Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße Beschluss, 04. Nov. 2010 - 4 L 1070/10.NW

ECLI:ECLI:DE:VGNEUST:2010:1104.4L1070.10.NW.0A
bei uns veröffentlicht am04.11.2010

Tenor

Der Antrag wird abgelehnt.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen.

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 2.500 € festgesetzt.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller wendet sich gegen eine für sofort vollziehbar erklärte Ordnungsverfügung des Antragsgegners, mit der dem Antragsteller u.a. der Verkauf von Christbäumen auf dem in einem allgemeinen Wohngebiet gelegenen Grundstück FlurNr. …. in … A-Stadt, A-Straße ..., in der Adventszeit untersagt wird. Der Ordnungsverfügung voraus ging ein verwaltungsgerichtliches Verfahren, in dem der hier beigeladene Nachbar als Kläger gegenüber dem Antragsgegner ein rechtskräftiges Urteil erwirkte, aufgrund dessen dieser verpflichtet wurde, dem Antragsteller im Wege bauaufsichtlichen Einschreitens zu untersagen, das genannte Grundstück u.a. zum Christbaumverkauf zu nutzen. Die Kammer führte in ihrem Urteil vom 25. Februar 2010 - 4 K 1096/09.NW - u.a. aus, der Christbaumverkauf sei schon formell illegal, da er auf einer Fläche von rund 500 m² durchgeführt werde. Ferner liege auch materielle Illegalität vor, denn zulässig in einem allgemeinen Wohngebiet sei lediglich eine Verkaufstätigkeit in einem „Laden“. Der Christbaumverkauf finde jedoch im Freien statt. Eine offene Verkaufsfläche könnte zwar dem Begriff des „sonstigen Gewerbebetriebs“ im Sinne von § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO unterfallen. Allerdings habe die Stadt A-Stadt in ihrem Bebauungsplan Ausnahmen nach § 4 Abs. 3 BauNVO ausdrücklich ausgeschlossen. Selbst wenn man von einer einem Laden vergleichbaren Verkaufsstätte ausgehen würde, müsste diese der Versorgung des Gebiets dienen (s. § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO). Dies sei aber nicht der Fall, denn der Christbaumverkauf sei evident auf den Durchgangsverkehr ausgerichtet. Die Nutzung des Grundstücks FlurNr. ... durch den Antragsteller zum Verkauf von Christbäumen in der Weihnachtszeit verstoße gegen den Gebietserhaltungs-anspruch des Beigeladenen.

2

Nachdem das Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz den Antrag des Antragstellers auf Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil mit Beschluss vom 29. Juli 2010 – 8 A 10534/10.OVG – abgelehnt hatte, erließ der Antragsgegner am 25. August 2010 die entsprechende Nutzungsuntersagungsverfügung gegenüber dem Antragsteller unter Anordnung der sofortigen Vollziehung.

3

Der Antragsteller hat dagegen um vorläufigen Rechtsschutz nachgesucht. Er rügt die fehlende Anhörung vor Erlass des Bescheids und führt aus, er wolle das Grundstück FlurNr. ... künftig nur noch in einem Umfang von 300 m² zum Christbaumverkauf nutzen; dies könne nicht als formell illegal eingestuft werden. Seine Aktivitäten auf der äußerst bescheidenen Verkaufsfläche dienten auch der Versorgung des Gebiets. Die Nutzungsuntersagung sei daher rechtswidrig.

4

Der Antragssteller beantragt,

5

die aufschiebende Wirkung seines Widerspruchs vom 21. September 2010 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 25. August 2010 wiederherzustellen, soweit er - der Antragsteller - in der Vorweihnachtszeit den Verkauf von Christbäumen auf dem Grundstück FlurNr. ... in …. A-Stadt, A-Straße …, auf einer Grundstücksfläche von weniger als 300 m² beabsichtigt.

6

Der Antragsgegner und der Beigeladene beantragen,

7

den Antrag abzulehnen.

8

Sie sind dem Vorbringen des Antragstellers entgegen getreten.

II.

9

Der Antrag, mit dem der Antragsteller die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung seines Widerspruchs vom 21. September 2010 gegen die in Ziffer 1 des Bescheids vom 25. August 2010 u.a. verfügte Untersagung des Verkaufs von Christbäumen auf dem Grundstück FlurNr. ... in … A-Stadt, A-Straße …, begehrt, ist gemäß § 80 Abs.5 Satz 1 2.Alt. VwGO statthaft und auch ansonsten zulässig. In der Sache bleibt der Antrag jedoch ohne Erfolg.

10

Zunächst hat der Antragsgegner in formeller Hinsicht die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Ziffer 1 des Bescheids vom 25. August 2010 ausreichend nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO begründet. Hierzu hat der Antragsgegner u.a. ausgeführt, die Anordnung der sofortigen Vollziehung sei geboten, weil es der Allgemeinheit, insbesondere wegen Verletzung des Ruhe- und Erholungsbedürfnisses der Bewohner, nicht länger zumutbar sei, dass die Einlegung von Rechtsbehelfen die Vollziehung der Verfügungsanordnungen hemme und dadurch der weitere Betrieb der unzulässigen Anlagen fortbestehe. Damit liegt eine auf den konkreten Einzelfall abgestellte, substantiierte und nicht lediglich formelhafte Begründung des besonderen Vollzugsinteresses vor. Ob diese Darlegungen des Antragsgegners zutreffend sind und die Anordnung der sofortigen Vollziehung inhaltlich zu rechtfertigen vermögen, ist im Rahmen der Formvorschrift des § 80 Abs. 3 VwGO ohne Bedeutung.

11

Auch in materieller Hinsicht ist die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Untersagung des Christbaumverkaufs im Bescheid vom 25. August 2010 rechtlich nicht zu beanstanden.

12

Für das Interesse des Betroffenen, einstweilen nicht dem Vollzug der behördlichen Maßnahmen ausgesetzt zu sein, sind zunächst die Erfolgsaussichten des in der Hauptsache eingelegten Rechtsbehelfs von Belang (vgl. BVerfG, NVwZ 2009, 581). Ein überwiegendes Interesse eines Antragstellers an der Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist in der Regel anzunehmen, wenn die im Eilverfahren allein mögliche und gebotene Überprüfung ergibt, dass der angefochtene Verwaltungsakt offensichtlich rechtswidrig ist. Kann aufgrund der im Eilverfahren nur möglichen summarischen Überprüfung nicht festgestellt werden, ob der Verwaltungsakt offensichtlich rechtmäßig oder offensichtlich rechtswidrig ist, so beschränkt sich die verwaltungsgerichtliche Kontrolle des Sofortvollzuges des Verwaltungsakts auf die Durchführung einer Interessenabwägung, die je nach Fallkonstellation zugunsten des Antragstellers oder des Antragsgegners ausgehen kann (BVerfG, NVwZ 2007, 1176, 1177). Das Gericht nimmt – da § 80 Abs. 5 VwGO keinerlei inhaltliche Einschränkungen enthält – die Abwägung in eigener Verantwortung vor. An die Beurteilung der Behörde ist es nicht gebunden und kann die von der Behörde herangezogenen Gründe für die Anordnung der sofortigen Vollziehung durch andere ersetzen. Es prüft dabei eigenständig, ob unter Berücksichtigung und Gewichtung aller für und wider den Sofortvollzug sprechenden Umstände – auch solcher, die der Behörde nicht bekannt waren – die aufschiebende Wirkung von Widerspruch oder Anfechtungsklage zur Gewährung effektiven Rechtsschutzes in der Hauptsache oder aus anderen Gründen wiederherzustellen ist (vgl. Finkelnburg/Külpmann, Vorläufiger Rechtsschutz im Verwaltungsstreitverfahren, 5. Auflage 2008, Rdnr. 963); maßgebend für die Interessenabwägung sind dabei die Gegebenheiten zum Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts (OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 05. August 2009 – 18 B 331/09 -, juris; OVG Niedersachsen, NVwZ-RR 2008, 483).

13

Nach diesen Grundsätzen überwiegt vorliegend das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung der Nutzungsuntersagung das private Interesse des Antragstellers, den Christbaumverkauf bis zum rechtskräftigen Abschluss des Hauptsacheverfahrens weiter auszuüben. Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung ergibt sich daraus, dass der angefochtene Bescheid vom 25. August 2010 offensichtlich rechtmäßig ist und mit seiner Durchsetzung nicht bis zur Bestandskraft, deren Eintritt noch nicht abzusehen ist, abgewartet werden kann.

14

Die angefochtene Ziffer 1 des Bescheids vom 25. August 2010 ist in formeller Hinsicht entgegen der Auffassung des Antragstellers nicht zu beanstanden. Zwar hat der Antragsgegner den Antragsteller vor Erlass des Bescheids nicht nach § 1 LVwVfG i.V.m. § 28 VwVfG angehört. Dies war im Hinblick auf das zuvor ergangene und nach Abschluss des Rechtsmittelverfahrens beim OVG Rheinland-Pfalz rechtskräftig gewordene Urteil der Kammer vom 25. Februar 2010 - 4 K 1096/09.NW – jedoch nicht erforderlich. Nach § 1 LVwVfG i.V.m. § 28 Abs. 2 VwVfG kann von der Anhörung abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist. Die in § 28 Abs. 2 VwVfG verwendeten Worte „insbesondere wenn“ machen deutlich, dass der Katalog der Ausnahmefälle in den Nrn. 1 – 5 nicht abschließend ist. Die Behörde kann, auch wenn kein Fall der Nummern 1 bis 5 vorliegt, zu dem Ergebnis kommen, dass die Anhörung nach den Umständen des Einzelfalles nicht geboten ist. Dies war hier aufgrund der Vorgeschichte der Fall. Auf die von dem Beigeladenen dieses Verfahrens erhobene Verpflichtungsklage auf bauaufsichtliches Einschreiten gegen den Antragsteller erging ein formell rechtskräftiges Urteil, mit dem der Antragsgegner verpflichtet wurde, die im Streit befindliche Nutzungsuntersagung zum Verkauf von Christbäumen in der Vorweihnachtszeit auf dem Grundstück FlurNr. ... in A-Stadt zu erlassen. Damit stand gemäß § 121 VwGO für die Beteiligten des Klageverfahrens bindend fest, dass der Beigeladene einen Anspruch auf Vornahme dieses Verwaltungsaktes hat. Zugleich war rechtskräftig festgestellt, dass der Antragsgegner zum Erlass der Nutzungsunter-sagungsverfügung verpflichtet ist (s. BVerwGE 29,2). Infolgedessen war eine Anhörung des Antragstellers nicht mehr geboten.

15

Ungeachtet dessen wäre hier ein Anhörungsfehler - läge er vor -gemäß § 1 LVwVfG i.V.m. § 45 Abs. 1 Nr. 3, Abs. 2 VwVfG geheilt worden. Denn die Anhörung, die bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens möglich ist, ist im vorliegenden Eilverfahren, wie der Stellungnahme des Antragsgegners vom 03. November 2010 entnommen werden kann, nachgeholt worden (vgl. dazu, dass eine schriftsätzliche Stellungnahme der Behörde im gerichtlichen Aussetzungsverfahren eine Nachholung der Anhörung bewirken kann: OVG Niedersachsen, NVwZ-RR 2002, 822; Bay. VGH, Beschluss vom 26. Januar 2009 - 3 CS 09.46 -, juris; VG Neustadt, Beschluss vom 10. Februar 2010 - 4 L 81/10/10.NW -, juris und Beschluss vom 04. Dezember 2009 - 1 L 1247/09.NW -; Sachs in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG Kommentar, 7. Auflage 2008, § 45 Rdnr. 87).

16

In materieller Hinsicht ist die Ziffer 1 des Bescheids vom 25. August 2010 offensichtlich rechtmäßig. Rechtsgrundlage für die Nutzungsuntersagung ist § 81 Satz 1 LBauO. Danach kann die Bauaufsichtsbehörde u.a. die Benutzung baulicher Anlagen untersagen, wenn diese gegen baurechtliche oder sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften über die Nutzungsänderung verstoßen und nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände hergestellt werden können.

17

Diese Voraussetzungen liegen hier vor. Es war erforderlich, dem Antragsteller aufzugeben, das Grundstück FlurNr. ... in A-Stadt nicht mehr zum Verkauf von Christbäumen in der Vorweihnachtszeit zu nutzen, weil diese Nutzung gegen die drittschützende Bestimmung des § 4 BauNVO verstößt. Dies steht aufgrund des rechtskräftigen Urteils der erkennenden Kammer vom 25. Februar 2010 - 4 K 1096/09.NW - (juris) fest. Gemäß § 121 VwGO binden rechtskräftige Urteile, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Bei Verpflichtungsklagen ist Streitgegenstand die Rechtsbehauptung des Klägers, er sei durch die rechtswidrige Ablehnung oder Unterlassung des beantragten Verwaltungsakts in seinen Rechten verletzt (vgl. BVerwG, Urteil vom 5. November 1985 - 6 C 22.84 -, Buchholz 316 § 51 Nr. 18; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 08. Januar 1997 - 7 A 2231/96 -, juris). Die Rechtsbehauptung ist hier die Behauptung des hier Beigeladenen gewesen, dass die bauliche Nutzung auf dem Grundstück FlurNr. ... in A-Stadt ihn in nachbarschützenden Rechten verletzt und der Antragsgegner gegen die Verletzung einschreiten müsse. Aus dem Tenor des genannten Urteils vom 25. Februar 2010 ergibt sich zugleich, wie der Rechtsverletzung zu begegnen war. Die in einem rechtskräftig gewordenen Urteil aus einem Tatbestand hergeleitete Rechtsfolge darf bei unveränderter Sach- und Rechtslage nicht erneut zum Gegenstand eines Verfahrens zwischen denselben Beteiligten gemacht werden. Die Rechtskraft schafft vielmehr ein unabdingbares, in jeder Verfahrenslage von Amts wegen zu beachtendes Prozesshindernis für eine gerichtliche Nachprüfung des Anspruchs, über den bereits entschieden worden ist (vgl. BVerwG, Buchholz 310 § 121 Nr. 70; OVG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 08. Januar 1997 - 7 A 2231/96 -, juris).

18

Die Kammer ist zu einer - neuen - inhaltlichen Prüfung der Nutzungsuntersagungsverfügung nicht deshalb berechtigt oder verpflichtet, weil der Antragsteller den Christbaumverkauf ab sofort auf einer reduzierten Verkaufsfläche von weniger als 300 m² durchzuführen beabsichtigt. Zwar wäre der Verkauf auf einer Fläche von bis zu 300 m² gemäß § 62 Abs. 1 Nr. 11 i LBauO genehmigungsfrei. Gleichwohl bräuchte der Antragsteller für den Christbaumverkauf auf entsprechend reduzierter Fläche eine Genehmigung, nämlich eine isolierte Abweichung nach § 69 Abs. 2 Satz 1 LBauO. Danach ist die Zulassung einer Abweichung schriftlich zu beantragen, wenn bei baulichen Anlagen, die keiner Baugenehmigung bedürfen, von den Festsetzungen eines Bebauungsplans abgewichen werden soll. Dies ist hier der Fall, denn eine ausnahmsweise Zulässigkeit der offenen Verkaufsfläche als „sonstiger Gewerbebetrieb“ nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO scheitert daran, dass die Stadt A-Stadt in ihrem Bebauungsplan Ausnahmen § 4 Abs. 3 BauNVO ausdrücklich ausgeschlossen hat. Da der Antragsteller aber nicht im Besitz einer Abweichung nach § 69 Abs. 2 LBauO ist, bleibt es bei der formellen Illegalität.

19

Auch liegt keine Änderung der Sach- und Rechtslage in materiell-rechtlicher Hinsicht vor. Der Antragsteller möchte den Christbaumverkauf weiterhin im Freien durchführen. Nach dem rechtskräftigen Urteil der Kammer vom 25. Februar 2010 ist in einem allgemeinen Wohngebiet aber lediglich eine Verkaufstätigkeit in einem „Laden“ zulässig. Eine offene Verkaufsfläche kann - wie dargelegt - auch nicht ausnahmsweise nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO zugelassen werden. Im Übrigen ändert auch die Reduzierung der Verkaufsfläche auf weniger als 300 m² nichts daran, dass der Verkauf weiterhin auf den Durchgangsverkehr ausgerichtet wäre und somit nicht der Versorgung des Gebiets dienen würde (s. § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO).

20

Das besondere Vollzugsinteresse ergibt sich vorliegend aus der Umstand, dass der rechtswidrige Christbaumverkauf auf dem Nachbargrundstück den Beigeladenen in eigenen Rechten verletzt, während der Antragsteller nicht schutzwürdig ist.

21

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 154 Abs. 1, 162 Abs. 3 VwGO.

22

Die Streitwertfestsetzung folgt aus den §§ 52 Abs. 1, 53 Abs. 3 Nr. 2, 63 GKG i. V. m. der Ziffer 1.5 des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom Juli 2004.

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bei uns veröffentlicht am 25.02.2010

weitere Fundstellen ... Tenor Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 28. November 2008 und des Widerspruchsbescheids vom 7. September 2009 verpflichtet, dem Beigeladenen im Wege bauaufsichtlichen Einschreitens zu untersagen, das

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Tenor

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 28. November 2008 und des Widerspruchsbescheids vom 7. September 2009 verpflichtet, dem Beigeladenen im Wege bauaufsichtlichen Einschreitens zu untersagen, das Grundstück A- Straße 5 (FlurNr. 6799) in A-Stadt als gewerblichen Lager- und Abstellplatz sowie zum Christbaumverkauf, Blumenverkauf und Verkauf anderer Waren zu nutzen.

Der Beklagte und der Beigeladene tragen die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers jeweils zur Hälfte. Der Beklagte trägt die Kosten des Vorverfahrens. Im Übrigen trägt jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren durch den Kläger wird für notwendig erklärt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beteiligten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von dem Beklagten bauaufsichtliches Einschreiten gegen den Beigeladenen.

2

Der Kläger ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten, auf der Straßensüdseite gelegenen Grundstücks A-Straße 3b (FlurNr. 6800/1) in A-Stadt. Der Beigeladene ist Eigentümer des westlich angrenzenden Eckgrundstücks A-Straße 5 (FlurNr. 6799), das auf der anderen Seite durch die einmündende B-Straße begrenzt wird. Dieses Grundstück ist knapp 700 m² groß und bis auf eine Garage an der gemeinsamen Grundstücksgrenze unbebaut, aber überwiegend mit Kies und Schotter sowie in Teilbereichen als betonierte Fläche befestigt. Dem Beigeladenen gehört ferner das ca. 50 m nordwestlich auf der anderen Straßenseite gelegene Grundstück A-Straße 12 (FlurNr. 6710). Dieses ist mit einem im Jahre 1999 genehmigten Wohn- und Geschäftshaus bebaut, in dem der Beigeladene einen Lebensmittelhandel (Obst, Gemüse etc.) betreibt. Zur Veranschaulichung der örtlichen Verhältnisse mag die nachfolgende Luftaufnahme des betroffenen Straßenabschnitts dienen:

Abbildung

3

Die genannten Grundstücke liegen im Geltungsbereich des am 01. Februar 1995 vom Ortsbürgermeister der Stadt A-Stadt ausgefertigten und am 03. Februar 1995 im Amtsblatt der Verbandsgemeinde A-Stadt öffentlich bekannt gemachten Bebauungsplans „Nord, Änderung III“ der Stadt A-Stadt, der für diesen Bereich ein allgemeines Wohngebiet festsetzt. Nach Ziffer 1.1.1 Satz 2 der textlichen Festsetzungen sind Ausnahmen nach § 4 Abs. 3 BauNVO nicht zulässig; gemäß Ziffer 1.2 sind Nebenanlagen nach § 14 BauNVO nicht zulässig.

4

Auf dem Grundstück A-Straße 5 führt der Beigeladene seit mehreren Jahren jeweils in der Adventszeit einen Christbaumverkauf durch. Dabei werden auf nahezu der gesamten Fläche Weihnachtsbäume gelagert, die überwiegend von einem provisorischen Baustellenzaun umfasst sind. In Richtung A-Straße hat der Beigeladene während der Weihnachtszeit Werbeschilder angebracht, die auf den Christbaumverkauf hinweisen. Zur Beleuchtung des Grundstücks hat der Beigeladene mehrere 6 Meter hohe, in massiven Betontrögen verankerte Beleuchtungsmasten aufgestellt. Die Garage wird auch zur Abwicklung der Verkaufsaktivitäten genutzt. Ferner nutzt der Beigeladene das Grundstück gelegentlich an Sonntagen für den Verkauf von Blumen an einem provisorischen Stand bzw. aus einem Verkaufswagen. Die Häufigkeit dieser sonntäglichen Verkäufe beträgt nach Angaben des Beigeladenen etwa 3 Mal pro Jahr (Valentinstag, Muttertag, Ostern), nach dem Vorbringen des Klägers ist sie höher. Darüber hinaus nutzt der Beigeladene das Grundstück auch zum zeitweisen Abstellen und Lagern von Gegenständen (Paletten, Holz- und Kunststoffkisten, Pappkartons, Blumenkübel, Bauzäune) und zum Parken des zu seinem Betrieb gehörenden Transporters. Ferner gewährt er ab und zu Dritten das Parken von Kraftfahrzeugen auf dem Grundstück. Eine bauaufsichtliche Genehmigung für die genannten Nutzungen des Grundstücks liegt nicht vor.

5

In der Vergangenheit monierte der Kläger mehrmals den Christbaumverkauf und die weiteren Nutzungen des Beigeladenen. Nach erfolglosem Bemühen um eine einvernehmliche Nutzungsregelung beantragte der Kläger mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 05. Juni 2008 bauaufsichtliches Einschreiten des Beklagten gegen den Beigeladenen.

6

Der Beklagte lehnte dieses Begehren nach Anhörung des Beigeladenen mit Bescheid vom 28. November 2008 mit der Begründung ab, dem jeweils nur in der Adventszeit betriebenen Christbaumverkauf sowie den anderen sporadischen Verkaufsaktivitäten fehle es an der bodenrechtlichen Relevanz. Ein im Bauplanungsrecht begründeter Abwehranspruch des Klägers gegen diese Nutzung bestehe daher nicht. Aus dem gleichen Grund seien dem Kläger etwa nicht zumutbare Immissionen durch die Verkaufsaktivitäten dem Regime des verhaltensbezogenen Immissionsschutzes zuzuordnen, für dessen Vollzug ggf. die örtlichen Ordnungsbehörden sorgen müssten. Die Nutzung als Lagerplatz für das Hauptgeschäft des Beigeladenen sei in dem allgemeinen Wohngebiet zulässig. Unter dem ästhetischen Gesichtspunkt des Erscheinungsbilds eines Grundstücks bestehe für Nachbarn kein subjektiv-öffentliches Abwehrrecht. Das gelte auch in Bezug auf die von dem Beigeladenen bei seinen Verkäufen aufgestellten Werbeschilder und sonstigen Einrichtungen.

7

Dagegen legte der Kläger am 23. Dezember 2008 Widerspruch ein, den der Kreisrechtsausschuss des Beklagten am 07. September 2009, dem Kläger zugestellt am 08. September 2009, zurückwies.

8

Der Kläger hat am 08. Oktober 2009 Klage erhoben. Er trägt vor, der Beigeladene sei auf dem Grundstück FlurNr. 6799 mittlerweile zu einer beinahe ganzjährigen Verkaufsaktivität übergegangen. Die Nutzung als gewerblicher Lager- bzw. Verkaufsplatz bedürfe einer Baugenehmigung. Da die Anlage des Beigeladenen aber gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstoße, könne eine Genehmigung hierfür nicht erteilt werden. Wegen der formellen und materiellen Illegalität der Nutzung und des Verstoßes gegen nachbarschützende Vorschriften durch den Beigeladenen sei das Eingriffsermessen des Beklagten auf Null reduziert. Daher stehe ihm ein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten in Form der Nutzungsuntersagung zu.

9

Der Kläger beantragt,

10

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 28. November 2008 und des Widerspruchsbescheids des Kreisrechtsauschusses des Beklagten vom 07. September 2009 zu verpflichten, dem Beigeladenen im Wege bauordnungsrechtlichen Einschreitens zu untersagen, das Grundstück A-Straße 5 (FlurNr. 6799) in A-Stadt als gewerblichen Lager- und Abstellplatz sowie zum Christbaumverkauf, Blumenverkauf und Verkauf anderer Waren zu nutzen.

11

Der Beklagte beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Er ist der Ansicht, selbst wenn man von einer bodenrechtlichen Relevanz des Vorhabens des Beigeladenen ausginge, ergäbe sich für den Kläger immer noch kein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten. Denn die Grundstücksnutzung durch den Beigeladenen wäre als ein nach § 30 Abs. 1 BauGB in Verbindung mit dem Bebauungsplan zulässiges Vorhaben zu qualifizieren. Auch wenn die Einrichtungen des Beklagten auf dem Grundstück eher provisorischen Charakter aufwiesen, wären sie dennoch dem städtebaulichen Begriff des Ladens zuzuordnen.

14

Der Beigeladene beantragt ebenfalls,

15

die Klage abzuweisen.

16

Er schließt sich inhaltlich dem Vortrag des Beklagten an.

17

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten sowie der Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen. Dieser war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

18

Die gemäß § 42 Abs. 1 VwGO statthafte und auch ansonsten zulässige Verpflichtungsklage ist in der Sache begründet. Der Kläger hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf bauaufsichtliches Einschreiten gegenüber dem Beigeladenen. Der ablehnende Bescheid des Beklagten vom 28. November 2008 und der Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsauschusses bei der Kreisverwaltung Germersheim vom 07. September 2009 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

19

Rechtsgrundlage für die Verpflichtung des Beklagten, die begehrte Nutzungsuntersagungsverfügung gegenüber dem Beigeladenen zu erlassen, ist § 81 Satz 1 der Landesbauordnung – LBauO –. Diese Vorschrift regelt nicht ausdrücklich eine Verpflichtung, sondern die Befugnis der Bauaufsichtsbehörde, unter anderem die Nutzung zu untersagen, wenn bauliche Anlagen oder andere Anlagen und Einrichtungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 gegen baurechtliche oder sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften über die Errichtung, Änderung, Instandhaltung oder Nutzungsänderung dieser Anlagen verstoßen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände wieder hergestellt werden können. Die Bauaufsichtsbehörde hat hierüber nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Ein Anspruch des Nachbarn gegen die Bauaufsichtsbehörde auf Erlass einer Nutzungsuntersagung besteht nur dann, wenn die tatbestandlichen Eingriffsvoraussetzungen des § 81 Satz 1 LBauO erfüllt sind (hierzu nachfolgend 1.) und die fragliche Nutzung gegen nachbarschützende Vorschriften verstößt (hierzu 2.). Darüber hinaus müssen schließlich Umstände vorliegen, die dazu führen, dass sich das der Behörde durch § 81 Satz 1 LBauO eröffnete Eingriffsermessen auf Null reduziert (hierzu 3.).

20

1. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 81 Satz 1 LBauO sind erfüllt, denn der Beigeladene nutzt eine bauliche Anlage (a.) unter Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften (b.).

21

a. Bei der befestigten Fläche auf dem Grundstück FlurNr. 6799 in A-Stadt handelt es sich um eine „bauliche Anlage“ im Sinne von § 81 Satz 1 LBauO. „Bauliche Anlagen“ im bauordnungsrechtlichen Sinn sind nach § 2 Abs. 1 Satz 1 LBauO mit dem Erdboden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlagen. Der partiell mit Schotter sowie in Teilbereichen als betonierte Fläche befestigte Platz auf dem Grundstück FlurNr. 6799 (s. insbesondere die Fotos auf Blatt 87 ff. der Gerichtsakte und auf Blatt 92, 123 und 166 der Verwaltungsakte F 1724/99 HAG I) ist aus Bauprodukten künstlich hergestellt und fest mit dem Erdboden verbunden und damit eine bauliche „Anlage“ im oben genannten Sinne.

22

Auch die Beleuchtungsmasten sind bauliche Anlagen in diesem Sinne. Denn auch sie sind aus Baustoffen und Bauteilen hergestellt und ruhen durch eigene Schwere auf dem Boden (§ 2 Abs. 1 Satz 2 LBauO).

23

Darüber hinaus greift hier auch die gesetzliche Fiktion des § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 LBauO ein, wonach Lager-, Abstell-, Aufstell- und Ausstellungsplätze als bauliche Anlagen gelten. Solche Plätze sind befestigte oder unbefestigte Flächen außerhalb von Gebäuden, die nach ihrer Zweckrichtung dazu bestimmt sind, Gegenstände für einen gewissen Zeitraum aufzunehmen. Da § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 LBauO alle Formen der Plätze aufzählt, braucht eine trennscharfe Abgrenzung im Einzelfall nicht vorgenommen zu werden, zumal sich die Begriffe je nach Benutzungszweck auch überschneiden (vgl. Jeromin in: Jeromin/Lang/Schmidt, LBauO RhPf, 2. Auflage 2008, § 2 Rdnr. 20). Für die Frage, ob eine fiktive bauliche Anlage im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 LBauO vorliegt, kommt es nicht darauf an, welchen Zweck der Betreiber des Platzes mit dem Abstellen verfolgt. Entscheidend ist allein die Nutzungsintensität. Die Nutzung einer Grundstücksfläche braucht nicht ununterbrochen oder auf Dauer erfolgen, sie muss aber mehr als nur ganz gelegentlich stattfinden. Dies ist der Fall, wenn die Nutzung zur Lagerung oder zum Ausstellen sich in zeitlicher Hinsicht so verfestigt hat, dass sie die Grundstückssituation prägt (vgl. BVerwG, BauR 1999, 1139 zur Ausstellung von zum Verkauf bestimmten Landmaschinen; OVG Niedersachsen, BRS 44 Nr. 139 zum Aufstellen und Verkauf von Kraftfahrzeugen). Dies ist hier der Fall, denn das Grundstück wird - ungeachtet der anderen Aktivitäten des Beigeladenen - alljährlich in der Adventszeit für die Dauer von ca. vier Wochen und damit nicht nur kurzzeitig zum Lagern, Ausstellen und Verkauf von Christbäumen genutzt (vgl. OVG Niedersachsen, BRS 54 Nr. 142, das eine Verfestigung bei einer mehrstündigen, wöchentlich wiederkehrenden Aufstellung eines Verkaufswagens bejaht hat).

24

b. Der Beigeladene nutzt nahezu die gesamte Fläche auf dem Grundstück FlurNr. 6799 unter Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften. Die Nutzung (aa.) ist formell (bb.) und materiell (cc.) illegal.

25

aa. Der Begriff der „Nutzung“ in § 81 Satz 1 LBauO umfasst sowohl die bauliche als auch die sonstige Nutzung eines Grundstücks (vgl. BVerwG, DVBl 1979, 149; VG Ansbach, Urteil vom 27. Mai 2009 – AN 9 K 07.02669 -, juris). Ausgehend von diesem weiten Begriffsinhalt nutzt der Beigeladene das streitgegenständliche Grundstück seit einigen Jahren in der Adventszeit für die Dauer von ca. vier Wochen zum Verkauf von Christbäumen. Dabei stellt er auf über 500 m² Fläche Weihnachtsbäume aus, die überwiegend von einem provisorischen Baustellenzaun umgeben sind (s. insbesondere die Fotos auf Blatt 88, 89 und 108 - 112 der Gerichtsakte). Zur Beleuchtung des Grundstücks sind mehrere Lichtmasten mit Halogenstrahlern angebracht. Der Verkauf wird unmittelbar vor Ort durchgeführt. Ferner nutzt der Beigeladene das Grundstück an bestimmten Sonntagen für den Verkauf von Blumen und anderen Waren (neuer Wein, Spargel) an einem provisorischen Stand (s. die Fotos auf Blatt 102 und 103 der Gerichtsakte). Schließlich dient das Grundstück zeitweise zum Abstellen und Lagern von Gegenständen wie Paletten, Holz- und Kunststoffkisten, Pappkartons, Blumenkübeln sowie Bauzäunen (s. die Fotos auf Blatt 94 - 99 der Gerichtsakte).

26

bb. Die Nutzung des Grundstücks FlurNr. 6799 als Lager- und Verkaufsfläche ist bereits formell illegal, denn der Beigeladene ist nicht im Besitz der hierfür erforderlichen Baugenehmigung nach § 70 Abs. 1 LBauO. Es versteht sich von selbst und bedarf keiner weitergehenden Begründung, dass die Baugenehmigung aus dem Jahre 1999 für das im Eigentum des Beigeladenen stehende Wohn- und Geschäftshaus auf dem ca. 50 m nordwestlich auf der anderen Straßenseite gelegene Grundstück A-Straße 12 (FlurNr. 6710) nicht die Nutzung des Grundstücks FlurNr. 6799 als Annex zu dem Lebensmittelgeschäft mit umfasst. Eine Baugenehmigungsfreiheit nach § 62 Abs. 1 Nr. 11 i LBauO, der eine Genehmigungsfreiheit für Lager-, Aufstell- und Ausstellungplätze bis zu 300 m² Fläche vorsieht, scheidet aus, da die Lager- und Verkaufsfläche während des Christbaumverkaufs mit ca. 500 m² deutlich darüber liegt.

27

Allerdings kann der Kläger nichts daraus herleiten, dass die Nutzung des Grundstücks FlurNr. 6799 als Lager- und Verkaufsfläche formell illegal ist. Dies würde den Beklagten zwar berechtigen, gegenüber dem Beigeladenen eine Nutzungsuntersagungsverfügung zu erlassen (s. dazu, dass für das Ergehen einer Nutzungsuntersagungsverfügung grundsätzlich die formelle Illegalität ausreicht z.B. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 24. August 2009 – 8 B 10718/09.OVG – m.w.N.). Auf die formelle Illegalität einer Nutzung kann sich jedoch der Nachbar nicht berufen. Die Genehmigungsbedürftigkeit ist nämlich ebenso wenig nachbarschützend wie ein Antragserfordernis (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28. Mai 2009 - 10 A 949/08 -, juris).

28

cc. Jedoch verstößt die Nutzung des Grundstücks FlurNr. 6799 als Lager- und Verkaufsfläche gegen bauplanungsrechtliche Vorschriften und ist damit auch materiell illegal.

29

Die befestigte Fläche auf dem Grundstück FlurNr. 6799 ist eine bauliche Anlage im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB (1). Daneben handelt es sich bei dem Grundstück auch um eine „Lagerstätte“ im Sinne des § 29 Abs. 1 Halbsatz 2 BauGB (2). Die aktuelle Nutzung des Grundstücks ist nicht nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO allgemein zulässig (3.). Auch scheidet eine ausnahmsweise Zulassung nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO aus (4).

30

(1) Da sich das Grundstück FlurNr. 6799 im Geltungsbereich des am 01. Februar 1995 ordnungsgemäß vom damaligen Ortsbürgermeister der Stadt A-Stadt ausgefertigten und am 03. Februar 1995 im Amtsblatt der Verbandsgemeinde A-Stadt öffentlich bekannt gemachten qualifizierten Bebauungsplans „Nord, Änderung III“ der Stadt A-Stadt befindet und dieser für diesen Bereich ein allgemeines Wohngebiet festsetzt, beurteilt sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Nutzung auf diesem Grundstück nach §§ 30 Abs. 1 BauGB, 4 BauNVO.

31

Die Vorschrift des § 30 Abs. 1 BauGB ist hier zu prüfen, denn die befestigte Fläche auf dem Grundstück FlurNr. 6799 unterfällt auch dem Begriff der baulichen Anlage im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB. Der bundesrechtliche Begriff der baulichen Anlage ist im Vergleich zu dem bauordnungsrechtlichen Begriff der baulichen Anlage (§ 2 Abs.1 LBauO) ein im Verhältnis zu diesem eigenständiger und insofern vom Landesrecht unabhängiger (BVerwGE 44, 59; zu dem Ganzen s. auch Jeromin in: Jeromin/Lang/Schmidt, a.a.O. § 2 Rdnr.4 f.). Dies folgt vor allem daraus, dass die Zielsetzung des bundesrechtlichen Bauplanungsrechts und des landesrechtlichen Bauordnungsrechts in wesentlichen Faktoren verschiedene sind: Einmal geht es um die Frage, ob ein Vorhaben für die städtebauliche Entwicklung erheblich und deshalb materiell Vorschriften des Bodenrechts zu unterwerfen ist, andererseits geht es darum, ob es sich um ein Vorhaben handelt, das im allgemeinen Interesse nicht ohne Beachtung gewisser ordnungsrechtlicher Vorschriften ausgeführt werden soll. Im Wesentlichen stimmen die Begriffe der baulichen Anlage, wo immer das (Bau)Recht sie verwendet, allerdings überein. Für den bundesrechtlichen Begriff der baulichen Anlage maßgebend sind ein verhältnismäßig weiter Begriff des Bauens und eine (mögliche) bodenrechtliche Relevanz (BVerwGE 44, 59). Als Bauen in diesem weiten Sinne ist das Schaffen von Anlagen anzusehen, die in einer auf Dauer gedachten Weise künstlich mit dem Erdboden verbunden sind. Unerheblich ist dabei, aus welchem Material die Anlagen hergestellt sind und ob und in welchem Maß es sich um eine feste Verbindung mit dem Erdboden handelt (Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 11. Auflage 2009, § 29 Rdnr. 10). Ob eine Anlage auf Dauer angelegt ist, damit ortsfest wird und der Geltung der §§ 29 ff. BauGB unterliegt, bestimmt sich wesentlich nach der Funktion, die der Anlage von ihrem Eigentümer beigemessen wird. Maßgeblich für das Element der Dauerhaftigkeit ist die beabsichtigte Dauerhaftigkeit der Anlage, nicht die beabsichtigte oder tatsächliche Dauer ihrer Benutzung (BVerwG E 44, 59). So vermag z.B. die vorübergehende Entfernung eines als Wochenendhaus genutzten Wohnwagens von seinem üblichen Standort ihm den Charakter der baulichen Anlage nicht zu nehmen. Dies gilt selbst für eine Tragluftschwimmhalle, die nur vorübergehend aufgeblasen wird (BVerwG, NJW 1977, 2090).

32

Nach diesen Grundsätzen ist die befestigte Fläche auf dem Grundstück Flur. 6799 in A-Stadt nicht nur eine bauliche Anlage im bauordnungsrechtlichen Sinne, sondern zugleich eine bauliche Anlage im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB. Die aus Kies und Schotter sowie in Teilbereichen aus Beton hergestellte Befestigung des Grundstücks erfüllt das Merkmal des Bauens und ist fest mit dem Erdboden verbunden (vgl. Krautzberger in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand Oktober 2009, § 29 Rdnr. 28 b, wonach nur ein völlig unbefestigter oder eingeebneter Platz keine bauliche Anlage darstellt). Die beeinträchtigende Nutzung auf dem befestigten Grundstück des Beigeladenen weist auch bauplanungsrechtliche Relevanz im Sinne von § 29 Abs. 1 BauGB auf. Die Befestigung des Grundstücks ist auf Dauer angelegt und gibt der baulichen Nutzung des Grundstücks einen neuen Zweck, der bauplanungsrechtliche Belange erheblich berührt. Der Beigeladene nutzt den Platz nicht nur vorübergehend, sondern seit mindestens 2006 jeweils in der Adventszeit zum Verkauf von Christbäumen und vereinzelt auch zu anderen Verkaufsaktivitäten sowie zum Abstellen von Gegenständen. Er hat damit auf seinem Grundstück eine standortgebundene Lager- und Verkaufsstelle eingerichtet.

33

(2) Die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens des Beigeladenen beurteilt sich im Übrigen selbst dann nach § 30 Abs. 1 BauGB, wenn man das Vorliegen einer baulichen Anlage im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB verneinen würde. Denn das Grundstück FlurNr. 6799 ist auch als „Lagerstätte“ im Sinne des § 29 Abs. 1 Halbsatz 2 BauGB zu qualifizieren. Unter diesen Begriff fallen selbst einfache Lagerplätze, die in keiner Weise befestigt sind und daher keine baulichen Anlagen im Sinne von § 29 Abs. 1 Satz 1 BauGB darstellen (vgl. Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, a.a.O., § 29 Rdnr. 22). Der Begriff der Lagerstätte ist weit auszulegen. Er erfasst Grundstücksflächen, auf denen Gegenstände im weitesten Sinne gelagert werden, d.h. abgelegt oder abgestellt werden, unabhängig von dem Zweck, den der Betreiber der Lagerstätte mit der Lagerung verfolgt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Oktober 2002 – 9 VR 13/02 -, juris zur Errichtung von Marktständen). Es kommt nicht darauf an, ob die einzelnen Gegenstände für einen kürzeren oder längeren Zeitraum gelagert oder zum Verkauf ausgestellt werden. So nimmt auch der Wechsel der ausgestellten Gegenstände einem Ausstellungsplatz nicht die Eigenschaft einer Lagerstätte (BVerwG, BauR 1999, 1139 zur Ausstellung von zum Verkauf bestimmten Landmaschinen). Der Begriff der Lagerstätte enthält seinem Wortsinn nach allerdings ein Element der Dauerhaftigkeit; er ist nur dann erfüllt, wenn die Nutzung zur Lagerung oder Ausstellung sich in zeitlicher Hinsicht so verfestigt hat, dass sie die Grundstückssituation prägt. Ob eine Lagerstätte in diesem Sinne besteht, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und ist aufgrund der objektiven Gegebenheiten nach der Verkehrsauffassung zu beurteilen.

34

Danach liegt hier eine Lagerstätte im Sinne des § 29 Abs. 1 Halbsatz 2 BauGB vor. Unabhängig davon, ob die in der jüngeren Vergangenheit hinzugetretene Nutzung zum Aufstellen von Verkaufsständen und das damit einhergehende Ausstellen von zum Verkauf angebotenen Waren wie Blumen oder Lebensmitteln nur an einigen wenigen Tagen im Jahr oder häufiger stattfindet, ist von einer Dauerhaftigkeit der Nutzung als Lagerstätte bereits durch den jährlich in der Vorweihnachtszeit für die Dauer von rund vier Wochen stattfindenden Christbaumverkauf auszugehen. Diese Nutzung des Grundstücks hat sich in zeitlicher Hinsicht nach der Verkehrsanschauung so verfestigt, dass sie die Grundstückssituation prägt.

35

(3) Der qualifizierte Bebauungsplan „Nord, Änderung III“ der Stadt A-Stadt setzt für den hier maßgeblichen Bereich ein allgemeines Wohngebiet fest. Allgemeine Wohngebiete dienen gemäß § 4 Abs. 1 BauNVO vorwiegend dem Wohnen. Zulässig sind neben Wohngebäuden u.a. nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störende Handwerksbetriebe. Ausnahmsweise können u.a. gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO sonstige nicht störende Gewerbebetriebe zugelassen werden.

36

Eine Zulassung der Lagerung und des Verkaufs von Christbäumen und des Verkaufs anderer Waren sowie die Nutzung als gewerblicher Lager- und Abstellplatz nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO scheidet aus.

37

In Bezug auf die Verkaufstätigkeit des Beigeladenen im Freien käme eine allgemeine Zulässigkeit allein als „der Versorgung des Gebiets dienender Laden“ in Betracht. Diese Voraussetzungen sind jedoch nicht gegeben. Der in § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO verwendete Rechtsbegriff „Laden“ ist ein eigenständiger Begriff des Bauplanungsrechts, der seinen Sinngehalt von der städtebaulichen Ordnung und nicht etwa aus andern Vorschriften, z.B. den Bestimmungen über die Ladenöffnungszeiten, empfängt. Er ist daher aus der Funktion der Einrichtung für die (Nah-)Versorgung des Gebiets unter Berücksichtigung des Gebietscharakters auszulegen. Danach sind „Läden“ im bauplanungsrechtlichen Sinne Stätten gewerblicher Betätigung mit Kunden- und Publikumsverkehr, in denen Waren zum Verkauf angeboten werde. Sie verfügen über Räumlichkeiten, die unmittelbar von der das Grundstück erschließenden Verkehrsfläche her zugänglich sind (Ziegler in: Brügelmann, BauGB, Stand Oktober 2009, § 2 BauNVO Rdnr. 63). Es ist allerdings keine Voraussetzung, dass der Laden von den Kunden betreten werden kann. Bei weiter Auslegung des Ladenbegriffs können daher auch Stubenläden, Kioske und ähnliche Anlagen, die nach ihrer Funktion einem Laden vergleichbar sind, noch als Laden angesehen werden (Stock in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 2. Auflage 2003, § 4 Rdnr. 22; Fickert/Fieseler, BauNVO, 10. Auflage 2002, § 2 Rdnr. 10.1).

38

Dagegen ist die rechtliche Einordnung einer offenen Verkaufsfläche von etwa 500 m² auch bei weiter Auslegung des Begriffs „Laden“ mit dessen Wortsinn nicht mehr vereinbar, da dieser notwendig an das Vorhandensein von Räumlichkeiten anknüpft. Für eine darüber hinausgehende Auslegung im Sinne jeglicher – geschlossener oder offener – Verkaufsfläche besteht nach der gesetzlichen Vorschrift des § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO auch kein Bedürfnis, da eine offene Verkaufsfläche unter den Begriff des „sonstigen Gewerbebetriebs“ im Sinne von § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO fällt und der Gesetzgeber für solche Betriebe ausnahmsweise Zulassungsmöglichkeiten eröffnet hat, wenn sie nicht stören.

39

Eine andere rechtliche Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass der Beigeladene auf dem Grundstück FlurNr. 6710 ein Lebensmittelgeschäft betreibt, das nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO zulässig ist. Zwar ist es planungsrechtlich bedeutungslos, dass sich der Betriebssitz des Beigeladenen etwa 50 m entfernt von dem Grundstück FlurNr. 6799 befindet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (NVwZ 2002, 730), der die Kammer folgt, kann die Zulässigkeit eines Teils eines einheitlichen Gewerbebetriebs im Hinblick auf die Art der baulichen Nutzung in einem bestimmten Baugebiet grundsätzlich nicht anders beurteilt werden als die Zulässigkeit des gesamten Betriebes. Insbesondere macht die räumliche Trennung ein Vorhaben nicht zu einem „selbständigen“ Vorhaben. So bleibt z.B. ein räumlich getrennter Lagerplatz Teil des Gewerbebetriebes und ist als ein solcher zu bewerten (s. dazu BVerwG, NVwZ 2002, 730). Wäre also der (Gesamt-)Betrieb des Beigeladenen gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO grundsätzlich im allgemeinen Wohngebiet zulässig, so ließe es sich unter städtebaulichen Gesichtspunkten nicht rechtfertigen, die mit dem Gewerbebetrieb des Beigeladenen im Zusammenhang stehende Nutzung des Grundstücks FlurNr. 6799 nur bei einer räumlichen Verbindung mit dem Betriebssitz städtebaulich als unbedenklich anzusehen.

40

Städtebaulich unbedenklich sind gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO in einem allgemeinen Wohngebiet aber nur „Läden“. Die vielfältigen Aktivitäten des Beigeladenen auf dem Grundstück FlurNr. 6799 erfolgen aber – wie ausgeführt – gerade nicht in einer einem Laden zumindest vergleichbaren Art und Weise. Eine einem Laden angeschlossene Freiverkaufsfläche mag als Annex zu dem Laden zulässig sein, wenn sie nur einen untergeordneten Teil der Gesamtfläche in Anspruch nimmt. Dies ist hier aber nicht der Fall, denn die Freiverkaufsfläche auf dem Grundstück FlurNr. 6799 umfasst mehr als 500 m² und ist damit deutlich größer als die Verkaufsfläche in dem Lebensmittelgeschäft auf dem Grundstück Flur. 6710.

41

Selbst wenn man vorliegend aber von einer einem Laden vergleichbaren Verkaufsstätte ausgehen würde, müsste diese der Versorgung des Gebiets dienen (s. § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO). Diese Einschränkung bedeutet, dass Läden im allgemeinen Wohngebiet prinzipiell keine übergebietlichen oder gar zentralen Versorgungsaufgaben für andere Baugebiete übernehmen dürfen. Sie sind nur zulässig, solange sie die speziell im Gebiet wurzelnden Versorgungsbedürfnisse vor allem der Wohnbevölkerung befriedigen. Das zu versorgende Gebiet ist nicht die nähere Umgebung des Vorhabens im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB (BayVGH, BRS 52 Nr. 172), sondern grundsätzlich das konkret festgesetzte allgemeine Wohngebiet (näher dazu Stock in: König/Roeser/Stock, BauNVO, a.a.O., § 4 Rdnr. 14). Ihm muss die Nutzung funktional zugeordnet sein. Allerdings braucht sich der Einzugsbereich des Ladengeschäfts - insbesondere bei kleinen Baugebieten - nicht auf dieses Gebiet zu beschränken, sondern darf sich auch auf andere Baugebiete, namentlich auf angrenzende Wohngebiete erstrecken. Auch verlangt § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO nicht, dass das Ladengeschäft ausschließlich der Versorgung des Gebiets dient, in welchem sein Standort liegt. Vielmehr setzt das Merkmal des „Dienens“ nur voraus, dass das Ladengeschäft nach Lage, Ausstattung und Angebot objektiv geeignet ist, in nicht unerheblichem Umfang zur Versorgung der Menschen im Gebiet beizutragen(BVerwG, NVwZ-RR 1993, 455; Ziegler in: Brügelmann, BauGB, a.a.O., § 2 BauNVO Rdnr. 53; Fickert/Fieseler, BauNVO, a.a.O., § 2 Rdnr. 9). Dabei ist maßgeblich der Zeitpunkt der Genehmigungsentscheidung und die dann absehbare künftige Entwicklung (BVerwG, BRS 60 Nr. 68). Die Kunden, die unter Berücksichtigung der topographischen Verhältnisse und der sonstigen örtlichen Gegebenheiten auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen sind, gehören grundsätzlich nicht mehr zur Zielgruppe, deren Versorgung § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO vornehmlich ermöglichen will (BVerwG, BRS 60 Nr. 67). Allerdings schadet es nicht, wenn die im Gebiet Ansässigen mit Kraftfahrzeugen anfahren (OVG Sachsen, BauR 2005, 354). Ein verbrauchernaher Einzugsbereich liegt jedenfalls nicht mehr vor, wenn das Gebiet im Vergleich zu anderen Gebieten objektiv nicht in einem ins Gewicht fallenden Umfang versorgt werden soll oder kann, wenn also die Anlage deutlich überwiegend auf Gebiete anderer Nutzung ausgerichtet ist (Stock in: König/Roeser/Stock, BauNVO, a.a.O., § 4 Rdnr. 15).

42

Hiervon ausgehend dienen der Christbaumverkauf in der Vorweihnachtszeit sowie der Verkauf anderer Waren auf dem Grundstück FlurNr. 6799 nicht mehr der Versorgung des Gebiets.

43

Was den Verkauf von Blumen, Spargel, neuem Wein etc. an bestimmten Sonntagen anbetrifft, ist dieser evident auf den Durchgangsverkehr ausgerichtet; ein nennenswerter Bezug zu der Wohnnutzung der Umgebung ist dagegen nicht ersichtlich. Es ist gerichtsbekannt, dass die A-Straße eine stark befahrene Durchgangsstraße ist, wobei insbesondere an Wochenenden in erheblichem Umfang Ausflugsverkehr in Richtung … und wieder zurück fließt. Den in den Akten befindlichen Fotos kann unschwer entnommen werden, dass der sonntägliche Verkauf auf dem Grundstück FlurNr. 6799 auf die Zielgruppe der gebietsfremden motorisierten Kundschaft ausgerichtet ist. Denn ansonsten wären die zahlreichen und auffälligen provisorischen Werbeanlagen, die sämtlich an der A-Straße positioniert sind, nicht nötig. Eine ladenähnliche Verkaufsstelle, die keinen nennenswerten Bezug zu der Wohnnutzung der Umgebung aufweist, kann aber nicht nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO zugelassen werden.

44

Aus den gleichen Gründen dient auch der Christbaumverkauf nicht der Versorgung des Gebiets. Die Fotos in der Gerichts- und der Verwaltungsakte zeigen, dass das Grundstück FlurNr. 6799 in der Vorweihnachtszeit zumindest zeitweise nahezu vollständig mit Christbäumen bedeckt ist (s. Blatt 88 und 89 der Gerichtsakte). Auch hier sind die Werbeanlagen ausschließlich zur A-Straße angebracht. Der Christbaumverkauf ist daher weit überwiegend auf die gebietsfremden motorisierte Kundschaft ausgerichtet.

45

Das gewerbliche Abstellen und Lagern verschiedener Gegenstände auf dem Grundstück FlurNr. 6799 ist ebenfalls nicht nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO allgemein zulässig. Dies gilt selbst dann, wenn die gelagerten Gegenstände dem Lebensmittelgeschäft des Beigeladenen auf dem Grundstück FlurNr. 6710 zuzuordnen sein sollten. Zwar ist es, wie bereits ausgeführt, planungsrechtlich unerheblich, dass sich der Laden etwa 50 m entfernt von dem Grundstück FlurNr. 6799 befindet. Die Nutzung des Grundstücks als ausgegliederter „Betriebsteil“ des Ladens kommt aber nur im Rahmen des § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO als „sonstiger nicht störender Gewerbebetrieb“ in Betracht.

46

(4) Es kann hier aber dahinstehen, ob die ausgeübte Nutzung in Form des gewerblichen Abstellens und Lagerns verschiedener Gegenstände auf dem Grundstück FlurNr. 6799 als „nicht störender Gewerbebetrieb“ nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO grundsätzlich ausnahmsweise zugelassen werden könnte. Denn die Stadt A-Stadt hat nach Ziffer 1.1.1 Satz 2 der textlichen Festsetzungen des hier maßgeblichen Bebauungsplans Ausnahmen nach § 4 Abs. 3 BauNVO ausdrücklich ausgeschlossen.

47

Klarstellend weist die Kammer darauf hin, dass das gelegentliche Abstellen von Kraftfahrzeugen auf dem Grundstück FlurNr. 6799 (s. die Fotos auf Blatt 100 und 101 der Gerichtsakte) vorliegend ohne Relevanz ist. Soweit auf dem Grundstück ab und zu Dritte parken, steht dies im Einklang mit der Bestimmung des § 12 Abs. 2 BauNVO, wonach u.a. in allgemeinen Wohngebieten Stellplätze für den zugelassenen Bedarf zulässig sind. In diesem Zusammenhang kommt es nicht auf den grundstücksbezogenen, sondern auf den gebietsbezogenen Stellplatzbedarf an (BVerwG, NJW 1994, 1546). Da die Kraftfahrzeuge von Dritten geparkt werden, die nach dem eigenen Vortrag des Klägers im Anwesen A-Straße 10 b (FlurNr. 6711/1), das ebenfalls dem Beigeladenen gehört, übernachten, ist ein gebietsbezogenen Stellplatzbedarf gegeben. Dies gilt auch für den für das Ladengeschäft eingesetzten Transporter des Beigeladenen, der ebenfalls gelegentlich auf dem Grundstück FlurNr. 6799 geparkt wird.

48

2. Die Nutzung des Grundstücks FlurNr. 6799 durch den Beigeladenen zum Abstellen und Lagern von Gegenständen, dem Verkauf von Christbäumen in der Weihnachtszeit sowie dem Verkauf sonstiger Waren verstößt gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften, die dem Schutz des Klägers zu dienen bestimmt sind.

49

Grundvoraussetzungen für einen Anspruch auf den Erlass einer Nutzungsuntersagung ist, dass der Kläger als Nachbar durch die nicht genehmigte und nicht genehmigungsfähige Nutzung des Platzes auf dem Grundstück FlurNr. 6799 in seinen Rechten verletzt wird. Die Nutzung muss also gegen - zumindest auch - nachbarschützende Rechte verstoßen; die objektive Rechtswidrigkeit allein reicht nicht aus, um einen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten zu begründen (vgl. z.B. BVerwG, NVwZ 1994, 686).

50

Vorliegend verletzt die streitgegenständliche Nutzung den hier aus den §§ 30 Abs. 1 BauGB, § 4 BauNVO herzuleitenden Gebietserhaltungsanspruch des Klägers. Darunter versteht man den Schutzanspruch des Nachbarn auf die Bewahrung der Gebiets art nach der BauNVO (s. ausführlich BVerwG, NJW 1994, 1546). Durch die Festsetzung über die Art der baulichen Nutzung werden die Planbetroffenen im Hinblick auf die Nutzung ihrer Grundstücke zu einer rechtlichen Schicksalsgemeinschaft verbunden. Die Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten des eigenen Grundstücks wird dadurch ausgeglichen, dass auch die anderen Grundeigentümer diesen Beschränkungen unterworfen sind. Soweit die Gemeinden durch die BauNVO zur Festsetzung von Baugebieten ermächtigt werden, schließt die Ermächtigung deshalb ein, dass die Gebietsfestsetzung grundsätzlich nachbarschützend sein muss. Eine nicht nachbarschützende Gebietsfestsetzung würde gegen das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB verstoßen (vgl. BVerwG, a.a.O.) Der Nachbar hat auf die Bewahrung der Gebietsart demnach einen Schutzanspruch und zwar auch dann, wenn das baugebietswidrige Vorhaben im jeweiligen Einzelfall noch nicht zu einer tatsächlich spürbaren und nachweisbaren Beeinträchtigung des Nachbarn führt. Im Rahmen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses soll nämlich jeder Planbetroffene das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des Baugebiets verhindern können. Der Abwehranspruch wird daher grundsätzlich bereits durch die Zulassung eines mit der Gebietsfestsetzung unvereinbaren Vorhabens ausgelöst.

51

Die Kammer braucht nicht zu prüfen, ob das Vorhaben des Beigeladenen eventuell im Wege einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB zugelassen werden kann. Das bloße Vorliegen einer Befreiungslage genügt nicht. Solange für das Vorhaben nicht ausdrücklich eine Befreiung erteilt worden ist, ist der Gebietserhaltungsanspruch der Grundstückseigentümer in dem jeweiligen Baugebiet verletzt (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 05. Februar 2010 - 1 B 11365/09.OVG -; OVG Hamburg, BauR 2009, 1556).

52

3. Gemäß § 81 Satz 1 LBauO steht der Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung im Ermessen der Bauaufsichtsbehörde. Bei Nachbarrechte beeinträchtigenden Baulichkeiten ist das Ermessen der Bauaufsichtsbehörde nach der ständigen Rechtsprechung des OVG Rheinland-Pfalz (vgl. z. B. Urteil vom 25. November 2009 - 8 A 10636/09.OVG -), der die Kammer folgt, regelmäßig dahin reduziert, dass nur noch die Pflicht zur Beseitigung des nachbarrechtswidrigen Zustandes verbleibt. Anhaltspunkte dafür, die eine abweichende Beurteilung hier rechtfertigen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

53

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 154 Abs. 3 VwGO.

54

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten durch den Kläger im Vorverfahren war gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO als notwendig anzuerkennen, weil sie vom Standpunkt einer verständigen, nicht rechtskundigen Partei im Zeitpunkt der Bestellung für erforderlich gehalten werden durfte und es dem Kläger nach seiner Vorbildung, Erfahrung und seinen sonstigen persönlichen Umständen nicht zumutbar war, das Verfahren selbst zu führen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 16. Auflage 2009, § 162 Rdnr. 18 m.w.N.).

55

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

56

Beschluss

57

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).

58

Gründe

59

In Verfahren vor den Verwaltungsgerichten ist der Wert des Streitgegenstandes nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen des Gerichts zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 GKG). Hierbei orientiert sich die Kammer im Interesse der Einheitlichkeit und Vorhersehbarkeit der Streitwertfestsetzung grundsätzlich an dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom Juli 2004 (NVwZ 2004, 1372). Danach ist für die Klage eines drittbetroffenen Nachbarn ein Streitwert von 7.500,00 €, mindestens der Betrag einer Grundstückswertminderung, anzusetzen (vgl. Ziffer 9.7.1). Dieser Streitwert wird nicht nur bei Anfechtungsklagen gegen Baugenehmigungen, sondern auch bei Nachbarklagen auf bauaufsichtsbehördliches Einschreiten angesetzt (s. zuletzt OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 17. Februar 2010 – 8 E 10278/10.OVG -).

60

Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit der Beschwerde angefochten werden; hierbei bedarf es nicht der Mitwirkung eines Bevollmächtigten.

(1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe,
3.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
2.
sonstige nicht störende Gewerbebetriebe,
3.
Anlagen für Verwaltungen,
4.
Gartenbaubetriebe,
5.
Tankstellen.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.

(2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn

1.
eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint;
2.
durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde;
3.
von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll;
4.
die Behörde eine Allgemeinverfügung oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen will;
5.
Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen.

(3) Eine Anhörung unterbleibt, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht.

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Tenor

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 28. November 2008 und des Widerspruchsbescheids vom 7. September 2009 verpflichtet, dem Beigeladenen im Wege bauaufsichtlichen Einschreitens zu untersagen, das Grundstück A- Straße 5 (FlurNr. 6799) in A-Stadt als gewerblichen Lager- und Abstellplatz sowie zum Christbaumverkauf, Blumenverkauf und Verkauf anderer Waren zu nutzen.

Der Beklagte und der Beigeladene tragen die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers jeweils zur Hälfte. Der Beklagte trägt die Kosten des Vorverfahrens. Im Übrigen trägt jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren durch den Kläger wird für notwendig erklärt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beteiligten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von dem Beklagten bauaufsichtliches Einschreiten gegen den Beigeladenen.

2

Der Kläger ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten, auf der Straßensüdseite gelegenen Grundstücks A-Straße 3b (FlurNr. 6800/1) in A-Stadt. Der Beigeladene ist Eigentümer des westlich angrenzenden Eckgrundstücks A-Straße 5 (FlurNr. 6799), das auf der anderen Seite durch die einmündende B-Straße begrenzt wird. Dieses Grundstück ist knapp 700 m² groß und bis auf eine Garage an der gemeinsamen Grundstücksgrenze unbebaut, aber überwiegend mit Kies und Schotter sowie in Teilbereichen als betonierte Fläche befestigt. Dem Beigeladenen gehört ferner das ca. 50 m nordwestlich auf der anderen Straßenseite gelegene Grundstück A-Straße 12 (FlurNr. 6710). Dieses ist mit einem im Jahre 1999 genehmigten Wohn- und Geschäftshaus bebaut, in dem der Beigeladene einen Lebensmittelhandel (Obst, Gemüse etc.) betreibt. Zur Veranschaulichung der örtlichen Verhältnisse mag die nachfolgende Luftaufnahme des betroffenen Straßenabschnitts dienen:

Abbildung

3

Die genannten Grundstücke liegen im Geltungsbereich des am 01. Februar 1995 vom Ortsbürgermeister der Stadt A-Stadt ausgefertigten und am 03. Februar 1995 im Amtsblatt der Verbandsgemeinde A-Stadt öffentlich bekannt gemachten Bebauungsplans „Nord, Änderung III“ der Stadt A-Stadt, der für diesen Bereich ein allgemeines Wohngebiet festsetzt. Nach Ziffer 1.1.1 Satz 2 der textlichen Festsetzungen sind Ausnahmen nach § 4 Abs. 3 BauNVO nicht zulässig; gemäß Ziffer 1.2 sind Nebenanlagen nach § 14 BauNVO nicht zulässig.

4

Auf dem Grundstück A-Straße 5 führt der Beigeladene seit mehreren Jahren jeweils in der Adventszeit einen Christbaumverkauf durch. Dabei werden auf nahezu der gesamten Fläche Weihnachtsbäume gelagert, die überwiegend von einem provisorischen Baustellenzaun umfasst sind. In Richtung A-Straße hat der Beigeladene während der Weihnachtszeit Werbeschilder angebracht, die auf den Christbaumverkauf hinweisen. Zur Beleuchtung des Grundstücks hat der Beigeladene mehrere 6 Meter hohe, in massiven Betontrögen verankerte Beleuchtungsmasten aufgestellt. Die Garage wird auch zur Abwicklung der Verkaufsaktivitäten genutzt. Ferner nutzt der Beigeladene das Grundstück gelegentlich an Sonntagen für den Verkauf von Blumen an einem provisorischen Stand bzw. aus einem Verkaufswagen. Die Häufigkeit dieser sonntäglichen Verkäufe beträgt nach Angaben des Beigeladenen etwa 3 Mal pro Jahr (Valentinstag, Muttertag, Ostern), nach dem Vorbringen des Klägers ist sie höher. Darüber hinaus nutzt der Beigeladene das Grundstück auch zum zeitweisen Abstellen und Lagern von Gegenständen (Paletten, Holz- und Kunststoffkisten, Pappkartons, Blumenkübel, Bauzäune) und zum Parken des zu seinem Betrieb gehörenden Transporters. Ferner gewährt er ab und zu Dritten das Parken von Kraftfahrzeugen auf dem Grundstück. Eine bauaufsichtliche Genehmigung für die genannten Nutzungen des Grundstücks liegt nicht vor.

5

In der Vergangenheit monierte der Kläger mehrmals den Christbaumverkauf und die weiteren Nutzungen des Beigeladenen. Nach erfolglosem Bemühen um eine einvernehmliche Nutzungsregelung beantragte der Kläger mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 05. Juni 2008 bauaufsichtliches Einschreiten des Beklagten gegen den Beigeladenen.

6

Der Beklagte lehnte dieses Begehren nach Anhörung des Beigeladenen mit Bescheid vom 28. November 2008 mit der Begründung ab, dem jeweils nur in der Adventszeit betriebenen Christbaumverkauf sowie den anderen sporadischen Verkaufsaktivitäten fehle es an der bodenrechtlichen Relevanz. Ein im Bauplanungsrecht begründeter Abwehranspruch des Klägers gegen diese Nutzung bestehe daher nicht. Aus dem gleichen Grund seien dem Kläger etwa nicht zumutbare Immissionen durch die Verkaufsaktivitäten dem Regime des verhaltensbezogenen Immissionsschutzes zuzuordnen, für dessen Vollzug ggf. die örtlichen Ordnungsbehörden sorgen müssten. Die Nutzung als Lagerplatz für das Hauptgeschäft des Beigeladenen sei in dem allgemeinen Wohngebiet zulässig. Unter dem ästhetischen Gesichtspunkt des Erscheinungsbilds eines Grundstücks bestehe für Nachbarn kein subjektiv-öffentliches Abwehrrecht. Das gelte auch in Bezug auf die von dem Beigeladenen bei seinen Verkäufen aufgestellten Werbeschilder und sonstigen Einrichtungen.

7

Dagegen legte der Kläger am 23. Dezember 2008 Widerspruch ein, den der Kreisrechtsausschuss des Beklagten am 07. September 2009, dem Kläger zugestellt am 08. September 2009, zurückwies.

8

Der Kläger hat am 08. Oktober 2009 Klage erhoben. Er trägt vor, der Beigeladene sei auf dem Grundstück FlurNr. 6799 mittlerweile zu einer beinahe ganzjährigen Verkaufsaktivität übergegangen. Die Nutzung als gewerblicher Lager- bzw. Verkaufsplatz bedürfe einer Baugenehmigung. Da die Anlage des Beigeladenen aber gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstoße, könne eine Genehmigung hierfür nicht erteilt werden. Wegen der formellen und materiellen Illegalität der Nutzung und des Verstoßes gegen nachbarschützende Vorschriften durch den Beigeladenen sei das Eingriffsermessen des Beklagten auf Null reduziert. Daher stehe ihm ein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten in Form der Nutzungsuntersagung zu.

9

Der Kläger beantragt,

10

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 28. November 2008 und des Widerspruchsbescheids des Kreisrechtsauschusses des Beklagten vom 07. September 2009 zu verpflichten, dem Beigeladenen im Wege bauordnungsrechtlichen Einschreitens zu untersagen, das Grundstück A-Straße 5 (FlurNr. 6799) in A-Stadt als gewerblichen Lager- und Abstellplatz sowie zum Christbaumverkauf, Blumenverkauf und Verkauf anderer Waren zu nutzen.

11

Der Beklagte beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Er ist der Ansicht, selbst wenn man von einer bodenrechtlichen Relevanz des Vorhabens des Beigeladenen ausginge, ergäbe sich für den Kläger immer noch kein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten. Denn die Grundstücksnutzung durch den Beigeladenen wäre als ein nach § 30 Abs. 1 BauGB in Verbindung mit dem Bebauungsplan zulässiges Vorhaben zu qualifizieren. Auch wenn die Einrichtungen des Beklagten auf dem Grundstück eher provisorischen Charakter aufwiesen, wären sie dennoch dem städtebaulichen Begriff des Ladens zuzuordnen.

14

Der Beigeladene beantragt ebenfalls,

15

die Klage abzuweisen.

16

Er schließt sich inhaltlich dem Vortrag des Beklagten an.

17

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten sowie der Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen. Dieser war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

18

Die gemäß § 42 Abs. 1 VwGO statthafte und auch ansonsten zulässige Verpflichtungsklage ist in der Sache begründet. Der Kläger hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf bauaufsichtliches Einschreiten gegenüber dem Beigeladenen. Der ablehnende Bescheid des Beklagten vom 28. November 2008 und der Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsauschusses bei der Kreisverwaltung Germersheim vom 07. September 2009 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

19

Rechtsgrundlage für die Verpflichtung des Beklagten, die begehrte Nutzungsuntersagungsverfügung gegenüber dem Beigeladenen zu erlassen, ist § 81 Satz 1 der Landesbauordnung – LBauO –. Diese Vorschrift regelt nicht ausdrücklich eine Verpflichtung, sondern die Befugnis der Bauaufsichtsbehörde, unter anderem die Nutzung zu untersagen, wenn bauliche Anlagen oder andere Anlagen und Einrichtungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 gegen baurechtliche oder sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften über die Errichtung, Änderung, Instandhaltung oder Nutzungsänderung dieser Anlagen verstoßen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände wieder hergestellt werden können. Die Bauaufsichtsbehörde hat hierüber nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Ein Anspruch des Nachbarn gegen die Bauaufsichtsbehörde auf Erlass einer Nutzungsuntersagung besteht nur dann, wenn die tatbestandlichen Eingriffsvoraussetzungen des § 81 Satz 1 LBauO erfüllt sind (hierzu nachfolgend 1.) und die fragliche Nutzung gegen nachbarschützende Vorschriften verstößt (hierzu 2.). Darüber hinaus müssen schließlich Umstände vorliegen, die dazu führen, dass sich das der Behörde durch § 81 Satz 1 LBauO eröffnete Eingriffsermessen auf Null reduziert (hierzu 3.).

20

1. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 81 Satz 1 LBauO sind erfüllt, denn der Beigeladene nutzt eine bauliche Anlage (a.) unter Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften (b.).

21

a. Bei der befestigten Fläche auf dem Grundstück FlurNr. 6799 in A-Stadt handelt es sich um eine „bauliche Anlage“ im Sinne von § 81 Satz 1 LBauO. „Bauliche Anlagen“ im bauordnungsrechtlichen Sinn sind nach § 2 Abs. 1 Satz 1 LBauO mit dem Erdboden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlagen. Der partiell mit Schotter sowie in Teilbereichen als betonierte Fläche befestigte Platz auf dem Grundstück FlurNr. 6799 (s. insbesondere die Fotos auf Blatt 87 ff. der Gerichtsakte und auf Blatt 92, 123 und 166 der Verwaltungsakte F 1724/99 HAG I) ist aus Bauprodukten künstlich hergestellt und fest mit dem Erdboden verbunden und damit eine bauliche „Anlage“ im oben genannten Sinne.

22

Auch die Beleuchtungsmasten sind bauliche Anlagen in diesem Sinne. Denn auch sie sind aus Baustoffen und Bauteilen hergestellt und ruhen durch eigene Schwere auf dem Boden (§ 2 Abs. 1 Satz 2 LBauO).

23

Darüber hinaus greift hier auch die gesetzliche Fiktion des § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 LBauO ein, wonach Lager-, Abstell-, Aufstell- und Ausstellungsplätze als bauliche Anlagen gelten. Solche Plätze sind befestigte oder unbefestigte Flächen außerhalb von Gebäuden, die nach ihrer Zweckrichtung dazu bestimmt sind, Gegenstände für einen gewissen Zeitraum aufzunehmen. Da § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 LBauO alle Formen der Plätze aufzählt, braucht eine trennscharfe Abgrenzung im Einzelfall nicht vorgenommen zu werden, zumal sich die Begriffe je nach Benutzungszweck auch überschneiden (vgl. Jeromin in: Jeromin/Lang/Schmidt, LBauO RhPf, 2. Auflage 2008, § 2 Rdnr. 20). Für die Frage, ob eine fiktive bauliche Anlage im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 LBauO vorliegt, kommt es nicht darauf an, welchen Zweck der Betreiber des Platzes mit dem Abstellen verfolgt. Entscheidend ist allein die Nutzungsintensität. Die Nutzung einer Grundstücksfläche braucht nicht ununterbrochen oder auf Dauer erfolgen, sie muss aber mehr als nur ganz gelegentlich stattfinden. Dies ist der Fall, wenn die Nutzung zur Lagerung oder zum Ausstellen sich in zeitlicher Hinsicht so verfestigt hat, dass sie die Grundstückssituation prägt (vgl. BVerwG, BauR 1999, 1139 zur Ausstellung von zum Verkauf bestimmten Landmaschinen; OVG Niedersachsen, BRS 44 Nr. 139 zum Aufstellen und Verkauf von Kraftfahrzeugen). Dies ist hier der Fall, denn das Grundstück wird - ungeachtet der anderen Aktivitäten des Beigeladenen - alljährlich in der Adventszeit für die Dauer von ca. vier Wochen und damit nicht nur kurzzeitig zum Lagern, Ausstellen und Verkauf von Christbäumen genutzt (vgl. OVG Niedersachsen, BRS 54 Nr. 142, das eine Verfestigung bei einer mehrstündigen, wöchentlich wiederkehrenden Aufstellung eines Verkaufswagens bejaht hat).

24

b. Der Beigeladene nutzt nahezu die gesamte Fläche auf dem Grundstück FlurNr. 6799 unter Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften. Die Nutzung (aa.) ist formell (bb.) und materiell (cc.) illegal.

25

aa. Der Begriff der „Nutzung“ in § 81 Satz 1 LBauO umfasst sowohl die bauliche als auch die sonstige Nutzung eines Grundstücks (vgl. BVerwG, DVBl 1979, 149; VG Ansbach, Urteil vom 27. Mai 2009 – AN 9 K 07.02669 -, juris). Ausgehend von diesem weiten Begriffsinhalt nutzt der Beigeladene das streitgegenständliche Grundstück seit einigen Jahren in der Adventszeit für die Dauer von ca. vier Wochen zum Verkauf von Christbäumen. Dabei stellt er auf über 500 m² Fläche Weihnachtsbäume aus, die überwiegend von einem provisorischen Baustellenzaun umgeben sind (s. insbesondere die Fotos auf Blatt 88, 89 und 108 - 112 der Gerichtsakte). Zur Beleuchtung des Grundstücks sind mehrere Lichtmasten mit Halogenstrahlern angebracht. Der Verkauf wird unmittelbar vor Ort durchgeführt. Ferner nutzt der Beigeladene das Grundstück an bestimmten Sonntagen für den Verkauf von Blumen und anderen Waren (neuer Wein, Spargel) an einem provisorischen Stand (s. die Fotos auf Blatt 102 und 103 der Gerichtsakte). Schließlich dient das Grundstück zeitweise zum Abstellen und Lagern von Gegenständen wie Paletten, Holz- und Kunststoffkisten, Pappkartons, Blumenkübeln sowie Bauzäunen (s. die Fotos auf Blatt 94 - 99 der Gerichtsakte).

26

bb. Die Nutzung des Grundstücks FlurNr. 6799 als Lager- und Verkaufsfläche ist bereits formell illegal, denn der Beigeladene ist nicht im Besitz der hierfür erforderlichen Baugenehmigung nach § 70 Abs. 1 LBauO. Es versteht sich von selbst und bedarf keiner weitergehenden Begründung, dass die Baugenehmigung aus dem Jahre 1999 für das im Eigentum des Beigeladenen stehende Wohn- und Geschäftshaus auf dem ca. 50 m nordwestlich auf der anderen Straßenseite gelegene Grundstück A-Straße 12 (FlurNr. 6710) nicht die Nutzung des Grundstücks FlurNr. 6799 als Annex zu dem Lebensmittelgeschäft mit umfasst. Eine Baugenehmigungsfreiheit nach § 62 Abs. 1 Nr. 11 i LBauO, der eine Genehmigungsfreiheit für Lager-, Aufstell- und Ausstellungplätze bis zu 300 m² Fläche vorsieht, scheidet aus, da die Lager- und Verkaufsfläche während des Christbaumverkaufs mit ca. 500 m² deutlich darüber liegt.

27

Allerdings kann der Kläger nichts daraus herleiten, dass die Nutzung des Grundstücks FlurNr. 6799 als Lager- und Verkaufsfläche formell illegal ist. Dies würde den Beklagten zwar berechtigen, gegenüber dem Beigeladenen eine Nutzungsuntersagungsverfügung zu erlassen (s. dazu, dass für das Ergehen einer Nutzungsuntersagungsverfügung grundsätzlich die formelle Illegalität ausreicht z.B. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 24. August 2009 – 8 B 10718/09.OVG – m.w.N.). Auf die formelle Illegalität einer Nutzung kann sich jedoch der Nachbar nicht berufen. Die Genehmigungsbedürftigkeit ist nämlich ebenso wenig nachbarschützend wie ein Antragserfordernis (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28. Mai 2009 - 10 A 949/08 -, juris).

28

cc. Jedoch verstößt die Nutzung des Grundstücks FlurNr. 6799 als Lager- und Verkaufsfläche gegen bauplanungsrechtliche Vorschriften und ist damit auch materiell illegal.

29

Die befestigte Fläche auf dem Grundstück FlurNr. 6799 ist eine bauliche Anlage im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB (1). Daneben handelt es sich bei dem Grundstück auch um eine „Lagerstätte“ im Sinne des § 29 Abs. 1 Halbsatz 2 BauGB (2). Die aktuelle Nutzung des Grundstücks ist nicht nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO allgemein zulässig (3.). Auch scheidet eine ausnahmsweise Zulassung nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO aus (4).

30

(1) Da sich das Grundstück FlurNr. 6799 im Geltungsbereich des am 01. Februar 1995 ordnungsgemäß vom damaligen Ortsbürgermeister der Stadt A-Stadt ausgefertigten und am 03. Februar 1995 im Amtsblatt der Verbandsgemeinde A-Stadt öffentlich bekannt gemachten qualifizierten Bebauungsplans „Nord, Änderung III“ der Stadt A-Stadt befindet und dieser für diesen Bereich ein allgemeines Wohngebiet festsetzt, beurteilt sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Nutzung auf diesem Grundstück nach §§ 30 Abs. 1 BauGB, 4 BauNVO.

31

Die Vorschrift des § 30 Abs. 1 BauGB ist hier zu prüfen, denn die befestigte Fläche auf dem Grundstück FlurNr. 6799 unterfällt auch dem Begriff der baulichen Anlage im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB. Der bundesrechtliche Begriff der baulichen Anlage ist im Vergleich zu dem bauordnungsrechtlichen Begriff der baulichen Anlage (§ 2 Abs.1 LBauO) ein im Verhältnis zu diesem eigenständiger und insofern vom Landesrecht unabhängiger (BVerwGE 44, 59; zu dem Ganzen s. auch Jeromin in: Jeromin/Lang/Schmidt, a.a.O. § 2 Rdnr.4 f.). Dies folgt vor allem daraus, dass die Zielsetzung des bundesrechtlichen Bauplanungsrechts und des landesrechtlichen Bauordnungsrechts in wesentlichen Faktoren verschiedene sind: Einmal geht es um die Frage, ob ein Vorhaben für die städtebauliche Entwicklung erheblich und deshalb materiell Vorschriften des Bodenrechts zu unterwerfen ist, andererseits geht es darum, ob es sich um ein Vorhaben handelt, das im allgemeinen Interesse nicht ohne Beachtung gewisser ordnungsrechtlicher Vorschriften ausgeführt werden soll. Im Wesentlichen stimmen die Begriffe der baulichen Anlage, wo immer das (Bau)Recht sie verwendet, allerdings überein. Für den bundesrechtlichen Begriff der baulichen Anlage maßgebend sind ein verhältnismäßig weiter Begriff des Bauens und eine (mögliche) bodenrechtliche Relevanz (BVerwGE 44, 59). Als Bauen in diesem weiten Sinne ist das Schaffen von Anlagen anzusehen, die in einer auf Dauer gedachten Weise künstlich mit dem Erdboden verbunden sind. Unerheblich ist dabei, aus welchem Material die Anlagen hergestellt sind und ob und in welchem Maß es sich um eine feste Verbindung mit dem Erdboden handelt (Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 11. Auflage 2009, § 29 Rdnr. 10). Ob eine Anlage auf Dauer angelegt ist, damit ortsfest wird und der Geltung der §§ 29 ff. BauGB unterliegt, bestimmt sich wesentlich nach der Funktion, die der Anlage von ihrem Eigentümer beigemessen wird. Maßgeblich für das Element der Dauerhaftigkeit ist die beabsichtigte Dauerhaftigkeit der Anlage, nicht die beabsichtigte oder tatsächliche Dauer ihrer Benutzung (BVerwG E 44, 59). So vermag z.B. die vorübergehende Entfernung eines als Wochenendhaus genutzten Wohnwagens von seinem üblichen Standort ihm den Charakter der baulichen Anlage nicht zu nehmen. Dies gilt selbst für eine Tragluftschwimmhalle, die nur vorübergehend aufgeblasen wird (BVerwG, NJW 1977, 2090).

32

Nach diesen Grundsätzen ist die befestigte Fläche auf dem Grundstück Flur. 6799 in A-Stadt nicht nur eine bauliche Anlage im bauordnungsrechtlichen Sinne, sondern zugleich eine bauliche Anlage im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB. Die aus Kies und Schotter sowie in Teilbereichen aus Beton hergestellte Befestigung des Grundstücks erfüllt das Merkmal des Bauens und ist fest mit dem Erdboden verbunden (vgl. Krautzberger in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand Oktober 2009, § 29 Rdnr. 28 b, wonach nur ein völlig unbefestigter oder eingeebneter Platz keine bauliche Anlage darstellt). Die beeinträchtigende Nutzung auf dem befestigten Grundstück des Beigeladenen weist auch bauplanungsrechtliche Relevanz im Sinne von § 29 Abs. 1 BauGB auf. Die Befestigung des Grundstücks ist auf Dauer angelegt und gibt der baulichen Nutzung des Grundstücks einen neuen Zweck, der bauplanungsrechtliche Belange erheblich berührt. Der Beigeladene nutzt den Platz nicht nur vorübergehend, sondern seit mindestens 2006 jeweils in der Adventszeit zum Verkauf von Christbäumen und vereinzelt auch zu anderen Verkaufsaktivitäten sowie zum Abstellen von Gegenständen. Er hat damit auf seinem Grundstück eine standortgebundene Lager- und Verkaufsstelle eingerichtet.

33

(2) Die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens des Beigeladenen beurteilt sich im Übrigen selbst dann nach § 30 Abs. 1 BauGB, wenn man das Vorliegen einer baulichen Anlage im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB verneinen würde. Denn das Grundstück FlurNr. 6799 ist auch als „Lagerstätte“ im Sinne des § 29 Abs. 1 Halbsatz 2 BauGB zu qualifizieren. Unter diesen Begriff fallen selbst einfache Lagerplätze, die in keiner Weise befestigt sind und daher keine baulichen Anlagen im Sinne von § 29 Abs. 1 Satz 1 BauGB darstellen (vgl. Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, a.a.O., § 29 Rdnr. 22). Der Begriff der Lagerstätte ist weit auszulegen. Er erfasst Grundstücksflächen, auf denen Gegenstände im weitesten Sinne gelagert werden, d.h. abgelegt oder abgestellt werden, unabhängig von dem Zweck, den der Betreiber der Lagerstätte mit der Lagerung verfolgt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Oktober 2002 – 9 VR 13/02 -, juris zur Errichtung von Marktständen). Es kommt nicht darauf an, ob die einzelnen Gegenstände für einen kürzeren oder längeren Zeitraum gelagert oder zum Verkauf ausgestellt werden. So nimmt auch der Wechsel der ausgestellten Gegenstände einem Ausstellungsplatz nicht die Eigenschaft einer Lagerstätte (BVerwG, BauR 1999, 1139 zur Ausstellung von zum Verkauf bestimmten Landmaschinen). Der Begriff der Lagerstätte enthält seinem Wortsinn nach allerdings ein Element der Dauerhaftigkeit; er ist nur dann erfüllt, wenn die Nutzung zur Lagerung oder Ausstellung sich in zeitlicher Hinsicht so verfestigt hat, dass sie die Grundstückssituation prägt. Ob eine Lagerstätte in diesem Sinne besteht, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und ist aufgrund der objektiven Gegebenheiten nach der Verkehrsauffassung zu beurteilen.

34

Danach liegt hier eine Lagerstätte im Sinne des § 29 Abs. 1 Halbsatz 2 BauGB vor. Unabhängig davon, ob die in der jüngeren Vergangenheit hinzugetretene Nutzung zum Aufstellen von Verkaufsständen und das damit einhergehende Ausstellen von zum Verkauf angebotenen Waren wie Blumen oder Lebensmitteln nur an einigen wenigen Tagen im Jahr oder häufiger stattfindet, ist von einer Dauerhaftigkeit der Nutzung als Lagerstätte bereits durch den jährlich in der Vorweihnachtszeit für die Dauer von rund vier Wochen stattfindenden Christbaumverkauf auszugehen. Diese Nutzung des Grundstücks hat sich in zeitlicher Hinsicht nach der Verkehrsanschauung so verfestigt, dass sie die Grundstückssituation prägt.

35

(3) Der qualifizierte Bebauungsplan „Nord, Änderung III“ der Stadt A-Stadt setzt für den hier maßgeblichen Bereich ein allgemeines Wohngebiet fest. Allgemeine Wohngebiete dienen gemäß § 4 Abs. 1 BauNVO vorwiegend dem Wohnen. Zulässig sind neben Wohngebäuden u.a. nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störende Handwerksbetriebe. Ausnahmsweise können u.a. gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO sonstige nicht störende Gewerbebetriebe zugelassen werden.

36

Eine Zulassung der Lagerung und des Verkaufs von Christbäumen und des Verkaufs anderer Waren sowie die Nutzung als gewerblicher Lager- und Abstellplatz nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO scheidet aus.

37

In Bezug auf die Verkaufstätigkeit des Beigeladenen im Freien käme eine allgemeine Zulässigkeit allein als „der Versorgung des Gebiets dienender Laden“ in Betracht. Diese Voraussetzungen sind jedoch nicht gegeben. Der in § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO verwendete Rechtsbegriff „Laden“ ist ein eigenständiger Begriff des Bauplanungsrechts, der seinen Sinngehalt von der städtebaulichen Ordnung und nicht etwa aus andern Vorschriften, z.B. den Bestimmungen über die Ladenöffnungszeiten, empfängt. Er ist daher aus der Funktion der Einrichtung für die (Nah-)Versorgung des Gebiets unter Berücksichtigung des Gebietscharakters auszulegen. Danach sind „Läden“ im bauplanungsrechtlichen Sinne Stätten gewerblicher Betätigung mit Kunden- und Publikumsverkehr, in denen Waren zum Verkauf angeboten werde. Sie verfügen über Räumlichkeiten, die unmittelbar von der das Grundstück erschließenden Verkehrsfläche her zugänglich sind (Ziegler in: Brügelmann, BauGB, Stand Oktober 2009, § 2 BauNVO Rdnr. 63). Es ist allerdings keine Voraussetzung, dass der Laden von den Kunden betreten werden kann. Bei weiter Auslegung des Ladenbegriffs können daher auch Stubenläden, Kioske und ähnliche Anlagen, die nach ihrer Funktion einem Laden vergleichbar sind, noch als Laden angesehen werden (Stock in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 2. Auflage 2003, § 4 Rdnr. 22; Fickert/Fieseler, BauNVO, 10. Auflage 2002, § 2 Rdnr. 10.1).

38

Dagegen ist die rechtliche Einordnung einer offenen Verkaufsfläche von etwa 500 m² auch bei weiter Auslegung des Begriffs „Laden“ mit dessen Wortsinn nicht mehr vereinbar, da dieser notwendig an das Vorhandensein von Räumlichkeiten anknüpft. Für eine darüber hinausgehende Auslegung im Sinne jeglicher – geschlossener oder offener – Verkaufsfläche besteht nach der gesetzlichen Vorschrift des § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO auch kein Bedürfnis, da eine offene Verkaufsfläche unter den Begriff des „sonstigen Gewerbebetriebs“ im Sinne von § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO fällt und der Gesetzgeber für solche Betriebe ausnahmsweise Zulassungsmöglichkeiten eröffnet hat, wenn sie nicht stören.

39

Eine andere rechtliche Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass der Beigeladene auf dem Grundstück FlurNr. 6710 ein Lebensmittelgeschäft betreibt, das nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO zulässig ist. Zwar ist es planungsrechtlich bedeutungslos, dass sich der Betriebssitz des Beigeladenen etwa 50 m entfernt von dem Grundstück FlurNr. 6799 befindet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (NVwZ 2002, 730), der die Kammer folgt, kann die Zulässigkeit eines Teils eines einheitlichen Gewerbebetriebs im Hinblick auf die Art der baulichen Nutzung in einem bestimmten Baugebiet grundsätzlich nicht anders beurteilt werden als die Zulässigkeit des gesamten Betriebes. Insbesondere macht die räumliche Trennung ein Vorhaben nicht zu einem „selbständigen“ Vorhaben. So bleibt z.B. ein räumlich getrennter Lagerplatz Teil des Gewerbebetriebes und ist als ein solcher zu bewerten (s. dazu BVerwG, NVwZ 2002, 730). Wäre also der (Gesamt-)Betrieb des Beigeladenen gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO grundsätzlich im allgemeinen Wohngebiet zulässig, so ließe es sich unter städtebaulichen Gesichtspunkten nicht rechtfertigen, die mit dem Gewerbebetrieb des Beigeladenen im Zusammenhang stehende Nutzung des Grundstücks FlurNr. 6799 nur bei einer räumlichen Verbindung mit dem Betriebssitz städtebaulich als unbedenklich anzusehen.

40

Städtebaulich unbedenklich sind gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO in einem allgemeinen Wohngebiet aber nur „Läden“. Die vielfältigen Aktivitäten des Beigeladenen auf dem Grundstück FlurNr. 6799 erfolgen aber – wie ausgeführt – gerade nicht in einer einem Laden zumindest vergleichbaren Art und Weise. Eine einem Laden angeschlossene Freiverkaufsfläche mag als Annex zu dem Laden zulässig sein, wenn sie nur einen untergeordneten Teil der Gesamtfläche in Anspruch nimmt. Dies ist hier aber nicht der Fall, denn die Freiverkaufsfläche auf dem Grundstück FlurNr. 6799 umfasst mehr als 500 m² und ist damit deutlich größer als die Verkaufsfläche in dem Lebensmittelgeschäft auf dem Grundstück Flur. 6710.

41

Selbst wenn man vorliegend aber von einer einem Laden vergleichbaren Verkaufsstätte ausgehen würde, müsste diese der Versorgung des Gebiets dienen (s. § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO). Diese Einschränkung bedeutet, dass Läden im allgemeinen Wohngebiet prinzipiell keine übergebietlichen oder gar zentralen Versorgungsaufgaben für andere Baugebiete übernehmen dürfen. Sie sind nur zulässig, solange sie die speziell im Gebiet wurzelnden Versorgungsbedürfnisse vor allem der Wohnbevölkerung befriedigen. Das zu versorgende Gebiet ist nicht die nähere Umgebung des Vorhabens im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB (BayVGH, BRS 52 Nr. 172), sondern grundsätzlich das konkret festgesetzte allgemeine Wohngebiet (näher dazu Stock in: König/Roeser/Stock, BauNVO, a.a.O., § 4 Rdnr. 14). Ihm muss die Nutzung funktional zugeordnet sein. Allerdings braucht sich der Einzugsbereich des Ladengeschäfts - insbesondere bei kleinen Baugebieten - nicht auf dieses Gebiet zu beschränken, sondern darf sich auch auf andere Baugebiete, namentlich auf angrenzende Wohngebiete erstrecken. Auch verlangt § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO nicht, dass das Ladengeschäft ausschließlich der Versorgung des Gebiets dient, in welchem sein Standort liegt. Vielmehr setzt das Merkmal des „Dienens“ nur voraus, dass das Ladengeschäft nach Lage, Ausstattung und Angebot objektiv geeignet ist, in nicht unerheblichem Umfang zur Versorgung der Menschen im Gebiet beizutragen(BVerwG, NVwZ-RR 1993, 455; Ziegler in: Brügelmann, BauGB, a.a.O., § 2 BauNVO Rdnr. 53; Fickert/Fieseler, BauNVO, a.a.O., § 2 Rdnr. 9). Dabei ist maßgeblich der Zeitpunkt der Genehmigungsentscheidung und die dann absehbare künftige Entwicklung (BVerwG, BRS 60 Nr. 68). Die Kunden, die unter Berücksichtigung der topographischen Verhältnisse und der sonstigen örtlichen Gegebenheiten auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen sind, gehören grundsätzlich nicht mehr zur Zielgruppe, deren Versorgung § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO vornehmlich ermöglichen will (BVerwG, BRS 60 Nr. 67). Allerdings schadet es nicht, wenn die im Gebiet Ansässigen mit Kraftfahrzeugen anfahren (OVG Sachsen, BauR 2005, 354). Ein verbrauchernaher Einzugsbereich liegt jedenfalls nicht mehr vor, wenn das Gebiet im Vergleich zu anderen Gebieten objektiv nicht in einem ins Gewicht fallenden Umfang versorgt werden soll oder kann, wenn also die Anlage deutlich überwiegend auf Gebiete anderer Nutzung ausgerichtet ist (Stock in: König/Roeser/Stock, BauNVO, a.a.O., § 4 Rdnr. 15).

42

Hiervon ausgehend dienen der Christbaumverkauf in der Vorweihnachtszeit sowie der Verkauf anderer Waren auf dem Grundstück FlurNr. 6799 nicht mehr der Versorgung des Gebiets.

43

Was den Verkauf von Blumen, Spargel, neuem Wein etc. an bestimmten Sonntagen anbetrifft, ist dieser evident auf den Durchgangsverkehr ausgerichtet; ein nennenswerter Bezug zu der Wohnnutzung der Umgebung ist dagegen nicht ersichtlich. Es ist gerichtsbekannt, dass die A-Straße eine stark befahrene Durchgangsstraße ist, wobei insbesondere an Wochenenden in erheblichem Umfang Ausflugsverkehr in Richtung … und wieder zurück fließt. Den in den Akten befindlichen Fotos kann unschwer entnommen werden, dass der sonntägliche Verkauf auf dem Grundstück FlurNr. 6799 auf die Zielgruppe der gebietsfremden motorisierten Kundschaft ausgerichtet ist. Denn ansonsten wären die zahlreichen und auffälligen provisorischen Werbeanlagen, die sämtlich an der A-Straße positioniert sind, nicht nötig. Eine ladenähnliche Verkaufsstelle, die keinen nennenswerten Bezug zu der Wohnnutzung der Umgebung aufweist, kann aber nicht nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO zugelassen werden.

44

Aus den gleichen Gründen dient auch der Christbaumverkauf nicht der Versorgung des Gebiets. Die Fotos in der Gerichts- und der Verwaltungsakte zeigen, dass das Grundstück FlurNr. 6799 in der Vorweihnachtszeit zumindest zeitweise nahezu vollständig mit Christbäumen bedeckt ist (s. Blatt 88 und 89 der Gerichtsakte). Auch hier sind die Werbeanlagen ausschließlich zur A-Straße angebracht. Der Christbaumverkauf ist daher weit überwiegend auf die gebietsfremden motorisierte Kundschaft ausgerichtet.

45

Das gewerbliche Abstellen und Lagern verschiedener Gegenstände auf dem Grundstück FlurNr. 6799 ist ebenfalls nicht nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO allgemein zulässig. Dies gilt selbst dann, wenn die gelagerten Gegenstände dem Lebensmittelgeschäft des Beigeladenen auf dem Grundstück FlurNr. 6710 zuzuordnen sein sollten. Zwar ist es, wie bereits ausgeführt, planungsrechtlich unerheblich, dass sich der Laden etwa 50 m entfernt von dem Grundstück FlurNr. 6799 befindet. Die Nutzung des Grundstücks als ausgegliederter „Betriebsteil“ des Ladens kommt aber nur im Rahmen des § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO als „sonstiger nicht störender Gewerbebetrieb“ in Betracht.

46

(4) Es kann hier aber dahinstehen, ob die ausgeübte Nutzung in Form des gewerblichen Abstellens und Lagerns verschiedener Gegenstände auf dem Grundstück FlurNr. 6799 als „nicht störender Gewerbebetrieb“ nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO grundsätzlich ausnahmsweise zugelassen werden könnte. Denn die Stadt A-Stadt hat nach Ziffer 1.1.1 Satz 2 der textlichen Festsetzungen des hier maßgeblichen Bebauungsplans Ausnahmen nach § 4 Abs. 3 BauNVO ausdrücklich ausgeschlossen.

47

Klarstellend weist die Kammer darauf hin, dass das gelegentliche Abstellen von Kraftfahrzeugen auf dem Grundstück FlurNr. 6799 (s. die Fotos auf Blatt 100 und 101 der Gerichtsakte) vorliegend ohne Relevanz ist. Soweit auf dem Grundstück ab und zu Dritte parken, steht dies im Einklang mit der Bestimmung des § 12 Abs. 2 BauNVO, wonach u.a. in allgemeinen Wohngebieten Stellplätze für den zugelassenen Bedarf zulässig sind. In diesem Zusammenhang kommt es nicht auf den grundstücksbezogenen, sondern auf den gebietsbezogenen Stellplatzbedarf an (BVerwG, NJW 1994, 1546). Da die Kraftfahrzeuge von Dritten geparkt werden, die nach dem eigenen Vortrag des Klägers im Anwesen A-Straße 10 b (FlurNr. 6711/1), das ebenfalls dem Beigeladenen gehört, übernachten, ist ein gebietsbezogenen Stellplatzbedarf gegeben. Dies gilt auch für den für das Ladengeschäft eingesetzten Transporter des Beigeladenen, der ebenfalls gelegentlich auf dem Grundstück FlurNr. 6799 geparkt wird.

48

2. Die Nutzung des Grundstücks FlurNr. 6799 durch den Beigeladenen zum Abstellen und Lagern von Gegenständen, dem Verkauf von Christbäumen in der Weihnachtszeit sowie dem Verkauf sonstiger Waren verstößt gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften, die dem Schutz des Klägers zu dienen bestimmt sind.

49

Grundvoraussetzungen für einen Anspruch auf den Erlass einer Nutzungsuntersagung ist, dass der Kläger als Nachbar durch die nicht genehmigte und nicht genehmigungsfähige Nutzung des Platzes auf dem Grundstück FlurNr. 6799 in seinen Rechten verletzt wird. Die Nutzung muss also gegen - zumindest auch - nachbarschützende Rechte verstoßen; die objektive Rechtswidrigkeit allein reicht nicht aus, um einen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten zu begründen (vgl. z.B. BVerwG, NVwZ 1994, 686).

50

Vorliegend verletzt die streitgegenständliche Nutzung den hier aus den §§ 30 Abs. 1 BauGB, § 4 BauNVO herzuleitenden Gebietserhaltungsanspruch des Klägers. Darunter versteht man den Schutzanspruch des Nachbarn auf die Bewahrung der Gebiets art nach der BauNVO (s. ausführlich BVerwG, NJW 1994, 1546). Durch die Festsetzung über die Art der baulichen Nutzung werden die Planbetroffenen im Hinblick auf die Nutzung ihrer Grundstücke zu einer rechtlichen Schicksalsgemeinschaft verbunden. Die Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten des eigenen Grundstücks wird dadurch ausgeglichen, dass auch die anderen Grundeigentümer diesen Beschränkungen unterworfen sind. Soweit die Gemeinden durch die BauNVO zur Festsetzung von Baugebieten ermächtigt werden, schließt die Ermächtigung deshalb ein, dass die Gebietsfestsetzung grundsätzlich nachbarschützend sein muss. Eine nicht nachbarschützende Gebietsfestsetzung würde gegen das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB verstoßen (vgl. BVerwG, a.a.O.) Der Nachbar hat auf die Bewahrung der Gebietsart demnach einen Schutzanspruch und zwar auch dann, wenn das baugebietswidrige Vorhaben im jeweiligen Einzelfall noch nicht zu einer tatsächlich spürbaren und nachweisbaren Beeinträchtigung des Nachbarn führt. Im Rahmen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses soll nämlich jeder Planbetroffene das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des Baugebiets verhindern können. Der Abwehranspruch wird daher grundsätzlich bereits durch die Zulassung eines mit der Gebietsfestsetzung unvereinbaren Vorhabens ausgelöst.

51

Die Kammer braucht nicht zu prüfen, ob das Vorhaben des Beigeladenen eventuell im Wege einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB zugelassen werden kann. Das bloße Vorliegen einer Befreiungslage genügt nicht. Solange für das Vorhaben nicht ausdrücklich eine Befreiung erteilt worden ist, ist der Gebietserhaltungsanspruch der Grundstückseigentümer in dem jeweiligen Baugebiet verletzt (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 05. Februar 2010 - 1 B 11365/09.OVG -; OVG Hamburg, BauR 2009, 1556).

52

3. Gemäß § 81 Satz 1 LBauO steht der Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung im Ermessen der Bauaufsichtsbehörde. Bei Nachbarrechte beeinträchtigenden Baulichkeiten ist das Ermessen der Bauaufsichtsbehörde nach der ständigen Rechtsprechung des OVG Rheinland-Pfalz (vgl. z. B. Urteil vom 25. November 2009 - 8 A 10636/09.OVG -), der die Kammer folgt, regelmäßig dahin reduziert, dass nur noch die Pflicht zur Beseitigung des nachbarrechtswidrigen Zustandes verbleibt. Anhaltspunkte dafür, die eine abweichende Beurteilung hier rechtfertigen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

53

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 154 Abs. 3 VwGO.

54

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten durch den Kläger im Vorverfahren war gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO als notwendig anzuerkennen, weil sie vom Standpunkt einer verständigen, nicht rechtskundigen Partei im Zeitpunkt der Bestellung für erforderlich gehalten werden durfte und es dem Kläger nach seiner Vorbildung, Erfahrung und seinen sonstigen persönlichen Umständen nicht zumutbar war, das Verfahren selbst zu führen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 16. Auflage 2009, § 162 Rdnr. 18 m.w.N.).

55

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

56

Beschluss

57

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).

58

Gründe

59

In Verfahren vor den Verwaltungsgerichten ist der Wert des Streitgegenstandes nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen des Gerichts zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 GKG). Hierbei orientiert sich die Kammer im Interesse der Einheitlichkeit und Vorhersehbarkeit der Streitwertfestsetzung grundsätzlich an dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom Juli 2004 (NVwZ 2004, 1372). Danach ist für die Klage eines drittbetroffenen Nachbarn ein Streitwert von 7.500,00 €, mindestens der Betrag einer Grundstückswertminderung, anzusetzen (vgl. Ziffer 9.7.1). Dieser Streitwert wird nicht nur bei Anfechtungsklagen gegen Baugenehmigungen, sondern auch bei Nachbarklagen auf bauaufsichtsbehördliches Einschreiten angesetzt (s. zuletzt OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 17. Februar 2010 – 8 E 10278/10.OVG -).

60

Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit der Beschwerde angefochten werden; hierbei bedarf es nicht der Mitwirkung eines Bevollmächtigten.

(1) Bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, ist diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern.

(2) Von der Anhörung kann abgesehen werden, wenn sie nach den Umständen des Einzelfalls nicht geboten ist, insbesondere wenn

1.
eine sofortige Entscheidung wegen Gefahr im Verzug oder im öffentlichen Interesse notwendig erscheint;
2.
durch die Anhörung die Einhaltung einer für die Entscheidung maßgeblichen Frist in Frage gestellt würde;
3.
von den tatsächlichen Angaben eines Beteiligten, die dieser in einem Antrag oder einer Erklärung gemacht hat, nicht zu seinen Ungunsten abgewichen werden soll;
4.
die Behörde eine Allgemeinverfügung oder gleichartige Verwaltungsakte in größerer Zahl oder Verwaltungsakte mit Hilfe automatischer Einrichtungen erlassen will;
5.
Maßnahmen in der Verwaltungsvollstreckung getroffen werden sollen.

(3) Eine Anhörung unterbleibt, wenn ihr ein zwingendes öffentliches Interesse entgegensteht.

Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist,

1.
die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger und
2.
im Fall des § 65 Abs. 3 die Personen, die einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgemäß gestellt haben.

(1) Eine Verletzung von Verfahrens- oder Formvorschriften, die nicht den Verwaltungsakt nach § 44 nichtig macht, ist unbeachtlich, wenn

1.
der für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderliche Antrag nachträglich gestellt wird;
2.
die erforderliche Begründung nachträglich gegeben wird;
3.
die erforderliche Anhörung eines Beteiligten nachgeholt wird;
4.
der Beschluss eines Ausschusses, dessen Mitwirkung für den Erlass des Verwaltungsaktes erforderlich ist, nachträglich gefasst wird;
5.
die erforderliche Mitwirkung einer anderen Behörde nachgeholt wird.

(2) Handlungen nach Absatz 1 können bis zum Abschluss der letzten Tatsacheninstanz eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens nachgeholt werden.

(3) Fehlt einem Verwaltungsakt die erforderliche Begründung oder ist die erforderliche Anhörung eines Beteiligten vor Erlass des Verwaltungsaktes unterblieben und ist dadurch die rechtzeitige Anfechtung des Verwaltungsaktes versäumt worden, so gilt die Versäumung der Rechtsbehelfsfrist als nicht verschuldet. Das für die Wiedereinsetzungsfrist nach § 32 Abs. 2 maßgebende Ereignis tritt im Zeitpunkt der Nachholung der unterlassenen Verfahrenshandlung ein.

(1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe,
3.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
2.
sonstige nicht störende Gewerbebetriebe,
3.
Anlagen für Verwaltungen,
4.
Gartenbaubetriebe,
5.
Tankstellen.

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Tenor

Der Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheids vom 28. November 2008 und des Widerspruchsbescheids vom 7. September 2009 verpflichtet, dem Beigeladenen im Wege bauaufsichtlichen Einschreitens zu untersagen, das Grundstück A- Straße 5 (FlurNr. 6799) in A-Stadt als gewerblichen Lager- und Abstellplatz sowie zum Christbaumverkauf, Blumenverkauf und Verkauf anderer Waren zu nutzen.

Der Beklagte und der Beigeladene tragen die Gerichtskosten und die außergerichtlichen Kosten des Klägers jeweils zur Hälfte. Der Beklagte trägt die Kosten des Vorverfahrens. Im Übrigen trägt jeder Beteiligte seine außergerichtlichen Kosten selbst.

Die Hinzuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren durch den Kläger wird für notwendig erklärt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beteiligten dürfen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, wenn nicht die Gegenseite vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von dem Beklagten bauaufsichtliches Einschreiten gegen den Beigeladenen.

2

Der Kläger ist Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten, auf der Straßensüdseite gelegenen Grundstücks A-Straße 3b (FlurNr. 6800/1) in A-Stadt. Der Beigeladene ist Eigentümer des westlich angrenzenden Eckgrundstücks A-Straße 5 (FlurNr. 6799), das auf der anderen Seite durch die einmündende B-Straße begrenzt wird. Dieses Grundstück ist knapp 700 m² groß und bis auf eine Garage an der gemeinsamen Grundstücksgrenze unbebaut, aber überwiegend mit Kies und Schotter sowie in Teilbereichen als betonierte Fläche befestigt. Dem Beigeladenen gehört ferner das ca. 50 m nordwestlich auf der anderen Straßenseite gelegene Grundstück A-Straße 12 (FlurNr. 6710). Dieses ist mit einem im Jahre 1999 genehmigten Wohn- und Geschäftshaus bebaut, in dem der Beigeladene einen Lebensmittelhandel (Obst, Gemüse etc.) betreibt. Zur Veranschaulichung der örtlichen Verhältnisse mag die nachfolgende Luftaufnahme des betroffenen Straßenabschnitts dienen:

Abbildung

3

Die genannten Grundstücke liegen im Geltungsbereich des am 01. Februar 1995 vom Ortsbürgermeister der Stadt A-Stadt ausgefertigten und am 03. Februar 1995 im Amtsblatt der Verbandsgemeinde A-Stadt öffentlich bekannt gemachten Bebauungsplans „Nord, Änderung III“ der Stadt A-Stadt, der für diesen Bereich ein allgemeines Wohngebiet festsetzt. Nach Ziffer 1.1.1 Satz 2 der textlichen Festsetzungen sind Ausnahmen nach § 4 Abs. 3 BauNVO nicht zulässig; gemäß Ziffer 1.2 sind Nebenanlagen nach § 14 BauNVO nicht zulässig.

4

Auf dem Grundstück A-Straße 5 führt der Beigeladene seit mehreren Jahren jeweils in der Adventszeit einen Christbaumverkauf durch. Dabei werden auf nahezu der gesamten Fläche Weihnachtsbäume gelagert, die überwiegend von einem provisorischen Baustellenzaun umfasst sind. In Richtung A-Straße hat der Beigeladene während der Weihnachtszeit Werbeschilder angebracht, die auf den Christbaumverkauf hinweisen. Zur Beleuchtung des Grundstücks hat der Beigeladene mehrere 6 Meter hohe, in massiven Betontrögen verankerte Beleuchtungsmasten aufgestellt. Die Garage wird auch zur Abwicklung der Verkaufsaktivitäten genutzt. Ferner nutzt der Beigeladene das Grundstück gelegentlich an Sonntagen für den Verkauf von Blumen an einem provisorischen Stand bzw. aus einem Verkaufswagen. Die Häufigkeit dieser sonntäglichen Verkäufe beträgt nach Angaben des Beigeladenen etwa 3 Mal pro Jahr (Valentinstag, Muttertag, Ostern), nach dem Vorbringen des Klägers ist sie höher. Darüber hinaus nutzt der Beigeladene das Grundstück auch zum zeitweisen Abstellen und Lagern von Gegenständen (Paletten, Holz- und Kunststoffkisten, Pappkartons, Blumenkübel, Bauzäune) und zum Parken des zu seinem Betrieb gehörenden Transporters. Ferner gewährt er ab und zu Dritten das Parken von Kraftfahrzeugen auf dem Grundstück. Eine bauaufsichtliche Genehmigung für die genannten Nutzungen des Grundstücks liegt nicht vor.

5

In der Vergangenheit monierte der Kläger mehrmals den Christbaumverkauf und die weiteren Nutzungen des Beigeladenen. Nach erfolglosem Bemühen um eine einvernehmliche Nutzungsregelung beantragte der Kläger mit Schreiben seiner Bevollmächtigten vom 05. Juni 2008 bauaufsichtliches Einschreiten des Beklagten gegen den Beigeladenen.

6

Der Beklagte lehnte dieses Begehren nach Anhörung des Beigeladenen mit Bescheid vom 28. November 2008 mit der Begründung ab, dem jeweils nur in der Adventszeit betriebenen Christbaumverkauf sowie den anderen sporadischen Verkaufsaktivitäten fehle es an der bodenrechtlichen Relevanz. Ein im Bauplanungsrecht begründeter Abwehranspruch des Klägers gegen diese Nutzung bestehe daher nicht. Aus dem gleichen Grund seien dem Kläger etwa nicht zumutbare Immissionen durch die Verkaufsaktivitäten dem Regime des verhaltensbezogenen Immissionsschutzes zuzuordnen, für dessen Vollzug ggf. die örtlichen Ordnungsbehörden sorgen müssten. Die Nutzung als Lagerplatz für das Hauptgeschäft des Beigeladenen sei in dem allgemeinen Wohngebiet zulässig. Unter dem ästhetischen Gesichtspunkt des Erscheinungsbilds eines Grundstücks bestehe für Nachbarn kein subjektiv-öffentliches Abwehrrecht. Das gelte auch in Bezug auf die von dem Beigeladenen bei seinen Verkäufen aufgestellten Werbeschilder und sonstigen Einrichtungen.

7

Dagegen legte der Kläger am 23. Dezember 2008 Widerspruch ein, den der Kreisrechtsausschuss des Beklagten am 07. September 2009, dem Kläger zugestellt am 08. September 2009, zurückwies.

8

Der Kläger hat am 08. Oktober 2009 Klage erhoben. Er trägt vor, der Beigeladene sei auf dem Grundstück FlurNr. 6799 mittlerweile zu einer beinahe ganzjährigen Verkaufsaktivität übergegangen. Die Nutzung als gewerblicher Lager- bzw. Verkaufsplatz bedürfe einer Baugenehmigung. Da die Anlage des Beigeladenen aber gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstoße, könne eine Genehmigung hierfür nicht erteilt werden. Wegen der formellen und materiellen Illegalität der Nutzung und des Verstoßes gegen nachbarschützende Vorschriften durch den Beigeladenen sei das Eingriffsermessen des Beklagten auf Null reduziert. Daher stehe ihm ein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten in Form der Nutzungsuntersagung zu.

9

Der Kläger beantragt,

10

den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids des Beklagten vom 28. November 2008 und des Widerspruchsbescheids des Kreisrechtsauschusses des Beklagten vom 07. September 2009 zu verpflichten, dem Beigeladenen im Wege bauordnungsrechtlichen Einschreitens zu untersagen, das Grundstück A-Straße 5 (FlurNr. 6799) in A-Stadt als gewerblichen Lager- und Abstellplatz sowie zum Christbaumverkauf, Blumenverkauf und Verkauf anderer Waren zu nutzen.

11

Der Beklagte beantragt,

12

die Klage abzuweisen.

13

Er ist der Ansicht, selbst wenn man von einer bodenrechtlichen Relevanz des Vorhabens des Beigeladenen ausginge, ergäbe sich für den Kläger immer noch kein Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten. Denn die Grundstücksnutzung durch den Beigeladenen wäre als ein nach § 30 Abs. 1 BauGB in Verbindung mit dem Bebauungsplan zulässiges Vorhaben zu qualifizieren. Auch wenn die Einrichtungen des Beklagten auf dem Grundstück eher provisorischen Charakter aufwiesen, wären sie dennoch dem städtebaulichen Begriff des Ladens zuzuordnen.

14

Der Beigeladene beantragt ebenfalls,

15

die Klage abzuweisen.

16

Er schließt sich inhaltlich dem Vortrag des Beklagten an.

17

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Schriftsätze der Beteiligten sowie der Verwaltungsakten des Beklagten verwiesen. Dieser war Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

18

Die gemäß § 42 Abs. 1 VwGO statthafte und auch ansonsten zulässige Verpflichtungsklage ist in der Sache begründet. Der Kläger hat einen Anspruch gegen den Beklagten auf bauaufsichtliches Einschreiten gegenüber dem Beigeladenen. Der ablehnende Bescheid des Beklagten vom 28. November 2008 und der Widerspruchsbescheid des Kreisrechtsauschusses bei der Kreisverwaltung Germersheim vom 07. September 2009 sind rechtswidrig und verletzen den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

19

Rechtsgrundlage für die Verpflichtung des Beklagten, die begehrte Nutzungsuntersagungsverfügung gegenüber dem Beigeladenen zu erlassen, ist § 81 Satz 1 der Landesbauordnung – LBauO –. Diese Vorschrift regelt nicht ausdrücklich eine Verpflichtung, sondern die Befugnis der Bauaufsichtsbehörde, unter anderem die Nutzung zu untersagen, wenn bauliche Anlagen oder andere Anlagen und Einrichtungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 gegen baurechtliche oder sonstige öffentlich-rechtliche Vorschriften über die Errichtung, Änderung, Instandhaltung oder Nutzungsänderung dieser Anlagen verstoßen, wenn nicht auf andere Weise rechtmäßige Zustände wieder hergestellt werden können. Die Bauaufsichtsbehörde hat hierüber nach pflichtgemäßem Ermessen zu entscheiden. Ein Anspruch des Nachbarn gegen die Bauaufsichtsbehörde auf Erlass einer Nutzungsuntersagung besteht nur dann, wenn die tatbestandlichen Eingriffsvoraussetzungen des § 81 Satz 1 LBauO erfüllt sind (hierzu nachfolgend 1.) und die fragliche Nutzung gegen nachbarschützende Vorschriften verstößt (hierzu 2.). Darüber hinaus müssen schließlich Umstände vorliegen, die dazu führen, dass sich das der Behörde durch § 81 Satz 1 LBauO eröffnete Eingriffsermessen auf Null reduziert (hierzu 3.).

20

1. Die Tatbestandsvoraussetzungen des § 81 Satz 1 LBauO sind erfüllt, denn der Beigeladene nutzt eine bauliche Anlage (a.) unter Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften (b.).

21

a. Bei der befestigten Fläche auf dem Grundstück FlurNr. 6799 in A-Stadt handelt es sich um eine „bauliche Anlage“ im Sinne von § 81 Satz 1 LBauO. „Bauliche Anlagen“ im bauordnungsrechtlichen Sinn sind nach § 2 Abs. 1 Satz 1 LBauO mit dem Erdboden verbundene, aus Bauprodukten hergestellte Anlagen. Der partiell mit Schotter sowie in Teilbereichen als betonierte Fläche befestigte Platz auf dem Grundstück FlurNr. 6799 (s. insbesondere die Fotos auf Blatt 87 ff. der Gerichtsakte und auf Blatt 92, 123 und 166 der Verwaltungsakte F 1724/99 HAG I) ist aus Bauprodukten künstlich hergestellt und fest mit dem Erdboden verbunden und damit eine bauliche „Anlage“ im oben genannten Sinne.

22

Auch die Beleuchtungsmasten sind bauliche Anlagen in diesem Sinne. Denn auch sie sind aus Baustoffen und Bauteilen hergestellt und ruhen durch eigene Schwere auf dem Boden (§ 2 Abs. 1 Satz 2 LBauO).

23

Darüber hinaus greift hier auch die gesetzliche Fiktion des § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 LBauO ein, wonach Lager-, Abstell-, Aufstell- und Ausstellungsplätze als bauliche Anlagen gelten. Solche Plätze sind befestigte oder unbefestigte Flächen außerhalb von Gebäuden, die nach ihrer Zweckrichtung dazu bestimmt sind, Gegenstände für einen gewissen Zeitraum aufzunehmen. Da § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 LBauO alle Formen der Plätze aufzählt, braucht eine trennscharfe Abgrenzung im Einzelfall nicht vorgenommen zu werden, zumal sich die Begriffe je nach Benutzungszweck auch überschneiden (vgl. Jeromin in: Jeromin/Lang/Schmidt, LBauO RhPf, 2. Auflage 2008, § 2 Rdnr. 20). Für die Frage, ob eine fiktive bauliche Anlage im Sinne des § 2 Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 LBauO vorliegt, kommt es nicht darauf an, welchen Zweck der Betreiber des Platzes mit dem Abstellen verfolgt. Entscheidend ist allein die Nutzungsintensität. Die Nutzung einer Grundstücksfläche braucht nicht ununterbrochen oder auf Dauer erfolgen, sie muss aber mehr als nur ganz gelegentlich stattfinden. Dies ist der Fall, wenn die Nutzung zur Lagerung oder zum Ausstellen sich in zeitlicher Hinsicht so verfestigt hat, dass sie die Grundstückssituation prägt (vgl. BVerwG, BauR 1999, 1139 zur Ausstellung von zum Verkauf bestimmten Landmaschinen; OVG Niedersachsen, BRS 44 Nr. 139 zum Aufstellen und Verkauf von Kraftfahrzeugen). Dies ist hier der Fall, denn das Grundstück wird - ungeachtet der anderen Aktivitäten des Beigeladenen - alljährlich in der Adventszeit für die Dauer von ca. vier Wochen und damit nicht nur kurzzeitig zum Lagern, Ausstellen und Verkauf von Christbäumen genutzt (vgl. OVG Niedersachsen, BRS 54 Nr. 142, das eine Verfestigung bei einer mehrstündigen, wöchentlich wiederkehrenden Aufstellung eines Verkaufswagens bejaht hat).

24

b. Der Beigeladene nutzt nahezu die gesamte Fläche auf dem Grundstück FlurNr. 6799 unter Verstoß gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften. Die Nutzung (aa.) ist formell (bb.) und materiell (cc.) illegal.

25

aa. Der Begriff der „Nutzung“ in § 81 Satz 1 LBauO umfasst sowohl die bauliche als auch die sonstige Nutzung eines Grundstücks (vgl. BVerwG, DVBl 1979, 149; VG Ansbach, Urteil vom 27. Mai 2009 – AN 9 K 07.02669 -, juris). Ausgehend von diesem weiten Begriffsinhalt nutzt der Beigeladene das streitgegenständliche Grundstück seit einigen Jahren in der Adventszeit für die Dauer von ca. vier Wochen zum Verkauf von Christbäumen. Dabei stellt er auf über 500 m² Fläche Weihnachtsbäume aus, die überwiegend von einem provisorischen Baustellenzaun umgeben sind (s. insbesondere die Fotos auf Blatt 88, 89 und 108 - 112 der Gerichtsakte). Zur Beleuchtung des Grundstücks sind mehrere Lichtmasten mit Halogenstrahlern angebracht. Der Verkauf wird unmittelbar vor Ort durchgeführt. Ferner nutzt der Beigeladene das Grundstück an bestimmten Sonntagen für den Verkauf von Blumen und anderen Waren (neuer Wein, Spargel) an einem provisorischen Stand (s. die Fotos auf Blatt 102 und 103 der Gerichtsakte). Schließlich dient das Grundstück zeitweise zum Abstellen und Lagern von Gegenständen wie Paletten, Holz- und Kunststoffkisten, Pappkartons, Blumenkübeln sowie Bauzäunen (s. die Fotos auf Blatt 94 - 99 der Gerichtsakte).

26

bb. Die Nutzung des Grundstücks FlurNr. 6799 als Lager- und Verkaufsfläche ist bereits formell illegal, denn der Beigeladene ist nicht im Besitz der hierfür erforderlichen Baugenehmigung nach § 70 Abs. 1 LBauO. Es versteht sich von selbst und bedarf keiner weitergehenden Begründung, dass die Baugenehmigung aus dem Jahre 1999 für das im Eigentum des Beigeladenen stehende Wohn- und Geschäftshaus auf dem ca. 50 m nordwestlich auf der anderen Straßenseite gelegene Grundstück A-Straße 12 (FlurNr. 6710) nicht die Nutzung des Grundstücks FlurNr. 6799 als Annex zu dem Lebensmittelgeschäft mit umfasst. Eine Baugenehmigungsfreiheit nach § 62 Abs. 1 Nr. 11 i LBauO, der eine Genehmigungsfreiheit für Lager-, Aufstell- und Ausstellungplätze bis zu 300 m² Fläche vorsieht, scheidet aus, da die Lager- und Verkaufsfläche während des Christbaumverkaufs mit ca. 500 m² deutlich darüber liegt.

27

Allerdings kann der Kläger nichts daraus herleiten, dass die Nutzung des Grundstücks FlurNr. 6799 als Lager- und Verkaufsfläche formell illegal ist. Dies würde den Beklagten zwar berechtigen, gegenüber dem Beigeladenen eine Nutzungsuntersagungsverfügung zu erlassen (s. dazu, dass für das Ergehen einer Nutzungsuntersagungsverfügung grundsätzlich die formelle Illegalität ausreicht z.B. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 24. August 2009 – 8 B 10718/09.OVG – m.w.N.). Auf die formelle Illegalität einer Nutzung kann sich jedoch der Nachbar nicht berufen. Die Genehmigungsbedürftigkeit ist nämlich ebenso wenig nachbarschützend wie ein Antragserfordernis (OVG Nordrhein-Westfalen, Urteil vom 28. Mai 2009 - 10 A 949/08 -, juris).

28

cc. Jedoch verstößt die Nutzung des Grundstücks FlurNr. 6799 als Lager- und Verkaufsfläche gegen bauplanungsrechtliche Vorschriften und ist damit auch materiell illegal.

29

Die befestigte Fläche auf dem Grundstück FlurNr. 6799 ist eine bauliche Anlage im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB (1). Daneben handelt es sich bei dem Grundstück auch um eine „Lagerstätte“ im Sinne des § 29 Abs. 1 Halbsatz 2 BauGB (2). Die aktuelle Nutzung des Grundstücks ist nicht nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO allgemein zulässig (3.). Auch scheidet eine ausnahmsweise Zulassung nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO aus (4).

30

(1) Da sich das Grundstück FlurNr. 6799 im Geltungsbereich des am 01. Februar 1995 ordnungsgemäß vom damaligen Ortsbürgermeister der Stadt A-Stadt ausgefertigten und am 03. Februar 1995 im Amtsblatt der Verbandsgemeinde A-Stadt öffentlich bekannt gemachten qualifizierten Bebauungsplans „Nord, Änderung III“ der Stadt A-Stadt befindet und dieser für diesen Bereich ein allgemeines Wohngebiet festsetzt, beurteilt sich die bauplanungsrechtliche Zulässigkeit der Nutzung auf diesem Grundstück nach §§ 30 Abs. 1 BauGB, 4 BauNVO.

31

Die Vorschrift des § 30 Abs. 1 BauGB ist hier zu prüfen, denn die befestigte Fläche auf dem Grundstück FlurNr. 6799 unterfällt auch dem Begriff der baulichen Anlage im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB. Der bundesrechtliche Begriff der baulichen Anlage ist im Vergleich zu dem bauordnungsrechtlichen Begriff der baulichen Anlage (§ 2 Abs.1 LBauO) ein im Verhältnis zu diesem eigenständiger und insofern vom Landesrecht unabhängiger (BVerwGE 44, 59; zu dem Ganzen s. auch Jeromin in: Jeromin/Lang/Schmidt, a.a.O. § 2 Rdnr.4 f.). Dies folgt vor allem daraus, dass die Zielsetzung des bundesrechtlichen Bauplanungsrechts und des landesrechtlichen Bauordnungsrechts in wesentlichen Faktoren verschiedene sind: Einmal geht es um die Frage, ob ein Vorhaben für die städtebauliche Entwicklung erheblich und deshalb materiell Vorschriften des Bodenrechts zu unterwerfen ist, andererseits geht es darum, ob es sich um ein Vorhaben handelt, das im allgemeinen Interesse nicht ohne Beachtung gewisser ordnungsrechtlicher Vorschriften ausgeführt werden soll. Im Wesentlichen stimmen die Begriffe der baulichen Anlage, wo immer das (Bau)Recht sie verwendet, allerdings überein. Für den bundesrechtlichen Begriff der baulichen Anlage maßgebend sind ein verhältnismäßig weiter Begriff des Bauens und eine (mögliche) bodenrechtliche Relevanz (BVerwGE 44, 59). Als Bauen in diesem weiten Sinne ist das Schaffen von Anlagen anzusehen, die in einer auf Dauer gedachten Weise künstlich mit dem Erdboden verbunden sind. Unerheblich ist dabei, aus welchem Material die Anlagen hergestellt sind und ob und in welchem Maß es sich um eine feste Verbindung mit dem Erdboden handelt (Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, 11. Auflage 2009, § 29 Rdnr. 10). Ob eine Anlage auf Dauer angelegt ist, damit ortsfest wird und der Geltung der §§ 29 ff. BauGB unterliegt, bestimmt sich wesentlich nach der Funktion, die der Anlage von ihrem Eigentümer beigemessen wird. Maßgeblich für das Element der Dauerhaftigkeit ist die beabsichtigte Dauerhaftigkeit der Anlage, nicht die beabsichtigte oder tatsächliche Dauer ihrer Benutzung (BVerwG E 44, 59). So vermag z.B. die vorübergehende Entfernung eines als Wochenendhaus genutzten Wohnwagens von seinem üblichen Standort ihm den Charakter der baulichen Anlage nicht zu nehmen. Dies gilt selbst für eine Tragluftschwimmhalle, die nur vorübergehend aufgeblasen wird (BVerwG, NJW 1977, 2090).

32

Nach diesen Grundsätzen ist die befestigte Fläche auf dem Grundstück Flur. 6799 in A-Stadt nicht nur eine bauliche Anlage im bauordnungsrechtlichen Sinne, sondern zugleich eine bauliche Anlage im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB. Die aus Kies und Schotter sowie in Teilbereichen aus Beton hergestellte Befestigung des Grundstücks erfüllt das Merkmal des Bauens und ist fest mit dem Erdboden verbunden (vgl. Krautzberger in: Ernst/Zinkahn/Bielenberg, BauGB, Stand Oktober 2009, § 29 Rdnr. 28 b, wonach nur ein völlig unbefestigter oder eingeebneter Platz keine bauliche Anlage darstellt). Die beeinträchtigende Nutzung auf dem befestigten Grundstück des Beigeladenen weist auch bauplanungsrechtliche Relevanz im Sinne von § 29 Abs. 1 BauGB auf. Die Befestigung des Grundstücks ist auf Dauer angelegt und gibt der baulichen Nutzung des Grundstücks einen neuen Zweck, der bauplanungsrechtliche Belange erheblich berührt. Der Beigeladene nutzt den Platz nicht nur vorübergehend, sondern seit mindestens 2006 jeweils in der Adventszeit zum Verkauf von Christbäumen und vereinzelt auch zu anderen Verkaufsaktivitäten sowie zum Abstellen von Gegenständen. Er hat damit auf seinem Grundstück eine standortgebundene Lager- und Verkaufsstelle eingerichtet.

33

(2) Die planungsrechtliche Zulässigkeit des Vorhabens des Beigeladenen beurteilt sich im Übrigen selbst dann nach § 30 Abs. 1 BauGB, wenn man das Vorliegen einer baulichen Anlage im Sinne des § 29 Abs. 1 BauGB verneinen würde. Denn das Grundstück FlurNr. 6799 ist auch als „Lagerstätte“ im Sinne des § 29 Abs. 1 Halbsatz 2 BauGB zu qualifizieren. Unter diesen Begriff fallen selbst einfache Lagerplätze, die in keiner Weise befestigt sind und daher keine baulichen Anlagen im Sinne von § 29 Abs. 1 Satz 1 BauGB darstellen (vgl. Battis/Krautzberger/Löhr, BauGB, a.a.O., § 29 Rdnr. 22). Der Begriff der Lagerstätte ist weit auszulegen. Er erfasst Grundstücksflächen, auf denen Gegenstände im weitesten Sinne gelagert werden, d.h. abgelegt oder abgestellt werden, unabhängig von dem Zweck, den der Betreiber der Lagerstätte mit der Lagerung verfolgt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 22. Oktober 2002 – 9 VR 13/02 -, juris zur Errichtung von Marktständen). Es kommt nicht darauf an, ob die einzelnen Gegenstände für einen kürzeren oder längeren Zeitraum gelagert oder zum Verkauf ausgestellt werden. So nimmt auch der Wechsel der ausgestellten Gegenstände einem Ausstellungsplatz nicht die Eigenschaft einer Lagerstätte (BVerwG, BauR 1999, 1139 zur Ausstellung von zum Verkauf bestimmten Landmaschinen). Der Begriff der Lagerstätte enthält seinem Wortsinn nach allerdings ein Element der Dauerhaftigkeit; er ist nur dann erfüllt, wenn die Nutzung zur Lagerung oder Ausstellung sich in zeitlicher Hinsicht so verfestigt hat, dass sie die Grundstückssituation prägt. Ob eine Lagerstätte in diesem Sinne besteht, richtet sich nach den Umständen des Einzelfalls und ist aufgrund der objektiven Gegebenheiten nach der Verkehrsauffassung zu beurteilen.

34

Danach liegt hier eine Lagerstätte im Sinne des § 29 Abs. 1 Halbsatz 2 BauGB vor. Unabhängig davon, ob die in der jüngeren Vergangenheit hinzugetretene Nutzung zum Aufstellen von Verkaufsständen und das damit einhergehende Ausstellen von zum Verkauf angebotenen Waren wie Blumen oder Lebensmitteln nur an einigen wenigen Tagen im Jahr oder häufiger stattfindet, ist von einer Dauerhaftigkeit der Nutzung als Lagerstätte bereits durch den jährlich in der Vorweihnachtszeit für die Dauer von rund vier Wochen stattfindenden Christbaumverkauf auszugehen. Diese Nutzung des Grundstücks hat sich in zeitlicher Hinsicht nach der Verkehrsanschauung so verfestigt, dass sie die Grundstückssituation prägt.

35

(3) Der qualifizierte Bebauungsplan „Nord, Änderung III“ der Stadt A-Stadt setzt für den hier maßgeblichen Bereich ein allgemeines Wohngebiet fest. Allgemeine Wohngebiete dienen gemäß § 4 Abs. 1 BauNVO vorwiegend dem Wohnen. Zulässig sind neben Wohngebäuden u.a. nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störende Handwerksbetriebe. Ausnahmsweise können u.a. gemäß § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO sonstige nicht störende Gewerbebetriebe zugelassen werden.

36

Eine Zulassung der Lagerung und des Verkaufs von Christbäumen und des Verkaufs anderer Waren sowie die Nutzung als gewerblicher Lager- und Abstellplatz nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO scheidet aus.

37

In Bezug auf die Verkaufstätigkeit des Beigeladenen im Freien käme eine allgemeine Zulässigkeit allein als „der Versorgung des Gebiets dienender Laden“ in Betracht. Diese Voraussetzungen sind jedoch nicht gegeben. Der in § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO verwendete Rechtsbegriff „Laden“ ist ein eigenständiger Begriff des Bauplanungsrechts, der seinen Sinngehalt von der städtebaulichen Ordnung und nicht etwa aus andern Vorschriften, z.B. den Bestimmungen über die Ladenöffnungszeiten, empfängt. Er ist daher aus der Funktion der Einrichtung für die (Nah-)Versorgung des Gebiets unter Berücksichtigung des Gebietscharakters auszulegen. Danach sind „Läden“ im bauplanungsrechtlichen Sinne Stätten gewerblicher Betätigung mit Kunden- und Publikumsverkehr, in denen Waren zum Verkauf angeboten werde. Sie verfügen über Räumlichkeiten, die unmittelbar von der das Grundstück erschließenden Verkehrsfläche her zugänglich sind (Ziegler in: Brügelmann, BauGB, Stand Oktober 2009, § 2 BauNVO Rdnr. 63). Es ist allerdings keine Voraussetzung, dass der Laden von den Kunden betreten werden kann. Bei weiter Auslegung des Ladenbegriffs können daher auch Stubenläden, Kioske und ähnliche Anlagen, die nach ihrer Funktion einem Laden vergleichbar sind, noch als Laden angesehen werden (Stock in: König/Roeser/Stock, BauNVO, 2. Auflage 2003, § 4 Rdnr. 22; Fickert/Fieseler, BauNVO, 10. Auflage 2002, § 2 Rdnr. 10.1).

38

Dagegen ist die rechtliche Einordnung einer offenen Verkaufsfläche von etwa 500 m² auch bei weiter Auslegung des Begriffs „Laden“ mit dessen Wortsinn nicht mehr vereinbar, da dieser notwendig an das Vorhandensein von Räumlichkeiten anknüpft. Für eine darüber hinausgehende Auslegung im Sinne jeglicher – geschlossener oder offener – Verkaufsfläche besteht nach der gesetzlichen Vorschrift des § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO auch kein Bedürfnis, da eine offene Verkaufsfläche unter den Begriff des „sonstigen Gewerbebetriebs“ im Sinne von § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO fällt und der Gesetzgeber für solche Betriebe ausnahmsweise Zulassungsmöglichkeiten eröffnet hat, wenn sie nicht stören.

39

Eine andere rechtliche Beurteilung ergibt sich auch nicht daraus, dass der Beigeladene auf dem Grundstück FlurNr. 6710 ein Lebensmittelgeschäft betreibt, das nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO zulässig ist. Zwar ist es planungsrechtlich bedeutungslos, dass sich der Betriebssitz des Beigeladenen etwa 50 m entfernt von dem Grundstück FlurNr. 6799 befindet. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (NVwZ 2002, 730), der die Kammer folgt, kann die Zulässigkeit eines Teils eines einheitlichen Gewerbebetriebs im Hinblick auf die Art der baulichen Nutzung in einem bestimmten Baugebiet grundsätzlich nicht anders beurteilt werden als die Zulässigkeit des gesamten Betriebes. Insbesondere macht die räumliche Trennung ein Vorhaben nicht zu einem „selbständigen“ Vorhaben. So bleibt z.B. ein räumlich getrennter Lagerplatz Teil des Gewerbebetriebes und ist als ein solcher zu bewerten (s. dazu BVerwG, NVwZ 2002, 730). Wäre also der (Gesamt-)Betrieb des Beigeladenen gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO grundsätzlich im allgemeinen Wohngebiet zulässig, so ließe es sich unter städtebaulichen Gesichtspunkten nicht rechtfertigen, die mit dem Gewerbebetrieb des Beigeladenen im Zusammenhang stehende Nutzung des Grundstücks FlurNr. 6799 nur bei einer räumlichen Verbindung mit dem Betriebssitz städtebaulich als unbedenklich anzusehen.

40

Städtebaulich unbedenklich sind gemäß § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO in einem allgemeinen Wohngebiet aber nur „Läden“. Die vielfältigen Aktivitäten des Beigeladenen auf dem Grundstück FlurNr. 6799 erfolgen aber – wie ausgeführt – gerade nicht in einer einem Laden zumindest vergleichbaren Art und Weise. Eine einem Laden angeschlossene Freiverkaufsfläche mag als Annex zu dem Laden zulässig sein, wenn sie nur einen untergeordneten Teil der Gesamtfläche in Anspruch nimmt. Dies ist hier aber nicht der Fall, denn die Freiverkaufsfläche auf dem Grundstück FlurNr. 6799 umfasst mehr als 500 m² und ist damit deutlich größer als die Verkaufsfläche in dem Lebensmittelgeschäft auf dem Grundstück Flur. 6710.

41

Selbst wenn man vorliegend aber von einer einem Laden vergleichbaren Verkaufsstätte ausgehen würde, müsste diese der Versorgung des Gebiets dienen (s. § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO). Diese Einschränkung bedeutet, dass Läden im allgemeinen Wohngebiet prinzipiell keine übergebietlichen oder gar zentralen Versorgungsaufgaben für andere Baugebiete übernehmen dürfen. Sie sind nur zulässig, solange sie die speziell im Gebiet wurzelnden Versorgungsbedürfnisse vor allem der Wohnbevölkerung befriedigen. Das zu versorgende Gebiet ist nicht die nähere Umgebung des Vorhabens im Sinne des § 34 Abs. 1 BauGB (BayVGH, BRS 52 Nr. 172), sondern grundsätzlich das konkret festgesetzte allgemeine Wohngebiet (näher dazu Stock in: König/Roeser/Stock, BauNVO, a.a.O., § 4 Rdnr. 14). Ihm muss die Nutzung funktional zugeordnet sein. Allerdings braucht sich der Einzugsbereich des Ladengeschäfts - insbesondere bei kleinen Baugebieten - nicht auf dieses Gebiet zu beschränken, sondern darf sich auch auf andere Baugebiete, namentlich auf angrenzende Wohngebiete erstrecken. Auch verlangt § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO nicht, dass das Ladengeschäft ausschließlich der Versorgung des Gebiets dient, in welchem sein Standort liegt. Vielmehr setzt das Merkmal des „Dienens“ nur voraus, dass das Ladengeschäft nach Lage, Ausstattung und Angebot objektiv geeignet ist, in nicht unerheblichem Umfang zur Versorgung der Menschen im Gebiet beizutragen(BVerwG, NVwZ-RR 1993, 455; Ziegler in: Brügelmann, BauGB, a.a.O., § 2 BauNVO Rdnr. 53; Fickert/Fieseler, BauNVO, a.a.O., § 2 Rdnr. 9). Dabei ist maßgeblich der Zeitpunkt der Genehmigungsentscheidung und die dann absehbare künftige Entwicklung (BVerwG, BRS 60 Nr. 68). Die Kunden, die unter Berücksichtigung der topographischen Verhältnisse und der sonstigen örtlichen Gegebenheiten auf die Benutzung eines Kraftfahrzeuges angewiesen sind, gehören grundsätzlich nicht mehr zur Zielgruppe, deren Versorgung § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO vornehmlich ermöglichen will (BVerwG, BRS 60 Nr. 67). Allerdings schadet es nicht, wenn die im Gebiet Ansässigen mit Kraftfahrzeugen anfahren (OVG Sachsen, BauR 2005, 354). Ein verbrauchernaher Einzugsbereich liegt jedenfalls nicht mehr vor, wenn das Gebiet im Vergleich zu anderen Gebieten objektiv nicht in einem ins Gewicht fallenden Umfang versorgt werden soll oder kann, wenn also die Anlage deutlich überwiegend auf Gebiete anderer Nutzung ausgerichtet ist (Stock in: König/Roeser/Stock, BauNVO, a.a.O., § 4 Rdnr. 15).

42

Hiervon ausgehend dienen der Christbaumverkauf in der Vorweihnachtszeit sowie der Verkauf anderer Waren auf dem Grundstück FlurNr. 6799 nicht mehr der Versorgung des Gebiets.

43

Was den Verkauf von Blumen, Spargel, neuem Wein etc. an bestimmten Sonntagen anbetrifft, ist dieser evident auf den Durchgangsverkehr ausgerichtet; ein nennenswerter Bezug zu der Wohnnutzung der Umgebung ist dagegen nicht ersichtlich. Es ist gerichtsbekannt, dass die A-Straße eine stark befahrene Durchgangsstraße ist, wobei insbesondere an Wochenenden in erheblichem Umfang Ausflugsverkehr in Richtung … und wieder zurück fließt. Den in den Akten befindlichen Fotos kann unschwer entnommen werden, dass der sonntägliche Verkauf auf dem Grundstück FlurNr. 6799 auf die Zielgruppe der gebietsfremden motorisierten Kundschaft ausgerichtet ist. Denn ansonsten wären die zahlreichen und auffälligen provisorischen Werbeanlagen, die sämtlich an der A-Straße positioniert sind, nicht nötig. Eine ladenähnliche Verkaufsstelle, die keinen nennenswerten Bezug zu der Wohnnutzung der Umgebung aufweist, kann aber nicht nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO zugelassen werden.

44

Aus den gleichen Gründen dient auch der Christbaumverkauf nicht der Versorgung des Gebiets. Die Fotos in der Gerichts- und der Verwaltungsakte zeigen, dass das Grundstück FlurNr. 6799 in der Vorweihnachtszeit zumindest zeitweise nahezu vollständig mit Christbäumen bedeckt ist (s. Blatt 88 und 89 der Gerichtsakte). Auch hier sind die Werbeanlagen ausschließlich zur A-Straße angebracht. Der Christbaumverkauf ist daher weit überwiegend auf die gebietsfremden motorisierte Kundschaft ausgerichtet.

45

Das gewerbliche Abstellen und Lagern verschiedener Gegenstände auf dem Grundstück FlurNr. 6799 ist ebenfalls nicht nach § 4 Abs. 2 Nr. 2 BauNVO allgemein zulässig. Dies gilt selbst dann, wenn die gelagerten Gegenstände dem Lebensmittelgeschäft des Beigeladenen auf dem Grundstück FlurNr. 6710 zuzuordnen sein sollten. Zwar ist es, wie bereits ausgeführt, planungsrechtlich unerheblich, dass sich der Laden etwa 50 m entfernt von dem Grundstück FlurNr. 6799 befindet. Die Nutzung des Grundstücks als ausgegliederter „Betriebsteil“ des Ladens kommt aber nur im Rahmen des § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO als „sonstiger nicht störender Gewerbebetrieb“ in Betracht.

46

(4) Es kann hier aber dahinstehen, ob die ausgeübte Nutzung in Form des gewerblichen Abstellens und Lagerns verschiedener Gegenstände auf dem Grundstück FlurNr. 6799 als „nicht störender Gewerbebetrieb“ nach § 4 Abs. 3 Nr. 2 BauNVO grundsätzlich ausnahmsweise zugelassen werden könnte. Denn die Stadt A-Stadt hat nach Ziffer 1.1.1 Satz 2 der textlichen Festsetzungen des hier maßgeblichen Bebauungsplans Ausnahmen nach § 4 Abs. 3 BauNVO ausdrücklich ausgeschlossen.

47

Klarstellend weist die Kammer darauf hin, dass das gelegentliche Abstellen von Kraftfahrzeugen auf dem Grundstück FlurNr. 6799 (s. die Fotos auf Blatt 100 und 101 der Gerichtsakte) vorliegend ohne Relevanz ist. Soweit auf dem Grundstück ab und zu Dritte parken, steht dies im Einklang mit der Bestimmung des § 12 Abs. 2 BauNVO, wonach u.a. in allgemeinen Wohngebieten Stellplätze für den zugelassenen Bedarf zulässig sind. In diesem Zusammenhang kommt es nicht auf den grundstücksbezogenen, sondern auf den gebietsbezogenen Stellplatzbedarf an (BVerwG, NJW 1994, 1546). Da die Kraftfahrzeuge von Dritten geparkt werden, die nach dem eigenen Vortrag des Klägers im Anwesen A-Straße 10 b (FlurNr. 6711/1), das ebenfalls dem Beigeladenen gehört, übernachten, ist ein gebietsbezogenen Stellplatzbedarf gegeben. Dies gilt auch für den für das Ladengeschäft eingesetzten Transporter des Beigeladenen, der ebenfalls gelegentlich auf dem Grundstück FlurNr. 6799 geparkt wird.

48

2. Die Nutzung des Grundstücks FlurNr. 6799 durch den Beigeladenen zum Abstellen und Lagern von Gegenständen, dem Verkauf von Christbäumen in der Weihnachtszeit sowie dem Verkauf sonstiger Waren verstößt gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften, die dem Schutz des Klägers zu dienen bestimmt sind.

49

Grundvoraussetzungen für einen Anspruch auf den Erlass einer Nutzungsuntersagung ist, dass der Kläger als Nachbar durch die nicht genehmigte und nicht genehmigungsfähige Nutzung des Platzes auf dem Grundstück FlurNr. 6799 in seinen Rechten verletzt wird. Die Nutzung muss also gegen - zumindest auch - nachbarschützende Rechte verstoßen; die objektive Rechtswidrigkeit allein reicht nicht aus, um einen Anspruch auf bauaufsichtliches Einschreiten zu begründen (vgl. z.B. BVerwG, NVwZ 1994, 686).

50

Vorliegend verletzt die streitgegenständliche Nutzung den hier aus den §§ 30 Abs. 1 BauGB, § 4 BauNVO herzuleitenden Gebietserhaltungsanspruch des Klägers. Darunter versteht man den Schutzanspruch des Nachbarn auf die Bewahrung der Gebiets art nach der BauNVO (s. ausführlich BVerwG, NJW 1994, 1546). Durch die Festsetzung über die Art der baulichen Nutzung werden die Planbetroffenen im Hinblick auf die Nutzung ihrer Grundstücke zu einer rechtlichen Schicksalsgemeinschaft verbunden. Die Beschränkung der Nutzungsmöglichkeiten des eigenen Grundstücks wird dadurch ausgeglichen, dass auch die anderen Grundeigentümer diesen Beschränkungen unterworfen sind. Soweit die Gemeinden durch die BauNVO zur Festsetzung von Baugebieten ermächtigt werden, schließt die Ermächtigung deshalb ein, dass die Gebietsfestsetzung grundsätzlich nachbarschützend sein muss. Eine nicht nachbarschützende Gebietsfestsetzung würde gegen das Abwägungsgebot des § 1 Abs. 7 BauGB verstoßen (vgl. BVerwG, a.a.O.) Der Nachbar hat auf die Bewahrung der Gebietsart demnach einen Schutzanspruch und zwar auch dann, wenn das baugebietswidrige Vorhaben im jeweiligen Einzelfall noch nicht zu einer tatsächlich spürbaren und nachweisbaren Beeinträchtigung des Nachbarn führt. Im Rahmen des nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnisses soll nämlich jeder Planbetroffene das Eindringen einer gebietsfremden Nutzung und damit die schleichende Umwandlung des Baugebiets verhindern können. Der Abwehranspruch wird daher grundsätzlich bereits durch die Zulassung eines mit der Gebietsfestsetzung unvereinbaren Vorhabens ausgelöst.

51

Die Kammer braucht nicht zu prüfen, ob das Vorhaben des Beigeladenen eventuell im Wege einer Befreiung nach § 31 Abs. 2 BauGB zugelassen werden kann. Das bloße Vorliegen einer Befreiungslage genügt nicht. Solange für das Vorhaben nicht ausdrücklich eine Befreiung erteilt worden ist, ist der Gebietserhaltungsanspruch der Grundstückseigentümer in dem jeweiligen Baugebiet verletzt (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 05. Februar 2010 - 1 B 11365/09.OVG -; OVG Hamburg, BauR 2009, 1556).

52

3. Gemäß § 81 Satz 1 LBauO steht der Erlass einer Nutzungsuntersagungsverfügung im Ermessen der Bauaufsichtsbehörde. Bei Nachbarrechte beeinträchtigenden Baulichkeiten ist das Ermessen der Bauaufsichtsbehörde nach der ständigen Rechtsprechung des OVG Rheinland-Pfalz (vgl. z. B. Urteil vom 25. November 2009 - 8 A 10636/09.OVG -), der die Kammer folgt, regelmäßig dahin reduziert, dass nur noch die Pflicht zur Beseitigung des nachbarrechtswidrigen Zustandes verbleibt. Anhaltspunkte dafür, die eine abweichende Beurteilung hier rechtfertigen könnten, sind weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

53

Die Kostenentscheidung folgt aus den §§ 154 Abs. 1, 154 Abs. 3 VwGO.

54

Die Zuziehung eines Bevollmächtigten durch den Kläger im Vorverfahren war gemäß § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO als notwendig anzuerkennen, weil sie vom Standpunkt einer verständigen, nicht rechtskundigen Partei im Zeitpunkt der Bestellung für erforderlich gehalten werden durfte und es dem Kläger nach seiner Vorbildung, Erfahrung und seinen sonstigen persönlichen Umständen nicht zumutbar war, das Verfahren selbst zu führen (vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 16. Auflage 2009, § 162 Rdnr. 18 m.w.N.).

55

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

56

Beschluss

57

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 7.500 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).

58

Gründe

59

In Verfahren vor den Verwaltungsgerichten ist der Wert des Streitgegenstandes nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen des Gerichts zu bestimmen (§ 52 Abs. 1 GKG). Hierbei orientiert sich die Kammer im Interesse der Einheitlichkeit und Vorhersehbarkeit der Streitwertfestsetzung grundsätzlich an dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit vom Juli 2004 (NVwZ 2004, 1372). Danach ist für die Klage eines drittbetroffenen Nachbarn ein Streitwert von 7.500,00 €, mindestens der Betrag einer Grundstückswertminderung, anzusetzen (vgl. Ziffer 9.7.1). Dieser Streitwert wird nicht nur bei Anfechtungsklagen gegen Baugenehmigungen, sondern auch bei Nachbarklagen auf bauaufsichtsbehördliches Einschreiten angesetzt (s. zuletzt OVG Rheinland-Pfalz, Beschluss vom 17. Februar 2010 – 8 E 10278/10.OVG -).

60

Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit der Beschwerde angefochten werden; hierbei bedarf es nicht der Mitwirkung eines Bevollmächtigten.

Rechtskräftige Urteile binden, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist,

1.
die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger und
2.
im Fall des § 65 Abs. 3 die Personen, die einen Antrag auf Beiladung nicht oder nicht fristgemäß gestellt haben.

(1) Allgemeine Wohngebiete dienen vorwiegend dem Wohnen.

(2) Zulässig sind

1.
Wohngebäude,
2.
die der Versorgung des Gebiets dienenden Läden, Schank- und Speisewirtschaften sowie nicht störenden Handwerksbetriebe,
3.
Anlagen für kirchliche, kulturelle, soziale, gesundheitliche und sportliche Zwecke.

(3) Ausnahmsweise können zugelassen werden

1.
Betriebe des Beherbergungsgewerbes,
2.
sonstige nicht störende Gewerbebetriebe,
3.
Anlagen für Verwaltungen,
4.
Gartenbaubetriebe,
5.
Tankstellen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.