Verwaltungsgericht Regensburg Urteil, 13. Nov. 2014 - RN 5 K 14.1125

bei uns veröffentlicht am13.11.2014

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen mehrere hygienebezogene gaststättenrechtliche Anordnungen.

Am 28.05.2014 wurde in der klägerischen Schank- und Speisewirtschaft „Landgasthof ...“ eine planmäßige Routinekontrolle durchgeführt. Bei dieser Kontrolle wurden Mängel festgestellt, deren unverzügliche Beseitigung unter Ankündigung einer Nachkontrolle am 05.06.2014 angeordnet wurde.

Bei der dann erfolgten Nachkontrolle waren aus Sicht des Beklagten folgende Mängel vorhanden, die letztendlich im streitgegenständlichen Bescheid mündeten.

So sei in der Küche der Seifenspender beim Handwaschbecken leer gewesen, die gesamten Arbeitstischuntergestelle, das Warmhaltebecken, die Arbeitstische und der Ofenbereich seien verunreinigt gewesen, die Boden- und Wandfliesen seien teilweise defekt und stark verunreinigt gewesen, ebenso seien der Fußboden, der Fußbodenablauf (Gully) und das Innere der Kühlschränke verunreinigt gewesen, die Dichtungsgummis der Kühleinrichtungen seien verunreinigt und teilweise defekt gewesen, die Semmelknödel seien nicht nach den hygienischen Grundsätzen für reine Lebensmittel gelagert gewesen und es seien Lebensmittel in stark verunreinigten Behältnissen in der Kühleinrichtung gelagert worden.

In der Vorbereitungsküche seien alle Arbeitstischuntergestelle, die Arbeitstische und die Regalböden verunreinigt gewesen, die gesamten Bedarfsgegenstände (Mixer, Salatschleuder) seien ebenso wie das Innere der Kühlschränke verunreinigt gewesen, die Dichtungsgummis seien defekt und der Fußboden sowie die Wandfliesen seien teilweise beschädigt gewesen, was eine leichte Reinigung des Fußbodens erschwere. Schließlich seien verschimmelte Erdbeeren in der Kühleinrichtung vorrätig gehalten worden.

Im Kühlhaus mit Gefrierzelle für Lebensmittel sei der Fußboden stark verunreinigt gewesen. Im Lagerraum mit Gefriertruhe sei diese von innen, ebenso wie der Fußboden, stark verunreinigt gewesen.

Im Anlieferbereich/Lagerraum für Zwiebeln und Kartoffeln haben die Wandflächen teilweise Risse und Wandlöcher aufgewiesen. Vorhandene Rohrleitungen seien mit Spinnweben überzogen gewesen. Weiter habe eine Abdeckung für eine Steckdose gefehlt. Die Eiswürfelmaschine sei innen teilweise mit Schimmel und von außen mit einer verschmutzten Folie überzogen gewesen. Im gesamten Bereich seien die Arbeitstische und die Spülbecken stark verschmutzt gewesen, es seien Lebensmittel (Mehl) offen gelagert worden, die Deckenbeleuchtung sei verschmutzt gewesen und es haben sich offene Löcher und ein Riss in der Decke befunden.

Auf die beklagtenseits vorgelegten Lichtbilder wird Bezug genommen.

Am 12.06.2014, gegen Postzustellungsurkunde am 14.06.2014 zugestellt, erließ das Landratsamt K. den streitgegenständlichen Bescheid.

Darin wurden für die Teilbereiche Küche, Vorbereitungsküche, Kühlhaus mit Gefrierzelle für Lebensmittel, Lagerraum mit Gefriertruhe und den Anlieferbereich/Lagerraum für Zwiebeln und Kartoffeln verschiedene Anordnungen getroffen, die sich auf die oben beschriebenen Mängel beziehen und im Wesentlichen die Reinigung und die künftige Sauberhaltung sowie die bauliche Instandsetzung anordnen (Ziffer 1.1 bis 1.5). Daneben wurde angeordnet, dass die Maßnahmen unverzüglich zu erfüllen sind und ihnen ständig zu genügen ist (Ziffer 1.6). Daneben wurde für den Fall, dass die in dem Bescheid unter Nr. 1.1 bis 1.5 angeordneten Maßnahmen nicht, nicht vollständig oder nicht fristgerecht erfüllt werden, ein Zwangsgeld in Höhe von 100 EUR je nicht erfüllter Auflage angedroht (Ziffer 3). Auf die Anordnungen im Einzelnen und auf die Bescheidsbegründung wird Bezug genommen.

Dagegen wendet sich der Kläger mit seiner am 08.07.2014 eingegangenen Klage. Zur Begründung trägt der Kläger im Wesentlichen vor:

Da die vermeintlichen Mängel einen lebensmittelrechtlichen Verstoß nicht zu begründen vermögen, seien die Anordnungen und die Zwangsgeldandrohung rechtswidrig.

Der Fußboden werde täglich gründlich gereinigt und bei den vorhandenen Flecken handele es sich lediglich um Kalkflecken. Nur an einer kleinen Stelle unter der Tür seien leichte, aber keineswegs starke Verschmutzungen vorhanden gewesen. Von einem Verstoß gegen das gesetzliche Sauberkeitsgebot, dessen Sinn die Verhinderung von Gesundheitsgefahren sei, könne mangels Gesundheitsgefährdung nicht gesprochen werden. Im Übrigen sei ein Fliesenleger mit der Beseitigung der Mängel bereits beauftragt. Es könne jedoch nicht erwartet werden, dass die Erneuerung der Fliesen in einem Zeitraum von einer Woche durchgeführt werde. Was die baulichen Mängel (Risse und Löcher in der Decke) angehe, so weisen diese keine lebensmittelrechtliche Relevanz auf. Da in der Zwischendecke Gasrohre verlaufen, seien die Löcher auf ausdrückliche Anweisung des Bauamtes eingelassen worden, um dessen Anforderungen zu erfüllen. Auch habe keine Steckdosenabdeckung gefehlt, da es sich nicht um eine Steckdosenhalterung, sondern um einen nicht angeschlossenen Türöffner handele.

Von den Erdbeeren sei lediglich eine wegen einer braunen Stelle nicht mehr zum Verzehr geeignet gewesen. Es sei unmöglich eine Schale Erdbeeren zu kaufen, in der sämtliche Erdbeeren einwandfrei sind. Der offene Behälter für das Mehl sei mittlerweile verschlossen, die Semmelknödel seien zusätzlich abgedeckt.

Die leichten küchenüblichen Verunreinigungen der Bedarfsgegenstände seien auf den laufenden Geschäftsbetrieb während der Kontrolle zurückzuführen, da sich die Geräte vor der Kontrolle im Betrieb befunden haben. Im Übrigen sei die Eiswürfelmaschine nicht mit Schimmel überzogen gewesen, da es sich bei den Ablagerungen lediglich um Kalk gehandelt habe. Die Aussage, die Arbeitsflächen seien mit einer Fettschicht überzogen gewesen, sei unrichtig, da sämtliche Arbeitsflächen mindestens zweimal täglich gereinigt werden. Bei den festgestellten Flecken habe es sich lediglich um Kalkablagerungen gehandelt. Dass sich im Warmhaltebecken Brötchenkrümel befunden haben, werde zwar nicht bestritten, aber dies sei bei einer Kontrolle im unmittelbaren Anschluss an das Frühstück auch nicht verwunderlich.

Zwar sei der Seifenspender bei der Kontrolle leer gewesen, dies sei sonst aber nicht der Fall, weil immer der letzte Benutzer für das Nachfüllen verantwortlich sei. Jedenfalls könne die Seife erst kurz vor der Kontrolle zur Neige gegangen sein. Die Gefriertruhe sei erst am Tag vor der Kontrolle komplett abgetaut, gereinigt und desinfiziert worden. Lediglich am Truhenrand habe sich ein kleinerer Fleck befunden. Die behauptete starke Verunreinigung könne nicht nachvollzogen werden. Das Dichtungsgummi in der Vorbereitungsküche habe keine Mängel aufgewiesen und in der Küche seien die Dichtungen inzwischen gereinigt und desinfiziert worden. Das defekte Gummi sei nachbestellt worden.

Schließlich seien die Anordnungen zu unbestimmt, da sie durchweg als Allgemeinplätze formuliert seien. Genauso leide die Zwangsgeldandrohung an einem offensichtlichen und gravierenden Bestimmtheitsmangel, denn der Adressat könne nicht erkennen, für welche Unterlassung ein Zwangsgeld in welcher Höhe drohe. Der Bescheid drohe für jede Art der nicht vollständigen oder fristgerechten Erfüllung ein Zwangsgeld an, ohne nach der Intensität des Verstoßes oder sonst in einer Weise zu differenzieren.

Der Kläger beantragt,

der Bescheid vom 12.06.2014, Aktenzeichen III3-823/E, wird aufgehoben.

Der Beklagte beantragt,

die Klage wird abgewiesen.

Zur Begründung verweist der Beklagte zunächst auf die vorgelegten Lichtbilder. Ergänzend trägt er noch vor, dass der gesamte Küchenbereich mit einer klebrigen Schicht behaftet gewesen sei. Aus den gefertigten Lichtbildern ergebe sich, dass der Boden, ebenso wie die Arbeitsgeräte „altverschmutzt“ gewesen seien. Der Schmutz sei bereits stark angetrocknet gewesen. Unter Berücksichtigung, dass zum Zeitpunkt der Nachkontrolle die Arbeiten in der Küche erst aufgenommen worden seien, könne es sich nicht um Neuverschmutzungen handeln.

Zwischen der Ausgangs- und der Nachkontrolle haben sich keine wesentlichen Änderungen der hygienischen Verhältnisse ergeben und deshalb habe der Bescheid erlassen werden müssen. Das Interesse der Gäste auf Schutz ihrer gesundheitlichen Interessen überwiege das Interesse des Klägers auf einen weiteren Betrieb unter den vorgefundenen Umständen. Im Übrigen leide der Bescheid nicht an einem Bestimmtheitsmangel.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift der mündlichen Verhandlung vom 13.11.2014, auf die Gerichtsakte und auf die Behördenakte verwiesen, welche dem Gericht vorgelegen hat.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet, weil der streitgegenständliche Bescheid rechtmäßig ist und den Kläger nicht in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Für die hier angeordneten Reinigungs- und Instandsetzungsarbeiten besteht mit Art. 54 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 eine ausreichende Rechtsgrundlage und die einzelnen Anordnungen sind inhaltlich hinreichend bestimmt sowie verhältnismäßig. Obwohl sich der Bescheid irrtümlich auf § 5 GastG stützt, war er vorliegend nicht aufzuheben. Das Gericht konnte ohne Wesensänderung des Bescheids die Rechtsgrundlage austauschen. Schließlich begegnet auch die Zwangsgeldandrohung keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken, da eine Abstufung des Zwangsgeldes nach Intensität des Verstoßes nicht notwendig ist und auch keine Zwangsgeldandrohung „auf Vorrat“ vorliegt.

Im Einzelnen:

1. Der Beklagte hat hier zu Unrecht die streitgegenständlichen Anordnungen auf § 5 Abs. 1 Nr. 1 GastG gestützt, weil es sich zum einen bei den getroffenen Anordnungen gegenständlich nicht um gaststättenrechtliche Auflagen handelt und zum anderen, weil mit Art. 54 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 eine speziellere Rechtsgrundlage existiert.

a. Nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 GastG können jederzeit Auflagen zum Schutz der Gäste gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit gemacht werden. Eine solche Auflage setzt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine konkrete Gefahr voraus (BVerwG, B.v. 07.02.1984 - 1 B 8/84 - juris Rn. 3; BVerwG, B.v. 16.09.1994 - 1 B 182/94 - juris Rn. 5). Gerade mit einer nachträglichen Auflage zur Gaststättenerlaubnis wird die Anpassung der Erlaubnis zum Schutz der in § 5 GastG aufgeführten Personen und Rechtsgüter ermöglicht. Dadurch soll der Betrieb der Gaststätte aus Verhältnismäßigkeitserwägungen heraus an die ordnungsrechtlichen Anforderungen abgestimmt werden, anstatt den Betrieb einzustellen (vgl. Schönleiter, in: Gaststättengesetz, 1. Auflage 2012, § 5 Rn. 1). Charakteristisch für eine Auflage ist, dass sie keinen eigenen Zweck verfolgt, sondern nur dazu dient, die Regelung des Hauptverwaltungsakts zu ergänzen (Stelkens, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Auflage 2014, § 36 Rn. 83).

Aus dieser Akzessorietät der Auflage wird deutlich, warum es sich bei den streitgegenständlichen Anordnungen nicht um Auflagen handelt. Die Anordnungen dienen nämlich der Einhaltung von Vorschriften der Lebensmittelhygiene und damit einem eigenen, von der Gaststättenerlaubnis losgelöstem Zweck. Unabhängig von der Gaststättenerlaubnis sind die Vorschriften der Lebensmittelhygiene immer und ständig einzuhalten. Deshalb geht es bei den Anordnungen gerade nicht darum, die Gaststättenerlaubnis anzupassen und wenngleich unter Einschränkungen aufrechtzuerhalten, sondern um die Verfolgung eines autonomen Zwecks. Zwar werden dem Kläger durch die Anordnungen Handlungspflichten auferlegt; diese weisen aber keinen spezifischen Bezug zur ordnungsrechtlichen Gaststättenerlaubnis auf, denn die Reichweite und der Regelungsumfang der Erlaubnis werden dadurch nicht berührt bzw. verändert.

b. Hinzu kommt, dass für die Maßnahmen eine speziellere Rechtsgrundlage existiert, die dem § 5 Abs. 1 GastG in diesem Fall vorgeht.

Nach Art. 54 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmung über Tiergesundheit und Tierschutz trifft die zuständige Behörde die erforderlichen Maßnahmen, um festgestellte Verstöße zu beseitigen. Wegen des nach Art. 288 Abs. 2 AEUV geltenden Anwendungsvorrangs des Unionsrechts, gilt Art. 54 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 unmittelbar und verdrängt andere nationale Vorschriften (vgl. dazu VGH BW, U.v. 16.06.2014 - 9 S 1273/13 - juris Rn. 24). Diese zu § 39 Abs. 2 Satz 1 LFGB ergangene Rechtsprechung muss auch für § 5 GastG gelten. Wenn die europarechtliche Verordnung die nationale Norm des Lebensmittelrechts wegen ihrer Spezialität verdrängt, dann gilt dies es Recht im Verhältnis zu der allgemeinen ordnungsrechtlichen Vorschrift des § 5 Abs. 1 GastG. Dies schließt zwar Auflagen zum Schutz der Gesundheit nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 GastG nicht generell aus; soweit es jedoch um Verstöße i. S. d. Art 54 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 geht, ist vorrangig auf diese Befugnisnorm abzustellen.

Die Reichweite dieser Befugnisnorm ergibt sich aus der Begriffsbestimmung des Art. 2 Nr. 10 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004. Danach ist ein Verstoß die Nichteinhaltung des Futtermittel- oder Lebensmittelrechts und der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz. Der Begriff des Lebensmittelrechts ergibt sich wiederum aus Art. 3 Nr. 1 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 28. Januar 2002 zur Festlegung der allgemeinen Grundsätze und Anforderungen des Lebensmittelrechts, zur Errichtung der Europäischen Behörde für Lebensmittelsicherheit und zur Festlegung von Verfahren zur Lebensmittelsicherheit.

Danach umfasst der Begriff des Lebensmittelrechts die Rechts- und Verwaltungsvorschriften für Lebensmittel im Allgemeinen und die Lebensmittelsicherheit im Besonderen, sei es auf gemeinschaftlicher oder auf einzelstaatlicher Ebene, wobei alle Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen von Lebensmitteln wie auch von Futtermitteln, die für der Lebensmittelgewinnung dienende Tiere hergestellt oder an sie verfüttert werden, einbezogen sind.

Vorliegend hat der Beklagte die Missachtung von gemeinschaftsrechtlichen Vorschriften über die Lebensmittelhygiene beanstandet und folglich einen Verstoß im oben beschriebenen Sinne des Art. 54 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 gerügt. Damit ist der Anwendungsbereich der spezielleren Befugnisnorm eröffnet und § 5 Abs. 1 Nr. 1 GastG verdrängt.

2. Gleichwohl war der Bescheid nicht aufzuheben. Das Gericht konnte nämlich ohne Wesensänderung des Bescheids auf die hier einschlägige Rechtsgrundlage abstellen.

Nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO hebt das Gericht den Verwaltungsakt auf, soweit er rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt. Im Rahmen dieser Kontrolle sind die Verwaltungsgerichte verpflichtet, den streitgegenständlichen Verwaltungsakt unter allen rechtlichen Gesichtspunkten zu überprüfen. Maßgeblich dabei ist, ob die getroffene Regelung durch das materielle Recht getragen wird (OVG NRW, B.v. 05.02.2014 - 12 A 2630/13 - juris Rn. 6 m.w.N). Dabei kann ein angefochtener Bescheid unter einer anderen als der von der Behörde angewandten Rechtsgrundlage aufrechterhalten werden, wenn die Identität der getroffenen Regelung nicht verändert wird d. h. wenn der Bescheid sowie die ihn tragenden Erwägungen dadurch keine Wesensänderung erfahren. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zieht die Grenze der Wesensänderung dort, wo auch ein Nachschieben von Gründen nicht mehr möglich ist (BVerwG, B.v. 27.01.1982 - 8 C 12/81 - juris Rn. 12 m.w.N) d. h. wenn dem Bescheid dann eine anderweitige rechtliche Begründung oder andere Tatsachen zugrunde gelegt werden müssten.

Deshalb scheidet im vorliegenden Fall der Austausch der Rechtsgrundlage durch das Gericht nicht aus. Die rechtliche Begründung der Anordnungen bleibt auch unter der nunmehr herangezogenen Rechtsgrundlage gleich, weil der Beklagte jedem gerügten Verstoß die entsprechende europarechtliche Hygieneanforderung zugeordnet hat. Er hat lediglich die falsche Befugnisnorm zur Durchsetzung der Hygieneanforderungen gewählt. Die tragenden rechtlichen Erwägungen sowie die festgestellten Tatsachen bleiben aber unter beiden Befugnisnormen identisch und demnach liegt keine Wesensänderung vor.

Der Austausch der Rechtsgrundlage scheitert vorliegend auch nicht daran, dass es sich bei § 5 Abs. 1 Nr. 1 GastG um eine Ermessensentscheidung handelt, während Art. 54 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 eine gebundene Entscheidung vorgibt. Ein Austausch der Rechtsgrundlage ist dem Gericht nämlich nur im entgegen gesetzten Fall verwehrt, nämlich wenn es einen Austausch von einer gebundenen Befugnisnorm, hin zu einer Ermessensnorm vornehmen würde. Denn nur im letztgenannten Fall würde das Gericht die Grenze des § 114 Satz 1 VwGO missachten. Es darf nämlich weder eigene Ermessenserwägungen anstatt der Behörde anstellen, noch können nicht vorhandene Ermessenserwägungen im gerichtlichen Verfahren begrifflich ergänzt werden.

Dies ist hier aber nicht der Fall, weil die zu den tatsächlichen Gegebenheiten getroffenen Erwägungen des Bescheids die Entscheidung auch in Anwendung der nunmehr herangezogenen Ermächtigungsgrundlage tragen, ohne dass es auf eine - dem Vertrauensschutz dienenden - Ermessensbetätigung ankommt (vgl. OVG NRW, B.v. 05.02.2014 - 12 A 2630/13 - juris Rn. 14). Art. 54 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 verpflichtet die Behörde nämlich, festgestellte Verstöße zu beseitigen. Die Behörde hat hier grundsätzlich kein Entschließungsermessen, das evtl. durch den Austausch der Rechtsgrundlage übergangen werden würde. Auch auf einen unterschiedlichen Gefahrenbegriff kommt es beim Austausch der Rechtsgrundlage nicht an. Art. 54 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 setzt nur den hier festgestellten Verstoß voraus. Eine Gefahrenprognose wie bei § 5 Abs. 1 GastG - auch unter einem anderen Gefahrenbegriff - ist hier nicht notwendig. Sie wäre an dieser Stelle sogar verfehlt.

Was die Ermessensausübung bei der Auswahl der Anordnungen angeht, sind auch unter der nunmehr angewandten Rechtsgrundlage keine anderen oder zusätzlichen Ermessenserwägungen notwendig. Hier wie dort geht es darum, dem jeweiligen Verstoß gegen die Hygienegebote die entsprechende und angemessene Maßnahme entgegenzusetzen.

3. In der Sache selbst ist der Bescheid rechtlich nicht zu beanstanden. Er benennt für jeden gerügten Verstoß und für jede getroffene Anordnung die entsprechende Grundlage der Verordnung (EG) Nr. 852/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29.04.2004 über Lebensmittelhygiene. Nach deren Art. 4 Abs. 2 haben Lebensmittelunternehmer, die auf Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen von Lebensmitteln tätig sind, die allgemeinen Hygienevorschriften gemäß Anhang II zu erfüllen. Deshalb verweist der streitgegenständliche Bescheid bei den jeweiligen Anordnungen auf das entsprechende Kapitel und die entsprechende Nummer des Anhangs II. In Bezug auf die rechtliche Zuordnung der einzelnen Verstöße folgt das Gericht der Begründung des Bescheids und sieht von einer weiteren Darstellung in den Entscheidungsgründen gemäß § 117 Abs. 5 VwGO ab. Im Übrigen konnte sich das Gericht durch die vorgelegten Bilder davon überzeugen, dass die Hygienevorschriften vom Kläger nicht im ausreichenden Maße eingehalten worden sind.

Daneben sind die Anordnungen i. S. d. Art 37 Abs. 1 BayVwVfG hinreichend bestimmt.

Anders als der Kläger kann das Gericht keine Unbestimmtheit in den Formulierungen erkennen. Dort wo mangelnde Sauberkeit vorherrschte, ordnet der Bescheid konsequenterweise eine gründliche Reinigung sowie die künftige Sauberhaltung an. Dort wo bauliche Mängel vorhanden waren, wird eben deren Instandsetzung verlangt. Dort wo Dichtungsgummis von Kühleinrichtungen beschädigt waren, wird deren Austausch gefordert. Dies ist hinreichend bestimmt und die Anordnungen sind geeignet die Verstöße zu beseitigen. Von 29 streitgegenständlichen Anordnungen beziehen sich allein 18 auf die Reinigung bestimmter Gegenstände. Der Kläger wird deshalb nicht umhin kommen, den gesamten beanstandeten Bereich gründlich zu reinigen. Eine angemessene Sauberkeit der Bereiche, die mit Lebensmitteln in Kontakt kommen, ist nicht nur aufgrund der Lebensmittelhygieneverordnung notwendig, sondern stellt sich als allgemeine Pflicht jedes zuverlässigen Gastwirtes dar.

Die Befugnisnorm des Art. 54 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 setzt weder eine starke Verschmutzung noch eine konkrete Gesundheitsgefahr voraus. Deshalb kommt es vorliegend nicht darauf an, ob es sich vereinzelt um eine starke Verschmutzung gehandelt hat oder wie der Kläger meint, nur um eine leichte Verschmutzung. Ebenso wenig kommt es darauf an, ob für die Gäste des Betriebs eine konkrete Gesundheitsgefahr bestanden hat. Dies hat der Beklagte nicht behauptet und es ist für Art. 54 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 882/2004 auch nicht von Belang. Im Übrigen begründet ein verschmutzter Küchenbereich immer eine konkrete Gesundheitsgefahr für die Gäste, weil dadurch Lebensmittel mit Keimen kontaminiert werden könnten. Dies soll gerade durch die Hygienevorschriften verhindert werden.

Schließlich sind die Anordnungen auch verhältnismäßig. Wie oben bereits ausgeführt wurde, erschöpft sich der Bescheid in weiten Teilen in Reinigungsanordnungen. Dies ist schon deshalb verhältnismäßig, weil es dazu keine Alternative gibt, die den Kläger weniger belasten würde. Eine gründliche Reinigung ist auch mit verhältnismäßig wenig Kosten zu bestreiten. Dabei muss auch berücksichtigt werden, dass die Anordnungen erst ergangen sind, nachdem sich die hygienischen Zustände auch bei der angekündigten Nachkontrolle nicht entscheidend verbessert haben. Der Kläger war zu diesem Zeitpunkt durch die Beanstandungen bei der Erstkontrolle bereits auf die Mängel hingewiesen worden. Trotzdem hat er nicht ausreichend um Abhilfe gesorgt. Darauf konnte der Beklagte zu Recht mit dem streitgegenständlichen Bescheid reagieren, der keine überzogenen oder unangemessenen Forderungen enthält.

4. Zuletzt erweist sich auch die Zwangsgeldandrohung als rechtmäßig. Die vom Kläger vorgebrachten Angriffe dagegen greifen nicht durch.

Die vorliegende Zwangsgeldandrohung verstößt nicht gegen Art. 36 Abs. 6 Satz 2 BayVwZVG, wonach eine neue Androhung erst dann zulässig ist, wenn die vorausgegangene Androhung des Zwangsmittels erfolglos geblieben ist. Zwar weist der Kläger zu Recht darauf hin, dass eine Zwangsgeldandrohung „für jede Zuwiderhandlung“ unzulässig ist (vgl. BayVGH, B.v. 13.10.1986 - 22 CS 86.019650); im vorliegenden Fall wird diese Formulierung jedoch nicht benutzt. Die Zwangsgeldandrohung droht nur „je nicht erfüllter Auflage“ ein Zwangsgeld in Höhe von 100,- EUR an. Diese Formulierung ist aber notwendig, damit für jede einzelne Handlungspflicht ein eigenes Zwangsgeld angedroht wird. Ansonsten wäre die Zwangsgeldandrohung zu unbestimmt, da nicht klar wäre, bei welchem Verstoß gegen welche Pflicht das Zwangsgeld fällig wird. Denn die Androhung eines einheitlichen Zwangsgeldes für mehrere Verpflichtungen ist unzulässig.

Auch ist es nach Art. 36 Abs. 5 BayVwZVG nicht erforderlich, das Zwangsgeld nach der Intensität des Verstoßes zu staffeln. Das Zwangsgeld ist danach in einer bestimmten Höhe anzudrohen. Das Gesetz fordert gerade keine Staffelung des Zwangsgeldes nach der Intensität des Verstoßes. Dies wäre auch geradezu kontraindiziert. Das Zwangsgeld soll den Adressaten eben dazu bewegen, die Verpflichtung vollständig zu erfüllen. Eine Differenzierung nach dem Schweregrad des Verstoßes ist deshalb nicht notwendig. Zum einen ist es kaum denkbar eine solche Differenzierung vorzunehmen; zum anderen würde eine solche Staffelung den Adressaten gerade dazu einladen, gegen die Handlungspflicht in geringem Umfang zu verstoßen, wenn er dann nur ein abgeschwächtes Zwangsgeld zu erwarten hätte. Aus diesem Grund musste bei der Zwangsgeldandrohung nicht nach dem Ausmaß zukünftiger Mängel differenziert werden. Im Übrigen bewegt sich das hier angedrohte Zwangsgeld zutreffend in dem nach Art. 31 Abs. 2 Satz 1 BayVwZVG bestimmten Rahmen von 15,- bis 50.000,- EUR. Eine Unverhältnismäßigkeit in dem Sinne, dass das festgesetzte Zwangsgeld das wirtschaftliche Interesse am Unterbleiben der Handlung gemäß Art. 31 Abs. 2 Satz 2 BayVwZVG übersteigt, ist hier ebenfalls nicht ersichtlich. Mit 100,- EUR pro Anordnung bewegt sich das Zwangsgeld ohnehin im unteren Rahmen.

5. Da die Klage unbegründet ist, war sie mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 708 ZPO.

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Tatbestand

 
Der Kläger wendet sich gegen die Untersagung der Abgabe von Rohmilch an seiner Betriebsstätte in der Hauptstraße ... ...
Der Kläger führt zusammen mit seiner Ehefrau einen landwirtschaftlichen Vollerwerbsbetrieb mit dem Schwerpunkt Milcherzeugung. Der Stammbetrieb befindet sich in der Hauptstraße ... und umfasst die Betriebswohnung der Familie, das landwirtschaftliche Büro, den Notstall, mehrere Maschinenhallen, ein Getreidelager, die Werkstatt für Landtechnik sowie das Spritzmittellager. Dort hat der Kläger auch einen Milchautomaten zur Abgabe von Rohmilch an Kunden aufgestellt. Die in ca. zwei Kilometern Entfernung hiervon im Gewann „W...“ im Jahr 1996 errichtete weitere Betriebsstätte umfasst im Wesentlichen den neuen Stall für die Unterbringung von ca. 50 Milchkühen mit Nachzucht sowie die Melk-Technik.
Mit Verfügung vom 15.01.2010 untersagte das Landratsamt Neckar-Odenwald-Kreis dem Kläger, Rohmilch aus dem Milchautomaten (Standort: ..., Hauptstr. ...) abzugeben und in Verkehr zu bringen. Die sofortige Vollziehung dieser Verfügung wurde angeordnet. Da die Abgabe der Rohmilch nicht im Milcherzeugungsbetrieb erfolge, liege ein Verstoß gegen § 17 der Verordnung über Anforderungen an die Hygiene beim Herstellen, Behandeln und Inverkehrbringen von bestimmten Lebensmitteln tierischen Ursprungs (Tier-LMHV) vor.
Am 20.01.2010 legte der Kläger hiergegen Widerspruch ein. Am 05.02.2010 beantragte er beim Verwaltungsgericht Karlsruhe, die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs wiederherzustellen. Mit Beschluss vom 29.03.2010 lehnte das Verwaltungsgericht diesen Antrag ab (10 K 312/10). Der Beschluss ist rechtskräftig.
Mit Bescheid vom 06.07.2010 wies das Regierungspräsidium Karlsruhe den Widerspruch des Klägers zurück: Nach § 17 Abs. 1 Tier-LMHV sei es verboten, Rohmilch oder Rohrahm an den Verbraucher abzugeben. Das Verbot bestehe aus Gründen des vorbeugenden gesundheitlichen Verbraucherschutzes. Eine Ausnahme vom Verbot sei in § 17 Abs. 4 Tier-LMHV für die Abgabevon Milcherzeugungsbetrieben unter den strengen Bedingungen der Ziffern 1 bis 5 dieses Absatzes möglich. Nach Ziffer 1 der Vorschrift müsse die Abgabe im Milcherzeugungsbetrieb erfolgen. Dies sei auch in der Vorgängerregelung, § 8 der Milchverordnung, im sog. „Milch-ab-Hof-Abgabe"-Paragrafen so geregelt gewesen. Der Verordnungsgeber habe schon durch die Wortwahl Abgabe „von Milcherzeugungsbetrieben“ nur „im Milcherzeugungsbetrieb“ in Halbsatz 1 und 2 von § 17 Abs. 4 Tier-LMHV die spezifische Regelungsabsicht deutlich gemacht. Der Milcherzeugungsbetrieb sei in Anhang I Nr. 4.2 der Verordnung (EG) 853/2004 definiert als Betrieb, in dem ein oder mehrere Nutztiere zur Erzeugung von Milch, die als Lebensmittel in den Verkehr gebracht werden soll, gehalten werden. Diese rechtliche Vorgabe erfülle der Kläger nicht, da die Abgabe der Rohmilch an seiner Betriebsstätte in der Hauptstraße ... und nicht in der zwei Kilometer entfernten Betriebsstätte, in welchem die Rohmilch gewonnen werde, stattfinde. Außerhalb des Erzeugerbetriebes liegende Räumlichkeiten dürften zur Milch-ab-Hof-Abgabe nicht verwendet werden, selbst wenn sie in der Verfügungsgewalt des Milcherzeugers lägen. Der Kläger könne sich nicht darauf berufen, sein Milcherzeugungsbetrieb bestehe aus zwei Betriebsstätten. Im Hygienerecht sei es unabdingbar, jede Betriebsstätte unabhängig voneinander zu betrachten. Eine enge und einheitliche rechtliche Auslegung der Vorschrift sei auch deshalb geboten, da der Verbraucher so durch den unmittelbaren Kontakt mit dem Erzeugungsbetrieb eine eigene Beurteilung der Hygiene bei der Milchviehhaltung und der Milchgewinnung treffen könne. In der Vergangenheit seien mehrere Fälle mit zum Teil tödlichem Verlauf des HUS-Syndroms (hämolytisch-urämisches Syndrom) aufgetreten, das auf Enterohämorrhagische E-Coli (EHEC) in Rohmilch zurückzuführen gewesen sei. Dies sei zwar ein seltenes, aber mitunter sehr gravierendes Erkrankungsrisiko beim Verzehr von Rohmilch oder nach einer Kontamination von Küchengegenständen und anderen Speisen beim Umgang im privaten Bereich. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Kläger am 09.07.2010 zugestellt.
Der Kläger hat am 03.08.2010 Klage beim Verwaltungsgericht Karlsruhe erhoben und die Aufhebung der Verfügung des Landratsamts Neckar-Odenwald-Kreis vom 15.01.2010 sowie des Widerspruchsbescheids des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 06.07.2010 beantragt.
Mit Urteil vom 16.11.2011 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Die Voraussetzungen der auf § 39 Abs. 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) i.V.m. § 17 Tier-LMHV gestützten Untersagungsverfügung lägen vor. Die Abgabe von Rohmilch durch den Rohmilchautomaten am Standort ..., Hauptstraße ... verstoße gegen § 17 Tier-LMHV. Der Anwendung der Bestimmung stehe nicht der Inhalt der Verordnung (EG) 853/2004 entgegen. Denn Art. 10 Abs. 8a dieser Verordnung überlasse es ausdrücklich dem einzelnen Mitgliedstaat, insoweit aus eigener Initiative und unter Einhaltung der allgemeinen Bestimmungen des Primärrechts einzelstaatliche Vorschriften beizubehalten oder einzuführen. Aufgrund dieser Öffnungsklausel könne der Kläger sich auch nicht mit Erfolg auf die unterschiedliche Handhabung der Abgabe von Rohmilch oder Rohrahm in anderen Mitgliedstaaten berufen. Die Voraussetzungen der Ausnahmeregelung des § 17 Abs. 4 Satz 1 Tier-LMHV lägen nicht vor. Bei der Abgabe von Rohmilch aus einem Rohmilchautomaten am Standort Hauptstraße ... handele es sich nicht um eine Abgabe „im Milcherzeugungsbetrieb" im Sinne der Vorschrift. § 17 Abs. 4 Satz 1 Tier-LMHV begrenze die Rohmilchabgabe auf den eigentlichen Milcherzeugungsbetrieb, somit auf den Ort, an dem die Milch gewonnen wird. Bei der in der Nr. 1 aufgestellten Anforderung, der Abgabe „im Milcherzeugungsbetrieb", handele es sich um ein eigenständiges Tatbestandsmerkmal. Aus der Systematik folge, dass die einzelnen Tatbestandsmerkmale des § 17 Abs. 4 Satz 1 Tier-LMHV als Ausnahmetatbestand zu dem grundsätzlichen Rohmilchabgabeverbot in Absatz 1 eng auszulegen seien. Auch die Verwendung des unter Nr. 4.1. des Anhang I der Verordnung (EG) 853/2004 definierten Begriffs des „Milcherzeugungsbetriebs" stehe einem engen Verständnis des Begriffs „im Milcherzeugungsbetrieb" nicht entgegen. Sinn und Zweck der Regelung sei der Schutz der Verbraucher vor den gesundheitlichen Risiken durch den Verzehr von Rohmilch. Rohmilch könne Krankheitserreger wie EHEC-Bakterien oder Campylobacter enthalten, die insbesondere bei kleinen Kindern zu Infektionen mit schweren gesundheitlichen Schäden führen könnten. § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV begrenze die Rohmilchabgabe dementsprechend räumlich auf den eigentlichen Milcherzeugungsbetrieb als den Ort, wo die Milch gewonnen werde. Die Existenz der Strafbestimmung gemäß § 23 Abs. 1 Nr. 6 Tier-LMHV i.V.m. § 58 Abs. 1 Nr. 18, Abs. 4 bis 6 LFGB und die Höhe der Strafandrohung verdeutlichten die hohe Wertigkeit, die der Gesetzgeber dem Rechtsgut der Gesundheit des Verbrauchers beimesse. Auf die Erfüllung der sonstigen - insbesondere der hygienerechtlichen - Voraussetzungen des § 17 Abs. 4 Tier-LMHV durch den Kläger komme es nicht an.
Gegen das Urteil hat der Kläger die durch Senatsbeschluss vom 17.06.2013 (9 S 347/12) zugelassene Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er insbesondere vor:
Das Verwaltungsgericht habe ausgehend von dem Begriff des „Milcherzeugungsbetriebs“ in Anhang I Ziff. 4.2 der Verordnung (EG) 853/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.04.2004 die Einengung des Begriffs „Milcherzeugungsbetrieb“ in der vorgenannten Vorschrift des § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV in europarechtswidriger Weise vorgenommen. Der nationale Gesetzgeber dürfe entsprechend Art. 10 Abs. 8 der EG-Verordnung einschränkende Regelungen treffen, die jedoch eines Sachgrunds bedürften, der zwingend mit den Zielvorstellungen der zugrundeliegenden Normen, nämlich mit hygienerechtlichen Bestimmungen, in Einklang zu bringen sein müsse. Hygienerechtliche Belange spielten indes für das Merkmal der „Örtlichkeit“ keine Rolle. Europarechtlich sei kein Anhaltspunkt dafür zu erkennen, dass die Tiere nicht an einer anderen Stelle gehalten werden könnten als am Ort der Milchabgabe. Ansonsten hätte der Verordnungsgeber sinngemäß regeln können, dass der „Milcherzeugungsbetrieb“ nur dahin zu verstehen sei, dass der Ort des Betriebs gemeint sei, an dem gleichzeitig die Milch in den Verkehr gebracht werden soll. § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV habe keinerlei hygienerechtliche Komponente, aber eine Schutzfunktion zu Gunsten der landwirtschaftlichen bzw. milcherzeugenden Betriebe. Die hygiene- und gesundheitsrechtlichen Aspekte würden in § 17 Abs. 4 Tier-LMHV abgedeckt, jedoch gerade nicht in Nr. 1 dieser Regelung. Das Verwaltungsgericht habe sich mit den primärrechtlichen Grundlagen nicht auseinandergesetzt (Zielsetzungen des Binnenmarkts, Vorschriften der Landwirtschaft in Art. 38 Abs. 1 AEUV, Ziele der gemeinsamen Agrarpolitik, Art. 39 Abs. 1b AEUV, Belieferung der Verbraucher zu angemessenen Preisen, Art. 39 Abs. 1e AEUV, Wettbewerbsfreiheit, Art. 40 Abs. 1a AEUV, Berufsfreiheit des Klägers, Art. 15 der Europäischen Grundrechtscharta sowie Gleichheitsgrundsatz, Art. 20 der Europäischen Grundrechtscharta). Jedenfalls sei § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV nicht verfassungskonform und auch nicht europarechtskonform. Wäre gesetzgeberisches Ziel die Einhaltung von Hygienebestimmungen, so wäre die Regelung in der Ziff. 1 hierfür untauglich. Die Einhaltung von Hygienebestimmungen bzw. die Vermeidung von Gefährdungslagen werde nicht dadurch gefördert bzw. beseitigt, dass die Milch unmittelbar an der „Stalltür“ abzugeben sei. Somit sei kein legitimer verfassungsrechtlicher Zweck erkennbar. Bis heute seien seitens der zuständigen Behörden keine hygienerechtlichen Bedenken erhoben worden und lägen auch keinerlei negative Kontrollergebnisse vor. Die Einhaltung hygienerechtlicher Bestimmungen und damit die Gewährleistung von Gesundheits- und Lebensmittelschutz werde auch dann nicht garantiert, wenn die Milch an der Stalltüre abgegeben werde, in dem Betrieb aber zum Beispiel unsachgemäß gearbeitet werde oder eine hohe Keimzahl vorhanden sei. Die Einhaltung der hygienerechtlichen Bestimmungen und nicht der Standort der Abgabe sei der entscheidende Ansatz. Der Kläger halte indes alle diesbezüglichen Vorschriften an seinem Hof ein. Dies belege der konkrete Ablauf der Milchproduktion (wird im Einzelnen unter Vorlage einer Foto-Dokumentation dargelegt). Wäre gesetzgeberische Intention die Möglichkeit einer besseren Kontrolle durch den Betriebsinhaber bzw. Milcherzeuger, wäre dies an dem Standort des Milchautomaten am Stammbetrieb gerade gewährleistet. Nach alledem sei die Beschränkung des Begriffs des „Milcherzeugungsbetriebs“ im Sinne der unmittelbaren Verbindung zwischen Kuhstall und Abgabeort gemessen am Maßstab der normgeberischen Zielsetzung hygienerechtlicher Anforderungen nicht nur verfehlt, sondern auch untauglich. Entgegen der Auffassung des Regierungspräsidiums könne ein Verbraucher auch in einer vermeintlich sauberen Umgebung gerade nicht abschätzen bzw. erkennen, ob die von ihm abgeholte Rohmilch hygienerechtlich beanstandungsfrei sei oder nicht. Auch die Formulierung in § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 4 Tier-LMHV bezüglich des Hinweises auf das Abkochen der Rohmilch und auf die Anbringung des Schildes an der „Abgabestelle“ spreche dafür, dass der nationale Verordnungsgeber die hier gegenständliche restriktive Handhabung nicht gewollt habe. Der Begriff der „Abgabestelle“ sei nämlich ein anderer als der Begriff des „Milcherzeugungsbetriebs“. Im Übrigen verstoße die Regelung gegen den verfassungsrechtlich verankerten Bestimmtheitsgrundsatz. Aus der Norm könnte weder der jeweils betroffene Landwirt noch die rechtsanwendende Behörde ableiten, wie weit die konkrete Abgabestelle vom Stallgebäude entfernt sein dürfe. Auch die Ermessensausübung der Behörde sei zu beanstanden. Der Zweck der Ermächtigung sei in der Überwachung und Einhaltung der Vorschriften zum Schutz vor Gesundheitsgefahren für Verbraucher zu sehen. Der Bereich sei im weitesten Sinne der Gefahrenabwehr und dem Gesundheitsschutz zuzuordnen. In dem gesamten Verfahren sei jedoch verkannt worden, dass die Hygienebestimmungen überhaupt nicht verletzt seien. § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV in der Form der vom Beklagten vorgenommenen engen Auslegung sei vor dem Hintergrund der hygienerechtlichen Bestimmungen zur Zweckerreichung schlechthin ungeeignet und verletze ihn deshalb in seinem Grundrecht der Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG. Ein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG liege vor, weil zwei gleichgelagerte Sachverhalte in W. und in N. anders behandelt würden als sein Fall. Auch Art. 14 Abs. 1 GG sei verletzt. Ein Verstoß gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit liege vor. Die Regelung sei ungeeignet, weil mit der Abgabe von Rohmilch am Stallgebäude keine Verbesserung der hygienerechtlichen Situation einhergehe. Außerdem gebe es mildere Mittel gegenüber der vollständigen Untersagung der Milchabgabe. Jedenfalls falle eine Güterabwägung zwischen dem öffentlichen Interesse des Gesundheits- und Lebensmittelschutzes und den Rechtsgütern des Klägers zu dessen Gunsten aus. Es sei nicht ersichtlich, dass irgendein Fall der Rohmilchabgabe zu ernsthaften Problemen geführt habe. Es werde nicht ausreichen, lediglich auf abstrakte/potentielle Gefahren hinzuweisen, die sich in keinem einzigen Fall realisiert hätten. Auf der Grundlage der vorstehenden Ausführungen sei gegebenenfalls eine Aussetzung des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens und eine Vorlage an den EuGH geboten.
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Der Kläger beantragt,
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das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 16.11.2011 - 5 K 1869/10 - zu ändern und die Verfügung des Landratsamts Neckar-Odenwald-Kreis vom 15.01.2010 sowie den Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 06.07.2010 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Er verteidigt das angegriffene Urteil und trägt ergänzend vor: Bei der näheren Bestimmung der Bedeutung der Formulierung „Abgabe im Milcherzeugungsbetrieb“ sei zunächst auf Sinn und Zweck der Vorschriften abzustellen. Regelungsziel der Tier-LMHV sei es, durch Hygienevorschriften die Gefahren, die im Umgang mit Lebensmitteln tierischen Ursprungs für die öffentliche Gesundheit ausgingen, auf ein Mindestmaß zu reduzieren. Die in § 17 Abs. 4 Tier-LMHV kumulativ zu erfüllenden Voraussetzungen für die unmittelbare Rohmilchabgabe vom Erzeuger an den Endverbraucher seien allesamt in diesem Sinnzusammenhang zu sehen. Es handele sich hierbei ausschließlich um Hygieneanforderungen im Umgang mit Rohmilch, die dem Schutz der öffentlichen Gesundheit dienten. Dies gelte ausdrücklich auch für die Voraussetzung der Milchabgabe im Milcherzeugungsbetrieb. Dies könne unter Berücksichtigung des hygienerechtlichen Hintergrundes nur als dahingehendes Verbot verstanden werden, Rohmilch weg vom Milcherzeugungsbetrieb an einen anderen Abgabeort zu transportieren. Mit dem Transport der Rohmilch steige das Risiko einer Belastung der Milch mit Krankheitserregern und damit auch die Infektionsgefahr für den Menschen. Rohmilch als solche berge immer die potentielle Gefahr, mit Krankheitserregern belastet zu sein. Ein Anfangskeimgehalt der Milch, auch wenn dieser noch nicht die infektiöse Dosis darstellen sollte, könne sich aufgrund des für diese Bakterien gut geeigneten Nährmediums Milch bei weiterer Lagerung und Handhabung vermehren. Bearbeitungsschritte wie Umfüllen, Lagern und Transportieren erhöhten die Kontaminationsgefahr in Form eines zusätzlichen Bakterienantrags. Außerdem könnte die damit einhergehenden Unterbrechung der Kühlkette zu Bakterienwachstum führen. Der Verordnungsgeber habe in § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV deshalb diese durch zusätzliche Bearbeitungsschritte bedingten Risiken von vornherein ausgeschlossen. Er habe den Transport als abstrakt risikoerhöhenden Umstand gänzlich verboten. Die Auslegung, dass die Regelung keine hygienerechtliche Komponente enthalte, sondern nur bezwecke, einen Ankauf von Rohmilch durch Dritte zu verhindern, sei mit dem hygienerechtlichen Schutzzweck der Tier-LMHV nicht zu vereinbaren. Auch das Verbot des § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 Tier-LMHV, andere als im eigenen Betrieb gewonnene Rohmilch zu verkaufen, bezwecke nicht, die landwirtschaftlichen milcherzeugenden Betriebe vor Konkurrenz durch Zwischenhändler zu schützen. Im Rahmen der Wortauslegung werde der Ortsbezug deutlich, wenn man die vollständige Formulierung des § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV „die Abgabe im Milcherzeugungsbetrieb erfolgt“, betrachtet. Die Örtlichkeit müsse mit der Milcherzeugung in einem räumlichen Zusammenhang stehen, ein rein betriebswirtschaftlicher Zusammenhang reiche nicht aus. Festzuhalten sei, dass eine Wortlautauslegung ergebe, dass die Milchabgabe an dem Ort zu erfolgen habe, an dem ein Betrieb - bestehend aus einem oder mehreren Nutztieren, die vom Erzeuger zum Zweck der Erzeugung von Milch, die als Lebensmittel in Verkehr gebracht werden soll, gehalten werden - tatsächlich Milch erzeuge. Auch eine systematische Auslegung führe zu keinem anderen Ergebnis. Im Gegensatz zu der unmittelbaren Abgabe von Rohmilch sei die Abgabe von Vorzugsmilch an den Verbraucher nicht örtlich auf den Erzeugerbetrieb beschränkt. Vorzugsmilch könne vielmehr gehandelt werden; der Verbraucher könne Vorzugsmilch auch im Einzelhandel erwerben. Im Unterschied zur Rohmilchabgabe unterliege die Vorzugsmilchabgabe jedoch deutlich strengeren Hygieneanforderungen. Mit § 17 Abs. 4 Tier-LMHV habe der Verordnungsgeber den früher gängigen Vorgang - das Abholen frischer Milch direkt vom Bauernhof regelmäßig mit eigens mitgebrachten Flaschen und Kannen - weiterhin zugelassen. Mit § 17 Abs. 2 und Abs. 3 Tier-LMHV habe der Verordnungsgeber hingegen dem Verbraucher den Zugang zu dem Produkt „(nahezu) unbehandelte Milch“ ermöglichen wollen. Außerdem sei zu beachten, dass die den Ausnahmetatbestand begründenden Tatbestandsvoraussetzungen eng auszulegen seien. Ausweislich der Begründung habe der deutsche Verordnungsgeber die in der Milchverordnung in § 8 ehemals geregelte „Milch-ab-Hof-Abgabe“ inhaltsgleich in den neuen § 17 Tier-LMHV übernehmen wollen. Eindeutig in der Begründung nachzulesen sei, dass ausschließlicher Zweck der nur als Ausnahme zugelassenen direkten Rohmilchabgabe sei, die Gesundheit der Verbraucher vor potentiellen Risiken, die mit dem Verzehr von Rohmilch verbunden seien, zu schützen. Entgegen der Ansicht des Klägers sei § 17 Tier-LMHV in jeglicher Hinsicht verfassungsgemäß. Insbesondere werde nicht in rechtswidriger Weise in Art. 12 Abs. 1 GG eingegriffen. Die Vorgabe der Abgabe von Rohmilch nur im Milcherzeugungsbetrieb stelle eine Berufsausübungsregelung dar, die zum Schutz der öffentlichen Gesundheit gerechtfertigt sei. Da der Transport der Rohmilch das Risiko erhöhe, dass diese mit Krankheitserregern kontaminiert sei, sei das Transportverbot geeignet, den angestrebten Zweck zu erfüllen. Die klägerseits vorgebrachten Bedenken hinsichtlich der Vereinbarkeit des § 17 Tier-LMHV mit Europarecht könnten nicht geteilt werden. Bei § 17 Tier-LMHV handele es sich um eine nationale Regelung, die - neben europarechtlichen Vorschriften - den Umgang mit Rohmilch regele. In Art. 10 Abs. 3, Abs. 8a der Verordnung (EG) 853/2004 ermächtige der europäische Gesetzgeber die Mitgliedstaaten dazu, weitergehende einzelstaatliche Vorschriften zu erlassen, die das Inverkehrbringen von Rohmilch, die für den unmittelbaren menschlichen Verzehr bestimmt sei, in seinem Hoheitsgebiet untersagen oder einschränken. In Absatz 11 der Präambel heiße es darüber hinaus, dass es bei der direkten Abgabe kleiner Mengen von Primärerzeugnissen durch den Erzeuger an den Endverbraucher angezeigt sei, die öffentliche Gesundheit durch einzelstaatliche Rechtsvorschriften zu schützen. Dadurch werde deutlich, dass der europäische Gesetzgeber die Thematik der Rohmilchabgabe nicht abschließend habe regeln wollen. Der europäische Gesetzgeber räume seinen Mitgliedstaaten dabei einen gewissen Spielraum ein. Durch die hier in Rede stehende Anforderung, Rohmilch nur im Milcherzeugungsbetrieb abzugeben, habe der deutsche Gesetzgeber eine solche - im Vergleich zum Europarecht - weitergehende Hygieneanforderung geschaffen und hierbei im Rahmen des ihm zuerkannten Spielraums gehandelt. Die Abgabestelle ... ..., Hauptstraße ... könne nicht als Milcherzeugungsbetrieb qualifiziert werden. Der Abgabeort stehe in keinem räumlichen Zusammenhang mit dem Erzeugungsort. Auch der seitens des Klägers beschriebene Vorgang der Rohmilcherzeugung und Abgabe zeige deutlich, dass es hier - nach Ende des Melkvorgangs bis zur Abgabe an den Verbraucher - zu weiteren Behandlungsschritten der Milch komme. Der Transport gehöre aber nach Sinn und Zweck des § 17 Abs. 4 Tier-LMHV nicht mehr zum Milcherzeugungsprozess und solle nach dieser Vorschrift aufgrund der damit einhergehenden Risikoerhöhung der abstrakten Gesundheitsgefahr gerade verhindert werden. Diese abstrakte Gefahr sei nach dem Willen des Verordnungsgebers maßgebliches Untersagungskriterium. Der Kläger könne die abstrakte Gefahr, die der Transport als solches mit sich bringe, nicht dadurch beseitigen, dass er die gesetzlichen Hygienevorgaben genauestens einhalte. Im Rahmen ihrer Ermessensentscheidung habe sie zu berücksichtigen gehabt, dass es sich bei § 17 Abs. 1 Tier-LMHV um ein Verbot zum vorbeugenden Schutz der öffentlichen Gesundheit handele. Die Untersagungsverfügung sei auch nicht wegen Verstoßes gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ermessensfehlerhaft. Insbesondere seien dem Kläger alternative Möglichkeiten, seine erzeugte Milch zu vermarkten, aufgezeigt worden. Ob die Voraussetzungen des § 17 Abs. 4 Tier-LMHV bei den angeführten, im...-Kreis gelegenen Höfen eingehalten würden, könne offenbleiben. Selbst wenn eine Ungleichbehandlung zu bejahen wäre, könne sich der Kläger auf eine Gleichbehandlung im Unrecht nicht berufen.
15 
Die am 15.05.2014 durchgeführte mündliche Verhandlung ist mit Beschluss vom 27.05.2014 wiedereröffnet worden, um die Beteiligten zur Frage der maßgeblichen Rechtsgrundlage der gegenständlichen Verfügung anzuhören.
16 
Dem Senat liegen die Akten des Landratsamts Neckar-Odenwald-Kreis (1 Band, 1 Aktenvermerk), des Regierungspräsidiums Karlsruhe (1 Band) und des Verwaltungsgerichts vor. Darauf und auf die gewechselten Schriftsätze wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
17 
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
18 
Die zulässige, insbesondere fristgerecht (§ 124a Abs. 2 und Abs. 3 VwGO) eingelegte und mit einer Begründung versehene Berufung ist nicht begründet. Das angegriffene Urteil ist nicht zu ändern. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
19 
Eine Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) nach Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Fassung der Bekanntmachung vom 09.05.2008 (ABl. Nr. C 115 S. 47) - AEUV - hält der Senat nicht für erforderlich. Denn er hat weder Zweifel hinsichtlich der Auslegung von Bestimmungen des Primärrechts noch der Verordnungen (EG) 882/2004 oder 853/2004. Im Übrigen kann das Urteil des Senats mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden (vgl. Art. 267 Abs. 3 AEUV). Ein solches Rechtsmittel stellt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde bei Nichtzulassung der Revision gemäß § 133 VwGO dar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.10.1997 - 6 B 32/97 -, NVwZ-RR 1998, 752/754; siehe auch Borchardt in Lenz/Borchardt, EU-Verträge, 5. Aufl., Art. 267 AEUV Rn. 41).
20 
Die als Anfechtungsklage statthafte (vgl. § 42 Abs. 1 1. Alt. VwGO) und auch sonst zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Landratsamts Neckar-Odenwald-Kreis vom 15.01.2010 sowie der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 06.07.2010 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Untersagungsverfügung stellt ihrem Inhalt nach einen Dauerverwaltungsakt dar. Sie verbietet dem Kläger generell für die Zukunft die Abgabe von Rohmilch am Standort des Stammbetriebs und erschöpft sich damit nicht im Verlangen eines einmaligen Tuns oder Unterlassens. Der Senat hat deshalb die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung zu berücksichtigen, da das materielle Recht nicht die Maßgeblichkeit eines anderen Zeitpunkts bestimmt (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 22.01.1998 - 3 C 6/97 -, BVerwGE 106, 141).
I.
21 
Der Beklagte hat die Untersagungsverfügung auf § 39 Abs. 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) in der derzeit gültigen Fassung der Dritten Verordnung zur Änderung des LFGB vom 28.05.2014 (BGBl. I 2014, 698) i.V.m. § 17 Tier-LMHV gestützt. Nach § 39 Abs. 2 Satz 1 LFGB trifft die zuständige Behörde - und damit das gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 LFGB i.V.m. § 19 Abs. 1, § 18 Abs. 4 AG-LMGB, § 15 Abs. 1 Nr. 1 LVG zur Lebensmittelüberwachung berufene Landratsamt - die notwendigen Anordnungen und Maßnahmen, die zur Feststellung oder zur Ausräumung eines hinreichenden Verdachts eines Verstoßes oder zur Beseitigung festgestellter Verstöße oder zur Verhütung künftiger Verstöße sowie zum Schutz vor Gefahren für die Gesundheit oder vor Täuschung erforderlich sind. Sie kann dabei u.a. das Herstellen, Behandeln oder das Inverkehrbringen von Erzeugnissen verbieten oder beschränken (vgl. § 39 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 LFGB).
22 
Nach Auffassung des Senats ist § 39 Abs. 2 LFGB allerdings nicht anwendbar. Vielmehr ergibt sich im Falle der Feststellung eines Verstoßes gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften die Befugnisnorm für auf Abhilfe gerichtete Maßnahmen der Lebensmittelbehörde, wie etwa ein Verkehrsverbot, aus Art. 54 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. b) der Verordnung (EG) 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz vom 29.04.2004 (ABl. L Nr. 165, 1 ff.) .
23 
Art. 54 Abs. 1 der Verordnung (EG) 882/2004, zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 517/2013 des Rates vom 13.05.2013, ABl. L 158, 1, lautet: Stellt die zuständige Behörde einen Verstoß fest, so trifft sie die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass der Unternehmer Abhilfe schafft. Nach Art. 54 Abs. 2 Nr. b) dieser Verordnung kann dazu (u.a.) die Maßnahme der Einschränkung oder Untersagung des Inverkehrbringens von Futtermitteln, Lebensmitteln oder Tieren gehören. Nach der Legaldefinition in Art. 2 Nr. 10 der Verordnung handelt es sich bei einem Verstoß um die „Nichteinhaltung des Futtermittel- oder Lebensmittelrechts und der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz“.
24 
Art. 54 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EG) 882/2004 gilt unmittelbar und verdrängt wegen des Anwendungsvorrangs des Unionrechts (vgl. Art. 288 AEUV sowie Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Band 3, Stand: August 2012, Art. 288 Rn. 53; Streinz, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: Juli 2011, B Einführung Rn. 38b) in seinem Anwendungsbereich die nationale Rechtsgrundlage des § 39 Abs. 2 LFGB (vgl. auch § 39 Abs. 2 Satz 3 LFGB sowie die diesbezügliche Gesetzesbegründung, BTDrucks. 16/8100, 20: „Diese Regelungen [= Art. 54 Abs. 1 und 2 Verordnung (EG) 882/2004] sind als unmittelbar geltendes Gemeinschaftsrecht von den zuständigen Behörden vorrangig anzuwenden“). Hier liegt ein den Anwendungsvorrang auslösender Kollisionsfall vor (zu diesem Erfordernis vgl. Nettesheim, a.a.O., Art. 288 Rn. 52; Streinz/Herrmann, BayVBl. 2008, 1, 3 f.). In den Erwägungsgründen 2 und 3 der Verordnung (EG) 882/2004 stellt der Verordnungsgeber fest, dass das europäische Futtermittel- und Lebensmittelrecht sowohl in der grundlegenden Verordnung (EG) 178/2002 als auch in speziellen Vorschriften für Bereiche wie Futtermittel- und Lebensmittelhygiene kodifiziert sei. Die Mitgliedstaaten sollten das Futtermittel- und Lebensmittelrecht durchsetzen sowie überwachen und überprüfen, dass die entsprechenden Anforderungen von den Unternehmern auf allen Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen eingehalten werden, wofür auf Gemeinschaftsebene ein einheitlicher Rahmen in Form allgemeiner Vorschriften für die Organisation von Kontrollen geschaffen werden sollte (Erwägungsgründe 6 und 7). In Umsetzung der vorstehenden Erwägungsgründe bestimmt Art. 1 der Verordnung (EG) 882/2004 deren Anwendungsbereich dahingehend, dass in der Verordnung allgemeine Regeln für die Durchführung amtlicher Kontrollen u.a. zur Vermeidung, Beseitigung oder Senkung von unmittelbar oder über die Umwelt auftretenden Risiken für Mensch und Tier festgelegt würden. Aus den Erwägungsgründen 41, 42 und 43 ergibt sich, dass Verstöße gegen das Futtermittel- und Lebensmittelrecht „in der gesamten Gemeinschaft Gegenstand wirksamer, abschreckender und angemessener Maßnahmen sein“ sollten. Unter dem Titel VII „Durchsetzungsmaßnahmen“ der Verordnung ist das Kapitel I mit „Nationale Durchsetzungsmaßnahmen“ überschrieben. Der hier normierte Art. 54 („Maßnahmen im Fall eines Verstoßes“) sieht in seinem zweiten Absatz einen konkreten Maßnahmenkatalog vor. Angesichts des aufgezeigten umfassenden Regelungsanspruchs der Verordnung (EG) 882/2004 und der Zielsetzung, den nationalen Behörden für die Durchsetzung des Lebensmittelrechts unmittelbare rechtliche Vorgaben zu machen, hat der Senat keine Zweifel, dass die Mitgliedstaaten bei festgestellten lebensmittelrechtlichen Verstößen Maßnahmen mit dem Ziel der Abhilfe nunmehr auf Art. 54 der Verordnung (EG) 882/2004 stützen können (so auch Zipfel/Rathke, a.a.O., Stand: Juli/November 2012, C 102, § 39 LFGB Rn. 10 f., 21, 63 ff.; Meyer/Streinz, LFGB, 2. Aufl. 2012, § 39 Rn. 1, 10, 23; Wehlau, LFGB, 2010, § 39 Rn. 10 ff.; Joh/Krämer/Teufer, ZLR 2010, 243 ff.; OVG Hamburg, Beschluss vom 05.09.2011 - 5 Bs 139/11 -, NVwZ-RR 2012, 92; unklar: BayVGH, Beschluss vom 26.11.2011 - 9 ZB 09.2116 -, Juris; zum Verbot, unmittelbar geltende Vorschriften des EU-Rechts im Recht der Mitgliedstaaten zu wiederholen vgl. König in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht, 2. Aufl. 2010, § 2 Rn. 41 m.w.N.; Joh/Krämer/Teufer, ZLR 2010, 243, 247; zur Problematik der Rechtsunsicherheit in der deutschen Überwachungspraxis vgl. dies., ZLR 2010, 243, 246; Meyer/Streinz, a.a.O., § 39 Rn. 1). Ob bzw. inwieweit § 39 Abs. 2 LFGB etwa bei Maßnahmen zur Feststellung oder zur Ausräumung eines bestimmten Verdachts über die unionsrechtliche Ermächtigung in Art. 54 der Verordnung (EG) 882/2004 hinausgeht und deshalb insoweit weiter anwendbar bleibt, bedarf hier keiner Entscheidung (vgl. dazu Zipfel/Rathke, a.a.O., § 39 LFGB Rn. 10; Meyer/Streinz, a.a.O., § 39 Rn. 1; Joh/Krämer/Teufer, ZLR 2010, 243 ff.).
25 
Ungeachtet der anders lautenden behördlichen Begründung kann die angefochtene Verfügung auf Art. 54 der Verordnung (EG) 882/2004 gestützt werden.
26 
§ 39 Abs. 2 LFGB und Art. 54 der Verordnung (EG) 882/2004 sind ähnlich aufgebaut, sie bestehen aus einer Generalklausel (§ 39 Abs. 2 Satz 1 LFGB bzw. Art. 54 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EG) 882/2004) und einer beispielartigen, nicht abschließenden Aufzählung möglicher Maßnahmen (§ 39 Abs. 2 Satz 2 LFGB sowie Art. 54 Abs. 2 der Verordnung (EG) 882/2004; vgl. Wehlau, a.a.O., § 39 Rn. 10). Weder in Bezug auf die Tatbestandsvoraussetzungen noch die Rechtsfolgen weisen die Bestimmungen relevante Unterschiede auf: Beide setzen die Feststellung eines Verstoßes gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften voraus und verpflichten die Behörde („trifft die zuständige Behörde“ bzw. „trifft sie“) zu notwendigen bzw. erforderlichen Maßnahmen (kein Entschließungsermessen; zu Art. 54 der Verordnung (EG) 882/2004 vgl. VG Hannover, Urteil vom 27.06.2012 - 9 A 50/12 -, Juris, zu § 39 Abs. 2 LFGB vgl. Senatsurteil vom 02.03.2010 - 9 S 171/09 -, VBlBW 2010, 314, sowie Senatsbeschluss vom 12.11.1997 - 9 S 2530/97 -, VBlBW 1998, 186; Wehlau, a.a.O., § 39 Rn. 40; Zipfel/Rathke, a.a.O., Stand: November 2012, C 102 § 39 Rn. 17 f.). Diese können insbesondere auch in dem Verbot bzw. der Untersagung des Inverkehrbringens von Erzeugnissen bzw. Lebensmitteln bestehen. Allenfalls im Hinblick auf die im Einzelfall konkret zu ergreifende Maßnahme ist der Behörde im Grundsatz ein Auswahlermessen eingeräumt. Angesichts der Parallelität beider Normen ist nicht erkennbar, weshalb diese vom Senat zu § 39 Abs. 2 LFGB vertretene Auffassung (vgl. Senatsurteil vom 02.03.2010, a.a.O.; Wehlau, a.a.O., § 39 Rn. 40) nicht auch für die unionsrechtliche Rechtsgrundlage zu gelten hätte. Im Rahmen ihrer Entscheidung hat die Behörde schließlich den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren (vgl. Art. 54 Abs. 1 Satz 2 Verordnung (EG) 882/2004; Zipfel/Rathke, a.a.O., Stand: März 2013, C 102, § 39 Rn. 17 f.; 73).
27 
Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist ein Auswechseln der Rechtsgrundlage zulässig. Denn dies führt weder zu einer Wesensveränderung des angefochtenen Verwaltungsakts noch wird die Rechtsverfolgung des Klägers in beachtlicher Weise erschwert (zu diesem Maßstab vgl. BVerwG, Urteil vom 27.01.1982 - 8 C 127/81 -, BVerwGE 64, 356; Urteil vom 21.11.1989 - 9 C 28/89 -, NVwZ 1990, 673). Angesichts des identischen Befugnisrahmens und der gleich gerichteten Ermessensdirektiven würde dies selbst dann gelten, wenn der Behörde im konkreten Fall ein Auswahlermessen bezüglich der konkret zu treffenden Maßnahmen eingeräumt gewesen wäre (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26.05.1994 - 5 S 2637/93 -, NVwZ 1995, 397; Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. Ergänzungslieferung 2013, § 113 Rn. 21; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Auflage 2014, § 45 Rn. 54). Dies war indes nicht der Fall (dazu noch unten unter II. 3.). Handelte es sich mithin bei der gegenständlichen Maßnahme um eine gebundene Entscheidung, war der Senat berechtigt und verpflichtet, die unionsrechtliche Rechtsgrundlage zu berücksichtigen (vgl. nur Schmidt, in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 113 Rn. 17, 22).
II.
28 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 54 Abs. 1 der Verordnung (EG) 882/2004liegen vor. Die Abgabe von Rohmilch durch den am Stammbetrieb des Klägers aufgestellten Rohmilchautomaten begründet einen Verstoß gegen § 17 Abs. 1 Tier-LMHV; der Inhalt der Verordnung (EG) 853/2004 (ABI. L 139 vom 30.04.2004, S. 55) steht einer Anwendung dieser Vorschrift nicht entgegen (hierzu unter 1.). Die Voraussetzungen der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Ausnahmeregelung des § 17 Abs. 4 Satz 1 Tier-LMHV sind nicht gegeben (hierzu unter 2.). Zur Beseitigung des festgestellten Verstoßes und zur Verhütung künftiger Verstöße war die Untersagung der Rohmilchabgabe „erforderlich“ im Sinne Art. 54 Abs. 1 der Verordnung (EG) 882/2004, um sicherzustellen, dass der Unternehmer Abhilfe schafft; auch mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit war die gegenständliche Maßnahme nicht zu beanstanden (dazu unter 3.).
29 
1. Nach § 17 Abs. 1 Tier-LMHV ist es verboten, Rohmilch oder Rohrahm an Verbraucher abzugeben.
30 
a) Auch eine Nichteinhaltung dieser nationalen Vorschrift des Lebensmittelrechts ist geeignet, einen „Verstoß“ im Sinne des Art. 54 Abs. 1 Satz 1 Verordnung (EG) 882/2004 zu begründen (zu diesem Begriff vgl. Art. 2 Nr. 10 der Verordnung). Nach Art. 2 Satz 1 Verordnung (EG) 882/2004 gelten für die Zwecke der vorliegenden Verordnung die Begriffsbestimmungen der Artikel 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002. Gemäß Art. 3 dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck „Lebensmittelrecht“ die Rechts- und Verwaltungsvorschriften für Lebensmittel im Allgemeinen und die Lebensmittelsicherheit im Besonderen, sei es auf gemeinschaftlicheroder auf einzelstaatlicher Ebene (Hervorhebung nur hier). Mithin ist dieses Verständnis auch der Auslegung des Art. 54 Abs. 1 Satz 1 Verordnung (EG) 882/2004 zugrunde zu legen (so ausdrücklich auch Joh/Krämer/Teufer, ZLR 2010, 243, 249; vgl. auch Zipfel/Rathke, a.a.O., § 39 LFGB Rn. 67 und C 101, Art. 3 Verordnung (EG) Nr. 178/2002, Rn. 6).
31 
b) § 17 Abs. 1 Tier-LMHV beruht auf einer eigenständigen nationalen Rechtsgrundlage. Der Verordnungsgeber hat sich hierbei ausdrücklich auf die spezielle Ermächtigung in Art. 10 Abs. 8a der Verordnung (EG) 853/2004 (ABI. L 139 vom 30.4.2004, S. 55) gestützt, die es dem einzelnen Mitgliedstaat überlässt, aus eigener Initiative und unter Einhaltung der allgemeinen Bestimmungen des Primärrechts einzelstaatliche Vorschriften beizubehalten oder einzuführen, mit denen das Inverkehrbringen von Rohmilch oder Rohrahm, die für den unmittelbaren menschlichen Verzehr bestimmt sind, in seinem Hoheitsgebiet untersagt oder eingeschränkt wird (vgl. BRDrucks. 327/07, Amtliche Begründung zu § 17; Zipfel/Rathke, a.a.O., Stand: November 2012, C 178 § 17 Tier-LMHV Rn. 3 ff.). Da es sich um eine spezielle, rein mitgliedstaatliche Regelung handelt, dürfte auch der vom Kläger aufgeworfenen Frage, ob mit Blick auf Art. 1 Abs. 3 c) der Verordnung (EG) 853/2004 (danach gilt die Verordnung nicht für die direkte Abgabe kleiner Mengen von Primärerzeugnissen durch den Erzeuger an den Endverbraucher oder an örtliche Einzelhandelsunternehmen, die die Erzeugnisse direkt an den Endverbraucher abgeben) der Anwendungsbereich der Verordnung überhaupt eröffnet ist, keine maßgebliche Bedeutung zukommen (vgl. auch die Stellungnahme des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum Baden-Württemberg vom 19.07.2007, Seite 23 c der Behördenakte).
32 
Dass der Verordnungsgeber die Grenzen des Unionsrechts überschritten hätte, vermag der Senat nicht festzustellen. Zwar wird die Ermächtigung der Mitgliedstaaten durch Art. 10 Abs. 3 und 4 Verordnung (EG) 853/2004 eingeschränkt. Nach Art. 10 Abs. 3 dürfen diese beim Erlass einzelstaatlicher Vorschriften nach den Absätzen 4 bis 8 „die Erreichung der Ziele dieser Verordnung“ nicht gefährden. Dass dies der Fall wäre, ist indes nicht ersichtlich. Das grundsätzliche Verbot des Inverkehrbringens von Rohmilch zum unmittelbaren menschlichen Verzehr dient gerade den primären Zielen der Verordnung (EG) 853/2004, ein hohes Gesundheitsschutz- und Verbraucherschutzniveau sicherzustellen (vgl. die Erwägungsgründe 3 und 9 der Verordnung (EG) 853/2004). Mithin kann von einer Gefährdung der Erreichung der Ziele der Verordnung keine Rede sein. Dem kann der Kläger nicht entgegenhalten, die in § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV aufgestellte Voraussetzung diene überhaupt keinen hygienerechtlichen Zwecken. Zur Begründung kann auf die nachfolgenden Ausführungen unter 2.a) verwiesen werden. Soweit nach Art. 10 Abs. 4 a) i) Verordnung (EG) 853/2004 die einzelstaatlichen Vorschiften u.a. zum Ziel haben, die weitere Anwendung traditioneller Methoden auf allen Produktions-, Verarbeitungs- oder Vertriebsstufen von Lebensmitteln zu ermöglichen, könnte ein generelles Verbot des Inverkehrbringens von Rohmilch zum unmittelbaren menschlichen Verzehr möglicherweise unionsrechtliche Fragen aufwerfen, soweit in dem betreffenden Mitgliedstaat eine entsprechende Tradition bestand (vgl. Zipfel/Rathke, a.a.O., C 178 § 17 Tier-LMHV Rn. 5 f.). Hier hat der deutsche Verordnungsgeber indes kein generelles Abgabeverbot erlassen, sondern das grundsätzliche Abgabeverbot nach § 17 Abs. 1 mit den Ausnahmeregelungen in § 17 Abs. 2 bis 4 Tier-LMHV verknüpft. Indem er in Abs. 4 Satz 1 weiterhin ausdrücklich die sog. „Milch-ab-Hof-Abgabe“ zulässt (vgl. die ähnliche Vorgängerregelung in § 8 Abs. 1 Milchverordnung), hat er dieser traditionellen Vertriebsform explizit Rechnung getragen und damit auch Art. 10 Abs. 4 a) i) Verordnung (EG) 853/2004 berücksichtigt.
33 
Der Kläger meint ferner, mit § 17 habe der Verordnungsgeber gegen die nach Art. 10 Abs. 8a der Verordnung (EG) 853/2004 einzuhaltenden „allgemeinen Bestimmungen des Vertrags“ verstoßen. Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden.
34 
Soweit er sich auf Art. 38 Abs. 1, Art. 39 Abs. 1 b), Art. 39 Abs. 1 e) und Art. 40 Abs. 1 a) AEUV beruft, ist bereits weder dargetan noch sonst für den Senat erkennbar, inwieweit diese Normen geeignet sind, bezogen auf die hier einschlägige Fallgestaltung subjektive Rechte des Klägers zu begründen (vgl. Priebe, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Stand: März 2011, Art. 38 AEUV Rn. 100; Art. 39 Rn. 2, 6).
35 
Dass die Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Zulässigkeit der Abgabe von Rohmilch für den unmittelbaren menschlichen Verzehr unterschiedliche Regelungen treffen dürfen und getroffen haben, ist im Übrigen ersichtlich unionsrechtlich bezweckte, notwendige Folge der speziellen Öffnungsklausel des Art. 10 Abs. 8a der Verordnung (EG) 853/2004, die auch mit Blick auf ihren Wortlaut („in seinem Hoheitsgebiet untersagt oder eingeschränkt“) mit einem nicht unerheblichen Gestaltungsspielraum für die Mitgliedstaaten verbunden ist. Schon deshalb scheidet sowohl der behauptete Verstoß gegen die vom Kläger auf Art. 40 Abs. 1 a) AEUV gestützte „Wettbewerbsfreiheit“ wie auch eine Verletzung des Gleichheitssatzes gemäß Art. 20 GRCh aus. Im Übrigen findet die auf einen engen Anwendungsbereich beschränkte Regelung ihre sachliche Rechtfertigung - wie bereits dargelegt - vor allem in den Zielen, ein hohes Gesundheitsschutz- und Verbraucherschutzniveau sicherzustellen (vgl. Erwägungsgründe 3 und 9 der Verordnung (EG) 853/2004) sowie die weitere Anwendung traditioneller Methoden auf allen Produktions-, Verarbeitungs- oder Vertriebsstufen von Lebensmitteln zu ermöglichen (vgl. Art. 10 Abs. 4 a) i) Verordnung (EG) 853/2004). Vor diesem Hintergrund erfährt auch der vom Kläger geltend gemachte Eingriff in die Berufsfreiheit nach Art. 15 Abs. 1 GRCh seine Rechtfertigung jedenfalls durch Art. 52 Abs. 1 Satz 1 und 2 GRCh. Zur weiteren Begründung insbesondere zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit wird auf die Ausführungen unter 2. b) verwiesen.
36 
Bei alledem kann dahingestellt bleiben, ob es beim Gebrauchmachen der Bundesrepublik Deutschland von der Öffnungsklausel des Art. 10 Abs. 8a der Verordnung (EG) 853/2004 um die Durchführung des Rechts der Union durch einen Mitgliedstaat im Sinne des Art. 51 Abs. 1 GRCh geht (vgl. dazu Jarass, Charta der Grundrechte, 2. Aufl. 2013, Art. 51 Rn. 11 ff., 16 ff.; Borowsky, in: Meyer (Hrsg.), Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 3. Auf. 2011, Art. 51 Rn. 24 ff.) und damit der Anwendungsbereich der Grundrechte Charta überhaupt eröffnet ist. Ebenso kann offen bleiben, welche rechtliche Bedeutung insoweit dem Umstand zukommt, dass hier kein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliegt.
37 
2. Die Ausnahmeregelung des § 17 Abs. 4 Satz 1 Tier-LMHV greift nicht zugunsten des Klägers ein.
38 
a) Nach § 17 Abs. 4 Satz 1 Tier-LMHV darf Rohmilch abweichend von Absatz 1 von Milcherzeugungsbetrieben unmittelbar an Verbraucher abgegeben werden, wenn
39 
1. die Abgabe im Milcherzeugungsbetrieb erfolgt,
2. die Rohmilch im eigenen Betrieb gewonnen und behandelt worden ist,
3. die Rohmilch am Tag der Abgabe oder am Tag zuvor gewonnen worden ist,
4. an der Abgabestelle gut sichtbar und lesbar der Hinweis „Rohmilch, vor dem Verzehr abkochen" angebracht ist und
5. die Abgabe von Rohmilch zuvor der zuständigen Behörde angezeigt worden ist.
40 
Nach der Überzeugung des Senats begrenzt § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV in Fällen, in denen ein landwirtschaftlicher Betrieb mehrere Betriebsstätten aufweist und etwa - wie hier - das Milchvieh nicht am Standort des Stammbetriebs gehalten wird, die Rohmilchabgabe räumlich auf die Örtlichkeit, an der die Milch tatsächlich gewonnen wird. Rohmilch wird nur dann in zulässiger Weise „im Milcherzeugungsbetrieb“ im Sinne des § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV abgegeben, wenn die Abgabe am Standort der Milchgewinnung erfolgt.
41 
Dies legt bereits der Wortlaut des § 17 Abs. 4 Satz 1 Tier-LMHV nahe. Die normative Aufzählung von fünf Voraussetzungen, die alle kumulativ für das Vorliegen einer Ausnahme erfüllt sein müssen, spricht dafür, dass es sich bei der Abgabe „im Milcherzeugungsbetrieb" nach Nr. 1 um ein Tatbestandsmerkmal mit eigenständiger Aussagekraft handelt. Anders als die wenig ergiebige Legaldefinition des Begriffs „Milcherzeugungsbetrieb“ in § 2 Abs. 2 Nr. 3 Tier-LMHV in Verbindung mit 4.2 des Anhangs 1 der Verordnung (EG) 853/2004 („Betrieb mit einem oder mehreren Nutztieren, die zur Erzeugung von Milch, die als Lebensmittel in den Verkehr gebracht werden, gehalten werden“) deutet die mit der lokalen Präposition verbundene Wendung „im Milcherzeugungsbetrieb“ darauf hin, dass hier eine Aussage über den zulässigen Ort der Rohmilchabgabe getroffen wird. Dies wird durch das Bestehen eines unternehmerischen bzw. betriebswirtschaftlichen Zusammenhangs mit dem Stammbetrieb nicht in Frage gestellt. Denn nach der allgemeinen Definition in Art. 2 Abs. 1 Buchstabe c Verordnung (EG) Nr. 852/2004 ist unter Betrieb jede Einheit eines Lebensmittelunternehmens zu verstehen. Im Gegensatz zu dem in der Verordnung (EG) 178/2002 selbständig definierten Begriff des Lebensmittelunternehmens dürfte der Begriff des Betriebs hier nicht als unternehmerische Zusammenfassung einer Tätigkeit, sondern als eine organisatorische und/oder örtliche Zusammenfassung der Herstellung oder des Inverkehrbringens von Lebensmitteln zu verstehen sein; dabei ist - gerade auch im hygienerechtlichen Kontext - in der Regel davon auszugehen, dass ein Betrieb durch die örtliche Zusammenfassung gebildet wird (vgl. Zipfel/Rathke, a.a.O., Stand: März 2008, C 170, Art. 2 Verordnung (EG) Nr. 852/2004 Rn. 14). Mithin kann der Teil eines landwirtschaftlichen Betriebs, an dem Milch gewonnen wird, als Milcherzeugungsbetrieb im Sinne des § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV angesehen werden.
42 
Erhärtet wird diese Auslegung durch den Sinn und Zweck der Regelung, der darin besteht, die Gesundheit der Verbraucher vor den potentiellen Risiken zu schützen, die mit dem Verzehr von Rohmilch verbunden sind (vgl. hierzu die amtliche Begründung BRDrucks. 327/07, S. 170; Zipfel/Rathke, a.a.O., C 178, § 17 Tier-LMHV Rn. 1). Alle in Nr. 1 bis 5 kumulativ verlangten Voraussetzungen haben eine hygienerechtliche Komponente. Entgegen der Ansicht des Klägers wird auch mit dem räumlichen Erfordernis der Nr. 1 ein hygienerechtlicher Schutzzweck verfolgt. Zu Recht hat der Beklagte insoweit darauf verwiesen, dass es in der Natur der Rohmilch liegt, dass sie Bakterien enthalten könne, die geeignet seien, die Verbrauchergesundheit zu schädigen, wie zum Beispiel Salmonellen, EHEC, Campylobacter, Listerien etc. (vgl. auch Bundesinstitut für Risikobewertung, Mitteilung vom 29.05.2009 unter http://www.bfr.bund.de/cd/29651; aktueller Bericht Anlage 1 zum Schriftsatz des Beklagten vom 19.09.2013). Zur Vermeidung lebensmittelbedingter Infektionskrankheiten empfiehlt die WHO in einer ihrer „Zehn Goldenen Regeln“: „always buy pasteurized as opposed to raw milk“. Unstreitig kann sich ein Anfangskeimgehalt der Milch, auch wenn dieser noch nicht die infektiöse Dosis darstellen sollte, aufgrund des für diese Bakterien gut geeigneten Nährmediums Rohmilch bei weiterer Lagerung und Handhabung vermehren. Behandlungsschritte wie Umfüllen, Lagern und Transportieren erhöhen die Kontaminationsgefahr in Form eines zusätzlichen Bakterienantrags. Darüber hinaus kann eine damit einhergehende Unterbrechung der Kühlkette zu Bakterienwachstum führen.
43 
Angesichts der nach Abschluss der Rohmilchgewinnung im Falle zusätzlicher Behandlungsschritte typischerweise auftretenden vermehrten Risiken hat der Verordnungsgeber in § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV die Abgabe der Rohmilch mithin der Sache nach räumlich auf den Standort der tatsächlichen Milchgewinnung beschränkt und damit den Transport der Rohmilch als abstrakt risikoerhöhenden Umstand untersagt. An anderen Örtlichkeiten kommt deshalb eine Rohmilchabgabe nicht in Betracht, selbst wenn sie sich in der Verfügungsgewalt des Milcherzeugers befinden (so auch Zipfel/Rathke, a.a.O., § 17 Tier-LMHV Rn. 41).
44 
Diese enge Auslegung wird bestätigt durch die verordnungsrechtliche Systematik. Bei der in § 17 Abs. 4 Satz 1 Tier-LMHV geregelten Möglichkeit der „Milch-ab-Hof-Abgabe“ handelt es sich um eine Ausnahme von dem Grundsatz des Rohmilchabgabeverbots in Absatz 1. Allgemeinen Grundsätzen entsprechend legt dies eine restriktive Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale in § 17 Abs. 4 Satz 1 Tier-LMHV nahe. Das spricht dagegen, die Abgabe von Rohmilch an Örtlichkeiten zuzulassen, die zwar Teil des landwirtschaftlichen Betriebs sind, aber mit der eigentlichen Milcherzeugung in keinem räumlichen Zusammenhang stehen. Auch die Vorgaben für die sog. Vorzugsmilch legen einen hygienerechtlichen Schutzzweck der in § 17 Abs. 4 Nr. 1 Tier-LMHV normierten Voraussetzungen nahe. Vorzugsmilch ist Rohmilch, die in Fertigpackungen oder sonst in verschlossene Behältnisse abgefüllt wurde, die aber gehandelt und deshalb vom Verbraucher auch im Einzelhandel erworben werden kann. Im Gegensatz zur unmittelbaren Abgabe von Rohmilch nach § 17 Abs. 4 Tier-LMHV ist die Abgabe von Vorzugsmilch an den Verbraucher örtlich nicht auf den Erzeugungsbetrieb beschränkt, vielmehr erfolgen hier im Anschluss an die Milchgewinnung typischerweise weitere Behandlungsschritte einschließlich des Transports. Allerdings stellt der Verordnungsgeber an Vorzugsmilch auch deutlich strengere Hygieneanforderungen. Während für die unmittelbar abzugebende Rohmilch nach § 17 Abs. 4 Satz 2 Tier-LMHV lediglich die Anforderungen nach Anlage 2 der LMHV entsprechend gelten, muss die Vorzugsmilch insbesondere in einem Milcherzeugungsbetrieb, für den die zuständige Behörde eine vorherige Genehmigung nach § 18 Abs. 1 Tier-LMHV erteilt hat, unter Einhaltung der Anforderungen der (sehr detaillierten) Anlage 9 Kapitel I Nr. 1 und 2 gewonnen und behandelt worden sein (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Tier-LMHV). Wenn der Verordnungsgeber derart strenge hygienische Anforderungen im Falle der Milch-ab-Hof-Abgabe nach § 17 Abs. 4 Tier-LMHV für verzichtbar hält, zeigt dies, dass er von einem engen Anwendungsbereich der Bestimmung ausgeht und der räumlichen Begrenzung des Ausnahmetatbestands auf eine Abgabe am Standort der tatsächlichen Milchgewinnung eine maßgebliche Bedeutung für einen wirksamen gesundheitlichen Verbraucherschutz zuschreibt.
45 
b) In dieser Auslegung begegnet § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
46 
Insbesondere vermag der Senat nicht festzustellen, dass das Erfordernis betroffene Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe in ihrer durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Freiheit der Berufsausübung verletzt.
47 
Eine hinreichende normative Grundlage im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG liegt vor. Die verordnungsrechtliche Bestimmung findet ihre Ermächtigung in § 13 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 6, § 34 Satz 1 Nr. 1 und 4 LFGB, mithin ist hier die Berufsausübung auf Grund eines Gesetzes geregelt worden.
48 
Auch ein Verstoß gegen den rechtstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatz lässt sich nicht feststellen. Das Erfordernis, den Anwendungsbereich der Norm im Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln, bedeutet noch keine Verletzung des Bestimmtheitsgebots, solange eine solche Auslegung mit herkömmlichen juristischen Methoden bewältigt werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.05.1988 - 2 BvR 579/84 -, BVerfGE 78, 205, 212 ff.; BVerfG, Beschluss vom 14.12.2000 - 2 BvR 1741/99, 2 BvR 276/00, 2 BvR 2061/00 -, NJW 2001, 879, 880).
49 
Hiervon ausgehend hat der Senat an der ausreichenden Bestimmtheit der Bestimmung keine durchgreifenden Zweifel. Aus dem Wortlaut des § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV geht für den Betroffenen erkennbar hervor, dass die Milchabgabe in räumlicher Hinsicht an den „Milcherzeugungsbetrieb“ geknüpft ist. Zwar bedarf es einer weitergehenden Eingrenzung und Konkretisierung der örtlichen Voraussetzungen, diesem Erfordernis kann indes - wie oben dargelegt - im Wege der Auslegung insbesondere anhand der Systematik und des Zwecks der Regelung jedenfalls im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle Rechnung getragen werden. Dabei weist der Senat darauf hin, dass die vom Kläger befürwortete weite Interpretation der Vorschrift mit erheblich größeren Bestimmtheitsdefiziten verbunden wäre. Denn sollte die Regelung nicht an den Ort der tatsächlichen Milchgewinnung anknüpfen, müsste bestimmt werden, ab welcher Distanz zwischen verschiedenen Teilen eines landwirtschaftlichen Betriebs noch von einer Abgabe im „Milcherzeugungsbetrieb“ ausgegangen werden kann. Hierfür sind greifbare Maßstäbe nicht ersichtlich.
50 
Darüber hinaus muss die Regelung durch hinreichende, der Art der betroffenen Betätigung und der Intensität des jeweiligen Eingriffs Rechnung tragende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt werden und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.09.2010 - 1 BvR 1789/10 -, NVwZ 2011, 355; BVerfG, Beschluss vom 26.02.1997 - 1 BvR 1864/94, 1 BvR 1102/95 -, BVerfGE 95, 193, 214). Ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz liegt indes nicht vor.
51 
Mit der Beschränkung der Abgabe von Rohmilch auf den Standort der Milchgewinnung regelt der Verordnungsgeber lediglich die Modalitäten der Berufsausübung des Inhabers eines landwirtschaftlichen Betriebs. Selbst wenn die Bestimmung die Ebene der Rentabilität einer beruflichen Tätigkeit berühren sollte, sind Bedrohungen der wirtschaftlichen Existenz der Betreiber derartiger Abgabestellen nicht dessen typische Folge. Denn regelmäßig - wie auch im vorliegenden Fall - gelangt lediglich ein Teil der gewonnenen Milch als Rohmilch zum unmittelbaren Verkauf; außerdem wird der Rohmilchverkauf nicht generell untersagt, sondern lediglich auf den Standort der Milchgewinnung beschränkt.
52 
Mit dem oben dargestellten Zweck der Regelung, die Gesundheit der Verbraucher vor den potentiellen Risiken zu schützen, die mit dem Verzehr von Rohmilch verbunden sind, verfolgt der Verordnungsgeber ein legitimes Anliegen des Gemeinwohls.
53 
Die Regelung ist auch zur Zweckerreichung geeignet, weil mit ihrer Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.09.2010, a.a.O.). Dem Normgeber kommt auch insoweit ein Einschätzungs- und Prognosevorrang zu; ihm obliegt es, unter Beachtung der Sachgesetzlichkeiten zu entscheiden, welche Maßnahmen er im Interesse des Gemeinwohls ergreifen will (BVerfG, Beschluss vom 29.09.2010, a.a.O.). Wird der Normgeber zur Verhütung von Gefahren für die Allgemeinheit tätig, so belässt ihm die Verfassung bei der Prognose und Einschätzung der in den Blick genommenen Gefährdung einen Beurteilungsspielraum, der auch von den Fachgerichten bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung zu beachten ist. Der Beurteilungsspielraum ist erst dann überschritten, wenn die Erwägungen des Gesetzgebers so offensichtlich fehlsam sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für die angegriffenen gesetzgeberischen Maßnahmen sein können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.09.2010, a.a.O.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21.07.2003 - 1 S 377/02 -, VBlBW 2004, 20-28).
54 
Bei Zugrundelegung dieses Maßstabs ist die Annahme des Verordnungsgebers, dass die in § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV vorgenommene räumliche Beschränkung der Abgabe der Rohmilch auf den Standort der tatsächlichen Milchgewinnung zu einer Verringerung der mit einer Rohmilchabgabe einhergehenden Gefahren führt, nicht zu beanstanden. Insbesondere erscheint die Einschätzung naheliegend, der Transport der Rohmilch im Anschluss an die Milchgewinnung sei typischerweise mit einem erhöhten Infektionsrisiko verbunden. Entgegen der Ansicht des Klägers reicht diese durch sachverständiger Stellungnahmen hinreichend verlässlich abgesicherte abstrakte Gefährdungslage aus.
55 
Ebenso wie bei der Frage der Geeignetheit verfügt der Normgeber auch bei der Einschätzung der Erforderlichkeit über einen Beurteilungs- und Prognosespielraum (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.07.2000 - 1 BvR 539/96 -, BVerfGE 102, 197, 218; Urteil vom 28.03.2006 - 1 BvR 1054/01 -, BVerfGE 115, 276, 309). Infolge dieser Einschätzungsprärogative können Maßnahmen, die der Normgeber zum Schutz eines wichtigen Gemeinschaftsguts wie der Eindämmung von Gefahren, die mit der Abgabe von Rohmilch verbunden sind, für erforderlich hält, verfassungsrechtlich nur beanstandet werden, wenn nach den dem Normgeber bekannten Tatsachen und im Hinblick auf die bisher gemachten Erfahrungen feststellbar ist, dass Beschränkungen, die als Alternativen in Betracht kommen, zwar die gleiche Wirksamkeit versprechen, indessen die Betroffenen weniger belasten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.09.2010, a.a.O.).
56 
Derartige mildere, aber vergleichbar wirksame Mittel sind vorliegend weder dargetan noch sonst ersichtlich. Dabei kommt auch der Entstehungsgeschichte der Vorschrift Bedeutung zu. Denn der Verordnungsgeber wollte mit der Bestimmung erkennbar die traditionell praktizierte, inhaltsgleich bereits in der Milchverordnung geregelte „Milch-ab-Hof-Abgabe“ weiter ermöglichen. Damit trug er auch der Regelung in Art. 10 Abs. 4a i) Verordnung (EG) 853/2004 Rechnung. Insoweit lag es nicht fern, auf die Vorgabe besonders strenger hygienerechtlicher Anforderungen nach Art der Vorzugsmilch zu verzichten, aber den Anwendungsbereich der Ausnahmevorschrift auf den typischen Fall der „Milch-ab-Hof-Abgabe“ zu begrenzen.
57 
Schließlich ergibt eine Abwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe, dass die Grenze der Zumutbarkeit und damit der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne gewahrt ist. Die räumliche Beschränkung der Rohmilchabgabe dient dem Schutz hochrangiger Gemeinschaftsgüter, nämlich der Gesundheit von Konsumenten vor möglicherweise gravierenden gesundheitlichen Risiken. Auf der anderen Seite beschränken sich die Auswirkungen des Eingriffs, der auf der Ebene der Berufsausübung verbleibt, auf eine Verringerung des Umsatzes aus dem Verkauf der Rohmilch, den der Inhaber eines aus mehreren Teilen bestehenden landwirtschaftlichen Betriebs tendenziell vermeiden kann, indem er die Abgabestelle an den Standort der Milchgewinnung legt. Dass die Milchabgabe insoweit nicht immer am verkehrsgünstigsten und damit lukrativsten Standort erfolgen kann, erscheint dem Betriebsinhaber zumutbar.
58 
Bei alledem nimmt § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV maßgeblich das Verhalten des für das Inverkehrbringen der Rohmilch lebensmittelrechtlich verantwortlichen Milcherzeugers in den Blick und nicht etwa auch ein potentielles Verhalten des Konsumenten im Anschluss an die erfolgte Abgabe der Rohmilch an diesen. Dies kann nicht beanstandet werden.
59 
c) Gemessen hieran erfüllt die Rohmilchabgabe durch den Rohmilchautomaten am Standort Hauptstraße ... nicht das Tatbestandsmerkmal der Abgabe „im Milcherzeugungsbetrieb". Die Milchgewinnung erfolgt in der zwei Kilometer hiervon entfernten im Jahr 1996 errichteten weiteren Betriebsstätte auf dem Flurstück ... ..., in der der neue Milchviehstall steht und die Melk-Technik vorgehalten wird. Auch der behauptete „Notstall" für z.B. kranke Tiere macht den Standort Hauptstraße ... nicht zum Milcherzeugungsbetrieb im Sinne von § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV. Schließlich ist es nach Sinn und Zweck der vom Verordnungsgeber gewollten Beschränkung auch nicht maßgeblich, dass der gegenwärtige Standort des Rohmilchautomaten verkehrsgünstiger liegt und der Milchviehstall für die Kunden des Klägers demgegenüber schwerer zu erreichen wäre.
60 
Da für eine zulässige Rohmilchabgabe sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen des § 17 Abs. 4 Tier-LMHV kumulativ erfüllt sein müssen, kommt es auf die Erfüllung der weiteren Voraussetzungen des § 17 Abs. 4 Tier-LMHV durch den Kläger nicht an,
61 
3. Die angefochtene Verfügung begegnet auch im Übrigen keinen rechtlichen Bedenken.
62 
Der zuständigen Lebensmittelüberwachungsbehörde kam bei der Anordnung nach Art. 54 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. b) Verordnung (EG) 882/2004 i.V.m. § 17 Tier-LMHV kein Entschließungsermessen zu. Vielmehr war sie verpflichtet, bei Vorliegen eines Verstoßes die erforderlichen Maßnahmen zu treffen (vgl. bereits oben). Das Abgabeverbot zielt auch darauf ab, dass der Unternehmer Abhilfe schafft (vgl. Zipfel/Rathke, a.a.O., Stand: November 2012, C 102 § 39 Rn. 65).
63 
Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Behörde im vorliegenden Fall ein Auswahlermessen eingeräumt war (vgl. ebenfalls bereits oben sowie Senatsurteil vom 02.03.2010, a.a.O., zu § 39 Abs. 2 LFGB). Vielmehr kam als Reaktion auf den Rechtsverstoß allein die Untersagung der Abgabe von Rohmilch am Stammbetrieb des Klägers als zulässige und im Sinne Art. 54 Abs. 1 Verordnung (EG) 882/2004 „erforderliche“ Maßnahme in Betracht (im Ergebnis vergleichbar BayVGH, Beschluss vom 17.01.2011 - 9 ZB 09.2654 -, Juris). Die auf die Fehlerhaftigkeit der Ermessensausübung durch den Beklagten zielenden Angriffe gehen daher ins Leere. Das ergibt sich aus Folgendem:
64 
Nach der Regel-Ausnahme-Systematik des § 17 Tier-LMHV ist das Verbot der Abgabe von Rohmilch klar vorgegeben, wenn keine der Ausnahmen der Absätze 2 bis 4 vorliegt. Zur wirksamen Durchsetzung dieser nach dem eindeutigen Willen des Verordnungsgebers zwingenden Rechtsfolge und in Ansehung des in § 1 Abs. Nr. 1 LFGB normierten Gesetzeszwecks, den Schutz der Verbraucher durch Vorbeugung gegen eine Gefahr für die menschliche Gesundheit sicherzustellen, kommt auch bei Einbeziehung des in Art. 54 Abs. 2 Verordnung (EG) 882/2004 grundsätzlich zur Verfügung stehenden Instrumentariums allein die Untersagung der Abgabe der Rohmilch auf der Grundlage des Art. 54 Abs. 2 Nr. b) Verordnung (EG) 882/2004 in Betracht. Deshalb kann dem Kläger - entgegen seiner Auffassung - die Rohmilchabgabe an seinem Stammbetrieb auch nicht unter Auflagen gestattet werden (Inverkehrbringen unter eigener oder behördlicher Kontrolle, Auflagen der Probenziehung oder der täglichen oder zweitäglichen Leerung des Behälters o.Ä.). Etwas anderes gilt auch nicht mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. Art. 54 Abs. 1 Satz 2 Verordnung (EG) 882/2004). Denn eine Korrektur der Verwaltung im Einzelfall mit Hilfe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes kommt nur in Betracht, soweit das Gesetz bzw. die Verordnung dieser einen Spielraum einräumt (vgl. Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 20 Rn. 148; Jarass/Pieroth, GG, 11. Aufl. 2011, Art. 20 Rn. 90a). Dies ist hier indes nicht der Fall. § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV ist verfassungsrechtlich unbedenkliches zwingendes Recht, die Tier-LMHV sieht eine Zulassung der Rohmilchabgabe unter Verzicht auf dieses Erfordernis etwa im Falle einer „Kompensation“ durch hygienerechtliche Auflagen nicht vor. Ein anderes Ergebnis würde zu einer Verwischung der Grenzen zwischen den einzelnen Ausnahmetatbeständen und damit letztlich zu einer Missachtung des Willens des Normgebers führen.
65 
Unabhängig davon erweist sich die Verfügung auch nicht als unverhältnismäßig im Einzelfall. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte - auch ohne das Vorliegen einer konkreten Gesundheitsgefahr - dem mit den zugrunde liegenden Regelungen geschützten öffentlichen Interesse am vorbeugenden (vgl. dazu Zipfel/Rathke, a.a.O., C 170, § 17 Tier-LMHV Rn. 1; § 1 Nr. 1 LFGB sowie Zipfel/Rathke, a.a.O., C 102, § 1 LFGB, Rn. 14 f.) Gesundheits- und Verbraucherschutz potentieller Konsumenten und damit hochrangigen Rechtsgütern den Vorrang eingeräumt hat. Das vom Kläger angeführte wirtschaftliche Interesse am Rohmilchverkauf an einem verkehrsgünstigen Standort im Ortsteil ... an der B ... führt nicht zu einer Unverhältnismäßigkeit der Verfügung. Bei einer Abwägung der gegenläufigen Interessen ist zunächst von Bedeutung, dass der angestrebte unmittelbare Rohmilchverkauf nur einen Teil der vom Kläger produzierten Milch betrifft. Ferner bezieht sich das Verbot lediglich auf den Stammbetrieb in der Hauptstraße. Auch wenn der Kläger dort den Rohmilchverkauf in der Vergangenheit praktiziert haben sollte, kann er sich auf Bestandsschutz nicht berufen. Es ist ihm - ungeachtet weiterer Möglichkeiten, die Rohmilch zu verwerten (etwa Verkauf nach Pasteurisierung, Verkauf als Vorzugsmilch) - unbenommen, den Rohmilchverkauf an den Standort seines lediglich zwei Kilometer entfernten Milchviehstalls zu verlegen. Dass dem unüberwindbare oder nicht zumutbare Hindernisse entgegenstehen, ist für den Senat nicht ersichtlich. Dieser Standort ist angesichts seiner verkehrsmäßigen Erschließung über die L ... und der Entfernung von lediglich zwei Kilometern für potentielle Kunden mit dem PKW oder dem Fahrrad ohne weiteres erreichbar. Das in der mündlichen Verhandlung erwähnte Problem, der Kundenverkehr könne dort das Arbeiten bzw. den Verkehr mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen beeinträchtigen, erscheint durch entsprechende organisatorische und/oder bauliche Maßnahmen lösbar. Dass möglicherweise notwendig werdende bauliche Maßnahmen (etwa auch ein Unterstand für den Milchautomaten) den Kläger in wirtschaftlicher Hinsicht unverhältnismäßig belasten würden, ist nicht erkennbar. Die Äußerung in der mündlichen Verhandlung, der Standort des Milchviehstalls sei aus hygienischen Gründen für einen Kundenverkehr „problematischer“ als der Abgabeort am Stammbetrieb, ist eine Vermutung des Klägers, die indes - soweit alle sonstigen Vorschriften eingehalten werden - die Eignung des Standorts am Milchviehstall nicht ernsthaft in Frage stellt. Um die Folgen der verkehrsungünstigeren Lage zu mindern, könnte der Kläger schließlich an seinem Stammbetrieb einen deutlichen Hinweis auf den neuen Standort der Rohmilchabgabe installieren. Gleichwohl verbleibende Umsatzeinbußen sind mit Blick auf den Rang der mit der Verfügung geschützten Rechtsgüter hinzunehmen. Vor diesem Hintergrund kann sich eine Unverhältnismäßigkeit schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der „Art des Verstoßes“ oder des „bisherigen Verhaltens“ des Klägers „mit Blick auf Verstöße“ (vgl. Art. 54 Abs. 1 Satz 2 Verordnung (EG) 882/2004) ergeben.
66 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
67 
Die Revision wird nicht zugelassen (§ 132 VwGO). Die Rechtssache hat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die aufgeworfenen Rechtsfragen sind nicht klärungsbedürftig. Sie lassen sich mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Normauslegung ohne weiteres beantworten.
68 
Beschluss vom 16. Juni 2014
69 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt (vgl. §§ 47 Abs. 1 S. 1, 52 Abs. 2 GKG).
70 
Der Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

Gründe

 
17 
Der Senat entscheidet mit Einverständnis der Beteiligten ohne weitere mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
18 
Die zulässige, insbesondere fristgerecht (§ 124a Abs. 2 und Abs. 3 VwGO) eingelegte und mit einer Begründung versehene Berufung ist nicht begründet. Das angegriffene Urteil ist nicht zu ändern. Das Verwaltungsgericht hat die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.
19 
Eine Vorabentscheidung durch den Gerichtshof der Europäischen Union (EuGH) nach Art. 267 des Vertrages über die Arbeitsweise der Europäischen Union in der Fassung der Bekanntmachung vom 09.05.2008 (ABl. Nr. C 115 S. 47) - AEUV - hält der Senat nicht für erforderlich. Denn er hat weder Zweifel hinsichtlich der Auslegung von Bestimmungen des Primärrechts noch der Verordnungen (EG) 882/2004 oder 853/2004. Im Übrigen kann das Urteil des Senats mit Rechtsmitteln des innerstaatlichen Rechts angefochten werden (vgl. Art. 267 Abs. 3 AEUV). Ein solches Rechtsmittel stellt nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichtes die Beschwerde bei Nichtzulassung der Revision gemäß § 133 VwGO dar (vgl. BVerwG, Beschluss vom 10.10.1997 - 6 B 32/97 -, NVwZ-RR 1998, 752/754; siehe auch Borchardt in Lenz/Borchardt, EU-Verträge, 5. Aufl., Art. 267 AEUV Rn. 41).
20 
Die als Anfechtungsklage statthafte (vgl. § 42 Abs. 1 1. Alt. VwGO) und auch sonst zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid des Landratsamts Neckar-Odenwald-Kreis vom 15.01.2010 sowie der Widerspruchsbescheid des Regierungspräsidiums Karlsruhe vom 06.07.2010 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Die Untersagungsverfügung stellt ihrem Inhalt nach einen Dauerverwaltungsakt dar. Sie verbietet dem Kläger generell für die Zukunft die Abgabe von Rohmilch am Standort des Stammbetriebs und erschöpft sich damit nicht im Verlangen eines einmaligen Tuns oder Unterlassens. Der Senat hat deshalb die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung zu berücksichtigen, da das materielle Recht nicht die Maßgeblichkeit eines anderen Zeitpunkts bestimmt (vgl. nur BVerwG, Urteil vom 22.01.1998 - 3 C 6/97 -, BVerwGE 106, 141).
I.
21 
Der Beklagte hat die Untersagungsverfügung auf § 39 Abs. 2 des Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch (LFGB) in der derzeit gültigen Fassung der Dritten Verordnung zur Änderung des LFGB vom 28.05.2014 (BGBl. I 2014, 698) i.V.m. § 17 Tier-LMHV gestützt. Nach § 39 Abs. 2 Satz 1 LFGB trifft die zuständige Behörde - und damit das gemäß § 38 Abs. 1 Satz 1 LFGB i.V.m. § 19 Abs. 1, § 18 Abs. 4 AG-LMGB, § 15 Abs. 1 Nr. 1 LVG zur Lebensmittelüberwachung berufene Landratsamt - die notwendigen Anordnungen und Maßnahmen, die zur Feststellung oder zur Ausräumung eines hinreichenden Verdachts eines Verstoßes oder zur Beseitigung festgestellter Verstöße oder zur Verhütung künftiger Verstöße sowie zum Schutz vor Gefahren für die Gesundheit oder vor Täuschung erforderlich sind. Sie kann dabei u.a. das Herstellen, Behandeln oder das Inverkehrbringen von Erzeugnissen verbieten oder beschränken (vgl. § 39 Abs. 2 Satz 2 Nr. 3 LFGB).
22 
Nach Auffassung des Senats ist § 39 Abs. 2 LFGB allerdings nicht anwendbar. Vielmehr ergibt sich im Falle der Feststellung eines Verstoßes gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften die Befugnisnorm für auf Abhilfe gerichtete Maßnahmen der Lebensmittelbehörde, wie etwa ein Verkehrsverbot, aus Art. 54 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. b) der Verordnung (EG) 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates über amtliche Kontrollen zur Überprüfung der Einhaltung des Lebensmittel- und Futtermittelrechts sowie der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz vom 29.04.2004 (ABl. L Nr. 165, 1 ff.) .
23 
Art. 54 Abs. 1 der Verordnung (EG) 882/2004, zuletzt geändert durch Verordnung (EU) 517/2013 des Rates vom 13.05.2013, ABl. L 158, 1, lautet: Stellt die zuständige Behörde einen Verstoß fest, so trifft sie die erforderlichen Maßnahmen, um sicherzustellen, dass der Unternehmer Abhilfe schafft. Nach Art. 54 Abs. 2 Nr. b) dieser Verordnung kann dazu (u.a.) die Maßnahme der Einschränkung oder Untersagung des Inverkehrbringens von Futtermitteln, Lebensmitteln oder Tieren gehören. Nach der Legaldefinition in Art. 2 Nr. 10 der Verordnung handelt es sich bei einem Verstoß um die „Nichteinhaltung des Futtermittel- oder Lebensmittelrechts und der Bestimmungen über Tiergesundheit und Tierschutz“.
24 
Art. 54 Abs. 1 und 2 der Verordnung (EG) 882/2004 gilt unmittelbar und verdrängt wegen des Anwendungsvorrangs des Unionrechts (vgl. Art. 288 AEUV sowie Nettesheim, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Band 3, Stand: August 2012, Art. 288 Rn. 53; Streinz, in: Zipfel/Rathke, Lebensmittelrecht, Stand: Juli 2011, B Einführung Rn. 38b) in seinem Anwendungsbereich die nationale Rechtsgrundlage des § 39 Abs. 2 LFGB (vgl. auch § 39 Abs. 2 Satz 3 LFGB sowie die diesbezügliche Gesetzesbegründung, BTDrucks. 16/8100, 20: „Diese Regelungen [= Art. 54 Abs. 1 und 2 Verordnung (EG) 882/2004] sind als unmittelbar geltendes Gemeinschaftsrecht von den zuständigen Behörden vorrangig anzuwenden“). Hier liegt ein den Anwendungsvorrang auslösender Kollisionsfall vor (zu diesem Erfordernis vgl. Nettesheim, a.a.O., Art. 288 Rn. 52; Streinz/Herrmann, BayVBl. 2008, 1, 3 f.). In den Erwägungsgründen 2 und 3 der Verordnung (EG) 882/2004 stellt der Verordnungsgeber fest, dass das europäische Futtermittel- und Lebensmittelrecht sowohl in der grundlegenden Verordnung (EG) 178/2002 als auch in speziellen Vorschriften für Bereiche wie Futtermittel- und Lebensmittelhygiene kodifiziert sei. Die Mitgliedstaaten sollten das Futtermittel- und Lebensmittelrecht durchsetzen sowie überwachen und überprüfen, dass die entsprechenden Anforderungen von den Unternehmern auf allen Produktions-, Verarbeitungs- und Vertriebsstufen eingehalten werden, wofür auf Gemeinschaftsebene ein einheitlicher Rahmen in Form allgemeiner Vorschriften für die Organisation von Kontrollen geschaffen werden sollte (Erwägungsgründe 6 und 7). In Umsetzung der vorstehenden Erwägungsgründe bestimmt Art. 1 der Verordnung (EG) 882/2004 deren Anwendungsbereich dahingehend, dass in der Verordnung allgemeine Regeln für die Durchführung amtlicher Kontrollen u.a. zur Vermeidung, Beseitigung oder Senkung von unmittelbar oder über die Umwelt auftretenden Risiken für Mensch und Tier festgelegt würden. Aus den Erwägungsgründen 41, 42 und 43 ergibt sich, dass Verstöße gegen das Futtermittel- und Lebensmittelrecht „in der gesamten Gemeinschaft Gegenstand wirksamer, abschreckender und angemessener Maßnahmen sein“ sollten. Unter dem Titel VII „Durchsetzungsmaßnahmen“ der Verordnung ist das Kapitel I mit „Nationale Durchsetzungsmaßnahmen“ überschrieben. Der hier normierte Art. 54 („Maßnahmen im Fall eines Verstoßes“) sieht in seinem zweiten Absatz einen konkreten Maßnahmenkatalog vor. Angesichts des aufgezeigten umfassenden Regelungsanspruchs der Verordnung (EG) 882/2004 und der Zielsetzung, den nationalen Behörden für die Durchsetzung des Lebensmittelrechts unmittelbare rechtliche Vorgaben zu machen, hat der Senat keine Zweifel, dass die Mitgliedstaaten bei festgestellten lebensmittelrechtlichen Verstößen Maßnahmen mit dem Ziel der Abhilfe nunmehr auf Art. 54 der Verordnung (EG) 882/2004 stützen können (so auch Zipfel/Rathke, a.a.O., Stand: Juli/November 2012, C 102, § 39 LFGB Rn. 10 f., 21, 63 ff.; Meyer/Streinz, LFGB, 2. Aufl. 2012, § 39 Rn. 1, 10, 23; Wehlau, LFGB, 2010, § 39 Rn. 10 ff.; Joh/Krämer/Teufer, ZLR 2010, 243 ff.; OVG Hamburg, Beschluss vom 05.09.2011 - 5 Bs 139/11 -, NVwZ-RR 2012, 92; unklar: BayVGH, Beschluss vom 26.11.2011 - 9 ZB 09.2116 -, Juris; zum Verbot, unmittelbar geltende Vorschriften des EU-Rechts im Recht der Mitgliedstaaten zu wiederholen vgl. König in: Schulze/Zuleeg/Kadelbach, Europarecht, 2. Aufl. 2010, § 2 Rn. 41 m.w.N.; Joh/Krämer/Teufer, ZLR 2010, 243, 247; zur Problematik der Rechtsunsicherheit in der deutschen Überwachungspraxis vgl. dies., ZLR 2010, 243, 246; Meyer/Streinz, a.a.O., § 39 Rn. 1). Ob bzw. inwieweit § 39 Abs. 2 LFGB etwa bei Maßnahmen zur Feststellung oder zur Ausräumung eines bestimmten Verdachts über die unionsrechtliche Ermächtigung in Art. 54 der Verordnung (EG) 882/2004 hinausgeht und deshalb insoweit weiter anwendbar bleibt, bedarf hier keiner Entscheidung (vgl. dazu Zipfel/Rathke, a.a.O., § 39 LFGB Rn. 10; Meyer/Streinz, a.a.O., § 39 Rn. 1; Joh/Krämer/Teufer, ZLR 2010, 243 ff.).
25 
Ungeachtet der anders lautenden behördlichen Begründung kann die angefochtene Verfügung auf Art. 54 der Verordnung (EG) 882/2004 gestützt werden.
26 
§ 39 Abs. 2 LFGB und Art. 54 der Verordnung (EG) 882/2004 sind ähnlich aufgebaut, sie bestehen aus einer Generalklausel (§ 39 Abs. 2 Satz 1 LFGB bzw. Art. 54 Abs. 1 Satz 1 der Verordnung (EG) 882/2004) und einer beispielartigen, nicht abschließenden Aufzählung möglicher Maßnahmen (§ 39 Abs. 2 Satz 2 LFGB sowie Art. 54 Abs. 2 der Verordnung (EG) 882/2004; vgl. Wehlau, a.a.O., § 39 Rn. 10). Weder in Bezug auf die Tatbestandsvoraussetzungen noch die Rechtsfolgen weisen die Bestimmungen relevante Unterschiede auf: Beide setzen die Feststellung eines Verstoßes gegen lebensmittelrechtliche Vorschriften voraus und verpflichten die Behörde („trifft die zuständige Behörde“ bzw. „trifft sie“) zu notwendigen bzw. erforderlichen Maßnahmen (kein Entschließungsermessen; zu Art. 54 der Verordnung (EG) 882/2004 vgl. VG Hannover, Urteil vom 27.06.2012 - 9 A 50/12 -, Juris, zu § 39 Abs. 2 LFGB vgl. Senatsurteil vom 02.03.2010 - 9 S 171/09 -, VBlBW 2010, 314, sowie Senatsbeschluss vom 12.11.1997 - 9 S 2530/97 -, VBlBW 1998, 186; Wehlau, a.a.O., § 39 Rn. 40; Zipfel/Rathke, a.a.O., Stand: November 2012, C 102 § 39 Rn. 17 f.). Diese können insbesondere auch in dem Verbot bzw. der Untersagung des Inverkehrbringens von Erzeugnissen bzw. Lebensmitteln bestehen. Allenfalls im Hinblick auf die im Einzelfall konkret zu ergreifende Maßnahme ist der Behörde im Grundsatz ein Auswahlermessen eingeräumt. Angesichts der Parallelität beider Normen ist nicht erkennbar, weshalb diese vom Senat zu § 39 Abs. 2 LFGB vertretene Auffassung (vgl. Senatsurteil vom 02.03.2010, a.a.O.; Wehlau, a.a.O., § 39 Rn. 40) nicht auch für die unionsrechtliche Rechtsgrundlage zu gelten hätte. Im Rahmen ihrer Entscheidung hat die Behörde schließlich den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren (vgl. Art. 54 Abs. 1 Satz 2 Verordnung (EG) 882/2004; Zipfel/Rathke, a.a.O., Stand: März 2013, C 102, § 39 Rn. 17 f.; 73).
27 
Vor diesem rechtlichen Hintergrund ist ein Auswechseln der Rechtsgrundlage zulässig. Denn dies führt weder zu einer Wesensveränderung des angefochtenen Verwaltungsakts noch wird die Rechtsverfolgung des Klägers in beachtlicher Weise erschwert (zu diesem Maßstab vgl. BVerwG, Urteil vom 27.01.1982 - 8 C 127/81 -, BVerwGE 64, 356; Urteil vom 21.11.1989 - 9 C 28/89 -, NVwZ 1990, 673). Angesichts des identischen Befugnisrahmens und der gleich gerichteten Ermessensdirektiven würde dies selbst dann gelten, wenn der Behörde im konkreten Fall ein Auswahlermessen bezüglich der konkret zu treffenden Maßnahmen eingeräumt gewesen wäre (vgl. VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 26.05.1994 - 5 S 2637/93 -, NVwZ 1995, 397; Gerhardt, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, 23. Ergänzungslieferung 2013, § 113 Rn. 21; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, Verwaltungsverfahrensgesetz, 8. Auflage 2014, § 45 Rn. 54). Dies war indes nicht der Fall (dazu noch unten unter II. 3.). Handelte es sich mithin bei der gegenständlichen Maßnahme um eine gebundene Entscheidung, war der Senat berechtigt und verpflichtet, die unionsrechtliche Rechtsgrundlage zu berücksichtigen (vgl. nur Schmidt, in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 113 Rn. 17, 22).
II.
28 
Die tatbestandlichen Voraussetzungen des Art. 54 Abs. 1 der Verordnung (EG) 882/2004liegen vor. Die Abgabe von Rohmilch durch den am Stammbetrieb des Klägers aufgestellten Rohmilchautomaten begründet einen Verstoß gegen § 17 Abs. 1 Tier-LMHV; der Inhalt der Verordnung (EG) 853/2004 (ABI. L 139 vom 30.04.2004, S. 55) steht einer Anwendung dieser Vorschrift nicht entgegen (hierzu unter 1.). Die Voraussetzungen der verfassungsrechtlich nicht zu beanstandenden Ausnahmeregelung des § 17 Abs. 4 Satz 1 Tier-LMHV sind nicht gegeben (hierzu unter 2.). Zur Beseitigung des festgestellten Verstoßes und zur Verhütung künftiger Verstöße war die Untersagung der Rohmilchabgabe „erforderlich“ im Sinne Art. 54 Abs. 1 der Verordnung (EG) 882/2004, um sicherzustellen, dass der Unternehmer Abhilfe schafft; auch mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit war die gegenständliche Maßnahme nicht zu beanstanden (dazu unter 3.).
29 
1. Nach § 17 Abs. 1 Tier-LMHV ist es verboten, Rohmilch oder Rohrahm an Verbraucher abzugeben.
30 
a) Auch eine Nichteinhaltung dieser nationalen Vorschrift des Lebensmittelrechts ist geeignet, einen „Verstoß“ im Sinne des Art. 54 Abs. 1 Satz 1 Verordnung (EG) 882/2004 zu begründen (zu diesem Begriff vgl. Art. 2 Nr. 10 der Verordnung). Nach Art. 2 Satz 1 Verordnung (EG) 882/2004 gelten für die Zwecke der vorliegenden Verordnung die Begriffsbestimmungen der Artikel 2 und 3 der Verordnung (EG) Nr. 178/2002. Gemäß Art. 3 dieser Verordnung bezeichnet der Ausdruck „Lebensmittelrecht“ die Rechts- und Verwaltungsvorschriften für Lebensmittel im Allgemeinen und die Lebensmittelsicherheit im Besonderen, sei es auf gemeinschaftlicheroder auf einzelstaatlicher Ebene (Hervorhebung nur hier). Mithin ist dieses Verständnis auch der Auslegung des Art. 54 Abs. 1 Satz 1 Verordnung (EG) 882/2004 zugrunde zu legen (so ausdrücklich auch Joh/Krämer/Teufer, ZLR 2010, 243, 249; vgl. auch Zipfel/Rathke, a.a.O., § 39 LFGB Rn. 67 und C 101, Art. 3 Verordnung (EG) Nr. 178/2002, Rn. 6).
31 
b) § 17 Abs. 1 Tier-LMHV beruht auf einer eigenständigen nationalen Rechtsgrundlage. Der Verordnungsgeber hat sich hierbei ausdrücklich auf die spezielle Ermächtigung in Art. 10 Abs. 8a der Verordnung (EG) 853/2004 (ABI. L 139 vom 30.4.2004, S. 55) gestützt, die es dem einzelnen Mitgliedstaat überlässt, aus eigener Initiative und unter Einhaltung der allgemeinen Bestimmungen des Primärrechts einzelstaatliche Vorschriften beizubehalten oder einzuführen, mit denen das Inverkehrbringen von Rohmilch oder Rohrahm, die für den unmittelbaren menschlichen Verzehr bestimmt sind, in seinem Hoheitsgebiet untersagt oder eingeschränkt wird (vgl. BRDrucks. 327/07, Amtliche Begründung zu § 17; Zipfel/Rathke, a.a.O., Stand: November 2012, C 178 § 17 Tier-LMHV Rn. 3 ff.). Da es sich um eine spezielle, rein mitgliedstaatliche Regelung handelt, dürfte auch der vom Kläger aufgeworfenen Frage, ob mit Blick auf Art. 1 Abs. 3 c) der Verordnung (EG) 853/2004 (danach gilt die Verordnung nicht für die direkte Abgabe kleiner Mengen von Primärerzeugnissen durch den Erzeuger an den Endverbraucher oder an örtliche Einzelhandelsunternehmen, die die Erzeugnisse direkt an den Endverbraucher abgeben) der Anwendungsbereich der Verordnung überhaupt eröffnet ist, keine maßgebliche Bedeutung zukommen (vgl. auch die Stellungnahme des Ministeriums für Ernährung und Ländlichen Raum Baden-Württemberg vom 19.07.2007, Seite 23 c der Behördenakte).
32 
Dass der Verordnungsgeber die Grenzen des Unionsrechts überschritten hätte, vermag der Senat nicht festzustellen. Zwar wird die Ermächtigung der Mitgliedstaaten durch Art. 10 Abs. 3 und 4 Verordnung (EG) 853/2004 eingeschränkt. Nach Art. 10 Abs. 3 dürfen diese beim Erlass einzelstaatlicher Vorschriften nach den Absätzen 4 bis 8 „die Erreichung der Ziele dieser Verordnung“ nicht gefährden. Dass dies der Fall wäre, ist indes nicht ersichtlich. Das grundsätzliche Verbot des Inverkehrbringens von Rohmilch zum unmittelbaren menschlichen Verzehr dient gerade den primären Zielen der Verordnung (EG) 853/2004, ein hohes Gesundheitsschutz- und Verbraucherschutzniveau sicherzustellen (vgl. die Erwägungsgründe 3 und 9 der Verordnung (EG) 853/2004). Mithin kann von einer Gefährdung der Erreichung der Ziele der Verordnung keine Rede sein. Dem kann der Kläger nicht entgegenhalten, die in § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV aufgestellte Voraussetzung diene überhaupt keinen hygienerechtlichen Zwecken. Zur Begründung kann auf die nachfolgenden Ausführungen unter 2.a) verwiesen werden. Soweit nach Art. 10 Abs. 4 a) i) Verordnung (EG) 853/2004 die einzelstaatlichen Vorschiften u.a. zum Ziel haben, die weitere Anwendung traditioneller Methoden auf allen Produktions-, Verarbeitungs- oder Vertriebsstufen von Lebensmitteln zu ermöglichen, könnte ein generelles Verbot des Inverkehrbringens von Rohmilch zum unmittelbaren menschlichen Verzehr möglicherweise unionsrechtliche Fragen aufwerfen, soweit in dem betreffenden Mitgliedstaat eine entsprechende Tradition bestand (vgl. Zipfel/Rathke, a.a.O., C 178 § 17 Tier-LMHV Rn. 5 f.). Hier hat der deutsche Verordnungsgeber indes kein generelles Abgabeverbot erlassen, sondern das grundsätzliche Abgabeverbot nach § 17 Abs. 1 mit den Ausnahmeregelungen in § 17 Abs. 2 bis 4 Tier-LMHV verknüpft. Indem er in Abs. 4 Satz 1 weiterhin ausdrücklich die sog. „Milch-ab-Hof-Abgabe“ zulässt (vgl. die ähnliche Vorgängerregelung in § 8 Abs. 1 Milchverordnung), hat er dieser traditionellen Vertriebsform explizit Rechnung getragen und damit auch Art. 10 Abs. 4 a) i) Verordnung (EG) 853/2004 berücksichtigt.
33 
Der Kläger meint ferner, mit § 17 habe der Verordnungsgeber gegen die nach Art. 10 Abs. 8a der Verordnung (EG) 853/2004 einzuhaltenden „allgemeinen Bestimmungen des Vertrags“ verstoßen. Dieser Argumentation kann nicht gefolgt werden.
34 
Soweit er sich auf Art. 38 Abs. 1, Art. 39 Abs. 1 b), Art. 39 Abs. 1 e) und Art. 40 Abs. 1 a) AEUV beruft, ist bereits weder dargetan noch sonst für den Senat erkennbar, inwieweit diese Normen geeignet sind, bezogen auf die hier einschlägige Fallgestaltung subjektive Rechte des Klägers zu begründen (vgl. Priebe, in: Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Stand: März 2011, Art. 38 AEUV Rn. 100; Art. 39 Rn. 2, 6).
35 
Dass die Mitgliedstaaten im Hinblick auf die Zulässigkeit der Abgabe von Rohmilch für den unmittelbaren menschlichen Verzehr unterschiedliche Regelungen treffen dürfen und getroffen haben, ist im Übrigen ersichtlich unionsrechtlich bezweckte, notwendige Folge der speziellen Öffnungsklausel des Art. 10 Abs. 8a der Verordnung (EG) 853/2004, die auch mit Blick auf ihren Wortlaut („in seinem Hoheitsgebiet untersagt oder eingeschränkt“) mit einem nicht unerheblichen Gestaltungsspielraum für die Mitgliedstaaten verbunden ist. Schon deshalb scheidet sowohl der behauptete Verstoß gegen die vom Kläger auf Art. 40 Abs. 1 a) AEUV gestützte „Wettbewerbsfreiheit“ wie auch eine Verletzung des Gleichheitssatzes gemäß Art. 20 GRCh aus. Im Übrigen findet die auf einen engen Anwendungsbereich beschränkte Regelung ihre sachliche Rechtfertigung - wie bereits dargelegt - vor allem in den Zielen, ein hohes Gesundheitsschutz- und Verbraucherschutzniveau sicherzustellen (vgl. Erwägungsgründe 3 und 9 der Verordnung (EG) 853/2004) sowie die weitere Anwendung traditioneller Methoden auf allen Produktions-, Verarbeitungs- oder Vertriebsstufen von Lebensmitteln zu ermöglichen (vgl. Art. 10 Abs. 4 a) i) Verordnung (EG) 853/2004). Vor diesem Hintergrund erfährt auch der vom Kläger geltend gemachte Eingriff in die Berufsfreiheit nach Art. 15 Abs. 1 GRCh seine Rechtfertigung jedenfalls durch Art. 52 Abs. 1 Satz 1 und 2 GRCh. Zur weiteren Begründung insbesondere zur Wahrung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit wird auf die Ausführungen unter 2. b) verwiesen.
36 
Bei alledem kann dahingestellt bleiben, ob es beim Gebrauchmachen der Bundesrepublik Deutschland von der Öffnungsklausel des Art. 10 Abs. 8a der Verordnung (EG) 853/2004 um die Durchführung des Rechts der Union durch einen Mitgliedstaat im Sinne des Art. 51 Abs. 1 GRCh geht (vgl. dazu Jarass, Charta der Grundrechte, 2. Aufl. 2013, Art. 51 Rn. 11 ff., 16 ff.; Borowsky, in: Meyer (Hrsg.), Charta der Grundrechte der Europäischen Union, 3. Auf. 2011, Art. 51 Rn. 24 ff.) und damit der Anwendungsbereich der Grundrechte Charta überhaupt eröffnet ist. Ebenso kann offen bleiben, welche rechtliche Bedeutung insoweit dem Umstand zukommt, dass hier kein grenzüberschreitender Sachverhalt vorliegt.
37 
2. Die Ausnahmeregelung des § 17 Abs. 4 Satz 1 Tier-LMHV greift nicht zugunsten des Klägers ein.
38 
a) Nach § 17 Abs. 4 Satz 1 Tier-LMHV darf Rohmilch abweichend von Absatz 1 von Milcherzeugungsbetrieben unmittelbar an Verbraucher abgegeben werden, wenn
39 
1. die Abgabe im Milcherzeugungsbetrieb erfolgt,
2. die Rohmilch im eigenen Betrieb gewonnen und behandelt worden ist,
3. die Rohmilch am Tag der Abgabe oder am Tag zuvor gewonnen worden ist,
4. an der Abgabestelle gut sichtbar und lesbar der Hinweis „Rohmilch, vor dem Verzehr abkochen" angebracht ist und
5. die Abgabe von Rohmilch zuvor der zuständigen Behörde angezeigt worden ist.
40 
Nach der Überzeugung des Senats begrenzt § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV in Fällen, in denen ein landwirtschaftlicher Betrieb mehrere Betriebsstätten aufweist und etwa - wie hier - das Milchvieh nicht am Standort des Stammbetriebs gehalten wird, die Rohmilchabgabe räumlich auf die Örtlichkeit, an der die Milch tatsächlich gewonnen wird. Rohmilch wird nur dann in zulässiger Weise „im Milcherzeugungsbetrieb“ im Sinne des § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV abgegeben, wenn die Abgabe am Standort der Milchgewinnung erfolgt.
41 
Dies legt bereits der Wortlaut des § 17 Abs. 4 Satz 1 Tier-LMHV nahe. Die normative Aufzählung von fünf Voraussetzungen, die alle kumulativ für das Vorliegen einer Ausnahme erfüllt sein müssen, spricht dafür, dass es sich bei der Abgabe „im Milcherzeugungsbetrieb" nach Nr. 1 um ein Tatbestandsmerkmal mit eigenständiger Aussagekraft handelt. Anders als die wenig ergiebige Legaldefinition des Begriffs „Milcherzeugungsbetrieb“ in § 2 Abs. 2 Nr. 3 Tier-LMHV in Verbindung mit 4.2 des Anhangs 1 der Verordnung (EG) 853/2004 („Betrieb mit einem oder mehreren Nutztieren, die zur Erzeugung von Milch, die als Lebensmittel in den Verkehr gebracht werden, gehalten werden“) deutet die mit der lokalen Präposition verbundene Wendung „im Milcherzeugungsbetrieb“ darauf hin, dass hier eine Aussage über den zulässigen Ort der Rohmilchabgabe getroffen wird. Dies wird durch das Bestehen eines unternehmerischen bzw. betriebswirtschaftlichen Zusammenhangs mit dem Stammbetrieb nicht in Frage gestellt. Denn nach der allgemeinen Definition in Art. 2 Abs. 1 Buchstabe c Verordnung (EG) Nr. 852/2004 ist unter Betrieb jede Einheit eines Lebensmittelunternehmens zu verstehen. Im Gegensatz zu dem in der Verordnung (EG) 178/2002 selbständig definierten Begriff des Lebensmittelunternehmens dürfte der Begriff des Betriebs hier nicht als unternehmerische Zusammenfassung einer Tätigkeit, sondern als eine organisatorische und/oder örtliche Zusammenfassung der Herstellung oder des Inverkehrbringens von Lebensmitteln zu verstehen sein; dabei ist - gerade auch im hygienerechtlichen Kontext - in der Regel davon auszugehen, dass ein Betrieb durch die örtliche Zusammenfassung gebildet wird (vgl. Zipfel/Rathke, a.a.O., Stand: März 2008, C 170, Art. 2 Verordnung (EG) Nr. 852/2004 Rn. 14). Mithin kann der Teil eines landwirtschaftlichen Betriebs, an dem Milch gewonnen wird, als Milcherzeugungsbetrieb im Sinne des § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV angesehen werden.
42 
Erhärtet wird diese Auslegung durch den Sinn und Zweck der Regelung, der darin besteht, die Gesundheit der Verbraucher vor den potentiellen Risiken zu schützen, die mit dem Verzehr von Rohmilch verbunden sind (vgl. hierzu die amtliche Begründung BRDrucks. 327/07, S. 170; Zipfel/Rathke, a.a.O., C 178, § 17 Tier-LMHV Rn. 1). Alle in Nr. 1 bis 5 kumulativ verlangten Voraussetzungen haben eine hygienerechtliche Komponente. Entgegen der Ansicht des Klägers wird auch mit dem räumlichen Erfordernis der Nr. 1 ein hygienerechtlicher Schutzzweck verfolgt. Zu Recht hat der Beklagte insoweit darauf verwiesen, dass es in der Natur der Rohmilch liegt, dass sie Bakterien enthalten könne, die geeignet seien, die Verbrauchergesundheit zu schädigen, wie zum Beispiel Salmonellen, EHEC, Campylobacter, Listerien etc. (vgl. auch Bundesinstitut für Risikobewertung, Mitteilung vom 29.05.2009 unter http://www.bfr.bund.de/cd/29651; aktueller Bericht Anlage 1 zum Schriftsatz des Beklagten vom 19.09.2013). Zur Vermeidung lebensmittelbedingter Infektionskrankheiten empfiehlt die WHO in einer ihrer „Zehn Goldenen Regeln“: „always buy pasteurized as opposed to raw milk“. Unstreitig kann sich ein Anfangskeimgehalt der Milch, auch wenn dieser noch nicht die infektiöse Dosis darstellen sollte, aufgrund des für diese Bakterien gut geeigneten Nährmediums Rohmilch bei weiterer Lagerung und Handhabung vermehren. Behandlungsschritte wie Umfüllen, Lagern und Transportieren erhöhen die Kontaminationsgefahr in Form eines zusätzlichen Bakterienantrags. Darüber hinaus kann eine damit einhergehende Unterbrechung der Kühlkette zu Bakterienwachstum führen.
43 
Angesichts der nach Abschluss der Rohmilchgewinnung im Falle zusätzlicher Behandlungsschritte typischerweise auftretenden vermehrten Risiken hat der Verordnungsgeber in § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV die Abgabe der Rohmilch mithin der Sache nach räumlich auf den Standort der tatsächlichen Milchgewinnung beschränkt und damit den Transport der Rohmilch als abstrakt risikoerhöhenden Umstand untersagt. An anderen Örtlichkeiten kommt deshalb eine Rohmilchabgabe nicht in Betracht, selbst wenn sie sich in der Verfügungsgewalt des Milcherzeugers befinden (so auch Zipfel/Rathke, a.a.O., § 17 Tier-LMHV Rn. 41).
44 
Diese enge Auslegung wird bestätigt durch die verordnungsrechtliche Systematik. Bei der in § 17 Abs. 4 Satz 1 Tier-LMHV geregelten Möglichkeit der „Milch-ab-Hof-Abgabe“ handelt es sich um eine Ausnahme von dem Grundsatz des Rohmilchabgabeverbots in Absatz 1. Allgemeinen Grundsätzen entsprechend legt dies eine restriktive Auslegung der einzelnen Tatbestandsmerkmale in § 17 Abs. 4 Satz 1 Tier-LMHV nahe. Das spricht dagegen, die Abgabe von Rohmilch an Örtlichkeiten zuzulassen, die zwar Teil des landwirtschaftlichen Betriebs sind, aber mit der eigentlichen Milcherzeugung in keinem räumlichen Zusammenhang stehen. Auch die Vorgaben für die sog. Vorzugsmilch legen einen hygienerechtlichen Schutzzweck der in § 17 Abs. 4 Nr. 1 Tier-LMHV normierten Voraussetzungen nahe. Vorzugsmilch ist Rohmilch, die in Fertigpackungen oder sonst in verschlossene Behältnisse abgefüllt wurde, die aber gehandelt und deshalb vom Verbraucher auch im Einzelhandel erworben werden kann. Im Gegensatz zur unmittelbaren Abgabe von Rohmilch nach § 17 Abs. 4 Tier-LMHV ist die Abgabe von Vorzugsmilch an den Verbraucher örtlich nicht auf den Erzeugungsbetrieb beschränkt, vielmehr erfolgen hier im Anschluss an die Milchgewinnung typischerweise weitere Behandlungsschritte einschließlich des Transports. Allerdings stellt der Verordnungsgeber an Vorzugsmilch auch deutlich strengere Hygieneanforderungen. Während für die unmittelbar abzugebende Rohmilch nach § 17 Abs. 4 Satz 2 Tier-LMHV lediglich die Anforderungen nach Anlage 2 der LMHV entsprechend gelten, muss die Vorzugsmilch insbesondere in einem Milcherzeugungsbetrieb, für den die zuständige Behörde eine vorherige Genehmigung nach § 18 Abs. 1 Tier-LMHV erteilt hat, unter Einhaltung der Anforderungen der (sehr detaillierten) Anlage 9 Kapitel I Nr. 1 und 2 gewonnen und behandelt worden sein (§ 17 Abs. 2 Nr. 1 Tier-LMHV). Wenn der Verordnungsgeber derart strenge hygienische Anforderungen im Falle der Milch-ab-Hof-Abgabe nach § 17 Abs. 4 Tier-LMHV für verzichtbar hält, zeigt dies, dass er von einem engen Anwendungsbereich der Bestimmung ausgeht und der räumlichen Begrenzung des Ausnahmetatbestands auf eine Abgabe am Standort der tatsächlichen Milchgewinnung eine maßgebliche Bedeutung für einen wirksamen gesundheitlichen Verbraucherschutz zuschreibt.
45 
b) In dieser Auslegung begegnet § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV keinen verfassungsrechtlichen Bedenken.
46 
Insbesondere vermag der Senat nicht festzustellen, dass das Erfordernis betroffene Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe in ihrer durch Art. 12 Abs. 1 GG geschützten Freiheit der Berufsausübung verletzt.
47 
Eine hinreichende normative Grundlage im Sinne des Art. 12 Abs. 1 Satz 2 GG liegt vor. Die verordnungsrechtliche Bestimmung findet ihre Ermächtigung in § 13 Abs. 1 Nr. 2 und Nr. 6, § 34 Satz 1 Nr. 1 und 4 LFGB, mithin ist hier die Berufsausübung auf Grund eines Gesetzes geregelt worden.
48 
Auch ein Verstoß gegen den rechtstaatlichen Bestimmtheitsgrundsatz lässt sich nicht feststellen. Das Erfordernis, den Anwendungsbereich der Norm im Einzelfall durch Auslegung zu ermitteln, bedeutet noch keine Verletzung des Bestimmtheitsgebots, solange eine solche Auslegung mit herkömmlichen juristischen Methoden bewältigt werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.05.1988 - 2 BvR 579/84 -, BVerfGE 78, 205, 212 ff.; BVerfG, Beschluss vom 14.12.2000 - 2 BvR 1741/99, 2 BvR 276/00, 2 BvR 2061/00 -, NJW 2001, 879, 880).
49 
Hiervon ausgehend hat der Senat an der ausreichenden Bestimmtheit der Bestimmung keine durchgreifenden Zweifel. Aus dem Wortlaut des § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV geht für den Betroffenen erkennbar hervor, dass die Milchabgabe in räumlicher Hinsicht an den „Milcherzeugungsbetrieb“ geknüpft ist. Zwar bedarf es einer weitergehenden Eingrenzung und Konkretisierung der örtlichen Voraussetzungen, diesem Erfordernis kann indes - wie oben dargelegt - im Wege der Auslegung insbesondere anhand der Systematik und des Zwecks der Regelung jedenfalls im Rahmen der gerichtlichen Kontrolle Rechnung getragen werden. Dabei weist der Senat darauf hin, dass die vom Kläger befürwortete weite Interpretation der Vorschrift mit erheblich größeren Bestimmtheitsdefiziten verbunden wäre. Denn sollte die Regelung nicht an den Ort der tatsächlichen Milchgewinnung anknüpfen, müsste bestimmt werden, ab welcher Distanz zwischen verschiedenen Teilen eines landwirtschaftlichen Betriebs noch von einer Abgabe im „Milcherzeugungsbetrieb“ ausgegangen werden kann. Hierfür sind greifbare Maßstäbe nicht ersichtlich.
50 
Darüber hinaus muss die Regelung durch hinreichende, der Art der betroffenen Betätigung und der Intensität des jeweiligen Eingriffs Rechnung tragende Gründe des Gemeinwohls gerechtfertigt werden und dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entsprechen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.09.2010 - 1 BvR 1789/10 -, NVwZ 2011, 355; BVerfG, Beschluss vom 26.02.1997 - 1 BvR 1864/94, 1 BvR 1102/95 -, BVerfGE 95, 193, 214). Ein Verstoß gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz liegt indes nicht vor.
51 
Mit der Beschränkung der Abgabe von Rohmilch auf den Standort der Milchgewinnung regelt der Verordnungsgeber lediglich die Modalitäten der Berufsausübung des Inhabers eines landwirtschaftlichen Betriebs. Selbst wenn die Bestimmung die Ebene der Rentabilität einer beruflichen Tätigkeit berühren sollte, sind Bedrohungen der wirtschaftlichen Existenz der Betreiber derartiger Abgabestellen nicht dessen typische Folge. Denn regelmäßig - wie auch im vorliegenden Fall - gelangt lediglich ein Teil der gewonnenen Milch als Rohmilch zum unmittelbaren Verkauf; außerdem wird der Rohmilchverkauf nicht generell untersagt, sondern lediglich auf den Standort der Milchgewinnung beschränkt.
52 
Mit dem oben dargestellten Zweck der Regelung, die Gesundheit der Verbraucher vor den potentiellen Risiken zu schützen, die mit dem Verzehr von Rohmilch verbunden sind, verfolgt der Verordnungsgeber ein legitimes Anliegen des Gemeinwohls.
53 
Die Regelung ist auch zur Zweckerreichung geeignet, weil mit ihrer Hilfe der gewünschte Erfolg gefördert werden kann (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.09.2010, a.a.O.). Dem Normgeber kommt auch insoweit ein Einschätzungs- und Prognosevorrang zu; ihm obliegt es, unter Beachtung der Sachgesetzlichkeiten zu entscheiden, welche Maßnahmen er im Interesse des Gemeinwohls ergreifen will (BVerfG, Beschluss vom 29.09.2010, a.a.O.). Wird der Normgeber zur Verhütung von Gefahren für die Allgemeinheit tätig, so belässt ihm die Verfassung bei der Prognose und Einschätzung der in den Blick genommenen Gefährdung einen Beurteilungsspielraum, der auch von den Fachgerichten bei der verfassungsrechtlichen Beurteilung zu beachten ist. Der Beurteilungsspielraum ist erst dann überschritten, wenn die Erwägungen des Gesetzgebers so offensichtlich fehlsam sind, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für die angegriffenen gesetzgeberischen Maßnahmen sein können (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.09.2010, a.a.O.; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 21.07.2003 - 1 S 377/02 -, VBlBW 2004, 20-28).
54 
Bei Zugrundelegung dieses Maßstabs ist die Annahme des Verordnungsgebers, dass die in § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV vorgenommene räumliche Beschränkung der Abgabe der Rohmilch auf den Standort der tatsächlichen Milchgewinnung zu einer Verringerung der mit einer Rohmilchabgabe einhergehenden Gefahren führt, nicht zu beanstanden. Insbesondere erscheint die Einschätzung naheliegend, der Transport der Rohmilch im Anschluss an die Milchgewinnung sei typischerweise mit einem erhöhten Infektionsrisiko verbunden. Entgegen der Ansicht des Klägers reicht diese durch sachverständiger Stellungnahmen hinreichend verlässlich abgesicherte abstrakte Gefährdungslage aus.
55 
Ebenso wie bei der Frage der Geeignetheit verfügt der Normgeber auch bei der Einschätzung der Erforderlichkeit über einen Beurteilungs- und Prognosespielraum (vgl. BVerfG, Beschluss vom 19.07.2000 - 1 BvR 539/96 -, BVerfGE 102, 197, 218; Urteil vom 28.03.2006 - 1 BvR 1054/01 -, BVerfGE 115, 276, 309). Infolge dieser Einschätzungsprärogative können Maßnahmen, die der Normgeber zum Schutz eines wichtigen Gemeinschaftsguts wie der Eindämmung von Gefahren, die mit der Abgabe von Rohmilch verbunden sind, für erforderlich hält, verfassungsrechtlich nur beanstandet werden, wenn nach den dem Normgeber bekannten Tatsachen und im Hinblick auf die bisher gemachten Erfahrungen feststellbar ist, dass Beschränkungen, die als Alternativen in Betracht kommen, zwar die gleiche Wirksamkeit versprechen, indessen die Betroffenen weniger belasten (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.09.2010, a.a.O.).
56 
Derartige mildere, aber vergleichbar wirksame Mittel sind vorliegend weder dargetan noch sonst ersichtlich. Dabei kommt auch der Entstehungsgeschichte der Vorschrift Bedeutung zu. Denn der Verordnungsgeber wollte mit der Bestimmung erkennbar die traditionell praktizierte, inhaltsgleich bereits in der Milchverordnung geregelte „Milch-ab-Hof-Abgabe“ weiter ermöglichen. Damit trug er auch der Regelung in Art. 10 Abs. 4a i) Verordnung (EG) 853/2004 Rechnung. Insoweit lag es nicht fern, auf die Vorgabe besonders strenger hygienerechtlicher Anforderungen nach Art der Vorzugsmilch zu verzichten, aber den Anwendungsbereich der Ausnahmevorschrift auf den typischen Fall der „Milch-ab-Hof-Abgabe“ zu begrenzen.
57 
Schließlich ergibt eine Abwägung zwischen der Schwere des Eingriffs und dem Gewicht und der Dringlichkeit der ihn rechtfertigenden Gründe, dass die Grenze der Zumutbarkeit und damit der Verhältnismäßigkeit im engeren Sinne gewahrt ist. Die räumliche Beschränkung der Rohmilchabgabe dient dem Schutz hochrangiger Gemeinschaftsgüter, nämlich der Gesundheit von Konsumenten vor möglicherweise gravierenden gesundheitlichen Risiken. Auf der anderen Seite beschränken sich die Auswirkungen des Eingriffs, der auf der Ebene der Berufsausübung verbleibt, auf eine Verringerung des Umsatzes aus dem Verkauf der Rohmilch, den der Inhaber eines aus mehreren Teilen bestehenden landwirtschaftlichen Betriebs tendenziell vermeiden kann, indem er die Abgabestelle an den Standort der Milchgewinnung legt. Dass die Milchabgabe insoweit nicht immer am verkehrsgünstigsten und damit lukrativsten Standort erfolgen kann, erscheint dem Betriebsinhaber zumutbar.
58 
Bei alledem nimmt § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV maßgeblich das Verhalten des für das Inverkehrbringen der Rohmilch lebensmittelrechtlich verantwortlichen Milcherzeugers in den Blick und nicht etwa auch ein potentielles Verhalten des Konsumenten im Anschluss an die erfolgte Abgabe der Rohmilch an diesen. Dies kann nicht beanstandet werden.
59 
c) Gemessen hieran erfüllt die Rohmilchabgabe durch den Rohmilchautomaten am Standort Hauptstraße ... nicht das Tatbestandsmerkmal der Abgabe „im Milcherzeugungsbetrieb". Die Milchgewinnung erfolgt in der zwei Kilometer hiervon entfernten im Jahr 1996 errichteten weiteren Betriebsstätte auf dem Flurstück ... ..., in der der neue Milchviehstall steht und die Melk-Technik vorgehalten wird. Auch der behauptete „Notstall" für z.B. kranke Tiere macht den Standort Hauptstraße ... nicht zum Milcherzeugungsbetrieb im Sinne von § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV. Schließlich ist es nach Sinn und Zweck der vom Verordnungsgeber gewollten Beschränkung auch nicht maßgeblich, dass der gegenwärtige Standort des Rohmilchautomaten verkehrsgünstiger liegt und der Milchviehstall für die Kunden des Klägers demgegenüber schwerer zu erreichen wäre.
60 
Da für eine zulässige Rohmilchabgabe sämtliche Tatbestandsvoraussetzungen des § 17 Abs. 4 Tier-LMHV kumulativ erfüllt sein müssen, kommt es auf die Erfüllung der weiteren Voraussetzungen des § 17 Abs. 4 Tier-LMHV durch den Kläger nicht an,
61 
3. Die angefochtene Verfügung begegnet auch im Übrigen keinen rechtlichen Bedenken.
62 
Der zuständigen Lebensmittelüberwachungsbehörde kam bei der Anordnung nach Art. 54 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. b) Verordnung (EG) 882/2004 i.V.m. § 17 Tier-LMHV kein Entschließungsermessen zu. Vielmehr war sie verpflichtet, bei Vorliegen eines Verstoßes die erforderlichen Maßnahmen zu treffen (vgl. bereits oben). Das Abgabeverbot zielt auch darauf ab, dass der Unternehmer Abhilfe schafft (vgl. Zipfel/Rathke, a.a.O., Stand: November 2012, C 102 § 39 Rn. 65).
63 
Es kann auch nicht festgestellt werden, dass der Behörde im vorliegenden Fall ein Auswahlermessen eingeräumt war (vgl. ebenfalls bereits oben sowie Senatsurteil vom 02.03.2010, a.a.O., zu § 39 Abs. 2 LFGB). Vielmehr kam als Reaktion auf den Rechtsverstoß allein die Untersagung der Abgabe von Rohmilch am Stammbetrieb des Klägers als zulässige und im Sinne Art. 54 Abs. 1 Verordnung (EG) 882/2004 „erforderliche“ Maßnahme in Betracht (im Ergebnis vergleichbar BayVGH, Beschluss vom 17.01.2011 - 9 ZB 09.2654 -, Juris). Die auf die Fehlerhaftigkeit der Ermessensausübung durch den Beklagten zielenden Angriffe gehen daher ins Leere. Das ergibt sich aus Folgendem:
64 
Nach der Regel-Ausnahme-Systematik des § 17 Tier-LMHV ist das Verbot der Abgabe von Rohmilch klar vorgegeben, wenn keine der Ausnahmen der Absätze 2 bis 4 vorliegt. Zur wirksamen Durchsetzung dieser nach dem eindeutigen Willen des Verordnungsgebers zwingenden Rechtsfolge und in Ansehung des in § 1 Abs. Nr. 1 LFGB normierten Gesetzeszwecks, den Schutz der Verbraucher durch Vorbeugung gegen eine Gefahr für die menschliche Gesundheit sicherzustellen, kommt auch bei Einbeziehung des in Art. 54 Abs. 2 Verordnung (EG) 882/2004 grundsätzlich zur Verfügung stehenden Instrumentariums allein die Untersagung der Abgabe der Rohmilch auf der Grundlage des Art. 54 Abs. 2 Nr. b) Verordnung (EG) 882/2004 in Betracht. Deshalb kann dem Kläger - entgegen seiner Auffassung - die Rohmilchabgabe an seinem Stammbetrieb auch nicht unter Auflagen gestattet werden (Inverkehrbringen unter eigener oder behördlicher Kontrolle, Auflagen der Probenziehung oder der täglichen oder zweitäglichen Leerung des Behälters o.Ä.). Etwas anderes gilt auch nicht mit Blick auf den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit (vgl. Art. 54 Abs. 1 Satz 2 Verordnung (EG) 882/2004). Denn eine Korrektur der Verwaltung im Einzelfall mit Hilfe des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes kommt nur in Betracht, soweit das Gesetz bzw. die Verordnung dieser einen Spielraum einräumt (vgl. Sachs, GG, 6. Aufl. 2011, Art. 20 Rn. 148; Jarass/Pieroth, GG, 11. Aufl. 2011, Art. 20 Rn. 90a). Dies ist hier indes nicht der Fall. § 17 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 Tier-LMHV ist verfassungsrechtlich unbedenkliches zwingendes Recht, die Tier-LMHV sieht eine Zulassung der Rohmilchabgabe unter Verzicht auf dieses Erfordernis etwa im Falle einer „Kompensation“ durch hygienerechtliche Auflagen nicht vor. Ein anderes Ergebnis würde zu einer Verwischung der Grenzen zwischen den einzelnen Ausnahmetatbeständen und damit letztlich zu einer Missachtung des Willens des Normgebers führen.
65 
Unabhängig davon erweist sich die Verfügung auch nicht als unverhältnismäßig im Einzelfall. Es ist nicht zu beanstanden, dass der Beklagte - auch ohne das Vorliegen einer konkreten Gesundheitsgefahr - dem mit den zugrunde liegenden Regelungen geschützten öffentlichen Interesse am vorbeugenden (vgl. dazu Zipfel/Rathke, a.a.O., C 170, § 17 Tier-LMHV Rn. 1; § 1 Nr. 1 LFGB sowie Zipfel/Rathke, a.a.O., C 102, § 1 LFGB, Rn. 14 f.) Gesundheits- und Verbraucherschutz potentieller Konsumenten und damit hochrangigen Rechtsgütern den Vorrang eingeräumt hat. Das vom Kläger angeführte wirtschaftliche Interesse am Rohmilchverkauf an einem verkehrsgünstigen Standort im Ortsteil ... an der B ... führt nicht zu einer Unverhältnismäßigkeit der Verfügung. Bei einer Abwägung der gegenläufigen Interessen ist zunächst von Bedeutung, dass der angestrebte unmittelbare Rohmilchverkauf nur einen Teil der vom Kläger produzierten Milch betrifft. Ferner bezieht sich das Verbot lediglich auf den Stammbetrieb in der Hauptstraße. Auch wenn der Kläger dort den Rohmilchverkauf in der Vergangenheit praktiziert haben sollte, kann er sich auf Bestandsschutz nicht berufen. Es ist ihm - ungeachtet weiterer Möglichkeiten, die Rohmilch zu verwerten (etwa Verkauf nach Pasteurisierung, Verkauf als Vorzugsmilch) - unbenommen, den Rohmilchverkauf an den Standort seines lediglich zwei Kilometer entfernten Milchviehstalls zu verlegen. Dass dem unüberwindbare oder nicht zumutbare Hindernisse entgegenstehen, ist für den Senat nicht ersichtlich. Dieser Standort ist angesichts seiner verkehrsmäßigen Erschließung über die L ... und der Entfernung von lediglich zwei Kilometern für potentielle Kunden mit dem PKW oder dem Fahrrad ohne weiteres erreichbar. Das in der mündlichen Verhandlung erwähnte Problem, der Kundenverkehr könne dort das Arbeiten bzw. den Verkehr mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen beeinträchtigen, erscheint durch entsprechende organisatorische und/oder bauliche Maßnahmen lösbar. Dass möglicherweise notwendig werdende bauliche Maßnahmen (etwa auch ein Unterstand für den Milchautomaten) den Kläger in wirtschaftlicher Hinsicht unverhältnismäßig belasten würden, ist nicht erkennbar. Die Äußerung in der mündlichen Verhandlung, der Standort des Milchviehstalls sei aus hygienischen Gründen für einen Kundenverkehr „problematischer“ als der Abgabeort am Stammbetrieb, ist eine Vermutung des Klägers, die indes - soweit alle sonstigen Vorschriften eingehalten werden - die Eignung des Standorts am Milchviehstall nicht ernsthaft in Frage stellt. Um die Folgen der verkehrsungünstigeren Lage zu mindern, könnte der Kläger schließlich an seinem Stammbetrieb einen deutlichen Hinweis auf den neuen Standort der Rohmilchabgabe installieren. Gleichwohl verbleibende Umsatzeinbußen sind mit Blick auf den Rang der mit der Verfügung geschützten Rechtsgüter hinzunehmen. Vor diesem Hintergrund kann sich eine Unverhältnismäßigkeit schließlich auch nicht unter dem Gesichtspunkt der „Art des Verstoßes“ oder des „bisherigen Verhaltens“ des Klägers „mit Blick auf Verstöße“ (vgl. Art. 54 Abs. 1 Satz 2 Verordnung (EG) 882/2004) ergeben.
66 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
67 
Die Revision wird nicht zugelassen (§ 132 VwGO). Die Rechtssache hat insbesondere keine grundsätzliche Bedeutung im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Die aufgeworfenen Rechtsfragen sind nicht klärungsbedürftig. Sie lassen sich mit Hilfe der üblichen Regeln sachgerechter Normauslegung ohne weiteres beantworten.
68 
Beschluss vom 16. Juni 2014
69 
Der Streitwert des Berufungsverfahrens wird auf 5.000,-- EUR festgesetzt (vgl. §§ 47 Abs. 1 S. 1, 52 Abs. 2 GKG).
70 
Der Beschluss ist unanfechtbar (vgl. § 68 Abs. 1 Satz 5 i.V.m. § 66 Abs. 3 Satz 3 GKG).

(1) Die für die Überwachung von Lebensmitteln, Futtermitteln und Bedarfsgegenständen im Sinne von § 2 Absatz 6 Satz 1 Nummer 1 zuständigen Behörden treffen die Maßnahmen, die nach den Artikeln 137 und 138 der Verordnung (EU) 2017/625 erforderlich sind zur Überwachung der Einhaltung der Vorschriften dieses Gesetzes, der aufgrund dieses Gesetzes erlassenen Rechtsverordnungen und der unmittelbar geltenden Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union im Anwendungsbereich dieses Gesetzes.

(2) Unbeschadet des Artikels 137 Absatz 2 und 3 der Verordnung (EU) 2017/625 können die für die Überwachung von Lebensmitteln, Futtermitteln und Bedarfsgegenständen im Sinne von § 2 Absatz 6 Satz 1 Nummer 1 zuständigen Behörden zur Feststellung oder zur Ausräumung eines hinreichenden Verdachts eines Verstoßes

1.
anordnen, dass derjenige, der ein in Absatz 1 genanntes Erzeugnis hergestellt, behandelt oder in den Verkehr gebracht hat oder dies beabsichtigt,
a)
eine Prüfung durchführt oder durchführen lässt und das Ergebnis der Prüfung der zuständigen Behörde mitteilt und
b)
der zuständigen Behörde den Eingang eines solchen Erzeugnisses anzeigt,
wenn Grund zu der Annahme besteht, dass dieses Erzeugnis den Vorschriften nach Absatz 1 nicht entspricht, oder
2.
vorübergehend verbieten, dass ein in Absatz 1 genanntes Erzeugnis in den Verkehr gebracht wird, bis das Ergebnis einer entnommenen Probe oder einer nach Nummer 1 angeordneten Prüfung vorliegt.

(3) Maßnahmen im Sinne von Artikel 138 Absatz 2 Buchstabe d und g der Verordnung (EU) 2017/625 können entsprechend auch in Bezug auf das Verfüttern eines Futtermittels ergehen.

(4) Maßnahmen im Sinne von Artikel 138 Absatz 2 können entsprechend auch zur Verhütung eines künftigen Verstoßes sowie zum Schutz vor Gefahren für die Gesundheit oder vor Täuschung ergehen.

(5) Zum Zweck der Verringerung oder Beseitigung der Ursachen für einen gesundheitlich nicht erwünschten Stoff, der in oder auf einem Lebensmittel enthalten ist, führen die zuständigen Behörden, wenn eine Überschreitung von durch Rechtsverordnung nach § 13 Absatz 1 Nummer 7 oder § 13 Absatz 5 Satz 1 Nummer 2 festgesetzten Auslösewerten festgestellt wird, Untersuchungen mit dem Ziel durch, die Ursachen für das Vorhandensein des gesundheitlich nicht erwünschten Stoffs zu ermitteln. Soweit es erforderlich ist, kann die zuständige Behörde die zur Verringerung oder Beseitigung der Ursachen für das Vorhandensein des gesundheitlich nicht erwünschten Stoffs erforderlichen Maßnahmen anordnen. Dabei kann sie auch anordnen, dass der Wirtschaftsbeteiligte selbst eine Untersuchung durchführt oder durchführen lässt und das Ergebnis der Untersuchung mitteilt. Die zuständigen Behörden informieren das Bundesministerium, im Fall einer Rechtsverordnung nach § 13 Absatz 5 Satz 1 Nummer 2 auch das Bundesministerium für Umwelt, Naturschutz und nukleare Sicherheit, oder im Fall einer Rechtsverordnung nach § 72 Satz 2 das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit unverzüglich über ermittelte Ursachen für das Vorhandensein des gesundheitlich nicht erwünschten Stoffs und die zur Verringerung oder Beseitigung dieser Ursachen angeordneten Maßnahmen zum Zweck der Information der Kommission und der anderen Mitgliedstaaten.

(6) Zum Zweck der Verringerung oder Beseitigung der Ursachen für unerwünschte Stoffe in Futtermitteln führen die zuständigen Behörden, wenn eine Überschreitung von festgesetzten Höchstgehalten an unerwünschten Stoffen oder Aktionsgrenzwerten festgestellt wird, Untersuchungen mit dem Ziel durch, die Ursachen für das Vorhandensein unerwünschter Stoffe zu ermitteln. Soweit es erforderlich ist, kann die zuständige Behörde die zur Verringerung oder Beseitigung der Ursachen für das Vorhandensein unerwünschter Stoffe erforderlichen Maßnahmen anordnen. Dabei kann sie auch anordnen, dass der Wirtschaftsbeteiligte selbst eine Untersuchung durchführt oder durchführen lässt und das Ergebnis der Untersuchung mitteilt. Die zuständigen Behörden informieren das Bundesministerium oder im Fall einer Rechtsverordnung nach § 72 Satz 2 das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit unverzüglich über ermittelte Ursachen für das Vorhandensein unerwünschter Stoffe und die zur Verringerung oder Beseitigung dieser Ursachen angeordneten Maßnahmen zum Zweck der Information der Kommission und der anderen Mitgliedstaaten.

(7) Widerspruch und Anfechtungsklage gegen Anordnungen, die der Durchführung von Verboten nach

1.
Artikel 14 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 Buchstabe a der Verordnung (EG) Nr. 178/2002,
2.
Artikel 15 Absatz 1 in Verbindung mit Absatz 2 erster Anstrich der Verordnung (EG) Nr. 178/2002,
3.
Artikel 4 Absatz 4 Buchstabe b erster oder zweiter Spiegelstrich der Delegierten Verordnung (EU) 2019/2090 oder
4.
§ 5 Absatz 1 Satz 1 oder Absatz 2 oder § 17 Absatz 1 Satz 1 Nummer 1
dienen, haben keine aufschiebende Wirkung.

(7a) Soweit im Einzelfall eine notwendige Anordnung oder eine sonstige notwendige Maßnahme nicht aufgrund der Absätze 1 bis 4 getroffen werden kann, bleiben weitergehende Regelungen der Länder, einschließlich der Regelungen auf dem Gebiet des Polizeirechts, aufgrund derer eine solche Anordnung oder Maßnahme getroffen werden kann, anwendbar.

(1) Gewerbetreibenden, die einer Erlaubnis bedürfen, können jederzeit Auflagen zum Schutze

1.
der Gäste gegen Ausbeutung und gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit,
2.
der im Betrieb Beschäftigten gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit oder
3.
gegen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und sonst gegen erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für die Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke sowie der Allgemeinheit
erteilt werden.

(2) Gegenüber Gewerbetreibenden, die ein erlaubnisfreies Gaststättengewerbe betreiben, können Anordnungen nach Maßgabe des Absatzes 1 erlassen werden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens.


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(1) Gewerbetreibenden, die einer Erlaubnis bedürfen, können jederzeit Auflagen zum Schutze

1.
der Gäste gegen Ausbeutung und gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit,
2.
der im Betrieb Beschäftigten gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit oder
3.
gegen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und sonst gegen erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für die Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke sowie der Allgemeinheit
erteilt werden.

(2) Gegenüber Gewerbetreibenden, die ein erlaubnisfreies Gaststättengewerbe betreiben, können Anordnungen nach Maßgabe des Absatzes 1 erlassen werden.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens.


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(1) Gewerbetreibenden, die einer Erlaubnis bedürfen, können jederzeit Auflagen zum Schutze

1.
der Gäste gegen Ausbeutung und gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit,
2.
der im Betrieb Beschäftigten gegen Gefahren für Leben, Gesundheit oder Sittlichkeit oder
3.
gegen schädliche Umwelteinwirkungen im Sinne des Bundes-Immissionsschutzgesetzes und sonst gegen erhebliche Nachteile, Gefahren oder Belästigungen für die Bewohner des Betriebsgrundstücks oder der Nachbargrundstücke sowie der Allgemeinheit
erteilt werden.

(2) Gegenüber Gewerbetreibenden, die ein erlaubnisfreies Gaststättengewerbe betreiben, können Anordnungen nach Maßgabe des Absatzes 1 erlassen werden.

(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.

(2) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
die Urteilsformel,
4.
den Tatbestand,
5.
die Entscheidungsgründe,
6.
die Rechtsmittelbelehrung.

(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.

(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.