Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Beschluss, 15. Sept. 2017 - 11 B 36/17

ECLI:ECLI:DE:VGSH:2017:0915.11B36.17.00
bei uns veröffentlicht am15.09.2017

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Antragstellerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 14.719,71 € festgelegt.

Gründe

1

Der Antrag,

2

die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs gegen die Entlassungsverfügung vom 26.07.2017 wiederherzustellen,

3

ist zulässig, er ist jedoch nicht begründet.

4

Die in Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotene Interessenabwägung ist in erster Linie an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache auszurichten. Sie fällt regelmäßig zugunsten der Behörde aus, wenn der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig ist und ein besonderes Interesse an seiner sofortigen Vollziehung besteht oder der Sofortvollzug gesetzlich angeordnet ist. Dagegen ist dem Aussetzungsantrag stattzugeben, wenn der Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist, da an der sofortigen Vollziehung eines solchen Verwaltungsakts kein öffentliches Interesse bestehen kann. Lässt die im Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO gebotene summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage eine abschließende Beurteilung der Rechtmäßigkeit oder Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts nicht zu, so hat das Gericht eine eigenständige, von den Erfolgsaussichten unabhängige Abwägung der widerstreitenden Interessen vorzunehmen (vgl. OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 02.03.2016 - 1 B 1375/15 - juris Rn. 9; OVG Schleswig, Beschluss vom 06.08.1991 - 4 M 109/91 - SchlHA 1991, 220).

5

Danach ist der Antrag abzulehnen, da der Bescheid vom 26.07.2017 offensichtlich rechtmäßig ist und ein besonderes öffentliches Interesse an seiner sofortigen Vollziehung besteht.

6

Die Rechtmäßigkeit des Bescheides beurteilt sich nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz – BeamtStG). Danach können Beamtinnen und Beamte auf Probe entlassen werden, wenn sie sich in der Probezeit nicht bewährt haben. Die Ernennung zur Beamtin auf Lebenszeit oder zum Beamten auf Lebenszeit ist nach § 10 Absatz 1 Satz 1 BeamtStG nur zulässig, wenn die Beamtin oder der Beamte sich in einer Probezeit von mindestens sechs Monaten und höchstens fünf Jahren bewährt hat. Entscheidend ist, ob die Antragstellerin sich in ihrer Probezeit hinsichtlich der in § 9 BeamtStG genannten Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung bewährt hat (vgl. Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, Urteil vom 30.07.2014 – 2 LB 2/14 –, Rn. 42, juris). Maßgebend für die Beurteilung, ob sich ein Beamter auf Probe bewährt hat bzw. ob er wegen mangelnder Bewährung entlassen werden kann, ist allein sein Verhalten in der laufbahnrechtlichen Probezeit. Dabei ist einem Beamten auf Probe nach dem Sinn und Zweck der laufbahnrechtlichen Probezeit grundsätzlich während der gesamten - regelmäßigen oder auch verlängerten - Probezeit die Möglichkeit zu geben, seine Eignung nachzuweisen. Bei einer Verlängerung der Probezeit dürfen die bisherigen Leistungen nicht außer Acht gelassen werden, auch wenn den während des Verlängerungszeitraums gezeigten Leistungen ausschlaggebende Bedeutung beizumessen ist. Nur wenn der Dienstherr nach der gebotenen sorgfältigen Abwägung aller Umstände zu der Überzeugung gelangt, dass sich der Beamte hinsichtlich seiner Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung nicht bewährt hat, ist dieser zu entlassen (Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 23.03.2016 – 6 B 6/16 –, Rn. 7, juris). Die Entscheidung des Dienstherrn darüber, ob der Beamte sich in der Probezeit nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bewährt hat, ist ein Akt wertender Erkenntnis seines für die Beurteilung zuständigen Organs. Dabei genügen bereits berechtigte Zweifel des Dienstherrn, ob der Beamte die Eignung und Befähigung besitzt und die fachlichen Leistungen erbringt, die für die Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit notwendig sind, um eine Bewährung zu verneinen. Diese Entscheidung ist gerichtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Begriff der Bewährung und die gesetzlichen Grenzen des Beurteilungsspielraums verkannt worden sind, ob der Beurteilung ein unrichtiger Sachverhalt zugrunde liegt und ob allgemeine Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt worden sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.03.1998 – 2 C 5.97, Rn. 20; Urteil vom 31.05.1990 – 2 C 35.88 – jeweils juris und mit weiteren Nachweisen; Beschluss der Kammer vom 12.06.2017 – 11 B 17/17-). Aus der dienstlichen Beurteilung ergibt sich, ob der Beamte sich in der Probezeit bewährt hat. Sie ist Grundlage für die Entscheidung des Dienstherrn darüber, ob der Beamte auf Probe zum Beamten auf Lebenszeit ernannt oder seine Probezeit verlängert oder seine Entlassung verfügt wird (Schütz/Maiwald, BeamtR, Gesamtausg. A und B, § 23, Rn. 122).

7

Nach diesen Grundsätzen begegnet die Entlassungsverfügung vorliegend keinen rechtlichen Bedenken. Es ist nicht erkennbar, dass der Begriff der Bewährung und die gesetzlichen Grenzen des Beurteilungsspielraums verkannt worden, dass der Beurteilung ein unrichtiger Sachverhalt zugrunde liegt und dass allgemeine Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt worden sind.

8

Es ist insbesondere nicht erkennbar, dass die Leistungen in den dienstlichen Beurteilungen vom 21.09.2015 und 22.05.2017 nicht objektiv bewertet worden sind und die Beurteiler der Antragstellerin gegenüber voreingenommen gewesen sind. Das Vorbringen der Antragstellerin enthält insoweit keine nachvollziehbaren, substantiierten Angaben. Sie beschränkt sich insoweit auf die pauschale Behauptung, die Beurteiler seien voreingenommen gewesen. Dies genügt jedoch nicht, um Bedenken gegen die der Entlassungsverfügung zugrunde liegenden Beurteilungen zu begründen.

9

Unzutreffend ist auch, dass der Antragstellerin keine Möglichkeit zur Verbesserung ihrer Leistung sowie zur Behebung von Mängeln gegeben worden ist. Dass dieses unzutreffend ist, ergibt sich bereits aus dem Umstand, dass die Probezeit der Antragstellerin verlängert worden ist. Eine derartige Verlängerung hat allein den Zweck, der Probebeamtin oder dem Probebeamten die Möglichkeit zu eröffnen, den Nachweis der erforderlichen Eignung zu erbringen. Dass der Antragstellerin Hinweise gegeben wurden, welche Leistungen von ihr erwartet werden und in welchen Bereichen Mängel bestehen, ergibt sich zudem aus dem Schreiben der Schulleiterin der Gemeinschaftsschule xxx an die Antragstellerin vom 28.10.2014 mit Hinweisen auf zu verbessernde Leistungen, sowie aus den mit Schriftsatz des Antragsgegners vom 11.09.2017 vorgelegten Notizen über Gespräche mit der Antragstellerin nach verschiedenen Unterrichtsbesuchen.

10

Es ist nicht erkennbar, dass die dienstliche Beurteilung vom 03.02.2014 nicht berücksichtigt worden ist. In dem Bescheid vom 26.07.2017 wird u.a. ausgeführt, dass in der Gesamtschau der von der Antragstellerin während der Probezeit gezeigten fachlichen Leistungen (dienstliche Beurteilungen vom 03.02.2014, 21.09.2015 und 22.05.2017) und ihres dienstlichen Verhaltens (bestandskräftiger Verweis) die Bewährung in der Probezeit nicht festgestellt werden könne. Hieraus ergibt sich bereits, dass auch die Beurteilung vom 03.02.2014 berücksichtigt worden ist. Dass sie gegenüber den nachfolgenden Beurteilungen, insbesondere der Beurteilung, welche sich auf den Zeitraum der Verlängerung der Probezeit bezieht, keine überwiegende Bedeutung erhalten hat, begegnet keinen rechtlichen Bedenken.

11

Dass frühere Arbeitszeugnis aus der Tätigkeit der Antragstellerin im Angestelltenverhältnis nicht berücksichtigt wurden, ist rechtmäßig und beruht darauf, dass es hinsichtlich der Frage der Bewährung nicht auf Leistungen außerhalb der Probezeit ankommt.

12

Da der Begriff der Bewährung nicht allein die fachlichen Leistungen umfasst, ist es auch rechtmäßig, zu berücksichtigen, dass das Verhalten der Antragstellerin während der Probezeit zu einem disziplinarrechtlichen Verweis geführt hat (vgl. Reich, BeamtStG, 2. Aufl. 2012, § 23 Rn. 16).

13

Soweit die Antragstellerin vorträgt, berechtigte Zweifel an ihrer Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung bestünden nicht, kommt es hierauf nicht an. Maßgebend ist insoweit nicht die Auffassung der zu beurteilenden Beamtin.

14

Ist danach davon auszugehen, dass sich die Antragstellerin in der Probezeit nicht bewährt hat, ist sie zu entlassen. Es besteht für den Dienstherrn auch im Rahmen der "Kann-Regelung" des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG kein Handlungsermessen mehr, weil nach § 10 Satz 1 BeamtStG nur der Beamte, der sich in der Probezeit bewährt hat, in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit übernommen werden darf (Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 18.07.2017 – 6 B 285/17 –, Rn. 15, juris). Die Beurteilung der Eignung eines Beamten auf Probe im Rahmen von § 10 Satz 1 und § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG dient der Sicherung der Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung, indem die Lebenszeitverbeamtung von solchen Probebeamten ausgeschlossen wird, die sich in der Probezeit nicht bewährt haben (BVerwG, Beschluss vom 24.01.2017 – 2 B 75/16 –, Rn. 13, juris)

15

Die Entlassungsverfügung ist danach offensichtlich rechtmäßig. Es besteht auch ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung der Verfügung. Der Antragsgegner hat insoweit zur Begründung u.a. ausgeführt, das Interesse der Schülerinnen und Schüler an einem qualifizierten Unterricht sei ein zu schützendes Rechtsgut von hohem Rang. Bei einer weiteren Verwendung der Antragstellerin als Lehrkraft im Unterricht sei aufgrund der von ihr gezeigten, bereits in der Beurteilung vom 21.09.2015 mit „mangelhaft“ und zuletzt mit „ungenügend“ beurteilten Leistungen eine negative Auswirkung in Bezug auf den Lernfortschritt der vom Unterricht der Antragstellerin betroffenen Schülerinnen und Schüler und damit eine Gefährdung des öffentlichen Bildungs- und Erziehungsauftrages der Schule zu erwarten. Mit den hier nur ausschnittsweise wiedergegebenen Ausführungen ist dem Begründungserfordernis des § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO genügt. Sie rechtfertigen zudem die Annahme eines besonderen öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehung der Entlassungsverfügung.

16

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Streitwertfestsetzung auf § 52 Abs. 6 Satz 1 Nr. 2 GKG, wobei die Kammer den so ermittelten Betrag im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes halbiert.


ra.de-Urteilsbesprechung zu Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Beschluss, 15. Sept. 2017 - 11 B 36/17

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Beschluss, 15. Sept. 2017 - 11 B 36/17

Referenzen - Gesetze

Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Beschluss, 15. Sept. 2017 - 11 B 36/17 zitiert 7 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Beamtenstatusgesetz - BeamtStG | § 9 Kriterien der Ernennung


Ernennungen sind nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ohne Rücksicht auf Geschlecht, Abstammung, Rasse oder ethnische Herkunft, Behinderung, Religion oder Weltanschauung, politische Anschauungen, Herkunft, Beziehungen oder sexuelle Identi

Beamtenstatusgesetz - BeamtStG | § 23 Entlassung durch Verwaltungsakt


(1) Beamtinnen und Beamte sind zu entlassen, wenn sie 1. den Diensteid oder ein an dessen Stelle vorgeschriebenes Gelöbnis verweigern,2. nicht in den Ruhestand oder einstweiligen Ruhestand versetzt werden können, weil eine versorgungsrechtliche Warte

Beamtenstatusgesetz - BeamtStG | § 10 Voraussetzung der Ernennung auf Lebenszeit


Die Ernennung zur Beamtin auf Lebenszeit oder zum Beamten auf Lebenszeit ist nur zulässig, wenn die Beamtin oder der Beamte sich in einer Probezeit von mindestens sechs Monaten und höchstens fünf Jahren bewährt hat. Von der Mindestprobezeit können du

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Beschluss, 15. Sept. 2017 - 11 B 36/17 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Beschluss, 15. Sept. 2017 - 11 B 36/17 zitiert 5 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Schleswig-Holsteinisches Verwaltungsgericht Beschluss, 12. Juni 2017 - 11 B 17/17

bei uns veröffentlicht am 12.06.2017

Tenor Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 08.05.2017 – Aktenzeichen … – gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 28.04.2017 wird wiederhergestellt. Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens. Der Streit

Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 24. Jan. 2017 - 2 B 75/16

bei uns veröffentlicht am 24.01.2017

Gründe 1 Die Beschwerde des Beklagten hat mit der Maßgabe Erfolg, dass die Sache gemäß § 133 Abs. 6 VwGO an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen ist.

Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 23. März 2016 - 6 B 6/16

bei uns veröffentlicht am 23.03.2016

Tenor Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert. Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 17. August 2015 – 2 K 5654/15 – gegen die Entlassungsverfügung der Bezirksregierung E.          vom 15. Juli 2015 wird wie

Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 02. März 2016 - 1 B 1375/15

bei uns veröffentlicht am 02.03.2016

Tenor Der angefochtene Beschluss wird teilweise geändert. Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage 4 K 1789/15 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 14. August 2015 wird insoweit abgelehnt, als dem Antragsteller mit

Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Urteil, 30. Juli 2014 - 2 LB 2/14

bei uns veröffentlicht am 30.07.2014

Tenor Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 11. Kammer, Einzelrichterin - vom 7. März 2012 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts zugrunde

Referenzen

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Tenor

Der angefochtene Beschluss wird teilweise geändert.

Der Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung der Klage 4 K 1789/15 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 14. August 2015 wird insoweit abgelehnt, als dem Antragsteller mit diesem Bescheid ein Auftreten vor dem Landgericht Münster bis zum Ablauf des 31. März 2018 untersagt worden ist.

Im Übrigen wird die Beschwerde zurückgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen tragen der Antragsteller und der Antragsgegner jeweils zur Hälfte.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf 2.500,00 Euro festgesetzt.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55 56 57 58 59 60 61 62 63 64 65 66 67 68 69 70 71 72 73 74 75 76 77 78 79 80 81 82 83 84 85 86 87 88 89 90 91 92 93 94 95 96 97 98 99 100 101 102 103 104

(1) Beamtinnen und Beamte sind zu entlassen, wenn sie

1.
den Diensteid oder ein an dessen Stelle vorgeschriebenes Gelöbnis verweigern,
2.
nicht in den Ruhestand oder einstweiligen Ruhestand versetzt werden können, weil eine versorgungsrechtliche Wartezeit nicht erfüllt ist,
3.
dauernd dienstunfähig sind und das Beamtenverhältnis nicht durch Versetzung in den Ruhestand endet,
4.
die Entlassung in schriftlicher Form verlangen oder
5.
nach Erreichen der Altersgrenze berufen worden sind.
Im Fall des Satzes 1 Nr. 3 ist § 26 Abs. 2 entsprechend anzuwenden.

(2) Beamtinnen und Beamte können entlassen werden, wenn sie in Fällen des § 7 Abs. 2 die Eigenschaft als Deutsche oder Deutscher im Sinne des Artikels 116 Absatz 1 des Grundgesetzes verlieren.

(3) Beamtinnen auf Probe und Beamte auf Probe können entlassen werden,

1.
wenn sie eine Handlung begehen, die im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit mindestens eine Kürzung der Dienstbezüge zur Folge hätte,
2.
wenn sie sich in der Probezeit nicht bewährt haben oder
3.
wenn ihr Aufgabengebiet bei einer Behörde von der Auflösung dieser Behörde oder einer auf landesrechtlicher Vorschrift beruhenden wesentlichen Änderung des Aufbaus oder Verschmelzung dieser Behörde mit einer anderen oder von der Umbildung einer Körperschaft berührt wird und eine andere Verwendung nicht möglich ist.
Im Fall des Satzes 1 Nr. 2 ist § 26 Abs. 2 bei allein mangelnder gesundheitlicher Eignung entsprechend anzuwenden.

(4) Beamtinnen auf Widerruf und Beamte auf Widerruf können jederzeit entlassen werden. Die Gelegenheit zur Beendigung des Vorbereitungsdienstes und zur Ablegung der Prüfung soll gegeben werden.

Die Ernennung zur Beamtin auf Lebenszeit oder zum Beamten auf Lebenszeit ist nur zulässig, wenn die Beamtin oder der Beamte sich in einer Probezeit von mindestens sechs Monaten und höchstens fünf Jahren bewährt hat. Von der Mindestprobezeit können durch Landesrecht Ausnahmen bestimmt werden.

Ernennungen sind nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung ohne Rücksicht auf Geschlecht, Abstammung, Rasse oder ethnische Herkunft, Behinderung, Religion oder Weltanschauung, politische Anschauungen, Herkunft, Beziehungen oder sexuelle Identität vorzunehmen.

Tenor

Die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 11. Kammer, Einzelrichterin - vom 7. März 2012 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts zugrunde zu legen ist.

Der Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Insoweit ist das Urteil vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin wendet sich gegen ihre Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe und begehrt ihre Berufung in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit.

2

Die am ... geborene Klägerin legte die Zweite Staatsprüfung für die Laufbahn der Realschullehrerinnen und Realschullehrer am 9. Dezember 1997 mit der Gesamtnote „gut“ ab. Sie war sodann während eines längeren Zeitraumes als angestellte Lehrkraft tätig.

3

In dem amtsärztlichen Gutachten der Stadt ... vom 8. August 2005 wurde festgestellt, aufgrund der am 3. August 2005 durchgeführten Untersuchungen könne mit hinreichender Wahrscheinlichkeit angenommen werden, dass die Klägerin gesundheitlich in der Lage sein werde, die Tätigkeit als Lehrkraft dauernd auszuüben. Es sei keine Gesundheitsstörung erkennbar, die zur Dienstunfähigkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze führen könnte. Das Körpergewicht der Klägerin, welches seinerzeit 86 kg betrug, wurde in dem amtsärztlichen Gutachten nicht als gesundheitlicher Risikofaktor vermerkt.

4

Auf der Grundlage dieses Gutachtens wurde die Klägerin mit Wirkung vom 1. September 2005 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zur Lehrerin zur Anstellung ernannt.

5

In dem amtsärztlichen Gutachten der Stadt ... vom 13. August 2007 heißt es, zur Zeit sei die Klägerin voll in der Lage, ihren Pflichten als Beamtin nachzukommen. Es lägen jedoch Hinweise auf Risikofaktoren vor, die im Augenblick eine Prognose auf Lebenszeit erschwerten. Die Prognose sei jedoch insgesamt günstig. Die Klägerin scheine nach den vorliegenden Befunden auf einem guten Weg zu sein, ihr Gewicht zu reduzieren, so dass es möglich scheine, dass sie in zwei bis drei Jahren die Kriterien für eine Lebenszeitverbeamtung erfülle. Es werde daher empfohlen, zunächst eine Verbeamtung für zwei Jahre auszusprechen und die Beamtin dann mit der Frage der Lebenszeitverbeamtung im Jahre 2009 wieder vorzustellen.

6

Daraufhin verlängerte der Beklagte mit Bescheid vom 29. Januar 2008 die Probezeit der Klägerin um ein Jahr und somit bis zum 28. Februar 2009 unter Hinweis darauf, dass die dauerhafte gesundheitliche Eignung der Klägerin aufgrund des bestehenden Missverhältnisses von Körpergröße und Gewicht noch nicht habe nachgewiesen werden können.

7

In dem amtsärztlichen Gutachten der Stadt ... vom 30. März 2009 heißt es, im Vergleich zur Voruntersuchung hätten sich auffällige Befunde deutlich gebessert bzw. normalisiert. Bestehende Probleme seien in geeigneter Weise behandelt. Nach dem Zustand am Untersuchungstag sei die Prognose als günstig anzusehen, d.h. dass das Risiko, vorzeitig dauerhaft dienstunfähig zu werden, nicht höher als in der Allgemeinbevölkerung. Problematisch sei allerdings das Gewicht, das im Augenblick noch als Risikofaktor gewertet werde. Hier liege die Klägerin über dem landesweit festgelegten Grenzwert (BMI 30 kg/m²). Formal sei es leider nicht möglich abzuwarten, bis sich auch das Gewicht normalisiert habe. Da sich die übrigen Befunde normalisiert hätten, könne von einer Gewichtsreduktion in den nächsten Jahren ausgegangen werden. Hieraus resultiere die genannte günstige Prognose. Streng genommen liege also im Augenblick noch ein Ausschlusskriterium vor, so dass die Entscheidung über die Verbeamtung im Ermessen des Dienstherrn liege.

8

Daraufhin verlängerte der Beklagte mit Bescheid vom 20. April 2009 die Probezeit der Klägerin nochmals um ein weiteres Jahr und somit bis zum 28. Februar 2010.

9

Unter dem 2. März 2010 wurde ein weiteres amtsärztliches Gutachten - gestützt auf die persönliche Anamneseerhebung und Untersuchung der Klägerin sowie auf die Vorbegutachtungen mit den diesen zugrundeliegenden Fremdbefunden - mit folgendem Inhalt erstellt:

10

„Frau ... stellte sich am 01.03.2010 erneut zur amtsärztlichen Untersuchung im Gesundheitsamt der Stadt ... vor.
Es soll zur gesundheitlichen Eignung vor einer Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit Stellung genommen werden.
Das Gutachten stützt sich auf die persönliche Anamneseerhebung und Untersuchung der Lehrerin am o.g. Tag sowie die Vorbegutachtungen aus unserem Hause mit den diesen zugrunde liegenden Fremdbefunden.

11

Bei der körperlichen Untersuchung fiel ein erhebliches Übergewicht (bei einer Größe von 168 cm und einem Gewicht von 105 kg beträgt der BMI 37,5kg/m², der Taillenumfang beträgt 107 cm; im Vergleich zur Voruntersuchung vom 11.07.2007 vier Kilogramm Gewichtsverlust) auf.
Aufgrund des erheblichen Übergewichtes (Adipositas Grad II) und besonders des stammbetonten Fettverteilungsmusters ist von einem deutlich erhöhten Risiko bezüglich der Entwicklung von Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Stoffwechselerkrankungen, Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates sowie Krebserkrankungen (z.B. Gebärmutter-, Brust- und Gallenkrebs) auszugehen.
Trotz des bestehenden Übergewichtes und der damit verbundenen o.g. Risikofaktoren sind bei Frau ... keine anderen krankhaften Veränderungen sowohl bei aktueller als auch bei den bisherigen Voruntersuchungen festzustellen (RR: 130/90mmHg, Pulsfrequenz 76/Min., regelmäßig, auskultatorisch: Herz, Lunge- ohne Befund, Abdomen: ohne Befund, Extremitäten und Wirbelsäule ohne Funktionseinschränkungen, Nervensystem: Motorik und Sensibilität ohne Befund, Haut/Schleimhaut: ohne Befund, psychischer Untersuchungsbefund: freundlich zugewandt, keine formalen oder inhaltlichen Denkstörungen, bezüglich Zeit, Ort und Situation voll orientiert, keine depressive Verstimmung, Affekt und Antrieb regelrecht. Laborchemisch: verdächtige akute Harnblasenentzündung, Ergebnisse der Leber-Nierenfunktion, Blutbildes, Blutzucker, Harnsäure-, Triglyzeride- und Cholesterinwerte im Referenzbereich).

12

Frau ... berichtete, dass sie keine krankheitsbedingten überdurchschnittlich hohen Ausfallzeiten gehabt habe.
Frau ... ist zum jetzigen Zeitpunkt gesundheitlich in der Lage, ihre Tätigkeit als Lehrerin uneingeschränkt auszuführen.
Aufgrund des bestehenden erheblichen Übergewichtes kann derzeit eine vorzeitige Dienstunfähigkeit oder vermehrte Dienstausfallzeit nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.
Ich habe Frau ... die Fortführung der bestehenden eigeninitiativen Maßnahmen (Diät, Ausdauersport) zur Gewichtsreduktion empfohlen.“

13

Mit Bescheid vom 19. Juli 2010 entließ der Beklagte die Klägerin mit Ablauf des Monats September 2010 aus dem Beamtenverhältnis auf Probe. Auch das erneute amtsärztliche Attest vom 2. März 2010 bescheinige ein erhebliches Übergewicht, so dass eine vorzeitige Dienstunfähigkeit oder vermehrte Dienstausfallzeiten nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden könnten. Damit sei die geforderte gesundheitliche Eignung für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit nicht gegeben. Da die Probezeit der Klägerin einschließlich der Verlängerungen die maximal zulässige Höchstfrist erreicht habe, komme deren weitere Verlängerung nicht mehr in Betracht. In diesem Bescheid bot der Beklagte der Klägerin gleichzeitig zum 1. Oktober 2010 ein unbefristetes Beschäftigungsverhältnis an.

14

Ihren hiergegen gerichteten Widerspruch begründete die Klägerin damit, dass das amtsärztliche Gutachten vom 2. März 2010 den Entlassungsbescheid des Beklagten nicht trage. Denn dieser Bescheid sei allein auf ihr Übergewicht gestützt, ohne dass auf Anhaltspunkte eingegangen werde, die hier abweichend vom Regelfall eine günstigere Prognose ermöglichten. Als insoweit zu berücksichtigende Einzelfallumstände kämen erbliche Dispositionen, das Lebensalter oder der Umstand in Betracht, dass bei ihr, der Klägerin, keine typischen Folgeerkrankungen vorlägen. Es komme hinzu, dass im Gutachten eine Gewichtsabnahme um vier Kilo gegenüber der Untersuchung vom 11. Juli 2007 festgestellt worden sei. Ferner sei zu berücksichtigen, dass während der Probezeit bei ihr keine Erkrankung festgestellt worden sei, so dass grundsätzlich von einer Bewährung auszugehen sei. Dies gelte jedenfalls dann, wenn das Risiko, auf das die Entlassung aus dem Beamtenverhältnis gestützt werde, bereits bei Beginn der Probezeit vorgelegen habe. Zwar werde das Übergewicht im ersten Gutachten vom 8. August 2005 nicht erwähnt; jedoch habe es bereits damals vorgelegen, so dass die Voraussetzungen der Bewährung erfüllt seien.

15

Der Widerspruch der Klägerin wurde mit Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 2010 als unbegründet zurückgewiesen. Der Ausgangsbescheid sei rechtmäßig und verletze die Klägerin nicht in ihren subjektiven Rechten. In seinem Gutachten vom 2. März 2010 komme der Amtsarzt zu dem Ergebnis, dass der BMI 37,5 kg/m² betrage und aufgrund des erheblichen Übergewichtes (Adipositas II) und besonders des stammbetonten Fettverteilungsmusters von einem deutlich erhöhten Risiko bezüglich der Entwicklung von Herz-, Kreislauf-Erkrankungen, Stoffwechselerkrankungen, Erkrankungen des Stütz- und Bewegungsapparates sowie Krebserkrankungen auszugehen sei. Aufgrund des bestehenden erheblichen Übergewichts könne derzeit eine vorzeitige Dienstunfähigkeit oder vermehrte Dienstausfallzeit nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen werden.

16

Die Klägerin hat am 12. November 2010 den Verwaltungsrechtsweg beschritten und zur Begründung ihrer Klage im Wesentlichen geltend gemacht, das amtsärztliche Gutachten vom 2. März 2010 trage die Entscheidung, sie aus dem Beamtenverhältnis auf Probe zu entlassen und nicht in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zu übernehmen, nicht. Dieses Gutachten stütze sich allein auf das Übergewicht, ohne auf die Anhaltspunkte einzugehen, nach denen hier abweichend vom Regelfall eine günstigere Prognose möglich wäre. Solche zu berücksichtigenden Einzelfallumstände könnten erbliche Dispositionen sein, das Lebensalter oder der Umstand, dass keine typischen Folgeerkrankungen vorlägen. Eben dieses sei hier der Fall. Es komme hinzu, dass im Gutachten eine Gewichtsabnahme von vier Kilogramm gegenüber der Untersuchung vom 11. Juli 2007 festgestellt worden sei. Zu berücksichtigen sei weiter, dass während der Probezeit keine Erkrankung festgestellt worden und ihr Übergewicht bereits bei Beginn der Probezeit bekannt gewesen sei. Schließlich verstießen die angefochtenen Bescheide gegen das allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Verbindung mit der Richtlinie 2000/78/EG, wonach niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden dürfe.

17

Die Klägerin hat beantragt,

18

1. den Beklagten unter Aufhebung der Bescheide vom 19. Juli 2010 und 13. Oktober 2010 zu verpflichten, sie in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit zu berufen,
2. hilfsweise, den Beklagten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zur Neubescheidung zu verpflichten.

19

Der Beklagte hat beantragt,

20

die Klage abzuweisen.

21

Er hat die angefochtenen Bescheide verteidigt und ergänzend ausgeführt, Anhaltspunkte dafür, dass bei der Klägerin das mit dem BMI von 37,5 kg/m² verbundene Risiko von Erkrankungen abweichend vom Regelfall ausnahmsweise günstiger zu bewerten sein könnte, seien nicht ersichtlich. Im Gegenteil lägen bei der Klägerin konkrete einzelfallbezogene Untersuchungsergebnisse vor, aus denen sich ein deutlich erhöhtes Risiko der vorzeitigen Dienstunfähigkeit ableiten lasse. Eine derartige Veranlagung sei bei der Klägerin nicht nur wegen des erheblichen Übergewichts (Größe: 168 cm, Gewicht: 105 kg, BMI: 37,6) gegeben. Das deutlich erhöhte Risiko ergebe sich vielmehr insbesondere auch aus dem stammbetonten Fettverteilungsmuster. Schließlich könne die Klägerin sich nicht mit Erfolg auf einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG, § 9 BeamtStG oder §§ 7 Abs. 1, 24 Nr. 1 AGG berufen. Denn sie sei nicht im Sinne dieser Vorschriften behindert.

22

Die Klägerin ist mit Wirkung vom 1. August 2011 mit der Wahrnehmung der Aufgaben der Schulleiterin der Grundschule ... - befristet für zwei Jahre - beauftragt worden.

23

Mit Urteil vom 7. März 2012 hat das Verwaltungsgericht, Einzelrichterin, die Klage hinsichtlich des Hauptantrages abgewiesen und hinsichtlich des Hilfsantrages den Beklagten verpflichtet, erneut unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts über die Ernennung der Klägerin zur Beamtin auf Lebenszeit zu entscheiden. Sowohl im Bescheid vom 19. Juli 2010 als auch im Widerspruchsbescheid vom 13. Oktober 2010 stütze sich der Beklagte auf die mit einer Adipositas verbundenen grundsätzlichen Risiken, ohne jedoch auf den Einzelfall der Klägerin einzugehen. Als besonderer Einzelfall sei hier zu beachten, dass die Klägerin, geboren im Februar 1967, bereits im Jahr 2008, während der ersten Verlängerung ihrer Probezeit über 40 Jahre alt gewesen und zum Zeitpunkt der Entlassungsverfügung und des Widerspruchsbescheides bereits 43 Jahre alt gewesen sei. Ein Übergewicht bestehe bei der Klägerin seit Jahren, woran der Umstand nichts ändere, dass darauf im amtsärztlichen Gutachten, das im Zusammenhang mit der Ernennung zur Beamtin auf Probe eingeholt worden sei, nicht eingegangen worden sei. Insoweit müsse berücksichtigt werden, dass die Klägerin bereits seit Jahren mit einem Übergewicht lebe, welches offensichtlich nicht zu einer Manifestierung von Risikofaktoren geführt habe. Im Gegenteil, die Klägerin habe ausweislich der eingeholten amtsärztlichen Gutachten in der Vergangenheit einige Risikofaktoren, die von den untersuchenden Amtsärzten nicht einzeln benannt worden seien, beseitigen können. Die Klägerin habe keinerlei gesundheitliche Einschränkungen. Vor dem Hintergrund, dass die wissenschaftlichen Erkenntnisse bei Adipositas, die allein am BMI festgemacht würden, zur Zeit deutlich im Fluss seien, und zur Feststellung eines gesundheitlichen Risikos vor allem darauf abgestellt werde, ob ein metabolisches Syndrom vorliege, was bei der Klägerin nicht gegeben sei, erweise sich die allein auf den BMI-Wert abgestellte Entscheidung des Beklagten als rechtsfehlerhaft. Ein überhöhter BMI vermöge möglicherweise im Regelfall die gesundheitliche Eignung für die Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Probe entfallen lassen. In der Person der Klägerin seien jedoch gewichtige Anhaltspunkte dafür vorhanden, dass hier eine Ausnahme vom Regelfall vorliege. Diese habe der Beklagte bei seiner allein am Messwert orientierten Entscheidung nicht geprüft.

24

Zur Begründung seiner hiergegen gerichteten - vom erkennenden Senat zugelassenen - Berufung hat der Beklagte geltend gemacht, entgegen der Ansicht des Verwaltungsgerichts seien die angefochtenen Bescheide rechtmäßig. Er, der Beklagte, sei aufgrund des im amtsärztlichen Gutachten vom 3. März 2010 festgestellten BMI von 37,5 kg/m² sowie besonders des stammbetonten Fettverteilungsmusters der Klägerin zu Recht von ihrer mangelnden gesundheitlichen Eignung ausgegangen. Besondere Umstände, die vorliegend eine Ausnahme vom Regelfall rechtfertigen könnten, lägen entgegen der Ansicht der Klägerin hier nicht vor. Nach dem neuen amtsärztlichen Gutachten vom 1. August 2012 seien bei der Klägerin neben dem erheblichen Übergewicht (BMI von 39,97 kg/m²) und der bauchbetonten Fettleibigkeit jetzt auch Bluthochdruck und veränderte Blutfettwerte festgestellt worden. Damit lägen drei von vier Kriterien für die Annahme eines metabolischen Syndroms mit den sich daraus ergebenden, im amtsärztlichen Gutachten beschriebenen Risiken vor.

25

Der Beklagte hat beantragt,

26

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts - 11. Kammer, Einzelrichterin - vom 7. März 2012 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

27

Die Klägerin hat beantragt,

28

die Berufung zurückzuweisen,
hilfsweise,
Beweis zu der Behauptung zu erheben, dass die Körperfettverteilung noch nicht derart konsolidiert ist, dass sie den Ausschluss einer ansonsten geeigneten Bewerberin rechtfertigen könnte (kein Messverfahren hat sich in medizinischen Fachkreisen durchsetzen können), durch Einholung eines Sachverständigengutachtens.

29

Sie hat das erstinstanzliche Urteil verteidigt und ergänzend geltend gemacht, auch nach der einschlägigen Rechtsprechung und Literatur könne hinsichtlich der gesundheitlichen Eignung nicht allein auf den BMI abgestellt werden. Das weitere amtsärztliche Gutachten vom 1. August 2012 sei nicht entscheidungserheblich, weil es auf die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt des Widerspruchsbescheides ankomme.

30

Mit Urteil vom 24. Januar 2013 - 2 LB 27/12 - hat der erkennende Senat das erstinstanzliche Urteil geändert und die Klage - ohne dem von der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung hilfsweise gestellten Beweisantrag nachzugehen - insgesamt abgewiesen. Wegen der Entscheidungsgründe wird auf den Inhalt des genannten Senatsurteils verwiesen.

31

Auf die Beschwerde der Klägerin gegen die Nichtzulassung der Revision hat das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 13. Dezember 2013 - 2 B 37.13 - das Senatsurteil aufgehoben und den Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Oberverwaltungsgericht zurückverwiesen. Das Oberverwaltungsgericht habe bei der Ablehnung des Hilfsbeweisantrages der Klägerin gegen die ihm nach § 86 Abs. 1 VwGO obliegende Pflicht zur Aufklärung des entscheidungserheblichen Sachverhalts verstoßen. Zudem beruhe die Begründung des Oberverwaltungsgerichts auf rechtlichen Annahmen, die nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts überholt seien (Urt. v. 25.7.2013 - 2 C 12.11 - juris, und v. 30.10.2013 - 2 C 16.12 - juris). Wegen der weiteren Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des genannten höchstrichterlichen Beschlusses verwiesen.

32

Der Beklagte macht unter Bezugnahme auf diesen Beschluss zur Begründung seiner Berufung nunmehr ergänzend geltend: Da das Bundesverwaltungsgericht der Behörde bei der Bewertung der gesundheitlichen Eignung keinen Beurteilungsspielraum (mehr) zugestehe, sondern insoweit von einer gerichtlich in vollem Umfang zu überprüfenden Prognose ausgehe, sei die gesundheitliche Eignung der Klägerin im Wege einer erneuten Begutachtung zu klären. Ausgangspunkt des Gutachtens müsse der Gesundheitszustand der Klägerin sein, der dem amtsärztlichen Gutachten vom 8. August 2005 zugrundegelegen habe. Hierfür seien die für die seinerzeit erfolgte Untersuchung gefertigten Unterlagen des Gesundheitsamtes - gegebenenfalls ergänzt durch privatärztliche Unterlagen, falls insbesondere das Gewicht der Klägerin nicht dokumentiert worden sei - heranzuziehen. Im Rahmen der Begutachtung sei festzustellen, ob und gegebenenfalls inwieweit sich der Gesundheitszustand in der Zeit des Beamtenverhältnisses auf Probe, das bis heute andauere, geändert habe. Diese gegebenenfalls festgestellte Änderung sei vor dem Hintergrund des vom Bundesverwaltungsgericht nunmehr vertretenen neuen Prognosemaß-stabes daraufhin zu bewerten, ob tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigten, die Klägerin werde mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze wegen dauernder Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt werden.

33

Der Beklagte beantragt,

34

das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts -11. Kammer, Einzelrichterin - vom 7. März 2012 zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.

35

Die Klägerin beantragt,

36

die Berufung zurückzuweisen.

37

Sie macht geltend, unter Berücksichtigung des Beschlusses des Bundesverwaltungsgerichts vom 13. Dezember 2013 - 2 B 37.13 - sowie der dort zitierten einschlägigen „neueren Rechtsprechung“ des Gerichts könne nicht von ihrer gesundheitlichen Nichteignung ausgegangen werden.

38

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten sowie des Sachverhalts im Übrigen wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der Verwaltungsvorgänge des Beklagten - diese haben dem Senat vorgelegen - Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

39

Die vom Senat zugelassene und auch im Übrigen zulässige Berufung ist nicht begründet.

40

Das Verwaltungsgericht hat den Beklagten zu Recht unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide dazu verpflichtet, die Klägerin unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden.

41

Die angefochtenen Bescheide sind rechtswidrig und verletzen die Klägerin in ihren Rechten. Der Beklagte durfte die Klägerin nicht wegen mangelnder gesundheitlicher Eignung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe entlassen und ihre Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit somit auch nicht aus diesem Grunde ablehnen.

42

Nach § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG können Beamtinnen auf Probe und Beamte auf Probe entlassen werden, wenn sie sich in der Probezeit nicht bewährt haben. Die Ernennung zur Beamtin auf Lebenszeit oder zum Beamten auf Lebenszeit ist nach § 10 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG nur zulässig, wenn die Beamtin oder der Beamte sich in einer Probezeit von mindestens sechs Monaten und höchstens fünf Jahren bewährt hat. Entscheidend ist also, ob die Klägerin sich in ihrer Probezeit hinsichtlich der in § 9 BeamtStG genannten Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung bewährt hat. Zur Eignung einer Beamtin oder eines Beamten gehört auch deren oder dessen gesundheitliche Eignung.

43

Der Beklagte war nicht wegen des Vorbringens der Klägerin, sie sei bereits zum Zeitpunkt ihres Eintritts in das Probebeamtenverhältnis übergewichtig gewesen, daran gehindert, ihre Entlassung aus dem Probebeamtenverhältnis sowie die Ablehnung ihrer Übernahme in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit auf den Gesichtspunkt der mangelnden gesundheitlichen Eignung zu stützen. Das Bundesverwaltungsgericht hat in seinem Zurückverweisungsbeschluss vom 13. Dezember 2013 - 2 B 37.13 - ausgeführt, dass der Dienstherr bei unveränderter Sachlage an seine Bewertung der gesundheitlichen Eignung vor Begründung des Probebeamtenverhältnisses gebunden sei und er die gesundheitliche Eignung einer Beamtin bei der anstehenden Ernennung zur Beamtin auf Lebenszeit nur dann im Hinblick auf eine bereits vor der Begründung des Beamtenverhältnisses auf Probe bekannte Erkrankung verneinen dürfe, wenn sich die Bewertungsgrundlagen inzwischen geändert hätten. Letzteres ist hier der Fall. Während die Klägerin zum Zeitpunkt ihres Eintritts in das Beamtenverhältnis auf Probe 86 kg wog, wies sie am 1. März 2010 und somit unmittelbar nach Ablauf ihrer (verlängerten) Probezeit ein Körpergewicht von 105 kg auf. Es kann auf sich beruhen, ob das seinerzeitige Körpergewicht der Klägerin von 86 kg bereits als „Übergewicht“ einzustufen war. Denn die Zunahme ihres Körpergewichts während der Probezeit in Höhe von 19 kg stellt eine erhebliche Änderung der insoweit maßgeblichen Bewertungsgrundlagen dar. Dem hat auch der Prozessbevollmächtigte der Klägerin im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht mehr widersprochen.

44

Hinsichtlich der Feststellung der gesundheitlichen Eignung von Beamtenbewerbern hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 25. Juli 2013 - 2 C 12.11 - (juris) auf der Grundlage des niedersächsischen Landesrechts ausgeführt:

45

„1. Nach Art. 33 Abs. 2 GG und nach § 9 BeamtStG, der nach § 1 dieses Gesetzes für das Statusrecht der Landesbeamten unmittelbar gilt, sind Ernennungen nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung vorzunehmen. Geeignet in diesem Sinne ist nur, wer dem angestrebten Amt in körperlicher, psychischer und charakterlicher Hinsicht gewachsen ist (BVerfG, Beschluss vom 21. Februar 1995 - 1 BvR 1397/93 - BVerfGE 92, 140 <151>). Bei der von Art. 33 Abs. 2 GG geforderten Eignungsbeurteilung hat der Dienstherr daher immer auch eine Entscheidung darüber zu treffen, ob der Bewerber den Anforderungen des jeweiligen Amtes in gesundheitlicher Hinsicht entspricht (BVerfG, Kammerbeschluss vom 10. Dezember 2008 - 2 BvR 2571/07 - BVerfGK 14, 492 <496> = juris Rn. 11). Ist nach der körperlichen oder psychischen Konstitution eines Bewerbers die gesundheitliche Eignung nicht gegeben, kann er unabhängig von seiner fachlichen Eignung nicht verbeamtet werden. Er kann nicht in den Leistungsvergleich der Bewerber um die zur Vergabe stehenden Ämter einbezogen werden.

46

Zur Beurteilung der gesundheitlichen Eignung müssen die körperlichen und psychischen Veranlagungen des Bewerbers festgestellt und deren Auswirkungen auf sein Leistungsvermögen bestimmt werden. Diese Beurteilungsvorgänge erfordern in aller Regel besondere medizinische Sachkunde, über die nur ein Arzt verfügt. Dementsprechend sieht § 9 Abs. 2 i.V.m. § 45 Abs. 1 Satz 1 des Niedersächsischen Beamtengesetzes vom 25. März 2009 - NBG - (Nds. GVBI S. 72) in der Fassung des Gesetzes vom 12. Dezember 2012 (Nds. GVBI S. 591) vor, dass die gesundheitliche Eignung aufgrund einer Untersuchung durch einen Amtsarzt oder einen beamteten Arzt festzustellen ist. Dieser muss gegebenenfalls einen Facharzt hinzuziehen. Die Notwendigkeit, einen Arzt hinzuzuziehen, bedeutet aber nicht, dass diesem die Entscheidungsverantwortung für das gesundheitliche Eignungsurteil übertragen werden darf. Vielmehr wird der Arzt als Sachverständiger tätig, auf dessen Hilfe der Dienstherr angewiesen ist, um die notwendigen Feststellungen treffen zu können. Der Dienstherr muss die ärztlichen Befunde und Schlussfolgerungen nachvollziehen und sich auf ihrer Grundlage ein eigenes Urteil bilden (Urteil vom 21. Juni 2007 -BVerwG 2 A 6.06 - Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 35 Rn. 22 f.).

47

Es obliegt dem Dienstherrn, die körperlichen Anforderungen der jeweiligen Laufbahn zu bestimmen. Hierbei steht ihm ein weiter Einschätzungsspielraum zu, bei dessen Wahrnehmung er sich am typischen Aufgabenbereich der Ämter der Laufbahn zu orientieren hat. Diese Vorgaben bilden den Maßstab, an dem die individuelle körperliche Leistungsfähigkeit der Bewerber zu messen ist (Urteil vom 21. Juni 2007 a.a.O.). Auf dieser Grundlage muss festgestellt werden, ob ein Bewerber, dessen Leistungsfähigkeit - etwa aufgrund eines chronischen Leidens - gemindert ist, den Anforderungen gewachsen ist, die die Ämter einer Laufbahn für die Dienstausübung stellen.

48

Die Beurteilung der Eignung eines Bewerbers für das von ihm angestrebte öffentliche Amt bezieht sich nicht nur auf den gegenwärtigen Stand, sondern auch auf die künftige Amtstätigkeit und enthält eine Prognose, die eine konkrete und einzelfallbezogene Würdigung der gesamten Persönlichkeit des Bewerbers verlangt (BVerfG, Urteil vom 24. September 2003 - 2 BA 1436/02 - BVerfGE 108, 282 <296>). Die gesundheitliche Eignung eines im Zeitpunkt der Einstellungsuntersuchung dienstfähigen Beamtenbewerbers kann daher im Hinblick auf die Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe oder eine chronische Erkrankung mit progredientem Verlauf verneint werden.

49

Die Prognose erfasst den Zeitraum bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze. Es kommt darauf an, ob der Beamtenbewerber voraussichtlich bis zu diesem Zeitpunkt Dienst leisten wird oder wegen Dienstunfähigkeit vorzeitig in den Ruhestand versetzt werden muss.

50

Dieser Prognosezeitraum folgt aus den in Art. 33 Abs. 5 GG verankerten hergebrachten Grundsätzen des Lebenszeit- und des Alimentationsprinzips. Diese Grundsätze verpflichten den Dienstherrn zur lebenslangen Versorgung der Ruhestandsbeamten. Daher verleihen sie dem Interesse des Dienstherrn an einem ausgewogenen zeitlichen Verhältnis von Lebensdienstzeit und Ruhestandszeit der Beamten einen verfassungsrechtlichen Stellenwert. Durch die Festlegung der Höchstaltersgrenze für die Verbeamtung und der Altersgrenze für den Eintritt in den Ruhestand bringen Gesetz- und Verordnungsgeber zum Ausdruck, welche Lebensdienstzeit angemessen ist, um die Altersversorgung zu erdienen. Tritt der Beamte vor Erreichen der Altersgrenze in den Ruhestand, ist das Gleichgewicht zwischen Dienstzeit und Ruhestand verschoben, weil dem Dienstherrn die Arbeitskraft des Beamten zu früh verloren geht (Urteil vom 23. Februar 2012 - BVerwG 2 C 76.10 - BVerwGE 142, 59 = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 54 jeweils Rn. 16 f.).

51

Der Ausschluss des Zugangs zum Beamtenverhältnis aus gesundheitlichen Gründen ungeachtet der fachlichen Eignung stellt eine Einschränkung der durch Art. 33 Abs. 2 GG geschützten Zugangsmöglichkeit dar, die einer subjektiven Berufswahlschranke im Anwendungsbereich des Art. 12 Abs. 1 GG entspricht (vgl. Urteil vom 13. Dezember 2012 - BVerwG 3 C 26.11 - NJW 2013, 1320 Rn. 15). Aufgrund dieser grundrechtlichen Bedeutung des Ausschlusses und des überaus langen, sich über Jahrzehnte erstreckenden Prognosezeit-raums hält der Senat an seiner bisherigen Rechtsprechung nicht mehr fest, wonach der Eintritt der Dienstunfähigkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit ausgeschlossen sein muss (vgl. Urteile vom 17. Mai 1962 - BVerwG 2 C 87.59 - Buchholz 232 § 31 BBG Nr. 6; vom 25. Februar 1993 - BVerwG 2 C 27.90 - BVerwGE 92, 147 <149> und vom 18. Juli 2001 - BVerwG 2 A 5.00 - Buchholz 232 § 31 BBG Nr. 60 S. 2). Solange der Gesetzgeber keinen kürzeren Prognosezeitraum bestimmt, kann der Dienstherr die gesundheitliche Eignung aktuell dienstfähiger Bewerber nur verneinen, wenn tatsächliche Anhaltspunkte die Annahme rechtfertigen, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze Dienstunfähigkeit eintreten wird.

52

Der bisherige Maßstab ist geeignet, Bewerber schon deshalb von dem Zugang zum Beamtenverhältnis auszuschließen, weil ihr gesundheitlicher Zustand vom Regelzustand abweicht. Dies gilt auch dann, wenn die Leistungsfähigkeit der Bewerber aktuell und auf absehbare Zeit nicht beeinträchtigt ist. Die negative Eignungsprognose ist in diesen Fällen bislang mit Typisierungen und statistischen Wahrscheinlichkeiten begründet worden, die weder einem Gegenbeweis noch einer nachträglichen Korrektur zugänglich sind (vgl. hierzu Höfling/Stockter, ZBR 2008, 17).

53

Dies belegt der Fall des derzeit uneingeschränkt leistungsfähigen Klägers: Die Einschätzung, er werde vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze dienstunfähig, beruht ausschließlich auf der Annahme, dass eine bestimmte Personengruppe - hier die Multiple-Sklerose-Erkrankten - in ihrer Gesamtheit ein erhöhtes Risiko vorzeitiger Dienstunfähigkeit aufweist.

54

Angesichts des sich über Jahrzehnte erstreckenden Prognosezeitraums und der Komplexität der medizinischen Prognosen sind Entscheidungen über die gesundheitliche Eignung eines Beamtenbewerbers mit erheblichen Unsicherheiten verbunden. Dies gilt nicht nur in Bezug auf die Einschätzung der gesundheitlichen Entwicklung, sondern auch im Hinblick auf den medizinischen Fortschritt. Künftige Präventions- oder Heilmethoden können heute noch nicht einbezogen werden. Vielfach ist auch die Wechselwirkung und damit Ursächlichkeit einzelner Faktoren für das Risiko schwerwiegender Symptombildungen noch nicht sicher erforscht. Belastbare Studien zur korrelationsstatistischen Beziehung einzelner Risikofaktoren zur Wahrscheinlichkeit des Eintritts einer vorzeitigen Dienstunfähigkeit liegen nur sehr eingeschränkt vor.

55

Schließlich kann nach gegenwärtigem Erkenntnisstand auch nicht davon ausgegangen werden, dass die vorzeitige Dienstunfähigkeit in nennenswertem Umfang auf Krankheiten zurückzuführen ist, die man zum Zeitpunkt der Einstellungsentscheidung hätte vorhersagen können (Nationaler Ethikrat, Prädiktive Gesundheitsinformationen bei Einstellungsuntersuchungen: Stellungnahme, 2005, S. 59). Regelmäßig geht die vorzeitige Dienstunfähigkeit daher auf erst nachträglich eintretende Umstände zurück.

56

Eine entsprechende Prognosebeurteilung setzt eine hinreichende Tatsachenbasis voraus. Die gegenwärtig vorhandene gesundheitliche Eignung kann wegen künftiger Entwicklungen nur verneint werden, wenn durch tatsächliche Anhaltspunkte belegt werden kann, dass mit überwiegender Wahrscheinlichkeit vom Eintritt einer Dienstunfähigkeit vor Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze auszugehen ist.

57

Daher muss in aller Regel ein Mediziner eine fundierte medizinische Tatsachenbasis für die Prognose auf der Grundlage allgemeiner medizinischer Erkenntnisse und der gesundheitlichen Verfassung des Bewerbers erstellen. Er muss das Ausmaß der Einschränkungen feststellen und deren voraussichtliche Bedeutung für die Leistungsfähigkeit und für die Erfüllung der beruflichen Anforderungen medizinisch fundiert einschätzen. Dabei hat er verfügbare Erkenntnisse über den voraussichtlichen Verlauf chronischer Krankheiten auszuwerten und in Bezug zum gesundheitlichen Zustand des Bewerbers zu setzen.

58

Die medizinische Diagnose muss daher Anknüpfungs- und Befundtatsachen darstellen, die Untersuchungsmethoden erläutern und ihre Hypothesen sowie deren Grundlage offenlegen. Auf dieser Grundlage hat sie unter Ausschöpfung der vorhandenen Erkenntnisse zum Gesundheitszustand des Bewerbers eine Aussage über die voraussichtliche Entwicklung des Leistungsvermögens zu treffen, die den Dienstherrn in die Lage versetzt, die Rechtsfrage der gesundheitlichen Eignung im Sinne des Art. 33 Abs. 2 GG eigenverantwortlich zu beantworten (vgl. zur erforderlichen Prognosebasis auch BVerfG, Urteil vom 5. Februar 2004 - 2 BvR 2029/01 - BVerfGE 109, 133 <165>).

59

2. Die Verwaltungsgerichte haben über die gesundheitliche Eignung von Beamtenbewerbern zu entscheiden, ohne an tatsächliche oder rechtliche Wertungen des Dienstherrn gebunden zu sein; diesem steht insoweit kein Beurteilungsspielraum zu. Auch insoweit hält der Senat an seiner früheren Rechtsprechung nicht fest (vgl. Urteile 17. Mai 1962 - BVerwG 2 C 87.59 - Buchholz 232 § 31 BBG Nr. 6 S. 14 f. und vom 18. Juli 2001 - BVerwG 2 A 5.00 - Buchholz 232 § 31 BBG Nr. 60 S. 2).

60

Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG überträgt die Letztentscheidungsbefugnis für die Auslegung und Anwendung normativer Regelungen den Verwaltungsgerichten. Ein Beurteilungsspielraum der Verwaltung mit der Folge einer nur eingeschränkten gerichtlichen Kontrolldichte muss zum einen normativ angelegt sein, d.h. sich durch Normauslegung ermitteln lassen. Zum anderen muss die Bestimmung des Bedeutungsgehalts einer Rechtsnorm so vage oder ihre fallbezogene Anwendung so schwierig sein, dass die gerichtliche Kontrolle wegen der hohen Komplexität oder der besonderen Dynamik der geregelten Materie an die Funktionsgrenzen der Rechtsprechung stößt. Es reicht nicht aus, dass eine rechtliche Würdigung auf der Grundlage eines komplexen Sachverhalts zu treffen ist. Hinzu kommen muss, dass die Gerichte die Aufgabe, die entscheidungsrelevanten tatsächlichen Umstände festzustellen und rechtlich zu bewerten, selbst dann nicht bewältigen können, wenn sie im gebotenen Umfang auf die Sachkunde der Verwaltung zurückgreifen oder sich auf andere Weise sachverständiger Hilfe bedienen (BVerfG, Beschlüsse vom 17. April 1991 - 1 BvR 419/81 und 213/83 - BVerfGE 84, 34 <49 f.> und vom 31. Mai 2011 - 1 BvR 857/07 - BVerfGE 129, 1 <20 f.>; BVerwG, Urteil vom 28. Mai 2009 - BVerwG 2 C 33.08 - BVerwGE 134, 108 = Buchholz 240 § 58a BBesG Nr. 2 jeweils Rn. 11).

61

Diese Voraussetzungen sind in Bezug auf die Prognose der gesundheitlichen Eignung von Beamtenbewerbern nicht erfüllt:

62

Der Spielraum des Dienstherrn bei der Bestimmung der gesundheitlichen Anforderungen für eine Laufbahn rechtfertigt keine Einschränkung der gerichtlichen Kontrolldichte bei der Beurteilung der daran anknüpfenden gesundheitlichen Eignung. Dabei ist der Gesundheitszustand des Beamtenbewerbers in Bezug zu den Anforderungen der Beamtenlaufbahn zu setzen. Es ist zu beurteilen, ob der Bewerber den Anforderungen genügt und ob Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass sich daran bis zum Erreichen der gesetzlichen Altersgrenze mit überwiegender Wahrscheinlichkeit etwas ändert.

63

Wie dargestellt hat der Dienstherr die gesundheitliche Eignungsprognose auf der Grundlage einer fundierten medizinischen Tatsachengrundlage zu treffen. Es ist kein Grund dafür ersichtlich, dass die Verwaltungsgerichte im Gegensatz zum Dienstherrn gehindert wären, sich auf dieser Grundlage ein eigenverantwortliches Urteil über die voraussichtliche Entwicklung des Gesundheitszustandes und die Erfüllung der dienstlichen Anforderungen zu bilden. Dementsprechend ist anerkannt, dass dem Dienstherrn für die Beurteilung der Dienstunfähigkeit als Voraussetzung für die vorzeitige Versetzung eines Beamten in den Ruhestand kein Beurteilungsspielraum zusteht (vgl. nur Urteil vom 26. März 2009 - BVerwG 2 C 73.08 - BVerwGE 133, 297 = Buchholz 232 § 42 BBG Nr. 25 jeweils Rn. 14 f.).
...“

64

Diese Ausführungen hat das Bundesverwaltungsgericht in seinem Urteil vom 30. Oktober 2013 - 2 C 16.12 - (juris) teilweise wiederholt und ergänzend festgestellt, maßgeblicher Zeitpunkt für die Beurteilung der gesundheitlichen Eignung eines Probebeamten sei der Ablauf der Probezeit, nicht der Zeitpunkt des Erlasses der letzten Verwaltungsentscheidung. Die Voraussetzungen, denen ein Bewerber in gesundheitlicher Hinsicht genügen müsse, um sich durch die erfolgreiche Ableistung der Probezeit zu bewähren, ergäben sich aus den körperlichen Anforderungen, die der Beamte erfüllen müsse, um die Ämter seiner Laufbahn wahrnehmen zu können. Der Dienstherr lege diese Anforderungen in Ausübung seiner Organisationsgewalt fest; subjektive Rechte der Beamten würden hierdurch grundsätzlich nicht berührt. Diese Vorgaben bildeten den Maßstab, an dem die individuelle körperliche Leistungsfähigkeit der Bewerber zu messen sei.

65

Unter Berücksichtigung dieser höchstrichterlichen Grundsätze, denen sich der erkennende Senat anschließt, halten die angefochtenen Bescheide einer rechtlichen Überprüfung nicht stand.

66

Es fehlt bereits an der danach erforderlichen - hinreichend nachvollziehbaren - Festlegung der laufbahnbezogenen Anforderungen, denen die Klägerin in gesundheitlicher Hinsicht genügen muss. Die vorliegende Rechtssache ist somit nicht spruchreif. Im Hinblick darauf, dass der Dienstherr die laufbahnbezogenen gesundheitlichen Anforderungen in Ausübung seiner Organisationsgewalt festzulegen hat und ihm hierbei ein weiter Einschätzungsspielraum zusteht, ist der Senat daran gehindert, die fehlende Spruchreife selbst herbeizuführen. Das Verwaltungsgericht hat dem auf Neubescheidung gerichteten Hilfsantrag der Klägerin also zu Recht stattgegeben.

67

Auf der Grundlage der vom Beklagten im vorgenannten Sinne festzulegenden gesundheitlichen Anforderungen wird er sodann zu prüfen und zu entscheiden haben, ob die Klägerin diese Anforderungen zum Zeitpunkt des Ablaufes ihrer Probezeit erfüllt hat. Dabei wird der Beklagte die übrigen Vorgaben der vorangehend zitierten neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu berücksichtigen haben. Das gilt insbesondere hinsichtlich der Herstellung einer fundierten medizinischen Tatsachenbasis für die nachträglich anzustellende prognostische Entscheidung über die gesundheitliche Eignung der Klägerin sowie hinsichtlich des diesbezüglichen Prognosemaßstabes. Die bislang vorliegenden amtsärztlichen Gutachten über den Gesundheitszustand der Klägerin entsprechen den sich hierauf beziehenden Vorgaben der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht und stellen somit keine tragfähige Grundlage für die vom Beklagten nachträglich anzustellende prognostische Beurteilung der gesundheitlichen Eignung der Klägerin - hierbei handelt es sich um eine Rechtsfrage - dar.

68

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils auf §§ 167 VwGO i.V.m. 708 Nr. 10 ZPO.

69

Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der Gründe des § 132 Abs. 2 VwGO gegeben ist.


Tenor

Der angefochtene Beschluss wird mit Ausnahme der Streitwertfestsetzung geändert.

Die aufschiebende Wirkung der Klage vom 17. August 2015 – 2 K 5654/15 – gegen die Entlassungsverfügung der Bezirksregierung E.          vom 15. Juli 2015 wird wiederhergestellt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

Der Streitwert wird auch für das Beschwerdeverfahren auf die Wertstufe bis 13.000,00 Euro festgesetzt.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14

Tenor

Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 08.05.2017 – Aktenzeichen … – gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 28.04.2017 wird wiederhergestellt.

Der Antragsgegner trägt die Kosten des Verfahrens.

Der Streitwert wird auf 10.299,84 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller begehrt die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs gegen die unter Anordnung der sofortigen Vollziehung verfügte Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe.

2

Der am …1974 geborene Antragsteller ist von dem Antragsgegner mit Wirkung vom 01.07.2016 unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Brandamtmann (Besoldungsgruppe A 11) ernannt worden und war vom 01.07.2016 bis zum 26.01.2017 an der Landesfeuerwehrschule als Lehrgruppenleiter im Dezernat 1 – Lehrgruppe 1.1 (Berufsmäßige feuerwehrtechnische Ausbildungen) tätig. Vom 26.01.2017 bis 28.03.2017 war er krankgeschrieben. Seit der Wiederaufnahme des Dienstes wird er nicht mehr im Lehrbereich eingesetzt.

3

Schulleiter der Landesfeuerwehrschule waren in der Zeit vom 01.07.2016 bis 30.11.2016 Branddirektor xxx, in der Zeit vom 01.12.2016 bis 31.12.2016 Herr xxx und seit dem 01.01.2017 Regierungsrat xxx.

4

Am 20.01.2017 verfasste Branddirektor xxx einen Beurteilungsbeitrag für den Antragsteller für den Zeitraum vom 01.07.2016 bis 30.11.2016. Dessen Leistungsbewertung lautete auf die Gesamtnote „4“, wobei die Bewertungsskala von der Stufe „1“ („Die Anforderungen werden (noch) nicht erfüllt“) bis zu der Stufe „5“ („Die Anforderungen werden hervorragend übertroffen“) reicht. In der Leistungsbeurteilung wurde der Antragsteller zweimal mit der Bewertungsstufe „5“, siebenmal mit der Bewertungsstufe „4“ und siebenmal mit der Bewertungsstufe „3“ beurteilt. Die Begründung der Leistungsbewertung lautete:

5

„Für die Aufgaben als Lehrgruppenleiter an der LFS SH kann Herr A. auf einen äußerst umfangreichen Wissens- und Erfahrungsschatz seiner bisherigen beruflichen Stationen zurückgreifen. Dieses breitgefächerte Knowhow ist sowohl für die interne Entwicklung als auch für die externe Außenwirkung ein bedeutsamer Zugewinn für die Landesfeuerwehrschule Schleswig-Holstein. In Kombination mit seinem zusätzlich geleisteten FH-Studium überzeugt er stets fachlich fundiert bei allen theoretischen und praktischen Fragestellungen des abwehrenden und vorbeugenden Brandschutzes sowie der Technischen Hilfeleistung. Herrn A. kennzeichnet ein sehr markantes, souveränes und selbstbewusstes Auftreten. Er wirkt dabei in seiner Persönlichkeit sehr gereift und authentisch, ohne arrogant und dominant zu erscheinen. Er kennt die Grenzen seines Wirkens im Sozialgefüge des Kollegiums und richtet sein Verhalten darauf aus. Seine offene und direkte Art, in einer unverkennbaren … Mundart, kann bei einzelnen Kolleginnen und Kollegen missverstanden werden. Herr A. fügte sich in den ersten Monaten seines Wirkens sehr engagiert und reibungslos in das Gefüge der LFS-SH ein. Er beherzigt und respektiert stets die in der Lehre abgestimmte Schulmeinung sowie die etablierten Zuständigkeiten innerhalb des Lehrkraftkollegiums. Sehr vorausschauend und –denkend entwickelt Herr A. schon Wochen vor Lehrgangsbeginn eigeninitiativ ganzheitliche und lösungsorientierte Maßnahmevorschläge (z.B. Organisationspläne). Dabei agiert er umsichtig und besonnen und sorgt in einer für sich erkannten Bringeschuld für einen regelmäßigen Informationsaustausch mit seinem unmittelbaren Vorgesetzten und seinen Kolleginnen und Kollegen. Diese Eigenschaften zeichnen ihn besonders aus und heben ihn somit im Vergleich zu dem übrigen Lehrkraftkollegium auffällig positiv hervor. Für Lehrgangsteilnehmer wird Herr A. als Führungskraft-Vorbild angesehen. Herr A. ist sich darüber bewusst, dass die Entwicklung zur routinierten Lehrkraft noch nicht abgeschlossen sein kann.“

6

Die Befähigungsbewertung erfolgte zweimal mit „A“, sechsmal mit „B“ und zweimal mit „C“. Als Vorschlag für die weitere dienstliche Verwendung führte der Beitrag aus, der Antragsteller solle in seiner Funktion als Lehrgruppenleiter zum frühestmöglichen Zeitpunkt in die Besoldungsstufe A 12 befördert werden. Er sei für die Funktion des stellvertretenden Schulleiters sehr gut geeignet.

7

Am 23.02.2017 wurde dem Antragsteller für den Zeitraum vom 01.07.2016 bis 15.01.2017 eine anlassbezogene Beurteilung eröffnet, deren Leistungsbewertung auf die Gesamtnote „1“ lautete. Es sei ein Beurteilungsbeitrag des Branddirektors xxx für den Zeitraum vom 01.07.2016 bis 30.11.2016 geleistet worden. In der Leistungsbeurteilung wurde der Antragsteller neunmal mit der Bewertungsstufe „1“ und viermal mit der Bewertungsstufe „2“ beurteilt. Die Begründung der Leistungsbewertung lautete:

8

„Die Tätigkeit als Lehrgruppenleitung für die berufsmäßige feuerwehrtechnische Ausbildung umfasst insbesondere die bestimmungsmäßige Planung und Durchführung der insgesamt 8 monatigen Ausbildungsgänge; die Ausbildungsgänge schließen mit einer Führungsausbildung und einer Laufbahnprüfung der Teilnehmer/innen ab. Diese erfordert zwingend eine äußerst sorgsame und bestimmungsgerechte Planung und Durchführung der Ausbildungen. Diesen Anforderungen ist Herr A. trotz intensiver Einarbeitung (Bereitstellung vorhandener Ausbildungsunterlagen, längerfristige Hospitation zum Erwerb didaktischer, lehrtaktischer und fachlicher Fähigkeiten) und Begleitung durch Abstimmungsgespräche mit den Ausbildungsleitungen der Berufsfeuerwehren sowie Hinweisen und sachorientierten Vorgaben der Schulleitung nicht gerecht geworden. Zeitliche Planungsvorgaben werden nicht oder nur zeitverzögert umgesetzt, die Arbeitsergebnisse sind regelmäßig nachzuarbeiten; der erfolgreiche Abschluss von Ausbildungsgängen wäre ansonsten gefährdet.“

9

In der Befähigungsbewertung erhielt der Antragsteller viermal das Merkmal „C“ und sechsmal das Merkmal „D“. Ferner heißt es in der Beurteilung, eine Weiterverwendung als Lehrgruppenleiter oder Lehrkraft sei nicht möglich. Eine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis auf Probe sei anzustreben.

10

Gegen die Beurteilung erhob der Antragsteller eine Gegenvorstellung.

11

Nach Anhörung verfügte der Antragsgegner mit Bescheid vom 28.04.2017 mit Ablauf des 30.06.2017 die Entlassung des Antragstellers aus dem Beamtenverhältnis auf Probe und ordnete die sofortige Vollziehung an. Zur Begründung führte er im Wesentlichen an, der Antragsteller habe sich endgültig nicht bewährt. Hierfür führte er in dem Bescheid eine Reihe von Einzelvorfällen auf, wegen deren Einzelheiten auf die Gerichtsakte (Bl. 18 ff.) verwiesen wird. Ferner heißt es in dem Bescheid wörtlich:

12

„Aufgrund der vorstehend beschriebenen Umstände wurden Sie in der Ihnen mit Schreiben vom 23.02.2017 eröffneten dienstlichen Beurteilung zum Stichtag 15.01.2017 mit dem Zahlenwert 1 (die Anforderungen werden nicht erfüllt) beurteilt. Auf Grundlage dieses Ergebnisses enthält die Beurteilung als weitere Feststellung den Hinweis, dass Sie sich während der Probezeit nicht bewährt haben und eine Bewährung auch im Fall des Ausschöpfens der Zeitdauer der Probezeit bzw. der Verlängerung der Probezeit nicht zu erwarten ist. Entsprechend wird dort ebenfalls eine Entlassung aus dem Beamtenverhältnis vorgeschlagen“.

13

Zur Begründung der Anordnung der sofortigen Vollziehung wird ausgeführt, die schnellstmögliche Nachbesetzung der derzeit von dem Antragsteller belegten Stelle der Leitung der Lehrgruppe 1.1 sei dringend erforderlich, um den Erfolg der dort geleisteten Ausbildung zu gewährleisten. Die dargestellten Umstände zeigten deutlich, dass bereits eine Fehlbesetzung dieser Position dazu geeignet sei, den Ausbildungserfolg erheblich zu gefährden. Es liege jedoch im besonderen öffentlichen Interesse, diesen Ausbildungserfolg auch zukünftig für die jeweils im April beginnenden Gruppenausbildungslehrgänge und jeweils im November beginnenden Abschlusslehrgänge sicherzustellen. Dies könne auf angemessene Weise nur durch die schnellstmögliche Nachbesetzung der Stelle geschehen.

14

Der Widerspruch des Antragstellers vom 08.05.2017 ist bislang nicht beschieden worden.

15

Am 10.05.2017 hat der Antragsteller die Aufhebung der sofortigen Vollziehung bei dem Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht beantragt. Die Interessenabwägung erfolge unvollständig. Die Einschätzung des Antragsgegners könne sich letztlich nur auf Umstände stützen, die ab dem 01.12.2016 aufgetreten seien. Für den davor liegenden Zeitraum gebe es keine relevanten Vorwürfe oder Hinweise. Dies wäre mit dem deutlich besseren Beurteilungsbeitrag nicht in Einklang zu bringen. Die Einschätzung der dienstlichen Beurteilung korrespondiere weder mit dem Umstand, dass er im Wege der Bestenauslese unter mehreren Bewerbern ausgewählt worden sei noch mit seiner Berufserfahrung. Aufgrund der unterschiedlichen Einschätzungen sei ein Abwarten der Entscheidung über die Beurteilung angebracht. Eine Auseinandersetzung mit dem Beurteilungsbeitrag sei in der Beurteilung nicht erfolgt. Allenfalls wäre eine Verlängerung der Probezeit geboten gewesen.

16

Der Antragsteller beantragt wörtlich,

17

die Anordnung der sofortigen Vollziehung im Bescheid vom 28.04.2017 aufzuheben.

18

Der Antragsgegner beantragt,

19

den Antrag abzulehnen.

20

Bezüglich der Rechtmäßigkeit der Entlassungsverfügung sei auf deren Gründe zu verweisen. Aufgrund der festgestellten Tatsachen stehe endgültig fest, dass der Antragsteller sich nicht bewährt habe. Ein Ermessen, die Probezeit zu verlängern, stehe dem Dienstherrn nicht zu. Der bessere Beurteilungsbeitrag stehe dem nicht entgegen. Nicht die Beurteilung, sondern der der Beurteilung zugrunde liegende festgestellte Sachverhalt sei Grundlage der Entlassungsverfügung. Für die Rechtmäßigkeit der Entlassungsverfügung sei allein maßgebend, ob die herangezogenen Tatsachen zuträfen und ob sie die Entlassung rechtfertigten, nicht hingegen, ob eine in der Probezeit abgegebene Beurteilung den formellen Erfordernissen entspreche. Der Beurteilungsbeitrag des früheren Vorgesetzten sei gewertet worden, habe jedoch nicht zu einer besseren Beurteilung geführt, gemessen an den tatsächlichen Schlechtleistungen. In die ersten fünf Monate der Probezeit sei zudem die Einarbeitungsphase gefallen, in der kein eigenverantwortliches Arbeiten gefordert gewesen sei. Zudem sei Herr xxx in dieser Zeit größten Teils ausgefallen. Die Feststellung der Nichteignung beruhe auf dem Gesamtbild des Antragstellers. Der Beurteilungsbeitrag wirke lediglich intern. Die Entlassungsverfügung sei danach offensichtlich rechtmäßig. Der Antragsteller sei ab dem Tage der Eröffnung der Beurteilung krankgeschrieben gewesen. Seit der Wiederaufnahme des Dienstes werde er nicht mehr im Lehrbereich eingesetzt.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Akte und der Verwaltungsvorgänge des Antragsgegners Bezug genommen.

II.

22

Der Antrag ist zulässig. Er ist als Antrag auf Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs des Antragstellers vom 08.05.2017 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 28.04.2017 statthaft, § 80 Absatz 5 Satz 1 Variante 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Der wörtliche Antrag, die Anordnung der sofortigen Vollziehung im Bescheid vom 28.04.2017 aufzuheben, war entsprechend auszulegen, §§ 122 Absatz 1, 88 VwGO, weil sich aus dem Gesamtzusammenhang ergibt, dass sich das Rechtsschutzbegehren des Antragstellers nicht in der Überprüfung der formellen Rechtmäßigkeit der Anordnung des Sofortvollzugs erschöpft.

23

Der so verstandene Antrag ist begründet. Gemäß § 80 Absatz 5 VwGO kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag die aufschiebende Wirkung eines Rechtsbehelfs gegen einen Verwaltungsakt ganz oder teilweise wiederherstellen, wenn die sonst nach § 80 Absatz 1 VwGO eintretende aufschiebende Wirkung des Rechtsbehelfs dadurch entfallen ist, dass die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, nach § 80 Absatz 2 Nummer 4 VwGO die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten besonders angeordnet hat.

24

Im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach § 80 Absatz 5 VwGO nimmt das Gericht eine summarische Überprüfung der Sach- und Rechtslage vor. Maßgeblich ist hierbei die sich im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung darbietende Sach- und Rechtslage (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Rn. 147 zu § 80 m.w.N.). Erweist sich hiernach der angefochtene Verwaltungsakt als offensichtlich rechtswidrig, so ist die aufschiebende Wirkung wiederherzustellen, weil am Vollzug offensichtlich rechtswidriger Verwaltungsakte kein öffentliches Interesse bestehen kann. Der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz ist dagegen abzulehnen, wenn der angefochtene Verwaltungsakt als offensichtlich rechtmäßig und seine Vollziehung als eilbedürftig erscheint. Lässt sich dagegen bei summarischer Überprüfung weder die offensichtliche Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts noch dessen offensichtliche Rechtswidrigkeit feststellen, so trifft das Gericht seine Entscheidung im Wege der Abwägung zwischen dem öffentlichen Interesse am Sofortvollzug und dem privaten Interesse an der aufschiebenden Wirkung des Rechtsbehelfs (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Rn. 152 ff. zu § 80). Bei seiner Entscheidung hat das Gericht zu berücksichtigen, dass das allgemeine, jedem Gesetz innewohnende Interesse am Vollzug des Gesetzes allein grundsätzlich die Anordnung der sofortigen Vollziehung nicht rechtfertigt. Diese setzt vielmehr ein besonderes Interesse an der sofortigen Vollziehung voraus, das sich letztlich als Ergebnis einer Abwägung aller im konkreten Fall betroffenen öffentlichen und privaten Interessen unter Berücksichtigung der Art, Schwere und Dringlichkeit des Interesses an der Vollziehung bzw. an der aufschiebenden Wirkung und der Möglichkeit oder Unmöglichkeit einer etwaigen Rückgängigmachung der betreffenden Regelung und ihrer Folgen sowie der Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs, soweit sich diese bereits übersehen lassen, darstellt (Kopp/Schenke, a.a.O.).

25

Der Antragsgegner stützt die Entlassung des Antragstellers auf § 23 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 Beamtenstatusgesetz (BeamtStG). Danach können Beamtinnen auf Probe und Beamte auf Probe entlassen werden, wenn sie sich in der Probezeit nicht bewährt haben. Die Ernennung zur Beamtin auf Lebenszeit oder zum Beamten auf Lebenszeit ist nach § 10 Absatz 1 Satz 1 BeamtStG nur zulässig, wenn die Beamtin oder der Beamte sich in einer Probezeit von mindestens sechs Monaten und höchstens fünf Jahren bewährt hat. Entscheidend ist also, ob der Antragsteller sich in seiner Probezeit hinsichtlich der in § 9 BeamtStG genannten Kriterien der Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung bewährt hat (Oberverwaltungsgericht für das Land Schleswig-Holstein, Urteil vom 30.07.2014 – 2 LB 2/14 –, Rn. 42, juris). Dies folgt zudem aus Artikel 33 Absatz 2 Grundgesetz (GG), dessen Kriterien § 23 Absatz 3 Satz 1 Nummer 2 BeamtStG übernimmt. Die Entscheidung des Dienstherrn darüber, ob der Beamte sich in der Probezeit nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung bewährt hat, ist ein Akt wertender Erkenntnis seines für die Beurteilung zuständigen Organs. Dabei genügen bereits berechtigte Zweifel des Dienstherrn, ob der Beamte die Eignung und Befähigung besitzt und die fachlichen Leistungen erbringt, die für die Ernennung zum Beamten auf Lebenszeit notwendig sind, um eine Bewährung zu verneinen. Diese Entscheidung ist gerichtlich nur daraufhin überprüfbar, ob der Begriff der Bewährung und die gesetzlichen Grenzen des Beurteilungsspielraums verkannt worden sind, ob der Beurteilung ein unrichtiger Sachverhalt zugrunde liegt und ob allgemeine Wertmaßstäbe nicht beachtet oder sachfremde Erwägungen angestellt worden sind (vgl. BVerwG, Urteil vom 19.03.1998 – 2 C 5.97, Rn. 20; Urteil vom 31.05.1990 – 2 C 35.88 – jeweils juris und mit weiteren Nachweisen).

26

Gemäß § 19 Absatz 3 Landesbeamtengesetz (LBG) vom 26.03.2009 sind Eignung, Befähigung und fachliche Leistung der Beamtin oder des Beamten zweimal im Rahmen einer dienstlichen Beurteilung zu bewerten. Für die Feststellung der Bewährung gilt ein strenger Maßstab. Bei Entlassung wegen mangelnder Bewährung oder Verkürzung der Probezeit ist eine Beurteilung ausreichend. Gemäß § 8 Absatz 1 der Landesverordnung über die Laufbahnen der Beamtinnen und Beamten in Schleswig-Holstein (Allgemeine Laufbahnverordnung – ALVO) vom 19.05.2009 ist am Ende der Probezeit auf der Grundlage der nach § 19 Absatz 3 LBG erstellten dienstlichen Beurteilungen festzustellen, ob die Beamtin oder der Beamte sich für die Laufbahn bewährt hat. Eine erste Beurteilung soll spätestens bis zum Ablauf der Hälfte der abzuleistenden Probezeit erfolgen. Gemäß Absatz 3 werden Beamtinnen und Beamte, die sich nicht bewährt haben, entlassen (§ 23 Abs. 3 Nr. 2 BeamtStG). Wird die mangelnde Bewährung schon während der Probezeit festgestellt, ist die Entlassung bereits vor Ablauf der Probezeit vorzunehmen.

27

Danach sind Eignung, Befähigung und fachliche Leistung des Beamten auf Probe zweimal im Rahmen einer dienstlichen Beurteilung zu bewerten. Aus der dienstlichen Beurteilung ergibt sich, ob der Beamte sich in der Probezeit bewährt hat. Sie ist Grundlage für die Entscheidung des Dienstherrn darüber, ob der Beamte auf Probe zum Beamten auf Lebenszeit ernannt oder seine Probezeit verlängert oder seine Entlassung verfügt wird (Schütz/Maiwald, BeamtR, Gesamtausg. A und B, 405. AL September 2016, § 23, Rn. 122). Der Gesetzgeber hat damit das in der Vergangenheit zum Teil praktizierte Verfahren, die Bewährung in der Probezeit aufgrund einer formlosen Befähigungseinschätzung festzustellen, im Interesse der Transparenz und der Gleichbehandlung aller Beamten auf Probe durch ein formalisiertes Verfahren abgelöst. Dadurch haben dienstliche Beurteilungen einen erheblichen Bedeutungszuwachs erhalten. Deshalb wird eine Entscheidung über die Bewährung nur im Einklang mit dem Ergebnis der Beurteilung erfolgen können; deshalb ist bei der Erstellung der Beurteilung große Sorgfalt erforderlich. Ein Abweichen vom Ergebnis der Beurteilung ist nur dann zulässig, wenn Gesichtspunkten im Einzelfall höheres Gewicht zukommt, als der Beurteilung (vgl. Seeck in Seeck u.a., Landesbeamtengesetz Schleswig-Holstein, § 19 Anm. 4.1.1 in: Praxis der Kommunalverwaltung; vgl. ferner zum zwingenden Erfordernis einer Beurteilung für die Übertragung eines Amtes mit leitender Funktion Urteil der Kammer vom 23.01.2017 – 11 A 9/16).

28

Diesen Anforderungen wird die der Entlassungsentscheidung zugrunde liegende Feststellung der mangelnden Bewährung des Antragstellers nicht gerecht. Denn nach der im einstweiligen Rechtsschutz allein gebotenen summarischen Prüfung erweist sich die der Entlassungsentscheidung zugrunde gelegte Anlassbeurteilung als offensichtlich rechtswidrig.

29

In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist anerkannt, dass der Beurteiler Beurteilungsbeiträge eigenständig würdigen muss. Er hat die Feststellungen und Bewertungen des Beurteilungsbeitrags, soweit sie keinen Rechtsfehler aufweisen, zur Kenntnis zu nehmen und zu bedenken. Er ist an die Feststellungen und Bewertungen Dritter – und damit auch an einen Beurteilungsbeitrag – nicht gebunden, sondern kann zu abweichenden Erkenntnissen gelangen. Er übt seinen Beurteilungsspielraum jedoch nur dann rechtmäßig aus, wenn er die Beurteilungsbeiträge in seine Überlegungen einbezieht. Abweichungen – nicht dagegen die vollständige Übernahme – müssen nachvollziehbar begründet werden (BVerwG, Urteil vom 28.01.2016 – 2 A 1.14, Rn. 23; Urteil vom 26.09.2012 – 2 A 2.10, Rn. 11; Urteil vom 04.11.2010 – 2 C 16.09, Rn. 47 – jeweils zitiert nach juris). Bei einer Diskrepanz zwischen Beurteilungsbeitrag und Beurteilung ist eine dezidierte inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Beurteilungsbeitrag umso mehr geboten, als die aus Beurteilungsbeitrag und Beurteilung ersichtlichen Bewertungen deutlich differieren und die Zeitanteile des Beurteilungsbeitrags am gesamten Beurteilungszeitraum dies nahelegen (Lorse, Die dienstliche Beurteilung, 6. Aufl. 2016, Rn. 105, 105c, 256).

30

Die Anlassbeurteilung setzt sich mit dem Beurteilungsbeitrag vom 20.01.2017 inhaltlich nicht auseinander. Dieser wird zwar unter Ziffer 2.3.2 („Beteiligung früherer Vorgesetzter“) benannt. Auch wird der Zeitraum zutreffend bezeichnet. Es findet sich aber im Rahmen der Leistungsbewertung keine inhaltliche Bezugnahme. Dabei wäre eine eingehende Erörterung der überdeutlichen Diskrepanz zwischen dem Beurteilungsbeitrag und der Beurteilung erforderlich gewesen. Dies ergibt sich zum einen daraus, dass die Leistungsbewertungen in augenscheinlich unauflösbarem Widerspruch einander gegenüberstehen. So beschreibt beispielsweise der Beurteilungsbeitrag, dass der Antragsteller vorausschauend und –denkend schon Wochen vor Lehrgangsbeginn ganzheitliche Maßnahmevorschläge erarbeitet habe, während die Beurteilung dem Antragsteller bescheinigt, zeitliche Planungsvorgaben würden nicht oder nur zeitverzögert umgesetzt. Sowohl die Einzelbewertungen der Leistungs- wie auch der Befähigungsmerkmale weichen zudem sämtlich erheblich voneinander ab. Zum anderen wäre eine dezidierte Auseinandersetzung mit dem Beurteilungsbeitrag auch deshalb geboten gewesen, weil der Beurteilungsbeitrag den überwiegenden zeitlichen Anteil des Gesamtbeurteilungszeitraums abdeckt, womit Form, Umfang und Tiefe des Beurteilungsbeitrages auch korrespondieren (vgl. dazu BVerwG, Urteil vom 27.11.2014 – 2 A 10.13, Rn. 25 – juris). Der insoweit alleinige nachträgliche Vortrag, der Beurteilungsbeitrag sei gewürdigt worden, jedoch angesichts der krankheitsbedingten Fehlzeiten des Branddirektors xxx ohne weiteres Gewicht, stellt keine ausreichende Würdigung dar, die diesen Maßstäben genügt.

31

Für die Ausführungen des Antragsgegners, die Beurteilung sei nicht Grundlage der Entlassungsverfügung, sondern allein der auch der Beurteilung zugrundeliegende festgestellte Sachverhalt, finden sich weder im Beamtenstatusgesetz noch im Landesbeamtengesetz Anhaltspunkte. Vielmehr muss, wie ausgeführt, belastbare Grundlage einer Entlassungsverfügung die zu erstellende Anlassbeurteilung sein. Aus dem Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.01.1988 (2 B 64/87, Rn. 6 – juris) ergibt sich insoweit nichts anderes, denn – abgesehen davon, dass diese Entscheidung eine andere Rechtsgrundlage betrifft – geht es vorliegend nicht um die Frage, ob eine über die Probezeit abgegebene dienstliche Beurteilung den formellen Erfordernissen entspricht, sondern ob sie in sich schlüssig und damit plausibel ist und ob sie von einem vollständigen Sachverhalt ausgeht. Selbst wenn man aus dieser Entscheidung ableiten wollte, dass eine Anlassbeurteilung nicht zwingend herangezogen werden muss, so müsste sich der Antragsgegner dennoch daran festhalten lassen, dass er dies gleichwohl getan hat. Denn nicht nur die Entlassungsverfügung selbst nimmt die Beurteilung in Bezug (Bl. 23 d. Gerichtsakte). Es finden sich auch weitere Hinweise in der Verwaltungsakte, wonach das Ergebnis der Beurteilung ausschlaggebend für die Entlassungsverfügung war (vgl. etwa Vermerk Bl. 3 f. d. Beiakte „B“ sowie Vermerk Bl. 25 d. Beiakte „B“).

32

Selbst wenn man im Rahmen der gebotenen summarischen Überprüfung dazu käme, dass weder die offensichtliche Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsakts noch dessen offensichtliche Rechtswidrigkeit feststünden, so würde im Rahmen der dann gebotenen Folgenabwägung das Interesse des Antragstellers an der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs überwiegen. Die Gründe, aus denen der Antragsgegner sein überwiegendes Interesse an der Anordnung der sofortigen Vollziehung herleitet, resultieren im Kern sämtlich aus der Erwägung, den Dienstposten des Antragstellers zeitnah nachbesetzen zu wollen. Auch wenn die Sicherung der feuerwehrtechnischen Ausbildung ein wichtiges Gut darstellt, ließe sich dieses Ziel jedoch am einfachsten im Wege einer Umsetzung erreichen. Dies wird offenbar von dem Antragsgegner auch bereits praktiziert, denn er hat in seiner Antragserwiderung mitgeteilt, dass der Antragsteller seit der Wiederaufnahme des Dienstes nicht mehr im Lehrbereich eingesetzt werde (Bl. 39 d. Gerichtsakte). Da die Entlassung aus dem Dienst erst mit Ablauf des 30.06.2017 erfolgen soll, setzt dieses Vorgehen voraus, dass der Antragsteller auf einen anderen Dienstposten mit einer anderen Dienstpostenbeschreibung umgesetzt worden ist.

33

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Absatz 1 VwGO. Die Streitwertfestsetzung beruht, ausgehend von monatlichen Dienstbezügen des Antragstellers in Höhe von 3.433,28 EUR (vgl. A 11 Erfahrungsstufe 6 – Bescheid des DLZP vom 09.09.2016), auf § 52 Absatz 6 Satz 1 Nummer 2 Gerichtskostengesetz (GKG) [41.199, 36 / 2 = 20.599, 68 / 2 = 10.299,84 EUR].


(1) Beamtinnen und Beamte sind zu entlassen, wenn sie

1.
den Diensteid oder ein an dessen Stelle vorgeschriebenes Gelöbnis verweigern,
2.
nicht in den Ruhestand oder einstweiligen Ruhestand versetzt werden können, weil eine versorgungsrechtliche Wartezeit nicht erfüllt ist,
3.
dauernd dienstunfähig sind und das Beamtenverhältnis nicht durch Versetzung in den Ruhestand endet,
4.
die Entlassung in schriftlicher Form verlangen oder
5.
nach Erreichen der Altersgrenze berufen worden sind.
Im Fall des Satzes 1 Nr. 3 ist § 26 Abs. 2 entsprechend anzuwenden.

(2) Beamtinnen und Beamte können entlassen werden, wenn sie in Fällen des § 7 Abs. 2 die Eigenschaft als Deutsche oder Deutscher im Sinne des Artikels 116 Absatz 1 des Grundgesetzes verlieren.

(3) Beamtinnen auf Probe und Beamte auf Probe können entlassen werden,

1.
wenn sie eine Handlung begehen, die im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit mindestens eine Kürzung der Dienstbezüge zur Folge hätte,
2.
wenn sie sich in der Probezeit nicht bewährt haben oder
3.
wenn ihr Aufgabengebiet bei einer Behörde von der Auflösung dieser Behörde oder einer auf landesrechtlicher Vorschrift beruhenden wesentlichen Änderung des Aufbaus oder Verschmelzung dieser Behörde mit einer anderen oder von der Umbildung einer Körperschaft berührt wird und eine andere Verwendung nicht möglich ist.
Im Fall des Satzes 1 Nr. 2 ist § 26 Abs. 2 bei allein mangelnder gesundheitlicher Eignung entsprechend anzuwenden.

(4) Beamtinnen auf Widerruf und Beamte auf Widerruf können jederzeit entlassen werden. Die Gelegenheit zur Beendigung des Vorbereitungsdienstes und zur Ablegung der Prüfung soll gegeben werden.

Die Ernennung zur Beamtin auf Lebenszeit oder zum Beamten auf Lebenszeit ist nur zulässig, wenn die Beamtin oder der Beamte sich in einer Probezeit von mindestens sechs Monaten und höchstens fünf Jahren bewährt hat. Von der Mindestprobezeit können durch Landesrecht Ausnahmen bestimmt werden.

(1) Beamtinnen und Beamte sind zu entlassen, wenn sie

1.
den Diensteid oder ein an dessen Stelle vorgeschriebenes Gelöbnis verweigern,
2.
nicht in den Ruhestand oder einstweiligen Ruhestand versetzt werden können, weil eine versorgungsrechtliche Wartezeit nicht erfüllt ist,
3.
dauernd dienstunfähig sind und das Beamtenverhältnis nicht durch Versetzung in den Ruhestand endet,
4.
die Entlassung in schriftlicher Form verlangen oder
5.
nach Erreichen der Altersgrenze berufen worden sind.
Im Fall des Satzes 1 Nr. 3 ist § 26 Abs. 2 entsprechend anzuwenden.

(2) Beamtinnen und Beamte können entlassen werden, wenn sie in Fällen des § 7 Abs. 2 die Eigenschaft als Deutsche oder Deutscher im Sinne des Artikels 116 Absatz 1 des Grundgesetzes verlieren.

(3) Beamtinnen auf Probe und Beamte auf Probe können entlassen werden,

1.
wenn sie eine Handlung begehen, die im Beamtenverhältnis auf Lebenszeit mindestens eine Kürzung der Dienstbezüge zur Folge hätte,
2.
wenn sie sich in der Probezeit nicht bewährt haben oder
3.
wenn ihr Aufgabengebiet bei einer Behörde von der Auflösung dieser Behörde oder einer auf landesrechtlicher Vorschrift beruhenden wesentlichen Änderung des Aufbaus oder Verschmelzung dieser Behörde mit einer anderen oder von der Umbildung einer Körperschaft berührt wird und eine andere Verwendung nicht möglich ist.
Im Fall des Satzes 1 Nr. 2 ist § 26 Abs. 2 bei allein mangelnder gesundheitlicher Eignung entsprechend anzuwenden.

(4) Beamtinnen auf Widerruf und Beamte auf Widerruf können jederzeit entlassen werden. Die Gelegenheit zur Beendigung des Vorbereitungsdienstes und zur Ablegung der Prüfung soll gegeben werden.

Gründe

1

Die Beschwerde des Beklagten hat mit der Maßgabe Erfolg, dass die Sache gemäß § 133 Abs. 6 VwGO an den Verwaltungsgerichtshof zurückzuverweisen ist.

2

1. Der 1967 geborene Kläger war von Februar 2002 bis Mitte September 2005 als angestellter Lehrer zunächst an einer Mädchenschule kirchlicher Trägerschaft und anschließend an einer staatlichen Schule tätig. Mit Wirkung zum 12. September 2005 wurde der Kläger unter Berufung in das Beamtenverhältnis auf Probe zum Studienrat zur Anstellung ernannt. Er war an einem staatlichen Gymnasium als Lehrer für Mathematik und Physik tätig. Im Juli 2006 teilte ein im August 1992 geborener Schüler der Leitung der Schule mit, er sei vom Kläger im Sommer 2005 bei Aufenthalten in Sommerlagern eines Sportvereins, für den der Kläger auch als Trainer tätig war, wiederholt im Genitalbereich berührt worden. Das vom Staatsministerium für Unterricht und Kultus (Staatsministerium) eingeleitete Verfahren zur Entlassung des Klägers aus dem Beamtenverhältnis auf Probe wurde im August 2006 ausgesetzt, um das Ergebnis der strafrechtlichen Ermittlungen abzuwarten. Dem Kläger wurde im September 2006 bestandskräftig die Weiterführung seiner Dienstgeschäfte verboten.

3

Das Amtsgericht verurteilte den Kläger im Oktober 2008 wegen sexuellen Missbrauchs von Kindern in fünf selbstständigen Fällen, jeweils in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch von Schutzbefohlenen, in zwei Fällen zudem in Tateinheit mit sexuellem Missbrauch widerstandsunfähiger Personen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren. Der Kläger habe bei drei Trainingslagern im Sommer 2005 an einem minderjährigen Jungen, dessen Alter ihm bekannt gewesen sei, sexuelle Handlungen vorgenommen, nachdem er es organisiert habe, dass er mit diesem Jungen, dessen Angaben glaubhaft seien, in einer engen Kammer eines Zeltes gemeinsam geschlafen habe. Anfang März 2010 hob das Landgericht das Urteil des Amtsgerichts auf und sprach den Kläger - rechtskräftig - frei. Zur Begründung verwies das Gericht darauf, es habe nicht mit der für eine strafgerichtliche Verurteilung erforderlichen Sicherheit feststellen können, dass es zu den dem Kläger zur Last gelegten sexuellen Übergriffen gegenüber dem Jungen gekommen sei.

4

Mitte September 2010 verfügte das Staatsministerium die Entlassung des Klägers aus dem Beamtenverhältnis auf Probe wegen fehlender charakterlicher und gesundheitlicher Eignung für eine Tätigkeit als Lehrkraft im Gymnasialschuldienst.

5

Das Verwaltungsgericht hat die vom Kläger gegen die Entlassungsverfügung erhobene Klage abgewiesen. Der Verwaltungsgerichtshof hat das Urteil des Verwaltungsgerichts sowie die Entlassungsverfügung des Staatsministeriums vom 16. September 2010 in der Fassung des Ergänzungsbescheids vom 17. August 2011 und unter Berücksichtigung der vom Beklagten zu Protokoll gegebenen Erklärungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht vom 27. März 2012 aufgehoben. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt:

6

Es sei nicht festzustellen, dass der Kläger in gesundheitlicher oder körperlicher Hinsicht ungeeignet sei. Ließen sich gesicherte Feststellungen zur gesundheitlichen Verfassung eines Probebeamten nicht treffen, gehe dies zu Lasten des Dienstherrn. Nach den nachvollziehbaren und in sich schlüssigen Ausführungen des vom Gericht bestellten Sachverständigen leide der Kläger nicht an einer sexuellen Präferenzstörung in Form der Pädophilie. Auch für eine pädohebephile Orientierung lägen keine objektiven und belastbaren Umstände vor. Die Voraussetzungen der beiden Systeme zur Klassifikation der Pädophilie seien nicht erfüllt. Der Kläger verspüre keine intensiven sexuellen Impulse und berichte nicht von wiederholt auftretenden sexuellen Phantasien, die sich auf ungewöhnliche Gegenstände oder Aktivitäten bezögen. Zwar könne die Diagnose der Pädophilie auch dann gestellt werden, wenn der Betroffene das Interesse an Kindern leugne, sofern er sich mehreren Kindern bei verschiedenen Gelegenheiten sexuell genähert habe. Dies treffe auf den Kläger aber nicht zu. Den Ausführungen des vom Beklagten beauftragten Gutachters könne nicht gefolgt werden. Bei der Bewertung müssten die inkriminierten Sachverhalte wegen der Unschuldsvermutung außer Betracht bleiben. Nach einem rechtskräftigen Freispruch sei das Äußern eines Schuldverdachts gegen den Betroffenen mit dem Grundsatz der Unschuldsvermutung, die eine besondere Ausprägung des Rechtsstaatsprinzips sei und damit Verfassungsrang habe, unvereinbar. Weder der Umstand, dass der Kläger Nachhilfeunterricht erteilt habe, noch sein außerordentliches pädagogisches Engagement im Sportbereich rechtfertigten den Rückschluss auf eine pädophile Neigung des Klägers. Auch die Ergebnisse des Affinity-Tests, wenn man diesen Test überhaupt heranziehen wollte, sprächen nicht für eine Pädophilie des Klägers. Der Gutachter des Beklagten habe die entscheidende Feststellung, dass bei dem Kläger keine pädophile Neigung habe festgestellt werden können, unterschlagen. Es handele sich um ein Parteigutachten, das ersichtlich von einem gewünschten Ergebnis getragen sei. Auch die die Verfügung selbstständig tragende Annahme der fehlenden charakterlichen Eignung des Klägers sei rechtsfehlerhaft. Die vom Beklagten vorgebrachten Zweifel an der charakterlichen Eignung des Klägers bewegten sich im Bereich bloßer Mutmaßungen. Nach den gutachterlichen Feststellungen bestehe beim Kläger keine pädophile Neigung. Zwar habe der Beklagte für die von ihm angenommenen Grenzverletzungen im Lehrer-Schüler-Verhältnis konkrete Verhaltensweisen des Klägers benannt. Aber auch diese rechtfertigten die Entlassung des Klägers wegen mangelnder charakterlicher Eignung ohne vorherige Abmahnung nicht. Die dem Kläger vorgehaltene Distanzlosigkeit gegenüber Schülern sei zuvor nicht thematisiert worden. Die dem Kläger vorgeworfenen Verhaltensweisen könnten aufgegeben und geändert werden, sodass ein behebbarer Mangel gegeben sei.

7

2. Der Verwaltungsgerichtshof hat im angegriffenen Urteil wiederholt darauf abgehoben, bei der Bewertung der Eignung des Klägers dürften die "inkriminierten Sachverhalte" nicht mehr berücksichtigt werden. Dies sei Folge der Rechtskraft des den Kläger freisprechenden Strafurteils sowie der Unschuldsvermutung. Beide Aspekte tragen die rechtliche Schlussfolgerung des Berufungsgerichts nicht.

8

a) Die Entscheidung über die Bewährung eines Beamten auf Probe während der Probezeit aufgrund von § 10 Satz 1 und § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG knüpft anders als § 24 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG nicht an ein den Beamten rechtskräftig wegen einer vorsätzlichen Tat verurteilenden Strafurteil eines deutschen Gerichts an. Ist der Beamte vom Vorwurf einer Straftat rechtskräftig freigesprochen worden, so sind andere Gerichte an diese Wertung des Sachverhalts durch das Strafgericht grundsätzlich nicht gebunden, soweit es bei ihren Verfahren nicht um die strafrechtliche Verantwortlichkeit des Betroffenen geht. Eine Bindung anderer Gerichte oder auch von Behörden an das Ergebnis eines strafgerichtlichen Verfahrens tritt nur ein, wenn und soweit der Gesetzgeber dies ausdrücklich anordnet, wie er dies z.B. in § 190 Satz 2 StGB oder in § 14 Abs. 2 BDG getan hat. Eine solche gesetzliche Vorschrift besteht hier nicht.

9

Jenseits solcher Fälle einer gesetzlich ausdrücklich angeordneten Bindungswirkung ist bei einem freisprechenden strafgerichtlichen Urteil die materielle Rechtskraft auf den Tenor beschränkt. Das Urteil regelt insoweit die zukünftige Zulässigkeit von strafrechtlichen Sanktionen gegen denselben Täter wegen derselben Tat. Materielle strafrechtliche Rechtsfolgen wegen dieser Tat sind für die Zukunft grundsätzlich (vgl. z.B. die Wiederaufnahme zuungunsten des Angeklagten nach § 362 StPO) ausgeschlossen (Fischer, in: Karlsruher Kommentar, StPO, 7. Aufl. 2013, Einleitung Rn. 482 f.). Auf die Entscheidungsgründe eines Urteils bezieht sich die Wirkung der Rechtskraft dagegen nicht. Auch hinsichtlich der tatsächlichen Feststellungen tritt keine Rechtskraft ein.

10

Der Bundesgerichtshof geht davon aus, dass in einem späteren Strafverfahren das dort entscheidende Gericht hinsichtlich der Würdigung des Geschehens nicht an die Bewertungen in einem rechtskräftigen strafgerichtlichen Urteil gebunden ist. Vielmehr muss sich das neu entscheidende Tatgericht ohne Bindung an das frühere Urteil eine eigene Überzeugung verschaffen (BGH, Beschluss vom 3. Juni 1997 - 1 StR 183/97 - BGHSt 43, 106 <108 f.>; Urteil vom 30. März 2004 - 1 StR 354/03 - NStZ-RR 2004, 238 <240>). Dies gilt z.B. für die Frage einer etwaigen Bindungswirkung der Feststellungen eines rechtskräftigen Urteils gegen den Täter eines Betäubungsmitteldelikts im weiteren Strafverfahren gegen einen Gehilfen. In diesem weiteren Strafverfahren muss sich das Tatgericht hinsichtlich der Haupttat ungeachtet der Rechtskraft des den Haupttäter verurteilenden Strafurteils eine eigene Gewissheit verschaffen (BGH, Beschluss vom 9. März 2010 - 4 StR 640/09 - NStZ 2010, 529).

11

b) Die Unschuldsvermutung hat ihre Wurzeln im Rechtsstaatsprinzip (Art. 20 Abs. 3 GG) und wird auch in Art. 6 Abs. 2 EMRK ausdrücklich hervorgehoben (BVerfG, Beschluss vom 16. März 2006 - 2 BvR 170/06 - NJW 2006, 1336 Rn. 21).

12

Die Unschuldsvermutung schützt den Beschuldigten vor Nachteilen, die Schuldspruch oder Strafe gleichkommen, denen aber kein rechtsstaatliches prozessordnungsgemäßes Verfahren zur Schuldfeststellung und Strafzumessung vorausgegangen ist, nicht jedoch vor Rechtsfolgen, die keinen Strafcharakter haben (BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1990 - 2 BvR 254, 1343/88 - BVerfGE 82, 106 <117>; Kammerbeschlüsse vom 16. Mai 2002 - 1 BvR 2257/01 - NJW 2002, 3231 f. = juris Rn. 9 ff. und vom 29. Oktober 2015 - 2 BvR 388/13 - juris Rn. 31 m.w.N.). Bei einem Freispruch aus Mangel an Beweisen dürfen z.B. die nicht ausgeräumten Verdachtsmomente zur Rechtfertigung von Rechtsfolgen herangezogen werden, die ihrerseits weder Strafcharakter haben noch dem Betroffenen in einer strafgerichtlichen Entscheidung Schuld zuweisen (BVerfG, Kammerbeschluss vom 16. Mai 2002 - 1 BvR 2257/01 - NJW 2002, 3231 f. = juris Rn. 11 m.w.N. zur Zulässigkeit einer Speicherung und Verwendung von im Strafermittlungsverfahren gewonnenen Daten zur Verhütung oder Verfolgung künftiger Straftaten nach einem rechtskräftigen Freispruch vom Vorwurf des sexuellen Missbrauchs von Kindern).

13

Die Beurteilung der gesundheitlichen und charakterlichen Eignung eines Beamten auf Probe im Rahmen von § 10 Satz 1 und § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG dient der Sicherung der Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung, indem die Lebenszeitverbeamtung von solchen Probebeamten ausgeschlossen wird, die sich in der Probezeit nicht bewährt haben. Nach den Kriterien, die der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte bei der Qualifikation einer staatlichen Maßnahme als strafrechtliches Verfahren im Sinne von Art. 6 EMRK zugrunde legt (EGMR, Urteil vom 8. Juni 1976 - 5100/71 - EGMR-E 1,178 - Engel u.a./Niederlande), handelt es sich bei der Entlassung eines Probebeamten wegen fehlender Bewährung in der Probezeit nicht um ein Strafverfahren. Weder ordnet das innerstaatliche Recht der Bundesrepublik das Geschehen als Strafverfahren ein, noch spricht die Natur des Vergehens für ein Strafverfahren noch hat die Rechtsfolge Strafcharakter oder will abschrecken.

14

Auf Verfahren, die nach ihrer Zielsetzung nicht auf die Feststellung und Ahndung strafrechtlicher Schuld gerichtet sind, sondern die außerhalb der eigentlichen Strafrechtspflege eine Entscheidung über andere Rechtsfolgen eines (auch) strafrechtlich relevanten Sachverhalts zum Gegenstand haben, erstreckt sich die Unschuldsvermutung nach Art. 6 Abs. 2 EMRK nicht (Esser, in Löwe-Rosenberg, StPO, Bd. 11, 26. Aufl. 2012, EMRK, Art. 6 Rn. 520 ff.). Diese anderweitigen Entscheidungen von Verwaltungsbehörden oder auch Zivil- und Verwaltungsgerichten, die sich nach anderen rechtlichen Voraussetzungen beurteilen als eine strafgerichtliche Verurteilung, dürfen aber keine strafrechtliche Verantwortlichkeit des Betroffenen zum Ausdruck bringen oder dessen strafrechtliche Schuld feststellen (Meyer-Ladewig, EMRK, 3. Aufl. 2011, Art. 6 Rn. 217; Karpenstein/Mayer, EMRK, 2. Aufl. 2015, Art. 6 Rn. 168 jeweils m.w.N.).

15

3. Das angegriffene Urteil weicht mit der Ansicht, bei der Bewertung der gesundheitlichen und charakterlichen Eignung des Klägers müssten die "inkriminierten Sachverhalte" wegen der Unschuldsvermutung (Art. 6 Abs. 2 EMRK) in jeglicher Hinsicht unberücksichtigt bleiben, im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO von Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts ab und beruht auf dieser Abweichung. Art. 6 Abs. 2 EMRK, auf den sich sowohl die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts als auch das Berufungsurteil beziehen, hat aufgrund des Zustimmungsgesetzes des Bundes (Gesetz über die Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 7. August 1952, BGB II, S. 685) innerstaatlich den Rang eines Bundesgesetzes (BVerfG, Urteil vom 4. Mai 2011 - 2 BvR 2365/09 u.a. - BVerfGE 128, 326 <367>).

16

Das Bundesverfassungsgericht hat wiederholt entschieden, dass die Unschuldsvermutung den Betreffenden nicht vor Nachteilen schützt, die keinen Strafcharakter haben (BVerfG, Beschluss vom 29. Mai 1990 - 2 BvR 254, 1343/88 - BVerfGE 82, 106 <117>; Kammerbeschlüsse vom 16. Mai 2002 - 1 BvR 2257/01 - NJW 2002, 3231 f. = juris Rn. 9 ff. und vom 29. Oktober 2015 - 2 BvR 388/13 - juris Rn. 31 m.w.N.). Die Beurteilung der gesundheitlichen und charakterlichen Eignung eines Beamten auf Probe im Rahmen von § 10 Satz 1 und § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG hat keinen solchen Strafcharakter, sondern dient der Sicherung der Leistungsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung. Der Verwaltungsgerichtshof ist in seiner Entscheidung von einem rechtsgrundsätzlich abweichenden umfassenderen Verständnis des Art. 6 Abs. 2 EMRK ausgegangen.

17

Das angegriffene Urteil beruht im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO auch auf dieser Abweichung, weil es sich auf den gerichtlich bestellten Gutachter stützt, der entsprechend der Vorgabe des Berufungsgerichts die "inkriminierten Sachverhalte" unberücksichtigt gelassen hat. Dem vom Beklagten beauftragten Gutachter ist der Verwaltungsgerichtshof gerade mit der Begründung nicht gefolgt, dieser habe ausgehend von den "inkriminierten Sachverhalten" ein Hypothesengebäude aufzubauen versucht, das nicht überzeuge.

18

3. Die in der Beschwerdebegründung als rechtsgrundsätzlich bedeutsam bezeichnete Frage,

ob "bei einer Prüfung der Bewährung im Sinne des § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG ein Geschehen ohne Verstoß gegen Art. 6 Abs. 2 EMRK auch dann ganz oder in Teilen verwertet werden kann, wenn es in einem vorangegangenen Strafverfahren als nicht erwiesen gewürdigt wurde",

lässt sich ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zur Reichweite der Unschuldsvermutung des Art. 6 Abs. 2 EMRK auch ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens klären. Auch das Bundesverwaltungsgericht geht davon aus, dass die Unschuldsvermutung für gerichtliche oder behördliche Entscheidungen - z.B. über die Ausweisung eines Ausländers oder über ein Vereinsverbot - nicht von ausschlaggebender Bedeutung ist, weil es sich insoweit weder um eine repressive Strafe noch um eine individuelle Schuldzuweisung handelt (BVerwG, Urteile vom 17. Juni 1998 - 1 C 27.96 - BVerwGE 107, 58 <63> und vom 7. Januar 2016 - 1 A 3.15 - BVerwGE 154, 22 Rn. 44).

19

4. Ausgehend von der Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs, die "inkriminierten Sachverhalte" dürften zur Prüfung der Eignung des Klägers im Sinne von § 10 Satz 1 und § 23 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG nicht herangezogen werden, leidet das Berufungsurteil des Weiteren an einem vom Beklagten geltend gemachten Verfahrensfehler, auf dem die Entscheidung auch beruhen kann (§ 133 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

20

a) Die Würdigung des Verwaltungsgerichtshofs, der Kläger sei nicht gesundheitlich ungeeignet, beruht auf einem Verstoß gegen den Überzeugungsgrundsatz, weil das Berufungsgericht den festgestellten Sachverhalt nicht vollständig berücksichtigt hat.

21

Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO entscheidet das Gericht nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. Daraus folgt die Verpflichtung, der Überzeugungsbildung den im Verfahren festgestellten Sachverhalt vollständig und richtig zugrunde zu legen. Das Gericht darf nicht einzelne entscheidungserhebliche Tatsachenfeststellungen oder Beweisergebnisse bei der Würdigung des Sachverhalts außer Acht lassen, insbesondere nicht Umstände übergehen, deren Entscheidungserheblichkeit sich ihm hätte aufdrängen müssen. In solchen Fällen fehlt es an einer tragfähigen Tatsachengrundlage für die innere Überzeugungsbildung des Gerichts (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 18. November 2008 - 2 B 63.08 - Buchholz 235.1 § 17 BDG Nr. 1 Rn. 27 und vom 9. Oktober 2014 - 2 B 60.14 - Buchholz 235.1 § 13 BDG Nr. 26 Rn. 40 ff.).

22

In dem an den Gutachter gerichteten Begleitschreiben zum Beweisbeschluss vom 19. März 2015 hat das Berufungsgericht dem Gutachter vorgegeben, dass bei der Begutachtung, ob beim Kläger eine sexuelle Präferenzstörung in der Form der Pädophilie vorliege, das diesen freisprechende strafrechtliche Urteil zu beachten sei. In dem auf das Gutachten des gerichtlich bestellten Sachverständigen gestützten Berufungsurteil ist der Verwaltungsgerichtshof durchgängig davon ausgegangen, aus Rechtsgründen an der Berücksichtigung der "inkriminierten Sachverhalte" gehindert zu sein.

23

Bei der Frage, ob das Berufungsurteil an einem Verfahrensmangel im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO leidet, ist der materiell-rechtliche Standpunkt des Berufungsgerichts maßgeblich, auch wenn dieser Standpunkt verfehlt sein sollte (stRspr, vgl. BVerwG, Urteil vom 25. März 1987 - 6 C 10.84 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 183 S. 4 = juris Rn. 16). Aber selbst auf der Grundlage der Rechtsansicht, die Rechtskraft des strafgerichtlichen Urteils sowie die Unschuldsvermutung stünden der Berücksichtigung der "inkriminierten Sachverhalte" entgegen, hätte der Verwaltungsgerichtshof die Aspekte, die nicht Bestandteil des eigentlichen strafrechtlichen Vorwurfs des sexuellen Missbrauchs von Kindern, des sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen und des sexuellen Missbrauchs widerstandsunfähiger Personen waren, in den Blick nehmen müssen. Dies gilt insbesondere für den - jenseits der Tatbestandshandlungen dieser Delikte liegenden - Umstand, dass der Kläger dem damals knapp 13-jäh-rigen Jungen jeweils vorgeschlagen hatte, während der Trainingslager bei ihm in einem recht beengten Zelt zu übernachten. Hieraus können sich ohne Weiteres Anhaltspunkte für eine - vom Verwaltungsgerichtshof so bezeichnete - "unnatürliche" Verhaltensweise des Klägers und einen eignungsrelevanten Mangel an gebotener körperlicher Distanz zu ihm anvertrauten Kindern ergeben.

24

b) Auf die übrigen vom Beklagten geltend gemachten Verfahrensmängel kommt es nicht mehr an.

25

5. Im Interesse der Verfahrensbeschleunigung macht der Senat von der Ermächtigung des § 133 Abs. 6 VwGO Gebrauch, die Berufungsentscheidung aufzuheben und den Rechtsstreit an das Berufungsgericht zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen.

26

Für das erneute Berufungsverfahren weist der Senat auf das Folgende hin: Die konkrete Begründung, auf die der Beklagte die Entlassung des Klägers aus dem Beamtenverhältnis auf Probe gestützt hat, ist unerheblich. Da die Begründung eines belastenden Verwaltungsakts ein allein formelles Erfordernis ist, ist für die Rechtmäßigkeit des Verwaltungsakts im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO nur maßgeblich, ob die Voraussetzungen der tatsächlich einschlägigen Ermächtigungsgrundlage vorliegen.

27

Dementsprechend hat der Verwaltungsgerichtshof nunmehr durch eine eigenständige Beweisaufnahme zu klären, ob der Kläger im Juni und Juli 2005 an einem ihm anvertrauten Jungen sexuelle Handlungen vorgenommen hat. Lässt sich dies nicht aufklären, ist weiter zu prüfen, ob andere Umstände den Schluss der mangelnden Bewährung des Klägers in der Probezeit rechtfertigen. Dabei hat der Verwaltungsgerichtshof sämtliche vorliegenden Unterlagen auszuwerten, insbesondere die Akten des Strafverfahrens. Es ist auch zu klären, ob es dem Kläger im Rahmen der - mehrtägigen - Veranstaltungen darauf angekommen ist, mit einem oder mehreren der Jungen in einem Zelt zu übernachten, und, sofern ein solches Bemühen des Klägers nachweisbar ist, mit welchen Mitteln der Kläger dieses Ziel verfolgt hat. Zu klären sind ferner die räumlichen Verhältnisse, unter denen der Kläger gemeinsam mit den ihm anvertrauten Jungen übernachtet hat. Hinweise ergeben sich z.B. aus dem Schriftsatz des Verteidigers des Klägers im Strafverfahren vom 6. Oktober 2008, dem eine Skizze des Zelts beigefügt ist.

28

Im Hinblick auf die Ausführungen im Berufungsurteil zum Erfordernis einer vorherigen "Abmahnung" des betroffenen Beamten weist der Senat darauf hin, dass es im Lehrer-Schüler-Verhältnis, das stets von einer ausreichenden körperlichen Distanz geprägt sein muss, auch Verhaltensweisen gibt, die auch ohne vorherigen Hinweis des Dienstherrn auf ihre Unangemessenheit den Schluss rechtfertigen, der betreffende Lehrer habe sich im Laufe der Probezeit nicht bewährt. Soweit der Verwaltungsgerichtshof beanstandet, ein solches Verhalten sei gegenüber dem Kläger zuvor nicht "thematisiert" worden, wird im Übrigen zu berücksichtigen sein, dass die Verhaltensweisen des Klägers erst im Rahmen des strafrechtlichen Ermittlungsverfahrens bekanntgeworden sind.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.