Verwaltungsgericht München Urteil, 08. Apr. 2015 - M 7 K 14.1902

bei uns veröffentlicht am08.04.2015

Tenor

I. Der Bescheid des Kriminalfachdezernats ... vom 31. März 2014 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verurteilt, die in der Anlage K 2 zur Klageschrift aufgeführten Schmuckgegenstände an den Kläger herauszugeben.

II. Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV. Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger begehrt die Herausgabe von im Mai 2007 beschlagnahmten und seit Februar 2009 polizeilich sichergestellten Schmuckstücken.

Am … Mai 2007 wurde die Wohnung des Klägers, der seit … gewerblich als Wohnungsentrümpler, Aufkäufer von Haushaltsgegenständen und Flohmarkthändler tätig war, im Rahmen eines Ermittlungsverfahrens wegen Raubes und Wohnungseinbrüchen durchsucht und dabei Bargeld und eine große Menge Schmuck aufgefunden. Bargeld wurde in Höhe von 11.000,- EUR, der Schmuck zum Teil beschlagnahmt. Nicht beschlagnahmt wurde in einem Pkw-Verkaufsanhänger vorgefundener unechter Schmuck bzw. Modeschmuck im Kilobereich. Im Keller aufgefundene Porzellanfiguren und -teller, Bilder, Kerzenhalter und Glaskaraffen wurden dem Kläger nach Beschlagnahme wieder ausgehändigt. Daneben wurden eine halbautomatische Pistole mit eingeführtem Magazin, ein ebenfalls geladener Trommelrevolver und verschiedene Munition gefunden. Nachfolgend wurde gegen den Kläger wegen gewerbsmäßiger Hehlerei und unerlaubten Waffen- und Munitionsbesitzes ermittelt und er mit Urteil des Amtsgerichts … vom ... Oktober 2008 - … … … … … /08 - wegen unerlaubten Waffenbesitzes zu neun Monaten Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Das Verfahren wegen Hehlerei wurde im Hinblick auf die wegen unerlaubten Waffenbesitzes verhängte Strafe gem. § 154 Abs. 2 StPO unter der Auflage eingestellt, an eine Geschädigte einen Geldbetrag von 2.500,- EUR zu leisten.

Mit Bescheid vom 19. Februar 2009 stellte das Polizeipräsidium M. die am … Mai 2007 anlässlich der Durchsuchung der klägerischen Wohnung beschlagnahmten Schmuckgegenstände im Falle der Aufhebung der Beschlagnahme durch die Staatsanwaltschaft München I im Verfahren … … …06 gestützt auf Art. 25 Nr. 2 PAG sicher. In den Gründen ist u.a. ausgeführt, dass der Kläger teilweise als Hehler für eine überwiegend in M. lebende, aus dem ehemaligen Jugoslawien stammende Einbrecher- und Räuberbande fungiert habe. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung im Mai 2007 sei eine große Menge Schmuck beschlagnahmt worden, der in verschiedenen Taschen von Kleidungsstücken, zwischen der Wäsche, in einer Aktentasche, im Keller und in einem Verkaufsanhänger aufgefunden worden sei, außerdem Bargeld. Bisher hätten fünf Schmuckstücke zugeordnet bzw. durch Geschädigte identifiziert werden können. Eine goldene Damenarmbanduhr stamme aus einem Einbruchsdiebstahl vom … Mai 1999 in D …; die im Sicherstellungsverzeichnis unter Nummern 2 - 5 beschriebenen Schmuckstücke stammten aus einem Wohnungsraub vom ... Juni 2006 in M … Der Kläger habe bei seiner Vernehmung am 24. Mai 2007 zunächst den ihn belastenden Aussagen der dieser Tat Beschuldigten widersprochen und angegeben, diese nicht zu kennen, am 23. Oktober 2007 indes eingeräumt, vier Schmuckstücke, die nachweislich aus einem Wohnungsraub stammten, von dem Beschuldigten Z. erworben zu haben. Die Eigentumsvermutung gem. § 1006 BGB sei widerlegt durch die Angaben der beiden Beschuldigten - einer von ihnen sei mittlerweile zu einer Freiheitsstrafe von drei Jahren und zehn Monaten verurteilt worden - und den Umstand, dass der Kläger weder Eigentumsnachweise habe vorlegen noch glaubhafte Angaben zur Herkunft des Schmuckes habe machen können. Es sei nicht erforderlich, dass der rechtmäßige Eigentümer oder Besitzer bekannt sei.

Diesen Bescheid ließ der Kläger durch seine Bevollmächtigten am … März 2009 vor dem Verwaltungsgericht anfechten (M 7 K 09.1188), mit der Begründung, er sei - mit Ausnahme der im Bescheid unter Nummern 1 bis 5 bezeichneten Gegenstände - Eigentümer der im Sicherstellungsverzeichnis aufgeführten Gegenstände. Es handele sich um Familienschmuck mit hohem materiellen und ideellen Wert bzw. um Schmuck, den der Kläger in Ausübung seines Gewerbes als Wohnungsentrümpler, Aufkäufer von Haushaltsgegenständen und Schmuck sowie Flohmarkthändler rechtmäßig erworben habe. Für den Kläger spreche die gesetzliche Vermutung des § 1006 BGB, die auch nicht durch die Angaben der Beschuldigten widerlegt werde. Allenfalls für die aus einem Wohnungsraub stammenden Schmuckstücke Nummern 2 bis 5 könne die Vermutung widerlegt sein. Nicht der Kläger sei verpflichtet, sein Eigentum im Einzelnen nachzuweisen. Dies obliege vielmehr der Polizei, die jedoch seit der Beschlagnahme im Mai 2007 keine Geschädigten habe ermitteln können. Wenn die Staatsanwaltschaft den Vorwurf hätte nachweisen können, wäre es nicht zur Einstellung des Strafverfahrens wegen Hehlerei gem. § 154 StPO gekommen. Im Übrigen sei die Sicherstellung knapp zwei Jahre nach der Beschlagnahme unverhältnismäßig.

In der mündlichen Verhandlung am 10. Februar 2010 wurde das Verfahren insoweit eingestellt, als der Beklagte eine Aufhebung der Sicherstellung zusagte. Mit Bescheid vom 6. August 2010 änderte das Polizeipräsidium M. den angefochtenen Bescheid vom 19. Februar 2009 dahin ab, dass die Sicherstellung der im Sicherstellungsverzeichnis vom 24. Mai 2007 aufgeführten Gegenstände Asservatennummern 12 sowie 32.4 bis durchgehend 34.16 aufgehoben wurde.

Mit Urteil vom 16. März 2011 (M 7 K 09.1188) stellte das Gericht das Verfahren ein, soweit die Beteiligten die Streitsache für erledigt erklärt hatten und wies die Klage im Übrigen ab, weil das Eigentum Dritter an den sichergestellten Schmuckstücken aufgrund der Indizienlage wesentlich wahrscheinlicher sei als das vom Kläger behauptete Eigentum an den in seinem unmittelbaren Besitz befindlichen Gegenständen. Somit sei die Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB nach Satz 2 dieser Vorschrift als widerlegt und der Kläger nicht als Eigentümer oder rechtmäßiger Besitzer des sichergestellten Schmucks anzusehen. Gegen das Urteil wurde kein Rechtsmittel eingelegt.

Eine zwischen dem 30. Juni und 12. August 2011 ausgehängte öffentliche Bekanntmachung des Polizeipräsidiums M., mit der die tatsächlichen Eigentümer der Schmuckstücke aufgefordert wurden, die ihnen gehörenden Gegenstände abzuholen, blieb ohne Erfolg.

Mit anwaltlichen Schreiben vom 1. Februar 2012 und 11. Juli 2013 ließ der Kläger beim Kriminalfachdezernat ... die Aufhebung der Sicherstellung und die Herausgabe der sichergestellten Schmuckstücke nach Art. 28 Abs. 1 PAG bzw. die Freigabe der sichergestellten Schmuckstücke beantragen.

Mit Schreiben vom 22. Januar 2014 hörte das Kriminalfachdezernat ... den Kläger zu der beabsichtigten Verwertung der Schmuckstücke an. Hiergegen ließ der Kläger am … Februar 2014 durch seinen derzeitigen Prozessbevollmächtigten Einspruch einlegen.

Mit Bescheid vom 31. März 2014 ordnete das Kriminalfachdezernat ... auf der Grundlage von Art. 27 Abs. 1 Nr. 4 PAG bezüglich der am … Mai 2007 beschlagnahmten und mittels Bescheid vom 17. Februar 2009/Abänderungsbescheid vom 3. August 2010 sichergestellten Schmuckgegenstände (aufgeführt im Sicherstellungsverzeichnis vom … Mai 2007) die Verwertung der noch in amtlicher Verwahrung befindlichen Schmuckstücke an (Nr. 1). In den Gründen ist ausgeführt, das Gericht habe festgestellt, dass aufgrund der Indizienlage das Eigentum Dritter wesentlich wahrscheinlich sei als das Eigentum des Klägers. Bei einer Herausgabe der Schmuckstücke an den Kläger würden die Voraussetzungen für die Sicherstellung erneut eintreten, womit diese gem. Art. 28 Abs. 1 Satz 3 PAG ausgeschlossen sei. Da es dies zu verhindern gelte, sei die Verwertungsanordnung auch verhältnismäßig.

Gegen den am 4. April 2014 zugestellten Bescheid ließ der Kläger am Montag, den ... Mai 2014 Klage mit dem Antrag erheben, den Bescheid des Polizeipräsidiums M. vom 31. März 2014 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, die im Sicherstellungsverzeichnis vom … Mai 2007 aufgeführten Schmuckgegenstände (Anlage K 2) herauszugeben.

Der Beklagte beantragte mit Schreiben vom 23. Juni 2014,

die Klage abzuweisen, und führte dazu aus, die Verwertung sichergestellter Gegenstände sei gem. Art. 27 Abs. 1 Nr. 4 PAG zulässig, wenn sie nach einer Frist von einem Jahr nicht an einen Berechtigten herausgegeben werden könnten, ohne dass die Voraussetzungen der Sicherstellung erneut eintreten würden. Eine Herausgabepflicht gegenüber dem Kläger gem. Art. 28 Abs. 1 PAG bestehe nicht, weil er kein Berechtigter sei. Eine Herausgabe an den Dieb oder Hehler oder sonst unrechtmäßigen Besitzer komme nach obergerichtlicher Rechtsprechung nicht in Betracht. Außerdem sei der Zweck der polizeilichen Sicherstellung, der Schutz privater Rechte, nicht dadurch entfallen, dass ein berechtigter Dritter bisher nicht habe ermittelt werden können.

Mit Schreiben vom ... Oktober 2013 wurde die Klage begründet. Der Kläger sei aufgrund schwerer Erkrankungen mittlerweile behindert. Die Voraussetzungen für eine Sicherstellung lägen nicht mehr vor, weil es weder eine gegenwärtige Gefahr abzuwehren gelte noch den Eigentümer oder rechtmäßigen Inhaber der Schmuckstücke vor Verlust oder Beschädigung zu schützen. Seit der Sicherstellung seien fünf Jahre vergangen, in denen ein Berechtigter trotz der Bemühungen des Beklagten nicht habe gefunden werden können. Die Jahresfrist des Art. 27 Abs. 1 Nr. 4 PAG sei abgelaufen. Eine Abwägung aller Belange und eine Ermessensausübung hätten nicht stattgefunden. Der Beklagte rekurriere auf die Rechtslage im Jahr 2009 und habe nicht in Erwägung gezogen, dass sich nach nunmehr fünf Jahren die damals prognostizierte Indizienlage zu Gunsten des Klägers ins Gegenteil verkehrt habe. Die Möglichkeit, dass die Schmuckstücke noch an einen Berechtigten herausgegeben werden könnten, sei auch deshalb ausgeschlossen, weil der Beklagte schon in einem sehr frühen Verfahrensstadium in der Lage gewesen sei, fünf Schmuckstücke an Berechtigte herauszugeben. Es liege ein Ermessensausfall vor.

In der mündlichen Verhandlung vom 8. April 2015 stellten die Beteiligten ihre schriftlich angekündigten Anträge. Sie waren sich darüber einig, dass die in der Anlage K 2 zur Klageschrift aufgeführten Schmuckstücke derzeit noch bei der Polizei sichergestellt sind.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird gem. § 117 Abs. 3 VwGO auf den Inhalt der Gerichts- und Behördenakten verwiesen.

Gründe

Die zulässige, insbesondere gem. § 58 Abs. 1, § 57 Abs. 1, 2 VwGO, § 222 Abs. 1, 2 ZPO, § 188 Abs. 2 BGB fristgerecht erhobene Klage ist begründet.

Die angefochtene Verwertungsanordnung ist rechtswidrig und verletzt den Kläger damit in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Er hat einen Anspruch auf Herausgabe der noch beim Beklagten sichergestellten Schmuckstücke (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO).

Nach Art. 27 Abs. 1 Nr. 4 PAG können sichergestellte Sachen verwertet werden, wenn sie nach einer Frist von einem Jahr nicht an einen Berechtigten herausgegeben werden können, ohne dass die Voraussetzungen der Sicherstellung erneut eintreten würden. Die Jahresfrist, die mit der Sicherstellung am … Februar 2009 zu laufen begonnen hat (vgl. Schmidbauer in Schmidbauer/Steiner, PAG/POG, 4. Aufl. 2011, Art. 27 PAG Rn 8), ist abgelaufen. Streitig ist allein, ob die Schmuckstücke nicht an einen Berechtigten herausgegeben werden können, ohne dass die Voraussetzungen der Sicherstellung erneut eintreten würden. Aus dem letzten Halbsatz dieser Bestimmung ist zu schließen, dass die Voraussetzungen für eine Sicherstellung im Zeitpunkt des Erlasses der Verwertungsanordnung noch vorliegen müssen (Schmidbauer, aaO).

Das Gericht geht sowohl davon aus, dass der Kläger als Berechtigter im Sinne des Art. 27 Abs. 1 Nr. 4 PAG anzusehen ist, als auch davon, dass die Voraussetzungen für eine Sicherstellung bei Erlass der Verwertungsanordnung entfallen waren.

Nach dem Vollzugshinweis zum Polizeiaufgabengesetz Nr. 27.3 ist Berechtigter jeder, der Eigentümer der Sache ist oder ein Recht zum Besitz der Sache hat (beispielsweise Mieter, Pächter, Entleiher, Pfandgläubiger; ebenso Schmidbauer, aaO). Davon, dass dem Kläger ein derartiges Rechts zusteht, ist das Gericht aus den im Urteil vom 16. März 2011 (M 7 K 09.1188) bereits dargelegten Gründen indes nicht überzeugt, vielmehr davon, dass er den sichergestellten Schmuck nicht rechtmäßig erworben hat. Allerdings kann er im maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts einen Herausgabeanspruch gem. Art. 28 Abs. 1 Satz 1 PAG geltend machen. Um einen Wertungswiderspruch zwischen Art. 27 Abs. 1 Nr. 4 PAG und Art. 28 Abs. 1 Satz 1 PAG zu vermeiden - nämlich die Anordnung der Verwertung trotz Bestehens eines Herausgabeanspruchs -, ist nach Auffassung des Gerichts der Begriff des „Berechtigten“ in Art. 27 Abs. 1 Nr. 4 PAG im Sinne des Art. 28 Abs. 1 PAG auslegen.

Danach sind die Sachen zunächst an denjenigen herauszugeben, bei dem sie sichergestellt worden sind (Art. 28 Abs. 1 Satz 1 PAG), und nur, wenn dies nicht möglich ist, an eine andere Person (Art. 28 Abs. 1 Satz 2 PAG). Auch sind die Voraussetzungen für die Sicherstellung vorliegend entfallen. Denn trotz der Bemühungen des Beklagten hat sich kein früherer Besitzer der schon seit Mai 2007 in amtlichen Gewahrsam befindlichen Schmuckstücke gefunden (§ 1006 Abs. 1 Satz 2 BGB), der als wahrer Eigentümer oder Berechtigter in Betracht käme, so dass davon auszugehen ist, dass endgültig niemand mehr durch den amtlichen Gewahrsam vor einem Rechtsverlust geschützt werden kann. Damit ist für die Aufrechterhaltung der Sicherstellung gem. Art. 25 Nr. 2 PAG kein Raum mehr. Die Polizei schützt nach Art. 2 Abs. 2 PAG Rechte Privater nur unter der Voraussetzung, dass gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und ohne polizeiliche Hilfe die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert würde (vgl. BayVGH, B. v. 17. März 2010 - 10 C 09.3011, 10 C 0910 C 09.3012 - juris Rn 15). Im Rahmen der Ermessensausübung ist der wirkliche oder mutmaßliche Wille des Berechtigten maßgebend (vgl. Berner/Köhler/ Käß, PAG, 20. Aufl. 2010, Art. 25 Rn 21). Ferner fehlt es an der Verhältnismäßigkeit. Nach Art. 4 Abs. 3 PAG ist eine Maßnahme nur so lange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist oder sich zeigt, dass er nicht erreicht werden kann.

Allein der zu vermutende deliktische Ursprung der Gegenstände reicht für eine Sicherstellung nach Art. 25 Nr. 2 PAG nicht aus. Ihre Rechtmäßigkeit wird zwar grundsätzlich nicht dadurch berührt, dass im Zeitpunkt ihrer Anordnung der Eigentümer oder rechtmäßige Inhaber, zu dessen Schutz die Maßnahme erfolgt, noch unbekannt ist (a.A. Rachor in Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 5. Aufl. 2012, E 695 bei Aufhebung einer vorherigen Beschlagnahme im Strafverfahren wie vorliegend). Insoweit genügt, dass eine spätere Ermittlung des Eigentümers nicht auszuschließen ist. In diesem Fall dient die Sicherstellung dem Schutz des noch unbekannten Eigentümers vor dem Verlust seines Eigentums. Davon kann aber dann nicht mehr ausgegangen werden, wenn aufgrund des Zeitablaufs und der behördlichen Bemühungen zur Ermittlung eines anderweitigen Berechtigten der Schmuckstücke ein solcher endgültig nicht zu ermitteln ist. Dem Herausgabebegehren lässt sich dann nicht entgegenhalten, dass im Rückschluss aus Art. 28 Abs. 1 Satz 2 PAG davon auszugehen sei, dass nach dem Willen des Gesetzgebers nur an einen Berechtigten herausgegeben werden dürfe (vgl. Berner/Köhler/Käß, aaO, Art. 28 Rn 3). Soweit der Bayerische Verwaltungsgerichtshof den Satz geprägt hat, eine Herausgabe an den Dieb oder Hehler sei ausgeschlossen, (vgl. BayVGH, B. v. 19. November 2010 - 10 ZB 10.1707 - juris Rn 20; ebenso Schmidbauer/Steiner, aaO, Art. 28 PAG Rn 12, der Eigentum, rechtmäßigen Besitz oder ein sonstiges Recht an der Sache, wie z.B. ein Pfandrecht, voraussetzt), ist er davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für die Sicherstellung im Entscheidungszeitpunkt noch vorlagen. Dasselbe gilt für die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen in dem vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof - nicht entscheidungserheblich - in Bezug genommenen Beschluss vom 11. August 2010 (- 5 A 298/09 - juris Rn 45), in dem ein derartiges Herausgabeverlangen als rechtsmissbräuchlich qualifiziert wurde. Die Kammer ist der Auffassung, dass bei Herausgabeverlangen eines mutmaßlichen Diebs oder Hehlers eine dauerhafte Einziehung deliktisch erlangter Vermögensgegenstände auf der Grundlage von Art. 25 Nr. 2 PAG nicht in Betracht kommt. Dies sowie die Übertragung des Eigentums an diesen Gegenständen auf den Staat ist Gegenstand der strafrechtlichen Gewinnabschöpfung in Gestalt des einfachen und erweiterten Verfalls (§§ 73 ff. StGB) und hat in §§ 73 ff. StGB eine abschließende Regelung gefunden (vgl. OVG Bremen, U. v. 24. Juni 2014 - 1 A 255/12 - juris Rn 26; Anschluss VG München, U. v. 10. Dezember 2014 - M 7 K 12.4367 - juris Rn 32 u. U. v. 14. Januar 2015 - M 7 K 13.3043 - unveröffentlicht). Der erweiterte Verfall (§ 73 d StGB) ermöglicht es dem Strafgericht, den Verfall für Gegenstände eines Täters anzuordnen, wenn Umstände die Annahme rechtfertigen, dass diese Gegenstände für rechtswidrige Taten oder aus ihnen erlangt worden sind (OVG Bremen, aaO). Mit dem erweiterten Verfall werden präventive Ziele dahingehend verfolgt, dass verhindert werden soll, dass die bereits eingetretene Störung der Vermögensordnung auch zukünftig fortdauert (BVerfG, B. v. 14. Januar 2004 - 2 BvR 564/95 - juris Rn 70). Der betroffene Straftäter soll deliktisch erlangte Gegenstände nicht behalten; die mit der Bereicherung des Täters verbundene Störung der Rechtsordnung soll nicht auf Dauer bestehen bleiben; dies soll durch die Gewinnabschöpfung verhindert werden (BVerfG, aaO Rn 70). Zugleich sollen Anreize für gewinnorientierte Delikte reduziert werden (BVerfG, aaO Rn 72 ff.). Neben den geltenden strafrechtlichen Vorschriften über die Gewinnabschöpfung ist eine präventiv-polizeiliche Gewinnabschöpfung weder notwendig noch zulässig (OVG Bremen, aaO Rn 46 m.w.N., u.a. auf BVerfG, U. v. 20. März 2002 - 2 BvR 794/95 - juris, das die Vorschriften über die Vermögensstrafe, die keinen Beweis für die deliktische Herkunft der betroffenen Vermögensgegenstände vorsahen, für verfassungswidrig und nichtig erklärt hat).

Vor diesem Hintergrund ist ein Herausgabeverlangen des von der Sicherstellung Betroffenen auch nicht als rechtsmissbräuchlich zu qualifizieren.

Da die streitgegenständlichen Schmuckstücke beim Kläger sichergestellt worden sind und ausgeschlossen werden kann, dass sich noch ein anderweitiger Berechtigter findet, sind sie nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 PAG auch an ihn wieder herauszugeben. Damit aber lagen im maßgeblichen Zeitpunkt ihres Erlasses die Voraussetzungen für eine Verwertungsanordnung nicht mehr vor, so dass diese aufzuheben war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung auf § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 ff. ZPO.

Das Gericht lässt die Berufung nach § 124 a Abs. 1 Satz 1, § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache zu. Die Frage, ob sichergestellte Sachen an denjenigen herauszugeben sind, bei dem sie sichergestellt worden sind, auch wenn er die Sachen mutmaßlich unrechtmäßig erworben hat, sich aber ein wahrer Berechtigter nicht mehr ermitteln lässt, ist eine obergerichtlich noch nicht einheitlich geklärte Rechtsfrage, die sich dem Gericht letzthin vermehrt gestellt hat und deren Klärung aus Gründen der Rechtssicherheit und der mit Blick auf Art. 14 GG erheblichen Folgen für den von der Sicherstellung Betroffenen im allgemeinen Interesse liegt.

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(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

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(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgr

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(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen, 1. wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Bes

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(1) Für die Berechnung der Fristen gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs. (2) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.

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(1) Der Lauf einer Frist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit der Zustellung oder, wenn diese nicht vorgeschrieben ist, mit der Eröffnung oder Verkündung. (2) Für die Fristen gelten die Vorschriften der §§ 222, 224 Abs. 2 und 3, §§ 22

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1006 Eigentumsvermutung für Besitzer


(1) Zugunsten des Besitzers einer beweglichen Sache wird vermutet, dass er Eigentümer der Sache sei. Dies gilt jedoch nicht einem früheren Besitzer gegenüber, dem die Sache gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen ist, es sei

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(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

1.
wenn die Strafe oder die Maßregel der Besserung und Sicherung, zu der die Verfolgung führen kann, neben einer Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten wegen einer anderen Tat rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, nicht beträchtlich ins Gewicht fällt oder
2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Zugunsten des Besitzers einer beweglichen Sache wird vermutet, dass er Eigentümer der Sache sei. Dies gilt jedoch nicht einem früheren Besitzer gegenüber, dem die Sache gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen ist, es sei denn, dass es sich um Geld oder Inhaberpapiere handelt.

(2) Zugunsten eines früheren Besitzers wird vermutet, dass er während der Dauer seines Besitzes Eigentümer der Sache gewesen sei.

(3) Im Falle eines mittelbaren Besitzes gilt die Vermutung für den mittelbaren Besitzer.

(1) Die Staatsanwaltschaft kann von der Verfolgung einer Tat absehen,

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2.
darüber hinaus, wenn ein Urteil wegen dieser Tat in angemessener Frist nicht zu erwarten ist und wenn eine Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung, die gegen den Beschuldigten rechtskräftig verhängt worden ist oder die er wegen einer anderen Tat zu erwarten hat, zur Einwirkung auf den Täter und zur Verteidigung der Rechtsordnung ausreichend erscheint.

(2) Ist die öffentliche Klage bereits erhoben, so kann das Gericht auf Antrag der Staatsanwaltschaft das Verfahren in jeder Lage vorläufig einstellen.

(3) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat bereits rechtskräftig erkannten Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, wieder aufgenommen werden, wenn die rechtskräftig erkannte Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung nachträglich wegfällt.

(4) Ist das Verfahren mit Rücksicht auf eine wegen einer anderen Tat zu erwartende Strafe oder Maßregel der Besserung und Sicherung vorläufig eingestellt worden, so kann es, falls nicht inzwischen Verjährung eingetreten ist, binnen drei Monaten nach Rechtskraft des wegen der anderen Tat ergehenden Urteils wieder aufgenommen werden.

(5) Hat das Gericht das Verfahren vorläufig eingestellt, so bedarf es zur Wiederaufnahme eines Gerichtsbeschlusses.

(1) Zugunsten des Besitzers einer beweglichen Sache wird vermutet, dass er Eigentümer der Sache sei. Dies gilt jedoch nicht einem früheren Besitzer gegenüber, dem die Sache gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen ist, es sei denn, dass es sich um Geld oder Inhaberpapiere handelt.

(2) Zugunsten eines früheren Besitzers wird vermutet, dass er während der Dauer seines Besitzes Eigentümer der Sache gewesen sei.

(3) Im Falle eines mittelbaren Besitzes gilt die Vermutung für den mittelbaren Besitzer.

(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.

(2) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
die Urteilsformel,
4.
den Tatbestand,
5.
die Entscheidungsgründe,
6.
die Rechtsmittelbelehrung.

(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.

(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

(1) Die Frist für ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf beginnt nur zu laufen, wenn der Beteiligte über den Rechtsbehelf, die Verwaltungsbehörde oder das Gericht, bei denen der Rechtsbehelf anzubringen ist, den Sitz und die einzuhaltende Frist schriftlich oder elektronisch belehrt worden ist.

(2) Ist die Belehrung unterblieben oder unrichtig erteilt, so ist die Einlegung des Rechtsbehelfs nur innerhalb eines Jahres seit Zustellung, Eröffnung oder Verkündung zulässig, außer wenn die Einlegung vor Ablauf der Jahresfrist infolge höherer Gewalt unmöglich war oder eine schriftliche oder elektronische Belehrung dahin erfolgt ist, daß ein Rechtsbehelf nicht gegeben sei. § 60 Abs. 2 gilt für den Fall höherer Gewalt entsprechend.

(1) Der Lauf einer Frist beginnt, soweit nichts anderes bestimmt ist, mit der Zustellung oder, wenn diese nicht vorgeschrieben ist, mit der Eröffnung oder Verkündung.

(2) Für die Fristen gelten die Vorschriften der §§ 222, 224 Abs. 2 und 3, §§ 225 und 226 der Zivilprozeßordnung.

(1) Für die Berechnung der Fristen gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs.

(2) Fällt das Ende einer Frist auf einen Sonntag, einen allgemeinen Feiertag oder einen Sonnabend, so endet die Frist mit Ablauf des nächsten Werktages.

(3) Bei der Berechnung einer Frist, die nach Stunden bestimmt ist, werden Sonntage, allgemeine Feiertage und Sonnabende nicht mitgerechnet.

(1) Eine nach Tagen bestimmte Frist endigt mit dem Ablauf des letzten Tages der Frist.

(2) Eine Frist, die nach Wochen, nach Monaten oder nach einem mehrere Monate umfassenden Zeitraum - Jahr, halbes Jahr, Vierteljahr - bestimmt ist, endigt im Falle des § 187 Abs. 1 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher durch seine Benennung oder seine Zahl dem Tage entspricht, in den das Ereignis oder der Zeitpunkt fällt, im Falle des § 187 Abs. 2 mit dem Ablauf desjenigen Tages der letzten Woche oder des letzten Monats, welcher dem Tage vorhergeht, der durch seine Benennung oder seine Zahl dem Anfangstag der Frist entspricht.

(3) Fehlt bei einer nach Monaten bestimmten Frist in dem letzten Monat der für ihren Ablauf maßgebende Tag, so endigt die Frist mit dem Ablauf des letzten Tages dieses Monats.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Zugunsten des Besitzers einer beweglichen Sache wird vermutet, dass er Eigentümer der Sache sei. Dies gilt jedoch nicht einem früheren Besitzer gegenüber, dem die Sache gestohlen worden, verloren gegangen oder sonst abhanden gekommen ist, es sei denn, dass es sich um Geld oder Inhaberpapiere handelt.

(2) Zugunsten eines früheren Besitzers wird vermutet, dass er während der Dauer seines Besitzes Eigentümer der Sache gewesen sei.

(3) Im Falle eines mittelbaren Besitzes gilt die Vermutung für den mittelbaren Besitzer.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Feststellung der Gefährlichkeit seines Hundes durch die Beklagte und deren Anordnung, den Hund außerhalb ausbruchssicherer Grundstücke nur an der Leine und mit einem Maulkorb versehen, zu führen.

2

Der Kläger ist Halter eines männlichen Border Collie-Mischlings mit dem Namen „R.“, geb. am 22.04.2008. Die als Zeugin geladene Frau D. ist Halterin eines Chihuahua-Dackel-Mischlings, geb. am 19.03.2008 namens „T.“.

3

Am 19.08.2011 hielten sich der Zeuge E. mit dem Hund des Klägers sowie die Zeugin D. mit ihrem Hund im Bereich der Grünanlage „Schroteanlage südlich des GuthsMuths-Stadions“ im Stadtteil Stadtfeld West in der Landeshauptstadt A-Stadt auf. Die Grünanlage ist unter Nr. 15 in der Anlage 3 zu § 2 Abs. 3 der Grünanlagensatzung der Beklagten vom 11.11.2010 als Anlage aufgenommen, die vom Leinenzwang für Hunde ausgenommen ist.

4

Gegen 18.30 Uhr kam es zwischen den beiden Hunden zu einer Rangelei im Bereich der so genannten Hundeauslaufwiese, in deren Folge der Hund der Zeugin D. nach deren Beobachtung eine Verletzung am linken Ohr erlitt. Ausweislich des tierärztlichen Berichts der Tierärztlichen Klinik für Kleintiere, Dr. N. und Dr. L. vom 19.08.2011 wurde eine Bissverletzung am linken Ohr festgestellt und eine Wundbehandlung durchgeführt. Die Zeugin D. zeigte der Beklagten am 23.08.2011 den Vorfall vom 19.08.2011 u. a. mit der Erklärung an, der Hund des Klägers habe ihrem Hund die Verletzung zugefügt. Zeugen des Vorfalls seien F. und G. gewesen.

5

Die Beklagte teilte hierauf dem Kläger mit Schreiben vom 05.09.2011 ihre Absicht mit, die Gefährlichkeit des Hundes festzustellen und gab ihm Gelegenheit, sich hierzu zu äußern. Von dieser Möglichkeit machte der Kläger mit Schreiben vom 23.09.2011 Gebrauch. Dabei teilte er u. a. mit, der Sohn seiner Lebensgefährtin habe zum maßgeblichen Zeitpunkt den Hund ausgeführt. Was er und auch die Halterin von „T.“ gemerkt hätten, sei gewesen, dass sich eine läufige Hündin auf der Hundelaufwiese befunden habe. Das habe unter den anwesenden Tieren, vor allem unter den Rüden, Erregung und Unruhe ausgelöst. So sei es auch zu einer Rangordnungsrangelei zwischen „R.“ und „T.“ mit der Folge einer Verletzung des kleinen Rüden „nach Angaben der Halterin“ gekommen. Einen gezielten Biss von „R.“ oder gar mehrerer glaube er nicht, diese hätte schwerwiegende Folgen gehabt. (der Sohn der Lebensgefährtin) habe ihm gesagt, die Wunde habe nicht mehr geblutet, als die Halterin mit „T.“ den Platz verlassen habe. Der Aufforderung zu einer Zeugenbefragung durch die Beklagte kam Herr F. nicht nach.

6

Mit Bescheid vom 24.11.2011, dem Kläger zugestellt am 26.11.2011, stellte die Beklagte die Gefährlichkeit des Hundes des Klägers fest (Ziffer 1) und gab dem Kläger auf, bis zur Entscheidung über den Antrag auf Erlaubnis zur Haltung des Hundes, den Hund außerhalb ausbruchssicherer Grundstücke nur von dem Kläger persönlich an einer Leine und mit Maulkorb versehen zu führen (Ziffer 2).

7

Am 22.12.2011 suchte der Kläger bezüglich der streitbefangenen Verfügung wegen darin enthaltenen Sofortvollzuges das Gericht um Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes nach. Den Eilrechtsschutzantrag lehnte das Gericht mit Beschluss 1 B 404/11 MD vom 16. Januar 2012 als unbegründet ab, da sich der von dem Kläger angefochtene Bescheid der Beklagten vom 24.11.2011 als rechtmäßig erweise.

8

Am 17.04.2012 stellte der Kläger gegenüber der Beklagten den Antrag auf Erteilung einer Erlaubnis zur Haltung eines gefährlichen Hundes und teilte diesbezüglich u. a. mit, „R.“ werde vier Jahre alt und sei mindestens 2.000 Mal auf diesem Hundeplatz ausgelaufen. Der einmalige und ohne größere Schäden (6,81 Euro Wundbehandlungskosten) verlaufende Vorfall rechtfertige nicht derartige massive Übergriffe durch das Magdeburger Ordnungsamt.

9

Mit Widerspruchsbescheid vom 27.07.2012 wies das Landesverwaltungsamt Sachsen-Anhalt den gegen den streitbefangenen Bescheid der Beklagten gerichteten Widerspruch vom 18.05.2012 als unbegründet zurück.

10

Am 25.08.2012 hat der Kläger Klage erhoben. Zur Begründung trägt er vor: Es beständen berechtigte Zweifel an den Angaben der Hundehalterin von „T.“. Als „T.“ auf die Hundelaufwiese gekommen sei, hätten die Hunde „P.“, eine französische Bulldogge, und „R.“ miteinander gespielt. „T.“ habe „P.“ unablässig verfolgt und bedrängt. „R.“ habe „T.“ nicht ohne Vorwarnung angegriffen, sondern „T.“ sei auf „R.“ losgegangen, indem er in Richtung „R.“ gesprungen sei und diesen zu beißen versucht habe, wobei „T.“ dem „R.“ leicht an dessen Maul verletzt habe, wodurch „R.“ leicht am Maul geblutet habe. „R.“ habe dann „T.“ gedroht, wie es unter Rüden nicht unüblich sei, indem er „T.“ zurückgedrängt und diesen angeknurrt, sowie sich über den körperlich kleinen Hund gestellt habe, ohne jedoch „T.“ zu beißen, wie von der Hundehalterin behauptet.

11

Zudem sei das Gesetz zur Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren verfassungswidrig, und werde diesbezüglich darauf hingewiesen, dass wegen der „verfassungswidrigen Anwendung“ des Hundegesetzes in Sachsen-Anhalt mehrere Tierschutzvereine Protest im Landtag eingelegt hätten. Der Kläger hat Frau F. und Frau H. als Zeugen des Vorfalls benannt.

12

Der Kläger beantragt,

13

wie erkannt.

14

Die Beklagte beantragt,

15

die Klage abzuweisen.

16

Sie hält die angefochtenen Bescheide für rechtmäßig.

17

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes wird Bezug genommen auf den Inhalt der Gerichtsakte, den in der Sache ergangenen Eilbeschluss 1 B 404/11 MD vom 16.01.2012, den von der Beklagten übersandten Verwaltungsvorgang sowie die Niederschrift der mündlichen Verhandlung vom 25.11.2014.

Entscheidungsgründe

18

Die zulässige Klage ist begründet.

19

Der Bescheid der Beklagten vom 24.11.2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides des Landesverwaltungsamtes Sachsen-Anhalt vom 25.07.2012 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

20

Im Ergebnis der mündlichen Verhandlung einschließlich der Beweisaufnahme durch Vernehmung der Zeugen D., F., H. und E. ist nicht erwiesen, dass der Hund des Klägers den Hund der Zeugin D. gebissen oder sonst ein verhalten gezeigt hat, welches auf eine über das natürliche Maß hinausgehende Aggressivität hinweist.

21

Nach § 4 Abs. 4 GefHuG LSA hat die zuständige Behörde, die einen Hinweis darauf erhält, dass ein Hund eine gesteigerte Aggressivität aufweist, insbesondere Menschen oder Tiere gebissen oder sonst eine über das natürliche Maß hinausgehende Kampfbereitschaft, Angriffslust oder Aggressivität gezeigt hat, diesen Hinweis von Amts wegen zu prüfen (Satz 1). Ergibt die Prüfung Tatsachen, die den Verdacht rechtfertigen, dass von dem Hund eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht, so stellt die Behörde fest, dass der Hund gefährlich ist (Satz 2).

22

Nach der gesetzlichen Wertung ist dabei für ein Einschreiten der zuständigen Behörde nicht erforderlich, dass bereits Tatsachen vorliegen, welche die Gefährlichkeit eines Hundes i. S. d. § 3 Abs. 3 GefHuG LSA belegen. Dies betrifft vorliegend insbesondere die Voraussetzungen von Ziffer 2) der vorgenannten Regelung, wonach im Einzelfall gefährliche Hunde insbesondere Hunde sind, die sich als bissig erwiesen haben. Es reicht hierzu aus, wenn aufgrund von Tatsachen lediglich ein „Verdacht“ auf die Gefährlichkeit des Hundes im vorgenannten Sinn besteht. Denn nach Sinn und Zweck des Gesetzes zur Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren vom 23.01.2009 (BVBl. LSA 2009, 22 - vgl. § 1 GefHuG LSA) soll den zuständigen Behörden eine wirksame Vorsorge gegen durch Hundeangriffe drohende Schäden für Menschen oder Tiere ermöglicht werden. Hintergrund dieses Gesetzes sind immer wieder in den Blick der Öffentlichkeit geratene bundesweit aufgetretene Unglücksfälle mit Hunden, bei denen Menschen oder Tiere zum Teil schwere Verletzungen erlitten haben und es auch zu Todesfällen gekommen ist. Im Gemeinwohlinteresse an einer effektiven Gefahrenvorsorge im Hinblick auf die von Hunden ausgehenden potentiellen Gefahren hat der Landesgesetzgeber dementsprechend mit § 4 Abs. 4 GefHuG LSA eine Rechtsgrundlage geschaffen, mit der bereits bloße Risiken zukünftiger Schädigungen durch Hunde vermieden werden sollen (vgl. Nds. OVG, B. v. 12.05.2005 - 11 ME 92/05 -, zitiert nach juris, zur insoweit wortgleichen Regelung des § 3 Abs. 2 Nds. Gesetz über das Halten von Hunden vom 12.12.2002, Nds. GVBl. 2003, 2). Der Gesetzgeber in Sachsen-Anhalt hat eine niedrige ordnungsrechtliche Eingriffsschwelle bestimmt, indem er für die Feststellung der Gefährlichkeit eines Hundes im Einzelfall im Sinne einer Gefahrenvorsorge einen bloßen Gefahrenverdacht ausreichen lässt. Erhält die zuständige Behörde, etwa durch die Anzeige eines betroffenen Hundehalters, aufgrund einer Information der Fachaufsichtsbehörde, Presseberichten oder allgemeinen polizeilichen Hinweisen, die Kenntnis auf eine gesteigerte Aggressivität eines Hundes, so hat sie dem von Amts wegen nachzugehen (§ 4 Abs. 4 S. 1 GefHuG LSA). Ergeben sich hiernach Tatsachen, die den Verdacht rechtfertigen, dass von dem Hund eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit ausgeht, so stellt die Behörde dessen Gefährlichkeit fest (§ 4 Abs. 4 S. 2 GefHuG LSA). Ein ordnungsbehördliches Einschreiten ist demnach bereits dann gerechtfertigt, wenn aufgrund der festgestellten Tatsachen zwar nicht gewiss ist, es aber zumindest als möglich erscheint, dass der Hund zukünftig ein Rechtsgüter Dritter schädigendes Verhalten zeigt (vgl. zum Begriff des Gefahrenverdachts: Lisken/Denninger, Handbuch des Polizeirechts, 4. Auflage 2007, Kapitel E, Rn. 48). Der Gesetzgeber in Sachsen-Anhalt wollte ein möglichst frühzeitiges ordnungsbehördliches Einschreiten ermöglichen, um dadurch künftige Beißvorfälle mit Hunden weitgehend zu minimieren und Gefahren für die öffentliche Sicherheit wirksam vorzubeugen, die mit dem Halten und Führen von Hunden verbunden sein können (vgl. Begründung des Gesetzentwurfs in LT-Drs. 5/1011, S. 11; Pietzsch, LKV 2010, 241). Die Fähigkeit eines Hundes zu sozialverträglichem Verhalten ist nach Feststellung der Gefährlichkeitsvermutung allein im Rahmen eines Wesenstests i. S. v. § 10 Abs. 1 GefHuG LSA nachzuweisen (OVG LSA, B. v. 29.11.2011 - 3 M 484/11 -, zitiert nach juris, Rn. 5 m. w. N.).

23

Diese Voraussetzungen sind hier nicht gegeben, denn ungeachtet der zu treffenden Prognoseentscheidung setzt diese eine Tatsachenermittlung durch die Behörde voraus. Erst wenn die Behörde ihrer Pflicht aus §§ 1 Abs. 1 Satz 1 VwVfG LSA, 24 VwVfG (Untersuchungsgrundsatz) hinreichend nachgekommen ist, eröffnet sich der Raum für die Gefährlichkeitsprognose. Letzteres war weder im Zeitpunkt des Erlasses des hier angefochtenen Bescheides, noch bis zum Erlass des Widerspruchsbescheides vom 25.07.2012 der Fall. Zwar hatte die Zeugin D. einen Vorfall bei der Beklagten am 23.08.2011 angezeigt und erklärt, dass der Hund des Klägers ihren eigenen Hund in das linke Ohr gebissen habe. Dagegen hatte der Kläger indes erklärt, dass er nicht glaube, dass es sich um einen gezielten Biss gehandelt habe, sondern vielmehr um die Folge einer Rangordnungsrangelei. Ausgehend hiervon hätte die anschließende Gefährlichkeitsprognose einer weiteren Sachverhaltsermittlung von Amts wegen, etwa durch Befragung aller von der Anzeigenerstatterin angegebenen Zeugen bedurft.

24

Im Ergebnis der Beweisaufnahme durch die Kammer konnte nicht mit der hierfür nötigen Überzeugungsgewissheit des Gerichts aufgeklärt werden, dass der Hund des Klägers den Hund der Zeugin D. gebissen hat. Die Zeugin erklärte, sie habe die Rangelei der Hunde erst gesehen, als ihr Hund aufjaulte. Hier habe sich der Hund des Klägers bereits über ihrem Hund befunden und Kopfbewegungen nach unten in Richtung ihres Hundes gemacht. Hieraus habe sie geschlossen, dass es sich um Beißversuche handelte. Später habe sich die Verletzung am Ohr und Blut bei ihrem Hund gesehen. Hiermit stimmt im Wesentlichen die Aussage des Zeugen E. überein, nur dass dieser keine „Beißbewegungen“ des klägerischen Hundes gesehen hat. Alle weiteren durch das Gericht vernommenen Zeugen schilderten die Begleitumstände des Vorfalls unterschiedlich, haben aber – insoweit übereinstimmend – ebenfalls keinen Beißvorgang im Sinne des Zusammenklappens beider Kiefer des Hundes mit einer hierdurch verursachten Verletzung gesehen. Übereinstimmend erklärten der Zeuge F. und die Zeugin H. allerdings, dass es eine Rangordnungsstreitigkeit zwischen den Hunden wegen einer läufigen Hündin gegeben habe. Ob es im Zuge dieser Rangelei bereits zu der Verletzung des Hundes der Zeugin D. gekommen ist, konnte nicht geklärt werden und kann auch dahinstehen. Denn ob ein Hund im Rahmen eines artgerechten Verteidigungsverhaltens gebissen hat (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 15.11.2013 – 11 LA 100/13 -, n. juris), bedarf erst der näheren Aufklärung, wenn feststeht, dass er überhaupt gebissen hat. Letzteres ist vorliegend indes nicht feststellbar.

25

Mithin rechtfertigt das Vorkommnis am 19.08.2011 nicht den Verdacht, dass von dem Hund des Klägers eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes zur Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren reicht dieser Vorfall für die streitgegenständliche Feststellung der Gefährlichkeit des Hundes „R.“ nicht aus.

26

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

27

Die vorläufige Vollstreckbarkeit hat ihre Grundlage in den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

28

Die Streitwertentscheidung beruht auf § 52 Abs. 2 GKG.


Tenor

I.

Der Beklagte wird verpflichtet, die mit Bescheid vom ... Juni 2013 sichergestellten Gegenstände an den Kläger herauszugeben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II.

Die Kosten des Verfahrens werden gegeneinander aufgehoben.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich gegen eine polizeiliche Sicherstellung.

Am ... Dezember 2011 gegen 22:55 Uhr stellten Polizeibeamte beim Kläger anlässlich einer Personenkontrolle nach dem Schengener Übereinkommen in der Schalterhalle des ...-bahnhofs und bei der anschließenden Wohnungsdurchsuchung wegen des Tatverdachts der gewerbsmäßigen Hehlerei insgesamt sechzehn Apple iPads und vier Mobiltelefone der Marken Apple iPhone und Samsung Galaxy sicher. Auf die Frage der Polizeibeamten, ob er in den beiden ersichtlich schweren Reisetaschen verbotene oder gefährliche Gegenstände mit sich führe, gab der Kläger an, es handele sich um Kleidungsstücke. Er sei soeben mit dem Zug aus ... gekommen, wo er sich ein paar Tage aufgehalten habe. Die Durchsuchung der Reisetaschen ergab, dass der Kläger vierzehn originalverpackte Apple iPads mit sich führte. Auf Frage gab er an, er habe diese in einem Laden in ... gekauft; auf weitere Frage nach dem Geschäftsort änderte er seine Angaben dahin ab, dass er sie in einer Gaststätte von einem ihm unbekannten Verkäufer ohne Rechnung für 5.250,- EUR gekauft habe, mit dem er sich am Bahnhof ... getroffen habe. Den Verkäufer namens „...“ habe er über E-Bay-Kleinanzeigen kennen gelernt. Auf die Frage, ob er etwas über die Herkunft der Geräte erfahren habe, erklärte der Kläger, „...“ habe gesagt, er habe Verbindungen nach Kambodscha. Er benötige keine Rechnung, weil man bei Apple eine direkte Garantie habe. Personen- und Kontaktdaten zu „...“ konnte der Kläger nicht nennen, ebenso wenig einen E-Mail-Verkehr nachweisen. Zur beabsichtigten Verwendung befragt, erklärte er, er wolle die Geräte seiner Familie und seinen Bekannten in der Türkei schicken.

Bei einer anschließenden Durchsuchung der Wohnung des Klägers, der er zustimmte, wurden zwei weitere originalverpackte iPads und vier Mobiltelefone der Marken Apple iPhone und Samsung Galaxy aufgefunden. Hierzu gab der Kläger an, die beiden iPads stammten aus einem bereits Monate zurückliegenden E-Bay-Geschäft. Kaufbelege konnte er nicht vorlegen.

Die weiteren Ermittlungen ergaben, dass die Firma Apple die iPads an die Firma ... GmbH in ... geliefert hatte, welche sie auf der Homepage der Firma ... vertrieb. Die Geräte wurden sodann zwischen dem 15. November und 8. Dezember 2011 an verschiedene Packstationen im Allgäuer Raum versandt, wo verschiedene Personen sie abholten. Die Firma ... beglich die Kaufpreisforderungen der Firma ... GmbH. Bis Sommer 2013 konnte kein Geschädigter, keine Tatzeit, kein Tatort oder weitere Umstände ermittelt werden. Das Kommissariat ... ging davon aus, dass die voraussichtlich geschädigte Firma ... aufgrund ihrer Insolvenz keine Angaben mehr machen würde (Bl. 70 der Behördenakte). Drei der vier in der Wohnung des Klägers aufgefundenen Mobiltelefone waren auf fremde Inhaber registriert, die sich auf ein polizeiliches Schreiben nicht meldeten bzw. angaben, nie im Besitz des Telefons gewesen zu sein bzw. nicht mehr im Besitz des Telefons zu sein. Zu dem Gerät Samsung konnte nichts ermittelt werden.

Im Bundeszentralregister ist der Kläger mit folgenden Einträgen erfasst:

- Verurteilung durch das Amtsgericht ... am ... Juli 2000 wegen gemein- schädlicher Sachbeschädigung zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen (833 Cs 232 Js 215672/00).

Dem lag zugrunde, dass der Kläger in einer Telefonzelle so lange gegen die Scheiben getreten hatte, bis eine davon heraussprang.

- Verurteilung durch das Amtsgericht ... am ... Mai 2003 wegen vorsätzlichen Fahrens ohne Fahrerlaubnis zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen (911 Cs 481 Js 109112/03).

- Verurteilung durch das Amtsgericht ... am ... November 2007 wegen Diebstahls zu einer Geldstrafe von 150 Tagessätzen (833 Cs 232 Js 228774/07)

Dieser Verurteilung lag der Diebstahl eines Computers im Wert von 899,- EUR bei der ... GmbH zugrunde.

- Verurteilung durch das Amtsgericht ... am ... Dezember 2007 wegen Sachbeschädigung und Nachstellung zu einer Geldstrafe von 50 Tagessätzen (840 Cs 232 Js 216247/07)

Dem lag zugrunde, dass der Kläger unbefugt die Wohnung seiner Ex-Freundin betreten, dort eine Tür beschädigt, der Freundin nachgestellt und gegen das Gewaltschutzgesetz verstoßen hatte.

- Verurteilung durch das Amtsgericht ... am ... Januar 2009 wegen Beleidigung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen (4 Cs 307 Js 145138/08).

Im Kriminalaktennachweis ist der Kläger mit 17 Eintragungen erfasst, auf die Bezug genommen wird.

Mit Bescheid vom ... Juni 2013 stellte das Kriminalfachdezernat ..., Kommissariat ... die sechzehn Apple iPads und vier Mobiltelefone der Marken Apple iPhone und Samsung Galaxy nach Art. 25 Nr. 2 PAG im Falle der Aufhebung der Beschlagnahme durch die Staatsanwaltschaft... im Verfahren 233 Js 120887/12 sicher (Nummer 1). Unter Nummer 2 des Tenors wurde mit der Sicherstellung und Überführung der Gegenstände in ein öffentlichrechtliches Verwahrungsverhältnis gleichzeitig ein gesetzliches Veräußerungsverbot verfügt. Weiter wurde der Sofortvollzug gem. § 80 Abs. 2 Nr. 4, Abs. 3 VwGO angeordnet (Nummer 3). In den Gründen ist ausgeführt, dass unter Berücksichtigung der Auffindesituation, der Anzahl der originalverpackten Geräte, des Fehlens geeigneter Herkunftsnachweise und der zum Teil widersprüchlichen und nicht schlüssigen Angaben davon auszugehen sei, dass der Kläger nicht als Berechtigter anzusehen sei, so dass durch eine Aushändigung das Eigentums- und Besitzrecht zulasten des rechtmäßigen Eigentümers widerrechtlich ausgeübt werde. Die sich aus § 1006 BGB ergebende Eigentumsvermutung sei widerlegt durch die widersprüchlichen Angaben am... Dezember 2011. Allein der Wert der angeblich von „...“ in einer Gaststätte erworbenen Geräte liege weit über 5.000,- EUR, nämlich bei insgesamt 10.086 EUR. Auch später habe der Kläger keine glaubhaften Angaben machen können und die Möglichkeit einer Beschuldigtenvernehmung nicht wahrgenommen. Er sei auch in der Vergangenheit schon strafrechtlich, u. a. wegen Eigentumsdelikten, in Erscheinung getreten. Die Angabe, dass er die Geräte in die Türkei zu seiner Familie und Freunden habe mitnehmen wollen, sei als Schutzbehauptung zu werten. Dass die wahren Eigentümer nur unter großen Schwierigkeiten und möglicherweise gar nicht ermittelt werden könnten, lasse die Sicherstellung nicht als unverhältnismäßig erscheinen. Sie sei angezeigt und ermessensgerecht (Art. 5 PAG). Die sofortige Vollziehung sei erforderlich, um die wahren Berechtigten vor einem Verlust der sichergestellten Gegenstände zu bewahren. Es lägen eine Vielzahl von Anhaltspunkten für einen unrechtmäßigen Erwerb vor. Die aufschiebende Wirkung einer Klage würde den Zweck der Sicherstellung vereiteln. Es bestehe die Besorgnis, dass ein behördlicher Zugriff auf die Gegenstände bei Herausgabe an den Kläger nicht gewährleistet sei.

Ein gegen den Kläger geführtes Ermittlungsverfahren wegen Hehlerei (233 Js 120887/12) wurde mit Verfügung der Staatsanwaltschaft ... vom ... Juni 2013 gem. § 170 Abs. 2 StPO mit der Begründung eingestellt, dem Kläger sei eine Hehlerei nicht mit der für eine Verurteilung erforderlichen Wahrscheinlichkeit nachzuweisen. Seine Einlassung zum Erwerb der Gegenstände könne ihm nicht widerlegt werden. Insbesondere habe weder ein Geschädigter noch ein genauer Tatort ermittelt werden können.

Im Zusammenhang mit Ermittlungen wegen Warenkreditbetrugs, die Mobiltelefone zum Gegenstand hatten, gab ein Beschuldigter an, dass der Kläger, mit dem er nachweislich seit dem ... Juni 2013 Kontakt hatte, ihm mehrfach hochpreisige betrügerisch erlangte Mobiltelefone abgenommen habe. Deshalb wurde am ... Juli 2013 die Wohnung des Klägers durchsucht und dabei mehrere Mobiltelefone aufgefunden. Der Kläger gab an, mehrfach Mobiltelefone über Kleinanzeigen erworben zu haben und im Nebenerwerb defekte Geräte zu reparieren. Ansonsten machte er keine Angaben zur Sache. Er hatte selbst mehrere Mobiltelefone in Gebrauch. Da die zunächst bei ihm sichergestellten Mobiltelefone nicht mit den gesuchten Geräten identisch waren, wurden sie ihm am ... Juli 2013 wieder herausgegeben. Das am ... Juli 2013 gegen den Kläger eingeleitete Ermittlungsverfahren wegen Hehlerei (814 Ds 248 Js 198161/13) wurde mit Beschluss des Amtsgerichts ... gem. § 153 a Abs. 2 StPO eingestellt.

Am ... Juli 2013 erhob der Kläger zur Niederschrift des Urkundsbeamten des Gerichts Klage, zuletzt mit dem Antrag,

den Bescheid des Kriminalfachdezernats ..., Kommissariat ..., ..., vom ... Juni 2013 aufzuheben, hilfsweise, ihm die am ... Dezember 2011 sichergestellten Gegenstände entsprechend dem angefochtenen Bescheid auszuhändigen.

Gleichzeitig stellte er einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO (M 7 S 13.3045).

Das Polizeipräsidium ... beantragte mit Schreiben vom ... September 2013,

die Klage abzuweisen,

und nahm umfangreich zu den Vorfällen Stellung, bei denen der Kläger polizeilich bzw. strafrechtlich in Erscheinung getreten ist. Zur Rechtslage wurde u. a. ausgeführt, dass eine Beschlagnahme der Gegenstände nach §§ 111 b StPO ff. einer nachfolgenden Sicherstellung nach Art. 25 PAG, die ein selbstständiges Rechtsinstitut darstelle, nicht entgegenstehe. Das gleiche gelte für die Verfahrenseinstellung nach § 170 Abs. 2 StPO, weil sich aus ihr nicht ergebe, dass der Kläger die Gegenstände rechtmäßig erworben habe. Allein aufgrund der verbliebenen Verdachtsmomente könne ein Bedürfnis für die Aufrechterhaltung von polizeilichem Gewahrsam bestehen. Die Beweislastregel des § 1006 BGB könne aufgrund von Indizien und Erfahrungssätzen widerlegt werden, mit der Folge, dass sich die Beweislast umkehre. Der Betroffene habe dann den Nachweis des von ihm behaupteten Eigentums an den sichergestellten Gegenständen zu erbringen, d. h. nach zutreffender Auffassung über die konkreten Erwerbsumstände Auskunft geben. Vorliegend sprächen die Anzahl der originalverpackten Geräte, die widersprüchlichen bzw. nicht schlüssigen Angaben, das Fehlen von Kaufbelegen sowie der behauptete, viel zu niedrige Kaufpreis für die iPads ohne plausible Erklärung gegen das Eigentum des Klägers. Im Rahmen der Bewertung der Glaubwürdigkeit des Klägers bzw. der Glaubhaftigkeit seiner Angaben seien die polizeilichen Vorerkenntnisse zu berücksichtigen. Er sei fähig und bereit, Strafgesetze zu verletzen, um sich Vorteile zu verschaffen. Den Straftaten sei zu entnehmen, dass eine Hemmschwelle gegenüber der Verletzung fremden Vermögens und Eigentums nicht bestehe. Angesichts der Fülle von Beweisanzeichen, die gegen das Eigentum des Klägers sprächen, kehre sich die an sich bei der Behörde liegende materielle Beweislast um, mit der Folge, dass der Kläger seinerseits den Nachweis des von ihm behaupteten Eigentums an den sichergestellten Gegenständen zu erbringen habe. Dies gelte auch für den Fall, dass der wahre Eigentümer oder rechtmäßige Gewahrsamsinhaber nicht ermittelt werden könne. Eine weitere Benutzung durch den Kläger sei jedenfalls missbräuchlich.

Am ... Oktober 2013 wurde gegen den Kläger ein Ermittlungsverfahren wegen Betrugs (233 Js 213219/13) eingeleitet, nachdem die Polizei bei einem türkischen Kurierfahrer ein iPhone 5 aufgefunden hatte, das zur Fahndung ausgeschrieben war und das dieser nach seinen Angaben über Kleinanzeigen vom Kläger in der Originalverpackung erworben hatte. In diesem Ermittlungsverfahren gab der Kläger am ... November 2013 an, das Mobiltelefon im Juli 2013 auf einem Flohmarkt in ... erworben zu haben. Kaufbelege konnte er nicht vorweisen. Das Verfahren wurde gem. § 170 Abs. 2 StPO eingestellt.

Zur Begründung seines Eilantrages ließ der Kläger seine Bevollmächtigte mit Schriftsatz vom ... Mai 2014 vortragen, dass das Ermittlungsverfahren wegen Hehlerei nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellt worden sei. Da damit kein genügender Anlass zur Erhebung öffentlicher Klage gegeben sei, seien die Voraussetzungen des Art. 25 Nr. 2 PAG nicht erfüllt. Unter Bezugnahme auf die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 1. Dezember 2011 - 10 B 11.480 - wurde ausgeführt, dass auch vorliegend zu gelten habe, dass zu voller richterlicher Überzeugung feststehen müsse, dass der Betroffene weder Eigentümer noch rechtmäßiger Besitzer und wahrer Eigentümer ein Dritter sei. Ein Verdacht reiche insoweit nicht aus, zumal dieser sich seit zwei Jahren und fünf Monaten nicht habe erhärten lassen. Aus den Schreiben des Kriminalfachdezernats vom ... Oktober 2012 und ... Mai 2013 ergebe sich, dass alle iPads von der Firma Apple an eine Firma ... GmbH ausgeliefert und dann über die Homepage der Firma ... weiterverkauft worden seien. Die Firma ... GmbH habe den Kaufpreis erhalten. Auch die Firma ... habe den Ermittlungsbehörden keinen Schaden und keine Unstimmigkeiten gemeldet. Bis zum Abschluss der Ermittlungen hätten weder ein Geschädigter, eine Tatzeit, ein Tatort noch weitere Umstände ermittelt werden können. Dabei sei zu berücksichtigen, dass sämtliche sichergestellten Geräte mit einer Seriennummer versehen seien und daher im Fall eines tatsächlich unrechtmäßigen Erwerbes die vermeintlich wahren Eigentümer hätten festgestellt werden können. Soweit sich der Beklagte auf widersprüchliche Angaben berufe, überzeuge dies nicht. Es sei weder verboten, mehrere gleichartige elektronische Geräte zu erwerben, noch könne von einem günstigen Geschäftsabschluss zwangsläufig auf die Unrechtmäßigkeit dieses Geschäftsabschlusses oder dessen Nichtvorliegen geschlossen werden. Es sei durchaus nachvollziehbar, dass der Erwerb mehrerer gleichartiger elektronischer Geräte zu einem deutlich günstigeren Preis führe. Es bestehe auch keine gesetzliche Verpflichtung, eine Rechnung vorzulegen. Die Darstellung des Beklagten reduziere sich daher letztlich auf die „polizeilichen Vorerkenntnisse“ über den Kläger. Doch auch hier erschließe sich nicht, warum Vorfälle wie Sachbeschädigung, Fahren ohne Fahrerlaubnis oder Beleidigung dazu führen sollten, dass die Eigentumsvermutung des § 1006 BGB widerlegt sei, umso mehr, als diese Vorfälle ganz überwiegend mehrere bis viele Jahre zurücklägen. Außerdem verletze die Sicherstellung das Gebot der Verhältnismäßigkeit, da keine Anhaltspunkte für die Berechtigung Dritter vorlägen und die Geräte zwischenzeitlich bereits erheblich an Wert verloren hätten.

Dazu nahm der Beklagte mit Schreiben vom ... Juni 2014 dahingehend Stellung, dass nach der Rechtsprechung eine Verfahrenseinstellung nach § 170 Abs. 2 StPO eine Sicherstellung nach Art. 25 Nr. 2 PAG nicht ausschließe. Die in diesem Rahmen anzustellende Prognose setze keine strafgerichtliche Verurteilung voraus, nicht einmal ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren. Die zitierte Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes habe die Sicherstellung von Geld betroffen, das anders als andere Gegenstände regelmäßig nicht individualisierbar sei. Gegen das Eigentum des Klägers spreche nicht nur die große Anzahl originalverpackter Geräte, sondern auch, dass er bezüglich der Herkunft keine glaubhaften Angaben habe machen können. Die originalverpackten iPads seien im Rahmen eines Lieferwegs- bzw. Lagerdiebstahls bei einer Firma ... GmbH in ... verschwunden. Bezüglich der iPhones sei anzuführen, dass die wahren Berechtigten keine Anzeige erstattet hätten, so dass die Geräte nicht in der Sachfahndungsdatei der Polizei eingestellt seien. Einschlägige polizeiliche Vorbelastungen seien bei der Bewertung unzweifelhaft zu berücksichtigen. Die umfassende Darstellung aller Erkenntnisse über den Kläger sei deshalb erfolgt, weil aus ihnen deutlich hervorgehe, dass polizeiliche Ermittlungen und Strafverfahren mit Verurteilungen den Kläger nicht abschreckten, weiterhin Straftaten zu begehen. Er sei seit 1990 in vielen strafrechtlichen Bereichen wiederholt in Erscheinung getreten. Dass er zwischen 2007 und der Personenkontrolle 2011 nicht strafrechtlich in Erscheinung getreten sei, streite nicht für den Kläger. Dies sei auch zwischen 1994 und 2000 schon einmal der Fall gewesen. Kurze Zeit nach Erlass des Sicherstellungsbescheides sei gegen den Kläger erneut ein Ermittlungsverfahren wegen Hehlerei (248 Js 198161/12) eingeleitet worden. Er stehe im Verdacht, mehrmals Mobiltelefone betrügerisch erlangt zu haben. Am ... Oktober 2013 sei ein weiteres Ermittlungsverfahren wegen Betrugs eingeleitet worden (233 Js 213219/13). Im Rahmen einer Polizeikontrolle von vier Männern sei bei einem von ihnen ein zur Fahndung ausgeschriebenes Mobiltelefon, iPhone 5, festgestellt worden. Der Beschuldigte habe angegeben, das Handy vor einigen Monaten über E-Bay-Kleinanzeigen vom Kläger erhalten zu haben. Dieser wiederum habe angegeben, das Handy auf einem Flohmarkt in ... erworben zu haben. Das Verfahren sei eingestellt worden.

Am ... Juli 2014 legte der Beklagte weitere Akten vor, aus denen hervorgeht, dass die Firma ... GmbH als Warenlieferant der Firma ... die Daten der beim Kläger sichergestellten Apple iPads mittlerweile bestimmten Kunden zuordnen konnte. Nach Einschätzung der Polizei sind die in den Rechnungen der Firma ... angegebenen Wohnadressen der jeweiligen Empfänger nicht mit den Örtlichkeiten der Packstationen stimmig. Kein Kunde würde eine mehrstündige Fahrzeit für den Empfang einer Bestellung akzeptieren. Für vier Kunden hätten Datensätze festgestellt werden können, die auf Computerbetrug mittels Ausspähens von Kreditkartendaten und Hackens von Packstationsdaten, Missbrauch von Scheck- und Kreditkarten und andere Straftaten im Zeitraum von November und Dezember 2011 hinwiesen. Als Geschädigte werden in den Formularen teilweise die Emittenten der Kreditkarten, Privatpersonen oder die Firma ... bezeichnet.

In der mündlichen Verhandlung vom 14. Januar 2015 wurde streitig zur Sache verhandelt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird gem. § 117 Abs. 3 VwGO auf die Gerichts- und Behördenakten Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist begründet, soweit der Kläger einen Herausgabeanspruch zum Entscheidungszeitpunkt des Gerichts geltend macht, im Übrigen unbegründet.

Im maßgeblichen Zeitpunkt seines Erlasses (OVG NW, B. v. 11. August 2010 - 5 A 298/09 - juris Rn. 26 f. m. w. N.; OVG Bremen, U. v. 24. Juni 2014 - 1 A 255/12 - juris Rn. 25 a.E.; vgl. auch BayVGH, B. v. 18. Oktober 2010 - 10 C 10.2104, 10 CS 110 CS 10.2099 - juris Rn. 22, B. v. 7. Dezember 2009 - 10 ZB 09.1354 - juris Rn. 15 u. U. v. 16. Januar 2001 - 24 B 99.1571 - juris Rn. 28) war der angefochtene Bescheid vom ... Juni 2013 rechtmäßig, so dass der Kläger hierdurch nicht in seinen Rechten verletzt ist (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Bei der gegen die polizeiliche Sicherstellung statthaften Anfechtungsklage ist für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit nach obergerichtlicher Rechtsprechung im Allgemeinen und vorbehaltlich abweichender Regelungen des materiellen Rechts die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung maßgeblich (vgl. BVerwG, B. v. 4. Juli 2006 - 5 B 90/05 - juris Rn. 6). Nachdem Art. 28 Abs. 1 Satz 1 PAG bei späterem Wegfall der Sicherstellungsvoraussetzungen einen eigenständigen Herausgabeanspruch normiert (vgl. Schmidbauer/Steiner, PAG/POG, 3. Aufl. 2014, Art. 28 PAG Rn. 10), besteht kein Bedürfnis, diesen Zeitpunkt auf den Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung zu verlagern. In der Jahresmitte 2013 lagen die Voraussetzungen für die Sicherstellung noch vor, da hinreichende Anhaltspunkte dafür bestanden, dass die Gegenstände ihrem Eigentümer oder rechtmäßigen Besitzer abhandengekommen waren. Somit kann der Kläger sein Herausgabebegehren nicht auf den Folgenbeseitigungsanspruch gem. § 113 Abs. 1 Satz 2 VwGO, sondern nur auf den im Wege der allgemeinen Leistungsklage geltend zu machenden Herausgabeanspruch nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 PAG stützen (Schmidbauer/Steiner, a. a. O., Art. 28 PAG Rn. 10; vgl. auch BayVGH. U. v. 1. Dezember 2011 - 10 B 11.480 - juris Rn. 23).

1. Nach Art. 25 Nr. 2 PAG kann die Polizei eine Sache - hier sechzehn iPads und vier Mobiltelefone - sicherstellen, um den Eigentümer oder den rechtmäßigen Inhaber der tatsächlichen Gewalt vor Verlust oder Beschädigung einer Sache zu schützen. Es muss die konkrete Gefahr bestehen, dass der Eigentümer oder Inhaber der tatsächlichen Gewalt die Sache verliert. Davon durfte der Beklagte bei Sicherstellung der Gegenstände ausgehen. Die vom Kläger zur Herkunft der iPads gemachten Angaben waren unglaubhaft. Er hat gegenüber den Polizeibeamten im ...-bahnhof zunächst falsche Angaben darüber gemacht, was er mit sich führte, und dann behauptet, er habe die vierzehn mitgeführten iPads in einem Laden in ... gekauft, nachfolgend dem widersprechend, er habe sie von einem Bekannten gekauft. Weiter waren die Umstände, unter denen der Kläger die iPads erworben hat, dubios. Zunächst konnte er nicht den Namen des Verkäufers, angeblich eines Bekannten, nennen, dann behauptete er, dessen Vorname laute „...“, er habe ihn über eine Ebay-Kleinanzeige kennen gelernt, Belege über die Kontaktanbahnung gebe es nicht, „...“ telefoniere nur mit unterdrückter Nummer. Die Herkunft der originalverpackten iPads erklärte der Kläger nicht nachvollziehbar damit, dass „...“ „Verbindungen nach Kambodscha“ habe. Er erwarb sie zu einem äußerst niedrigen Preis. All dies hätte bereits das Misstrauen eines redlichen Erwerbers wecken müssen. Dessen ungeachtet ließ sich der Kläger keine Rechnung über das Geschäft ausstellen, sondern wickelte es anonym vor einem Pkw ab. Ferner gab er der Wahrheit zuwider an, in seiner Wohnung befänden sich keine weiteren originalverpackten iPads oder neuwertigen elektronischen Geräte, was durch die anschließende Wohnungsdurchsuchung widerlegt wurde. Aus den Umständen, insbesondere der großen Anzahl originalverpackter Geräte, der teils falschen, teils widersprüchlichen oder unglaubhaften Angaben des Klägers zur Herkunft der sichergestellten Gegenstände, ihres niedrigen Kaufpreises und der Häufigkeit, mit der der Kläger polizeilich bzw. strafrechtlich in Erscheinung getreten war sowie der einschlägigen Verurteilung vom ... November 2007 zu einer nicht unerheblichen Geldstrafe von 150 Tagessätzen, durfte ein verständiger Polizeibeamter schließen, dass die iPads deliktischer Herkunft waren und dem wahren Berechtigten im Sinne von § 935 Abs. 1 BGB abhandengekommen waren, somit der Kläger nicht ihr rechtmäßiger Besitzer war, und dass es zu befürchten stand, dass die Gegenstände bei einem Nichteinschreiten der Polizei dem wahren Berechtigten dauerhaft entzogen würden. Damit war die für das Eigentum des Klägers sprechende Eigentumsvermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB erschüttert (§ 1006 Abs. 1 Satz 2 BGB). Für die Widerlegung dieser gesetzlichen Vermutung reichen nach obergerichtlicher Rechtsprechung Indizien und Erfahrungssätze aus, sofern sie mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit das Eigentum des gegenwärtigen Besitzers weniger wahrscheinlich erscheinen lassen als das Eigentum eines Dritten oder die vom Besitzer behaupteten Erwerbstatsachen widerlegen (BGH, U. v. 14. Januar 1993 - IX ZR 238/91 - juris Rn. 16; BVerwG, U. v. 24. April 2002 - 8 C 9.01 - juris Rn. 15; OVG NW, U. v. 11. August 2010 - 5 A 298/09 - juris Rn. 29 ff.; BayVGH, B. v. 19. November 2010, a. a. O., Rn. 11). Da sich bis zum Erlass des Sicherstellungsbescheides nicht hatte ermitteln lassen, ob der Fa. ... oder sonstigen Personen ein Schaden entstanden ist, bestand die Sachlage bis zu diesem Zeitpunkt unverändert fort.

Ferner war die Eigentumsvermutung auch bezüglich der vier Mobiltelefone erschüttert. Ihre Anzahl sprach gegen die Deckung eines persönlichen Bedarfs. Weiter sind sie mit Ausnahme des Telefons der Marke Samsung von der Herstellerfirma anderen Inhabern zugeordnet worden. Der Kläger hat keinerlei Angaben zu ihrer Herkunft gemacht und keinen einzigen Beleg hierzu beigebracht, was im Hinblick auf die strafrechtlichen Ermittlungen wegen der iPads und den gegen ihn bestehenden dringenden Verdacht des Diebstahls bzw. der Hehlerei elektronischer Geräte angezeigt gewesen wäre. Bis zum Erlass des Sicherstellungsbescheides hat die Polizei in keinem Fall ermittelt können, dass und wie der Kläger in den Besitz der Telefone gelangt ist. Damit aber war das Eigentum Dritter wesentlich wahrscheinlicher als das seine.

Dass die auf Diebstahl bzw. Hehlerei hinweisenden Erkenntnisse sich nachträglich nicht erhärtet haben, sondern dass weitere Ermittlungen aktuell eine anderweitige deliktische Herkunft nahelegen (siehe dazu 2.) ist im Hinblick auf die konkrete Gefahrenlage im Sommer 2013 unschädlich.

2. Im Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts hat der Kläger allerdings gem. Art. 28 Abs. 1 Satz 1 PAG einen Anspruch darauf, dass ihm die sichergestellten Gegenstände herausgegeben werden. Nach dieser Bestimmung sind die Sachen an denjenigen herauszugeben, bei dem sie sichergestellt worden sind, sobald die Voraussetzungen für die Sicherstellung weggefallen sind. Letzteres ist der Fall.

Was die iPads anlangt, sind sie den nachträglichen Ermittlungsergebnissen zufolge der Lieferfirma ... GmbH nicht durch Diebstahl oder Unterschlagung im Sinne von § 935 BGB abhandengekommen, sondern aufgrund eines Computerbetrugs gem. § 263 a StGB freiwillig ausgeliefert worden. Da eine durch Betrug erwirkte Übergabe einer Sache den Eigentumsübergang in der Regel nicht ausschließt, ist die für den Kläger sprechende Vermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht hinreichend erschüttert. Die Ausnahmeregelung des § 1006 Abs. 1 Satz 2 BGB, wonach die Vermutung nicht gegenüber einem früheren Besitzer, dem die Sache abhanden gekommen ist, gilt, greift nicht. Somit kommt es auch nicht darauf an, dass der Kläger aufgrund der Umstände beim Erwerb der vierzehn iPads insoweit als bösgläubig im Sinne von § 932 BGB anzusehen wäre und ggf. mit bedingtem Vorsatz (dazu BGH, B. v. 13. November 2012 - 3 StR 364/12 - juris Rn. 5) hinsichtlich einer - ihm jedoch nicht nachgewiesenen - Hehlerei gehandelt hätte.

Nach den jüngsten Ermittlungen stellt sich der Geschehensablauf so dar, dass der Fa. ..., einem Kreditkartenemittenten oder einer Privatperson ein Vermögenschaden dadurch entstanden ist, dass das Ergebnis eines Datenverarbeitungsvorgangs durch die unbefugte Verwendung von Daten oder sonst durch unbefugte Einwirkung auf den Ablauf beeinflusst worden ist (§ 263 a 3. oder 4. Alt. StGB). Die Auslieferung der iPads ist aufgrund Zahlung mittels ausgespähter Kreditkarten erwirkt worden, was je nach Einzelfall zu einem Vermögensschaden bei dem Kontoinhaber, dem Kreditkartenaussteller oder dem rückbelasteten Lieferanten führen kann. Die Geschädigten konnten nicht ermittelt werden, u. a. deshalb, weil die Fa. ... insolvenzbedingt polizeiliche Anfragen nicht beantwortet hat. Zur Verschleierung wurden die Geräte an fern vom Wohnort der Empfänger liegende Packstationen versandt.

Die Voraussetzungen für die Sicherstellung sind aber auch deshalb weggefallen, weil mittlerweile der Zeitablauf sowie der Umstand, dass keiner der ermittelten, durch Art. 25 Nr. 2 PAG geschützten potentiellen Berechtigten seine Rechte geltend gemacht hat, dafür sprechen, dass sie kein Interesse an der Wiedererlangung der Gegenstände haben oder dass ein anderweitiger Berechtigter endgültig nicht mehr zu ermitteln ist. In so einem Fall ist für die Aufrechterhaltung der Sicherstellung gem. Art. 25 Nr. 2 PAG kein Raum mehr. Denn die Polizei schützt nach Art. 2 Abs. 2 PAG Rechte Privater nur unter der Voraussetzung, dass gerichtlicher Schutz nicht rechtzeitig zu erlangen ist und ohne polizeiliche Hilfe die Verwirklichung des Rechts vereitelt oder wesentlich erschwert würde (vgl. BayVGH, B. v. 17. März 2010 - 10 C 09.3011, 10 C 0910 C 09.3012 - juris Rn. 15). Im Rahmen der Ermessensausübung ist der wirkliche oder mutmaßliche Wille des Berechtigten maßgebend (vgl. Berner/Köhler/Käß, PAG, Art. 25 Rn. 21). Ferner fehlt es an der Verhältnismäßigkeit. Nach Art. 4 Abs. 3 PAG ist eine Maßnahme nur so lange zulässig, bis ihr Zweck erreicht ist oder sich zeigt, dass er nicht erreicht werden kann.

Allein der zu vermutende deliktische Ursprung der Gegenstände reicht für eine Sicherstellung nach Art. 25 Nr. 2 PAG nicht aus. Ihre Rechtmäßigkeit wird zwar grundsätzlich nicht dadurch berührt, dass im Zeitpunkt ihrer Anordnung der Eigentümer oder rechtmäßige Inhaber, zu dessen Schutz die Maßnahme erfolgt, noch unbekannt ist. Insoweit genügt, dass eine spätere Ermittlung des Eigentümers nicht auszuschließen ist. In diesem Fall dient die Sicherstellung dem Schutz des noch unbekannten Eigentümers vor dem Verlust seines Eigentums. Davon kann aber vorliegend nicht ausgegangen werden. Die Firma, die die iPads ausgeliefert hat, hat ihr Eigentum freiwillig aufgegeben und mangels Schadens auch keine anderweitigen Ansprüche gegenüber dem Kläger. Ansprüche der Firma ... gegen den Kläger zeichnen sich aufgrund der vorhandenen Erkenntnisse ebenfalls nicht ansatzweise ab. Ein anderweitiger Berechtigter des Samsung Mobiltelefon war nicht zu ermitteln; die potentiellen Berechtigten an den iPhones haben ihre Berechtigung geleugnet oder kein Interesse an der Wiedererlangung des Telefons gezeigt.

Dem Herausgabebegehren lässt sich nicht entgegenhalten, dass im Rückschluss aus Art. 28 Abs. 1 Satz 2 PAG davon auszugehen sei, dass nach dem Willen des Gesetzgebers nur an einen Berechtigten herausgegeben werden dürfe (vgl. Berner/Köhler/Käß, PAG, Art. 28 Rn. 3). Zunächst spricht wie dargelegt vieles dafür, dass der Kläger sachenrechtlich als Berechtigter anzusehen ist, auch wenn er die Gegenstände möglicherweise unmittelbar von einem Betrüger erworben hat. Ausreichende Indizien, die die Vermutung des § 1006 Abs. 1 Satz 1 BGB widerlegen, sind aus heutiger Sicht gerade nicht vorhanden. Soweit der Bayerische Verwaltungsgerichtshof den Satz geprägt hat, eine Herausgabe an den Dieb oder Hehler sei ausgeschlossen, ist er davon ausgegangen, dass - anders als hier - die Sache abhandengekommen oder der Besitz sonst unrechtmäßig ist (vgl. BayVGH, B. v. 19. November 2010 - 10 ZB 10.1707 - juris Rn. 20; ebenso Schmidbauer/Steiner, a. a. O., Art. 28 PAG Rn. 12, der Eigentum, rechtmäßigen Besitz oder ein sonstiges Recht an der Sache, wie z. B. ein Pfandrecht, voraussetzt). Hiervon ist ersichtlich auch das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen in dem vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof - nicht entscheidungserheblich - in Bezug genommenen Beschluss vom 11. August 2010 (- 5 A 298/09 - juris Rn. 45) ausgegangen, in dem es ein derartiges Herausgabeverlangen als rechtsmissbräuchlich qualifiziert hat. Im Übrigen mag eine Rolle gespielt haben, dass in beiden Entscheidungen die Voraussetzungen für die Sicherstellung im Entscheidungszeitpunkt noch vorlagen. Nicht entschieden worden ist hingegen die Frage, wie es sich bei dem Herausgabeverlangen eines mutmaßlichen Hehlers handelt, wenn es sich bei der Vortat um einen Betrug oder eine sonstige Straftat handelt, die dem Eigentumserwerb des Hehlers nicht entgegensteht (vgl. Fischer, StGB, 60. Aufl. 2013, § 259 Rn. 2).

Die Kammer ist der Auffassung, dass in solchen Fällen eine dauerhafte Einziehung deliktisch erlangter Vermögensgegenstände auf der Grundlage von Art. 25 Nr. 2 PAG nicht in Betracht kommt. Dies sowie die Übertragung des Eigentums an diesen Gegenständen auf den Staat ist Gegenstand der strafrechtlichen Gewinnabschöpfung in Gestalt des einfachen und erweiterten Verfalls (§§ 73 ff. StGB) und hat in §§ 73 ff. StGB eine abschließende Regelung gefunden (vgl. OVG Bremen, U. v. 24. Juni 2014 - 1 A 255/12 - juris Rn. 26; Anschluss VG München im U. v. 10. Dezember 2014 - M 7 K 12.4367 - unveröffentlicht). Der erweiterte Verfall (§ 73 d StGB) ermöglicht es dem Strafgericht, den Verfall für Gegenstände eines Täters anzuordnen, wenn Umstände die Annahme rechtfertigen, dass diese Gegenstände für rechtswidrige Taten oder aus ihnen erlangt worden sind (OVG Bremen, a. a. O.). Mit dem erweiterten Verfall werden präventive Ziele dahingehend verfolgt, dass verhindert werden soll, dass die bereits eingetretene Störung der Vermögensordnung auch zukünftig fortdauert (BVerfG, B. v. 14. Januar 2004 - 2 BvR 564/95 - juris Rn. 70). Der betroffene Straftäter soll deliktisch erlangte Gegenstände nicht behalten; die mit der Bereicherung des Täters verbundene Störung der Rechtsordnung soll nicht auf Dauer bestehen bleiben; dies soll durch die Gewinnabschöpfung verhindert werden (BVerfG, a. a. O. Rn. 70). Zugleich sollen Anreize für gewinnorientierte Delikte reduziert werden (BVerfG, a. a. O. Rn. 72 ff.). Neben den geltenden strafrechtlichen Vorschriften über die Gewinnabschöpfung ist eine präventivpolizeiliche Gewinnabschöpfung weder notwendig noch zulässig (OVG Bremen, a. a. O. Rn. 46 m. w. N., u. a. auf BVerfG, U. v. 20. März 2002 - 2 BvR 794/95 - juris, das die Vorschriften über die Vermögensstrafe, die keinen Beweis für die deliktische Herkunft der betroffenen Vermögensgegenstände vorsahen, für verfassungswidrig und nichtig erklärt hat).

Da die iPads und die Mobiltelefone beim Kläger sichergestellt worden sind und ein anderweitiger Berechtigter nicht ersichtlich ist, sind sie nach Art. 28 Abs. 1 Satz 1 PAG auch an ihn wieder herauszugeben.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 VwGO, der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) Das Eigentum und das Erbrecht werden gewährleistet. Inhalt und Schranken werden durch die Gesetze bestimmt.

(2) Eigentum verpflichtet. Sein Gebrauch soll zugleich dem Wohle der Allgemeinheit dienen.

(3) Eine Enteignung ist nur zum Wohle der Allgemeinheit zulässig. Sie darf nur durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes erfolgen, das Art und Ausmaß der Entschädigung regelt. Die Entschädigung ist unter gerechter Abwägung der Interessen der Allgemeinheit und der Beteiligten zu bestimmen. Wegen der Höhe der Entschädigung steht im Streitfalle der Rechtsweg vor den ordentlichen Gerichten offen.