich zwischen verschiedenen Stufen der Blindheit differenziert‚ wobei ohne Hilfsmittel weder in den im Rahmen des § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayBhV berücksichtigten Indikationen noch im Falle des Klägers eine Dienstfähigkeit gegeben sei. Einschränkungen der Beihilfe seien nur dann möglich‚ wenn dadurch die Dienstfähigkeit nicht in Frage gestellt werde.

Der Beklagte beantragt‚

die Berufung zurückzuweisen.

Er erwidert, das Verwaltungsgericht habe die Begrenzung der Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Brillen durch § 22 BayBhV mit zutreffenden Erwägungen für verfassungsgemäß gehalten. Die Begrenzung halte sich im Rahmen des dem Dienstherrn bei der Konkretisierung seiner aus den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums abgeleiteten Fürsorgepflicht zustehenden Ermessens, ohne die Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern zu verletzen. Denn die Fürsorgepflicht verpflichte den Dienstherrn nicht, zu jeglichen Aufwendungen, die aus Anlass einer Krankheit oder Behinderung entstünden, Beihilfen zu leisten. Zu berücksichtigen sei hierbei, dass bereits nach „alter“ Rechtslage (bis zum 1.1.2004) erhebliche Beschränkungen im Hinblick auf die Beihilfegewährung bei Sehhilfen bestanden hätten. So seien schon damals Höchstbeträge für Brillengläser festgesetzt gewesen und es habe zeitliche Grenzen und medizinische Voraussetzungen für die Neubeschaffung von Sehhilfen gegeben. Damit hätten Beihilfeberechtigte erhebliche Aufwendungen bei der Anschaffung von Sehhilfen selbst tragen bzw. sich auf das Entstehen solcher Aufwendungen z. B. durch den Abschluss privater Versicherungen einstellen müssen. Es könne davon ausgegangen werden, dass die weitgehende Leistungsausgrenzung von erwachsenen Personen bei der Beihilfegewährung im Bereich der Sehhilfen diese grundsätzlich finanziell nicht überfordere, zumal die Aufwendungen nur in größeren zeitlichen Abständen anfielen und Sehhilfen auch relativ günstig zu erwerben bzw. durch Ergänzungstarife bei privaten Versicherungen abzudecken seien. Es sei auch zu beachten, dass die „neuen“ Beihilfevorschriften im Bereich der Sehhilfen denjenigen der gesetzlichen Krankenversicherung nachgebildet seien.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichts- und die vorgelegten Behördenakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Gegenstand der Entscheidung ist der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellte Antrag des Klägers, ihm Beihilfe für die Aufwendungen für die Gleitsichtbrille, beschränkt auf die in § 22 Abs. 2 und 3 BayBhV geregelten Höchstbeträge, zu gewähren. Darin liegt - bezogen auf den vorangegangenen Sachantrag - keine Teilrücknahme der Berufung oder der Klage. Das Klage- und Berufungsbegehren des Klägers zielt im Kern darauf, die Wirksamkeit des Ausschlusses der Beihilfefähigkeit von Sehhilfen durch die Beihilfeverordnung gerichtlich klären zu lassen. Dabei ging es ihm von Anfang an maßgeblich um die Erstattungsfähigkeit der Gleitsichtbrille, die er für die Ausübung seiner Tätigkeit als Dozent als unabdingbar erachtet. Von daher ist der in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat gestellte Sachantrag lediglich als Konkretisierung des Begehrens des Klägers zu verstehen.

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Der Kläger hat einen Anspruch auf Gewährung von Beihilfe für die Aufwendungen zur Anschaffung der Gleitsichtbrille in Höhe von 232,40 Euro (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Das Urteil des Verwaltungsgerichts war entsprechend abzuändern und der Bescheid vom 15. September 2009 insoweit aufzuheben.

I.

Für die rechtliche Beurteilung beihilferechtlicher Streitigkeiten ist grundsätzlich die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen maßgeblich, für die Beihilfe verlangt wird (st. Rspr., vgl. statt aller BVerwG, U. v. 2.4.2014 - 5 C 40.12 - NVwZ-RR 2014, 609 Rn. 9). Ob und inwieweit der Kläger für die von ihm geltend gemachten Aufwendungen die Gewährung einer Beihilfe beanspruchen kann, beurteilt sich daher nach der auf der Grundlage des Art. 86a des Bayerischen Beamtengesetzes (i. d. F. d. Bek. v. 8.12.2006, GVBl. S. 987 - BayBG a. F.) erlassenen Verordnung über die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen in Krankheits-, Geburts-, Pflege- und sonstigen Fällen (Bayerische Beihilfeverordnung - BayBhV) vom 2. Januar 2007 (GVBl. S. 15), die in den hier einschlägigen Teilen bis heute unverändert geblieben ist.

II.

Der Kläger hat dem Grunde nach Anspruch auf Beihilfe für die ihm ärztlich verordnete Sehhilfe nach § 2 Abs. 1 Nr. 1, § 7 Abs. 1 Satz 1 und § 22 Abs. 1 BayBhV. Ein wirksamer Ausschluss der Beihilfefähigkeit nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3, § 22 Abs. 1 Satz 1 BayBhV liegt nicht vor.

1. Der Kläger war zum maßgeblichen Zeitpunkt als aktiver Beamter zu 70% beihilfeberechtigt (§ 46 Abs. 2 Satz 1, § 2 Abs. 1 Nr. 1 BayBhV).

2. Die Aufwendungen des Klägers sind beihilfefähig gem. § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 und 2 BayBhV. Die Beihilfefähigkeit erstreckt sich danach grundsätzlich nur auf medizinisch notwendige und der Höhe nach angemessene Aufwendungen. Die Notwendigkeit der Aufwendungen für die dem Kläger schriftlich verordnete (vgl. § 22 Abs. 1 Satz 2 BayBhV) Gleitsichtbrille sowie die wirtschaftliche Angemessenheit dieser Aufwendungen stehen zwischen den Beteiligten - wie der Beklagte in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgerichtshof bestätigt hat - nicht in Streit. Diese in Zweifel zu ziehen hat der Senat keinen Anlass.

3. Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 BayBhV sind medizinisch notwendige und wirtschaftlich angemessene Aufwendungen nur unter der Voraussetzung beihilfefähig, dass die Beihilfefähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist. § 22 Abs. 1 Satz 1 BayBhV sieht die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen für Sehhilfen - beschränkt auf die in Absätzen 2 bis 6 genannten Höchstbeträge - nur bis zur Vollendung des 18. Lebensjahres vor (Nr. 1 der Vorschrift). Für Volljährige sind Aufwendungen für Sehhilfen nur bei Vorliegen bestimmter Diagnosen beihilfefähig (Nr. 2 der Vorschrift). Im Einzelnen handelt es sich dabei um folgende Diagnosen: Buchst. a - Blindheit beider Augen - Diagnoseschlüssel H 54.0; Buchst. b - Blindheit eines Auges und Sehschwäche des anderen Auges - Diagnoseschlüssel H 54.1; Buchst. c - gravierende Sehschwäche beider Augen - Diagnoseschlüssel H 54.2; Buchst. d - erhebliche Gesichtsfeldausfälle. Es besteht Einigkeit zwischen den Beteiligten, dass keiner dieser Diagnoseschlüssel auf den Kläger zutrifft. Auch hier hat der Senat keinen Anlass, dies in Zweifel zu ziehen.

4. Die in § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayBhV vorgenommene Beschränkung der Beihilfefähigkeit auf einige wenige Fälle von Blindheit oder der Blindheit nahekommender Sehschwächen führt im Ergebnis zu einem grundsätzlichen Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Sehhilfen für Erwachsene. Dieser Ausschluss ist nicht wirksam.

a) Die Wirksamkeit des Ausschlusses bzw. der Beschränkung ist nicht, wie der Kläger meint, unter dem Gesichtspunkt zu beurteilen, dass er nur unter Einsatz der Gleitsichtbrille Vorlesungen halten könne und infolgedessen der Dienstherr aus Gründen der Fürsorge verpflichtet sei, dieses Hilfsmittel im Rahmen der Beihilfe zu berücksichtigen, um die Dienstfähigkeit des Klägers zu erhalten. Denn die Notwendigkeit einer medizinischen Maßnahme beurteilt sich ausschließlich nach dem allgemeinen Lebensbereich des Beihilfeberechtigten, d. h. nach den gewöhnlichen, im Regelfall vorkommenden Lebensverhältnissen und Aktivitäten. Auf besondere berufliche Anforderungen ist hierbei nicht abzustellen (vgl. BayVGH, B. v. 14.5.2014 - 14 ZB 13.2658 - juris Rn. 10; BVerwG, U. v. 15.12.1983 - 2 C 66.81 - ZBR 1984, 274; OVG NW, B. v. 3.2.2012 - 1 A 1249/10 - juris Rn. 6).

b) Der grundsätzliche Ausschluss der Beihilfefähigkeit für Sehhilfen für Volljährige nach § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 BayBhV bzw. deren Beschränkung auf einige wenige Fälle von Blindheit oder der Blindheit nahekommender Sehschwächen in § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayBhV verstößt jedenfalls bei Vorliegen einer gravierenden Sehschwäche - wie sie beim Kläger laut augenärztlichem Attest vom 22. Dezember 2009 unzweifelhaft vorliegt - gegen das in § 45 Satz 1 BeamtStG für die Beamten der Länder einfachgesetzlich geregelte und in Art. 33 Abs. 5 GG verfassungsrechtlich verankerte Fürsorgeprinzip, wonach der Dienstherr im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl der Beamtinnen und Beamten (auch für die Zeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses) zu sorgen hat.

aa) Die Gewährung von Beihilfen findet ihre Grundlage in der Fürsorgepflicht des Dienstherrn (st. Rspr., vgl. z. B. BVerfG, B. v. 13.11.1990 - 2 BvF 3/88 - BVerfGE 83, 89/99; BVerwG, U. v. 13.12.2012 - 5 C 3.12 - DÖD 2013, 156 Rn. 18; B. v. 18.1.2013 - 5 B 44.12 - juris Rn. 7). Dieser muss Vorkehrungen treffen, dass der amtsangemessene Lebensunterhalt des Beamten bei Eintritt besonderer finanzieller Belastungen durch Krankheits-, Pflege-, Geburts- oder Todesfälle nicht gefährdet wird. Ob er diese Pflicht über eine entsprechende Bemessung der Dienstbezüge, über Sachleistungen, Zuschüsse oder in sonst geeigneter Weise erfüllt, bleibt von Verfassungs wegen seiner Entscheidung überlassen. Entscheidet sich der Dienstherr, seiner Fürsorgepflicht durch die Zahlung von Beihilfen nachzukommen, die zu der aus der gewährten Alimentation zu bestreitenden Eigenvorsorge ergänzend hinzutreten, so muss er gewährleisten, dass der Beamte nicht mit erheblichen Aufwendungen belastet bleibt, die er auch über eine ihm zumutbare Eigenvorsorge nicht absichern kann. Die verfassungsrechtlich verankerte Fürsorgepflicht hindert den Dienstherrn grundsätzlich nicht, im Rahmen der nach medizinischer Einschätzung behandlungsbedürftigen Leiden Unterschiede zu machen und die Erstattung von Behandlungskosten aus triftigen Gründen zu beschränken oder auszuschließen. Denn die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht fordert keine lückenlose Erstattung aller Kosten in Krankheits-, Geburts-, Pflege- oder Todesfällen, die durch die Leistungen einer beihilfenkonformen Krankenversicherung nicht gedeckt sind (st. Rspr., vgl. u. a. BVerfG, B. v. 13.11.1990 - 2 BvF 3/88 - BVerfGE 83, 89/101; BVerwG, U. v. 28.5.2008 - 2 C 1.07 - Buchholz 237.8 § 90 RhPLBG Nr. 4 Rn. 26; U. v. 28.5.2008 - 2 C 24.07 - DVBl. 2008, 1193 Rn. 23).

Eine medizinisch zweckmäßige und ausreichende Versorgung im Krankheitsfall zu gewährleisten bedeutet nicht, dass der Dienstherr die Aufwendungen eines ärztlich verordneten Hilfsmittels in jedem Fall erstatten muss. Er kann grundsätzlich bestimmte Hilfsmittel ganz oder teilweise von der Beihilfe ausschließen, solange er dadurch den Maßstab des medizinisch Gebotenen nicht unterschreitet. Nach dem gegenwärtigen System aber nicht ausschließbar sind Aufwendungen, wenn der absehbare Erfolg einer Maßnahme von existenzieller Bedeutung oder notwendig ist, um wesentliche Verrichtungen des täglichen Lebens erledigen zu können (vgl. BVerwG, U. v. 13.12.2012 - 5 C 3.12 - DÖD 2013, 156 Rn. 20; U. v. 28.5.2008 - 2 C 24.07 - DVBl. 2008, 1193 Rn. 23; U. v. 31.1.2002 - 2 C 1.01 - Buchholz 237.0 § 101 BaWüLBG Nr. 1 S. 3). In diesen Fällen ist der nicht zur Disposition des Dienstherrn stehende Wesenskern der Fürsorgepflicht mit der Folge betroffen, dass die Beihilfefähigkeit nicht ausgeschlossen werden darf. Die verfassungsrechtliche Fürsorgepflicht ist wegen des Zusammenhangs mit der sich ebenfalls aus Art. 33 Abs. 5 GG ergebenden Alimentationspflicht des Dienstherrn außerdem verletzt, wenn der Beihilfeberechtigte infolge eines für bestimmte krankheitsbedingte Aufwendungen vorgesehenen Leistungsausschlusses oder einer Leistungsbegrenzung mit erheblichen finanziellen Kosten belastet bleibt, die er durch die Regelalimentation und eine zumutbare Eigenvorsorge nicht bewältigen kann (BVerwG, U. v. 26.3.2015 - 5 C 8.14 - juris Rn. 36 m. w. N.).

bb) Dies zugrunde gelegt, ist der in § 22 Abs. 1 Satz 1 BayBhV vorgenommene Beihilfeausschluss im Hinblick auf den Personenkreis der Erwachsenen, der wie der Kläger eine gravierende Sehschwäche hat, unwirksam. Die Aufwendungen des Klägers für die Gleitsichtbrille sind erforderlich, um wesentliche Verrichtungen des täglichen Lebens bewältigen zu können. Der Kläger hat gravierende Sehbeeinträchtigungen sowohl im Nah- als auch im Fernbereich. Ohne die entsprechende Korrektur wäre er nicht fähig, allgemeine Grundbedürfnisse des täglichen Lebens zu befriedigen. Er wäre weder in der Lage, elementarer Körperpflege incl. Rasur hinreichend nachzukommen, noch hätte er ausreichende Mobilität, um Erledigungen innerhalb und außerhalb seiner häuslichen Umgebung wie auch Einkäufe tätigen zu können. Die Fähigkeit, das jeweilige Umfeld bzw. Dinge visuell ausreichend wahrnehmen zu können, zu lesen, fernzusehen und den Computer zu bedienen und sich damit visuell die erforderlichen Informationen verschaffen zu können bzw. auch schriftlich zu kommunizieren, sind grundlegend und unverzichtbar, um am täglichen Leben, das auch das berufliche Aufgabenfeld umfasst, teilnehmen zu können. Ohne die erforderliche Sehhilfe wäre all dies für den Kläger nicht gewährleistet. Nach eigenem Bekunden ist sein erster Griff nach dem Aufwachen der zu seiner Brille, da er sich ansonsten nur tastend durch die eigene Wohnung fortbewegen könne. Bei den Aufwendungen des Klägers handelt es sich nicht um Kosten, die ihrer Art nach bei typisierender Betrachtung dem Bereich der allgemeinen Lebensführung bzw. des allgemeinen Wohlbefindens zuzuordnen sind (vgl. BVerwG, U. v. 13.12.2012 - 5 C 3.12 - DÖD 2013, 156 Rn. 21; U. v. 28.5.2008 - 2 C 24.07 - DVBl. 2008, 1193 Rn. 23). Sie dienen vielmehr dem Ausgleich einer gravierenden Sehbehinderung. Die Aufwendungen für eine Sehhilfe sind auch nicht nur mittelbare Folgekosten einer Krankheit (vgl. BVerwG, U. v. 13.12.2012 a. a. O.). Das Erfordernis einer Sehhilfe stellt sich vielmehr als unmittelbare Folge einer gravierenden Sehschwäche dar. Sehhilfen sind Hilfsmittel, deren Beihilfefähigkeit die Beihilfeverordnung selbst - jedenfalls im Grundsatz - vorsieht (vgl. § 22 BayBhV).

Anders als bei der vom Bundesverwaltungsgericht gebildeten weiteren Fallgruppe eines unzulässigen Leistungsausschlusses, wonach der Beihilfeberechtigte nicht mit erheblichen finanziellen Kosten belastet bleiben darf, die er durch die Regelalimentation und eine zumutbare Eigenvorsorge nicht bewältigen kann (vgl. z. B. U. v. 26.3.2015 - 5 C 8.14 - juris Rn. 36 m. w. N.), darf bei zur Bewältigung der wesentlichen Verrichtungen des täglichen Lebens unverzichtbaren Hilfsmitteln nicht auf die Höhe der Beschaffungskosten für das Hilfsmittel abgestellt werden. Würde man die Beihilfefähigkeit von unverzichtbaren Hilfsmitteln von der Höhe der jeweiligen Beschaffungskosten abhängig machen, könnte dies zu einer vollständigen Aushöhlung dieser vom Bundesverwaltungsgericht gebildeten Fallgruppe führen. Denn dem Gesetz- bzw. Verordnungsgeber würde die Möglichkeit eröffnet, unverzichtbare, aber verhältnismäßig billige oder langlebige Hilfsmittel wie z. B. Anzieh-/Ausziehhilfen, Aufrichteschlaufen oder Gehhilfen (vgl. Anlage 4 zu § 21 Abs. 1 BayBhV) von der Beihilfefähigkeit auszuschließen. Dies wäre mit dem Fürsorgegrundsatz nicht zu vereinbaren. Die Kosten einer Brille stellen zudem, jedenfalls bei gravierender Sehschwäche, keine der Höhe nach zu vernachlässigenden Aufwendungen dar, wie im Falle des Klägers - ca. 930 Euro nur für die Gläser - deutlich wird.

cc) An den genannten Anforderungen an die Fürsorgepflicht ändert nichts, dass nach dem Vortrag des Beklagten in dem zum 1. Januar 2007 eingeführten bayerischen Beihilferecht die für die Erstattungsfähigkeit von Sehhilfen geltenden Beihilferegelungen des Bundes übernommen worden sind, die seit dem Jahr 2004 aus Gründen der Gleichbehandlung der Beihilfeberechtigten mit den gesetzlich Krankenversicherten eine Erstattung von Aufwendungen für Sehhilfen für Erwachsene nur bei Vorliegen bestimmter Indikationen vorsahen. Denn die Sicherungssysteme „gesetzliche Krankenversicherung“ und „private Eigenvorsorge mit ergänzender Beihilfe“ weisen grundlegende Strukturunterschiede auf (vgl. BVerfG (Kammer), B. v. 28.2.2008 - 1 BvR 1778/05 - juris Rn. 3; BVerwG, U. v. 5.5.2010 - 2 C 12.10 - ZBR 2011, 126 Rn. 17). Sie unterscheiden sich im Hinblick auf die verfassungsrechtliche Verankerung, die Finanzierung, die Leistungsvoraussetzungen, das Leistungsspektrum und die Leistungsformen. Aus diesem Grund wird das Gebot der Gleichbehandlung gemäß Art. 3 Abs. 1 GG durch Unterschiede bei der Leistungsgewährung in aller Regel nicht verletzt. Erst recht vermag das Bestreben nach einer Angleichung der Systeme Eingriffe in den durch Art. 33 Abs. 5 GG verfassungsrechtlich geschützten Kernbereich der Fürsorgepflicht nicht zu rechtfertigen (BVerwG, U. v. 26.6.2008 - 2 C 2.07 - BVerwGE 131, 234 Rn. 18). Zudem gilt es zu bedenken, dass Art. 96 BayBG bzw. die Vorgängerregelung Art. 86a BayBG a. F. im Gegensatz zu der entsprechenden bundesgesetzlichen Regelung des § 80 BBG (siehe dort Absatz 4) keinen völligen oder teilweisen Ausschluss von Arznei- und Hilfsmitteln in Anlehnung an das Fünfte Buch Sozialgesetzbuch - Recht der Krankenversicherung - vorsieht.

c) Nach alledem ist der Teilausschluss jedenfalls bei Vorliegen einer gravierenden Sehschwäche nichtig. Dies kann der Senat selbst feststellen. Eine Vorlage an den Bayerischen Verfassungsgerichtshof, der auch bayerische Gesetze im materiellen Sinn überprüft (Art. 65, 92 BV), ist nicht erforderlich, weil § 22 Abs. 1 BayBhV zwar gegen die Bayerische Verfassung verstößt (Art. 95 Abs. 1 Satz 2 BV), aber auch bereits wegen eines Verstoßes gegen die einfachgesetzlich in § 45 BeamtStG geregelte Fürsorgepflicht unwirksam ist (vgl. Schulz in Meder/Brechmann, Die Verfassung des Freistaates Bayern, 5. Aufl. 2014, Art. 92 BV Rn. 14).

III.

Der Kläger hat auch Anspruch auf Gewährung von Beihilfe in der begehrten Höhe für die Anschaffung der Gleitsichtbrille. Nicht entscheidungserheblich und daher nicht zu klären ist vorliegend, ob die in § 22 Abs. 2 und 3 BayBhV geregelten Höchstbeträge mit höherrangigem Recht vereinbar sind, weil der Kläger seinen Antrag entsprechend beschränkt hat. Der für den Kläger einschlägige Höchstbetrag errechnet sich nach übereinstimmender Auffassung der Parteien wie folgt:

Rechtes Brillenglas: § 22 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b BayBhV Mehrstärkenglas cyl. - 92,50 €; § 22 Abs. 2 Nr. 2 BayBhV Gläserstärke über +/- 6 dpt. - 21 €; § 22 Abs. 2 Nr. 3 BayBhV - Multifokalglas - 21 €; § 22 Abs. 2 Nr. 4 BayBhV Glas mit prismatischer Wirkung - 21 €; § 22 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 BayBhV Mehraufwendungen für Leichtglas bei Gläserstärke ab +/- 6 dpt. - 21 €, insgesamt 176,50 €.

Linkes Brillenglas: § 22 Abs. 2 Nr. 1 Buchst. b BayBhV Mehrstärkenglas cyl. - 92,50 €; § 22 Abs. 2 Nr. 3 BayBhV - Multifokalglas - 21 €; § 22 Abs. 2 Nr. 4 BayBhV Glas mit prismatischer Wirkung - 21 €; § 22 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BayBhV bei Anisometropie ab 2 dpt. - 21 €, insgesamt 155,50 €. Der Höchstbetrag beläuft sich damit auf 332 Euro. Unter Zugrundelegung des Beihilfesatzes von 70% ergibt sich die dem Kläger zustehende und beantragte Beihilfeleistung von 232,40 Euro.

IV.

Offenbleiben - weil nicht mehr entscheidungserheblich - kann, ob die in § 22 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BayBhV geregelte Beihilfefähigkeit von Sehhilfen für Erwachsene nur für die dort aufgenommenen Diagnosen bzw. der daraus folgende Beihilfeausschluss für alle anderen Arten der Sehschwäche gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Entsprechendes gilt für die Frage, ob Art. 86a Abs. 5 BayBG a. F., der dem Art. 96 Abs. 5 BayBG entspricht, eine ausreichende Ermächtigungsgrundlage für den in § 22 Abs. 1 Satz 1 BayBhV vorgenommenen Ausschluss der Beihilfefähigkeit von Sehhilfen für Volljährige bzw. die Beschränkung der Beihilfefähigkeit auf das Vorliegen einiger weniger Diagnosen darstellt.

Nach alledem war der Berufung des Klägers mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO, § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

Die Revision wird zugelassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 139 VwGO kann die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) eingelegt werden. Die Revision muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. Sie ist spätestens innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist beim Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig (Postfachanschrift: Postfach 10 08 54, 04008 Leipzig), einzureichen. Die Revisionsbegründung muss einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen angeben, die den Mangel ergeben.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

Unter Abänderung des Beschlusses des Verwaltungsgerichts München vom 12. August 2010 wird der Streitwert für beide Rechtszüge auf je 232,40 Euro festgesetzt.

Gründe:

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2, § 47 Abs. 1, § 52 Abs. 3 Satz 1 GKG.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.


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(1) Gesondert berechenbare Aufwendungen für Auslagen, Material- und Laborkosten nach § 4 Abs. 3 und § 9 der Gebührenordnung für Zahnärzte, die bei einer zahnärztlichen Behandlung nach den Nummern 2130 bis 2320, 5000 bis 5340, 7080 bis 7100 und 9000 bis 9170 der Anlage 1 zur Gebührenordnung für Zahnärzte entstanden sind, sind zu 60 Prozent beihilfefähig. Dies gilt nicht bei Indikationen nach § 15 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 bis 4.

(2) Wenn der auf die in Absatz 1 genannten Aufwendungen entfallende Anteil nicht nachgewiesen ist, sind 40 Prozent des Gesamtrechnungsbetrages anzusetzen.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch die Beklagte durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe von 110 Prozent des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.


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(1) Neben den für die einzelnen zahnärztlichen Leistungen vorgesehenen Gebühren können als Auslagen die dem Zahnarzt tatsächlich entstandenen angemessenen Kosten für zahntechnische Leistungen berechnet werden, soweit diese Kosten nicht nach den Bestimmungen des Gebührenverzeichnisses mit den Gebühren abgegolten sind.

(2) Der Zahnarzt hat dem Zahlungspflichtigen vor der Behandlung einen Kostenvoranschlag des gewerblichen oder des praxiseigenen Labors über die voraussichtlich entstehenden Kosten für zahntechnische Leistungen anzubieten und auf dessen Verlangen in Textform vorzulegen, sofern die Kosten insgesamt voraussichtlich einen Betrag von 1 000 Euro überschreiten. Für Behandlungen, die auf der Grundlage eines Heil- und Kostenplans für einen Behandlungszeitraum von mehr als zwölf Monaten geplant werden, gilt Satz 1 nur, sofern voraussichtlich bereits innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten Kosten von mehr als 1 000 Euro entstehen. Der Kostenvoranschlag muss die voraussichtlichen Gesamtkosten für zahntechnische Leistungen und die dabei verwendeten Materialien angeben. Art, Umfang und Ausführung der einzelnen Leistungen, Berechnungsgrundlage und Herstellungsort der zahntechnischen Leistungen sind dem Zahlungspflichtigen auf Verlangen näher zu erläutern. Ist eine Überschreitung der im Kostenvoranschlag genannten Kosten um mehr als 15 vom Hundert zu erwarten, hat der Zahnarzt den Zahlungspflichtigen hierüber unverzüglich in Textform zu unterrichten.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens; insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger steht als Beamter ... beim Vermessungsamt ... im Dienste des Beklagten.

Mit Antrag vom 15. Oktober 2014 begehrte er Beihilfe zu den Aufwendungen seiner Ehefrau in Höhe von 239,00 EUR, die dieser am 11. Oktober 2014 für die Beschaffung des ihr mit Rezept des ..., ..., ..., ..., vom 15. September 2014 zehnmal verordneten Präparats PURE Encapsulations Kalium Kaliumcitrat (PZN 5852297) entstanden sind.

Mit Bescheid vom 7. November 2014, dem Kläger zugegangen am 13. November 2014, lehnte das Landesamt für Finanzen ... Bezügestelle Beihilfe 1 - die Gewährung von Beihilfe hierzu ab. Zur Begründung wurde unter Hinweis-Nr. f0 ausgeführt, dass Kaliumcitrat nicht mehr als beihilfefähig anerkannt werden könne, da es sich nicht um ein apothekenpflichtiges Arzneimittel handle (Änderung der BayBhV ab 1.10.2014).

Mit Antrag vom 24. November 2014 begehrte der Kläger Beihilfe zur weiteren Aufwendungen seiner Ehefrau, die dieser am 22. November 2014 für die Beschaffung des Präparats PURE Encapsulations Kalium Kaliumcitrat (PZN 5852297) in Höhe von 239,00 EUR entstanden sind.

Mit Bescheid vom 11. Dezember 2014 lehnte das Landesamt für Finanzen ... Bezügestelle Beihilfe 1 - die Gewährung von Beihilfe hierzu ebenfalls ab. Zur Begründung wurde unter Hinweis-Nr. 1447 ausgeführt, dass es sich vorliegend um kein apothekenpflichtiges Arzneimittel nach § 2 AMG handle (§ 18 Satz 1 Nr. 1 BayBhV).

Mit einem am 11. Dezember 2014 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 10. Dezember 2014 erhob der Kläger Klage gegen den Festsetzungsbescheid des Landesamtes für Finanzen vom 7. November 2014, soweit seitens des Beklagten das Medikament Kaliumcitrat als nicht beihilfefähig angesehen wurde.

Mit einem am 5. Januar 2015 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 2. Januar 2015 erhob der Kläger auch gegen den Bescheid des Landesamts für Finanzen vom 11. Dezember 2014 Klage.

Zum Verfahren ließ er vorschlagen, diese Klage in die bereits anhängige Klage einzubeziehen. Es stehe zu erwarten, dass allmonatlich jetzt entsprechende Bescheide seitens des Landesamtes ergingen. Die Ehefrau des Klägers sei ärztlicherseits dringend auf das Medikament Kaliumcitrat angewiesen. Sie leide unter anderem an Hyperaldosteronismus. Dieser Hyperaldosteronismus führe zu einem dramatischen Verlust von Kalium und Magnesium und müsse deshalb ärztlicherseits unbedingt zur Vermeidung von weiteren Folgen aus dieser Grunderkrankung zugeführt werden. Die in den Beihilfevorschriften neuerdings getroffene Festlegung, dass Beihilfe (nur) für apothekenpflichtige Medikamente gewährt werde, sei nicht sachgerecht und verstoße gegen den Grundgedanken des Beihilferechts, im Staatsdienst stehende Personen vor den Folgen einer Erkrankung abzusichern. Möge Kaliumcitrat als allgemeines Aufbaumittel in geringem Umfang auch von nichtkranken Personen genommen werden, so liege hier der Fall jedoch anders. Bereits die verschriebene Menge des Kaliumcitrats zeige, dass hier der Ersatz von für den Körper nötigen Grundstoffen zugeführt werden müsse.

Die aus ärztlicher Sicht absolut notwendige Zuführung von Kaliumcitrat werde unter Beweis gestellt durch einen hier behandelnden Arzt, nämlich ...,

Der Beklagte beantragte mit Schriftsatz des Landesamts für Finanzen...vom 9. Februar 2015,

die Klage abzuweisen.

Ein Anspruch auf Beihilfe zu den Kaliumcitrat-Präparaten bestehe nicht.

Die Gewährung von Beihilfe richte sich nach Art. 96 BayBG i. V. m. der Bayerischen Beihilfeverordnung (BayBhV) in der bei Entstehung der Aufwendungen geltenden Fassung. Nach § 2 Abs. 1 Nr. 1 BayBhV sei der Kläger als Beamter beihilfeberechtigt, seine Ehefrau nach § 3 Abs. 1 Nr. 1 BayBhV berücksichtigungsfähige Angehörige. Nach § 18 Satz 1 Nr. 1 BayBhV in der seit 1. Oktober 2014 geltenden Fassung seien schriftlich verordnete Arzneimittel nach § 2 des Arzneimittelgesetzes nur dann beihilfefähig, wenn diese apothekenpflichtig seien. Da es bereits an der Apothekenpflicht der am 11. Oktober 2014 und 22. November 2014 bezogenen KaliumcitratPräparate fehle, komme es weder darauf an, ob es sich dabei um ein Arzneimittel handle, noch aus welchem Grund die Einnahme des Präparats erforderlich sei.

Daneben stehe einer Beihilfefähigkeit des Kaliumcitrat-Präparats auch § 18 Satz 4 Nr. 2 BayBhV entgegen, wonach Mittel, die geeignet seien, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen, nicht beihilfefähig seien. Darunter fielen u. a. sog. Nahrungsergänzungsmittel wie das streitgegenständliche Kaliumcitrat-Präparat.

Im Gegensatz zur Auffassung der Klägerseite sei es nicht Aufgabe der Beihilfe, Beamte vor den Folgen einer Erkrankung abzusichern. Vielmehr sei die Beihilfe lediglich eine alimentative Fürsorgeleistung ergänzend zu der zumutbaren Eigenfürsorge des Beamten, um ihm seine wirtschaftliche Lage in einer der Fürsorgepflicht entsprechenden Weise zu erleichtern. Die Beihilfe müsse demnach nicht sicherstellen, dass sämtliche im Zusammenhang mit einer Krankheit auftretende Kosten berücksichtigt würden. Bei der Ausgestaltung der Beihilfe komme dem Normgeber ein weites Ermessen zu. Er müsse mithin nicht jeden Unterschied zum Ansatzpunkt für eine Differenzierung nehmen. Der Beamte müsse wegen des ergänzenden Charakters der Beihilfe auch Härten und Nachteile hinnehmen, die sich aus der am Alimentationsgrundsatz orientierten pauschalisierenden und typisierenden Konkretisierung der Fürsorgepflicht ergäben und keine unzumutbare Belastung bedeuteten (vgl. BayVGH, Beschluss vom 8.1.2007, 14 ZB 06. 2911 m. w. N.).

Mit Antrag vom 10. Januar 2015 begehrte der Kläger Beihilfe zu weiteren Aufwendungen seiner Ehefrau für die Beschaffung u. a. der Präparate Kalium pure und Magnesium.

Mit Bescheid vom 18. Februar 2015 lehnte das Landesamt für Finanzen ... Bezügestelle Beihilfe 1 - die Gewährung von Beihilfe hierzu ebenfalls ab. Zur Begründung wurde unter Hinweis Nr. 1447 wiederum ausgeführt, dass es sich vorliegend um keine apothekenpflichtigen Arzneimittel nach § 2 AMG handle (§ 18 Satz 1 Nr. 1 BayBhV).

Mit einem am 4. März 2015 beim Verwaltungsgericht eingegangenen Schriftsatz seiner Bevollmächtigten ließ der Kläger auch gegen den Bescheid des Landesamts für Finanzen vom 18. Februar 2015 Klage erheben.

Zur Begründung wurde nochmals darauf hingewiesen, dass die Ehefrau des Klägers u. a. an der Krankheit Hyperaldosteronismus leide. Natürlich seien Kalium und Magnesium schon immer Nahrungsergänzungsmittel gewesen. Allerdings sei die Dosis das Entscheidende. Bei gesunden Menschen würden wahrscheinlich so hohe Kaliummengen, wie sie die Ehefrau des Klägers benötige, massive gesundheitliche Probleme verursachen. Eine zu hohe Menge könnte sogar einen tödlichen Ausgang haben. Hier unterscheide sich aber das Nahrungsergänzungsmittel vom Medikament. Für die Ehefrau des Klägers seien sowohl Kalium als auch Magnesium lebensnotwendig, wie sich aus einem Attest des ..., Prakt. Arzt - Naturheilverfahren, ..., ... vom 16. August 2005 ergebe.

(In diesem Attest wird folgendes ausgeführt: „Kalium und Magnesiumpräparate sind wegen Hyperaldosteronismus medizinisch indiziert. Ansonsten drohen lebensbedrohliche Komplikationen.“)

Die Apothekenpflicht spiele hier keine Rolle. Entscheidendes Kriterium sei, ob aus medizinischen Gründen zur Vermeidung eines Krankheitsbildes bzw. zur Linderung eines Krankheitsbildes mit traumatischen Folgen diese Medikation indiziert sei. Soweit die Gegenseite darauf hinweise, dass es nicht Aufgabe der Beihilfe sei, „Beamte vor den Folgen einer Erkrankung abzusichern“ könne man darüber diskutieren. Allerdings bestehe hier die schwerwiegende Erkrankung, die das Überleben von einer täglichen Zufuhr von Kalium und Magnesium abhängig mache. Die Ehefrau des Klägers gebe jedes Jahr die stattliche Summe von rund 7.000 bis 8.000 EUR für sog. Nahrungsergänzungsmittel aus. Der Kläger werde im Folgenden noch verschiedene Arztrechnungen und ärztliche Stellungnahme nachreichen, aus denen sich u. a. ergebe, dass teilweise Kaliumchlorid als Infusion verabreicht habe werden müssen und zwar trotz der hohen oralen Dosen.

Mit Schreiben des Landesamts für Finanzen ... vom 1. April 2015 erklärte sich der Beklagte unter Berücksichtigung der vorgetragenen Lebensnotwendigkeit der streitgegenständlichen Präparate und der damit verbundenen Kosten bereit, zu prüfen, ob hierzu ausnahmsweise ohne Anerkennung einer Rechtspflicht Beihilfe gewährt werden könne. Dies setze jedoch die Vorlage eines aktuellen und aussagekräftigen ärztlichen Befundberichts voraus. Die medizinisch nicht begründete Aussage auf dem Rezept vom 16. August 2005 könne diesen nicht ersetzen.

Hierauf wurde die Kläger die Ehefrau des Klägers am 7. August 2015 beim Landratsamt ... - Gesundheitsamt - untersucht.

In der Stellungnahme des ..., Landratsamt ... - Gesundheitsamt - vom 19. August 2015, dem Gericht vorgelegt mit Schreiben des Landesamts für Finanzen ... vom 15. Oktober 2015, wird folgendes ausgeführt:

„... wurde am 7.8.2015 hier untersucht. Außerdem wurden mitgebrachte und nachträglich angeforderte ärztliche Unterlagen ausgewertet. Eine eindeutige Klärung des bei ... vorliegenden Krankheits- bzw. Beschwerdebildes konnte damit jedoch nicht erzielt werden. Es liegt eine unklare (toxische?) Lebererkrankung vor. Ebenso unklar sind die Ursachen für die angeblichen (nicht belegten) Wassereinlagerungen, die zur Einnahme hoher Dosen eines (Kaliumausschwemmenden!) Diuretikums führen, sowie den hohen Aldosteron-Spiegel. In einer aktuellen Kernspintomographie zeigt sich das Bild einer chronischen Stirnhöhlenentzündung, die jedoch offensichtlich nicht behandelt wird. Die durchgeführten aufwendigen Laboruntersuchungen besitzen größtenteils nur sehr begrenzte Aussagekraft. Ein wissenschaftlich plausibler Beleg für die Notwendigkeit der Einnahme der hohen Dosen von Kaliumcitrat liegt nach hiesiger Ansicht jedenfalls nicht vor. Gegebenenfalls wird eine internistische Begutachtung, beispielsweise am Universitätsklinikum ..., vorgeschlagen.“

Hiervon ausgehend legte das Landesamt für Finanzen ... mit Schreiben vom 15. Oktober 2015 folgendes dar:

Wie bereits im Schriftsatz vom 9. Februar 2015 ausgeführt, handle es sich bei dem Präparat „PURE Encapsulations Kalium Kaliumcitrat“ nicht um ein beihilfefähiges Arzneimittel i. S. v. § 18 Satz 1 BayBhV. Ohne Anerkennung einer Rechtspflicht wäre der Beklagte jedoch bereit gewesen, ausnahmsweise dennoch eine Beihilfe hierfür zu gewähren, wenn das Präparat - wie vom Kläger vorgetragen - lebensnotwendig gewesen wäre. Wie aus der dazu eingeholten Stellungnahme des Gesundheitsamts hervorgehe, seien die angeblichen, zur Einnahme hoher Dosen eines (Kaliumausschwemmenden) Diuretikums führenden Wassereinlagerungen nicht belegt. Ein wissenschaftlich plausibler Beleg für die Notwendigkeit der Einnahme der hohen Dosen von Kaliumcitrat liege ebenfalls nicht vor.

Nach alledem müsse es bei den Ausführungen im Schriftsatz vom 9. Februar 2015 verbleiben. Gründe die eine ausnahmsweise Beihilfegewährung rechtfertigen könnten, seien nicht ersichtlich.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 3. November 2015 ließ der Kläger hierzu zunächst folgendes ausführen:

Die ärztliche Stellungnahme des Gesundheitsamts ... ... vom 19. August 2015 sei eine Zumutung. Die Ehefrau des Klägers habe schon bei ihrer Vorstellung den Eindruck gehabt, dass ... am eigentlichen Problem nicht interessiert sei. Seine Fragen hätten um ganz andere Punkte (Ehe/Psychologie) und ähnliches gekreist, wobei er die Meinung geäußert habe, die behandelnden Ärzte wüssten wohl selbst nicht, woran die Ehefrau des Klägers leide. Zur Frage, ob für das Kaliumcitrat ein anderes apothekenpflichtiges Arzneimittel zur Behandlung zur Verfügung stehe, habe er sich überhaupt nicht geäußert, ebenso wenig zur Frage, ob eine lebensbedrohliche Erkrankung vorliege. Er spreche nur von einer unklaren Lebererkrankung und von angeblichen Wassereinlagerungen, die zur Einnahme hoher Dosen eines kaliumausschwemmenden Diuretikums führten. Es sei erstaunlich, dass hier ... die Wassereinlagerungen nicht bemerkt und auch aus den ärztlichen Stellungnahmen anderer Kollegen nicht entnommen haben wolle. Es sei erstaunlich, dass die unklare Lebererkrankung angesprochen werde, jedoch die Nierenerkrankung und Ausscheidungsproblematik überhaupt nicht gesehen, geschweige denn über sie gesprochen werde. Das Landesamt für Finanzen (Beihilfestelle) habe eine Vielzahl von ärztlichen Stellungnahmen und Medikationen in Papierform vorliegen. Es sei bislang überhaupt nicht streitig gewesen, auch nicht in einem Zivilverfahren gegen die private Krankenversicherung, dass ein Hyperaldosteronismus vorliege. Dies führe zum Verlust von Kalium und Magnesium. Weder vom Kläger noch von dessen Ehefrau sei an den Arzt des Gesundheitsamts die Erwartung gerichtet gewesen, eine zwingende ausschließliche Diagnose des Gesamtkrankheitsbildes zu finden. Die Frage des Landesamts für Finanzen sei doch wohl ausschließlich gewesen, ob es im Hinblick auf diese Erkrankung erforderlich sei, Magnesium und Kalium zuzuführen. ... erkläre letztlich, er wisse nicht, worauf die Erkrankung der Ehefrau des Klägers beruhe bzw. woran sie überhaupt leide. Dies möge sein. Das bedeute aber nicht, dass die Ehefrau des Klägers aufgrund der dann wieder medikamentös zu entfernenden Wassereinlagerungen Kaliumausschwemmungen habe und dies mit dem Hyperaldosteronismus zusammenhänge. Herr ... habe darauf hingewiesen, dass er mitgebrachte und nachträglich angeforderte ärztliche Unterlagen ausgewertet habe. Eine solche Auswertung sei nicht festzustellen. Es sei auch nicht festgehalten, welche Unterlagen er ausgewertet und wie er sich mit diesen ärztlichen Attesten auseinandergesetzt habe.

Auf die ärztliche Stellungnahme vom 19. August 2015 könne eine Entscheidung nicht gegründet werden. Das Landesamt für Finanzen mache es sich zu einfach, wenn es den Satz aus der Stellungnahme wiederhole, wonach angebliche Wassereinlagerungen nicht belegt seien und deswegen Kalium nicht nachgeführt werden müsse. Habe denn niemand daran gedacht, dass die Zuführung derart hoher Kaliummengen, wenn kein Kaliummangel vorliege, lebensbedrohlich sei? Es werde bereits jetzt drauf hingewiesen, dass die ärztliche Stellungnahme des ... untauglich sei, sich selbst zum bisherigen Regulierungsverhalten der Beihilfestelle in Widerspruch setze und sämtliche Unterlagen, die die Beihilfestelle über Jahrzehnte habe, offensichtlich gerade nicht ausgewertet habe.

Die behandelnden Ärzte der Ehefrau des Klägers würden allesamt als sachverständige Zeugen angeboten.

Mit Schriftsatz seiner Bevollmächtigten vom 19. November 2015 ließ der Kläger weiter darlegen, es sei absolut unverständlich, dass die Beihilfestelle anscheinend nunmehr mit der Argumentation des Amtsarztes bestreite, dass es bei der Ehefrau des Klägers starke Wassereinlagerung gebe. Der Beihilfestelle lägen über die Jahre hinweg eine Vielzahl von ärztlichen Attesten und Rezepten vor, die belegten, dass die extremen Wassereinlagerungen bei der Ehefrau des Klägers durch Entwässerungstabletten beseitigt werden müssten. Diese Entwässerungstabletten müssten in hoher Anzahl genommen werden, was wiederum zu Kaliumausschwemmungen führe. Aus diesem Grunde verordneten ja auch die Ärzte das Kalium nicht als Nahrungsergänzung, sondern als unbedingt nachzuführenden Stoff. Es werde angeregt, dass das Gericht der Beihilfestelle aufgebe, den Aktenvorgang, insbesondere die Beihilfeanträge mit Belegen der letzten fünf Jahre vorzulegen. Mit Interesse werde der Erklärung der Beihilfestelle entgegengesehen, ob immer noch - trotz besseren Wissens (?) - diese starken Wassereinlagerungen und die Notwendigkeit der Entwässerung mit der Folge der Ausschwemmung von Kalium und mit der weiteren Notwendigkeit der Restitution bestritten würden. Es gebe eine Vielzahl von Ärzten, die dann als sachverständige Zeugen eingeführt würden.

Die Beihilfestelle habe zwischenzeitlich mehrere Bescheide erlassen, in denen die hier streitgegenständlichen Präparate ausgeklammert worden seien mit dem Hinweis, dass darüber entschieden werde, sobald die Entscheidung des Verwaltungsgerichts vorliege.

Schließlich wurde mit Schriftsatz der Klägerbevollmächtigten vom 26. November 2015 vorgetragen, aus dem klinischen Wörterbuch von Pschyrembel ergebe sich, dass beim Hyperaldosteronismus eine übermäßiges Sekretion von Aldosteron aus der Nebennierenrinde gegeben sei, was zu Hypokaliämie und Hypomagnesiämie führe. Unter dem Stichwort Hypokaliämie sei wiederum der Hyperaldosteronismus aufgeführt. Die Hypokaliämie führe u. a. zur Hypotonie und könne bis zur Bewusstseinsstörung und bis zum Koma führen. Auch die Ödeme seien dort angesprochen. Es sei deshalb unerklärlich, wie der Arzt des Gesundheitsamtes die Wassereinlagerungen als „angebliche Wassereinlagerungen“ anspreche. Die Diagnosen Hyperaldosteronismus und Hypokaliämie seien bislang seitens der Beihilfestelle nie in Zweifel gezogen worden und würden auch letztlich, soweit sie behandelt würden, bezahlt, wobei unerklärlicherweise eben Magnesium und das Kaliumcitrat ausgenommen werde mit der Begründung, dies sei ein Nahrungsergänzungsmittel. Dies sei aber dann nicht der Fall, wenn es wie vorliegend unbedingt medizinisch notwendig werde, diese beiden Präparate zuzuführen.

Mit Schreiben vom 2. Dezember 2015 wies das Landesamt für Finanzen ... nochmals darauf hin, dass die Aufwendungen des Klägers für das Kaliumpräparat bereits nach § 18 Satz 1 Nr. 1 BayBhV deshalb nicht beihilfefähig seien, da es sich nicht um ein apothekenpflichtiges, sondern um ein frei verkäufliches Präparat handle.

Ob sich gegebenenfalls ein weitergehender Beihilfeanspruch aus Fürsorgegründen ergebe, wenn die Einnahme des Präparats für die Ehefrau des Klägers lebensnotwendig wäre, sei seitens des Amtsarztes insofern verneint worden, als dieser ausgeführt habe, dass ein wissenschaftlich plausibler Beleg für die Einnahme der hohen Dosen von Kaliumcitrat nach dortiger Auffassung nicht vorliege. Ein wissenschaftlich plausibler Beleg sei auch den Ausführungen der Gegenseite nicht zu entnehmen. Der bloße Hinweis auf die bisherige Medikation sei hierfür nicht ausreichend. Für eine weitere ärztliche Begutachtung seitens des Beklagten werde nicht zuletzt unter Hinweis auf die Beweislast derzeit keine Veranlassung gesehen.

Die vom Kläger geforderte Vorlage der Anträge mit Belegen der letzten fünf Jahre sei bereits deshalb nicht zielführend, da bis Ende 2014 die Belege nach Bearbeitung an den Beihilfeberechtigten zurückgereicht worden seien und dem Beklagten nicht mehr vorlägen. Selbst wenn dies der Fall wäre, könnten diese seitens der Sachbearbeiter der Beihilfestelle als auch seitens der Prozess-Sachbearbeiter lediglich rechtlich und nicht medizinisch gewürdigt werden. Eine Aussage zu den Wassereinlagerungen und der Notwendigkeit der Entwässerung könne daher von diesen nicht erfolgen.

Mit Schreiben vom 10. Dezember 2015 wies das Landesamt für Finanzen ... im Anschluss an den Schriftsatz der Klägerbevollmächtigten vom 26. November 2015 darauf hin, dass durch die mit Wirkung ab 1. Oktober 2014 erfolgte Änderung des § 18 BayBhV die Erstattung der klagegegenständlichen Präparate ausgeschlossen sei. Nur noch apothekenpflichtige Arzneimittel seien seither, unabhängig von der Art der Erkrankung oder einer ärztlichen Verordnung, beihilfefähig. Soweit in der Vergangenheit eine Erstattung erfolgt sei, beruhe dies auf dem zuvor geltenden Rechtsstand. Im Übrigen werde auf die bisherigen Ausführungen sowie auf die Entscheidung des Verwaltungsgerichts München - M 17 K 15.1706 - vom 17. August 2015 verwiesen.

In der mündlichen Verhandlung vom 20. Januar 2016 beantragte der Klägervertreter,

die Bescheide des Landesamts für Finanzen vom 7. November 2014, vom 11. Dezember 2014 sowie den Bescheid vom 18. Februar 2015 insoweit aufzuheben, als die Gewährung von Beihilfe für nicht apothekenpflichtige Arzneimittel unter den Hinweisnummern 1447 und 1406 abgelehnt worden sei und die Beklagte zu verpflichten, die beantragten Beihilfeleistungen zu gewähren.

Zusätzlich beantragte er, die Berufung zuzulassen.

Mit Beschluss der Kammer vom 20. Januar 2016 wurde die Verhandlung vertagt, um dem Klägerbevollmächtigten Einsicht in die Beihilfeakten zu ermöglichen.

Mit Schriftsatz vom 1. März 2016 führte der Klägerbevollmächtigte nach Akteneinsicht im Wesentlichen folgendes aus:

Auf eine erneute mündliche Verhandlung könne nicht verzichtet werden. Das Argument, das hier verordnete Medikament Kalium pure sei nicht apothekenpflichtig und demzufolge auch nicht beihilfefähig, überzeuge nicht. Der Vertreter des Beklagten habe im Termin gemeint, es gebe doch sehr viele apothekenpflichtige Medikamente, die die Ehefrau des Klägers ersatzweise einnehmen könnte. Der Beklagte werde im Hinblick auf seine Fürsorgepflicht aufgefordert, ein solches Medikament zu benennen. Der Kläger habe unter www.arzneimitteldatenbank.de die Kaliumprodukte aufgerufen. Es seien 956 gewesen. Davon seien 630 homöopathisch, schieden also aus. Von den übrigen 326 seien 291 nicht apothekenpflichtig. Unter den restlichen 35 Produkten seien 16 Infusionsauslösungskonzentrate, schieden also aus. Siebenmal würden Brausetabletten, achtmal Ampullen, Trinkampullen und Flüssigkeiten und Lösungen angeboten. Das Kalium verla sei wegen der darin enthaltenen Saccharose für die Ehefrau des Klägers ungeeignet wegen der entsprechenden Nebenwirkungen. Die anderen angebotenen Tabletten seien ebenfalls ungeeignet, da sie Jod enthielten und wegen der Schilddrüsenerkrankung der Ehefrau des Klägers nicht verwendet werden dürften. Der Kläger habe sich der Mühe unterzogen, die ... in ... zu befragen, welche andere Mittel in Betracht kämen. Die Auflistung diesbezüglich werde als Anlage vorgelegt. Dort würden wieder Brausetabletten, zucker- oder aluminium- und titanhaltige Präparate aufgeführt. Diese schieden wiederum aus, weil die zuckerhaltigen Präparate wegen einer Pilzinfektion der Ehefrau des Klägers nicht angezeigt seien. Aluminium- und titanhaltige Medikamente schieden wegen einer immer wiederkehrenden Metallbelastung bei der Ehefrau aus. Nicht ohne Grund hätten nämlich die verschiedenen behandelnden Ärzte ausschließlich auf das reine Kalium pure abgestellt und dieses verschrieben. Aus dem von der Beklagten vorgelegten Aktenkonvolut ergebe sich, dass die Erkrankung der Ehefrau des Klägers zwar immer wieder in Zweifel gezogen, jedoch aufgrund der von der Beihilfestelle veranlassten Überprüfung dann akzeptiert worden sei. Hierzu werde auf die ärztliche Bescheinigung zur Feststellung einer schwerwiegenden chronischen Krankheit i. S. d. § 62 SGB V des Herrn... aus dem Jahr 2012 verwiesen, in der die Nierenfunktionsstörung bei Hyperaldosteronismus bestätigt worden sei. Die Regierung von Mittelfranken, dort der leitende Medizinaldirektor ... habe in der Stellungnahme an das Landesamt für Finanzen vom 18. Oktober 2010 mitgeteilt, dass der Hyperaldosteronismus zu erheblichen Elektrolytstörungen führen könne, insbesondere zum Verlust von Kalium. Der Laborbericht des Labors ... vom 15. Februar 2016 weise aus, dass insbesondere das Kalium eine Störung aufweise und im Urin mit dem zehnfachen Wert nachgewiesen werde, obwohl die Ehefrau des Klägers in erheblicher Weise Kalium nachführe. Das Kalium werde also im Körper nicht resorbiert, was eben auf die Nierenstörung zurückzuführen sei. Die Zuführung von Kalium sei lebenswichtig. Dies habe die Beihilfestelle ursprünglich zu Beginn des Verfahrens auch erkannt. Aus diesem Grunde sei seitens der Beihilfestelle die Zusicherung erfolgt, dass das Medikament bezahlt würde, wenn es lebensnotwendig wäre. Der Nachweis sei aus Sicht des Klägervertreters erfolgt.

Sollte das Gericht dies als nicht gegeben erachten, werde nochmals darauf hingewiesen, dass zu diesem Thema ein Sachverständigengutachten hilfsweise beantragt sei. Dazu bedürfe es, weil die Grunderkrankung wohl unstreitig sei, keiner weiteren körperlichen Untersuchung.

Hierzu erwiderte der Beklagte mit Schriftsatz des Landesamts für Finanzen ... vom 14. März 2016 zusammengefasst folgendes:

Der Hinweis an den Kläger, statt des streitgegenständlichen Präparats auf ein apothekenpflichtiges und damit beihilfekonformes Arzneimittel zurückzugreifen, habe allein dazu gedient, künftig der bisherigen Erstattungsproblematik zu entgehen. Da die Beihilfestelle jedoch über kein medizinisch geschultes Personal verfüge, verbiete sich seitens dieser die Benennung eines für die Ehefrau des Klägers geeigneten Alternativpräparats.

Selbst wenn es kein beihilfekonformes Alternativpräparat gebe, führe dies nicht dazu, dass der Dienstherr aus Fürsorgegründen zur Gewährung von Beihilfe verpflichtet wäre. Denn die Fürsorgepflicht werde durch die Beihilfestellevorschriften grundsätzlich abschließend konkretisiert (BVerwG, Urteil vom 10.6.1999, 2 C 29/98). Bei der Regelung der Beihilfe komme dem Normgeber wie auch sonst bei der Gestaltung der Rechtsverhältnisse vom Beamten ein weites Ermessen zu. Der Normgeber müsse mithin nicht jeden Unterschied zum Ansatzpunkt für eine Differenzierung nehmen. Andererseits müsse der Beamte wegen des ergänzenden Charakters der Beihilfe auch Härten und Nachteile hinnehmen, die sich aus der - am Alimentationsgrundsatz orientierten - pauschalisierenden und typisierenden Konkretisierung der Fürsorgepflicht ergäben und keine unmittelbaren Belastungen bedeuteten (BVerfG vom 7.11.2002, BVerfGE 106, 225/232 f.). Unmittelbar auf den verfassungsrechtlich vorgegebenen Grundsatz der Fürsorge könne der Anspruch nur ausnahmsweise gestützt werden, wenn die Fürsorgepflicht andernfalls in ihren Wesenskern verletzt wäre (BVerwG a. a. O.). Eine derartige Verletzung sei hier nicht ersichtlich.

Bereits die vom Kläger vorgetragene Lebensnotwendigkeit des Präparats sei nicht nachgewiesen, worauf der Beklagte schon im Schriftsatz vom 15. Oktober 2015 hingewiesen habe. Ein solcher Nachweis lasse sich insbesondere auch nicht aus dem vom Kläger zitierten Schreiben der Regierung von Mittelfranken vom 18. Oktober 2010 ableiten, das lediglich die therapeutische Rechtfertigung der Magnesium- und Kaliumgabe nicht ausschließe. Die Anerkennung als beihilfefähig habe deshalb bis 30. September 2014 erfolgen können, da bis dahin die Apothekenpflicht noch nicht Voraussetzung für die Beihilfefähigkeit gewesen sei.

Ferner sei seitens des Beklagten keine Zusicherung der Beihilfefähigkeit für den Fall der Lebensnotwendigkeit erteilt worden. Wie sich aus dem Schriftsatz vom 1. April 2015 ergebe, habe sich der Beklagte lediglich bereit erklärt, unter Berücksichtigung der vorgetragenen Lebensnotwendigkeit der streitgegenständlichen Präparate und der damit verbundenen Kosten zu prüfen, ob ausnahmsweise ohne Anerkennung einer Rechtspflicht Beihilfe gewährt werden könne. Für eine Zusicherung habe es dabei bereits an einem rechtlichen Bindungswillen gefehlt. Darüber hinaus wäre eine Beihilfegewährung nicht nur von der Lebensnotwendigkeit sondern auch von der Kostenbelastung abhängig gewesen.

Auch wenn man die Lebensnotwendigkeit des Präparats unterstelle, führe dessen Nichtberücksichtigung durch die Beihilfevorschriften noch nicht zu einer Verletzung der Fürsorgepflicht in ihrem Wesenskern. Dies wäre erst dann der Fall, wenn die dem Kläger verbleibenden Aufwendungen eine für ihn unzumutbare Belastung darstellen würden. Ausweislich der mündlichen Verhandlung vom 20. Januar 2016 sei der Kläger seit dem 1. Oktober 2014 mit Aufwendungen von insgesamt 1.400 EUR, mithin über einen Zeitraum von rund 15 Monaten mit monatlich unter 100 EUR belastet gewesen. Angesichts einer Besoldung nach Besoldungsgruppe A 16 seien daher keine Anhaltspunkte ersichtlich, die für eine unzumutbare Belastung sprächen.

Mit Schriftsatz seines Bevollmächtigten vom 24. März 2016 ließ der Kläger hierzu zusammengefasst weiter folgendes vorgetragen:

Es könne dahinstehen, ob subjektiv, sozusagen mit geheimem Vorbehalt, die Beihilfestelle keinen Bindungswillen gehabt habe, sich an die Erklärung zu halten, das Präparat, wenn es lebenswichtig sei, zu ersetzen. Die objektive, vom Empfängerhorizont ausgehende Beurteilung dieser Erklärung lasse nur die Deutung dahin zu, dass das Präparat ersetzt werde, falls es lebensnotwendig sei. Dies sei hier der Fall. Weshalb habe denn auch - wenn schon kein Bindungswillen vorhanden gewesen wäre - die Beihilfestelle die Ehefrau des Klägers zum Gesundheitsamt geschickt? Doch nicht mit dem geheimen Vorbehalt, dass, selbst wenn ein Ergebnis herausgekommen wäre, das für die Ehefrau des Klägers spreche, dieses dann zu negieren. Habe man tatsächlich die Ehefrau des Klägers nur schikanieren wollen. Dies könne doch nicht unterstellt werden.

In der Zwischenzeit seien diverse weitere Beihilfebescheide ergangen, in denen das entsprechende Präparat nicht ersetzt und bei denen die Entscheidung zurückgestellt worden sei.

Die Klagepartei habe einen Anspruch auf Entscheidung und beziehe deshalb die jetzt hier zwischenzeitlich ergangenen Bescheide in das Verfahren mit ein.

Es handle sich um die Bescheide vom 20. März 2015, 21. April 2015, 26. Mai 2015, 6. August 2015, 28. Oktober 2015 und vom 30. November 2015.

Zum Klageantrag gemäß Protokoll vom 20. Januar 2016 werde weiter beantragt:

II.

Darüber hinaus werden die Bescheide des Landesamts für Finanzen vom 20. März 2015, 21. April 2015, 26. Mai 2015, 6. August 2015, 20. Oktober 2015 und 30. November 2015 insoweit aufgehoben, als sie Gewährung von Beihilfe für nicht apothekenpflichtige Arzneimittel unter dem Hinweis Nummer 1447 und 1406 abgelehnt worden ist und der Beklagte wird verpflichtet, die beantragten Beihilfeleistungen zu gewähren.

Mit Schriftsatz vom 14. April 2016 legte der Klägerbevollmächtigte eine Stellungnahme des Herrn ... in ..., vor, wo sich die Ehefrau des Klägers periodisch zur Behandlung befinde. Herr ... sei Internist mit dem Fachgebiet Neurologie. Dieser sei sicherlich kompetent, die Nierenerkrankung festzustellen. Zudem sei die Nierenerkrankung der Ehefrau des Klägers auch anderweitig mehrfach festgestellt worden. Diese so genannte „Verlustniere“ führe zu erheblichem Magnesium- und insbesondere Kaliummangel. Beides müsse ausgeglichen werden, und zwar in ganz erheblicher Dosis. Wenn dies nicht geschehe, bestehe die Gefahr der Dialysepflicht. Diese Dialysepflichtigkeit müsse verhindert werden und sollte eigentlich auch im Interesse des Beklagten liegen, da die dialysepflichtigen Behandlungen weitaus teurer seien als die bloßen Magnesium- und Kaliummedikamente.

Hierzu entgegnete der Beklagte mit Schreiben des Landesamts für Finanzen ... vom 28. April 2016 zusammengefasst folgendes:

Die Vorlage der Stellungnahme des Herrn ... führe im Ergebnis zu keiner anderen rechtlichen Würdigung. Dieser stünden zum einen nach wie vor die Ausführungen des Amtsarztes vom 19. August 2015 entgegen. Grundsätzlich sei nach der Rechtsprechung vom Vorrang amtsärztliche Stellungnahmen gegenüber privatärztlichen auszugehen. Das Gesundheitsamt sei eine staatliche Behörde, die ihre Aufgaben nach Recht und Gesetz zu erfüllen habe (vgl. VG Ansbach, Urteil vom 29.7.2008, AN 1 K 05.04148, AN 1 K 06.1548).

Darüber hinaus führe auch die Alternativlosigkeit der Medikation nicht automatisch zur Beihilfefähigkeit der abgelehnten Präparate. Denn der generelle Ausschluss nicht apothekenpflichtiger Arzneimittel sei mit höherrangigem Recht zu vereinbaren (vgl. VG München, Urteil vom 17.8.2015, M 17 K 15.1706; VG Bayreuth, Urteil vom 10.11.2015, B 5 K 15.96). Anhaltspunkte, die unter Anlegung eines strengsten Maßstabs eine aus Fürsorgegründen über die BayBhV hinausgehende Beihilfegewährung nahelegten, seien nicht ersichtlich.

Ferner bestünden Bedenken gegen die Zulässigkeit der mit Schriftsatz vom 14. März 2016 erfolgten Klageerweiterung. Denn in den Bescheiden vom 20. März 2015 bis 28 Oktober 2015 sei eine Entscheidung über die streitgegenständlichen Medikamente wegen des laufenden Klageverfahrens jeweils zurückgestellt worden, weshalb insoweit noch keine anfechtbaren Bescheide vorlägen. Auch als Untätigkeitsklage erscheine die Klageerweiterung unzulässig, da das Abwarten auf den Ausgang des laufenden Verfahrens einen zureichenden Grund für die zur Zurückstellung einer Entscheidung darstelle.

In der mündlichen Verhandlung vom 26. Juli 2016 wurde mit Beschluss des Gerichts das Verfahren abgetrennt und mit einem neu zuzuteilen Aktenzeichen fortgeführt, soweit der Bevollmächtigte des Klägers mit Schriftsatz vom 24. März 2016 einen weiteren Klageantrag gestellt hat.

Der Klägerbevollmächtigte wiederholte der Antrag aus der letzten mündlichen Verhandlung vom 20. Januar 2016, der Beklagtenvertreter beantragte erneut die Klageabweisung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Sonderakte zur Beihilfeakte des Landesamts für Finanzen ... Bezügestelle Beihilfe 1 - und hinsichtlich der Verlaufs der mündlichen Verhandlung auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Gründe

Klagegegenstand (vgl. § 88 VwGO) sind nach dem in der mündlichen Verhandlung vom26. Juli 2016 wiederholten Klageantrag die Bescheide des Landesamts für Finanzen ... Bezügestelle Beihilfe 1 - vom 7. November 2014, 1. Dezember 2014 und vom 18. Februar 2015, soweit nicht apothekenpflichtige Kalium- und Magnesiumpräparate als nicht beihilfefähig anerkannt wurden.

Die mit Schriftsatz der Klägerbevollmächtigten vom 24. März 2016 im Wege der Klageerweiterung nachträglich erhobene Klage gegen die Bescheide des Landesamts für Finanzen ... Bezügestelle Beihilfe 1 - vom 20. März 2015, 21. April 2015, 26. Mai 2015, 6. August 2015, 28. Oktober 2015 und vom 30. November 2015 wurde mit Beschluss der Kammer in der mündlichen Verhandlung vom 26. Juli 2016 abgetrennt und wird unter dem Aktenzeichen AN 1 K 16.01409 weitergeführt.

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet, da der Kläger keinen Anspruch auf die Gewährung weiterer Beihilfe für die genannten nicht apothekenpflichtigen Präparate hat (§ 113 Abs. 5 VwGO); die Bescheide vom 7. November 2014, 1. Dezember 2014 und vom 18. Februar 2015 sind insoweit rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Da beihilferechtliche Streitigkeiten grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen, für die Beihilfe beantragt wird, zu beurteilen sind (vgl. z. B. BVerwG, U.v. 8.11.2012, 5 C 4.12), richtet sich die Beihilfefähigkeit hier nach der Verordnung über die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen in Krankheits-, Geburts-, Pflege- und sonstigen Fällen (Bayerische Beihilfeverordnung - BayBhV) vom 2. Januar 2007 (GVBl S. 15) in der Fassung der zum 1. Oktober 2014 in Kraft getretenen Änderungsverordnung vom 29. Juli 2014 (GVBl S. 352, ber. S. 447).

Gemäß § 18 Satz 1 Nr. 1 BayBhV sind beihilfefähig die aus Anlass einer Krankheit bei ärztlichen und zahnärztlichen Leistungen oder Heilpraktikerleistungen nach §§ 8 bis 17 BayBhV verbrauchten oder nach Art und Umfang schriftlich verordneten apothekenpflichtigen Arzneimittel nach § 2 des Arzneimittelgesetzes (AMG).

Die Beihilfefähigkeit der hier streitgegenständlichen Präparate Kaliumcitrat, Kalium pure und Magnesium richtet sich nach § 18 Satz 1 Nr. 1 BayBhV in der seit 1. Oktober 2014 geltenden Fassung. Dessen Voraussetzungen sind jedoch vorliegend nicht erfüllt. Zwar wurden die streitgegenständlichen Mittel von einem Arzt schriftlich verordnet, sie sind jedoch nicht apothekenpflichtig (vgl. § 43 AMG). Diese Mittel sind vielmehr frei erhältlich. Die fehlende Apothekenpflicht wird auch von der Klägerseite nicht bestritten.

Die Beschränkung der Beihilfefähigkeit auf apothekenpflichtige Arzneimittel ist nach Auffassung des Gerichts auch mit höherrangigem Recht vereinbar. Insbesondere ist die Beschränkung nicht wegen Fehlens einer Härtefallregelung unwirksam, da in § 49 Abs. 2 BayBhV eine derartige Härtefallregelung enthalten ist (vgl. VG München, Urteil vom 17.8.2015, M 17 K 15.1706; zu § 22 BBhV: BayVGH, Urteil vom 10.8.2015, 14 B 14.766).

Nach ihrem überwiegenden Zweck sind die Präparate Kaliumcitrat, Kalium pure und Magnesium Nahrungsergänzungsmittel, da sie der allgemeinen Lebenshaltung dienen und unabhängig von einer Erkrankung von jedermann erworben und benutzt werden können. Es kommt für die Zuordnung maßgeblich darauf an, ob jedermann die streitgegenständlichen Präparate unabhängig von einer Erkrankung erwerben könnte, nicht darauf, ob die Beschaffung auch ohne die Erkrankung tatsächlich erfolgt wäre. Es steht jedermann frei, sich die streitgegenständlichen Präparate zur Nahrungsergänzung zu beschaffen. Eine Erkrankung darf nicht dazu führen, dass Aufwendungen für die allgemeine Lebenshaltung von der Beihilfe zu erstatten sind. Auch wenn die ärztlich verordnete Einnahme der oben genannten Präparate die Beschwerden der Ehefrau des Klägers zu lindern bzw. zu beseitigen vermag, handelt es sich hier um nicht beihilfefähige Lebens- bzw. Nahrungsergänzungsmittel, die geeignet sind, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen (vgl. § 18 Satz 4 Nr. 2 BayBhV), so dass die darauf bezogenen Aufwendungen vom Kläger aus seinen Bezügen zu bestreiten sind (vgl. VG München, Urteil vom 10.8.2015 m. w. N.).

Auch ergibt sich kein Anspruch aus einer denkbaren Zusicherung seitens des Landesamts für Finanzen, da schon der Wortlaut („ohne Anerkennung einer Rechtspflicht“) einen Bindungswillen unzweifelhaft ausschließt.

Schließlich folgt ein Anspruch des Klägers auf Beihilfegewährung auch nicht unmittelbar aus der verfassungsrechtlichen Fürsorgepflicht. Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. z. B. U.v. 24.1.2012, 2 C 24/10) erstreckt sich die in Art. 33 Abs. 5 GG verankerte Pflicht des Dienstherrn zur Sicherstellung des amtsangemessenen Lebensunterhalts auf Lebenslagen, die einen erhöhten Bedarf begründen. Die verfassungsrechtliche Alimentations- bzw. Fürsorgepflicht gebietet dem Dienstherrn, Vorkehrungen zu treffen, dass die notwendigen und angemessenen Maßnahmen im Falle von Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Geburt und Tod nicht aus wirtschaftlichen Gründen unterbleiben, weil sie der Beamte mit der Regelalimentation so nicht bewältigen kann, und dass der amtsangemessene Lebensunterhalt wegen der finanziellen Belastungen in diesen Ausnahmesituationen nicht gefährdet wird. Sind die Dienst- und Versorgungsbezüge so bemessen, dass sie eine zumutbare Eigenvorsorge nur im Hinblick auf einen Teil der durch Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Geburt und Tod begründeten Belastungen ermöglichen, so hat der Dienstherr zusätzliche Vorkehrungen zu treffen, damit der Beamte die Belastungen, die den Umfang der Eigenvorsorge überschreiten, ebenfalls tragen kann. Wenn sich der Dienstherr für ein Mischsystem aus Eigenleistungen des Beamten und Beihilfen entscheidet, muss gewährleistet sein, dass der Beamte nicht mit erheblichen Aufwendungen belastet bleibt, die er auch über eine ihm zumutbare Eigenvorsorge nicht abzusichern vermag. Die Fürsorgepflicht verlangt aber nicht, dass Aufwendungen in Krankheits- bzw. Pflegefällen durch ergänzende Beihilfen vollständig gedeckt werden oder dass die von der Beihilfe nicht erfassten Kosten in vollem Umfang versicherbar sind (vgl. BVerwG, U. v. 30.4.2009, 2 C 127/07 und v. 10.6.1999, 2 C 29/98). Der Beamte muss wegen des ergänzenden Charakters der Beihilfe auch Härten und Nachteile hinnehmen, die sich aus der am Alimentationsgrundsatz orientierten pauschalierenden und typisierenden Konkretisierung der Fürsorgepflicht ergeben und keine unzumutbare Belastung bedeuten (vgl. BayVGH, B. v. 8.1.2007, 14 ZB 06.2911).

Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger durch den Umstand, dass er die Aufwendungen für die oben genannten Präparate selbst tragen muss, unzumutbar belastet wäre, sind, selbst wenn man von einer lebensbedrohlichen Erkrankung der Ehefrau des Klägers ausginge, was das Gericht ausdrücklich offen lässt, nicht ersichtlich. Denn der Kläger hat in der mündlichen Verhandlung vom 20. Januar 2016 ausdrücklich vorgetragen, die bis zu diesem Zeitpunkt seit dem 1. Oktober 2014 aufgelaufenen Kosten hätten ca. 1.400 EUR betragen. Somit ist hier von einer unter dem Betrag von 100 EUR liegenden monatlichen Belastung des Klägers auszugehen, wovon noch der von der privaten Krankenversicherung des Klägers erstattete Betrag in Höhe von 30% in Abzug zu bringen ist. Die verbleibende vom Kläger monatlich noch aufzubringende Summe spricht angesichts der Besoldung des Klägers nach Besoldungsgruppe A 16 ersichtlich gegen eine unzumutbare Belastung, deren Nichtberücksichtigung den Wesenskern der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht verletzen könnte.

Vor diesem Hintergrund war auch der hilfsweise gestellte Antrag des Klägerbevollmächtigten, durch ein Sachverständigengutachten die Lebensnotwendigkeit der von der Ehefrau des Klägers einzunehmenden kalium- bzw. magnesiumhaltigen Präparate unter Beweis zu stellen, als unbehelflich anzusehen, da selbst die Lebensnotwendigkeit dieser - nicht apothekenpflichtigen - Medikamente unterstellt, eine Verpflichtung des Beklagten zur Beihilfegewährung nicht zu begründen vermag.

Trotz entsprechender Anregung des Klägervertreters in der mündlichen Verhandlung vom 20. Januar 2016 war auch keine Entscheidung der obersten Dienstbehörde nach § 49 Abs. 2 BayBhV über die Gewährung von Beihilfen über die BayBhV hinaus erforderlich, da, wie dargelegt, keinesfalls von einem dort genannten Ausnahmefall ausgegangen werden kann, der nur bei Einlegung des strengsten Maßstabs anzunehmen ist. Das Verwaltungsgericht Würzburg war im Urteil vom 25. März 2013 (W 1 K 12.815, Rn. 26, juris) von der grundsätzlichen Anwendbarkeit dieser Vorschrift und einer erforderlichen (Neu-) Verbescheidung bei einer jährlichen Belastung von 11.500 EUR eines Ruhestandsbeamten ausgegangen. Vor diesem Hintergrund wird deutlich, dass bei dem vorliegenden Sachverhalt eines aktiven, nach Besoldungsgruppe A 16 besoldeten Beamtin bei einer monatlichen Belastung von unter 100 EUR keinesfalls die Annahme eines Ausnahmefalls i. S. d. § 49 Abs. 2 BayBhV gerechtfertigt ist.

Soweit der Kläger auf die frühere Erstattung der Aufwendungen durch die Beihilfe hinweist, vermag dies der Klage ebenfalls nicht zum Erfolg zu verhelfen. Die Beihilfevorschriften bilden kein starres System unabänderlicher Regelungen, sondern unterliegen der Anpassung an die Gegebenheiten durch den Verordnungsgeber. Die Anerkennung von Aufwendungen als beihilfefähig bindet den Dienstherrn nicht dergestalt, dass künftig durch Änderungen der zugrundeliegenden Normen nicht auch eine andere Entscheidung ergehen kann.

Auch der Verweis auf die Erstattung durch die private Krankenkasse geht ins Leere. Es entspricht ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, dass die Systemunterschiede zwischen Krankenversicherung und Beihilfe unterschiedliche Regelungen rechtfertigen. Die beamtenrechtliche Krankenfürsorge, die auf dem Grundsatz der Vorsorge des Staates für seine Beamten und seine Familie beruht, ist mit der Krankenversicherung, die Leistungen aus privaten Krankenkassen gewährt, nicht vergleichbar (vgl. BVerwG, U. v. 15.12.2005, BVerwGE 125, 21).

Nach alledem war die Klage daher abzuweisen.

Kosten: §§ 154 Abs. 1, 161 Abs. 1 VwGO.

Vorläufige Vollstreckbarkeit: § 167 Abs. 1 VwGO, § 708 Nr. 11 ZPO.

Die Berufung war nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 124 a Abs. 1 VwGO nicht vorliegen.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach, Hausanschrift: Promenade 24 - 28, 91522 Ansbach, oder Postfachanschrift: Postfach 616, 91511 Ansbach, schriftlich zu beantragen.

Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist; die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder Postfachanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München, Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach,einzureichen.

Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,

2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,

3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf 501,60 EUR (3 Rechnungen über jeweils 239,00, hiervon 70%) festgesetzt (§ 52 Abs. 3 Satz 1 GKG).

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht München

Aktenzeichen: M 17 K 15.1706

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 17. August 2015

17. Kammer

Sachgebiets-Nr. 1335

Hauptpunkte:

Beihilfe;

fehlende Apothekenpflicht;

Nahrungsergänzungsmittel

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

...

- Klägerin -

bevollmächtigt: Rechtsanwälte ...

gegen

Freistaat Bayern vertreten durch: Landesamt für Finanzen Dienststelle Ansbach Bezügestelle Brauhausstr. 18, 91522 Ansbach

- Beklagter -

wegen Beihilfe

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 17. Kammer,

durch die Richterin am Verwaltungsgericht ... als Einzelrichterin, ohne mündliche Verhandlung am 17. August 2015 folgendes Urteil:

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin ist beihilfeberechtigt mit einem Bemessungssatz von 70%. Mit Formblatt vom ... März 2015 beantragte sie u. a. die Gewährung von Beihilfe für Aufwendungen für zwei Rezepte vom ... März 2015. Hinsichtlich des ersten Rezeptes über 339,80 € wurde mit Bescheid vom ... März 2015 die Beihilfefähigkeit lediglich in Höhe von 144,92 € anerkannt und dementsprechend eine Beihilfe in Höhe von 92,44 € gewährt. Bezüglich der Aufwendungen für „Methylcobalamin Kapseln“ (194,88 €) verneinte der Beklagte die Beihilfefähigkeit. Zur Begründung wurde darauf hingewiesen, dass Mittel, die geeignet seien, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen (z. B. Lebensmittel, Diätkost, ballaststoffreiche Kost, glutenfreie Nahrung, Säuglingsfrühnahrung, Mineral- und Heilwässer, medizinische Körperpflegemittel und dergleichen), nicht beihilfefähig seien (§ 18 Satz 4 Nr. 2 BayBhV). Dies schließe auch Vitamine als Monopräparate und Kombinationen, Mineralstoffe, Mineralstoffkombinationen und Kombinationen von Mineralstoffen mit Vitaminen ein. Für „Vitasprint B12 Trinkampullen“ (181,44 €), die mit dem zweiten Rezept verordnet wurden, wurde die Beihilfefähigkeit ebenfalls verneint. Beihilfe könne nicht gewährt werden, da es sich um kein apothekenpflichtiges Arzneimittel nach § 2 AMG handle (§ 18 Satz 1 Nr. 1 BayBhV).

Mit Schreiben vom ... März 2015, beim Beklagten eingegangen am 30. März 2015, legte die Klägerin hiergegen Widerspruch ein, wobei sie sich zur Begründung auf ein beigefügtes Attest von Dr. med. ... (Neurologe) vom ... April 2012 bezog. Danach bestehe bei der Klägerin ein B12-Mangelsyndrom und eine Homocysteinämie, welche blutchemisch nachgewiesen worden seien. Zusätzlich bestehe eine Immunschwäche, derentwegen das Präparat Unizink unabdingbar zur Einnahme notwendig sei, um Infekte fernzuhalten, insbesondere Virusinfekte. Es wurde darauf aufmerksam gemacht, dass im Falle von Schäden, die ohne Berücksichtigung der ärztlichen Maßnahmen unausweichlich seien, und zwar eine funiculäre Myelose, ein Schlaganfall oder ein Herzinfarkt, von Seiten der Klägerin ein Leistungsanspruch an den Kostenträger bestehe zur Übernahme der Kosten für unterlassene Hilfeleistungen.

Diesem Widerspruch wurde mit Bescheid vom ... April 2015 nicht stattgegeben. Im Gegensatz zu früheren Beihilfefestsetzungen sei die Frage, ob „Vitasprint B12 Trinkampullen“ oder andere Präparate apothekenpflichtige Arzneimittel im Sinne des Arzneimittelgesetzes seien, nun durch die zwingend notwendige Angabe der PZN (Pharmazentralnummer) zu jedem verordneten Mittel treffend zu beantworten. Es habe festgestellt werden können, dass es sich bei „Methylcobalamin Kapseln“ nicht um ein Arzneimittel handele. Für „Vitasprint B12 Trinkampullen“ liege der Arzneimittelstatus zwar vor. Eine Apothekenpflicht für dieses Arzneimittel bestehe jedoch nicht. Die Aufwendungen für die Präparate seien daher jeweils nicht beihilfefähig, auch wenn die Mittel zur Behandlung einer Erkrankung verordnet und verwendet worden seien.

Mit Schriftsatz vom ... April 2015, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München eingegangen am selben Tag, erhoben die Prozessbevollmächtigten der Klägerin hiergegen Klage und beantragten,

den Widerspruchsbescheid vom ... April 2015 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, Beihilfe entsprechend dem Antrag der Klägerin vom ... März 2015 zu bewilligen.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass die Präparate „Vitasprint B12 Trinkampullen“ und „Methylcobalamin“ beihilfefähig seien, da diese dem Grunde nach medizinisch notwendig und der Höhe nach angemessen seien. Die Präparate seien der Klägerin aus Anlass einer Krankheit schriftlich verordnet worden, da bei der Klägerin ein B12-Mangelsyndrom bestehe. Auf die Ausführungen im Widerspruchsverfahren, auf das fachärztliche Attest vom ... April 2012 sowie ein weiteres Attest vom ... November 2010 wurde Bezug genommen. In Letzterem wurde festgestellt, dass bei der Klägerin ein B12-Mangelsyndrom bei einer Polyneuropathie bestehe, die im Zusammenhang mit viralen Infekten und Schwermetall-Intoxikationen stehe. Um der Klägerin unliebsame Folgeerkrankungen zu ersparen, sei eine Medikation mit B12 Vitasprint-Trinkampullen und Folsäure mit Folsan 5 mg aus ärztlicher Indikation zwingend notwendig. Eine Alternative bestehe nicht. Die Klägerin müsse außerdem wegen einer Immunschwäche Vivaglobin erhalten, um bei ihr erneute virale Infekte und deren Folgen zu verhindern.

Der Beklagte beantragte,

die Klage abzuweisen.

Nach § 18 Satz 1 Nr. 1 BayBhV in der seit 1. Oktober 2014 geltenden Fassung seien schriftlich verordnete Arzneimittel nach § 2 des Arzneimittelgesetzes nur dann beihilfefähig, wenn diese apothekenpflichtig seien. Da es dem Präparat „Vitasprint B12-Trinkampullen“ an der Apothekenpflicht fehle, handele es sich auch um kein beihilfefähiges Arzneimittel. Die der Klage beigefügten fachärztlichen Atteste führten zu keinem anderen Ergebnis. Denn die noch zur Rechtslage vor Beschaffung des streitgegenständlichen Präparats erstellten Atteste führten wegen der fehlenden Apothekenpflicht auch dann nicht zur Beihilfefähigkeit, wenn die Präparate schriftlich verordnet und zur Behandlung einer Erkrankung verwendet würden. Ebenso wenig könne sich die Klägerin aufgrund der früheren Beihilfeleistungen zu dem Präparat auf Vertrauensschutzgesichtspunkte berufen, da sie im Bescheid vom ... Februar 2015 ausdrücklich auf die neue Rechtslage hingewiesen worden sei.

Beim Präparat „Methylcobalamin Kapseln“ stehe eine Berücksichtigung § 18 Satz 4 Nr. 2 BayBhV entgegen, wonach Mittel, die geeignet seien, Güter des täglichen Bedarfs zu ersetzen, nicht beihilfefähig seien. Darunter fielen u. a. sogenannte Nahrungsergänzungsmittel. Um ein solches handele es sich im Streitfall. Bereits auf ihrer Homepage stelle sich die Herstellerfirma als „professionellen Anbieter hochwertiger, orthomolekularer Nahrungsergänzungsmittel“ dar. Entsprechend beschreibe die Produktinformation zu „Methylcobalamin Kapseln“ den rechtlichen Status des Präparats als Nahrungsergänzungsmittel. Auch die Tatsache, dass der Hersteller eine Verzehrempfehlung statt einer Dosierempfehlung gebe, spreche für ein ergänzendes Lebensmittel. Im Ausnahmefall könne es sich zwar auch bei einem Nahrungsergänzungsmittel um ein Arzneimittel handeln, wenn dieses eine pharmakologische Wirkung habe. Eine solche Wirkung sei jedoch weder der Beschreibung des Produkts noch den Bescheinigungen des behandelnden Arztes zu entnehmen. Dies könne jedoch offen bleiben da, selbst wenn „Methylcobalamin Kapseln“ ein Arzneimittel wäre, dessen Beihilfefähigkeit wegen der fehlenden Apothekenpflicht gemäß § 18 Satz 1 Nr. 1 BayBhV ausscheide.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen (§ 117 Abs. 3 Satz 2 VwGO).

Entscheidungsgründe:

Über die Klage konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden werden, da die Beteiligten mit Schreiben vom ... Juni 2015 bzw. ... August 2015 einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren zugestimmt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Die Klage ist dahingehend auszulegen (vgl. § 88 VwGO), dass unter (teilweiser) Aufhebung des Beihilfebescheids vom... März 2015 und des Widerspruchsbescheids vom ... April 2015 die Gewährung weiterer Beihilfe für „Methylcobalamin Kapseln“ und „Vitasprint B12 Trinkampullen“ begehrt wird.

Die Klage ist zulässig, aber unbegründet, da die Klägerin keinen Anspruch auf die Gewährung weiterer Beihilfe hat (§ 113 Abs. 5 VwGO); die Bescheide vom ... März 2015 und ... April 2015 sind rechtmäßig und verletzen die Klägerin daher nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

1. Da beihilferechtliche Streitigkeiten grundsätzlich nach der Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Entstehens der Aufwendungen, für die Beihilfe beantragt wird, zu beurteilen sind (vgl. z. B. BVerwG, U. v. 8.11.2012 - 5 C 4.12 - juris Rn. 12), richtet sich die Beihilfefähigkeit hier nach der Verordnung über die Beihilfefähigkeit von Aufwendungen in Krankheits-, Geburts-, Pflege- und sonstigen Fällen (Bayerische Beihilfeverordnung - BayBhV) vom 2. Januar 2007 (GVBl S. 15) in der Fassung der Änderungsverordnung vom 29. Juli 2014 (GVBl S. 352, ber. S. 447), weil die streitgegenständlichen Rechnungen vom ... März 2015 sind.

2. Gemäß § 18 Satz 1 BayBhV sind beihilfefähig die aus Anlass einer Krankheit bei ärztlichen und zahnärztlichen Leistungen oder Heilpraktikerleistungen nach §§ 8 bis 17 BayBhV verbrauchten oder nach Art und Umfang schriftlich verordneten apothekenpflichtigen Arzneimittel nach § 2 des Arzneimittelgesetzes - AMG - (Nr. 1), Verbandmittel (Nr. 2), Harn- und Blutteststreifen (Nr. 3) sowie Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die als Medizinprodukte nach § 3 Nrn. 1 bis 3 des Medizinproduktegesetzes zur Anwendung am oder m menschlichen Körper bestimmt sind (Nr. 4).

2.1 Da „Methylcobalamin Kapseln“ und „Vitasprint B12 Trinkampullen“ keine Medizinprodukte im Sinne des Medizinproduktegesetzes sind, richtet sich die Beihilfefähigkeit hier nach § 18 Satz 1 Nr. 1 BayBhV. Dessen Voraussetzungen sind jedoch nicht erfüllt:

Zwar wurden die streitgegenständlichen Mittel von einem Arzt schriftlich verordnet, aber weder „Methylcobalamin Kapseln“ noch „Vitasprint B12 Trinkampullen“ sind apothekenpflichtig (vgl. § 43 AMG). Diese Mittel sind vielmehr frei, etwa im Internet, erhältlich (vgl. z. B. www.amazon.de). Die fehlende Apothekenpflicht wurde auch von Klägerseite nicht bestritten.

2.2 Die Beschränkung der Beihilfefähigkeit auf apothekenpflichtige Arzneimittel ist nach Auffassung des Gerichts auch mit höherrangigem Recht vereinbar. Insbesondere ist die Beschränkung nicht wegen Fehlens einer Härtefallregelung unwirksam (vgl. zu § 22 BBhV: OVG NRW, U. v. 20.6.2013 - 1 A 334/11 - juris Rn. 43ff.; BayVGH, U. v. 10.8.2015 - 14 B 14.766 Rn. 34ff.; VG Greifswald, U. v. 25.9.2014 - 6 A 77/13 - juris Rn. 23ff.), da in § 49 Abs. 2 BayBhV eine derartige Härtefallregelung enthalten ist.

2.3 Ergänzend ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei „Methylcobalamin Kapseln“ und „Vitasprint B12 Trinkampullen“ auch nicht um Arzneimittel im Sinne von § 18 Satz 1 Nr. 1 BayBhV i. V. m. § 2 AMG handelt.

a) Nach § 2 Abs. 1 AMG sind Arzneimittel Stoffe oder Zubereitungen aus Stoffen, die zur Anwendung im oder am menschlichen oder tierischen Körper bestimmt sind und als Mittel mit Eigenschaften zur Heilung oder Linderung oder zur Verhütung menschlicher oder tierischer Krankheiten oder krankhafter Beschwerden bestimmt sind oder die im oder am menschlichen oder tierischen Körper angewendet oder einem Menschen oder einem Tier verabreicht werden können, um entweder die physiologischen Funktionen durch eine pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkung wiederherzustellen, zu korrigieren oder zu beeinflussen oder eine medizinische Diagnose zu erstellen. Keine Arzneimittel sind insbesondere Lebensmittel im Sinne des § 2 Abs. 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuches - LBFG - (§ 2 Abs. 3 AMG). Nach § 2 Abs. 2 LBFG, der wiederum auf Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 verweist, sind Lebensmittel alle Stoffe oder Erzeugnisse, die dazu bestimmt sind oder von denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden. Auch Nahrungsergänzungsmittel sind damit im Regelfall keine Arzneimittel (vgl. BayVGH, U. v. 13.12.2010 - 14 BV 08.1982 - juris Rn. 30). Zwar können im Einzelfall Umstände auftreten, die ein Produkt trotz der Bezeichnung als Nahrungsergänzungsmittel als Arzneimittel erscheinen lassen (BVerwG, U. v. 26.5.2009 - 3 C 5/09 - NVwZ 2009, 1038, 1040), namentlich dann, wenn eine pharmakologische Wirkung des Nahrungsergänzungsmittels in Betracht kommt, wenn also durch das Produkt über die ernährungsphysiologische Wirkung hinausgehend eine gezielte Beeinflussung des Zustandes und der Funktion des Körpers stattfindet (BayVGH, U. v. 13.12.2010 - 14 BV 08.1982 - juris Rn. 31). Kann eine pharmakologische Wirkung im Einzelfall aber nicht eindeutig festgestellt werden, bleibt es bei der Einordnung als Lebens- bzw. Nahrungsergänzungsmittel und dem daraus folgenden Ausschluss der Beihilfefähigkeit (vgl. BayVGH, U. v. 13.12.2010 - 14 BV 08.1982 - juris Rn. 32).

b) „Methylcobalamin Kapseln“ und „Vitasprint B12 Trinkampullen“ sind nicht in der sogenannten „Roten Liste“ aufgeführt und nach den Angaben im Internet als Nahrungsergänzungsmittel einzustufen (vgl. z. B. www. vitabay.net, www.medikamente.netdoktor.de; vgl. zu Vitasprint auch VG Würzburg, U. v. 24.3.2009 - W 1 K 09.2039 - juris Rn. 22ff.). Ihr Hauptbestandteil ist Vitamin B12 bzw. eine daraus gebildete Coenzymform sowie die Aminosäure Glutamin und das Aminosäurederivat DL-Phosphonoserin. Bei Vitaminen und Aminosäuren handelt es sich um Nahrungsbestandteile, die dazu bestimmt sind und bei denen nach vernünftigem Ermessen erwartet werden kann, dass sie in verarbeitetem, teilweise verarbeitetem oder unverarbeitetem Zustand von Menschen aufgenommen werden, was der Definition in Art. 2 VO (EG) Nr. 178/2002 entspricht, auf die § 2 Abs. 2 LFGB verweist. Eine pharmakologische Wirkung im Sinne einer gezielten Einwirkung auf den Zustand und die Funktion des Körpers wurde weder von Klägerseite geltend gemacht noch ist diese den Herstellerangaben zu entnehmen. Vielmehr dienen die Mittel der Deckung eines beeinträchtigten oder höheren Bedarfs des Vitamins B12, sie sollen einen (vorübergehenden) Vitaminmangel bzw. erhöhten Vitaminbedarf ausgleichen.

Nach ihrem überwiegenden Zweck sind „Methylcobalamin Kapseln“ und „Vitasprint B12 Trinkampullen“ somit Nahrungsergänzungsmittel, da sie der allgemeinen Lebenshaltung dienen und unabhängig von einer Erkrankung von jedermann erworben und benutzt werden können (vgl. a. VG München, U. v. 12.8.2010 - M 17 K 09.4837 - juris Rn. 24; U. v. 14.3.2013 - M 17 K 12.848). Es kommt für die Zuordnung maßgeblich darauf an, ob jedermann die streitgegenständlichen Präparate unabhängig von einer Erkrankung erwerben könnte, nicht darauf, ob die Beschaffung auch ohne die Erkrankung tatsächlich erfolgt wäre (VG München, U. v. 12.8.2010 - M 17 K 09.4837 juris Rn. 25 mit Verweis auf OVG NW, U. v. 23.8.1993 - 12 A 1031/91 - juris). Es steht jedermann frei, sich das streitgegenständliche Präparat zur Nahrungsergänzung zu beschaffen. Eine Erkrankung darf nicht dazu führen, dass Aufwendungen für die allgemeine Lebenshaltung von der Beihilfe zu erstatten sind (vgl. Mildenberger, Beihilferecht in Bund, Ländern und Kommunen, Stand 1. März 2015, § 18 Satz 4 BayBhV Anm. 5 Abs. 1).

Auch ein verständiger Durchschnittsverbraucher käme bei der Zufuhr von Vitaminen nicht auf die Idee, diese als Arzneimittel einzustufen (vgl. BayVGH, U. v. 17.2.2011 - 14 ZB 10.1403 - juris Rn. 7). Arzneimittel im beihilferechtlichen Sinn sind nur Präparate, die durch Einwirkung auf den menschlichen Körper zur Heilung, Linderung oder Verhütung einer Krankheit beitragen sollen (vgl. VGH B-W, U. v. 2.8.2012 - 2 S 2631/10 - juris Rn. 21). Dieser erwartete positive Einfluss muss aber auf einer Wirkungsweise beruhen, die der eines Arzneimittels nachweislich zumindest ähnlich ist. Die bloße - womöglich auch empirisch gestützte - Erwartung und damit verbundene Zweckbestimmung ist nicht ausreichend. Auch der Umstand, dass der Erwartung durch eine ärztliche Verordnung Nachdruck verliehen wird, begründet nicht den Arzneimittelcharakter im beihilferechtlichen Sinn. Eine pharmakologische Wirkung, wie sie von Arzneimitteln im formellen Sinn ausgeht, fehlt aber Nahrungsergänzungsmitteln grundsätzlich (vgl. VG München, U. v. 27.6.2012 - M 17 K 11.5963 mit Verweis auf SächsLSG, U. v. 4.5.2011 - L 1 KA 2/10 und LSG NRW, U. v. 27.8.2008 - L 5 KR 119/07). Auch eine hohe Dosierung der Wirkstoffe, wie sie in der Nahrung für gewöhnlich nicht vorkommt, führt regelmäßig nicht zu einer pharmakologischen Wirkung. Die hochkonzentrierte Verabreichung erfolgt, weil der gewünschte Stoffwechsel-Effekt durch bewusste Ernährung nicht erzielt werden könnte, da die Wirkstoffe in der Nahrung nur in geringen Dosen vorkommen. Eine Vielzahl von Nahrungsergänzungsmitteln enthält eine weitaus höhere Dosis an Inhaltsstoffen, als sie mit gewöhnlicher Ernährung aufgenommen werden könnte. Dies ändert jedoch nichts an der generellen Wirkungsweise. Der hauptsächliche Zweck der Präparate bleibt unabhängig davon die Nahrungsergänzung. Die hohe Dosierung erhöht allenfalls den Nutzen der Präparate im Rahmen dieser Nahrungsergänzung, kann aber keine pharmakologische Wirkung auslösen, sofern diese nicht ohnehin auch bei minimaler Dosierung gegeben wäre (vgl. BayVGH, U. v. 17.5.2010 - 14 B 08.3164 - juris für Cranberry Kapseln; SächsOVG, U. v. 8.6.2009 - 2 A 119/08 juris für Preventec, ein hochdosiertes Vitaminpräparat; siehe auch EuGH, U. v. 29.4.2004 - C-387/99 - LMuR 2004, 65 Leitsatz).

Nach alledem handelt es sich bei „Methylcobalamin Kapseln“ und „Vitasprint B12 Trinkampullen“ - auch wenn deren Einnahme die Beschwerden der Klägerin zu lindern bzw. zu beseitigen vermag - um Lebens- bzw. Nahrungsergänzungsmittel, so dass diesbezügliche Aufwendungen von der Klägerin aus ihren Bezügen zu bestreiten sind (vgl. auch § 18 Satz 4 Nr. 2 BayBhV).

3. Schließlich ergibt sich ein Anspruch der Klägerin auf Beihilfegewährung auch nicht unmittelbar aus der verfassungsrechtlichen Fürsorgepflicht.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. z. B. U. v. 24.1.2012 - 2 C 24/10 - juris) erstreckt sich die in Art. 33 Abs. 5 GG verankerte Pflicht des Dienstherrn zur Sicherstellung des amtsangemessenen Lebensunterhalts auf Lebenslagen, die einen erhöhten Bedarf begründen. Die verfassungsrechtliche Alimentations- bzw. Fürsorgepflicht gebietet dem Dienstherrn, Vorkehrungen zu treffen, dass die notwendigen und angemessenen Maßnahmen im Falle von Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Geburt und Tod nicht aus wirtschaftlichen Gründen unterbleiben, weil sie der Beamte mit der Regelalimentation so nicht bewältigen kann, und dass der amtsangemessene Lebensunterhalt wegen der finanziellen Belastungen in diesen Ausnahmesituationen nicht gefährdet wird. Sind die Dienst- und Versorgungsbezüge so bemessen, dass sie eine zumutbare Eigenvorsorge nur im Hinblick auf einen Teil der durch Krankheit, Pflegebedürftigkeit, Geburt und Tod begründeten Belastungen ermöglichen, so hat der Dienstherr zusätzliche Vorkehrungen zu treffen, damit der Beamte die Belastungen, die den Umfang der Eigenvorsorge überschreiten, ebenfalls tragen kann. Wenn sich der Dienstherr für ein Mischsystem aus Eigenleistungen des Beamten und Beihilfen entscheidet, muss gewährleistet sein, dass der Beamte nicht mit erheblichen Aufwendungen belastet bleibt, die er auch über eine ihm zumutbare Eigenvorsorge nicht abzusichern vermag. Die Fürsorgepflicht verlangt aber nicht, dass Aufwendungen in Krankheits- bzw. Pflegefällen durch ergänzende Beihilfen vollständig gedeckt werden oder dass die von der Beihilfe nicht erfassten Kosten in vollem Umfang versicherbar sind (vgl. BVerwG, U. v. 30.4.2009 - 2 C 127/07 - juris Rn. 8,12; U. v. 10.6.1999 - 2 C 29/98 - juris Rn. 22f.). Der Beamte muss wegen des ergänzenden Charakters der Beihilfe auch Härten und Nachteile hinnehmen, die sich aus der am Alimentationsgrundsatz orientierten pauschalierenden und typisierenden Konkretisierung der Fürsorgepflicht ergeben und keine unzumutbare Belastung bedeuten (vgl. BayVGH, B. v. 8.1.2007 - 14 ZB 06.2911 - juris Rn. 13 m. w. N.).

Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin durch den Umstand, dass sie die Aufwendungen für „Methylcobalamin Kapseln“ und „Vitasprint B12 Trinkampullen“ selbst tragen muss, unzumutbar belastet wäre, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder

Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf EUR 257,41 festgesetzt (§ 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz -GKG-).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,-- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Jeder Deutsche hat in jedem Lande die gleichen staatsbürgerlichen Rechte und Pflichten.

(2) Jeder Deutsche hat nach seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung gleichen Zugang zu jedem öffentlichen Amte.

(3) Der Genuß bürgerlicher und staatsbürgerlicher Rechte, die Zulassung zu öffentlichen Ämtern sowie die im öffentlichen Dienste erworbenen Rechte sind unabhängig von dem religiösen Bekenntnis. Niemandem darf aus seiner Zugehörigkeit oder Nichtzugehörigkeit zu einem Bekenntnisse oder einer Weltanschauung ein Nachteil erwachsen.

(4) Die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse ist als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen.

(5) Das Recht des öffentlichen Dienstes ist unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln.

Tatbestand

1

Die Klägerin studierte von September 1984 bis Mai 1990 Rechtswissenschaft an der Humboldt-Universität Berlin, Außenstelle Dresden, und schloss das Studium als Diplom-Juristin ab. Ab September 1990 absolvierte sie den besonderen Vorbereitungsdienst, zunächst in Sachsen und dann ab November 1990 in Bayern, wo sie im Juni 1993 die Zweite Juristische Staatsprüfung ablegte. Im September 1993 wurde die Klägerin zur Richterin auf Probe ernannt; seitdem ist sie im Dienst des beklagten Landes tätig.

2

Die Klägerin erhielt bis zum Ende des Jahres 2009 die abgesenkte Besoldung nach der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung aus der Besoldungsgruppe R 1. Ihre Klage auf volle Besoldung für die Jahre 2004 bis 2009 hatte in den Vorinstanzen keinen Erfolg. Das Oberverwaltungsgericht hat im Wesentlichen auf Folgendes abgestellt:

3

Die Klägerin könne keinen Ausgleich der Differenz zwischen abgesenkter und voller Besoldung verlangen. Die Voraussetzungen für die Gewährung eines entsprechenden Zuschusses lägen nicht vor, weil die Klägerin die Befähigung für das Richteramt zeitlich überwiegend im Beitrittsgebiet erworben habe. Hierzu gehöre das Studium der Rechtswissenschaften, das erheblich längere Zeit als der Vorbereitungsdienst in Bayern beansprucht habe. Aufgrund der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts stehe fest, dass die abgesenkte Besoldung bis Ende 2007 nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz verstoße. Die Absenkung sei nach wie vor durch die Lebensverhältnisse und die wirtschaftliche Entwicklung im Beitrittsgebiet gerechtfertigt gewesen. Diese hätten sich erheblich von denjenigen im alten Bundesgebiet unterschieden. Der sächsische Landesgesetzgeber sei bei Wahrnehmung seiner ab dem 1. September 2006 bestehenden Gesetzgebungskompetenz für das Besoldungsrecht bis Ende 2009 nicht verpflichtet gewesen, die Besoldung anzugleichen. Auch sei es nicht gleichheitswidrig, dass die Besoldung bis zur Besoldungsgruppe A 9 (einschließlich) bereits mit Wirkung ab Januar 2008, die Besoldung der höheren Besoldungsgruppen aber erst zwei Jahre später mit Wirkung ab Januar 2010 auf das volle Besoldungsniveau angehoben worden sei. Diese Unterscheidung sei gerechtfertigt, weil sie in Anlehnung an das Tarifrecht vorgenommen worden sei.

4

Mit der vom Oberverwaltungsgericht zugelassenen Revision verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Sie beantragt,

die Urteile des Sächsischen Oberverwaltungsgerichts vom 3. Februar 2011 und des Verwaltungsgerichts Chemnitz vom 15. Dezember 2006 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin ab dem 1. Januar 2004 bis zum 31. Dezember 2009 Bezüge in Höhe von 100 % der Besoldungsgruppe R 1 zu zahlen,

hilfsweise,

festzustellen, dass die Besoldung verfassungswidrig zu niedrig bemessen war, soweit sie unter 100 % der Besoldungsgruppe R 1 geblieben ist.

5

Der Beklagte beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

6

Die Revision der Klägerin ist unbegründet. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die Gewährung eines Zuschusses nach § 4 der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung über besoldungsrechtliche Übergangsregelungen nach Herstellung der Einheit Deutschlands - 2. BesÜV - vom 21. Juni 1991 (BGBl I S. 1345, letztmalig geändert durch Gesetz vom 5. Februar 2009, BGBl I S. 160 <462>) zum Ausgleich der nach § 2 der 2. BesÜV abgesenkten Besoldung (1.). Die Beibehaltung der abgesenkten Besoldung verletzte sie nicht in ihrem Grundrecht aus Art. 3 Abs. 1 GG (2.).

7

1. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf einen Zuschuss nach § 4 der 2. BesÜV.

8

§ 73 Satz 1 Bundesbesoldungsgesetz - BBesG - in der Fassung des Gesetzes vom 10. September 2003 (BGBl I S. 1798) ermächtigte die Bundesregierung, durch Rechtsverordnungen, die bis zum 31. Dezember 2009 zu erlassen waren, für die Besoldung Übergangsregelungen zu bestimmen, die den besonderen Verhältnissen im Beitrittsgebiet Rechnung trugen. Diese Verordnungsermächtigung erstreckte sich nach Satz 2 der Bestimmung insbesondere darauf, die Besoldung entsprechend den allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnissen und ihrer Entwicklung im Beitrittsgebiet abweichend vom Bundesbesoldungsgesetz festzusetzen und regelmäßig anzupassen.

9

Nach § 2 Abs. 1 der auf dieser Grundlage erlassenen Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung erhielten Beamte, Richter und Soldaten, die von ihrer erstmaligen Ernennung an im Beitrittsgebiet verwendet wurden, abgesenkte Dienstbezüge. Eine Ausnahme von der Absenkung der Besoldung sah § 4 der 2. BesÜV für Beamte, Richter und Soldaten vor, die aufgrund der im bisherigen Bundesgebiet erworbenen Befähigungsvoraussetzungen ernannt worden waren; diese erhielten einen ruhegehaltfähigen Zuschuss, sodass sie im Ergebnis besoldet wurden wie im bisherigen Bundesgebiet verwendete Beamte, Richter und Soldaten gleichen Amtes. Die Besoldungsabsenkung nach § 2 Abs. 1 der 2. BesÜV war für Beamte und Soldaten der Besoldungsgruppen A 2 bis A 9 bis zum 31. Dezember 2007 anzuwenden (§ 12 Abs. 2 der 2. BesÜV) und galt für Beamte und Soldaten höherer Besoldungsgruppen sowie für Richter bis zum 31. Dezember 2009 (§ 14 Abs. 3 der 2. BesÜV).

10

Der sächsische Besoldungsgesetzgeber hat nach dem Übergang der Gesetzgebungskompetenz für das Besoldungsrecht auf die Länder durch Art. 74 Abs. 1 Nr. 27 GG in der Fassung des 28. Gesetzes zur Änderung des Grundgesetzes vom 28. August 2006 (BGBl I S. 2034) mit dem Fünften Gesetz zur Änderung des Sächsischen Besoldungsgesetzes vom 17. Januar 2008 (SächsGVBl S. 3) angeordnet, dass das Bundesbesoldungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. August 2002 (BGBl I S. 3020), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 19. Juli 2007 (BGBl I S. 1457, 1458), mit Ausnahme einiger konkret bezeichneten Bestimmungen sowie die aufgrund des Bundesbesoldungsgesetzes erlassenen Verordnungen als Landesrecht fortgelten (Art. 1 Nr. 4 mit der Einfügung des § 17 SächsBesG, Art. 2).

11

Um Personal für den Aufbau einer rechtsstaatlichen Verwaltung und Rechtsprechung zu gewinnen, erhielten nach § 4 Satz 1 der 2. BesÜV in der bis zum 24. November 1997 geltenden Fassung vom 2. Juni 1993 (BGBl I S. 778) diejenigen Beamten, Richter und Soldaten, die aufgrund der im bisherigen Bundesgebiet erworbenen Befähigungsvoraussetzungen ernannt worden waren, einen ruhegehaltfähigen Zuschuss bis zur Höhe des Unterschiedsbetrages zwischen den Bezügen nach § 2 der 2. BesÜV und den bei gleichem Amt für das bisherige Bundesgebiet geltenden Dienstbezügen. Maßgebend war die erstmalige Ernennung zum Beamten auf Probe, weil damit erstmals ein Anspruch auf Dienstbezüge entsteht (stRspr; Urteil vom 15. Juni 2006 - BVerwG 2 C 14.05 - Buchholz 240 § 73 BBesG Nr. 12 Rn. 12). Im Jahr 1997 (vgl. Art. 1 Nr. 6 der Vierten Verordnung zur Änderung der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung vom 17. November 1997, BGBl I S. 2713) wurde die Gewährung des Zuschusses nach § 4 der 2. BesÜV zwar auf die Fälle beschränkt, in denen ein dringendes dienstliches Bedürfnis für die Personalgewinnung bestand. Gemäß § 12 Abs. 1 der 2. BesÜV galt dies jedoch nicht für Beamte, Richter und Soldaten, die bis zu diesem Tage ernannt worden waren. Diese erhielten den Zuschuss, d.h. im Ergebnis die volle Besoldung, weiter.

12

Der Begriff der Befähigungsvoraussetzungen im Sinne von § 4 Satz 1 der 2. BesÜV F. 1993 umfasst sämtliche Vor- und Ausbildungsvoraussetzungen, die die spezifisch fachbezogene Vorbildung für die Wahrnehmung der Amtsaufgaben der jeweiligen Laufbahn vermitteln (stRspr; vgl. Urteil vom 15. Juni 2006 - BVerwG 2 C 14.05 - Buchholz 240 § 73 BBesG Nr. 12 Rn. 13). Damit umfassen die Befähigungsvoraussetzungen für das Amt eines Richters das rechtswissenschaftliche Studium, die erste Staatsprüfung, den Vorbereitungsdienst und die zweite Staatsprüfung (stRspr; vgl. BVerfG, Beschluss vom 12. Februar 2003 - 2 BvR 709/99 - BVerfGE 107, 257 <272 f.>; BVerwG, Urteil vom 25. April 1996 - BVerwG 2 C 27.95 - BVerwGE 101, 116 <118>). Denn nach § 5 Abs. 1 des Deutschen Richtergesetzes - DRiG - erwirbt die Befähigung zum Richteramt, wer ein rechtswissenschaftliches Studium an einer Universität mit der ersten Staatsprüfung und einen anschließenden Vorbereitungsdienst mit der zweiten Staatsprüfung abschließt. Die im Einigungsvertrag (Anlage I Kap. III Sachgebiet A Abschn. III Nr. 8 Maßgabe y) gg), BGBl II 1990 S. 885) angeordnete Gleichstellung des Abschlusses eines rechtswissenschaftlichen Studiums als Diplom-Jurist im Beitrittsgebiet mit der ersten Staatsprüfung im Sinne der §§ 5 und 6 DRiG ändert nichts an der Voraussetzung für die Aufstockung der abgesenkten Besoldung, wonach die Befähigungsvoraussetzungen im bisherigen Bundesgebiet erworben sein müssen (BVerfG, Beschluss vom 12. Februar 2003 a.a.O.; BVerwG, Urteil vom 25. April 1996 a.a.O. S. 119). Die Befähigungsvoraussetzungen galten auch dann als im bisherigen Bundesgebiet erworben, wenn der dort erworbene Teil zeitlich mindestens die Hälfte der insgesamt für den Erwerb der Befähigungsvoraussetzungen aufgewendeten Zeit ausmachte. Diese Voraussetzung ist ausschließlich ortsbezogen zu verstehen (stRspr; vgl. Urteil vom 15. Juni 2006 a.a.O. Rn. 17; Beschluss vom 28. September 2007 - BVerwG 2 B 62.07 - juris Rn. 6).

13

Die Klägerin ist vor dem Stichtag 24. November 1997 erstmals ernannt worden und hat seitdem abgesenkte Dienstbezüge gemäß § 73 BBesG i.V.m. §§ 1, 2 der 2. BesÜV erhalten, weil sie dauerhaft im Beitrittsgebiet verwendet wird. Sie hat aber ihre Befähigungsvoraussetzungen nicht zumindest zur Hälfte im bisherigen Bundesgebiet erworben. Der Zeitraum, der auf den in Bayern absolvierten Teil des Vorbereitungsdienstes und die dort abgelegte zweite juristische Staatsprüfung entfiel, war mit weniger als drei Jahren kürzer als der Zeitraum von über fünf Jahren, der auf das im Beitrittsgebiet absolvierte Studium, die dort abgelegte Staatsprüfung und den dort absolvierten Teil des Vorbereitungsdienstes entfiel.

14

Zwar hat der Verordnungsgeber die Gewährung des Zuschusses auf Personen beschränkt, die bis zum 24. November 1997 erstmals zum Beamten, Richter oder Soldaten ernannt wurden (Art. 1 Nr. 6 der Vierten Verordnung zur Änderung der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung vom 17. November 1997, BGBl I S. 2713). Damit hat er zu erkennen gegeben, dass der personelle Aufbau von Verwaltung und Justiz zu diesem Zeitpunkt abgeschlossen war und kein Gewinnungsinteresse für im bisherigen Bundesgebiet ausgebildete Beamte und Richter mehr bestand. Jedoch hat der Verordnungsgeber zugleich bestimmt, dass die vor dem Stichtag Ernannten den Zuschuss weiter und zwar dauerhaft erhielten (§ 12 der 2. BesÜV F. 1997). Dies ist unter dem Gesichtspunkt des Vertrauensschutzes gerechtfertigt (BVerfG, Beschluss vom 12. Februar 2003 a.a.O. S. 274). Um diese Personen im Beitrittsgebiet zu halten, sollten sie auch nach der 1997 eingetretenen Rechtsänderung im Genuss des Zuschusses nach § 4 der 2. BesÜV bleiben (Urteil vom 1. März 2007 - BVerwG 2 C 13.06 - Buchholz 240 § 73 BBesG Nr. 14 Rn. 15).

15

Diese Regelung stellte keine gleichheitswidrige Benachteiligung derjenigen Beamten, Richter und Soldaten dar, die abgesenkte Besoldung erhielten. Das Bundesverfassungsgericht hat in dem Beschluss vom 12. Februar 2003 (a.a.O. S. 274) mit der Bindungswirkung des § 31 Abs. 1 BVerfGG entschieden, dass die Bestandsschutzregelung des § 12 der 2. BesÜV im Hinblick auf Gesichtspunkte des Vertrauensschutzes gerechtfertigt war. Der Gesichtspunkt des Bestandsschutzes kommt auch den aus dem bisherigen Bundesgebiet ins Beitrittsgebiet versetzten Beamten und Richtern zugute, die von der Absenkung der Besoldung nach § 2 der 2. BesÜV nicht erfasst waren. Der Zweck der Besserstellung dieses Personenkreises - das Gewinnungsinteresse für den Aufbau einer rechtsstaatlichen Verwaltung und Justiz - rechtfertigte deren dauerhafte Besserstellung. Mit der Zweckerreichung - dem Abschluss des Aufbaus der rechtsstaatlichen Verwaltung und Justiz - entfiel lediglich die Rechtfertigung, künftig neu eingestelltes Personal auf dieser Grundlage besser zu stellen.

16

2. Die Klägerin hat für die Zeit von 2004 bis 2009 keinen Anspruch auf die volle Besoldung nach dem Bundesbesoldungsgesetz bzw. dem Sächsischen Besoldungsgesetz oder auf die Feststellung, dass die abgesenkte Besoldung verfassungswidrig gewesen ist.

17

Die Verurteilung des Beklagten zur Zahlung der höheren als normativ vorgesehenen Besoldung kommt bereits deshalb nicht in Betracht, weil Besoldungsleistungen nur gewährt werden dürfen, wenn und soweit sie gesetzlich festgelegt sind (vgl. § 2 Abs. 1 und Abs. 2 BBesG). Aufgrund des in Art. 33 Abs. 5 GG verankerten besoldungsrechtlichen Gesetzesvorbehalts und des Gestaltungsspielraums des Gesetzgebers im Besoldungsrecht wird den Beamten in Fällen, in denen das Bundesverfassungsgericht die Verfassungswidrigkeit des Besoldungsgesetzes festgestellt hat, zugemutet abzuwarten, bis der Gesetzgeber eine verfassungskonforme Neuregelung getroffen hat. Diese muss den Zeitraum ab der Feststellung der Verfassungswidrigkeit erfassen (stRspr; vgl. Urteile vom 20. März 2008 - BVerwG 2 C 49.07 - BVerwGE 131, 20 = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 94, jeweils Rn. 29 und vom 27. Mai 2010 - BVerwG 2 C 33.09 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 117 Rn. 8).

18

Aber auch die begehrte Feststellung der Verfassungswidrigkeit der abgesenkten Besoldung kann nicht ergehen. Die Absenkung der Besoldung nach § 2 der 2. BesÜV verstieß im gesamten hier streitgegenständlichen Zeitraum nicht gegen Art. 3 Abs. 1 GG. Das gilt gleichermaßen für den Zeitraum vom Jahresbeginn 2004 bis August 2006, in dem der Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für das Besoldungsrecht besaß (a), den Zeitraum von September 2006 bis zum Jahresende 2007, in dem das beklagte Land zwar die Gesetzgebungskompetenz für das Besoldungsrecht seiner Beamten und Richter erlangt hatte, aber die bundesrechtlichen Besoldungsregelungen noch nicht durch eigene Besoldungsregelungen ersetzt hatte (b), und schließlich für die Jahre 2008 und 2009, für die das beklagte Land eine eigene Besoldungsregelung geschaffen und damit die in der 2. BesÜV angelegte Absenkung (c) und die nach Besoldungsgruppen gestufte Beendigung in sein Landesbesoldungsgesetz übernommen hat (d).

19

a) Im Zeitraum, in dem der Bund die konkurrierende Gesetzgebungskompetenz für das Besoldungsrecht der Landesbeamten und -richter hatte, also bis zum 31. August 2006, rechtfertigten die wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse in den neuen Bundesländern die abgesenkte Besoldung.

20

Das Bundesverfassungsgericht hat in dem Beschluss vom 12. Februar 2003 - 2 BvL 3/00 - (BVerfGE 107, 218 <234 ff.>) zu der Fassung des § 73 BBesG vom 19. April 2001 (BGBl I S. 618), die eine Geltungsdauer bis zum Jahresende 2005 vorsah, mit Bindungswirkung nach § 31 BVerfGG entschieden, dass die abgesenkte Besoldung für Beamte, Richter und Soldaten in den neuen Ländern im Hinblick auf den Gleichheitsgrundsatz noch gerechtfertigt sei, weil sich dort die wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse (Bruttoinlandsprodukt, Steuerkraft, Arbeitslosenquote, allgemeines Preis- und Lohnniveau, sozialversicherungsrechtliche Bemessungsgrößen, finanzielle Lage der Länder und Gemeinden) noch immer deutlich von denen im gesamten übrigen Bundesgebiet unterschieden. Die schwache Finanzkraft der neuen Länder stelle als Folge und Ausdruck der gesamtwirtschaftlichen Situation einen besoldungsrechtlich noch hinreichend sachgerechten Grund für die geringere Besoldung dar. Andererseits dürfe der Besoldungsgesetzgeber nicht unberücksichtigt lassen, dass die Geltung einer ausdrücklich als solche bezeichneten Übergangsregelung (§ 73 Satz 1 und Satz 3 BBesG) nicht beliebig verlängerbar sei. Insbesondere ließe sich die Aufrechterhaltung zweier unterschiedlich hoher Besoldungen auf der Grundlage des geltenden § 73 BBesG nicht mit der Erwägung rechtfertigen, dass zunächst eine völlige Angleichung der wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse in Ost und West erreicht werden müsse.

21

Nach den nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen und deshalb nach § 137 Abs. 2 VwGO bindenden Feststellungen des Oberverwaltungsgerichts zum Bruttoinlandsprodukt je Einwohner, der Arbeitslosenquote, dem verfügbaren Einkommen privater Haushalte und dem Bruttojahresverdienst - bezogen auf Sachsen, den Durchschnitt im Beitrittsgebiet und im bisherigen Bundesgebiet - bestanden bis zum Jahr 2007 die eine niedrigere Besoldung im Beitrittsgebiet rechtfertigenden unterschiedlichen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse gegenüber dem bisherigen Bundesgebiet fort.

22

b) Gleiches gilt für die Zeit von September 2006 bis Ende 2007. Nach dem Übergang der Gesetzgebungskompetenz für das Besoldungsrecht auf die Länder galten das Bundesbesoldungsgesetz und die Zweite Besoldungs-Übergangsverordnung nach Art. 125a Abs. 1 Satz 1 GG in diesem Zeitraum zunächst als Bundesrecht fort. Die somit fortgeltende abgesenkte Besoldung war nach den bereits dargelegten Maßstäben des Bundesverfassungsgerichts gerechtfertigt. Die vom Oberverwaltungsgericht zu den wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnissen in Sachsen und in den neuen Bundesländern getroffenen Feststellungen decken auch diesen Zeitraum mit ab; im Übrigen steht dies als allgemeinkundige Tatsache fest (vgl. auch nachfolgend Rn. 31).

23

Den sächsischen Gesetzgeber traf bis Ende 2007 keine Handlungspflicht, das fortgeltende Bundesbesoldungsrecht durch landesgesetzliche Regelungen abzulösen. Es ist grundsätzlich Sache des Gesetzgebers zu bestimmen, wann er von einer neu zugewachsenen Zuständigkeit Gebrauch macht; Einschränkungen dieser gesetzgeberischen Handlungsfreiheit können sich etwa aus der Verpflichtung zur Erfüllung eines Verfassungsauftrags oder zur Bereinigung einer verfassungswidrigen Rechtslage ergeben (BVerfG, Beschlüsse vom 21. Dezember 1977 - 1 BvR 820 und 1033/76 - BVerfGE 47, 85 <93 f.> und vom 26. August 2013 - 2 BvR 441/13 - NVwZ 2013, 1540 <1543>). Eine verfassungswidrige Rechtslage ist - wie dargelegt - hier nicht gegeben. Abgesehen davon ist einem für einen Regelungsbereich zuständig gewordenen Gesetzgeber eine gewisse Überlegungs-, Entscheidungs- und Umsetzungszeit zuzubilligen. Hier hat der sächsische Gesetzgeber nach etwas mehr als einem Jahr und damit innerhalb angemessener Zeit von der ihm ab September 2006 zustehenden Befugnis zur Regelung des Besoldungsrechts Gebrauch gemacht.

24

Für die Monate November und Dezember 2007 gilt: Der sächsische Landesgesetzgeber hat mit dem Fünften Gesetz zur Änderung des Sächsischen Besoldungsgesetzes vom 17. Januar 2008 (SächsGVBl S. 3) angeordnet, dass das Bundesbesoldungsgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. August 2002 (BGBl I S. 3020), zuletzt geändert durch Artikel 3 des Gesetzes vom 19. Juli 2007 (BGBl I S. 1457, 1458), mit Ausnahme einiger konkret bezeichneten Bestimmungen sowie die aufgrund des Bundesbesoldungsgesetzes erlassenen Verordnungen als Landesrecht fortgelten (Art. 1 Nr. 4 mit der Einfügung des § 17 SächsBesG, Art. 2). Mit der Anordnung der Fortgeltung der Anlagen IV bis IX des Bundesbesoldungsgesetzes in der genannten Fassung bis zum 31. Dezember 2007 als Landesrecht in dem neuen § 17 Abs. 1 Satz 2 SächsBesG hat der Landesgesetzgeber zum Ausdruck gebracht, dass er die bundesverfassungsrechtlich vorgegebene Fortgeltung des bisherigen Bundesbesoldungsrechts als Bundesrecht in Sachsen rückwirkend durch die inhaltsgleiche Fortgeltung als Landesrecht ersetzen und den sächsischen Besoldungs- und Versorgungsempfängern lediglich den in § 17 Abs. 1 Satz 2 SächsBesG im Einzelnen festgelegten einmaligen Zusatzbetrag gewähren wollte. Es kann dahinstehen, ob diese rückwirkende landesrechtliche Ersetzung des als Bundesrecht fortgeltenden Besoldungsrechts, auf dessen Grundlage die Besoldungsleistungen für die fraglichen beiden Monate ja bereits erbracht waren, wirksam war oder nicht. Denn die verlängerte Geltungsdauer der Besoldungsabsenkung nach § 2 der 2. BesÜV war unabhängig davon gerechtfertigt, ob sie bundesrechtlicher oder landesrechtlicher Natur war.

25

c) Schließlich war die abgesenkte Besoldung für Beamte mit einem Amt ab der Besoldungsgruppe A 10 und für Richter auch für die Jahre 2008 und 2009 gerechtfertigt.

26

Mit Wirkung ab Januar 2008 hat sich der sächsische Besoldungsgesetzgeber das Regelungssystem des Bundesbesoldungsgesetzes und der 2. BesÜV zu eigen gemacht (Fünftes Gesetz zur Änderung des Sächsischen Besoldungsgesetzes vom 17. Januar 2008, SächsGVBl S. 3).

27

Mit dem Bundesbesoldungs- und -versorgungsanpassungsgesetz 2003/2004 vom 10. September 2003 (BGBl I S. 1798) hatte der Bundesgesetzgeber die Geltungsdauer der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung bis zum Ablauf des 31. Dezember 2009 verlängert (§ 14 Abs. 3 der 2. BesÜV) und die Anwendung des die Höhe der abgesenkten Besoldung regelnden § 2 Abs. 1 der 2. BesÜV - ab dem 1. Januar 92,5 % der für das bisherige Bundesgebiet geltenden Dienstbezüge - für die Beamten der Besoldungsgruppen A 2 bis A 9 auf den Zeitraum bis zum 31. Dezember 2007 beschränkt (§ 12 Abs. 2 der 2. BesÜV).

28

In der Gesetzesbegründung heißt es u.a.: "Die Verlängerung orientiert sich an der Zielsetzung des Tarifabschlusses, die Angleichung bis spätestens 31. Dezember 2009 abzuschließen" (BTDrucks 15/1186, S. 64) und "Mit dem neu eingefügten Absatz 2 wird die nicht kündbare tarifliche Vereinbarung vom 9. Januar 2003, wonach die Angleichung für die Vergütungsgruppen X bis Vb bis zum 31. Dezember 2007 abzuschließen ist, für die entsprechenden Besoldungsgruppen übernommen. (...) Für die übrigen Besoldungsgruppen tritt die Verordnung mit Ablauf des 31. Dezember 2009 außer Kraft" (BTDrucks 15/1186, S. 68).

29

Der Bundesgesetz- und -verordnungsgeber hatte damit den Tarifabschluss mit der nach Vergütungsgruppen zeitlich gestuften Angleichung an die "West-Vergütung" auf die Beamten übertragen und deshalb eine nach Besoldungsgruppen zeitlich gestufte Angleichung an die "West-Besoldung" angeordnet.

30

Dies hat der sächsische Landesgesetzgeber bis zum Auslaufen der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung in sein Landesrecht übernommen (§ 17 Abs. 1 Satz 1 SächsBesG als Teil des Fünften Gesetzes zur Änderung des Sächsischen Besoldungsgesetzes vom 17. Januar 2008, GVBl S. 3). In den Anlagen zum Sächsischen Besoldungsgesetz finden sich demzufolge die Besoldungstabellen sowohl für die Empfänger abgesenkter Besoldung (Anlagen 16, 17, 20, 35, 36 und 39) als auch für die Empfänger nicht abgesenkter Besoldung (Anlagen 2, 3, 6, 21, 22 und 25). Dabei gehören zu Letzteren auch die Besoldungsgruppen A 2 bis A 9, für die nach § 12 Abs. 2 der 2. BesÜV schon zum Jahresbeginn 2008 die Absenkung gegenüber der Normalbesoldung beendet worden ist.

31

Zwar sind Maßstab bei der Gleichheitsprüfung (Art. 3 Abs. 1 GG) für die Besoldung der sächsischen Beamten und Richter nach dem Übergang der Gesetzgebungskompetenz auf die Länder nunmehr die Verhältnisse in Sachsen. Der Gesetzgeber kann und muss Gleichheit nur innerhalb seiner Zuständigkeit gewähren (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 15. Dezember 2009 - 2 BvR 1978/09 - BVerfGK 16, 444 <448> unter Hinweis auf BVerfGE 21, 54 <68> und BVerfGE 79, 127 <158>). Allerdings war die Übernahme des Regelungsmodells der Zweiten Besoldungs-Übergangsverordnung in das sächsische Besoldungsrecht nur bei Fortbestehen seiner inneren Rechtfertigung - die zwischen dem bisherigen Bundesgebiet und dem Beitrittsgebiet unterschiedlichen allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse - zulässig. Diese war auch für die Jahre 2008 und 2009 gegeben, weil sich nach allgemeinkundigen Erkenntnissen die insoweit maßgeblichen Indikatoren betreffend die weitere Entwicklung des Angleichungsprozesses auch in diesem Zeitraum nicht wesentlich geändert haben (vgl. nur die allgemein zugänglichen, insbesondere auf der Homepage des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Stadtentwicklung abrufbaren Jahresberichte der Bundesregierung zum Stand der Deutschen Einheit für die Jahre 2008 und 2009), wovon im Übrigen auch die Beteiligten dieses Verfahrens nach ihren Erklärungen in der Revisionsverhandlung ausgehen.

32

d) Im Ergebnis mit dem Grundgesetz noch vereinbar ist schließlich die Beibehaltung der differenzierten Angleichung an die volle Besoldung bei Beamten mit einem Amt bis zur Besoldungsgruppe A 9 einerseits und bei Beamten und Richtern mit einem höherem Amt andererseits (§ 12 Abs. 2 der 2. BesÜV, § 17 Abs. 1 Satz 1 SächsBesG, Anlagen 2, 3, 6, 21, 22 und 25 zum SächsBesG; § 14 Abs. 3 der 2. BesÜV, § 17 Abs. 1 Satz 1 SächsBesG, Anlagen 16, 17, 20, 35, 36 und 39 zum SächsBesG). Die um zwei Jahre hinausgeschobene Angleichung ist durch die besondere und einmalige Situation gerechtfertigt, in der sich der sächsische Besoldungsgesetzgeber im Jahr 2008 gegen Ende des Transformationsprozesses der Wiederherstellung der deutschen Einheit befand. Er durfte sich dafür entscheiden, die vorgefundene bundesrechtliche Regelung der Ost-West-Angleichung auch mit ihren Friktionen bis zum Ablauf des dort bereits bestimmten Übergangszeitraums fortzuführen.

33

Das Alimentationsprinzip verpflichtet den Dienstherrn, den Beamten und seine Familie lebenslang angemessen zu alimentieren und ihm nach seinem Dienstrang, nach der mit seinem Amt verbundenen Verantwortung und nach der Bedeutung des Berufsbeamtentums für die Allgemeinheit entsprechend der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse und des allgemeinen Lebensstandards einen angemessenen Lebensunterhalt zu gewähren. Im Rahmen dieser Verpflichtung zu einer dem Amt angemessenen Alimentierung hat der Gesetzgeber die Attraktivität des Beamtenverhältnisses auch für überdurchschnittlich qualifizierte Kräfte, das Ansehen des Amtes in den Augen der Gesellschaft, die vom Amtsinhaber geforderte Ausbildung und seine Beanspruchung zu berücksichtigen. Diesen Kriterien muss der Gesetzgeber sowohl bei strukturellen Neuausrichtungen im Besoldungsrecht als auch bei der kontinuierlichen Fortschreibung der Besoldungshöhe über die Jahre hinweg im Wege einer Gesamtschau der hierbei relevanten Kriterien und anhand einer Gegenüberstellung mit jeweils in Betracht kommenden Vergleichsgruppen Rechnung tragen (BVerfG, Urteil vom 14. Februar 2012 - 2 BvL 4/10 - BVerfGE 130, 263 <292 f.> m.w.N.).

34

Die durch Art. 33 Abs. 5 GG geforderte Amtsangemessenheit der Regelalimentation beurteilt sich nach dem Nettoeinkommen der Beamten. Ob das jährliche Nettoeinkommen der Beamten den verfassungsrechtlichen Vorgaben des Art. 33 Abs. 5 GG genügt, hängt von der Entwicklung der allgemeinen wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse ab. Maßgebend ist vor allem der Vergleich mit den Nettoeinkommen der tariflich Beschäftigten des öffentlichen Dienstes. Daneben kommt es auf die Entwicklung derjenigen Einkommen an, die für vergleichbare Tätigkeiten außerhalb des öffentlichen Dienstes erzielt werden. Der Gesetzgeber darf die Beamtenbesoldung von der allgemeinen Entwicklung nur ausnehmen, wenn dies durch spezifische, im Beamtenverhältnis wurzelnde Gründe gerechtfertigt ist. Den Beamten dürfen keine Sonderopfer zur Konsolidierung der öffentlichen Haushalte auferlegt werden. Die Besoldung ist nicht mehr amtsangemessen, wenn die finanzielle Ausstattung der Beamten greifbar hinter der allgemeinen Einkommensentwicklung zurückbleibt (stRspr, Urteil vom 20. März 2008 - BVerwG 2 C 49.07 - BVerwGE 131, 20 = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 94, jeweils Rn. 25 f. m.w.N.).

35

Die durch das Leistungsprinzip, Art. 33 Abs. 2 GG, und das Alimentationsprinzip, Art. 33 Abs. 5 GG, gewährleistete amtsangemessene Besoldung ist eine nach dem Amt abgestufte Besoldung. Die Besoldung des Beamten ist seit jeher nach seinem Amt und der mit diesem Amt verbundenen Verantwortung abgestuft worden. Es gehört daher zu den überkommenen Grundlagen des Berufsbeamtentums, dass mit einem höheren Amt in der Regel auch höhere Dienstbezüge verbunden sind (stRspr; vgl. BVerfG, Urteil vom 1. Dezember 1954 - 2 BvG 1/54 - BVerfGE 4, 115 <135>; Beschlüsse vom 11. Juni 1958 - 1 BvR 1/52 u.a. - BVerfGE 8,1 <14>, vom 14. Juni 1960 - 2 BvL 7/60 - BVerfGE 11, 203 <215>, vom 4. Juni 1969 - 2 BvR 343/66 - BVerfGE 26, 141 <158>, vom 4. Februar 1981 - 2 BvR 570/76 u.a. - BVerfGE 56, 146 <164 f.> und vom 6. Mai 2004 - 2 BvL 16/02 - BVerfGE 110, 353 <364>). Durch die Anknüpfung der Alimentation an innerdienstliche, unmittelbar amtsbezogene Kriterien wie den Dienstrang soll sichergestellt werden, dass die Bezüge entsprechend der unterschiedlichen Wertigkeit der Ämter abgestuft sind. Jedem Amt ist eine Wertigkeit immanent, die sich in der Besoldungshöhe widerspiegeln muss. Amtsangemessene Gehälter sind daher so zu bemessen, dass sie dem Beamten eine Lebenshaltung ermöglichen, die der Bedeutung seines jeweiligen Amtes entspricht. Die "amts"-angemessene Besoldung ist deshalb notwendigerweise eine abgestufte Besoldung (vgl. BVerfG, Urteile vom 27. September 2005 - 2 BvR 1387/02 - BVerfGE 114, 258 <293>, vom 6. März 2007 - 2 BvR 556/04 - BVerfGE 117, 330 <355> und vom 14. Februar 2012 - 2 BvL 4/10 - BVerfGE 130, 263 <293>).

36

Beim Erlass besoldungsrechtlicher Vorschriften hat der Gesetzgeber einen weiten Spielraum politischen Ermessens (stRspr; vgl. nur BVerfG, Beschluss vom 4. Juni 1969 a.a.O. S. 158 f.), innerhalb dessen er das Besoldungsrecht den tatsächlichen Notwendigkeiten und der fortschreitenden Entwicklung anpassen und verschiedenartige Gesichtspunkte berücksichtigen darf. Den Gerichten ist die Überprüfung verwehrt, ob der Gesetzgeber die gerechteste, zweckmäßigste und vernünftigste Lösung gewählt hat. Das Bundesverfassungsgericht kann, sofern nicht - wie hier möglicherweise Art. 33 Abs. 2 und 5 GG mit dem aus dem Leistungsprinzip und aus dem Alimentationsprinzip folgenden Abstandsgebot - von der Verfassung selbst getroffene Wertungen entgegenstehen, nur die Überschreitung äußerster Grenzen beanstanden, jenseits derer sich gesetzliche Vorschriften bei der Abgrenzung von Lebenssachverhalten als evident sachwidrig erweisen (stRspr; BVerfG, Beschluss vom 12. Februar 2003 - 2 BvL 3/00 - BVerfGE 107, 218 <244>; vgl. auch Beschlüsse vom 6. Oktober 1983 - 2 BvL 22/80 - BVerfGE 65, 141 <148 f.> und vom 4. April 2001 - 2 BvL 7/98 - BVerfGE 103, 310 <319 f.>). Jede Besoldungsordnung enthält unvermeidbare Härten und mag aus Sicht der Betroffenen fragwürdig sein. Solche Unebenheiten, Friktionen und Mängel müssen in Kauf genommen werden, solange sich für die Regelung ein plausibler und sachlich vertretbarer Grund anführen lässt (Beschlüsse vom 6. Mai 2004 a.a.O. S. 364 f. und vom 4. Februar 1981 a.a.O. S. 161 ff.; aus der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vgl. statt aller Urteil vom 28. April 2005 - BVerwG 2 C 1.04 - BVerwGE 123, 308 <313> = Buchholz 240 § 72a BBesG Nr. 1, S. 4 m.w.N.).

37

Das Abstandsgebot zwingt den Gesetzgeber nicht, einen einmal festgelegten Abstand zwischen den Besoldungsgruppen absolut oder relativ beizubehalten. Der Gesetzgeber kann ein bestehendes Besoldungssystem neu strukturieren und auch die Wertigkeit von Besoldungsgruppen zueinander neu bestimmen (BVerfG, Urteil vom 14. Februar 2012 - 2 BvL 4/10 - BVerfGE 130, 263 <295> m.w.N.). Hingegen dürfen die Abstände zwischen den Besoldungsgruppen infolge von Einzelmaßnahmen nicht nach und nach eingeebnet werden. Solche Maßnahmen können unterschiedlich hohe lineare Besoldungsanpassungen etwa für einzelne Besoldungsgruppen sein. Auch regelmäßige, mehr als geringfügige zeitliche Verzögerungen bei den Besoldungsanpassungen für höhere Besoldungsgruppen können zu einer solchen Einebnung beitragen. Da der Abstand im Hinblick auf das Alimentationsprinzip relativ zu bemessen ist - ein absolut gleichbleibender Abstand verliert durch die Inflation an Wert und vermittelt entsprechend weniger Kaufkraft zur Bestreitung des "amtsangemessenen" Unterhalts -, gilt dies auch für die völlige oder teilweise Ersetzung von linearen Besoldungserhöhungen durch Einmalzahlungen. Ob eine der genannten Maßnahmen eine mit dem Abstandsgebot unvereinbare Einebnung des Besoldungsgefüges zur Folge hat, erschließt sich in der Regel nicht durch die Betrachtung allein der konkreten Maßnahme, sondern nur durch eine Gesamtbetrachtung unter Einbeziehung früherer Besoldungsanpassungen.

38

Bei Anlegung dieser Maßstäbe ergibt sich für den vorliegenden Fall:

39

Dauer und Umfang der verzögerten Besoldungsanpassung sind hier schwerwiegend (zwei Jahre; 7,5 Prozent). Eine angespannte Haushaltslage rechtfertigt für sich alleine keine Ungleichbehandlung zu Lasten einzelner Besoldungsgruppen. Daran ändert auch nichts, dass sich die besoldungsrechtliche Regelung an Entgeltvereinbarungen eines Tarifvertrages anlehnt. Zwar sind die Regelungen eines Tarifvertrages ein maßgeblicher Indikator bei der Frage, ob eine Abkopplung des Besoldungsniveaus von der allgemeinen wirtschaftlichen Entwicklung zu besorgen ist (BVerfG, Urteil vom 27. September 2005 - 2 BvR 1387/02 - BVerfGE 114, 258 <288 ff.>; Beschluss vom 27. September 2007 - 2 BvR 1673/03 u.a - DVBl 2007, 1435 <1438 f.>; BVerwG, Urteile vom 19. Dezember 2002 - BVerwG 2 C 34.01 - BVerwGE 117, 305 <309> = Buchholz 240 § 14a BBesG Nr. 1 S. 4 und vom 23. Juli 2009 - BVerwG 2 C 76.08 - Buchholz 11 Art 33 Abs. 5 GG Nr. 108 Rn. 6 f.). Wegen der strukturellen Unterschiede zwischen dem Tarifvertrags- und dem Besoldungsrecht (dort von den Tarifvertragsparteien frei ausgehandelte Entgelte, hier Entscheidung des Gesetzgebers in Erfüllung grundgesetzlicher Verpflichtungen) können Tarifverträge aber dann nicht als Richtschnur für Besoldungsanpassungen dienen, wenn sie ihrem Inhalt nach mit Strukturprinzipien des Besoldungsrechts kollidieren, wie hier mit der Notwendigkeit eines angemessenen Abstands zwischen den Besoldungsgruppen. Tarifvertragliche Vereinbarungen können ein Abrücken von den durch Art. 33 Abs. 5 GG gewährleisteten Strukturprinzipien der Beamten- und Richterbesoldung nicht rechtfertigen.

40

Des Weiteren rechtfertigt auch die unterschiedliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit der Beamten die Ungleichbehandlung höherer Besoldungsgruppen grundsätzlich nicht. Zwar kann bei unterschiedlicher wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit eine Ungleichbehandlung im Bereich des beamtenrechtlichen Fürsorgegrundsatzes zulässig sein (Urteile vom 3. Juli 2003 - BVerwG 2 C 36.02 - BVerwGE 118, 277 <284> = Buchholz 237.6 § 87c NdsBG Nr. 1 S. 7 und vom 20. März 2008 - BVerwG 2 C 49.07 - BVerwGE 131, 20 = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 5 GG Nr. 94, jeweils Rn. 18). Im Besoldungsrecht jedoch kann die unterschiedliche wirtschaftliche Leistungsfähigkeit im Hinblick auf das Abstandsgebot lediglich kurzzeitige Verschiebungen von Besoldungserhöhungen für einzelne Besoldungsgruppen rechtfertigen, wie im vorliegenden Fall die viermonatige Verschiebung der Besoldungsanpassung im Jahr 2008 für die Besoldungsgruppen ab A 10 (§ 20 Abs. 3 SächsBesG i.d.F. des Fünften Gesetzes zur Änderung des Sächsischen Besoldungsgesetzes vom 17. Januar 2008, GVBl. S. 3). Bei längeren oder substantiellen Verschiebungen - wie hier bei einem Prozentsatz von 7,5 % für zwei Jahre - kommt eine Rechtfertigung allenfalls dann in Betracht, wenn davon nur die Spitzenämter im höheren Dienst betroffen sind (vgl. BVerfG, Beschluss vom 2. Juni 2001 - 2 BvR 571/00 - DVBl. 2001, 1667). Eine Verschiebung um zwei Jahre ist weder kurzzeitig noch sind Besoldungsgruppen ab A 10 höhere Besoldungsgruppen oder gar Spitzenämter in diesem Sinn.

41

Die hier aufgegriffene Ungleichbehandlung der Besoldungsempfänger ab der Besoldungsgruppen A 10 ist vielmehr nur im Hinblick auf die besondere, einmalige Situation, in der sich der sächsische Landesgesetzgeber im Jahre 2008 befand, noch mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Der sächsische Landesgesetzgeber fand bei Übergang der Gesetzgebungszuständigkeit für das Besoldungsrecht die seit 2003 bundesrechtlich geregelte Abstufung der Besoldungsangleichung vor. Er stand vor der Wahl, entweder die Besoldung für alle Besoldungsgruppen zum 1. Januar 2008 auf das im bisherigen Bundesgebiet geltende Niveau anzuheben oder die Angleichung für alle Besoldungsgruppen zu einem späteren Zeitpunkt vorzunehmen oder schließlich die bereits bundesrechtlich vorgesehene gestufte Angleichung beizubehalten. Im ersten Fall hätte er sich neue finanzielle Lasten aufgebürdet. Im zweiten Fall wäre den geringer besoldeten Beamten bis Besoldungsgruppe A 9 die seit 2003 bundesrechtlich geregelte Angleichung versagt geblieben. Im dritten Fall, den er gewählt hat, musste er die vorübergehende Einebnung des Besoldungsabstandes zwischen den Besoldungsgruppen in Kauf nehmen. Dass er sich in dieser Situation für die dritte Variante entschieden hat, ist von seinem besonders großen Gestaltungsspielraums bei der Bewältigung der Folgen der deutschen Einheit gedeckt (vgl. zum gesetzgeberischen Gestaltungsspielraum im Zusammenhang mit der deutschen Einheit: BVerfG, Beschluss vom 12. Februar 2003 - 2 BvL 3/00 - BVerfGE 107, 218 <246>; vgl. auch Beschluss vom 12. November 1996 - 1 BvL 4/88 - BVerfGE 95, 143 <155 f., 157 f.>; Urteile vom 28. April 1999 - 1 BvL 32/95, 1 BvR 2105/95 - BVerfGE 100, 1 <38> und vom 14. März 2000 - 1 BvR 284, 1659/96 - BVerfGE 102, 41 <55>; Beschlüsse vom 4. April 2001 - 2 BvL 7/98 - BVerfGE 103, 310 <324 f.> und vom 21. November 2001 - 1 BvL 19/93 u.a. - BVerfGE 104, 126 <147>).

42

Entscheidend dafür ist, dass die Verschiebung der Besoldungsangleichung für die Besoldungsgruppen höher als A 9 zwar weder geringfügig noch kurzfristig, aber immerhin nur vorübergehend war. Sie führte insbesondere nicht zu einer geringeren Basis für spätere Besoldungserhöhungen; die Beamten und Richter dieser Besoldungsgruppen wurden nach Auslaufen der Absenkung in die bereits bestehende und für die Besoldung der aus dem früheren Bundesgebiet stammenden Beamten und Richter sowie der Beamten und Richter mit Anspruch auf einen Zuschuss nach § 4 der 2. BesÜV maßgeblichen Anlage 21 zum Sächsischen Besoldungsgesetz integriert. Die vorübergehende, wenn auch gravierende Einebnung des Besoldungsabstands wirkte sich letztlich nicht auf das dauernde Besoldungsgefüge aus und wiegt damit weniger schwer als etwa die teilweise Ersetzung von linearen Besoldungserhöhungen durch Einmalzahlungen.

43

Zudem hat der Landesgesetzgeber mit der Zulagenregelung in § 22 SächsBesG ein Absinken der - noch nicht angeglichenen - nach der Besoldungsgruppe A 10 besoldeten Beamten unter die Besoldung der - schon angeglichenen - vergleichbaren nach der Besoldungsgruppe A 9 besoldeten Beamten verhindert. Eine höhere Zulage war in dieser Übergangsphase nicht verfassungsrechtlich zwingend geboten, zumal sie - wenn sie dem Abstandsgebot substanziell hätte Rechnung tragen wollen - in die Nähe der vollständigen Angleichung schon zum 1. Januar 2008 hätte kommen müssen.

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.