Verwaltungsgericht Regensburg Gerichtsbescheid, 03. Nov. 2014 - RO 9 K 14.30260

03.11.2014

Gericht

Verwaltungsgericht Regensburg

Tenor

I. Die Verfahren RO 9 K 14.30260 und RO 9 K 14.50218 werden zur gemeinsamen Entscheidung verbunden.

II. Die Bescheide der Beklagten vom 3. Februar und 22. August 2014 werden aufgehoben.

III. Die Kosten der Verfahren trägt die Beklagte.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

IV. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrages abwenden, es sei denn, die Kläger leisten vorher Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des zu vollstreckenden Betrages.

Tatbestand

Die Kläger, eigenen Angaben nach russische Staatsangehörige tschetschenischer Volkszugehörigkeit, wenden sich gegen ihre vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge angeordnete Abschiebung nach Österreich.

Die Kläger zu 1. und 2. reisten am 18. Februar 2013 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellten am 25. Februar 2013 Asylanträge. Aufgrund entsprechender Anhaltspunkte (Eurodac-Treffer) richtete das Bundesamt am 22. Oktober 2013 bezüglich der Kläger zu 1. und 2. ein Übernahmeersuchen nach der Dublin II-Verordnung an Österreich. Die österreichischen Behörden stimmten mit Schreiben vom 13. November 2013 zu.

Die am ... 2014 in R... geborene Klägerin zu 3. ist Tochter der Kläger zu 1. und 2., für die mit Schreiben vom 30. Juli 2014 Asyl beantragt worden ist. Das Bundesamt bat die österreichischen Behörden unter dem 15. August 2014 um Mitaufnahme auch der Klägerin zu 3; die Zustimmung wurde am 19. August 2014 erteilt.

Die Kläger haben beim Deutschen Bundestag eine Petition eingereicht, deren aktueller Sachstand nach Aktenlage nicht bekannt ist.

Mit Bescheiden vom 3. Februar und 22. August 2014 erklärte das Bundesamt die Asylanträge für unzulässig und ordnete die Abschiebung der Kläger nach Österreich an. Auf die jeweiligen Bescheidsbegründungen wird Bezug genommen. Dem Bescheid vom 3. Februar 2014 war eine Rechtsbehelfsbelehrung beigefügt, die als zuständiges Gericht das Verwaltungsgericht Bayreuth nannte.

Die Kläger ließen am 6. März 2014 (RO 9 K 14.30175) bzw. 29. August 2014 (RO 9 K 14.50218) Klagen gegen diese Bescheide erheben und zugleich die Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes sowie von Prozesskostenhilfe unter Anwaltsbeiordnung für Eil- und Hauptsache beantragen. Gegenständlich lägen außergewöhnliche humanitäre Gründe für ein Selbsteintrittsrecht bei der Klägerin zu 2. vor. Sie befinde sich seit dem 23. Mai 2013 in fachärztlicher Behandlung bei einem in München ansässigen Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie. Dieser bescheinige ihr eine schwere depressive Episode ohne psychotische Symptome, organisches Psychosyndrom nach Schädelhirntrauma. Aufgrund eines zwar operierten, aber wieder nachgewachsenen Gehirntumors und einer posttraumatischen Behandlungsstörung habe sich die seit langem schon andauernde psychische Erkrankung immer mehr verschlechtert und bedürfe einer intensiven psychotherapeutischen Behandlung (eine Sitzung pro Woche in russischer Sprache). Der Arzt bescheinige ihr Reiseunfähigkeit. Eine Abschiebung der Klägerin zu 3. ohne ihre Eltern sei wegen Art. 6 GG unzulässig.

Mit Schriftsatz vom 31. Oktober 2014 wird die örtliche und sachliche Zuständigkeit der Beklagten für die Verbescheidung des Asylantrags geltend gemacht. Die Abschiebeanordnung sei als obsolet aufzuheben. Für eine Umdeutung nach § 47 VwVfG fehlten die Voraussetzungen.

Die Klägerseite beantragt im Verfahren RO 9 K 14.30175:

I. Die sofort vollziehbare Anordnung der Abschiebung der Kläger zu 1. und 2. nach Österreich wird aufgehoben.

II. Die Aberkennung der Asylanträge durch die Beklagte wird aufgehoben.

Die Klägerseite beantragt im Verfahren RO 9 K 14.50218,

den Bescheid vom 22.08.2014, Az: 5792237-160, zugestellt am 27.08.2014, aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Klagen abzuweisen.

Im Verfahren RO 9 K 14.30175 sei die Überstellungsfrist abgelaufen, eine Abschiebung bis dahin nicht erfolgt. Gleichwohl komme eine Aufhebung des Bescheids und Übernahme ins nationale Verfahren nach aktueller Auffassung des Bundesamtes nicht in Betracht. Dies sei nur möglich, wenn die Voraussetzungen nach § 71a des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens vorlägen. Jedoch sei weder das Bundesamt für die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens zuständig noch seien die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes (VwVfG) erfüllt. Der Ablauf der Überstellungsfrist allein rechtfertige die Aufhebung des Bescheides nicht. Die Aufhebung der Feststellung der Unzulässigkeit eines Asylverfahrens brächte der Klägerseite auch keinen rechtlichen Vorteil, insofern fehle das Rechtsschutzbedürfnis. Jedenfalls lägen auch die Voraussetzungen des § 47 Abs. 1 VwVfG für eine entsprechende Umdeutung vor, weil das Bundesamt einen auf das gleiche Ziel gerichteten Verwaltungsakt in gleicher Form hätte erlassen können. Bei beiden Tenorierungen sei das Ziel die Ablehnung einer materiellen Prüfung des Asylantrags. Zudem sei die Aus- bzw. Weiterreise der Klägerseite nach Deutschland als ausdrückliche oder konkludente Beendigung des ersten Asylverfahrens im anderen Mitgliedstaat zu verstehen. Anderenfalls sei jedenfalls die Durchführung paralleler Prüfungsverfahren in verschiedenen Mitgliedstaaten rechtlich nicht möglich. Im Fall der Zuerkennung subsidiären Schutzes in einem anderen Mitgliedstaat ergebe sich die Unzulässigkeit des Antrags nach einem Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 17. Juni 2014 schon aus § 60 Abs. 2 Satz 2 i.V.m. Abs. 1 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes (AufenthG).

Anträge nach § 80 Abs. 5 VwGO sowie Prozesskostenhilfeanträge für Eil- und Hauptsachen blieben erfolglos (B.v. 13.3. und 2.9.2014).

Der Rechtsstreit in der Hauptsache wurde mit Beschlüssen vom 13. März und 2. September 2014 dem Berichterstatter als Einzelrichter übertragen. Die Beteiligten wurden mit gerichtlichem Schreiben vom 16. Oktober 2014 zum beabsichtigten Erlass eines Gerichtsbescheides gehört.

Zur Ergänzung der Sachverhaltswiedergabe wird auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakten in Haupt- und Eilsachen sowie die vorgelegten Bundesamtsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, da die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist (§ 84 Abs. 1 Satz 1 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO). Die Beteiligten wurden entsprechend § 84 Abs. 1 Satz 2 VwGO hierzu gehört; ihre Zustimmung ist nicht erforderlich.

Die Klagen, die gemäß §§ 84 Abs. 1 Satz 3, 93 Satz 1 VwGO zur gemeinsamen Entscheidung verbunden worden sind, haben Erfolg.

I.

Die zulässigen Klagen sind begründet.

Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 3. Februar 2014 erweist sich im nach § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylVfG maßgeblichen Zeitpunkt dieser Entscheidung als rechtswidrig und verletzt die Kläger zu 1. und 2. in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO; vgl. 1). Er kann auch nicht wegen Unzulässigkeit der Asylanträge bei Vorliegen ausländischer Anerkennungsentscheidungen oder aufgrund parallel laufender Asylverfahren (vgl. 2.) oder im Wege der Umdeutung nach § 47 VwVfG als Sachentscheidung über einen Zweitantrag nach § 71a AsylVfG (vgl. 3.) aufrechterhalten werden. Der die Klägerin zu 3. als minderjähriges Kind der Kläger zu 1. und 2. betreffende Bescheid vom 22. August 2014 war in der Folge ebenfalls aufzuheben (vgl. 4.).

1. Der Bescheid vom 3. Februar 2014 ist mit unstreitigem Ende der Überstellungsfrist objektiv rechtswidrig geworden. Der Fristablauf begründet den Übergang der Zuständigkeit auf die Beklagte für die Prüfung der Asylbegehren (vgl. Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO bzw. Art. 29 Abs. 2 Satz 1 Dublin-III-VO); die Asylanträge sind damit nicht mehr nach § 27a AsylVfG wegen Unzuständigkeit der Beklagten unzulässig (so auch VG Ansbach, U.v. 8.10.2014 - AN 10 K 14.30043). Folglich kommt nach den einschlägigen europarechtlichen Regularien eine Anordnung der Abschiebung in den ursprünglich zuständigen Mitgliedstaat nach § 34a AsylVfG ebenfalls nicht mehr in Betracht. Dass dieser ausnahmsweise nach Fristablauf weiterhin zur Übernahme bereit wäre, ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Die Kläger zu 1. und 2. sind ferner in ihren Rechten verletzt. Zwar handelt es sich bei den Dublin-Regularien an sich um rein objektive Zuständigkeitsvorschriften, welche grundsätzlich keine subjektiven Rechte des einzelnen Asylantragstellers begründen (vgl. BeckOK AuslR/Günther AsylVfG § 27a Rn. 30). Wenn allerdings - wie hier - die Überstellungsfrist abgelaufen und der ursprünglich zuständige Mitgliedstaat trotz Fristablaufs nicht zur Übernahme bereit ist, also allein die Zuständigkeit der Beklagten bleibt, kann der Anspruch auf Durchführung der Asylverfahren als notwendiger Bestandteil des materiellen Asylanspruchs gegenüber dem dann zuständigen Staat geltend gemacht werden (vgl. BeckOK AuslR/Günther AsylVfG § 27a Rn. 39; so auch VG Ansbach, U.v. 8.10.2014 - AN 10 K 14.30043). So liegt der Fall hier. Die Aufhebung des streitgegenständlichen Bescheides hat die inhaltliche Durchführung der Asylverfahren in Deutschland zur Folge (vgl. VG Regensburg, U.v. 18.7.2013 - RN 5 K 13.30027 - juris).

2. Soweit die Beklagte auf eine neuere Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts (U.v. 17.6.2014 - 10 C 7/13 - juris) Bezug nimmt, wonach es bei Vorliegen einer ausländischen Anerkennungsentscheidung zur Feststellung von subsidiärem Schutz oder der (erneuten) Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Deutschland weder verpflichtet noch berechtigt sei, weil ein gleichwohl gestellter Antrag unzulässig sei, ist der Bezug zum vorliegenden Fall nicht erkennbar. Die Kläger zu 1. und 2. sind im ursprünglich zuständigen Mitgliedstaat nach Lage der Akten weder als Flüchtlinge anerkannt noch wurde ihnen subsidiärer Schutz gewährt. Vielmehr beziehen sich die dortigen Behörden in ihrem Zustimmungsschreiben ausdrücklich auf Art. 16 Abs. 1e) Dublin-II-VO und bringen damit zum Ausdruck, dass ihre Anträge abgelehnt worden sind und sie sich unerlaubt im Hoheitsgebiet eines anderen Mitgliedstaats aufhalten, wobei eigene Ermittlungen des Gerichts zu diesem Gesichtspunkt nicht veranlasst sind (vgl. BayVGH, U.v. 9.10.2014 - 20 B 13.30332 - juris, Rn. 20). Es kommt also auch nicht zu parallelen Asylverfahren in verschiedenen Mitgliedstaaten (vgl. VG Düsseldorf, U.v. 23.9.2014 - 8 K 4481/14.A - juris).

3. Eine Umdeutung des Bescheides vom 3. Februar 2014 in eine ablehnende Entscheidung nach § 71a AsylVfG kommt nicht in Betracht.

3.1 So sprechen bereits prozessuale Gründe gegen eine Umdeutung. Die gegenständliche Klage gegen den streitbefangenen Dublin-Bescheid war von Anfang an zutreffend in Form einer hier statthaften Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt. 1 VwGO) zu erheben. Eine Verpflichtungsklage auf Anerkennung als Asylberechtigte etc. kam hingegen insoweit nicht in Betracht. Im Fall der Aufhebung des angefochtenen Bescheids ist das Bundesamt nämlich bereits nach § 31 Abs. 2 AsylVfG von Gesetzes wegen zur Fortführung des Asylverfahrens verpflichtet; außerdem ginge dem Kläger ansonsten eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenden Verfahrensgarantien ausgestattet ist (vgl. BayVGH, U.v. 28.2.2014 – 13a B 13.30295 – juris, Rn. 21, 22 m.w.N.). Ziel der Klage ist damit letztlich die Durchführung eines Asylverfahrens beim Bundesamt. Im Fall einer Umdeutung der gegenständlichen Dublin-Entscheidung in eine Ablehnung eines Zweitantrags wäre das zutreffende Klageziel hingegen eine Verpflichtung zur Asylanerkennung bzw. zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft; eine Klage mit dem bloßen Ziel der Durchführung eines (weiteren) Asylverfahrens wäre dann demgegenüber nicht statthaft (vgl. Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand: 101. EL Juni 2014, § 71a Rn. 40). Somit würde mit einer Umdeutung der Dublin-Entscheidung in eine ablehnende Entscheidung nach § 71a AsylVfG über den allein von der Klägerseite zu bestimmenden Streitgegenstand hinausgegriffen; sie muss sich von der Beklagten jedoch keinen weiteren Streitgegenstand aufdrängen lassen, den sie nicht will (vgl. OVG Saarland, B.v. 12.9.2014 – 2 A 191/14 – juris Rn. 11).

3.2 Ohnehin liegen aber die Voraussetzungen des § 47 VwVfG für eine Umdeutung nicht vor.

3.2.1 Nach § 47 Abs. 1 VwVfG kann ein fehlerhafter Verwaltungsakt in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.

3.2.1.1 Hiernach scheitert die von der Beklagten ins Feld geführte Umdeutung der Ziffer 1 des inmitten stehenden Verwaltungsaktes bereits daran, dass ein Bescheid nach § 71a AsylVfG nicht in der geschehenen Verfahrensweise hätte erlassen werden dürfen. Denn das hierzu nach § 71a Abs. 1 a. E. i.V.m. § 24 Abs. 1 Sätze 1 und 3 AsylVfG gesetzlich verpflichtete Bundesamt hat zu keinem Zeitpunkt zu den im Rahmen des § 71a Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Tatsachen (materielle Fluchtgründe) und Umständen (Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG) angehört. Ausweislich des vorgelegten Behördenakts kam es im Einklang mit § 24 Abs. 1 Satz 4 AsylVfG ausschließlich zu Befragungen zur Vorbereitung der Anhörung gem. § 25 AsylVfG, welche lt. Niederschrift mit dem Hinweis endeten, dass aufgrund der gemachten Angaben das Bundesamt nunmehr zunächst die Frage überprüfen werde, ob Deutschland für eine inhaltliche Prüfung der Asylanträge zuständig sei. Ergebnis war die Einleitung eines Dublin-Verfahrens und der Erlass des hier streitbefangenen Bescheides. Gelegenheit zum Vortrag materieller Fluchtgründe oder zur Klärung der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG bestand nie. Damit ist offensichtlich ausgeschlossen, dass sich die Beklagte auf Basis der gegebenen Aktenlage jemals auch nur hilfsweise mit der Frage hätte auseinandersetzen können, ob ein Fall des § 71a Abs. 1 i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegt oder nicht. Von der Anhörung konnte auch nicht nach § 71a Abs. 2 Satz 2 AsylVfG abgesehen werden, da bei dieser Sachlage insbesondere mit Blick auf die Tatbestandsvoraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG eine sichere Feststellung, dass keine weiteren Asylverfahren durchzuführen seien, nicht möglich ist.

Ferner ordnet § 71a Abs. 2 Satz 1 i.V.m. § 24 Abs. 2 AsylVfG eine Entscheidung des Bundesamtes auch im Zweitantragsverfahren an, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG hinsichtlich des Zielstaates der Abschiebungsandrohung vorliegen. Dieser Gesichtspunkt mag zwar mit Blick auf die Dublin-Regularien und die nach §§ 27a, 34a AsylVfG angeordnete Abschiebung in den ursprünglich zuständigen Mitgliedstaat im durchgeführten Verwaltungsverfahren berechtigterweise keine Rolle gespielt haben. Allerdings käme diesem Aspekt im Rahmen eines Zweitantrages gewichtige Bedeutung zu (vgl. BayVGH, U.v. 9.10.2014 - 20 B 13.30332 - juris, Rn. 20; VG Ansbach, U.v. 8.10.2014 - AN 10 K 14.30043), nachdem der nach den o. g. Bestimmungen geforderten Entscheidung nicht die Umstände im ursprünglich zuständigen Mitgliedstaat, sondern in erster Linie im Herkunftsstaat zugrunde zu legen wären.

3.2.1.2 Eine Umdeutung der Ziffer 2 des Bescheides vom 3. Februar 2014 (Anordnung der Abschiebung in den ursprünglich zuständigen Mitgliedstaat) in eine Anordnung der Abschiebung in das Herkunftsland wäre angesichts der Tatbestandsvoraussetzungen des § 34a AsylVfG offensichtlich rechtswidrig. Eine Umdeutung in eine Androhung des Abschiebung in das Herkunftsland nach § 34 AsylVfG führte dazu, dass der umgedeutete Verwaltungsakt nicht mehr im Sinne von § 47 Abs. 1 VwVfG auf das gleiche Ziel gerichtet wäre (vgl. auch VG Ansbach, U.v. 8.10.2014 - AN 10 K 14.30043).

3.2.2 Ziffer 1 des Bescheides vom 3. Februar 2014 kann auch deshalb nicht in einen Bescheid nach § 71a AsylVfG umgedeutet werden, weil seine Rechtsfolgen entgegen § 47 Abs. 2 Satz 1 VwVfG ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsaktes.

Weitere Rechtsfolge eines Verwaltungsakts nach § 27a AsylVfG ist nach § 34a AsylVfG die Anordnung der Abschiebung in den für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat. Asylantragstellern verbliebe hier die Möglichkeit, auch nach Durchführung der Abschiebung aus Deutschland in diesen Staat dort nach Maßgabe entsprechender nationaler Regelungen weiterhin um Schutz vor Abschiebung in den Herkunftsstaat nachzusuchen, etwa durch Stellung eines Folgeantrages (vgl. Art. 2 q) und 40 bis 42 der Richtlinie 2013/32/EU vom 26.6.2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes – Asylverfahrensrichtlinie; Umsetzungsfrist bis 20.7.2015, Art. 51 Abs. 1 der Richtlinie). Hingegen geht mit dem Erlass eines die Voraussetzungen des § 71a AsylVfG verneinenden Bescheides die in aller Regel unmittelbar den Herkunftsstaat als Zielstaat benennende Androhung der Abschiebung einher (vgl. § 71a Abs. 4 i.V.m. § 34 AsylVfG und § 59 AufenthG).

3.2.3 Ein „Herbeiführen“ der Voraussetzungen für eine Umdeutung im gerichtlichen Verfahren scheidet aus. Zwar ist grundsätzlich bei fehlerhafter oder verweigerter sachlicher Entscheidung der Behörde im Falle eines gebundenen begünstigenden Verwaltungsaktes regelmäßig die dem Rechtsschutzbegehren der Klagepartei allein entsprechende Verpflichtungsklage die richtige Klageart. Das Gericht hat die Sache grundsätzlich spruchreif zu machen und darf sich nicht auf eine Entscheidung über die Aufhebung des den begünstigenden Verwaltungsaktes ablehnenden Bescheides beschränken, weil dies im Ergebnis einer Zurückverweisung an die Verwaltungsbehörde gleichkäme (vgl. BVerwG, U.v. 7.3.1995 - 9 C 264/94 - juris). Dieser auch im Asylverfahren geltende Grundsatz findet allerdings auf behördliche Entscheidungen, die auf der Grundlage von § 27a AsylVfG ergangen sind, nach Auffassung des Gerichts keine Anwendung. Denn ist das Asylbegehren in der Sache - in dem durch § 71a AsylVfG gezogenen Rahmen - noch gar nicht geprüft worden und wäre nunmehr das Gericht verpflichtet, die Sache spruchreif zu machen, ginge der Klagepartei eine Tatsacheninstanz verloren, die mit den umfassenderen Verfahrensgarantien ausgestattet ist (vgl. BayVGH, U.v. 28.2.2014 a.a.O.). Das gilt etwa für die Verpflichtung der Behörde zur persönlichen Anhörung (§ 24 Abs. 1 Satz 3 AsylVfG), zur umfassenden Sachaufklärung sowie zur Erhebung der erforderlichen Beweise von Amts wegen (§ 24 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) ohne die einmonatige Präklusionsfrist, wie sie für das Gerichtsverfahren in § 74 Abs. 2 AsylVfG i.V.m. § 87b Abs. 3 VwGO vorgesehen ist. Ungeachtet dessen führte ein „Durchentscheiden“ des Gerichts im Ergebnis dazu, dass es nicht eine Entscheidung der Behörde kontrollieren würde, sondern anstelle der Exekutive erstmalig selbst sich mit dem Antrag sachlich auseinandersetzte und entschiede, was im Hinblick auf den Grundsatz der Gewaltenteilung (Art. 20 Abs. 2 GG) und den klaren Wortlaut des Gesetzes in § 71a Abs. 1 a. E. AsylVfG zumindest bedenklich wäre, da eine Entscheidung, die der Gesetzgeber mit dem Asylverfahrensgesetz der Exekutive zur Prüfung zugewiesen hat, ausschließlich vom Gericht getroffen würde (vgl. zum Vorstehenden VG Regensburg, U.v. 18.7.2013 a.a.O.).

3.3 Ist also eine Umdeutung des streitbefangenen Verwaltungsaktes unzulässig, kann der Auffassung der Beklagten nicht gefolgt werden, eine Aufhebung des maßgeblichen Bescheides brächte der Klägerseite keinen rechtlichen Vorteil. Das Rechtsschutzbedürfnis für die erhobene Klage ist gegeben.

4. Die Aufhebung des die Kläger zu 1. und 2. betreffenden Bescheides vom 3. Februar 2014 zieht mit Blick auf die Betreuungs- und damit Beistandsbedürftigkeit der Klägerin zu 3. und Art. 6 GG, Art. 8 EMRK die Aufhebung auch des an die Klägerin zu 3. gerichteten Bescheides vom 22. August 2014 nach sich.

Kosten: § 84 Abs. 1 Satz 3 i.V.m. § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylVfG.

Vorläufige Vollstreckbarkeit und Abwendungsbefugnis: § 167 VwGO i.V.m. § 708 ff. ZPO.

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(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Ein fehlerhafter Verwaltungsakt kann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.

(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsaktes. Eine Umdeutung ist ferner unzulässig, wenn der fehlerhafte Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden dürfte.

(3) Eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, kann nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden.

(4) § 28 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) Ein fehlerhafter Verwaltungsakt kann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.

(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsaktes. Eine Umdeutung ist ferner unzulässig, wenn der fehlerhafte Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden dürfte.

(3) Eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, kann nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden.

(4) § 28 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die Vorschriften über Urteile gelten entsprechend.

(2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids,

1.
Berufung einlegen, wenn sie zugelassen worden ist (§ 124a),
2.
Zulassung der Berufung oder mündliche Verhandlung beantragen; wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt,
3.
Revision einlegen, wenn sie zugelassen worden ist,
4.
Nichtzulassungsbeschwerde einlegen oder mündliche Verhandlung beantragen, wenn die Revision nicht zugelassen worden ist; wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt,
5.
mündliche Verhandlung beantragen, wenn ein Rechtsmittel nicht gegeben ist.

(3) Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen.

(4) Wird mündliche Verhandlung beantragt, kann das Gericht in dem Urteil von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheides folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Ein fehlerhafter Verwaltungsakt kann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.

(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsaktes. Eine Umdeutung ist ferner unzulässig, wenn der fehlerhafte Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden dürfte.

(3) Eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, kann nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden.

(4) § 28 ist entsprechend anzuwenden.

Tenor

I.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

II.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger, nach eigenen Angaben ein somalischer Staatsangehöriger aus Q., wendet sich gegen die Einstellung seines Asylverfahrens nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG.

Er beantragte am 8. Juli 2010 die Anerkennung als Asylberechtigter. Ihm wurden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - am gleichen Tag Fingerabdrücke abgenommen. Dabei wurde festgestellt, dass eine Auswertung zum Zweck des erkennungsdienstlichen Abgleichs nicht möglich war. Daraufhin wurde der Kläger mit Schreiben vom 23. August 2010 aufgefordert, sein Asylverfahren dadurch zu betreiben, dass er zum einen binnen eines Monats in der Außenstelle des Bundesamtes erscheine und sich „auswertbare Fingerabdrücke“ abnehmen lasse. Zum anderen solle er schriftlich darlegen, in welchen Staaten er sich nach dem Verlassen seines Herkunftslandes aufgehalten habe, ob er dort bereits einen Asylantrag gestellt habe und dieser ggf. abgelehnt worden sei. Gleichzeitig wurde er unter Bezugnahme auf § 33 AsylVfG darauf hingewiesen, dass sein Asylantrag als zurückgenommen gelte, wenn er das Verfahren länger als einen Monat nicht betreibe, und dass in diesem Fall über das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 2 bis 5 oder Abs. 7 AufenthG nach Aktenlage zu entscheiden sei. Dem Schreiben war eine Übersetzung in der Sprache Somali beigefügt. Der Kläger hat sich, wiedergegeben in der Begründung des streitgegenständlichen Bescheids erneut Fingerabdrücke abnehmen lassen, die nach Mitteilung des Bundeskriminalamtes wiederum nicht verwertbar waren.

Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 5. November 2010 fest, dass der Asylantrag als zurückgenommen gilt und das Asylverfahren eingestellt ist (Ziff. 1). Weiter wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen (Ziff. 2). Schließlich wurde der Kläger unter Androhung der Abschiebung in den Herkunftsstaat aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen (Ziff. 3). Das Bundesamt hat den Bescheid im Wesentlichen darauf gestützt, dass der Kläger der Betreibensaufforderung nicht nachgekommen sei. Weder am 8. Juli 2010 noch beim Folgetermin hätten verwertbare Fingerabdrücke gewonnen werden können. Die angeforderten schriftlichen Erklärungen (zum Reiseweg) habe der Kläger nicht abgegeben. Die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG scheitere bereits daran, dass für den Kläger kein Herkunftsland habe festgestellt werden können.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Aufhebung des Bescheids sowie hilfsweise die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG hinsichtlich Somalia. Gleichzeitig stellte er beim Bundesamt einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, in dem er sich zum Reiseweg - über Kenia und die Türkei - äußerte und angab, keine weiteren Asylanträge gestellt zu haben.

Während des Klageverfahrens forderte das Bundesamt den Kläger mit einem an seine Verfahrensbevollmächtigten gerichteten und diesen zugegangenen Schreiben vom 9. November 2011 erneut auf, das Verfahren dadurch zu betreiben, dass er beim Bundesamt erscheine und sich Fingerabdrücke abnehmen lasse. Dazu erhalte er vom Bundesamt einen Ladungstermin. Die Pflicht zur Duldung erkennungsdienstlicher Maßnahmen umfasse auch die Verpflichtung, im Vorfeld der erneuten Fingerabdrucknahme alle Verhaltensweisen zu unterlassen, die die Auswertbarkeit der Fingerabdrücke beeinträchtigen oder vereiteln könnten. Mit Schreiben vom gleichen Tag wurde der Kläger zur erneuten erkennungsdienstlichen Behandlung auf den 30. November 2011 geladen. Er erschien an diesem Termin. Nach einem ED-Vermerk stellte der mit der Abnahme befasste Mitarbeiter des Bundesamts an den Fingerkuppen des Klägers Abschürfungen und Probleme bei der Auswertung der Fingerabdrücke fest. Der Kläger bestritt, seine Fingerkuppen manipuliert zu haben.

Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid des Bundesamtes aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten mit Urteil vom 14. Januar 2013 zurückgewiesen. Auf die Revision der Beklagten wurde das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14. Januar 2013 durch das Urteil des Bundesverwaltungsgericht vom 5. September 2013 aufgehoben und der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts

vom 13. Dezember 2011 abzuweisen.

Am 18. Februar 2013 sei ein Eurodac-Treffer der Kategorie eins in Bezug auf den Kläger eingegangen. Danach habe er in Italien und Finnland bereits Asylanträge gestellt. Über DublinNET-Mail vom 22. September 2014 sei zwischenzeitlich bezüglich Italiens die Antwort zugegangen, dass für den Kläger eine anerkennende Entscheidung („…was accepted in Rome on 25-9-09.“) ergangen sei. Jedenfalls sei die Betreibensaufforderung zu Recht ergangen, weil der Kläger seine Fingerkuppen manipuliert habe. Aufgrund der zwischenzeitlich sich ergebenden Mitteilung aus Italien sei der Kläger jedenfalls nicht in seinen Rechten verletzt, weil aufgrund der positiven Entscheidung aus Italien der Asylantrag des Klägers unzulässig sei. Selbst wenn das Verfahren des Klägers in Italien formell nicht abgeschlossen sein sollte, sei davon auszugehen, dass der Kläger durch die Weiterreise seinen Antrag konkludent zurück genommen habe. Der Entscheidungsausspruch der Einstellung des Asylverfahrens sei ebenso auf die Ablehnung einer materiellen Prüfung des Asylantrags gerichtet wie die Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens. Deshalb sei die Verfahrenseinstellung zumindest in eine Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens umzudeuten.

Der Kläger verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger subsidiären Schutz

nach § 4 AsylVfG zuzuerkennen,

weiter hilfsweise, Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7

Satz 1 AufenthG festzustellen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Gerichts- und Behördenakten verwiesen. Hinsichtlich des Verlaufes der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Im Ergebnis zu Recht hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben, weil der Bescheid der Beklagten vom 5. November 2010, zu dessen Beurteilung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichtes abzustellen ist (§ 77 Abs. 1 Satz 1 1.Halbs. AsylVfG), rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Eine isolierte Anfechtungsklage gegen eine das Asylverfahren ohne Sachprüfung abschließende Entscheidung des Bundesamtes für Migration ist statthaft. Das Verwaltungsgericht muss die Sachentscheidung über das Asylbegehren zunächst dem Bundesamt überlassen und darf nicht selbst durchentscheiden (BVerwG vom 7.3.1995 NVwZ 1996, 80; BayVGH vom 17.5.1994 NVwZ-RR 1994, 695).

Nach § 33 Abs. 1 AsylVfG gilt ein Asylantrag als zurückgenommen, wenn der Ausländer das Verfahren trotz Aufforderung des Bundesamts länger als einen Monat nicht betreibt (Satz 1). In der Aufforderung ist der Ausländer auf die nach Satz 1 eintretende Folge hinzuweisen (Satz 2). Liegen die Voraussetzungen einer (fiktiven) Antragsrücknahme vor, darf das Bundesamt keine Sachentscheidung mehr über den Asylantrag treffen. Vielmehr hat es nach § 32 AsylVfG in seiner Entscheidung festzustellen, dass das Asylverfahren eingestellt ist und ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegt (Satz 1), wobei zu beachten ist, dass die Einstellungsverfügung im vorliegenden Fall nicht die Entscheidung über subsidiären unionsrechtlichen Schutz erfasst, weil sie noch nach § 32 AsylVfG vor der ab dem 1. Dezember 2013 geltenden Fassung (vgl. das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 - BGBl I S. 3474) getroffen wurde (vgl. BVerwG U. v. 13.2.2014 - 10 C 6.13 - NVwZ-RR 2014, 487). In den Fällen des § 33 AsylVfG ist nach Aktenlage zu entscheiden (Satz 2). Das Bundesamt erlässt ferner eine Abschiebungsandrohung; die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist beträgt nach §§ 34, 38 Abs. 2 AsylVfG eine Woche.

Die Aufforderung im Sinne des § 33 Abs. 1 AsylVfG setzt einen bestimmten Anlass voraus, der geeignet ist, Zweifel an dem Bestehen oder Fortbestehen des Sachentscheidungsinteresses zu wecken. Solche Zweifel können sich auch aus einer Vernachlässigung verfahrensrechtlicher Mitwirkungspflichten ergeben; in diesem Fall dient die Betreibensaufforderung dazu, den Ausländer nachdrücklich auf diese Pflichten hinzuweisen (vgl. U. v. 23.4.1985 - 9 C 48.84 - BVerwGE 71, 213 <219>; B. v. 18.9.2002 - NVwZ-Beilage 2003,17). Berechtigte Zweifel können sich aber nur aus der Verletzung einer Mitwirkungspflicht ergeben, die eine gesetzliche Grundlage hat. Auch die Betreibensaufforderung selbst darf inhaltlich nur auf die Erfüllung einer gesetzlich begründeten Mitwirkungspflicht gerichtet sein. Das Instrument der Betreibensaufforderung stellt sich gerade auch in solchen Fällen als geeignete Reaktion auf eine Vernachlässigung gesetzlicher Mitwirkungspflichten dar, in denen der Ausländer bei der Klärung der Zuständigkeit deutscher Behörden für die Sachentscheidung über das Asylbegehren nicht hinreichend mitwirkt.

Anlass zum Erlass einer Betreibensaufforderung kann sich folglich aus der Verletzung der dem Asylbewerber nach § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG auferlegten Pflicht zur Duldung der vorgeschriebenen erkennungsdienstlichen Maßnahmen ergeben. Den Asylsuchenden trifft mit der ihm obliegenden Pflicht zur Duldung dieser erkennungsdienstlichen Maßnahmen zwar nicht die Garantieverpflichtung zu gewährleisten, dass die von ihm abgegebenen Fingerabdrücke im Rahmen des Eurodac-Systems auswertbar sind. Er ist nach § 15 Abs. 2 Nr. 7 i. V. m. § 16 Abs. 1 AsylVfG aber verpflichtet, alle Maßnahmen zu unterlassen, die eine Identitätsfeststellung auf Grundlage der gesetzlichen Vorschriften - einschließlich der Eurodac-Überprüfung - erschweren oder vereiteln. Dieser Inhalt der gesetzlichen Verpflichtung des Asylbewerbers ergibt sich hinreichend klar aus einer an Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung orientierten Auslegung. Mit dem Instrument der Betreibensaufforderung darf grundsätzlich auf die Verletzung der Pflicht zur Mitwirkung an der Identitätsklärung reagiert werden. Dies schließen weder die nationalen noch die unionsrechtlichen Vorschriften über die Behandlung von Asylanträgen aus (BVerwG U. v. 5.9.2013 - 10 C 1.13 - BVerwGE 147, 329). Aufgrund des vom Bundesamt in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Eurodac-Treffers, wonach der Kläger unter einem anderen Namen durch die italienischen Behörden akzeptiert worden ist, steht zur Überzeugung des Senats nicht fest, dass der Kläger Maßnahmen unternommen hat, die eine Identitätsfeststellung auf Grundlage der gesetzlichen Vorschriften - einschließlich der Eurodac-Überprüfung - erschwert oder vereitelt haben. Denn im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) stellt sich nunmehr heraus, dass eine Identitätsfeststellung des Klägers erfolgreich gelungen ist. Dabei ist das Bundesamt nicht in der Lage gewesen, genauere Angaben zu machen, auf welcher konkreten Abnahme der Fingerabdrücke des Klägers der EURODAC-Treffer erfolgt ist. Folglich ist nicht auszuschließen, dass bereits die erste Abnahme der Fingerabdrücke am 8. Juli 2010 den Treffer herbeigeführt hat. Insoweit gehen Zweifel zulasten der Beklagten, denn das Bundesamt ist verpflichtet, die Indizien, die auf eine Manipulation hindeuten, und die Einlassung des Betroffenen hinreichend zu dokumentieren, um im Streitfall das Bestehen berechtigter Zweifel am Vorliegen eines Sachentscheidungsinteresses nachweisen zu können (BVerwG U. v. 5.9.2013 - 10 C 1.13 - a. a. O.). Dies ist bei der ersten erkennungsdienstlichen Behandlung am 8. Juli 2010 nicht geschehen. Insoweit ist dort nur festgehalten, dass die Fingerabdrücke nicht AFIS-verwertbar seien und eine neue ED-Behandlung erforderlich sei. Dies ist nicht ausreichend, denn berechtigte Zweifel am Bestehen eines Sachentscheidungsinteresses ergeben sich nicht allein aus der möglichen Unverwertbarkeit der einem Schutzsuchenden abgenommenen Fingerabdrücke (BVerwG U. v. 5.9.2013 - 10 C 1.13 - a. a. O.), so dass die Annahme der Unverwertbarkeit, wie im Vermerk vom 12. Juli 2010 getroffen, einen Manipulationsverdacht (noch) nicht rechtfertigen kann. Nachdem nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Eurodac-Treffer auf die erste erkennungsdienstliche Behandlung zurückzuführen ist, ist die Frage, ob der Kläger bei den weiteren erkennungsdienstlichen Maßnahmen Manipulationen seiner Fingerkuppen vorgenommen hat, nicht mehr von Bedeutung, da er dann seiner Mitwirkungspflicht bereits nachgekommen war. Darüber hinaus wurden bei der zweiten erkennungsdienstlichen Behandlung keine Indizien dokumentiert, die auf eine Manipulation hindeuten könnten. Der aus der Erinnerung des Mitarbeiters des Bundesamtes am 4. November 2010 gefertigte Vermerk enthält insoweit ebenso keine Anhaltspunkte. Ob bei der dritten erkennungsdienstlichen Behandlung hinreichende Feststellungen getroffen wurden, welche den Verdacht einer Manipulation rechtfertigen, kann letztlich dahin gestellt bleiben, weil spätestens nach dieser, eine weitere ED-Behandlung ist nicht dokumentiert, auswertbare Fingerabdrücke vorhanden gewesen sein mussten. Damit kann festgehalten werden, dass zur Überzeugung des Senats aufgrund des ermittelten Sachverhaltes kein hinreichender Verdacht für die Verletzung einer Mitwirkungspflicht seitens des Klägers festgestellt werden kann. Zweifel gehen insoweit zulasten der Beklagten.

Soweit die Beklagte unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 24. November 1998 - 9 C 53.97 - BVerwGE 108,30 meint, der Senat sei verpflichtet die behördliche Einstellungsentscheidung nach § 32 AsylVfG auch unter dem Blickwinkel anderer Rechtsgrundlagen zu betrachten, so trifft dies im Grundsatz zu. Danach hat ein Gericht unabhängig von der behördlichen Begründung nach § 113 Abs. 1 VwGO von sich aus zu prüfen, ob der angefochtene Verwaltungsakt mit dem objektiven Recht in Einklang steht und, falls nicht, ob er den Kläger in seinen Rechten verletzt. Die Heranziehung anderer als im angefochtenen Bescheid genannter Normen und Tatsachen ist dem Gericht nur dann verwehrt, wenn dies zu einer Wesensveränderung des angefochtenen Bescheids führen würde oder der Betroffene in seiner Rechtsverteidigung unzumutbar beeinträchtigt würde. Schließlich ist auch die Möglichkeit einer Umdeutung des streitigen Bescheids vom Gericht in Betracht zu ziehen (vgl. z. B. BVerwG U. v. 19.8.1988 - 8 C 29.87 - BVerwGE 80, 96). Insoweit käme auch in Betracht den Asylantrag des Klägers wegen einer möglichen Antragsstellung in einem anderen EU-Mitgliedstaat als unzulässig zurückzuweisen oder die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens abzulehnen, weil der Kläger bereits dort einen Flüchtlingsstatus oder subsidiären europarechtlichen Schutz genossen hat. Selbst wenn man die Entscheidungen des hier anzuwendenden § 32 AsylVfG und solchen nach §§ 27a, 71a AsylVfG wegen einer fehlenden materiellen Prüfung als wesensähnlich betrachtet, was im Hinblick auf die Einstellung nach § 32 Satz 1 AsylVfG aufgrund der an sich gebotenen materiellen Prüfung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 2 bis 5 oder Abs. 7 AufenthG als zweifelhaft erscheint, scheidet hier ein sog. „Auswechseln der Rechtsgrundlage“ aus. Voraussetzung hierfür wäre gewesen, dass zur tatrichterlichen Überzeugung des Senats feststeht, dass der Kläger eine Flüchtlingsanerkennung oder subsidiären Schutzstatus in Italien erhalten hat, weil dann sein Antrag auf Feststellung von Abschiebungsschutz nach § 4 AsylVfG zurückgewiesen werden müsste (BVerwG U. v.17.6.2014 - 10 C 7.13 - juris), also keine materielle Prüfung erfolgen würde. Davon ist im hier zu entscheidenden Fall jedoch nicht auszugehen. Der vom Bundesamt in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Erklärung der italienischen Behörden, wonach der Kläger in irgendeiner Weise akzeptiert oder angenommen worden ist („…was accepted in Rome on 25-9-09“), lässt sich nicht entnehmen, ob und welcher Schutzstatus ihm angeblich zuerkannt worden ist. Ein Aufrechterhalten eines Bescheides unter einer anderen Rechtsgrundlage kommt im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Senats (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) nicht in Betracht, wenn dies - wie hier - ohne weitere und umfangreiche Ermittlungen bei italienischen Behörden, die nicht der Amtshilfeverpflichtung nach § 14 VwGO unterliegen, nicht möglich ist. Aus dem gleichen Grunde scheidet eine Umdeutung des Bescheides nach § 47 VwVfG aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei.

Die Revision wird nicht zugelassen (§ 132 Abs. 2 VwGO).

Tenor

Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 2. Juli 2014 wird aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte darf die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerinnen zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leisten.


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Tenor

I.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungserfahrens zu tragen.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger, der nach eigenen Angaben am 1. Januar 1989 im Dorf Baba, Bezirk Jaghuri, Provinz Ghazni, geboren wurde, ist afghanischer Staatsangehöriger und hazarischer Volkszugehöriger. Er reiste am 25. April 2011 ins Bundesgebiet ein. Am 12. Mai 2011 stellte er Asylantrag. Bei der Vorprüfung stellte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF - Bundesamt) anhand von Eurodac-Daten (Nr. IT1BZ017F6) fest, dass der Kläger am 7. November 2008 bereits in Bozen (Italien) einen Asylantrag gestellt hatte.

Bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt am 14. Juni 2011 gab der Kläger Folgendes an: Er sei Ende 2007 aus Afghanistan ausgereist und dann über Iran, Türkei und Griechenland nach Italien gelangt. Dort sei er Ende 2008 angekommen. Anfang 2011 sei er nach Griechenland abgeschoben worden. Im April 2011 sei er dann von Athen aus nach München geflogen. Während seines Aufenthalts in Griechenland habe er keinen Asylantrag gestellt. In Italien habe er zwar Asylantrag gestellt, es sei aber nicht zu einer Anhörung gekommen. Die italienischen Behörden hätten festgestellt, dass er bereits in Griechenland seine Fingerabdrücke abgegeben habe, weswegen er dann von Italien aus nach Griechenland abgeschoben worden sei. Er sei aus Angst vor Bedrohung aus Afghanistan geflüchtet. Ein Soldat der afghanischen Streitkräfte habe seine Schwester vergewaltigt. Diese habe später aufgrund der dadurch erlittenen Schande Selbstmord begangen. Danach sei er selbst in den Verdacht geraten, seine Schwester wegen der Familienehre umgebracht zu haben. Er sei dann von dem betreffenden Soldaten geschlagen und verletzt worden. Aus Angst vor weiteren Misshandlungen sei er zunächst nach Kandahar ausgewichen. Dort habe er erfahren, dass ein Bruder von ihm den Vergewaltiger getötet habe. Da dieser ein Soldat gewesen sei, habe er Angst davor bekommen, staatlich verfolgt zu werden. Außerdem habe er auch Angst vor dessen Angehörigen gehabt.

Das Bundesamt erließ am 26. Juli 2011 folgenden Bescheid:

1. Der Asylantrag ist unzulässig.

2. Die Abschiebung nach Italien wird angeordnet.

Zur Begründung ist ausgeführt, dass Italien gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchst. c Dublin-II-Verordnung zuständig sei. Es sei am 29. April 2011 ein Übernahmeersuchen nach der Dublin-II-VO an Italien gerichtet worden; dieses sei von den italienischen Behörden aber nicht fristgerecht beantwortet worden. Infolge dessen sei Italien am 14. Mai 2011 durch Zustimmungsfiktion zuständig geworden. Deshalb sei der Asylantrag nach § 27a AsylVfG unzulässig. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, welche die Bundesrepublik Deutschland veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-Verordnung auszuüben, seien nicht ersichtlich. Dieser Bescheid wurde der Bevollmächtigten des Klägers mit Schreiben vom 12. August 2011 übersandt.

Das Landratsamt F.-G. als Ausländerbehörde terminierte die zwangsweise Überstellung des Klägers nach Rom (Italien) auf den 8. September 2011.

Auf Antrag des Klägers erließ das Verwaltungsgericht Regensburg (RN 9 E 11.30436) am 7. September 2011 nach § 123 VwGO folgenden Beschluss:

Die Antragsgegnerin wird im Wege der einstweiligen Anordnung verpflichtet, Maßnahmen zum Vollzug der Verbringung des Klägers nach Italien vorläufig auszusetzen und die zuständige Ausländerbehörde entsprechend zu unterrichten.

Durch Gerichtsbescheid vom 26. Februar 2013 wies das Verwaltungsgericht Regensburg die auf die Aufhebung des Bundesamtsbescheids und die Durchführung des Asylverfahrens in der Bundesrepublik Deutschland gerichtete Klage ab (RN 9 K 11.30445). In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, dass das hier als reine Anfechtungsklage auszulegende Rechtsschutzbegehren zwar zulässig, aber unbegründet sei. Nach Art. 10 VO (EG) Nr. 343/2003 (Dublin-II-VO) sei zwar eigentlich Griechenland für die Prüfung des Asylantrags zuständig, aber eine Überstellung dorthin scheide angesichts der nach wie vor unzumutbaren Aufnahmebedingungen für Asylbewerber aus. Somit sei nach Art. 13 Dublin-II-VO Italien als erster Mitgliedstaat zuständig, in dem der (bisher nicht geprüfte) Asylantrag gestellt worden sei. Nach Art. 20 Dublin-II-VO sei Italien zur Wiederaufnahme verpflichtet. Es bestehe auch kein Anspruch darauf, dass die Bundesrepublik von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO Gebrauch mache. Nach der heutigen Auskunftslage sei nicht zu befürchten, dass dem Kläger im Fall seiner Rücküberstellung nach Italien eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder die Verelendung drohen würde. Außerdem sei es unwahrscheinlich, dass die italienischen Behörden erneut eine Weiterverschiebung des Klägers nach Griechenland betreiben würden. Zuständig für den Kläger sei die Quästur in Bozen gewesen. Gerade in Norditalien seien aber die Aufnahmekapazitäten für Asylbewerber nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amts nicht ausgeschöpft.

Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof hat die Berufung des Klägers durch Beschluss vom 30. September 2013, dem Kläger zugestellt am 8. Oktober 2013, gemäß § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen (13a ZB 13.30079).

In der am 8. November 2013 eingereichten Berufungsbegründung macht der Kläger folgendes geltend: Italien sei für die Durchführung des Asylverfahrens nicht zuständig. Der Auffangtatbestand des Art. 13 Dublin-II-VO sei hier nicht einschlägig, da Griechenland als zuständiger Mitgliedstaat feststehe, wenngleich eine Rückführung dorthin unzumutbar und derzeit undurchführbar sei. Außerdem sei das Übernahmeersuchen des Bundesamts vom 29. April 2011 nicht ordnungsgemäß ergangen. Nach Art. 18 und Art. 20 Dublin-II-VO sowie nach Art. 21 und Art. 23 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) hätten neben den dort genannten Beweismitteln auch die Erklärungen des Klägers dem Ersuchen beigefügt werden müssen. Das vom Bundesamt verwendete kurze Standardformular sei für den vorliegenden Fall unzulänglich gewesen. Außerdem habe das Bundesamt die in Art. 21 Abs. 1 und Art. 23 Abs. 2 Dublin-III-VO normierten kurzen Fristen für ein Aufnahmeersuchen überschritten. Das hier bewusst fehlerhaft gestellte Ersuchen sei eine Täuschungshandlung und folglich unwirksam. Aus Art. 27 Abs. 1 Dublin-III-VO und Art. 47 Abs. 1 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ergebe sich ein subjektives Recht auf sachgerechte Zuständigkeitsprüfung. Im Übrigen müsse die Beklagte im vorliegenden Fall aufgrund der systemischen Mängel im italienischen Asylsystem von ihrem Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO Gebrauch machen. Es bestünden erhebliche Zweifel daran, dass in Italien ein effektiver Zugang zum Asylverfahren gewährleistet sei. Darüber hinaus seien in Italien die materiellen Grundbedürfnisse und Versorgungsleistungen von Asylsuchenden nicht sichergestellt. Das Asylsystem Italiens sei völlig überlastet. Nach den Erkenntnissen von UNHCR liege die Kapazitätsgrenze für die Unterbringung von Asylsuchenden im Durchschnitt bei ca. 5.000 Personen. Es sei davon auszugehen, dass die Unterkunft, Ernährung und medizinische Versorgung von Asylsuchenden in Italien nur sichergestellt sei, wenn ein formaler Antrag gestellt worden sei, solange der Zeitraum von sechs Monaten Verfahrensdauer nicht überschritten werde und die aktuellen Zahlen der Asylbewerber die Kapazitäten der Einrichtungen nicht überstiegen. Derzeit sei allerdings davon auszugehen, dass die Mehrzahl der Verfahren nicht innerhalb von sechs Monaten abgeschlossen werden könne. Außerdem gebe es Berichte darüber, dass von den im Dublin-System rückgeführten Personen nur etwa 12% im staatlichen Aufnahmesystem unterkämen, die Übrigen aber obdachlos seien. Die vielfach vorzufindenden Lebensbedingungen der Asylsuchenden und Flüchtlinge in besetzten Häusern, Slums und auf der Straße seien unwürdig. Die Wartezeit, um überhaupt einen Platz in einem kommunalen Unterbringungszentrum zu erhalten, betrage etwa drei bis sechs Monate. Während dieser Zeit seien die Betroffenen faktisch obdachlos. Aufgrund dieser Umstände wäre bei einer Abschiebung eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung i. S. v. Art. 4 der Charta zu befürchten.

Der Kläger beantragt,

den Bescheid der Beklagten vom 26. Juli 2011 unter Abänderung des Gerichtsbescheids des Verwaltungsgerichts Regensburg vom 26. Februar 2013 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Gemäß der aktuellen Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (U. v. 14.11.2013 - Rs. C-4/11) verleihe die Dublin-II-VO dem Asylbewerber keinen Anspruch darauf, dass er von einem Mitgliedstaat die Prüfung seines Antrags verlangen kann, wenn dieser Staat ihn aufgrund der Gefahr einer Verletzung seiner Grundrechte nicht an den ursprünglich als zuständig bestimmten Mitgliedstaat überstellen könne. Die Situation der Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers führe nicht zur Verpflichtung des Selbsteintritts auf der Grundlage von Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO. Falls der eigentlich zuständige Mitgliedstaat wegen systemischer Mängel ausscheide, stehe zunächst lediglich fest, dass die Beklagte dorthin nicht überstellen dürfe. Daher sei die Prüfung auf der Basis der Dublin-Kriterien in der vorgesehenen Reihenfolge fortzusetzen, d. h. auch Art. 13 Dublin-II-VO als Auffangtatbestand heranzuziehen. Das italienische Asylverfahren weise entgegen der Auffassung des Klägers keine systemischen Mängel auf. Im Übrigen sei nochmals klarzustellen, dass bei dem Kläger ein Kategorie 1-Treffer für Italien vorliege (Asylantrag am 7.11.2008) und die italienischen Behörden hinsichtlich des Klägers somit vom Bundesamt nicht getäuscht worden seien. Das Bundesamt sei nicht verpflichtet, den italienischen Behörden mitzuteilen, was in deren eigenen Akten stehe, wie z. B. hier die bereits erfolgte frühere Überstellung des Klägers nach Griechenland.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichts- und Behördenakten sowie auf die zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Erkenntnisquellen verwiesen.

Gründe

Die Berufung hat keinen Erfolg (§ 125 Abs. 1, § 128 Abs. 1 VwGO). Das Verwaltungsgericht hat die Klage nach der im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung maßgeblichen Rechtslage (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) zu Recht abgewiesen.

Die Klage ist zulässig.

Die ausdrücklich erhobene Anfechtungsklage (§ 42 Abs. 1 Alt.1 VwGO) gegen den Bescheid des Bundesamts vom 26. Juli 2011 ist statthaft.

Die Feststellung des Bundesamts, dass der Asylantrag unzulässig ist, und die Anordnung der Abschiebung sind Verwaltungsakte i. S. v. § 35 Satz 1 VwVfG (zum Begriff der regelnden Feststellung vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 14. Aufl. 2013, § 35 Rn. 51). Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist bei Asylrechtsklagen in aller Regel davon auszugehen, dass der jeweilige Kläger das für ihn typischerweise weitestgehende Rechtsschutzziel mit den für ihn jeweils günstigsten Rechtsschutzformen anstrebt. Dies bedeutet, dass eine sog. isolierte Anfechtungsklage regelmäßig so auszulegen ist (§ 88 VwGO), dass ein solcher Antrag nur zusammen mit den Hilfsanträgen auf Verpflichtung zur Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16a GG und/oder als Flüchtling nach § 60 Abs. 1 AufenthG (a. F.) sowie auf Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3, 5 und 7 AufenthG (a. F.) und auf Zuerkennung von subsidiärem Schutz als gestellt anzusehen ist. Eine andere Auslegung ist bei einem Bescheid, welcher eine negative Feststellung enthält, möglich, wenn der Kläger bewusst nur einen isolierten Anfechtungsantrag gestellt hat und dies auch in Ansehung der materiellrechtlichen Anspruchsvoraussetzungen ein sinnvolles Klageziel ist (BVerwG, U. v. 21.11.2006 - 1 C 10.06 - BVerwGE 127, 161). Im vorliegenden Fall wäre die Aufhebung der angefochtenen Verwaltungsakte sinnvoll, weil das Bundesamt im Fall der Aufhebung der Feststellung der Unzulässigkeit bereits nach § 31 Abs. 2 AsylVfG von Gesetzes wegen zur Fortführung des Asylverfahrens verpflichtet wäre (OVG LSA, U. v. 2.10.2013 - 3 L 645/12 UA S. 5). Außerdem ginge dem Kläger ansonsten eine Tatsacheninstanz verloren, die mit umfassenden Verfahrensgarantien ausgestattet ist (BVerwG, U. v. 7.3.1995 - 9 C 264.94 - Buchholz 402.25 § 33 AsylVfG Nr. 12 = NVwZ 1996, 80). Eine Verpflichtungsklage im Sinn eines Bescheidungsurteils nach § 113 Abs. 5 Satz 2 VwGO kommt hier somit nicht in Betracht.

Die Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO ist gegeben.

Der Kläger kann geltend machen, durch die vom Bundesamt getroffene Feststellung möglicherweise in seinen Rechten verletzt zu sein. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs sind die Normen der Dublin-II-VO eigentlich organisatorische Vorschriften, welche die Beziehungen zwischen den Mitgliedstaaten regeln und u. a. den Zweck haben, eine klare und praktikable Formel für die Bestimmung des für die Prüfung des Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats zu schaffen; gleichwohl kann ein Asylbewerber im Rahmen des nach Art. 19 Abs. 2 Satz 3 Dublin-II-VO garantierten Rechtsschutzes geltend machen, dass in dem zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen bestehen, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr liefe, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der EU-Grundrechte-Charta ausgesetzt zu sein (EuGH, U. v. 10.12.2013 - Abdullahi, C-394/12 - NVwZ 2014, 208 Rn. 56 ff.).

Die Klage ist aber unbegründet.

Der streitgegenständliche Bescheid des Bundesamts ist rechtmäßig. Das Bundesamt hat zu Recht festgestellt, dass der Asylantrag des Klägers unzulässig ist (§ 113 Abs. 1 VwGO).

Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Eine solche Zuständigkeit ergibt sich aus der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (Dublin-II-VO), auf die sich das Bundesamt im Bescheid gestützt hat. Auch wenn mittlerweile die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin-III-VO) gemäß Art. 49 Abs. 1 dieser Verordnung am 19. Juli 2013 in Kraft getreten ist, ist für sog. „Altanträge“ wie den vorliegenden nach wie vor die Dublin-II-VO anzuwenden (BVerwG, U. v. 13.2.2014 - 10 C 6.13 - juris Rn. 13). Für einen Antrag auf internationalen Schutz i. S. v. Art. 2 Buchst. d Dublin-II-VO, der vor dem ersten Tag des sechsten Monats nach Inkrafttreten der Dublin-III-VO, also vor dem 1. Januar 2014 gestellt worden ist, erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates gemäß der Übergangsvorschrift des Art. 49 Abs. 2 Satz 2 Dublin-III-VO nach den Kriterien der Dublin-II-Verordnung.

Das Verfahren nach der Dublin-II-Verordnung dient zuerst allein dazu, den zur Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat zu bestimmen. Die Mitgliedstaaten der Europäischen Union sind übereingekommen, dass auf kurze Sicht eine klare und praktikable Form für die Bestimmung des für die Prüfung eines Asylantrags zuständigen Mitgliedstaats geschaffen werden sollte. Ziel der Dublin-II-Verordnung ist die Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines Asylantrags zuständig ist (Erwägungsgründe Nr. 1, 2, 3, 4 und 16). Im Verfahren nach der Dublin-II-Verordnung steht deshalb allein die Zuständigkeitsfrage im Raum. Nach Art. 3 Abs. 1 Satz 2 Dublin-II-VO wird der Antrag von einem einzigen Mitgliedstaat geprüft.

Die Reihenfolge der Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats richtet sich nach Kapitel III der Verordnung (vgl. Art. 5 Abs. 1 Dublin-II-VO). Nach Art. 5 Abs. 2 Dublin-II-VO wird bei der Bestimmung des nach diesen Kriterien zuständigen Mitgliedstaats von der Situation ausgegangen, die zu dem Zeitpunkt gegeben ist, zu dem der Asylbewerber seinen Antrag zum ersten Mal in einem Mitgliedstaat gestellt hat.

Gemessen hieran ist der beim Bundesamt gestellte Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, weil der Mitgliedstaat Italien nach Art. 13 Dublin-II-VO für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Dies hat zur Folge, dass Italien nach Art. 16 Abs. 1 Buchstabe c Dublin-II-VO verpflichtet ist, den Kläger nach Maßgabe des Art. 20 Dublin-II-VO wieder aufzunehmen. Gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchst. c Dublin-II-VO wird davon ausgegangen, dass der ersuchte Mitgliedstaat die Wiederaufnahme des Asylbewerbers akzeptiert, wenn - wie im vorliegenden Fall - innerhalb einer Frist von zwei Wochen keine Antwort erteilt worden ist. Entsprechend der Konzeption der Dublin-II-Verordnung hat das Bundesamt zu Recht den Asylantrag nicht inhaltlich geprüft, sondern die Unzulässigkeit festgestellt und die Abschiebung nach Italien angeordnet.

Für die Beklagte ergibt sich aus Kapitel III der Dublin-II-Verordnung keine Zuständigkeit. Die am 12. Mai 2011 erteilte Aufenthaltsgestattung nach § 55 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG begründet die Zuständigkeit nach Art. 9 Abs. 1 Dublin-II-VO nicht (Asylbewerber mit gültigem Aufenthaltstitel), weil diese Vorschrift nach Art. 2 Buchst. j Dublin-II-VO nicht für Aufenthaltstitel gilt, die während der zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates entsprechend dieser Verordnung erforderlichen Frist erteilt wurden. Auch Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin-II-VO ist nicht einschlägig. Zwar hatte der Kläger die Luftgrenze der Bundesrepublik Deutschland illegal überschritten, er kam hierbei aber nicht aus einem Drittstaat, sondern aus einem Mitgliedstaat (Griechenland).

Aus der Feststellung, dass der Kläger ursprünglich (2008) aus einem Drittstaat (Türkei) kommend die Grenze Griechenlands illegal überschritten hatte, ergibt sich gemäß Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin-II-VO die Erstzuständigkeit der Hellenischen Republik. Eine Abschiebung dorthin käme allerdings nicht in Betracht, weil die Durchführung eines ordnungsgemäßen Asylverfahrens nicht gewährleistet wäre und Obdachlosigkeit drohen würde. Infolge dessen wäre eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung i. S. v. Art. 3 EMRK gegeben (EGMR, E. v. 21.1.2011 - Nr. 30696/09 - NVwZ 2011, 413).

Da sich aus den übrigen Kriterien des Kapitels III der Dublin-II-Verordnung nicht bestimmen lässt, welchem Mitgliedstaat die Prüfung des Asylantrags obliegt, ist nach der Generalklausel des Art. 13 Dublin-II-VO der erste Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig. Dies ist hier die Italienische Republik (Italien). Ausweislich der Bundesamtsakte (Bl. 50) hat der Kläger dort im November 2008 den Asylantrag gestellt. Trotz der Erkenntnis, dass nach Art. 10 Abs. 1 Satz 1 Dublin-II-VO eigentlich von der vorrangigen Zuständigkeit Griechenlands auszugehen wäre, scheidet der Ersteintritt als Anknüpfungskriterium hier aus, weil eine Abschiebung dorthin unzumutbar wäre, da das Asylwesen in Griechenland derzeit an sog. systemischen Mängeln leidet (vgl. EGMR, E. v. 21.1.2011 a. a. O.). Art. 13 Dublin-II-VO greift auch dann, wenn sich aus den Kriterien des Kapitels III zwar eine anderweitige Zuständigkeit ergibt, eine Überstellung des Antragstellers dorthin aber nicht möglich ist (EuGH, U. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - NVwZ 2012, 417). Die Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers an den ursprünglich als zuständig bestimmten Mitgliedstaat hat als solche nicht zur Folge, dass der den zuständigen Mitgliedstaat bestimmende Mitgliedstaat verpflichtet ist, den Asylantrag auf der Grundlage von Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO selbst zu prüfen (EuGH, U. v. 14.11.2013 - C- 4/11 - NVwZ 2014, 129 Rn. 37).

Das vom Bundesamt an die italienische Dublin-Einheit (Unità Dublino) gerichtete Wiederaufnahmegesuch entspricht den Anforderungen des Art. 2 der Verordnung (EG) Nr. 1560/2003 vom 2. September 2003 (Durchführungsbestimmungen zur Dublin-II-VO). Im vorliegenden Fall liegt entgegen der Auffassung des Klägers kein Übernahmegesuch i. S. v. Art. 17 Dublin-II-VO, sondern ein Wiederaufnahmegesuch i. S. v. Art. 20 Dublin-II-VO vor, da die Zuständigkeit nicht erst noch geklärt werden musste, sondern schon feststand (Filzwieser/Sprung, Dublin II-Verordnung, 3. Aufl. 2010, Art. 16 K4 und K5). Da der Kläger bereits in Italien einen Asylantrag gestellt hatte, geht es hier nicht um eine Aufnahme nach Art. 16 Abs. 1 Buchst. a Dublin-II-VO, sondern um eine Wiederaufnahme nach Art. 16 Abs. 1 Buchst. c und d Dublin-II-VO (OVG LSA, U. v. 2.10.2013 - 3 L 645/12 UA S. 9). Das Bundesamt hat entsprechend Art. 2 der Durchführungsbestimmungen das vorgeschriebene Formblatt verwendet. Dieses umfasst auch das Ergebnis des Vergleichs der Fingerabdrücke (Hinweis auf die Eurodac-Nummer mit italienischer Kennung). Außerdem hat das Bundesamt unter der Rubrik „Frühere Asylverfahren“ darauf hingewiesen, dass am 7.11.2008 in „Bolzano/Italy“ schon einmal Asyl beantragt worden sei (s. Bl. 5 der Bundesamtsakte). Die Rüge des Klägers, das Bundesamt habe die italienische Dublin-Behörde absichtlich getäuscht, geht fehl. Die Frage, welche Rechtsfolgen eintreten könnten, falls der ersuchende Mitgliedstaat dem ersuchten Mitgliedstaat wichtige Informationen vorenthält (vgl. hierzu Filzwieser/Sprung, a. a. O. Art. 19 K11), hat sich hier nicht gestellt.

Im Übrigen ist die Zuständigkeit zur Durchführung des Asylverfahrens nicht nach Art. 20 Abs. 2 Satz 1 Dublin-II-VO auf die Beklagte übergegangen, weil die Überstellung nach Italien nicht innerhalb der Frist von sechs Monaten erfolgt ist. Diese Frist beginnt gemäß Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Alt. 2 Dublin-II-VO erst nach der (rechtskräftigen) Entscheidung über den Rechtsbehelf zu laufen, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat (vgl. Art. 19 Abs. 2 Satz 4 Dublin-II-VO, § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG n. F.). Im vorliegenden Fall ist ausschlaggebend, dass das Verwaltungsgericht Regensburg den Vollzug der Abschiebung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes durch Beschluss vom 7. September 2011 vorläufig ausgesetzt hat. Gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs kann die Sechs-Monats-Frist erst zu laufen beginnen, wenn sichergestellt ist, dass die Überstellung in Zukunft erfolgen wird, und wenn lediglich deren Modalitäten zu regeln bleiben. Dass die Überstellung erfolgen wird, kann nicht als sichergestellt angesehen werden, wenn ein Gericht des ersuchenden Mitgliedstaats, bei dem ein Rechtsbehelf anhängig ist, über die Frage in der Sache nicht entschieden hat, sondern sich darauf beschränkt, zu einem Antrag auf Aussetzung des Vollzugs der angefochtenen Entscheidung Stellung zu nehmen. Daraus ergibt sich, dass zur Wahrung der praktischen Wirksamkeit von Art. 20 Abs. 1 Buchst. d Dublin-II-VO diese Frist nicht bereits ab der vorläufigen gerichtlichen Entscheidung läuft, sondern erst ab der gerichtlichen Entscheidung, mit der über die Rechtmäßigkeit des Verfahrens entschieden wird (EuGH, U. v. 21.9.2009 - C-19/08 - NVwZ 2009, 639). Die Regelung über das Entfallen der aufschiebenden Wirkung der Klage nach § 75 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG kommt hier folglich nicht zum Tragen (so auch OVG LSA, U. v. 2.10.2013 a. a. O.; OVG NRW, U. v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - juris).

Schließlich ergibt sich die Zuständigkeit der Beklagten für die Prüfung des Asylantrags des Klägers auch nicht aus Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO (sog. Selbsteintrittsrecht).

Wenn ein Mitgliedstaat der Aufnahme des betreffenden Asylbewerbers - wie im vorliegenden Fall - zugestimmt (bzw. nicht geantwortet hat), so kann der Asylbewerber der Bestimmung dieses Mitgliedstaats nur damit entgegentreten, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S. v. Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union - GR-Charta - ausgesetzt zu werden (EuGH, U. v. 10.12.2013 - C-394.12 - NVwZ 2014, 208).

Ebenso wie das deutsche Konzept der „normativen Vergewisserung“ hinsichtlich der Sicherheit von Drittstaaten (BVerfG, U. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1938/93, 2 BvR 2315/93 - BVerfGE 94, 49) stützt sich das gemeinsame europäische Asylsystem nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (grundlegend: U. v. 21.12.2011 - C-411/10 und C-493/10 - NVwZ 2012, 417 Rn. 75 ff.) auf die uneingeschränkte und umfassende Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention und die Versicherung, dass niemand dorthin zurückgeschickt wird, wo er Verfolgung ausgesetzt ist. Das gemeinsame europäische Asylsystem wurde dem Gerichtshof zufolge in einem Kontext entworfen, der die Annahme zulässt, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte beachten und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Unter diesen Bedingungen muss die Vermutung gelten, das die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie mit dem am 28. Juli 1951 in Genf unterzeichneten Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (Genfer Flüchtlingskonvention) und der Europäischen Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) steht. Allerdings kann nicht ausgeschlossen werden, dass dieses System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stößt, so dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Grundrechten unvereinbar ist. Wenn aber jeder Verstoß des zuständigen Mitgliedstaats gegen einzelne Bestimmungen zur Folge hätte, dass der Mitgliedstaat, in dem ein Asylantrag eingereicht wurde, daran gehindert wäre, den Antragsteller an den erstgenannten Staat zu überstellen, würde damit den in Kapitel III der Dublin-II-Verordnung genannten Kriterien zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats ein zusätzliches Ausschlusskriterium hinzugefügt, nach dem geringfügige Verstöße gegen die Vorschriften dieser Richtlinien in einem bestimmten Mitgliedstaat dazu führen könnten, dass er von den in dieser Verordnung vorgesehenen Verpflichtungen entbunden wäre. Dies würde die betreffenden Verpflichtungen in ihrem Kern aushöhlen und die Verwirklichung des Ziels gefährden, rasch den Mitgliedstaat zu bestimmen, der für die Entscheidung über einen in der Union gestellten Asylantrag zuständig ist. Falls dagegen ernsthaft zu befürchten wäre, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber implizieren, so wäre die Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar. Damit die Union und ihre Mitgliedstaaten ihren Verpflichtungen in Bezug auf die Grundrechte der Asylbewerber nachkommen können, obliegt es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte, einen Asylbewerber nicht an den „zuständigen Mitgliedstaat“ im Sinne der Dublin-II-Verordnung zu überstellen, wenn ihm nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden.

Für das verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 EU-GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK (s. neuerdings BVerwG, B. v. 19.3.2014 - 10 B 6.14 Rn. 9 - darauf abstellend, dass sich solche Mängel wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren lassen).

Gemäß diesen Grundsätzen besteht für die Beklagte keine Verpflichtung zum Selbsteintritt nach Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO. Im Hinblick auf den Charakter dieser Vorschrift als Ermessensnorm (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011 a. a. O. Rn. 65) kann der Kläger allenfalls ein Recht auf ermessensfehlerfreie Entscheidung nach § 40 VwVfG haben (Funke-Kaiser, GK-AsylVfG, Stand Januar 2014, § 27a Rn. 52). Das Ermessen verdichtet sich nur dann zu einer Verpflichtung zum Selbsteintritt, wenn der eigentlich zuständige Mitgliedstaat wegen systemischer Mängel außer Betracht bleiben muss und keine anderweitige Zuständigkeit eines Mitgliedstaats besteht (ders., a. a. O. Rn. 68). Gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs ist der den zuständigen Mitgliedstaat bestimmende Mitgliedstaat verpflichtet, den Asylantrag auf der Grundlage des Art. 3 Abs. 2 Dublin-II-VO selbst zu prüfen, wenn ansonsten Grundrechte - hier: Verbot der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung nach Art. 4 und Recht auf Asyl nach Art. 18 GR-Charta - des Asylbewerbers verletzt wären (EuGH, U. v. 14.11.2013 - Puid, C-4/11- NVwZ 2014, 129).

Der Senat ist auf der Grundlage des ihm vorliegenden Erkenntnismaterials zur Situation von Asylbewerbern sowie von Dublin-II-Rückkehrern in Italien zu der Überzeugung gelangt, dass bei dem Kläger eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung im Fall der Überstellung/Abschiebung nicht ernsthaft zu befürchten ist.

Gemäß der Rechtsprechung des Europäischen Gerichts für Menschenrechte (EGMR) ist in Italien nicht von systemischen Mängeln auszugehen. Dieser hat bei seinen aktuellen Entscheidungen unter Heranziehung der UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien (Juli 2012), des Berichts des Kommissars für Menschenrechte des Europarates (September 2012) sowie der Berichte von Nichtregierungsorganisationen und unter Würdigung des gesamten Asylsystems in Italien (Verfahrensmodalitäten, Organisation der Unterbringung, Anzahl der Einrichtungen und Unterkunftsplätze, medizinische Versorgung, Bereitstellung von Mahlzeiten, Kleidung etc.) folgende Erkenntnisse zugrunde gelegt: Es gebe in Italien ein System von Aufnahmeeinrichtungen: Neun staatliche CARA-Zentren für die Erstaufnahme während fünf Wochen, ca. 150 SPRAR-Einrichtungen von Gemeinden, Provinzen und wohltätigen Organisationen für die Zeit des Asylverfahrens während sechs Monaten; außerdem die in Großstädten angesiedelten Metropolitan- Aufnahmezentren und eine große Anzahl von Notunterkünften auf regionallokaler Basis. Landesweit könnten je nach Bedarf bis zu 50.000 Plätze bereitgestellt werden, tatsächlich sei die gegenwärtige Anzahl aber erheblich niedriger. Schwierigkeiten bereiteten speziell die prompte Erkennung von Personen mit besonderem Schutzbedürfnis und die Wahrung der Familieneinheit im Rahmen der Verteilung. In einigen Einrichtungen, namentlich in Kalabrien und in der Lombardei, gebe es ganz gravierende Probleme. In den letzten Jahren seien mit Unterstützung des Europäischen Flüchtlingsfonds Aufnahmeeinrichtungen für Dublin-Rückkehrer geschaffen worden. Diese würden im Allgemeinen wieder in den früheren Stand ihres Asylverfahrens eingesetzt werden. Hierfür würde die Grenzpolizei das jeweils zuständige Amt für Einwanderung ausfindig machen und den Rückkehrer auffordern, sich dorthin zu begeben. Wenngleich die allgemeine Lage und die Lebensbedingungen der Asylbewerber in Italien einige Unzulänglichkeiten aufzeigten, seien aber keine systemischen Mängel bei der Bereitstellung von Hilfe und Einrichtungen für Asylbewerber zutage getreten. Vor diesem Hintergrund sei nicht anzunehmen, dass ein nach Italien zurückkehrender Asylbewerber, sei es in materieller, physischer oder psychischer Hinsicht, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der konkreten Gefahr einer menschenunwürdigen Notlage ausgesetzt wäre - „ … has not shown that … future prospects if returned to Italy whether taken from a material, physical or psychological perspective, disclose a sufficiently real and imminent risk of hardship severe enough to fall within the scope of Article 3“ - (EGMR, E. v. 2.4.2013 - Nr. 27725/10 - ZAR 2013, 336 Rn. 43 ff., 78; B. v. 18.6.2013 - Nr. 53852/11 - ZAR 2013, 338; E. v. 10.9.2013 - Nr. 2314/10 - www.hudoc.echr.coe.int Rn. 139; s. auch BVerwG, U. v. 1.6.2011 - 10 C 25.10 - BVerwGE 140, 22 Rn. 22, wonach der Begriff „real risk“ dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entspricht).

Dieser Einschätzung entspricht die Auskunftslage gemäß den Erkenntnissen des Auswärtigen Amts. Nach der Auskunft vom 11. Juli 2012 an das Verwaltungsgericht Freiburg könnten „derzeit“ alle Asylbewerber in öffentlichen Zentren untergebracht werden. Es gebe lokale/regionale Überbelegungen (z. B. Rom/Latium). Landesweit seien aber genügend Plätze vorhanden. Insbesondere in Norditalien seien die Kapazitäten nicht ausgeschöpft. Zusätzlich zu den staatlichen und öffentlichen Einrichtungen gebe es kommunale und karitative Einrichtungen. Sofern sich Dublin-Rückkehrer noch im Asylverfahren befänden, werde ihnen eine Unterkunft in einer Aufnahmeeinrichtung zugeteilt (ebenso: Auskunft vom 11.9.2013 an das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen). Auch die UNHCR-Empfehlungen zu wichtigen Aspekten des Flüchtlingsschutzes in Italien vom Juli 2013 (S. 10 ff.) stellen die Erkenntnis, dass das Asylsystem keine systemischen Mängel aufweist, nicht in Frage. Die italienische Regierung habe ab 2011 erhebliche Anstrengungen zur Verbesserung der teilweise unzulänglichen Aufnahmeverhältnisse unternommen. Die als Asylbewerber registrierten Dublin-Rückkehrer hätten im Allgemeinen Zugang zu den Transitaufnahmezentren. Da deren Kapazitäten aber sehr begrenzt seien, könne es vorkommen, dass diese Personen u.U. einige Tage am Flughafen ausharren müssten, bis ein Platz in einem solchen Zentrum frei wird. Nach den Erkenntnissen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe erhalten Personen, deren Asylverfahren in Italien noch nicht abgeschlossen war, am Flughafen ein Bahnticket zur Weiterreise in die zuständige Region (Italien: Aufnahmebedingungen - aktuelle Situation von Asylsuchenden und Schutzberechtigten, insbesondere Dublin-Rückkehrenden, Oktober 2013, S. 13).

Demgegenüber berichten die Schweizerische Flüchtlingshilfe (a. a. O.) und borderlineeurope e.V. (Judith Gleitze, Gutachten vom Dezember 2012 für das Verwaltungsgericht Braunschweig) von vielfältigen Unzulänglichkeiten bei der Unterbringung von Asylsuchenden in Italien. Aus den geschilderten zahlreichen Einzelfällen lässt sich nach Auffassung des Senats aber nicht der Schluss ziehen, dass hier systemische Schwächen vorliegen, welche mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine konkrete Gefährdung von Dublin-Rückkehrern zur Folge hätten. Aus den Berichten von UNHCR (a. a. O. S. 14 f.), der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (a. a. O. S. 69) und borderlineeurope (a. a. O. S. 50 f.) geht zudem auch übereinstimmend hervor, dass die größten Probleme nicht während des Asylverfahrens auftreten, sondern bei denjenigen Personen, deren Asylverfahren mit oder ohne Zuerkennung eines Schutzstatus geschlossen worden sind. Für diese Personen endet der Anspruch auf Gewährleistung der Grundbedürfnisse im Allgemeinen mit dem Abschluss des Asylverfahrens. Nur unter bestimmten Umständen dürfen Personen, denen die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden ist, danach noch bis zu sechs Monaten in einer SPRAR-Einrichtung bleiben (EGMR, E. v. 2.4.2013, a. a. O. Rn. 43). Da es in Italien kein staatliches Sozialhilfesystem gibt (Auswärtiges Amt vom 11.7.2012, a. a. O. Nr. I 1 b), seien diese Personen - ebenso wie italienische Staatsangehörige - im Fall der Mittellosigkeit auf sich allein gestellt, wodurch in italienischen Großstädten vielfach Armutsviertel mit arbeits- und mittellosen Flüchtlingen entstanden seien. Berichte über diese allgemeine soziale Problematik sind somit kein hinreichendes Indiz für systemische Mängel im Asylverfahren.

Die genaue Zahl der Unterkunftsplätze lässt sich aus verschiedenen Gründen nur schwer bestimmen. UNHCR (24.4.2012, S. 3) ist für das Jahr 2012 davon ausgegangen, dass in zentralen Einrichtungen wie CARA und SPRAR insgesamt 8.000 Plätze vorhanden seien. Im Jahr 2011 sei zwischen den regionalen Regierungen und den örtlich zuständigen Behörden eine Vereinbarung getroffen worden, dergemäß Kriterien für die landesweite Verteilung von bis zu 50.000 Personen festgelegt wurden. Bis Anfang 2012 seien im Rahmen dieses Verteilungsplans tatsächlich 20.000 Personen untergebracht worden. Die Verantwortung hierfür obliege dem Leiter des Zivilschutzes. Bezüglich der Kapazität allein der SPRAR-Einrichtungen sei mittlerweile aber eine Aufstockung auf 8.000 Plätze vorgesehen (UNHCR, Juli 2013, S. 12). Die Schweizerische Flüchtlingshilfe hat für das Jahr 2013 die Zahl der CARA-Plätze und die Zahl der SPRAR-Plätze mit jeweils ca. 5.000 beziffert und darüber hinaus auf ein Dekret des italienischen Innenministeriums vom September 2013 hingewiesen, demgemäß die SPRAR-Kapazität von 2014 bis 2016 auf 16.000 Plätze erhöht werden soll (a. a. O. S. 18, 22). Unter Berücksichtigung der Fluktuation (Wechsel in der Belegung) dürfte die tatsächliche Kapazität höher als die Zahl der Unterkunftsplätze sein. Im Hinblick auf die Zahl der in Italien im Jahr 2013 registrierten Asylanträge (28.000 - s. eurostatpressemitteilung Nr. 46/2014) und die für das Jahr 2012 verfügbare Zahl der Dublin-Überstellungen nach Italien (3.551 - s. Schweizerische Flüchtlingshilfe, a. a. O. S. 8) besteht zwischen dem Bedarf und der Kapazität an Unterkunftsplätzen jedenfalls keine solche Diskrepanz, dass die Möglichkeit der Unterbringung von Dublin-Rückkehren als unrealistisch zu erachten wäre.

Die Annahme von borderlineeurope (a. a. O. S. 23 ff., S. 59), dass die Unterbringungsquote für Dublin-Rückkehrer von 2010 bis 2012 maximal nur 12% pro Jahr betragen habe, begegnet erheblichen Bedenken. Das Auswärtige Amt hat darauf hingewiesen, dass diesbezüglich belastbares statistisches Zahlenmaterial nicht vorhanden sei. Die (von borderlineeurope zitierte) Aussage einer Mitarbeiterin der am Flughafen Roma Fiumicino tätigen Arciconfraternita sei eine auf Erfahrungswerten basierende subjektive Feststellung (11.9.2013, S. 3). Der angegebene Prozentsatz bezieht sich auf die besondere Situation in Rom, welche nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amts wegen der lokalen und regionalen Überbelegung in Rom und Latium (11.7.2012, S. 6) allerdings nicht repräsentativ erscheint. Hinzu kommt, dass die von borderlineeurope beschriebene Gruppe etwa zur Hälfte aus Personen besteht, die sich nicht im Asyl- bzw. Klageverfahren befinden, also keinen Anspruch auf Versorgung haben. Im Übrigen wäre noch zu berücksichtigen, dass nach den Erkenntnissen des Auswärtigen Amts viele Dublin-Rückkehrer keinen Asyl- oder Schutzantrag stellen, da sie häufig nicht in Italien bleiben wollen. Somit stünden ihnen die Aufnahmeeinrichtungen nicht mehr offen (11.7.2012, S. 5). Diese Personen können folglich ebenfalls nicht zum Kreis der nicht untergebrachten Anspruchsberechtigten gezählt werden.

Außerdem sprechen die besonderen Umstände des vorliegenden Falls gegen die Annahme, dass der Kläger mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit der konkreten Gefahr der Obdachlosigkeit und des Hungerns ausgesetzt wäre. Da ursprünglich die Quästur Bozen für seinen Asylantrag zuständig war, ist anzunehmen, dass er im Fall der Rückkehr nach Italien dorthin weitergeleitet werden würde. Gemäß den bisherigen, vom Kläger nicht in Frage gestellten Erkenntnissen des Auswärtigen Amts sind in Norditalien die Unterbringungskapazitäten noch nicht ausgeschöpft, so dass dort ohnehin nicht mit einer Mangelsituation zu rechnen wäre.

Auch der Hinweis des Klägers auf die Stellungnahme von UNHCR an das Verwaltungsgericht Braunschweig (24.4.2012) führt nicht zu einer anderen Einschätzung. Die darin geäußerten Bedenken, dass die Versorgung besonders schutzbedürftiger Personen häufig unzureichend sei (Buchstabe vii) und dass nicht ausgeschlossen werden könne, dass Asylsuchende, die im Rahmen des Dublin-Systems nach Italien überstellt werden und dort zuvor keinen formalen Asylantrag gestellt hatten, keinen sofortigen Zugang zur Aufnahmebedingungen erhielten (ix), treffen auf die Umstände des vorliegenden Falls nicht zu.

Für die Befürchtung des Klägers, er würde im Fall der Abschiebung nach Italien ohne Durchführung eines Asylverfahrens sogleich nach Griechenland weitergeschoben werden, gibt es keinen konkreten Anhaltspunkt (vgl. UNHCR v. 24.4.2012, a. a. O. zu 4.). Der Vortrag des Klägers, er sei etwa im Jahr 2010 von der Polizei in Bozen bei einer Vorsprache zwecks Erteilung eines Monatsausweises festgenommen und anschließend in einem versperrten Schiffsraum nach Griechenland verbracht worden, vermag die Annahme einer Wiederholungsgefahr nicht zu begründen.

Die hier vertretene Einschätzung, dass das italienische Asylwesen nicht an systemischen Mängeln leidet, wird von anderen Oberverwaltungsgerichten geteilt (OVG NRW, U. v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - juris; OVG Rh-Pf, U. v. 21.2.2014 - 10 A 10656/13. OVG - juris; NdsOVG, B. v. 30.1.2014 - 4 LA 167/13 - juris; OVG LSA, U. v. 2.10.2013 - 3 L 645/12 - juris; OVG Berlin-Bbg, B. v. 17.6.2013 - OVG 7 S 33.13 - juris).

Die Befugnis zur Anordnung der Abschiebung ergibt sich aus § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylVfG.

Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff ZPO.

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision nach § 132 Abs. 2 VwGO sind nicht gegeben.

Tenor

Der Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 22. Januar 2014 - 5 K 1699/12 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des gerichtskostenfreien Zulassungsverfahrens trägt die Beklagte.

Gründe

I.

Der am 26.3.1995 geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger. Er wurde am 29.5.2012 von der Bundespolizei in einem aus Paris kommenden Zug aufgegriffen. Zuvor war er am 14.3.2012 in Italien unter den Alias-Personalien Mohammad Shaheer KAKAR, geb. am 1.1.1993, als Asylbewerber registriert worden. Am 13.6.2012 wurde deshalb ein Übernahmeersuchen an Italien gerichtet. Nachdem die italienischen Behörden mit Schreiben vom 21.6.2012 ihre Zuständigkeit für die Bearbeitung des Asylantrags erklärt hatten, stellte die Beklagte mit Bescheid vom 24.10.2012 fest, dass der Asylantrag des Klägers unzulässig ist, und ordnete die Abschiebung nach Italien an.

Gegen diesen Bescheid erhob der Vormund des Klägers am 4.11.2012 Klage. Gleichzeitig beantragte er, die aufschiebende Wirkung nach § 80 VwGO anzuordnen. Zur Begründung machte er geltend, da er das Aufenthaltsbestimmungsrecht innehabe, wäre eine Überstellung des Klägers nach Italien rechtswidrig. Er könne sonst seine Pflichten als Vormund nicht wahrnehmen. Im Übrigen habe sein Mündel in Italien keinen Asylantrag gestellt; es seien lediglich Fingerabdrücke genommen worden und dann sei er allein auf sich gestellt gewesen. Die Beklagte müsse den Selbsteintritt erklären. Mit Beschluss vom 27.11.2012 - 5 L 1700/12 - ordnete das Verwaltungsgericht des Saarlandes die aufschiebende Wirkung der Klage gegen den Bescheid vom 24.10.2012 an.

Nachdem die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet hatten, hob das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 22.1.2014 den Bescheid der Beklagten vom 24.10.2012 auf. Zur Begründung ist in dem Urteil ausgeführt, dass vom Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 EG-AsylZustVO Gebrauch zu machen sei, wenn ein Verwandter des minderjährigen Asylsuchenden, der die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, zum Vormund des Minderjährigen bestellt worden sei.

Die Beklagte begehrt die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil.

II.

Der gemäß § 78 Abs. 2 Satz 1 AsylVfG statthafte und auch im Übrigen zulässige Antrag der Beklagten auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 22.1.2014 - 5 K 1699/12 - ist unbegründet.

Das den Prüfungsumfang im Zulassungsverfahren begrenzende Vorbringen in der Antragsbegründung (§ 78 Abs. 4 Satz 4 AsylVfG) rechtfertigt die von der Beklagten begehrte Zulassung der Berufung nicht. Der allein geltend gemachte Zulassungsgrund der grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache im Sinne von § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylVfG liegt nicht vor.

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung, wenn sie eine im Berufungsverfahren klärungsbedürftige und für die Entscheidung dieses Verfahrens erhebliche Rechts- oder Tatsachenfrage aufwirft, deren Beantwortung über den konkreten Fall hinaus wesentliche Bedeutung für die einheitliche Anwendung oder Weiterentwicklung des Rechts hat.(vgl. OVG des Saarlandes, Beschlüsse vom 22.7.2014 - 2 A 325/14 - und vom 21.12.2012              - 3 A 245/10 -) Diese Voraussetzungen sind hier nicht erfüllt, da sich die von der Beklagten aufgeworfene Rechtsfrage,

„ob das Tatsachengericht bei Annahme einer bestehenden Verpflichtung zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach der Dublin-Verordnung und Übernahme der Asylverfahrensdurchführung die Streitsache dann auch spruchreif machen muss oder unter bloßer Bescheidaufhebung im Ergebnis an das beklagte Bundesamt zurückverweisen darf,“

im Berufungsverfahren nicht stellen würde.(vgl. BVerwG, Beschluss vom 25.9.2013 - 1 B 8/13 - bei juris)

Nach den Feststellungen in dem verwaltungsgerichtlichen Urteil hat der Kläger im erstinstanzlichen Verfahren (sinngemäß) beantragt, den Bescheid vom 24.10.2012 aufzuheben. Dieser in Anwendung des § 88 VwGO erfolgten Auslegung des Klagebegehrens nach dem erkennbaren Klageziel(vgl. Kopp/Schenke, VwGO - Kommentar, 13. Auflage, § 88 Rdnr. 3) ist der Kläger nicht entgegengetreten. Der im Urteil des Verwaltungsgerichts bezeichnete Anfechtungsantrag ist auch im vorliegenden Verfahren zu Grunde zu legen. Gegenstand eines etwaigen Berufungsverfahrens wäre somit die Überprüfung, ob der Bescheid der Beklagten vom 24.10.2012 aufzuheben ist oder nicht. Der angefochtene Bescheid beinhaltet lediglich die Feststellung, dass der Asylantrag unzulässig ist, sowie die Anordnung der Abschiebung nach Italien. Die Rechtmäßigkeit dieser Entscheidungen nach §§ 27 a, 34 a AsylVfG wäre in einem Berufungsverfahren zu prüfen.

Demgegenüber betrifft die von der Beklagten zur Begründung des Zulassungsgrundes der grundsätzlichen Bedeutung genannte Rechtsfrage, ob das Tatsachengericht bei Annahme einer bestehenden Verpflichtung zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts die Streitsache spruchreif machen und demzufolge „durchentscheiden“ muss, die Konstellation eines auf die Gewährung von Asyl, Flüchtlingsanerkennung oder subsidiärem Schutz gerichteten Verpflichtungsantrags, der indes nach den Feststellungen des verwaltungsgerichtlichen Urteils von Seiten des Klägers gerade nicht gestellt wurde. Damit greift die von der Beklagten als grundsätzlich erachtete Rechtsfrage über den allein von dem Kläger zu bestimmenden Streitgegenstand hinaus. Der Kläger muss sich von der Beklagten keinen (weitergehenden) Streitgegenstand aufdrängen lassen, den er nicht will. In seiner Erwiderung auf den Berufungszulassungsantrag hat der Kläger erneut zu erkennen gegeben, dass er eine Entscheidung über den von ihm gestellten Asylantrag nicht begehrt, sondern es ihm nur darum geht, dass von dem Selbsteintrittsrecht der Bundesrepublik Deutschland Gebrauch gemacht wird.

Gegen die Aufhebung des Bescheides vom 24.10.2012 und die hierfür vom Verwaltungsgericht gegebene tragende Begründung, dass von dem Selbsteintrittsrecht Gebrauch zu machen ist, wenn ein Verwandter des minderjährigen Asylsuchenden, der die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt, zum Vormund des Minderjährigen bestellt wurde, hat sich die Beklagte in ihrem Zulassungsvorbringen nicht gewandt. Vielmehr hat sie die Rechtsfrage, ob das Tatsachengericht die Streitsache spruchreif zu machen hat oder unter bloßer Bescheidaufhebung im Ergebnis an das beklagte Bundesamt zurückverweisen darf, ausdrücklich unter der Prämisse der „Annahme einer bestehenden Verpflichtung zur Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach der Dublin-Verordnung“ aufgeworfen.

Von einer weitergehenden Begründung des Nichtzulassungsbeschlusses wird abgesehen (§ 78 Abs. 5 Satz 1 AsylVfG).

III.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 2 VwGO, 83 b AsylVfG. Der Gegenstandswert des Verfahrens ergibt sich aus § 30 Abs. 1 RVG.

Der Beschluss ist unanfechtbar.

(1) Ein fehlerhafter Verwaltungsakt kann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.

(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsaktes. Eine Umdeutung ist ferner unzulässig, wenn der fehlerhafte Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden dürfte.

(3) Eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, kann nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden.

(4) § 28 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn

1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat;
2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden;
3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.

(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.

(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.

(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

I.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

II.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens in allen Rechtszügen.

III.

Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der zu vollstreckenden Kosten abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger, nach eigenen Angaben ein somalischer Staatsangehöriger aus Q., wendet sich gegen die Einstellung seines Asylverfahrens nach §§ 32, 33 Abs. 1 AsylVfG.

Er beantragte am 8. Juli 2010 die Anerkennung als Asylberechtigter. Ihm wurden vom Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt - am gleichen Tag Fingerabdrücke abgenommen. Dabei wurde festgestellt, dass eine Auswertung zum Zweck des erkennungsdienstlichen Abgleichs nicht möglich war. Daraufhin wurde der Kläger mit Schreiben vom 23. August 2010 aufgefordert, sein Asylverfahren dadurch zu betreiben, dass er zum einen binnen eines Monats in der Außenstelle des Bundesamtes erscheine und sich „auswertbare Fingerabdrücke“ abnehmen lasse. Zum anderen solle er schriftlich darlegen, in welchen Staaten er sich nach dem Verlassen seines Herkunftslandes aufgehalten habe, ob er dort bereits einen Asylantrag gestellt habe und dieser ggf. abgelehnt worden sei. Gleichzeitig wurde er unter Bezugnahme auf § 33 AsylVfG darauf hingewiesen, dass sein Asylantrag als zurückgenommen gelte, wenn er das Verfahren länger als einen Monat nicht betreibe, und dass in diesem Fall über das Vorliegen von Abschiebungsverboten gemäß § 60 Abs. 2 bis 5 oder Abs. 7 AufenthG nach Aktenlage zu entscheiden sei. Dem Schreiben war eine Übersetzung in der Sprache Somali beigefügt. Der Kläger hat sich, wiedergegeben in der Begründung des streitgegenständlichen Bescheids erneut Fingerabdrücke abnehmen lassen, die nach Mitteilung des Bundeskriminalamtes wiederum nicht verwertbar waren.

Die Beklagte stellte mit Bescheid vom 5. November 2010 fest, dass der Asylantrag als zurückgenommen gilt und das Asylverfahren eingestellt ist (Ziff. 1). Weiter wurde festgestellt, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen (Ziff. 2). Schließlich wurde der Kläger unter Androhung der Abschiebung in den Herkunftsstaat aufgefordert, die Bundesrepublik Deutschland innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe der Entscheidung zu verlassen (Ziff. 3). Das Bundesamt hat den Bescheid im Wesentlichen darauf gestützt, dass der Kläger der Betreibensaufforderung nicht nachgekommen sei. Weder am 8. Juli 2010 noch beim Folgetermin hätten verwertbare Fingerabdrücke gewonnen werden können. Die angeforderten schriftlichen Erklärungen (zum Reiseweg) habe der Kläger nicht abgegeben. Die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG scheitere bereits daran, dass für den Kläger kein Herkunftsland habe festgestellt werden können.

Mit seiner Klage begehrt der Kläger die Aufhebung des Bescheids sowie hilfsweise die Verpflichtung der Beklagten zur Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG hinsichtlich Somalia. Gleichzeitig stellte er beim Bundesamt einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand, in dem er sich zum Reiseweg - über Kenia und die Türkei - äußerte und angab, keine weiteren Asylanträge gestellt zu haben.

Während des Klageverfahrens forderte das Bundesamt den Kläger mit einem an seine Verfahrensbevollmächtigten gerichteten und diesen zugegangenen Schreiben vom 9. November 2011 erneut auf, das Verfahren dadurch zu betreiben, dass er beim Bundesamt erscheine und sich Fingerabdrücke abnehmen lasse. Dazu erhalte er vom Bundesamt einen Ladungstermin. Die Pflicht zur Duldung erkennungsdienstlicher Maßnahmen umfasse auch die Verpflichtung, im Vorfeld der erneuten Fingerabdrucknahme alle Verhaltensweisen zu unterlassen, die die Auswertbarkeit der Fingerabdrücke beeinträchtigen oder vereiteln könnten. Mit Schreiben vom gleichen Tag wurde der Kläger zur erneuten erkennungsdienstlichen Behandlung auf den 30. November 2011 geladen. Er erschien an diesem Termin. Nach einem ED-Vermerk stellte der mit der Abnahme befasste Mitarbeiter des Bundesamts an den Fingerkuppen des Klägers Abschürfungen und Probleme bei der Auswertung der Fingerabdrücke fest. Der Kläger bestritt, seine Fingerkuppen manipuliert zu haben.

Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid des Bundesamtes aufgehoben. Der Verwaltungsgerichtshof hat die hiergegen gerichtete Berufung der Beklagten mit Urteil vom 14. Januar 2013 zurückgewiesen. Auf die Revision der Beklagten wurde das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 14. Januar 2013 durch das Urteil des Bundesverwaltungsgericht vom 5. September 2013 aufgehoben und der Rechtsstreit zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an den Verwaltungsgerichtshof zurückverwiesen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage unter Aufhebung des Urteils des Verwaltungsgerichts

vom 13. Dezember 2011 abzuweisen.

Am 18. Februar 2013 sei ein Eurodac-Treffer der Kategorie eins in Bezug auf den Kläger eingegangen. Danach habe er in Italien und Finnland bereits Asylanträge gestellt. Über DublinNET-Mail vom 22. September 2014 sei zwischenzeitlich bezüglich Italiens die Antwort zugegangen, dass für den Kläger eine anerkennende Entscheidung („…was accepted in Rome on 25-9-09.“) ergangen sei. Jedenfalls sei die Betreibensaufforderung zu Recht ergangen, weil der Kläger seine Fingerkuppen manipuliert habe. Aufgrund der zwischenzeitlich sich ergebenden Mitteilung aus Italien sei der Kläger jedenfalls nicht in seinen Rechten verletzt, weil aufgrund der positiven Entscheidung aus Italien der Asylantrag des Klägers unzulässig sei. Selbst wenn das Verfahren des Klägers in Italien formell nicht abgeschlossen sein sollte, sei davon auszugehen, dass der Kläger durch die Weiterreise seinen Antrag konkludent zurück genommen habe. Der Entscheidungsausspruch der Einstellung des Asylverfahrens sei ebenso auf die Ablehnung einer materiellen Prüfung des Asylantrags gerichtet wie die Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens. Deshalb sei die Verfahrenseinstellung zumindest in eine Ablehnung der Durchführung eines weiteren Asylverfahrens umzudeuten.

Der Kläger verteidigt das Urteil des Verwaltungsgerichts und beantragt,

die Berufung zurückzuweisen,

hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger subsidiären Schutz

nach § 4 AsylVfG zuzuerkennen,

weiter hilfsweise, Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7

Satz 1 AufenthG festzustellen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die beigezogenen Gerichts- und Behördenakten verwiesen. Hinsichtlich des Verlaufes der mündlichen Verhandlung wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Berufung ist nicht begründet.

Im Ergebnis zu Recht hat das Verwaltungsgericht der Klage stattgegeben, weil der Bescheid der Beklagten vom 5. November 2010, zu dessen Beurteilung auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung des Berufungsgerichtes abzustellen ist (§ 77 Abs. 1 Satz 1 1.Halbs. AsylVfG), rechtswidrig ist und den Kläger in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Eine isolierte Anfechtungsklage gegen eine das Asylverfahren ohne Sachprüfung abschließende Entscheidung des Bundesamtes für Migration ist statthaft. Das Verwaltungsgericht muss die Sachentscheidung über das Asylbegehren zunächst dem Bundesamt überlassen und darf nicht selbst durchentscheiden (BVerwG vom 7.3.1995 NVwZ 1996, 80; BayVGH vom 17.5.1994 NVwZ-RR 1994, 695).

Nach § 33 Abs. 1 AsylVfG gilt ein Asylantrag als zurückgenommen, wenn der Ausländer das Verfahren trotz Aufforderung des Bundesamts länger als einen Monat nicht betreibt (Satz 1). In der Aufforderung ist der Ausländer auf die nach Satz 1 eintretende Folge hinzuweisen (Satz 2). Liegen die Voraussetzungen einer (fiktiven) Antragsrücknahme vor, darf das Bundesamt keine Sachentscheidung mehr über den Asylantrag treffen. Vielmehr hat es nach § 32 AsylVfG in seiner Entscheidung festzustellen, dass das Asylverfahren eingestellt ist und ob ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegt (Satz 1), wobei zu beachten ist, dass die Einstellungsverfügung im vorliegenden Fall nicht die Entscheidung über subsidiären unionsrechtlichen Schutz erfasst, weil sie noch nach § 32 AsylVfG vor der ab dem 1. Dezember 2013 geltenden Fassung (vgl. das Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 - BGBl I S. 3474) getroffen wurde (vgl. BVerwG U. v. 13.2.2014 - 10 C 6.13 - NVwZ-RR 2014, 487). In den Fällen des § 33 AsylVfG ist nach Aktenlage zu entscheiden (Satz 2). Das Bundesamt erlässt ferner eine Abschiebungsandrohung; die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist beträgt nach §§ 34, 38 Abs. 2 AsylVfG eine Woche.

Die Aufforderung im Sinne des § 33 Abs. 1 AsylVfG setzt einen bestimmten Anlass voraus, der geeignet ist, Zweifel an dem Bestehen oder Fortbestehen des Sachentscheidungsinteresses zu wecken. Solche Zweifel können sich auch aus einer Vernachlässigung verfahrensrechtlicher Mitwirkungspflichten ergeben; in diesem Fall dient die Betreibensaufforderung dazu, den Ausländer nachdrücklich auf diese Pflichten hinzuweisen (vgl. U. v. 23.4.1985 - 9 C 48.84 - BVerwGE 71, 213 <219>; B. v. 18.9.2002 - NVwZ-Beilage 2003,17). Berechtigte Zweifel können sich aber nur aus der Verletzung einer Mitwirkungspflicht ergeben, die eine gesetzliche Grundlage hat. Auch die Betreibensaufforderung selbst darf inhaltlich nur auf die Erfüllung einer gesetzlich begründeten Mitwirkungspflicht gerichtet sein. Das Instrument der Betreibensaufforderung stellt sich gerade auch in solchen Fällen als geeignete Reaktion auf eine Vernachlässigung gesetzlicher Mitwirkungspflichten dar, in denen der Ausländer bei der Klärung der Zuständigkeit deutscher Behörden für die Sachentscheidung über das Asylbegehren nicht hinreichend mitwirkt.

Anlass zum Erlass einer Betreibensaufforderung kann sich folglich aus der Verletzung der dem Asylbewerber nach § 15 Abs. 2 Nr. 7 AsylVfG auferlegten Pflicht zur Duldung der vorgeschriebenen erkennungsdienstlichen Maßnahmen ergeben. Den Asylsuchenden trifft mit der ihm obliegenden Pflicht zur Duldung dieser erkennungsdienstlichen Maßnahmen zwar nicht die Garantieverpflichtung zu gewährleisten, dass die von ihm abgegebenen Fingerabdrücke im Rahmen des Eurodac-Systems auswertbar sind. Er ist nach § 15 Abs. 2 Nr. 7 i. V. m. § 16 Abs. 1 AsylVfG aber verpflichtet, alle Maßnahmen zu unterlassen, die eine Identitätsfeststellung auf Grundlage der gesetzlichen Vorschriften - einschließlich der Eurodac-Überprüfung - erschweren oder vereiteln. Dieser Inhalt der gesetzlichen Verpflichtung des Asylbewerbers ergibt sich hinreichend klar aus einer an Sinn und Zweck der gesetzlichen Regelung orientierten Auslegung. Mit dem Instrument der Betreibensaufforderung darf grundsätzlich auf die Verletzung der Pflicht zur Mitwirkung an der Identitätsklärung reagiert werden. Dies schließen weder die nationalen noch die unionsrechtlichen Vorschriften über die Behandlung von Asylanträgen aus (BVerwG U. v. 5.9.2013 - 10 C 1.13 - BVerwGE 147, 329). Aufgrund des vom Bundesamt in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Eurodac-Treffers, wonach der Kläger unter einem anderen Namen durch die italienischen Behörden akzeptiert worden ist, steht zur Überzeugung des Senats nicht fest, dass der Kläger Maßnahmen unternommen hat, die eine Identitätsfeststellung auf Grundlage der gesetzlichen Vorschriften - einschließlich der Eurodac-Überprüfung - erschwert oder vereitelt haben. Denn im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) stellt sich nunmehr heraus, dass eine Identitätsfeststellung des Klägers erfolgreich gelungen ist. Dabei ist das Bundesamt nicht in der Lage gewesen, genauere Angaben zu machen, auf welcher konkreten Abnahme der Fingerabdrücke des Klägers der EURODAC-Treffer erfolgt ist. Folglich ist nicht auszuschließen, dass bereits die erste Abnahme der Fingerabdrücke am 8. Juli 2010 den Treffer herbeigeführt hat. Insoweit gehen Zweifel zulasten der Beklagten, denn das Bundesamt ist verpflichtet, die Indizien, die auf eine Manipulation hindeuten, und die Einlassung des Betroffenen hinreichend zu dokumentieren, um im Streitfall das Bestehen berechtigter Zweifel am Vorliegen eines Sachentscheidungsinteresses nachweisen zu können (BVerwG U. v. 5.9.2013 - 10 C 1.13 - a. a. O.). Dies ist bei der ersten erkennungsdienstlichen Behandlung am 8. Juli 2010 nicht geschehen. Insoweit ist dort nur festgehalten, dass die Fingerabdrücke nicht AFIS-verwertbar seien und eine neue ED-Behandlung erforderlich sei. Dies ist nicht ausreichend, denn berechtigte Zweifel am Bestehen eines Sachentscheidungsinteresses ergeben sich nicht allein aus der möglichen Unverwertbarkeit der einem Schutzsuchenden abgenommenen Fingerabdrücke (BVerwG U. v. 5.9.2013 - 10 C 1.13 - a. a. O.), so dass die Annahme der Unverwertbarkeit, wie im Vermerk vom 12. Juli 2010 getroffen, einen Manipulationsverdacht (noch) nicht rechtfertigen kann. Nachdem nicht ausgeschlossen werden kann, dass der Eurodac-Treffer auf die erste erkennungsdienstliche Behandlung zurückzuführen ist, ist die Frage, ob der Kläger bei den weiteren erkennungsdienstlichen Maßnahmen Manipulationen seiner Fingerkuppen vorgenommen hat, nicht mehr von Bedeutung, da er dann seiner Mitwirkungspflicht bereits nachgekommen war. Darüber hinaus wurden bei der zweiten erkennungsdienstlichen Behandlung keine Indizien dokumentiert, die auf eine Manipulation hindeuten könnten. Der aus der Erinnerung des Mitarbeiters des Bundesamtes am 4. November 2010 gefertigte Vermerk enthält insoweit ebenso keine Anhaltspunkte. Ob bei der dritten erkennungsdienstlichen Behandlung hinreichende Feststellungen getroffen wurden, welche den Verdacht einer Manipulation rechtfertigen, kann letztlich dahin gestellt bleiben, weil spätestens nach dieser, eine weitere ED-Behandlung ist nicht dokumentiert, auswertbare Fingerabdrücke vorhanden gewesen sein mussten. Damit kann festgehalten werden, dass zur Überzeugung des Senats aufgrund des ermittelten Sachverhaltes kein hinreichender Verdacht für die Verletzung einer Mitwirkungspflicht seitens des Klägers festgestellt werden kann. Zweifel gehen insoweit zulasten der Beklagten.

Soweit die Beklagte unter Hinweis auf BVerwG, Urteil vom 24. November 1998 - 9 C 53.97 - BVerwGE 108,30 meint, der Senat sei verpflichtet die behördliche Einstellungsentscheidung nach § 32 AsylVfG auch unter dem Blickwinkel anderer Rechtsgrundlagen zu betrachten, so trifft dies im Grundsatz zu. Danach hat ein Gericht unabhängig von der behördlichen Begründung nach § 113 Abs. 1 VwGO von sich aus zu prüfen, ob der angefochtene Verwaltungsakt mit dem objektiven Recht in Einklang steht und, falls nicht, ob er den Kläger in seinen Rechten verletzt. Die Heranziehung anderer als im angefochtenen Bescheid genannter Normen und Tatsachen ist dem Gericht nur dann verwehrt, wenn dies zu einer Wesensveränderung des angefochtenen Bescheids führen würde oder der Betroffene in seiner Rechtsverteidigung unzumutbar beeinträchtigt würde. Schließlich ist auch die Möglichkeit einer Umdeutung des streitigen Bescheids vom Gericht in Betracht zu ziehen (vgl. z. B. BVerwG U. v. 19.8.1988 - 8 C 29.87 - BVerwGE 80, 96). Insoweit käme auch in Betracht den Asylantrag des Klägers wegen einer möglichen Antragsstellung in einem anderen EU-Mitgliedstaat als unzulässig zurückzuweisen oder die Durchführung eines weiteren Asylverfahrens abzulehnen, weil der Kläger bereits dort einen Flüchtlingsstatus oder subsidiären europarechtlichen Schutz genossen hat. Selbst wenn man die Entscheidungen des hier anzuwendenden § 32 AsylVfG und solchen nach §§ 27a, 71a AsylVfG wegen einer fehlenden materiellen Prüfung als wesensähnlich betrachtet, was im Hinblick auf die Einstellung nach § 32 Satz 1 AsylVfG aufgrund der an sich gebotenen materiellen Prüfung von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 2 bis 5 oder Abs. 7 AufenthG als zweifelhaft erscheint, scheidet hier ein sog. „Auswechseln der Rechtsgrundlage“ aus. Voraussetzung hierfür wäre gewesen, dass zur tatrichterlichen Überzeugung des Senats feststeht, dass der Kläger eine Flüchtlingsanerkennung oder subsidiären Schutzstatus in Italien erhalten hat, weil dann sein Antrag auf Feststellung von Abschiebungsschutz nach § 4 AsylVfG zurückgewiesen werden müsste (BVerwG U. v.17.6.2014 - 10 C 7.13 - juris), also keine materielle Prüfung erfolgen würde. Davon ist im hier zu entscheidenden Fall jedoch nicht auszugehen. Der vom Bundesamt in der mündlichen Verhandlung vorgelegten Erklärung der italienischen Behörden, wonach der Kläger in irgendeiner Weise akzeptiert oder angenommen worden ist („…was accepted in Rome on 25-9-09“), lässt sich nicht entnehmen, ob und welcher Schutzstatus ihm angeblich zuerkannt worden ist. Ein Aufrechterhalten eines Bescheides unter einer anderen Rechtsgrundlage kommt im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung des Senats (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) nicht in Betracht, wenn dies - wie hier - ohne weitere und umfangreiche Ermittlungen bei italienischen Behörden, die nicht der Amtshilfeverpflichtung nach § 14 VwGO unterliegen, nicht möglich ist. Aus dem gleichen Grunde scheidet eine Umdeutung des Bescheides nach § 47 VwVfG aus.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Das Verfahren ist gemäß § 83b AsylVfG gerichtskostenfrei.

Die Revision wird nicht zugelassen (§ 132 Abs. 2 VwGO).

(1) Ein fehlerhafter Verwaltungsakt kann in einen anderen Verwaltungsakt umgedeutet werden, wenn er auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig hätte erlassen werden können und wenn die Voraussetzungen für dessen Erlass erfüllt sind.

(2) Absatz 1 gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, der erkennbaren Absicht der erlassenden Behörde widerspräche oder seine Rechtsfolgen für den Betroffenen ungünstiger wären als die des fehlerhaften Verwaltungsaktes. Eine Umdeutung ist ferner unzulässig, wenn der fehlerhafte Verwaltungsakt nicht zurückgenommen werden dürfte.

(3) Eine Entscheidung, die nur als gesetzlich gebundene Entscheidung ergehen kann, kann nicht in eine Ermessensentscheidung umgedeutet werden.

(4) § 28 ist entsprechend anzuwenden.

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann dem Kläger eine Frist setzen zur Angabe der Tatsachen, durch deren Berücksichtigung oder Nichtberücksichtigung im Verwaltungsverfahren er sich beschwert fühlt. Die Fristsetzung nach Satz 1 kann mit der Fristsetzung nach § 82 Abs. 2 Satz 2 verbunden werden.

(2) Der Vorsitzende oder der Berichterstatter kann einem Beteiligten unter Fristsetzung aufgeben, zu bestimmten Vorgängen

1.
Tatsachen anzugeben oder Beweismittel zu bezeichnen,
2.
Urkunden oder andere bewegliche Sachen vorzulegen sowie elektronische Dokumente zu übermitteln, soweit der Beteiligte dazu verpflichtet ist.

(3) Das Gericht kann Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf einer nach den Absätzen 1 und 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückweisen und ohne weitere Ermittlungen entscheiden, wenn

1.
ihre Zulassung nach der freien Überzeugung des Gerichts die Erledigung des Rechtsstreits verzögern würde und
2.
der Beteiligte die Verspätung nicht genügend entschuldigt und
3.
der Beteiligte über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist.
Der Entschuldigungsgrund ist auf Verlangen des Gerichts glaubhaft zu machen. Satz 1 gilt nicht, wenn es mit geringem Aufwand möglich ist, den Sachverhalt auch ohne Mitwirkung des Beteiligten zu ermitteln.

(4) Abweichend von Absatz 3 hat das Gericht in Verfahren nach § 48 Absatz 1 Satz 1 Nummer 3 bis 15 und § 50 Absatz 1 Nummer 6 Erklärungen und Beweismittel, die erst nach Ablauf einer nach den Absätzen 1 und 2 gesetzten Frist vorgebracht werden, zurückzuweisen und ohne weitere Ermittlungen zu entscheiden, wenn der Beteiligte

1.
die Verspätung nicht genügend entschuldigt und
2.
über die Folgen einer Fristversäumung belehrt worden ist.
Absatz 3 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.

(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.

(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.

(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.

(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.

(1) Ehe und Familie stehen unter dem besonderen Schutze der staatlichen Ordnung.

(2) Pflege und Erziehung der Kinder sind das natürliche Recht der Eltern und die zuvörderst ihnen obliegende Pflicht. Über ihre Betätigung wacht die staatliche Gemeinschaft.

(3) Gegen den Willen der Erziehungsberechtigten dürfen Kinder nur auf Grund eines Gesetzes von der Familie getrennt werden, wenn die Erziehungsberechtigten versagen oder wenn die Kinder aus anderen Gründen zu verwahrlosen drohen.

(4) Jede Mutter hat Anspruch auf den Schutz und die Fürsorge der Gemeinschaft.

(5) Den unehelichen Kindern sind durch die Gesetzgebung die gleichen Bedingungen für ihre leibliche und seelische Entwicklung und ihre Stellung in der Gesellschaft zu schaffen wie den ehelichen Kindern.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.