Verwaltungsgericht München Urteil, 03. Dez. 2015 - M 16 K 15.3205

bei uns veröffentlicht am03.12.2015

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht München

M 16 K 15.3205

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 3. Dezember 2015

16. Kammer

Sachgebiets-Nr. 420

Hauptpunkte:

Unbegründeter Antrag auf Fortsetzung des Verfahrens nach Eintritt der Klagerücknahmefiktion

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

...

- Klägerin -

bevollmächtigt: Rechtsanwälte ...

gegen

Industrie- und Handelskammer für München und Oberbayern vertreten durch den Präsidenten und den Hauptgeschäftsführer Orleanstr. 10-12, 81669 München

- Beklagte -

wegen Fortbildungsprüfung

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 16. Kammer,

durch die Richterin am Verwaltungsgericht ... als Vorsitzende, den Richter am Verwaltungsgericht ..., die Richterin ..., den ehrenamtlichen Richter ..., den ehrenamtlichen Richter ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 3. Dezember 2015 am 3. Dezember 2015 folgendes Urteil:

I.

Das Verfahren ist beendet.

II.

Die Klägerin hat die Kosten des fortgesetzten Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Die Klägerin macht geltend, dass das Klageverfahren, in dem sie sich gegen die Bewertung einer mündlichen Prüfung gewendet hat, nicht beendet sei.

Am ... Juli 2014 legte die Klägerin die mündliche Prüfung im Rahmen der von der Beklagten veranstalteten Fortbildungsprüfung zur geprüften Handelsfachwirtin ab. Diese Prüfung hatte die Klägerin in zwei vorangegangenen Terminen nicht bestanden und wiederholte sie nun zum zweiten Mal. Die schriftlich absolvierten Prüfungsfächer dagegen hatte sie bereits in früheren Prüfungsterminen bestanden. In einem von den drei Prüfern unterzeichneten, zweiseitigen Formular wurden Prüfungsinhalte stichwortartig festgehalten, zu einzelnen Bewertungskriterien Bemerkungen notiert sowie eine Bewertung in Punkten getroffen (vgl. Bl. 5 der Behördenakte). Die mündliche Prüfung wurde insgesamt mit 40 Punkten und der Note 5 und damit als mangelhaft bewertet.

In einem Telefonat am 10. Juli 2014 (vgl. Bl. 7 der Behördenakte) wies eine Mitarbeiterin der Beklagten die Klägerin auf die Möglichkeiten hin, zur Fortbildungsprüfung erneut anzutreten und bezüglich der erfolgten Prüfungsbewertung Widerspruch einzulegen.

Mit Bescheid vom ... Juli 2014 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass diese die Fortbildungsprüfung zur geprüften Handelsfachwirtin im Frühjahr 2014 nicht bestanden habe. Die Prüfung sei bestanden, wenn in allen schriftlich und mündlich geprüften Handlungsbereichen mindestens ausreichende Leistungen erbracht worden seien. Die Klägerin könne eine nicht bestandene Prüfung zweimal wiederholen. Diese Möglichkeiten habe sie ausgeschöpft.

Am 7. August 2014 legte die Klägerin gegen den Bescheid vom ... Juli 2014 Widerspruch ein. Nach Einsicht in das Protokoll der mündlichen Prüfung am 30. Juli 2014 seien ihr mehrere Bewertungspunkte bzw. Notizen der Prüfer aufgefallen, die „so nicht in der mündlichen Prüfung stattgefunden“ hätten. Die Klägerin führte im Widerspruch mehrere Einzelpunkte auf. Nach Rücksprache mit ihrem Rechtsanwalt ergänzte sie am 11. August 2014 die Widerspruchsbegründung.

Mit Schreiben vom ... August 2014, ... August 2014 und ... August 2014 nahmen die drei an der mündlichen Prüfung beteiligten Prüfer zur Widerspruchsbegründung der Klägerin Stellung. Sie hielten im Ergebnis an ihrer Bewertung des Prüfungsergebnisses als mangelhaft fest.

Mit Bescheid vom ... November 2014, der Klägerin am 17. November 2014 zugestellt, wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin zurück und nahm zur Begründung u. a. auf beigefügte Stellungnahmen von Prüfern Bezug.

Am 17. Dezember 2014 erhob die Klägerin Klage gegen den Bescheid der Beklagten vom ... Juli 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom ... November 2014 mit dem Ziel einer Neubewertung der mündlichen Prüfung vom ... Juli 2014 (Az. M 16 K 14.5619). Es werde Akteneinsicht in die „Verfahrensakten und sämtliche Beiakten“ beantragt und um Übersendung der Akten in die Kanzlei gebeten. Die Klage werde nach erfolgter Akteneinsicht begründet.

Mit der Eingangsmitteilung des Gerichts vom 18. Dezember 2014 wurde der Klägerbevollmächtigte gebeten, die Klage binnen 6 Wochen zu begründen. Mit Schreiben vom 8. Januar 2014 legte die Beklagte die Behördenakte vor. Eine Akteneinsicht erfolgte zunächst nicht; die Akte wurde dem Klägerbevollmächtigten nicht übersandt.

Mit Schriftsatz vom 9. Februar 2015 beantragte der Klägerbevollmächtigte, die Frist zur Klagebegründung bis zum 9. März 2015 zu verlängern, da eine ausführliche Rücksprache mit der Klägerin noch nicht möglich gewesen sei. Mit weiterem Schriftsatz vom 9. März 2015 wurde um erneute Verlängerung der Klagebegründungsfrist bis 23. März 2015 gebeten, da sich der alleinige Sachbearbeiter bis einschließlich 15. März 2015 in Urlaub befinde und eine nochmalige unabdingbare Rücksprache mit der Klägerin ausstehe. Eine weitere Fristverlängerung bis 13. April 2015 wurde mit Schriftsatz des Klägerbevollmächtigten vom 23. März 2015 beantragt, da es dem alleinigen Sachbearbeiter aufgrund von „privaten Gründen“ noch nicht möglich gewesen sei, die Klagebegründung zu fertigen. Das Gericht teilte dem Klägerbevollmächtigten jeweils mit, dass die beantragte Fristverlängerung gewährt werde.

Mit Schreiben vom 1. April 2015, dem Klägerbevollmächtigten am 9. April 2015 zugestellt, forderte das Gericht die Klägerin gemäß § 92 Abs. 2 VwGO auf, innerhalb von zwei Monaten ab Zustellung dieses Schreibens die Klage „vom 21. Dezember 2014“ nunmehr zu begründen. Für den Fall der nicht fristgemäßen Klagebegründung wurde darauf hingewiesen, dass die Klage dann gemäß § 92 Abs. 2 VwGO als zurückgenommen gelte.

Das Gericht stellte das Verfahren M 16 K 14.5619 mit Beschluss vom 16. Juni 2015 ein, erlegte die Verfahrenskosten der Klägerin auf und stellte fest, dass die Klage als zurückgenommen gelte. Nachdem die Klagepartei der Aufforderung vom 1. April 2015 nicht innerhalb der gesetzlichen Frist nachgekommen sei, gelte die Klage mit Ablauf des 9. Juni 2015 als zurückgenommen (§ 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Gemäß § 92 Abs. 3 VwGO sei daher das Verfahren mit der Kostenfolge nach § 155 Abs. 2 VwGO einzustellen.

Mit Schriftsatz vom 8. Juli 2015 erhob die Klägerin Einwände gegen den Einstellungsbeschluss vom 16. Juni 2015. Es wurde im Wesentlichen geltend gemacht, die Klägerin wende sich - wie bereits aus ihrer Widerspruchsbegründung hervorgehe - gegen die Protokollierung und Bewertung ihrer mündlichen Prüfung. In einem Verfahren betreffend eine Prüfungsanfechtung sei eine Klage ohne vorherige Akteneinsicht nicht sinnvoll. Die Protokollierung der Prüfung sowie die von den Prüfern angesetzten Bewertungsgrundlagen seien nur anhand der Prüfungsakte bewertbar und gegebenenfalls angreifbar. Das Gericht sei dem Akteneinsichtsgesuch vom 17. Dezember 2014 bislang nicht nachgekommen. Aus dem weitergeleiteten Schreiben der Beklagten vom 8. Januar 2014 ergebe sich, dass diese die Behördenakten dem Gericht vorgelegt habe. Es sei ohne Belang, dass die Klägerin bereits im Widerspruchsverfahren Akteneinsicht erhalten habe, da sie zu diesem Zeitpunkt noch nicht anwaltlich vertreten gewesen sei und das Akteneinsichtsrecht zu jedem Verfahrenszeitpunkt bestehe. Die Voraussetzungen des § 92 Abs. 2 VwGO hätten auch deshalb nicht vorgelegen, weil in dem Schreiben des Gerichts vom 1. April 2015 auf eine Klage vom 21. Dezember 2014 Bezug genommen worden sei, die Klage jedoch am 17. Dezember 2014 eingegangen sei. Bei Abfassung der Betreibensaufforderung hätten wegen des Antrags auf Akteneinsicht keine konkreten Anhaltspunkte für den Wegfall des Rechtsschutzinteresses der Klägerin bestanden. Die Verletzung der Pflicht der Klägerin, die zur Begründung der Klage dienenden Tatsachen und Beweismittel anzugeben, hätte nur angenommen werden können, wenn antragsgemäß Akteneinsicht gewährt worden wäre, da nur dann eine sachgerechte Klagebegründung hätte angegeben werden können. Die Annahme eines fehlenden Rechtsschutzinteresses alleine durch Zeitablauf sei nicht zulässig gewesen.

Die Klägerin beantragt,

das mit Beschluss des Gerichts vom 16. Juni 2015 eingestellte Verfahren fortzusetzen.

Die Beklagte beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Zu weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung am 3. Dezember 2015, die Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren und im Verfahren M 16 K 14.5619 sowie auf die vorgelegte Behördenakte Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Der zulässige Antrag der Klägerin auf Fortsetzung des Verfahrens bleibt ohne Erfolg.

Entsteht über das Vorliegen der Voraussetzungen der gesetzlichen Rücknahmefiktion nach § 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO Streit, so hat das Gericht das Verfahren fortzusetzen und über die Frage der Beendigung des Verfahrens aufgrund mündlicher Verhandlung durch Urteil zu entscheiden, wenn ein Beteiligter - wie vorliegend durch die Klagepartei am 8. Juli 2015 geschehen - dies beantragt (vgl. BayVGH, B. v. 19.1.1999 - 1 C 97.1542 - juris Rn. 16). Erweist sich, dass die Voraussetzungen für die Rücknahmefiktion vorliegen, so ergeht Urteil, dass das Verfahren beendet ist und der Antragsteller die Kosten des fortgesetzten Verfahrens zu tragen hat (vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 92 Rn. 26).

Das Klageverfahren M 16 K 14.5619 ist beendet. Der Einstellungsbeschluss des Gerichts vom 16. Juni 2015 ist zu Recht ergangen, da die Klage vom 17. Dezember 2014 nach § 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO als zurückgenommen gilt (§ 92 Abs. 3 Satz 1 VwGO). Die Voraussetzungen für eine Klagerücknahmefiktion nach § 92 Abs. 2 VwGO sind vorliegend gegeben.

§ 92 Abs. 2 VwGO ist nicht als Sanktion für einen Verstoß gegen prozessuale Mitwirkungspflichten oder unkooperatives Verhalten eines Beteiligten zu verstehen. Vielmehr werden in dieser Vorschrift die Voraussetzungen für die Annahme eines weggefallenen Rechtsschutzinteresses festgelegt (vgl. BVerfG, B. v. 17.9.2012 - 1 BvR 2254/11 - juris Rn. 28). Es ist zu prüfen, ob im Zeitpunkt des Erlasses der Betreibensaufforderung bestimmte, sachlich begründete Anhaltspunkte dafür vorgelegen haben, dass das Rechtsschutzinteresse des Klägers entfallen ist. Aus dem fallbezogenen Verhalten des jeweiligen Klägers muss gegebenenfalls der Schluss auf ein Desinteresse an der weiteren Verfolgung seines Begehrens möglich sein. Hierfür kann sprechen, dass der betreffende Kläger unter Fristsetzung erfolglos zur Klagebegründung aufgefordert wurde (vgl. BVerwG, B. v. 5.7.2000 - 8 B 119/00 - juris Rn. 5). Bei dieser Beurteilung anhand der Gesamtumstände des Falls sind auch Anhaltspunkte zu berücksichtigen, die sich aus den Besonderheiten des jeweiligen Streitgegenstands ergeben können. So kann im Bereich vermögensrechtlicher Streitigkeiten eine fehlende Klagebegründung nur ausnahmsweise auf ein entfallenes Rechtsschutzbedürfnis schließen lassen (vgl. BVerwG, B. v. 12.4.2001 - 8 B 2/01 - juris Rn. 5).

Zum maßgeblichen Zeitpunkt der Betreibensaufforderung am 1. April 2015 (vgl. BVerfG, B. v. 17.9.2012 - 1 BvR 2254/11 - juris Rn. 29; BVerwG, B. v. 7.7.2005 - 10 BN 1/05 - juris Rn. 4) bestanden sachlich begründete Anhaltspunkte für den Wegfall des Rechtsschutzinteresses bei der Klägerin.

Auf ein Desinteresse deutete insbesondere hin, dass die Klägerin trotz gerichtlicher Aufforderung die Klage nicht begründet hatte. Seit Ablauf der ursprünglichen Klagebegründungsfrist von sechs Wochen waren rund zwei Monate vergangen, bevor die Betreibensaufforderung erging. Zwar hat der Klägerbevollmächtigte jeweils kurz vor Fristablauf um Fristverlängerung gebeten. Die jeweilige Begründung deutete allerdings nicht auf ein fortbestehendes Rechtsschutzinteresse hin. Es wurden jeweils nur pauschale, nicht näher nachprüfbare Gründe angegeben. Insbesondere der zweimalige Hinweis auf eine ausstehende Rücksprache zwischen der Klägerin und ihrem Bevollmächtigten konnte die Anhaltspunkte im vorstehenden Sinn nicht entkräften. Regelmäßig ist eine Kontaktaufnahme mit dem Mandanten zur Vorbereitung einer Klagebegründung binnen einiger Wochen möglich, wenn ein ernsthaftes Interesse hieran besteht. Ein konkreter Grund, warum eine solche Rücksprache über einen längeren Zeitraum hinweg nicht möglich gewesen sein sollte - z. B. ein Krankheitsfall oder eine arbeits- oder urlaubsbedingte Abwesenheit -, wurde hier nicht angegeben.

Nicht entscheidungserheblich ist in diesem Zusammenhang, dass die vom Klägerbevollmächtigten mehrmals beantragte Fristverlängerung zur Klagebegründung jeweils gewährt wurde. Zum einen bezieht sich die Rücknahmefiktion gerade nicht auf eine zu sanktionierende Pflichtverletzung des Klägers. Zum anderen hat die Fristverlängerung ihrerseits nicht vorausgesetzt, dass der Kläger zuvor das Fortbestehen seines Rechtsschutzinteresses glaubhaft gemacht hätte. Vielmehr kam eine Fristverlängerung bereits in Betracht, weil noch nicht zu erwarten war, dass hierdurch eine erhebliche Prozessverzögerung eintreten würde. Maßgeblich ist im vorliegenden Zusammenhang vielmehr, dass das Gericht eine Klagebegründung für den weiteren Fortgang der Verwaltungsstreitsache - z. B. im Hinblick auf eine Klageerwiderung, eine Terminierung mit der Entscheidung über die Notwendigkeit der Ladung von Zeugen - für erforderlich hielt, und die Klägerin der entsprechenden Aufforderung über einen erheblichen Zeitraum nicht nachkam, ohne dass hierfür erhebliche, nachvollziehbare Gründe ersichtlich gewesen wären.

Der Klägerbevollmächtigte hat zudem zutreffend auf die Bedeutung der einzelfallbezogenen Klagebegründung bei Prüfungsanfechtungen hingewiesen. Dieser Umstand verstärkt die dargelegte Indizwirkung der unterlassenen Klagebegründung. Dies gilt insbesondere auch im vorliegenden Fall. Zum Zeitpunkt der Widerspruchsbegründung war der Klägerin lediglich die zweiseitige Niederschrift über die Prüfung vom 9. Juli 2014 bekannt (vgl. Bl. 5 der Behördenakte). Diese Niederschrift enthielt lediglich zur Präsentation der Klägerin hinsichtlich fachlicher Inhalte und des Medieneinsatzes kurze, wertende Bemerkungen und eine Bewertung in Punkten. Bezüglich des Aufbaus und der persönlichen Kompetenz im Rahmen der Präsentation sowie zum nachfolgenden Fachgespräch finden sich lediglich Punktebewertungen ohne Begründung. Die Widerspruchsbegründung beinhaltet folglich an vielen Stellen den Hinweis, dass die Bewertung der Prüfer - jedenfalls zum damaligen Zeitpunkt - nicht nachvollziehbar war; sie beschränkt sich zudem naturgemäß im Wesentlichen auf diejenigen Prüfungsinhalte, zu denen sich im Protokoll vom 9. Juli 2014 Bemerkungen finden. Die Klägerin wurde maßgeblich erst durch den Widerspruchsbescheid und die schriftlichen Stellungnahmen der Prüfer in die Lage versetzt, substantiierte Einwände gegen die Prüfungsbewertungen zu erheben (vgl. hierzu BVerwG, U. v. 6.9.1995 - 6 C 18/93 - juris Rn. 21). Eine Klagebegründung war folglich erforderlich, um den Streitstoff hinreichend darzulegen (vgl. BVerwG, B. v. 12.4.2001 - 8 B 2/01 - juris Rn. 6) und gegebenenfalls konkreten Einwänden der Klägerin gegen die Prüfungsbewertung nachgehen zu können. Zudem wäre in einer solchen Konstellation ebenso denkbar, dass zunächst fristwahrend Klage erhoben wird, um darüber zu entscheiden, ob die Bewertung durch die zwischenzeitliche Begründung nachvollziehbar geworden ist. Ferner kommt in derartigen Fällen auch in Betracht, dass der betreffende Kläger zwischenzeitlich das Interesse an einer Prüfungsanfechtung verloren hat. Hier lag die Prüfung bei Klageerhebung bereits fünf Monate, zum Zeitpunkt der Betreibensaufforderung fast acht Monate zurück. In diesem Zeitraum können sich z. B. die beruflichen Rahmenbedingungen dahingehend ändern, dass die Fortbildungsqualifikation nicht mehr als zweckmäßig oder erforderlich angesehen wird. Auch hatte die Beklagte die Klägerin am 10. Juli 2014 telefonisch auf die Möglichkeit hingewiesen, zur Prüfung insgesamt nochmals anzutreten (Bl. 7 d. A.). Es war deshalb auch möglich, dass die Klägerin sich bis April 2015 für diesen Weg entschieden hatte. Hinzu kommt, dass im Falle von fortbestehenden Einwänden gegen die Prüfungsbewertung die Klägerin selbst ein Interesse an einer zeitnahen Klagebegründung gehabt hätte. Durch fortschreitenden Zeitablauf schwindet naturgemäß die Möglichkeit aller Beteiligten, den genauen Ablauf einer mündlichen Prüfung verlässlich zu rekonstruieren.

Das anfänglich gestellte Akteneinsichtsgesuch steht dem nicht entgegen, da die unterbliebene Klagebegründung in der Folge nicht (auch) mit einer bislang unterbliebenen Akteneinsicht begründet wurde. In den wiederholten Anträgen auf Fristverlängerung wurde ausschließlich auf sonstige Hinderungsgründe hingewiesen. Wäre tatsächlich die unterbliebene Akteneinsicht hierbei maßgeblich gewesen, so wäre mit Sicherheit zu erwarten gewesen, dass die Klägerin spätestens nach erfolgter Aufforderung nach § 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO darauf hingewiesen hätte, dass aus diesem Grund die Klagebegründung noch nicht möglich gewesen sei. Die gewünschte Übersendung der Akten stand im Übrigen im Ermessen des Gerichts (vgl. § 100 Abs. 2 Satz 2 VwGO). Durch das Übersendungsschreiben der Beklagten vom 8. Januar 2015 war der Klägerin bekannt, dass die Behördenakte dem Gericht ab diesem Zeitpunkt vorlag.

Die Aufforderung vom 1. April 2015 enthielt die Hinweise gemäß § 92 Abs. 2 Satz 3 VwGO. Die versehentliche Datierung der Klage mit „21. Dezember 2014“ - statt richtig „17. Dezember 2014“ - ist unschädlich; für den Bevollmächtigten war aufgrund des Betreffs und des Aktenzeichens des Schreibens klar erkennbar, welche Klage gemeint war. Die Zweimonatsfrist ist am 9. Juni 2015 ohne vorherige Äußerung der Klagepartei abgelaufen.

Dem Antrag auf Fortführung des Verfahrens war daher nicht stattzugeben; die Kosten des fortgesetzten Verfahrens sind der Klägerin aufzuerlegen (§ 154 Abs. 2 VwGO entsprechend; vgl. Rennert in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 92 Rn. 26).

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Rechtsmittelbelehrung:

Nach §§ 124, 124 a Abs. 4 VwGO können die Beteiligten die Zulassung der Berufung gegen dieses Urteil innerhalb eines Monats nach Zustellung beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich beantragen. In dem Antrag ist das angefochtene Urteil zu bezeichnen. Dem Antrag sollen vier Abschriften beigefügt werden.

Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist bei dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,

Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder

Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München

Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach

einzureichen, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist.

Über die Zulassung der Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf EUR 2.500,- festgesetzt (§ 52 Abs. 1 Gerichtskostengesetz -GKG-).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes EUR 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,

Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder

Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München

schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.

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(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.

Tenor

Das Urteil des Verwaltungsgerichts Greifswald vom 16. Dezember 2010 - 5 A 1349/07 - und der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 1. Juni 2011 - 3 L 44/11 - verletzen den Beschwerdeführer in seinem Grundrecht aus Artikel 19 Absatz 4 Satz 1 des Grundgesetzes. Das Urteil und der Beschluss werden aufgehoben. Die Sache wird an das Verwaltungsgericht Greifswald zurückverwiesen.

Damit wird der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 20. Juli 2011 - 3 L 44/11 - gegenstandslos.

...

Der Wert des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit wird auf 8.000 € (in Worten: achttausend Euro) festgesetzt.

Gründe

1

Die Verfassungsbeschwerde betrifft die Ablehnung eines Antrags auf Fortsetzung eines verwaltungsgerichtlichen Verfahrens, nachdem dieses wegen Nichtbetreibens durch den Kläger mit einem Beschluss gemäß § 92 Abs. 2 Satz 4, Abs. 3 VwGO eingestellt worden ist.

I.

2

1. a) Der Beschwerdeführer erwarb im Jahr 1992 von der Bundesrepublik Deutschland das Eigentum an einem Grundstück auf der Insel H … . Zuvor war das Grundstück durch einen öffentlich bestellten Vermessungsingenieur abgemarkt worden.

3

Im Zusammenhang mit der beabsichtigten Veräußerung eines an das Grundstück des Beschwerdeführers angrenzenden Grundstücks führte der öffentlich bestellte Vermessungsingenieur U., der Beklagte des Ausgangsverfahrens (im Folgenden: Beklagter), Vermessungen zur Bestimmung der Flurstücksgrenze durch. Diese ergaben eine Grenzfeststellung, die nach Auffassung des Beschwerdeführers nicht mit derjenigen von 1992, durch einen Grenzstein dokumentierten, übereinstimmt.

4

Gegen die Grenzfeststellung erhob der Beschwerdeführer Widerspruch, den der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 5. September 2007 zurückwies. Die im Grenzfeststellungs- und Abmarkungsverfahren bekannt gegebenen Vermessungsergebnisse seien rechtmäßig erlassen, weil ein Vergleich der Ist-Lage der vorgefundenen und wiederhergestellten Abmarkungen der Grenzpunkte Übereinstimmung mit der Soll-Lage des Katasternachweises ergeben habe und weil der vom Beschwerdeführer angezeigte Granitgrenzstein in seiner Lage tatsächlich nicht mit dem Katasternachweis übereinstimme und keine unterirdische Vermarkung habe.

5

b) Der Beschwerdeführer erhob beim Verwaltungsgericht Klage gegen die Entscheidungen des Beklagten und begründete diese im Wesentlichen damit, die im Jahr 1992 festgestellte Grenze sei bindend. In einem Schriftsatz vom 16. Juni 2008 benannte er unter anderem seinen Vater als Zeugen für seine Behauptung, der strittige Grenzstein sei der 1992 gesetzte. Hierauf erwiderte der Beklagte mit Schriftsatz vom 3. Juli 2008; er legte dar, weshalb es sich bei dem strittigen Grenzstein nicht um den 1992 gesetzten handeln könne. Bitten des Verwaltungsgerichts an den Beschwerdeführer um Stellungnahme hierzu blieben unbeantwortet. Daraufhin erließ das Verwaltungsgericht eine Betreibensaufforderung nach § 92 Abs. 2 VwGO, die dem damaligen Prozessbevollmächtigten des Beschwerdeführers am 16. Januar 2009 zugestellt wurde. Am 16. März 2009 übermittelte der Prozessbevollmächtigte einen Schriftsatz, in der zur Betreibensaufforderung wie folgt Stellung genommen wurde:

6

"Der Kläger hat seine Klage begründet und hält daran fest.

7

Der Beklagte tritt der Klage entgegen.

8

Dessen ungeachtet regen wir namens des Klägers an, in der Sache eine gerichtsnahe Mediation durchzuführen.

9

Es hat sich zur Kenntnis des Unterzeichneten erwiesen, dass das Angebot u.a. des Verwaltungsgerichts Greifswald insoweit mitunter zu Erfolgen führt."

10

c) Mit Beschluss vom 18. März 2009 entschied das Verwaltungsgericht, dass die Klage als zurückgenommen gilt, und stellte das Verfahren ein. Die Klage gelte nach § 92 Abs. 2 VwGO als zurückgenommen, da der Beschwerdeführer das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate seit Zustellung der Aufforderung nicht im Sinne dieser Aufforderung, wonach zum Vortrag des Beklagten vom 3. Juli 2008 Stellung genommen werden sollte, betrieben habe.

11

d) Mit Schreiben eines neu bestellten Prozessbevollmächtigten vom 3. Februar 2010 stellte der Beschwerdeführer den Antrag, das Verfahren fortzusetzen.

12

2. Mit dem mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Urteil vom 16. Dezember 2010 bestätigte das Verwaltungsgericht den Eintritt der Rücknahmefiktion nach § 92 Abs. 2 VwGO. Der Beschwerdeführer habe das Verfahren trotz Aufforderung mehr als zwei Monate nicht im Sinne der Verfügung betrieben.

13

Die Betreibensaufforderung habe am 14. Januar 2009 an den Beschwerdeführer ergehen dürfen. Im Zeitpunkt der Betreibensaufforderung hätten konkrete Anhaltspunkte für einen Wegfall des Rechtsschutzinteresses des Beschwerdeführers bestanden.

14

Innerhalb der zweimonatigen Betreibensfrist habe sich der Beschwerdeführer lediglich mit dem am 16. März 2009 bei Gericht eingegangenen Schriftsatz geäußert. Ein Betreiben im Sinne des § 92 Abs. 2 VwGO bedeute dieser Schriftsatz nicht. Soweit der damalige Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers mit Schreiben vom 16. März 2009 mitgeteilt habe, dass der Beschwerdeführer an seiner Klage festhalte, habe diese Erklärung keinen substantiellen Aussagewert. Die gerichtliche Verfügung vom 14. Januar 2009 habe erkennbar darauf abgezielt, dass der Beschwerdeführer zu den vom Beklagten im Schreiben vom 3. Juli 2008 vorgebrachten verschiedenen Tatsachen, die den vom Beschwerdeführer als maßgeblich angesehenen Granitgrenzstein betroffen hätten, Stellung nehmen sollte. Hierzu enthalte der Schriftsatz vom 16. März 2009 aber keine Aussage. Vor dem prozessualen Hintergrund dieser Aufforderung könne der Schriftsatz letztlich nur als ein Nichtbetreiben gewertet werden.

15

3. Mit dem mit der Verfassungsbeschwerde ebenfalls angegriffenen Beschluss vom 1. Juni 2011 lehnte das Oberverwaltungsgericht den Antrag des Beschwerdeführers auf Zulassung der Berufung gegen das verwaltungsgerichtliche Urteil ab. Die Berufung sei nicht wegen ernstlicher Zweifel an der Richtigkeit des angegriffenen Urteils zuzulassen.

16

Das Verwaltungsgericht habe an den Beschwerdeführer eine Betreibensaufforderung richten dürfen, denn im Zeitpunkt der Aufforderung am 5. Januar 2009 hätten sachlich begründete Anhaltspunkte für den Wegfall des Rechtsschutzinteresses bestanden. Da am 8. Juli 2008 eine sechswöchige Frist für die erbetene Stellungnahme gesetzt worden sei, an deren Erledigung durch Verfügungen vom 20. Oktober und 21. November 2008 erinnert worden sei, habe der Beschwerdeführer mit dem Unterlassen jeglicher Antwort über einen Zeitraum von circa sechs Monaten seit der Aufforderung zur Stellungnahme seine prozessuale Mitwirkungspflicht in einer Weise verletzt, die geeignet gewesen sei, die durch Stellungnahme des Beklagten zur Sache ausgelösten Zweifel an einem fortbestehenden Rechtsschutzinteresse zu verfestigen. Es sei nicht ersichtlich, warum es dem Beschwerdeführer in dem genannten Zeitraum nicht hätte möglich sein sollen, zu antworten. Zumindest aber habe von ihm eine Mitteilung erwartet werden können, aus welchen Gründen eine Antwort nicht möglich sei. Sein völliges Verschweigen habe deshalb den Rückschluss auf ein Desinteresse am weiteren Verfahren zugelassen.

17

Die weiteren Voraussetzungen des § 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO seien ebenfalls erfüllt gewesen. Um der Aufforderung zu entsprechen, hätte sich der Beschwerdeführer so substantiiert äußern müssen, dass Zweifel am Fortbestehen des Rechtsschutzinteresses beseitigt worden wären und der äußere Anschein einer Vernachlässigung prozessualer Mitwirkungspflichten entfallen wäre. Der Anforderung an ein substantielles Vorbringen genüge es jedenfalls nicht, wenn ein Kläger auf eine konkrete Aufforderung hin lediglich mitteile, er wolle das Verfahren weiter betreiben. Im Übrigen habe der Beschwerdeführer die erbetenen Verfahrenshandlungen auch deswegen nicht vorgenommen, weil das Gericht eine inhaltliche Stellungnahme zu dem Vortrag des Beklagten mit Schriftsatz vom 3. Juli 2008 erbeten gehabt habe. Die Erklärung vom 16. März 2009 habe für ein substantielles Betreiben umso weniger ausgereicht, als dem Antwortschreiben nicht zu entnehmen gewesen sei, welche Gründe den Beschwerdeführer gehindert haben sollten und noch hinderten, sich inhaltlich zu erklären.

18

4. Die Anhörungsrüge des Beschwerdeführers wies das Oberveraltungsgericht mit dem schließlich auch mit der Verfassungsbeschwerde angegriffenen Beschluss vom 20. Juli 2011 zurück.

II.

19

1. Mit seiner Verfassungsbeschwerde rügt der Beschwerdeführer im Wesentlichen eine Verletzung seines Anspruchs auf effektiven Rechtsschutz aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG und seines Anspruchs auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG. Das Verwaltungsgericht und das Oberverwaltungsgericht seien zu Unrecht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen des § 92 Abs. 2 VwGO und zwar sowohl hinsichtlich der Rechtmäßigkeit der Betreibensaufforderung als auch hinsichtlich der Annahme des Nichtbetreibens vorgelegen hätten.

20

2. Der Beklagte des Ausgangsverfahrens und das Land Mecklenburg-Vorpommern hatten Gelegenheit zur Stellungnahme. Die Akten des gerichtlichen Ausgangsverfahrens wurden beigezogen.

21

3. Der 4. Revisionssenat des Bundesverwaltungsgerichts äußert sich in seiner Stellungnahme dahingehend, dem Verwaltungsgericht dürfte die Einstellung des Verfahrens nach § 92 Abs. 2 VwGO verwehrt gewesen sein, nachdem der Beschwerdeführer deutlich gemacht habe, dass er an seiner Klage festhalte. Der Beschwerdeführer habe hier seine Klage substantiiert und unter Beweisantritt begründet. Sein Interesse an einer weiteren Rechtsverfolgung habe er hinreichend dargetan. Es sei Sache des Gerichts, das unterschiedliche Vorbringen der Beteiligten zu bewerten.

III.

22

Die Kammer nimmt die Verfassungsbeschwerde zur Entscheidung an und gibt ihr statt. Die Annahme ist zur Durchsetzung eines in § 90 Abs. 1 BVerfGG genannten Rechts des Beschwerdeführers angezeigt (vgl. § 93c Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 93a Abs. 2 Buchstabe b BVerfGG). Das Bundesverfassungsgericht hat die für die Beurteilung der Verfassungsbeschwerde maßgeblichen verfassungsrechtlichen Fragen bereits entschieden, die zulässige Verfassungsbeschwerde ist offensichtlich begründet (vgl. § 93c Abs. 1 Satz 1 BVerfGG).

23

Das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 16. Dezember 2010 und der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 1. Juni 2011 verletzen die Garantie wirksamen Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG (dazu 1.). Ob sie darüber hinaus auch den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör aus Art. 103 Abs. 1 GG verletzen, kann offen bleiben (dazu 2.). Damit wird der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts über die Anhörungsrüge gegenstandslos.

24

1. Das Verwaltungsgericht hat durch die Ablehnung des Antrags des Beschwerdeführers auf Fortsetzung des Verfahrens gegen Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG verstoßen; das Oberverwaltungsgericht durfte die ablehnende Entscheidung des Verwaltungsgerichts nicht bestätigen.

25

a) aa) Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG gewährleistet den Rechtsweg im Rahmen der jeweiligen einfachgesetzlichen Prozessordnungen. Der Weg zu den Gerichten, insbesondere auch zur inhaltlichen Überprüfung einer Verwaltungsentscheidung, darf von der Erfüllung und dem Fortbestand bestimmter formaler Voraussetzungen abhängig gemacht werden (vgl. BVerfGE 9, 194 <199 f.>; 10, 264 <267 f.>; 27, 297 <310>; 35, 65 <72 f.>). Die dem Gesetzgeber obliegende normative Ausgestaltung des Rechtswegs muss aber das Ziel dieser Rechtsgewährleistung, nämlich den wirkungsvollen Rechtsschutz, auch tatsächlich verfolgen und ermöglichen (vgl. BVerfGE 110, 77 <85>). Sie muss im Hinblick darauf geeignet und angemessen sowie für den Rechtsuchenden zumutbar sein (vgl. BVerfGE 77, 275 <284>). Der Zugang zu den Gerichten und zu den in den Verfahrensordnungen eingeräumten Instanzen darf nicht in unzumutbarer, aus Sachgründen nicht mehr zu rechtfertigender Weise erschwert werden (vgl. BVerfGE 40, 272 <274 f.>; 78, 88 <99>; 110, 77 <85>; stRspr). Dieser Grundsatz gilt auch innerhalb des jeweils eingeleiteten Verfahrens selbst, soweit es darum geht, sich dort effektiv Gehör verschaffen zu können, und nicht nur für die Eröffnung des Zugangs zum Gericht selbst (BVerfGE 81, 123 <129>). Der gerichtlichen Durchsetzung des materiellen Anspruchs dürfen auch hier nicht unangemessen hohe verfahrensrechtliche Hindernisse in den Weg gelegt werden (BVerfGE 53, 115 <127 f.>).

26

bb) Im Einklang mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG setzt jede an einen Antrag gebundene gerichtliche Entscheidung ein Rechtsschutzbedürfnis voraus (vgl. BVerfGE 61, 126 <135>; 96, 27 <39 f.>; 110, 77 <85>). Nur derjenige, der mit dem von ihm angestrengten gerichtlichen Rechtsschutzverfahren ein rechtsschutzwürdiges Interesse verfolgt, hat einen Anspruch auf eine gerichtliche Sachentscheidung; fehlt es daran, so ist das prozessuale Begehren als unzulässig abzuweisen.

27

Das erforderliche Rechtsschutzinteresse kann im Laufe eines gerichtlichen Verfahrens entfallen. Vom Wegfall eines ursprünglich gegebenen Rechtsschutzinteresses kann ein Gericht im Einzelfall auch dann ausgehen, wenn das Verhalten eines rechtsschutzsuchenden Verfahrensbeteiligten Anlass zu der Annahme bietet, dass ihm an einer Sachentscheidung mangels Sachbescheidungsinteresses nicht mehr gelegen ist (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 27. Oktober 1998 - 2 BvR 2662/95 -, juris Rn. 17).

28

cc) Eine Regelung über eine Verfahrensbeendigung wegen unterstellten Wegfalls des Rechtsschutzinteresses ist grundsätzlich von Verfassungs wegen nicht zu beanstanden (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Mai 1993 - 2 BvR 1972/92 -, NVwZ 1994, S. 62 <63>). Allerdings führt die Rücknahmefiktion des § 92 Abs. 2 VwGO zur Beendigung des Rechtsschutzverfahrens mit möglicherweise irreversiblen Folgen, insbesondere wenn behördliche Ausgangsentscheidungen dadurch in Bestandskraft erwachsen, ohne dass der Kläger dies durch ausdrückliche Erklärung in bewusster Entscheidung herbeigeführt hätte. Die Handhabung eines solch scharfen prozessualen Instruments muss daher im Lichte der Rechtsschutzgarantie aus Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG unter strikter Beachtung der gesetzlichen Vorgaben erfolgen, verstanden als Ausnahme von dem Grundsatz, dass ein Kläger oder Antragsteller das von ihm eingeleitete Verfahren auch durchführen will. Namentlich darf § 92 Abs. 2 VwGO nicht als Sanktion für einen Verstoß gegen prozessuale Mitwirkungspflichten oder unkooperatives Verhalten eines Beteiligten gedeutet oder eingesetzt werden. Hierfür ist die Rücknahmefiktion nicht konzipiert. Sie soll vielmehr nur die Voraussetzungen für die Annahme eines weggefallenen Rechtsschutzinteresses festlegen und gesetzlich legitimieren (vgl. zu § 81 AsylVfG, auf den § 92 Abs. 2 VwGO zurückgeht [BTDrucks 13/3993, S. 12], BTDrucks 12/2062, S. 42: vereinfachte Beendigung eines Verfahrens, "an dessen Fortführung der Kläger erkennbar kein Interesse mehr hat"; ferner Clausing, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 92 Rn. 3 und 46 [Stand: Januar 2012], Kopp/Schenke, VwGO, 17. Aufl. 2011, § 92 Rn. 18).

29

Zwar gilt auch für die Rücknahmefiktion des § 92 Abs. 2 VwGO, dass nicht jede fehlerhafte Anwendung des einfachen Rechts einen Verfassungsverstoß darstellt. Angesichts der gravierenden, den Rechtsschutz jedenfalls im konkreten Verfahren ohne Sachprüfung abschneidenden Wirkung dieser Vorschrift gebietet Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG jedoch eine strenge Prüfung der fachgerichtlichen Auslegung und Anwendung des § 92 Abs. 2 VwGO durch das Bundesverfassungsgericht. Insbesondere hat es zu kontrollieren, ob die von den Verwaltungsgerichten mit Rücksicht auf die Rechtsschutzgarantie herausgearbeiteten Anforderungen an eine zulässige Betreibensaufforderung nach § 92 Abs. 2 Satz 1 und 3 VwGO gewahrt und die Voraussetzungen für die Annahme eines Nichtbetreibens nicht verfehlt, insbesondere der Vorschrift hierbei keine falsche Zielrichtung gegeben wurden. Hiernach müssen zum einen zum Zeitpunkt der Betreibensaufforderung sachlich begründete Anhaltspunkte vorliegen, die den späteren Eintritt der Fiktion als gerechtfertigt erscheinen lassen. Solche Anhaltspunkte sind insbesondere dann gegeben, wenn der Kläger seine prozessualen Mitwirkungspflichten nach § 86 Abs. 1 VwGO verletzt hat (vgl. BVerwG, Beschluss vom 5. Juli 2000 - BVerwG 8 B 119.00 -, NVwZ 2000, S. 1297 <1298>; Beschluss vom 12. April 2001 - BVerwG 8 B 2.01 -, NVwZ 2001, S. 918; Beschluss vom 7. Juli 2005 - BVerwG 10 BN 1.05 -, juris Rn. 4). Zum anderen hat ein Kläger das Verfahren nur dann nicht mehr im Sinne von § 92 Abs. 2 Satz 1 VwGO betrieben, wenn er innerhalb der Zwei-Monatsfrist nicht substantiiert dargetan hat, dass und warum das Rechtsschutzbedürfnis trotz des Zweifels an seinem Fortbestehen, aus dem sich die Betreibensaufforderung ergeben hat, nicht entfallen ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 7. Juli 2005 - BVerwG 10 BN 1.05 -, juris Rn. 7).

30

b) Hieran gemessen ist die Auffassung der Ausgangsgerichte, dass die Voraussetzungen für den Erlass einer Betreibensaufforderung gemäß § 92 Abs. 2 VwGO im Januar 2009 vorlagen, verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden

31

Im Schriftsatz vom 16. Juni 2008 führt der damalige Prozessbevollmächtigte des Beschwerdeführers aus, dessen Vater sei bei der seinerzeitigen Abmarkung anwesend gewesen und habe mit eigenen Augen gesehen, wie Mitarbeiter des Vermessungsingenieurs hinsichtlich des strittigen Grenzpunkts einen Aushub von circa 1 Meter vorgenommen, dort eine Flasche hineingelegt und diese zerstoßen hätten. Die Scherben der damals zerstoßenen Flasche würden sich an Ort und Stelle finden lassen.

32

In seiner Erwiderung vom 3. Juli 2008 hierauf trägt der Beklagte im Wesentlichen vor, ein Zerstoßen der Flasche sei in der Niederschrift von 1992 nicht vermerkt und wäre aus fachlicher Hinsicht auch nicht nachvollziehbar. Im August 2007 sei in Anwesenheit des Beschwerdeführers der Granitgrenzstein freigelegt worden; eine Flasche als Unterlage sei nicht vorgefunden worden. Hiervon hätten sich die Beteiligten vor Ort durch Betrachtung des Loches überzeugen können. Es müsse davon ausgegangen werden, dass dieser Granitgrenzstein nicht identisch sei mit dem 1992 verhandelten Grenzpunkt.

33

Angesichts dessen, dass der Beklagte auch unter Hinweis auf einen Ortstermin, an dem der Beschwerdeführer selbst teilnahm, die Richtigkeit einer zentralen Behauptung im Vorbringen des Beschwerdeführers in Frage stellte, lag es nahe, dass der Beschwerdeführer sich zu den Ausführungen des Beklagten äußerte. Dass er sich hierzu trotz entsprechender Bitte des Verwaltungsgerichts vom 8. Juli 2008 und zweimaliger Erinnerung (vom 20. Oktober und 21. November 2008) hieran nicht veranlasst sah, durfte das Verwaltungsgericht zum Anlass nehmen, am Fortbestand des Rechtsschutzinteresses des Beschwerdeführers ernsthaft zu zweifeln.

34

c) Nicht mit Art. 19 Abs. 4 Satz 1 GG vereinbar ist hingegen die Annahme, der Beschwerdeführer habe das Verfahren entgegen der darauf ergangenen Aufforderung des Verwaltungsgerichts nicht betrieben. Verwaltungs- und Oberverwaltungsgericht haben damit ein unangemessen hohes Hindernis bei der gerichtlichen Verfolgung des geltend gemachten Anspruchs errichtet.

35

Die Ausgangsgerichte haben sich bei ihren Ausführungen nicht vom Zweck des § 92 Abs. 2 VwGO leiten lassen. Dieser besteht nicht darin, den Kläger zu einer Substantiierung seines Klagebegehrens anzuhalten, sondern in der Klärung der aufgekommenen Zweifel am Fortbestehen des Rechtsschutzinteresses (vgl. BVerfG, Beschluss der 1. Kammer des Zweiten Senats vom 19. Mai 1993 - 2 BvR 1972/92 -, NVwZ 1994, S. 62 <63>).

36

Dass der Beschwerdeführer an der Verfolgung seines Rechtsschutzziels festhalten wollte, ergibt sich eindeutig aus seinem Schriftsatz vom 16. März 2009. Die Motivation des Beschwerdeführers hierfür liegt auch auf der Hand, geht es ihm im Ausgangsverfahren doch um die Klärung der Größe seines Grundstücks, die nach den Feststellungen des Beklagten um circa 1.900 Quadratmeter kleiner sein soll als von ihm angenommen.

37

Der Beschwerdeführer war angesichts der Umstände des Falles nicht verpflichtet, über den Hinweis, dass er an seiner Klage festhalte, hinausgehende Ausführungen zu machen, um den Eintritt der Rücknahmefiktion zu verhindern. Der Beschwerdeführer hatte seine Klage bereits begründet und zum Beweis der von ihm vorgebrachten Tatsachenbehauptungen seinen Vater und den im Jahr 1992 tätig gewordenen Vermessungsingenieur als Zeugen angeboten. Der Beklagte hatte die Richtigkeit der tatsächlichen Behauptungen bestritten. In einer solchen Situation ist es Aufgabe des - im Übrigen zur Amtsermittlung verpflichteten - Verwaltungsgerichts, den Sachverhalt, soweit es ihn für entscheidungserheblich hält, durch eine Beweisaufnahme aufzuklären und danach zu entscheiden. Der Weg, aufgrund einer vorweggenommenen Beweiswürdigung auf einen Wegfall des Rechtsschutzinteresses des Klägers zu schließen und auf diese Weise das Verfahren ohne mündlichen Verhandlung und gegebenenfalls ohne Beweisaufnahme zu beendigen, ist dem Gericht hingegen verwehrt.

38

d) Die angegriffenen Entscheidungen beruhen auf dem festgestellten Verfassungsverstoß. Da die Verwaltungsgerichte bisher noch nicht in der Sache entschieden und auch den Sachverhalt, soweit entscheidungserheblich, nicht aufgeklärt haben, ist nicht erkennbar, dass die Entscheidung in der Sache mit Sicherheit zum Nachteil des Beschwerdeführers ausfällt.

39

e) Das Urteil des Verwaltungsgerichts und der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 1. Juni 2011 sind aufzuheben; der Beschluss des Oberverwaltungsgerichts vom 20. Juli 2011 wird dadurch gegenstandslos. Die Sache ist an das Verwaltungsgericht zurückzuverweisen (§ 95 Abs. 2 BVerfGG).

40

2. Da das Verwaltungsgericht aus verfassungsrechtlichen Gründen gehindert war, den Eintritt der Erledigungsfiktion anzunehmen, kommt es auf die Frage, ob die Ausgangsgerichte bei ihren Entscheidungen auch den Anspruch des Beschwerdeführers auf rechtliches Gehör in entscheidungserheblicher Weise verletzt haben, nicht mehr an.

41

3. Die Entscheidung über die Auslagenerstattung ergibt sich aus § 34a Abs. 2 BVerfGG. Die Festsetzung des Gegenstandswerts erfolgt nach § 37 Abs. 2 Satz 2 in Verbindung mit § 14 Abs. 1 RVG (vgl. BVerfGE 79, 365 <366 ff.>).

42

Diese Entscheidung ist unanfechtbar.

(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.

(1) Die Beteiligten können die Gerichtsakten und die dem Gericht vorgelegten Akten einsehen. Beteiligte können sich auf ihre Kosten durch die Geschäftsstelle Ausfertigungen, Auszüge, Ausdrucke und Abschriften erteilen lassen.

(2) Werden die Prozessakten elektronisch geführt, wird Akteneinsicht durch Bereitstellung des Inhalts der Akten zum Abruf oder durch Übermittlung des Inhalts der Akten auf einem sicheren Übermittlungsweg gewährt. Auf besonderen Antrag wird Akteneinsicht durch Einsichtnahme in die Akten in Diensträumen gewährt. Ein Aktenausdruck oder ein Datenträger mit dem Inhalt der Akten wird auf besonders zu begründenden Antrag nur übermittelt, wenn der Antragsteller hieran ein berechtigtes Interesse darlegt. Stehen der Akteneinsicht in der nach Satz 1 vorgesehenen Form wichtige Gründe entgegen, kann die Akteneinsicht in der nach den Sätzen 2 und 3 vorgesehenen Form auch ohne Antrag gewährt werden. Über einen Antrag nach Satz 3 entscheidet der Vorsitzende; die Entscheidung ist unanfechtbar. § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(3) Werden die Prozessakten in Papierform geführt, wird Akteneinsicht durch Einsichtnahme in die Akten in Diensträumen gewährt. Die Akteneinsicht kann, soweit nicht wichtige Gründe entgegenstehen, auch durch Bereitstellung des Inhalts der Akten zum Abruf oder durch Übermittlung des Inhalts der Akten auf einem sicheren Übermittlungsweg gewährt werden. Nach dem Ermessen des Vorsitzenden kann der nach § 67 Absatz 2 Satz 1 und 2 Nummer 3 bis 6 bevollmächtigten Person die Mitnahme der Akten in die Wohnung oder Geschäftsräume gestattet werden. § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(4) In die Entwürfe zu Urteilen, Beschlüssen und Verfügungen, die Arbeiten zu ihrer Vorbereitung und die Dokumente, die Abstimmungen betreffen, wird Akteneinsicht nach den Absätzen 1 bis 3 nicht gewährt.

(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.

(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten,
3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen,
4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten,
7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.

(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.

(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.

(1) Kammerrechtsbeistände stehen in den nachfolgenden Vorschriften einem Rechtsanwalt gleich:

1.
§ 79 Absatz 1 Satz 2 und Absatz 2 Satz 1, § 88 Absatz 2, § 121 Absatz 2 bis 4, § 122 Absatz 1, den §§ 126, 130d und 133 Absatz 2, den §§ 135, 157 und 169 Absatz 2, den §§ 174, 195 und 317 Absatz 5 Satz 2, § 348 Absatz 1 Satz 2 Nummer 2 Buchstabe d, § 397 Absatz 2 und § 702 Absatz 2 Satz 2 der Zivilprozessordnung,
2.
§ 10 Absatz 2 Satz 1, § 11 Satz 4, § 13 Absatz 4, den §§ 14b und 78 Absatz 2 bis 4 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit,
3.
§ 11 Absatz 2 Satz 1 und § 46g des Arbeitsgerichtsgesetzes,
4.
den §§ 65d und 73 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 5 des Sozialgerichtsgesetzes, wenn nicht die Erlaubnis das Sozial- und Sozialversicherungsrecht ausschließt,
5.
den §§ 55d und 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Verwaltungsgerichtsordnung,
6.
den §§ 52d und 62 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 6 Satz 4 der Finanzgerichtsordnung, wenn die Erlaubnis die geschäftsmäßige Hilfeleistung in Steuersachen umfasst.

(2) Registrierte Erlaubnisinhaber stehen im Sinn von § 79 Abs. 2 Satz 1 der Zivilprozessordnung, § 10 Abs. 2 Satz 1 des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, § 11 Abs. 2 Satz 1 des Arbeitsgerichtsgesetzes, § 73 Abs. 2 Satz 1 des Sozialgerichtsgesetzes, § 67 Abs. 2 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung und § 62 Abs. 2 Satz 1 der Finanzgerichtsordnung einem Rechtsanwalt gleich, soweit ihnen die gerichtliche Vertretung oder das Auftreten in der Verhandlung

1.
nach dem Umfang ihrer bisherigen Erlaubnis,
2.
als Prozessagent durch Anordnung der Justizverwaltung nach § 157 Abs. 3 der Zivilprozessordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung,
3.
durch eine für die Erteilung der Erlaubnis zum mündlichen Verhandeln vor den Sozialgerichten zuständige Stelle,
4.
nach § 67 der Verwaltungsgerichtsordnung in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung oder
5.
nach § 13 des Gesetzes über die Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit in der bis zum 30. Juni 2008 geltenden Fassung
gestattet war. In den Fällen des Satzes 1 Nummer 1 bis 3 ist der Umfang der Befugnis zu registrieren und im Rechtsdienstleistungsregister bekanntzumachen.

(3) Das Gericht weist registrierte Erlaubnisinhaber, soweit sie nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 zur gerichtlichen Vertretung oder zum Auftreten in der Verhandlung befugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann registrierten Erlaubnisinhabern durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung oder das weitere Auftreten in der Verhandlung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.§ 335 Abs. 1 Nr. 5 der Zivilprozessordnung gilt entsprechend.