Verwaltungsgericht München Urteil, 11. Feb. 2014 - 3 K 12.3507

bei uns veröffentlicht am11.02.2014
nachgehend
Bayerischer Verwaltungsgerichtshof, 7 ZB 14.909, 08.07.2014

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der 1998 geborene Kläger wechselte zum Schuljahr 2011/2012 von einem Gymnasium in eine 7. Klasse der staatlichen Realschule ...

Am 28. November 2011 nahm der Kläger - nach seinen Angaben ohne Wissen seiner Mutter - „das zweite Mal“ sein klappbares, insgesamt (einschließlich Klinge) 18 cm langes Taschenmesser mit einer gebogenen Klingenlänge von 8 cm mit in die Schule. Nachdem der Kläger von zwei Mitschülern am Ende der Pause aufgefordert worden war, den Mitschüler ... P. - den diese laut Kläger „auch nicht“ mögen - von einer Bank vor dem Klassenzimmer wegzuzerren, nahm der Kläger sein Messer, klappte es auf und hielt es vor sich, um ... zum Aufstehen zu bewegen. Sofort danach teilte ... - laut Aktenvermerk der Klassenleiterin vom 12. Januar 2012 „eingeschüchtert“ und „mit leichenblasser Miene“ - seiner Klassenleiterin mit, dass er vom Kläger mit einem Messer bedroht worden sei. Weiterhin wurde in diesem Aktenvermerk ausgeführt, dass mehrere Klassenkameraden diesen Vorfall der Klassenleiterin bestätigt haben - der Kläger selbst habe behauptet, dies sei „nur ein Scherz gewesen“.

Von der herbeigerufenen Polizei wurden dem Kläger das Messer sowie 5 Schachteln Zigaretten LM ohne Steuerbanderole abgenommen, der Kläger angehört und Zeugen vernommen. Dabei gab der Kläger folgendes an: Er habe „am Ende der Pause, um 10.45 Uhr ... ein Taschenmesser gehabt und dieses ... vor dem ... P. gehalten. Das Messer war aufgeklappt. Cirka einen halben Meter hielt ich es vor dem ... Ich hab das Messer vor und zurück bewegt und gesagt komm steh auf“. Er habe dies „eigentlich nur aus Spaß gemacht“. Die Zigaretten hätte er zuvor von dem Mitschüler K. gekauft, um sie gegen Gewinn weiterzuverkaufen. Auf dieser Aussage beharrte der Kläger gegenüber den Polizeibeamten, bis nachgewiesen werden konnte, dass K. mit der Zigarettenangelegenheit nichts zu tun hat. Nach Aussage des Mitschülers J. habe der Kläger ihm gegenüber geäußert, die Zigaretten stammten „von seiner Tante“.

Mit Schreiben vom 7. Dezember 2011 teilte der Beklagte der Mutter des Klägers mit, das ihr Sohn einen Mitschüler mit einem geöffneten Klappmesser bedroht habe und 5 Schachteln Zigaretten ohne Zollbanderole an andere Schüler verkaufen habe wollen. Deshalb werde der Disziplinarausschuss der Schule einberufen. Sowohl der Kläger als auch seine Erziehungsberechtigten könnten eine Lehrkraft ihres Vertrauens einschalten und hätten Gelegenheit zur Äußerung, auf Antrag persönlich in der Lehrerkonferenz. Es wurde darauf hingewiesen, dass der Disziplinarausschuss das Recht habe, die Entlassung von der Schule zu beschließen. Die Mutter des Klägers wurde auch darüber belehrt, dass bei Disziplinarmaßnahmen nach Art. 86 Abs. 2 Satz 1 Nr. 6, 7 und 8 BayEUG sowie im Entlassungsverfahren auf Antrag der Elternbeirat mitwirkt.

Am 20. Dezember 2011 fand die Disziplinarausschusssitzung statt, in der sich auch der Kläger und seine Mutter äußerten.

Ausweislich des darüber angefertigten Protokolls wurde bei der Beratung u. a. besprochen, dass der Kläger ein gravierendes Fehlverhalten begangen und dadurch das Recht der anderen Schüler der Schule auf eine sichere und angstfreie Lernumgebung einschneidend gefährdet habe. Das geöffnete Messer habe eine erhebliche Verletzungsgefahr bedeutet. Ein Milieuwechsel sei für die weitere Entwicklung des Klägers dringend nötig; er müsse dringend Abstand zu dem Kreis Jugendlicher gewinnen, die als Lieferanten wie auch als Kunden fungierten.

Daraufhin wurde einstimmig die Entlassung des Klägers von der Schule und der sofortige Vollzug dieser Maßnahme beschlossen. Mit Schreiben vom 21. Dezember 2011 wurde dies der Mutter des Klägers mitgeteilt.

Hiergegen wurde mit Schreiben vom 28. Dezember 2011, eingegangen am 2. Januar 2012, Widerspruch erhoben, der mit Widerspruchsbescheid vom 17. Januar 2012 zurückgewiesen wurde.

Am 30. Dezember 2011 stellte der Bevollmächtigte des Klägers bei Gericht einen Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO, der vom Gericht mit Beschluss vom 30. Januar 2012 abgelehnt wurde. Die hiergegen eingelegte Beschwerde wurde vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 4. Juni 2012, Az. 7 CS 12.451 zurückgewiesen.

Am 31. Juli 2012 erhob der Bevollmächtigte des Klägers Klage gegen den Beklagten und beantragte,

den Bescheid des Beklagten vom 21. Dezember 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Januar 2012 aufzuheben.

Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, das Verhalten des Klägers sei „in keinster Weise von Ernsthaftigkeit oder Bedrohungsabsicht geprägt“ gewesen. Der Kläger habe niemals die Absicht gehabt, „dem Mitschüler eine Gefahr zu suggerieren“. „Im bloßen Vorzeigen eines Klappmessers - es sei hier von pubertierendem Imponiergehabe auszugehen - könne von einer erheblichen Beeinträchtigung keine Rede sein“. Im Übrigen sei die Maßnahme „unverhältnismäßig“.

Mit Schreiben vom 19. September 2012 beantragte der Beklagte unter Bezugnahme auf die bereits im Eilverfahren vorgelegten Behördenakten,

die Klage abzuweisen.

Am 11. Februar 2014 fand die mündliche Verhandlung statt, in der der Bevollmächtigte des Klägers vortrug, dass der Kläger nach einem Umzug nunmehr eine Realschule in Erding besuche. Im Anschluss daran beantragte der Klägerbevollmächtigte,

festzustellen, dass die mit Bescheid des Beklagten vom 21. Dezember 2011 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 17. Januar 2012 angeordnete Schulentlassung des Klägers rechtswidrig war.

Die Vertreterin des Beklagten beantragte

Klageabweisung.

Bezüglich der weiteren Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte und die beigezogene Behördenakte verwiesen.

Gründe

Die nach Wechsel der Realschule erfolgte Umstellung des Klagebegehrens von dem bisherigen Anfechtungsantrag auf den Antrag, festzustellen, dass der Bescheid des Beklagten vom 21. Dezember 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheids vom 17. Januar 2012 unrechtmäßig ist, ist zulässig. Der Übergang von der Anfechtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 1. Alt. der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) zur Fortsetzungsfeststellungsklage gem. § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO ist keine nach § 91 Abs. 1 VwGO zu beurteilende Klageänderung. Vielmehr ist die Umstellung von der Anfechtungs- zur Fortsetzungsfeststellungsklage gemäß § 173 Satz 1 VwGO i. V. m. § 264 Nr. 3 der Zivilprozessordnung (ZPO) ohne Weiteres zulässig (st. Rspr., vgl. BVerwG, U.v. 26.8.2010 - 3 C 35/09 - BVerwGE 137, 377; BVerwG, U.v. 22.1.1998 - 2 C 4/97 - juris Rn. 17).

Diese Fortsetzungsfeststellungsklage ist zulässig.

Insbesondere ist sie gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft. Durch den Umzug des Klägers und den aus diesem Grund akzeptierten Wechsel der Realschule hat sich die ursprüngliche Anfechtungsklage im Sinne von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO und Art. 43 Abs. 2 des Bayerischen Verwaltungsverfahrensgesetzes (BayVwVfG) erledigt. Die Erledigung ist nach Klageerhebung eingetreten, so dass die Klage auf Feststellung der Rechtswidrigkeit des erledigten Verwaltungsakts gemäß § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO statthaft ist.

Der Kläger hat zudem das von § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO geforderte berechtigte Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit des Bescheids vom 21. Dezember 2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheids. Bei der streitgegenständlichen Ordnungsmaßnahme handelt es sich um einen erheblichen Grundrechtseingriff; der betroffene Schüler hat daher grundsätzlich ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse unter dem Gesichtspunkt der Rehabilitation (BayVGH, U.v. 19.2.2008 - 7 B 06.2352).

Die Feststellungsklage ist aber unbegründet.

Der Bescheid der F.-P.-Realschule vom 11. November 2011 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

Formelle Fehler im Rahmen des Entlassungsverfahrens sind nicht ersichtlich. Der Kläger und seine Mutter wurden auch ordnungsgemäß im Verfahren bezüglich der Ordnungsmaßnahme „Entlassung von der Schule“ beteiligt. Ihnen wurde vor Erlass des Bescheides mit Schreiben vom 7. Dezember 2011 der dem Kläger zur Last gelegte Sachverhalt mitgeteilt und es wurde Gelegenheit zur Äußerung bezüglich des vorgeworfenen Fehlverhaltens gegeben. Außerdem wurde auf die Möglichkeit hingewiesen, sich vor dem Disziplinarausschuss persönlich zu äußern sowie eine Lehrkraft des Vertrauens einzuschalten (Art. 86 Abs. 9 BayEUG, § 17 der Schulordnung für die Realschulen, Realschulordnung -RSO-). Ebenso wurde darauf hingewiesen, dass auf Antrag der Elternbeirat im Entlassungsverfahren mitwirkt (Art. 87 Abs. 1 Satz 3 BayEUG).

Gemäß Art. 58 Abs. 1 Satz 3 i. V. m. Art. 86 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 BayEUG fiel die Entscheidung in die Zuständigkeit des - insoweit die Aufgaben der Lehrerkonferenz wahrnehmenden - Disziplinarausschusses der Schule. Den vorgelegten Unterlagen ist zu entnehmen, dass er - wie vorgeschrieben - gemäß § 9 Abs. 2 Satz 2, Abs. 3 Satz 2 RSO mit der vollen Zahl seiner neun Mitglieder entschieden und einstimmig die Entlassung beschlossen hat.

Auch in materieller Hinsicht ist die Entscheidung des Disziplinarausschusses voraussichtlich nicht zu beanstanden.

Die Ordnungsmaßnahme der Entlassung von der Schule, die ihre Rechtsgrundlage in Art. 86 Abs. 2 Satz 1 Nr. 9 BayEUG findet, darf nach Art. 86 Abs. 7 BayEUG nur verhängt werden, wenn ein Schüler durch schweres oder wiederholtes Fehlverhalten die Erfüllung der Aufgabe der Schule oder die Rechte anderer gefährdet hat. Im Hinblick darauf, dass die Entlassung die schwerwiegendste Ordnungsmaßnahme darstellt, die die Schule selbst verhängen kann, hat sich die Entscheidung, ob diese oder eine weniger einschneidende Ordnungsmaßnahme ausgesprochen wird, daran zu orientieren, ob ein Verbleiben des Schülers an der Schule im Hinblick auf die unbeeinträchtigte Erfüllung ihres Bildungs- und Erziehungsauftrags oder wegen des Schutzes Dritter nicht mehr hingenommen werden kann und dem Schüler in dieser Deutlichkeit und Konsequenz vor Augen geführt werden muss, dass sein Verhalten nicht geduldet werden kann. Diese Beurteilung entzieht sich einer vollständigen Erfassung nach rein rechtlichen Kriterien und bedingt sachnotwendig einen gerichtlich nur eingeschränkt überprüfbaren pädagogischen Wertungsspielraum. Trotz dieser Grenzen der gerichtlichen Kontrolle haben die Gerichte aber den gegen die Entlassung erhobenen Einwendungen nachzugehen und die pädagogische Bewertung der Schule auf ihre Angemessenheit hin zu überprüfen. Sie haben insbesondere zu kontrollieren, ob die Entlassung gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit verstößt. Der gerichtlichen Überprüfung unterliegt es ferner, ob die Schule frei von sachfremden Erwägungen entschieden hat und ob sie ihre Entscheidungen auf Tatsachen und Feststellungen gestützt hat, die einer sachlichen Überprüfung standhalten (vgl. BayVGH BayVBl 1994, 346).

Für die Wahl der Ordnungsmaßnahme unter dem Gesichtspunkt der Verhältnismäßigkeit kommt es vor allem darauf an, ob und in welchem Maße die Erfüllung des Anstaltszwecks gestört oder gefährdet und die Erziehungsverantwortung der Schule beeinträchtigt wurde, wie sie in Art. 131 BV, Art. 1, 2 BayEUG niedergelegt ist (vgl. BayVGH DÖV 1982, 457/458; BayVBl 1994, 346). Die Wahl der Ordnungsmaßnahme erweist sich damit als eine pädagogische Ermessensentscheidung. Hierbei hat die Lehrerkonferenz bzw. der Disziplinarausschuss als deren Unterausschuss darauf zu achten, dass die Ordnungsmaßnahme der Entlassung zur Schwere des zu ahndenden oder zu unterbindenden Verhaltens eines Schülers nicht außer Verhältnis steht.

Hieran gemessen ist die Ordnungsmaßnahme der Schulentlassung rechtlich nicht zu beanstanden.

Der Kläger hat durch das ihm vorgeworfene schwere Fehlverhalten die Rechte des betroffenen Mitschülers erheblich verletzt und dadurch die Erfüllung des Erziehungsauftrags der Schule gefährdet.

Der Kläger hat eingeräumt, am Ende der Pause ein aufgeklapptes Taschenmesser mit einer 8 cm langen Klinge ca. einen halben Meter vor einem - von ihm nicht gerade geschätzten - Mitschüler, den er auf Wunsch seiner Freunde von einer Bank vertreiben sollte, vor und zurück bewegt zu haben. Dabei hat er nach eigener Einlassung gesagt: „Komm steh auf“.

Auch wenn sich in den Akten kein Anhörungsprotokoll mit entsprechenden Äußerungen des betroffenen Schülers befindet, so ist dennoch den gesamten Umständen zweifelsfrei zu entnehmen, dass der betroffene Schüler diesen Vorfall nicht etwa als Spaß, sondern durchaus ernst genommen und als Bedrohung empfunden hat. Andernfalls hätte er nicht sofort danach seine Klassenleiterin darüber informiert - laut Aktennotiz vom 12. Januar 2012 „mit leichenblasser Miene“ - und seine Mutter hätte auch nicht am 29. November 2011 mit der Klassenleiterin telefoniert und ihr mitgeteilt, dass ihr Sohn „Angst hat in die Schule zu gehen, weil er vor S. Angst hat“.

Soweit nunmehr von Seiten der Klagepartei versucht wird, den Vorfall „eigentlich“ als „Spaß“ aus pubertierendem Imponiergehabe ohne jede Ernsthaftigkeit oder Bedrohungsabsicht darzustellen, der vom betroffenen Mitschüler auch als solcher verstanden worden sei, erscheint das Vorbringen als Versuch einer Schutzbehauptung, die bereits durch den Tatablauf und die unmittelbare Reaktion des Mitschülers widerlegt wird. Zum einen zeigte der Kläger sein Messer, das eine Klinge hatte, die beim Aufklappen automatisch festgestellt wird, nicht etwa einem guten Freund, sondern brachte es gegenüber einem Mitschüler, den er „nicht mag“, mit der Äußerung „komm steh auf“ zum Einsatz, nachdem er von Freunden aufgefordert worden war, den Mitschüler von einer Bank wegzuzerren. Dieses Verhalten konnte von dem Mitschüler nur als massive Bedrohung gedeutet werden, was dem Kläger durchaus bewusst sein musste und war. Ein für den bedrohten Mitschüler nicht erkennbarer etwaiger Vorbehalt, nicht zustechen zu wollen, kann an diesem Bedrohungscharakter nichts ändern. Eine irgendwie geartete „Spaßkomponente“ kann in diesem Verhalten auch nicht gesehen werden. Zum anderen wandte sich der Mitschüler sofort nach dem Vorkommnis an seine Klassenleiterin, sagte ihr, er sei bedroht worden und ließ der Lehrkraft noch am nächsten Tag über seine Mutter mitteilen, er habe wegen des Klägers Angst, in die Schule zu gehen. Es kann daher nicht die Rede davon sein, dass er das Verhalten des Klägers als Spaß verstanden hat. Deshalb ist es nicht zu beanstanden, dass der Disziplinarausschuss bei der Entscheidungsfindung von einer Bedrohung durch den Kläger mit einem Klappmesser und nicht von einem „Scherz“ ausgegangen ist. Ein Verstoß gegen die Pflicht zu sorgfältiger Sachverhaltsermittlung kann daher nicht gesehen werden.

Ebenso wenig sind die Ermessenserwägungen der Schule, die zur Entlassung geführt haben, rechtlich zu beanstanden. Dabei war zu berücksichtigen, dass an die Reihenfolge der Ordnungsmaßnahme des Art. 86 Abs. 2 BayEUG grundsätzlich keine Bindung besteht. Es liegt vielmehr im pädagogischen Ermessen der Schule, eine geeignete und angemessene Ordnungsmaßnahme zu verhängen. Dies hat der Beklagte getan. Das Gericht vermag keinen Verstoß gegen das Gebot der Verhältnismäßigkeit zu erkennen. Zwar stellt die Entlassung nach dem Ausschluss von allen Schulen einer oder mehrerer Schularten die schwerste Ordnungsmaßnahme dar, die nur dann in Betracht kommt, wenn ein schweres Fehlverhalten begangen wurde, dem durch eine mildere Ordnungsmaßnahme wie z. B. dem befristeten Ausschluss vom Unterricht oder der Androhung der Entlassung nicht mehr erfolgversprechend begegnet werden kann; der Entlassung ist im vorliegenden Fall auch keine Androhung der Entlassung vorangegangen. Der Vorfall vom 28. November 2011 rechtfertigt jedoch die getroffene Disziplinarmaßnahme.

Dabei bedarf es keiner näheren Ausführungen in Bezug auf den vom Kläger betriebenen Handel mit nicht versteuerten Zigaretten. Denn dieser fällt gegenüber der Verwendung des Taschenmessers nicht entscheidend ins Gewicht.

Das Vor- und Zurückbewegen eines Messers mit einer 8 cm langen Klinge stellt nämlich selbst im Abstand von etwa einem halben Meter in Verbindung mit der Äußerung „komm steh auf“ eine massive Bedrohung eines Mitschülers mit einem empfindlichen Übel dar, weil mit einem derartigen Messer durchaus lebensgefährliche Verletzungen zugefügt werden können; dieses erhebliche Fehlverhalten beeinträchtigte massiv den Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule und das Recht der anderen Schüler der Schule auf eine sichere und angstfreie Lernumgebung und kann an einer Schule nicht hingenommen werden. Es kann der Schule daher - auch aus generalpräventiven Gründen (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, NJW 1996,1690) - nicht verwehrt werden, solch einem Verhaltensmuster durch eine so einschneidende Ordnungsmaßnahme, wie sie die Entlassung von der Schule darstellt, zu begegnen.

Die Klage war daher abzuweisen. Die Kostenentscheidung hat ihre Rechtsgrundlage in § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff ZPO.

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 173


Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfa

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 91


(1) Eine Änderung der Klage ist zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. (2) Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn er sich, ohne ihr zu widersp

Zivilprozessordnung - ZPO | § 264 Keine Klageänderung


Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes1.die tatsächlichen oder rechtlichen Anführungen ergänzt oder berichtigt werden;2.der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert od

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Bundesverwaltungsgericht Urteil, 26. Aug. 2010 - 3 C 35/09

bei uns veröffentlicht am 26.08.2010

Tatbestand 1 Die Klägerin ist deutschlandweit als Kontrollstelle im ökologischen Landbau tätig. Dabei prüft sie landwirtschaftliche Unternehmen und Verarbeitungsbetriebe

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Eine Änderung der Klage ist zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.

(2) Die Einwilligung des Beklagten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn er sich, ohne ihr zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die geänderte Klage eingelassen hat.

(3) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliegt oder zuzulassen sei, ist nicht selbständig anfechtbar.

Soweit dieses Gesetz keine Bestimmungen über das Verfahren enthält, sind das Gerichtsverfassungsgesetz und die Zivilprozeßordnung einschließlich § 278 Absatz 5 und § 278a entsprechend anzuwenden, wenn die grundsätzlichen Unterschiede der beiden Verfahrensarten dies nicht ausschließen; Buch 6 der Zivilprozessordnung ist nicht anzuwenden. Die Vorschriften des Siebzehnten Titels des Gerichtsverfassungsgesetzes sind mit der Maßgabe entsprechend anzuwenden, dass an die Stelle des Oberlandesgerichts das Oberverwaltungsgericht, an die Stelle des Bundesgerichtshofs das Bundesverwaltungsgericht und an die Stelle der Zivilprozessordnung die Verwaltungsgerichtsordnung tritt. Gericht im Sinne des § 1062 der Zivilprozeßordnung ist das zuständige Verwaltungsgericht, Gericht im Sinne des § 1065 der Zivilprozeßordnung das zuständige Oberverwaltungsgericht.

Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrundes

1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Anführungen ergänzt oder berichtigt werden;
2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in Bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird;
3.
statt des ursprünglich geforderten Gegenstandes wegen einer später eingetretenen Veränderung ein anderer Gegenstand oder das Interesse gefordert wird.

Tatbestand

1

Die Klägerin ist deutschlandweit als Kontrollstelle im ökologischen Landbau tätig. Dabei prüft sie landwirtschaftliche Unternehmen und Verarbeitungsbetriebe auf die Einhaltung der Standards des ökologischen Landbaus und zertifiziert Betriebe und Erzeugnisse. In Bayern nahm sie diese Kontrollaufgaben zunächst aufgrund einer bis zum 31. Dezember 2003 befristeten Beleihung wahr.

2

Ihrem Antrag auf weitere Beleihung gab das Landesamt für Landwirtschaft des Beklagten mit Bescheid vom 4. Mai 2004 unter Beifügung einer Bestimmung - Ziffer 5 des Bescheides - statt, die durch den Widerspruchsbescheid vom 14. September 2006 die folgende Fassung erhielt:

"Der Freistaat Bayern übernimmt keine Haftung für Schäden, die der Kontrollstelle oder deren Erfüllungsgehilfen in Wahrnehmung ihrer Aufgaben entstehen. Bei Schäden, die die Kontrollstelle in Wahrnehmung ihrer Aufgaben Dritten zufügt, hat die Kontrollstelle - sofern sie in Anspruch genommen wird - keinen Ausgleichsanspruch gegen den Freistaat Bayern. Wird der Freistaat Bayern in Anspruch genommen, hat die Kontrollstelle diesen von der Haftung freizustellen. Die Haftung der Kontrollstelle(n) greift gegenüber geschädigten Dritten dann nicht, wenn das schädigende Ereignis durch die Umsetzung einer Weisung der Landesanstalt entstanden ist. Der Abschluss einer angemessenen Haftpflichtversicherung oder die Bildung ausreichender Rücklagen ist daher für die Dauer der Beleihung nachzuweisen."

3

Mit ihrer Klage wendet sich die Klägerin noch gegen die Sätze 2 und 3 dieser Regelung. Bei der Wahrnehmung der übertragenen Kontrollaufgaben ließen sich Fehler nie völlig ausschließen. Dabei könnten erhebliche Schäden entstehen; der Entzug des Konformitätsvermerks und die zeitweilige Untersagung der Vermarktung von Produkten träfen den produzierenden Landwirt in mitunter existenzgefährdendem Ausmaß, zumal diese Maßnahmen auch den Verlust von Fördergeldern zur Folge haben könnten. Ihr könne nicht zugemutet werden, die Haftung für diese Schäden vollständig zu übernehmen; ohne gesetzliche Ermächtigung sei dies auch nicht zulässig.

4

Das Verwaltungsgericht hat die Sätze 2 bis 4 der strittigen Regelung als Nebenbestimmung angesehen und mit Urteil vom 25. Juni 2008 aufgehoben. Die Regelung weiche von den Grundsätzen der Staatshaftung ab, die Art. 34 GG für Beamte aufstelle und die gleichermaßen für Beliehene zu gelten hätten; hiernach hafte der Staat, der bei dem Amtsträger nur bei Vorsatz und grober Fahrlässigkeit Rückgriff nehmen könne. Eine Abweichung sei zwar nicht völlig ausgeschlossen, bedürfe aber einer gesetzlichen Grundlage, an der es fehle.

5

Mit Urteil vom 6. April 2009 hat der Verwaltungsgerichtshof die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Die Klägerin stehe als Beliehene einem Beamten gleich, weshalb für ihre schadenverursachenden Handlungen grundsätzlich der Staat einzustehen habe. Die angefochtene Regelung ziele - auch ausweislich des Berufungsvorbringens - auf einen Ausschluss dieser Staatshaftung in Abweichung von Art. 34 Satz 1 GG, nicht lediglich auf einen unbeschränkten Rückgriff des Staates gegen den Beliehenen in Abweichung von Art. 34 Satz 2 GG; deshalb bedürfe die Frage, ob der vom Bundesgerichtshof für Verwaltungshelfer angenommene Ausschluss der Rückgriffsbeschränkung in Art. 34 Satz 2 GG auf Beliehene übertragbar sei, keiner Entscheidung. Das Verwaltungsgericht habe mit Recht angenommen, dass es für den Ausschluss der Staatshaftung einer gesetzlichen Grundlage bedürfe. Davon könne entgegen dem Berufungsvorbringen des Beklagten nicht nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum sog. preußischen Gebührenbeamten abgesehen werden.

6

Zur Begründung seiner Revision macht der Beklagte geltend, das Berufungsgericht habe den Inhalt der umstrittenen Regelung verkannt. Sie schließe nicht die Staatshaftung im Außenverhältnis zum Geschädigten aus, sondern erlaube dem Staat den Rückgriff im Innenverhältnis gegenüber der Kontrollstelle, und zwar ohne die Einschränkung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit, wie sie Art. 34 Satz 2 GG vorsehe. Diese Rückgriffsbeschränkung gelte aber nur für Beamte und sei Folge der besonderen Fürsorge, die der Dienstherr seinen Beamten schulde. Eine vergleichbare Fürsorge schulde der Staat einer beliehenen Kontrollstelle nicht. Diese übernehme ihre öffentliche Aufgabe aus eigenem Entschluss und in Kenntnis aller Maßgaben. Schon weil die zertifizierten Unternehmen die freie Wahl unter den Kontrollstellen hätten, werde sie ungeachtet ihrer Befugnis zu hoheitlichem Handeln vornehmlich auf privatvertraglicher Grundlage tätig. Sie erhalte vereinbarte Entgelte und könne in ihre Preise auch die Aufwendungen für eine Haftpflichtversicherung einrechnen.

7

Die Klägerin verteidigt das Berufungsurteil. Ihr seien als Kontrollstelle öffentliche Aufgaben in großem Umfang übertragen. Sie sei deshalb als Amtsträger im Sinne des Staatshaftungsrechts anzusehen mit der Folge, dass für Schäden, die sie in Ausübung ihrer Kontrollaufgabe Dritten zufüge, grundsätzlich der Staat einzustehen habe. Jede Relativierung dieses Grundsatzes bedürfe der gesetzlichen Grundlage. Hierzu gehöre auch die Ermöglichung des internen Rückgriffs. Art. 34 Satz 2 GG sehe die Möglichkeit des Rückgriffs vor, ordne ihn aber nicht schon selbst an, sondern setze auch insofern eine gesetzliche Grundlage voraus. Hieran fehle es. Inhaltlich beschränke Art. 34 Satz 2 GG den möglichen Rückgriff auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit, wovon nur in Randzonen und bereichsspezifisch sowie bei Vorliegen besonderer Umstände abgegangen werden dürfe; eine gesetzliche oder vertragliche oder - wie im vorliegenden Falle - eine Regelung durch Verwaltungsakt, die darüber hinausgehe, sei nichtig. Die umstrittene Regelung laufe aber auch unabhängig hiervon Sinn und Zweck des Art. 34 GG zuwider. Diese Vorschrift sei nicht nur Ausfluss der Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber seinen Beamten. Sie solle vielmehr auch die Entschlussfähigkeit und Entschlussfreude der Amtsträger bei der Ausübung einer hoheitlichen Tätigkeit stärken, indem sie von Bedenken wegen möglicher Haftungsrisiken freigestellt würden. Diese Bedenken würden auch nicht durch eine Haftpflichtversicherung gegenstandslos, da deren Prämien mit jedem Fall der Inanspruchnahme erhöht würden. Bei der Tätigkeit einer Kontrollstelle wirke das Haftungsrisiko angesichts der immensen Höhe möglicher Schäden ganz besonders als Entschlussbremse. Schließlich hätte der Beklagte den unbeschränkten Rückgriff nicht durch Verwaltungsakt verfügen dürfen; dadurch werde die Garantie des ordentlichen Rechtswegs nach Art. 34 Satz 3 GG unterlaufen.

8

Schon vor Erlass des Berufungsurteils war die Gültigkeit des Beleihungsbescheides vom 4. Mai 2004, der auf den 31. März 2009 befristet war, abgelaufen; der Beklagte hat ihn durch einen neuen Beleihungsbescheid vom 13. Juli 2009 ersetzt. Diesem ist - ebenfalls als Ziffer 5 - eine Haftungsregelung beigefügt, die mit der vorliegend strittigen wörtlich übereinstimmt. Zusätzlich ist bestimmt, dass die Klausel der ausstehenden Entscheidung des Senats im vorliegenden Rechtsstreit angepasst werde.

Entscheidungsgründe

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Die Revision bleibt ohne Erfolg. Das Berufungsgericht hat die angefochtene Regelung in Ziffer 5 Satz 2 und 3 des Beleihungsbescheides vom 4. Mai 2004 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14. September 2006 zwar unzutreffend ausgelegt; damit verletzt es Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Das Urteil erweist sich aber aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO); die angefochtene Regelung hätte auch bei zutreffender Auslegung der gesetzlichen Grundlage bedurft, an der es fehlt.

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1. Nachdem der Beleihungsbescheid vom 4. Mai 2004 ausgelaufen und durch den Bescheid vom 13. Juli 2009 ersetzt worden war, durfte die Klägerin ihr Klagebegehren von dem bisherigen Anfechtungs- auf den Antrag umstellen, festzustellen, dass die Haftungsregelung in dem ersten Beleihungsbescheid rechtswidrig gewesen ist. Der Übergang von der Anfechtungs- zur Fortsetzungsfeststellungsklage ist nicht als Klageänderung im Sinne des § 91 VwGO anzusehen und deshalb auch im Revisionsverfahren noch zulässig (§ 173 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 3 ZPO; Urteil vom 12. April 2001 - BVerwG 2 C 16.00 - BVerwGE 114, 149 <151> m.w.N.). Demgegenüber stellt der weitere Antrag, auch die entsprechende Regelung im Bescheid vom 13. Juli 2009 aufzuheben, eine erweiternde Klageänderung dar, die im Revisionsverfahren nicht zulässig ist (§ 142 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

11

Die Voraussetzungen, die § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO an die Zulässigkeit einer Fortsetzungsfeststellungsklage stellt, liegen schon deshalb vor, weil der neue Beleihungsbescheid vom 13. Juli 2009 eine gleichlautende Bestimmung enthält; damit hat sich die von der Klägerin besorgte Wiederholungsgefahr bereits realisiert. Im Übrigen hat die Behörde selbst zugesichert, die fragliche Bestimmung des neuen Bescheides dem Ergebnis des vorliegenden Rechtsstreits anzupassen.

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2. a) Das Berufungsgericht hat der umstrittenen Regelung den Ausschluss der Staatshaftung für Schäden entnommen, die die Klägerin in Ausübung der ihr übertragenen öffentlichen Aufgabe durch hoheitliches Handeln Dritten zufüge. Diese Auslegung verletzt Bundesrecht. Sie verkennt die Grundsätze des § 133 BGB. Nach dieser Vorschrift ist bei der Auslegung einer Willenserklärung der wirkliche Wille zu erforschen und nicht an dem buchstäblichen Sinne des Ausdrucks zu haften. Für die Bedeutung der Erklärung ist hierbei nicht der innere Wille der Behörde maßgebend, sondern der in der Erklärung zum Ausdruck kommende, also der erklärte Wille, wie ihn der Empfänger bei objektiver Würdigung verstehen konnte (Urteile vom 3. November 1998 - BVerwG 9 C 51.97 - Buchholz 310 § 161 VwGO Nr. 116 und vom 2. September 1999 - BVerwG 2 C 22.99 - BVerwGE 109, 283; Beschluss vom 20. Oktober 2005 - BVerwG 6 B 52.05 - NVwZ 2006, 1423; jew. m.w.N.). Die in Rede stehende Regelung betrifft schon nach ihrem Wortlaut nicht das Außenverhältnis zum Geschädigten, sondern das interne Rechtsverhältnis zwischen dem beleihenden Staat und der beliehenen Kontrollstelle. In beiden Sätzen wird die Inanspruchnahme - in Satz 2 der Klägerin, in Satz 3 des Beklagten - durch den Geschädigten im Außenverhältnis vorausgesetzt; geregelt werden die jeweiligen Konsequenzen, die sich für das Innenverhältnis daraus ergeben. Zwar geht Satz 2 von einer Inanspruchnahme der Klägerin aus, was bei Anwendbarkeit des Art. 34 Satz 1 GG von vornherein rechtlich ausgeschlossen wäre (BGH, Urteile vom 21. Januar 1993 - III ZR 189/91 - BGHZ 121, 161 <163>, vom 22. März 2001 - III ZR 394/99 - BGHZ 147, 169 und vom 22. Juni 2006 - III ZR 270/05 - NVwZ 2007, 487 ). Der Satz unterstellt jedoch lediglich eine tatsächliche Inanspruchnahme und regelt deren Folgen, keinesfalls lässt sich ihm eine Beschränkung der Staatshaftung im Außenverhältnis entnehmen, die von Art. 34 Satz 1 GG abweicht. Vollends für Satz 3 scheidet ein solches Verständnis ersichtlich aus.

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b) Der Senat ist befugt, die umstrittene Haftungsregelung selbst auszulegen. Das Revisionsgericht darf den Inhalt des umstrittenen Verwaltungsakts erfassen und würdigen, sofern es hierzu keiner neuen Tatsachenermittlungen bedarf, die über den aus den Akten ersichtlichen Wortlaut des Verwaltungsakts hinausgehen (stRspr; vgl. Urteile vom 3. November 1998 und vom 2. September 1999 a.a.O.; Kraft, in: Eyermann, VwGO, Kommentar, 13. Aufl. 2010, Rn. 54 zu § 137 m.w.N.). Diese Voraussetzungen liegen vor. Die Auslegung ergibt, dass die Klägerin für Schäden, die sie in Wahrnehmung der ihr übertragenen Kontrollaufgabe Dritten zufügt, im Innenverhältnis zum Beklagten aufzukommen hat, und zwar in vollem Umfang, also ohne Beschränkung auf schweres Verschulden (Vorsatz, grobe Fahrlässigkeit) und ohne Begrenzung auf bestimmte Haftungssummen. Sie hat nach Satz 5 hierfür eine "angemessene" Haftpflichtversicherung abzuschließen, deren Prämien sie selbst aufbringen muss. Eine Ausnahme gilt nach Satz 4 nur dann, wenn die Schädigung des Dritten auf eine Weisung des Landesamts für Landwirtschaft zurückgeht.

14

3. Eine derartige Haftungsregelung bedarf der gesetzlichen Grundlage. Das gilt unabhängig davon, ob die Beleihung mit Zustimmung des Beliehenen durch Verwaltungsakt, durch Vertrag oder auf andere Weise erfolgt.

15

a) Dies ergibt sich freilich entgegen der Auffassung der Klägerin nicht schon unmittelbar aus Art. 34 Satz 2 GG.

16

aa) Art. 34 Satz 2 GG steht allerdings unter einem Gesetzesvorbehalt. Das ist für Art. 34 Satz 1 GG allgemein anerkannt, gilt aber gleichermaßen für Art. 34 Satz 2 GG.

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Art. 34 Satz 1 GG legt nur Grundsätze fest, die Abweichungen - Ausdehnungen der Haftung ebenso wie Einschränkungen - zugänglich sind. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut ("grundsätzlich") und entspricht allgemeiner Auffassung (vgl. nur BVerfG, Urteil vom 19. Oktober 1982 - 2 BvF 1/81 - BVerfGE 61, 149 <194, 199 f.>). Abweichungen bedürfen aber einer gesetzlichen Regelung. Das sagt Art. 34 Satz 1 GG zwar nicht ausdrücklich. Es folgt aber aus der Entstehungsgeschichte. Die Vorschrift geht auf Art. 131 WRV zurück, der in Absatz 2 ausdrücklich bestimmte, dass "die nähere Regelung der zuständigen Gesetzgebung (obliegt)". Daran wollte der Grundgesetzgeber nichts ändern (BVerfGE 61, 149 <197 f., 200>). Auch hierüber besteht allgemein Einigkeit.

18

Für Art. 34 Satz 2 GG gilt nichts anderes. Der Gesetzesvorbehalt des Art. 131 Abs. 2 WRV bezog sich auf den gesamten Inhalt des voranstehenden Absatzes und damit auch auf die dem Art. 34 Satz 2 GG entsprechende Bestimmung des Art. 131 Abs. 1 Satz 2 WRV. Hinzu kommt, dass Art. 34 Satz 2 GG den Innenregress nicht schon anordnet, sondern lediglich vorbehält. Das versteht sich gerade als Gesetzesvorbehalt.

19

bb) Art. 34 Satz 2 GG findet jedoch auf Private keine Anwendung, selbst wenn sie als Amtsträger im haftungsrechtlichen Sinne für den Staat hoheitlich tätig werden. Insofern bleibt der Anwendungsbereich des Art. 34 Satz 2 GG hinter demjenigen des Art. 34 Satz 1 GG zurück. Das ist nicht erst das Ergebnis einer teleologischen Reduktion (so aber - für den Verwaltungshelfer - BGH, Urteil vom 14. Oktober 2004 - III ZR 169/04 - BGHZ 161, 6 <11 f.>); vielmehr besteht hier - anders als bei Art. 34 Satz 1 GG - kein Anlass, die an sich nur für öffentliche Bedienstete gedachte Vorschrift auf hoheitlich tätige Private zu erstrecken.

20

Der Verfassunggeber hatte bei Erlass des Art. 34 GG nur den öffentlichen Dienst im Auge. Insofern schließt die Vorschrift an Art. 33 Abs. 4 GG an. Im Parlamentarischen Rat wurde lediglich erörtert, dass die mittelbare Staatshaftung nicht nur für Amtspflichtverletzungen von Beamten im staatsrechtlichen Sinne eingreifen müsse, sondern - über den Wortlaut von § 839 BGB hinaus - auch für solche von nichtbeamteten Angehörigen des öffentlichen Dienstes; hierüber bestand Einigkeit (vgl. JöR 1 n.F., S. 329). Die Frage der Staatshaftung für Private wurde hingegen nicht erwogen.

21

Es entspricht mittlerweile allgemeiner Ansicht, die Anwendung des Art. 34 Satz 1 GG auf Beliehene zu erstrecken. Auch ein Beliehener handelt im Sinne dieser Vorschrift als "jemand" "in Ausübung eines ihm anvertrauten öffentlichen Amtes", nämlich in Wahrnehmung der ihm übertragenen öffentlichen Aufgabe unter Einsatz hoheitlicher Befugnisse (BGH, Urteil vom 14. Oktober 2004 - III ZR 169/04 - BGHZ 161, 6 <10>; stRspr., vgl. Urteile vom 30. November 1967 - VII ZR 34/65 - BGHZ 49, 108 <110 ff.>, vom 25. März 1993 - III ZR 34/92 - BGHZ 122, 85 <87 f.> und vom 22. März 2001 - III ZR 394/99 - BGHZ 147, 169 <171 ff.>; allgemein Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, 5. Aufl. 1998, S. 12 ff.; Papier in: Münchener Kommentar zum BGB, Band 5, 5. Aufl. 2009, Rn. 130 m.w.N.). Die Erstreckung findet ihren Grund in der Erwägung, dass es für den Geschädigten keinen Unterschied machen dürfe, ob der Schaden durch hoheitliches Handeln eines öffentlichen Bediensteten oder eines beliehenen Privaten verursacht wird; in beiden Fällen soll ihm die Überleitung der Einstandspflicht auf den Staat eine genügende Haftungsgrundlage sichern (vgl. statt aller nur Ossenbühl, Staatshaftungsrecht, S. 114).

22

Die Interessen des Geschädigten erfordern aber nicht, den Rückgriff des Staates gegen den Amtsträger zu beschränken. Art. 34 Satz 2 GG, der diese Beschränkung vorsieht, liegt vielmehr ein anderer - doppelter - Zweck zugrunde. Zum einen soll die Entschlussfreude des Amtsträgers gestärkt und damit die Effektivität des hoheitlichen Staatshandelns gefördert, zum anderen der Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber seinen Bediensteten Rechnung getragen werden (BGH, Urteil vom 14. Oktober 2004, a.a.O. m.w.N.; vgl. von Danwitz in: von Mangoldt/Klein/Starck, Grundgesetz, 5. Aufl. 2005, Rn. 125 zu Art. 34 GG; Bryde in: von Münch/Kunig, Grundgesetz, Band 2, 5. Aufl. 2001, Rn. 37 zu Art. 34 GG; Masing in: Umbach/Clemens, MAK-GG, 2002, Rn. 150 zu Art. 34 GG; jew. m.w.N.). Erst das regelhafte - nicht nur in Ausnahmefällen gegebene - Zusammentreffen beider Zwecke trägt die Entscheidung des Verfassunggebers, die Möglichkeit des Rückgriffs gegen den Amtsträger auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit zu beschränken und hiervon auch keine Ausnahme zuzulassen. Das aber schließt die Ausdehnung der Vorschrift auf private Amtsträger aus. Es liegt auf der Hand, dass jedenfalls der Gesichtspunkt der Fürsorge ganz auf die eigenen Bediensteten des Staates zielt, über die Beamten im staatsrechtlichen Sinne hinaus auch auf die Angestellten und Arbeiter im öffentlichen Dienst, dass er aber für Private außerhalb des öffentlichen Dienstes, auch wenn sie hoheitlich tätig werden, nicht oder doch nur in Ausnahmefällen besonderer Schutzbedürftigkeit - etwa zugunsten von Schülerlotsen oder Aufsichtsschülern - greift (vgl. BGH, Urteil vom 14. Oktober 2004, a.a.O. <11 ff.>).

23

b) Das Erfordernis einer gesetzlichen Regelung ergibt sich aber aus allgemeinen verfassungsrechtlichen Grundsätzen.

24

aa) Es entspricht allgemeiner Überzeugung, dass eine Beleihung nur durch oder aufgrund Gesetzes erfolgen darf. Dies findet seine Grundlage zunächst in Art. 33 Abs. 4 GG, demzufolge hoheitliche Befugnisse in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen sind, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen; das sichert nicht nur einen Funktionsvorbehalt für Beamte im staatsrechtlichen Sinne gegenüber anderen öffentlichen Bediensteten, sondern auch einen weitergehenden Funktionsvorbehalt für öffentliche Bedienstete gegenüber privaten Dritten. Ausnahmen von dieser Regel setzen daher eine Entscheidung des Gesetzgebers voraus (Urteile vom 27. Oktober 1978 - BVerwG 1 C 15.75 - BVerwGE 57, 55 <58 ff.> und vom 29. September 2005 - BVerwG 7 BN 2.05 - Buchholz 451.221 § 41 KrW-/AbfG Nr. 1 = NVwZ 2006, 829; Nds. StGH, Urteil vom 5. Dezember 2008 - StGH 2/07 - GesR 2009, 146 für Art. 60 Satz 1 NV). Der Gesetzesvorbehalt wird von Art. 33 Abs. 4 GG jedoch nicht vollständig erfasst. Die Beleihung Privater mit hoheitlichen Befugnissen stellt auch unabhängig hiervon eine Maßnahme der Staatsorganisation dar, die vom Regelbild der Verfassungsordnung abweicht und dabei die Verfassungsgrundsätze des Rechtsstaats- und des Demokratiegebots berührt. Auch deshalb ist sie dem Gesetzgeber vorbehalten.

25

Gegenstand der hiernach nötigen Entscheidung des Gesetzgebers ist jedenfalls die Abweichung vom Regelbild der Verfassungsordnung als solche; der Gesetzgeber muss beurteilen, ob für eine Indienstnahme Privater Gründe sprechen, die gewichtiger sind als der Eintrag, den die Rechtsgüter des Art. 33 Abs. 4 GG, das Rechtsstaats- oder das Demokratiegebot erleiden (vgl. - jeweils mit Blick auf Art. 33 Abs. 4 GG - BVerfG, Urteil vom 27. April 1959 - 2 BvF 2/58 - BVerfGE 9, 268 <284>; BVerwG, Urteile vom 27. Oktober 1978 und vom 29. September 2005 a.a.O.; Masing in: Dreier, Grundgesetz, Band 2, 2. Aufl. 2006, Rn. 70 zu Art. 33 GG; Jachmann in: von Mangoldt/Klein/Starck, a.a.O. Rn. 37 zu Art. 33 GG; Rennert, JZ 2009, 976 <980>). Das betrifft zunächst nur das "Ob" einer Beleihung. Darin erschöpft es sich jedoch nicht. Vielmehr können auch einzelne Modalitäten der Beleihung derart wesentlich sein, dass sie der Entscheidung des Gesetzgebers vorbehalten sind. Was in diesem Sinne wesentlich ist, lässt sich nicht allgemein feststellen. Maßgeblich ist jeweils, ob und in welchem Maße die verfassungsrechtlichen Grundsätze des Staatsorganisationsrechts oder andere Verfassungssätze betroffen sind. Das wurde in Rechtsprechung und Lehre bislang vornehmlich mit Blick auf das Demokratieprinzip entwickelt. So lässt eine eher punktuelle, auf seltene Sonderfälle beschränkte Beleihung wie etwa diejenige eines Schiffskapitäns zur Vornahme bestimmter standesamtlicher Hoheitsakte auf hoher See insofern keinen besonderen gesetzgeberischen Entscheidungsbedarf erkennen. Umgekehrt riefe die Substitution einer gesamten Behörde durch eine größere Gesellschaft des Privatrechts einen erheblichen Klärungsbedarf im Hinblick auf eine hinlängliche demokratische Legitimation des hoheitlichen Handelns dieser Gesellschaft und der für sie Handelnden hervor, einschließlich der gebotenen Aufsicht (vgl. Nds. StGH, Urteil vom 5. Dezember 2008 a.a.O. und dazu Thiele, Der Staat 49, 2010, S. 274 ff.).

26

bb) Zu den Modalitäten einer Beleihung, die hiernach dem Gesetzgeber vorbehalten sind, zählt die Zulassung des Haftungsrückgriffs auf den Beliehenen auch bei einfacher Fahrlässigkeit. Dies immerhin ergibt sich aus Art. 34 Satz 2 GG, der insofern für den vorliegenden Rechtsstreit durchaus von Bedeutung ist. Art. 33 Abs. 4 und Art. 34 Satz 2 GG zeichnen das verfassungsrechtliche Regelbild, welches die Ausübung hoheitsrechtlicher (hoheitlicher) Befugnisse grundsätzlich den eigenen Bediensteten des Staates vorbehält und diese bei Pflichtverletzungen, die den Staat Dritten gegenüber zum Schadensersatz verpflichten, von einem Rückgriff des Staates jedenfalls unterhalb der Schwelle von Vorsatz und grober Fahrlässigkeit freistellen. Werden hoheitliche Befugnisse stattdessen Privaten verliehen, so liegt darin eine Abweichung von diesem Regelbild, die nicht nur mit Blick auf Art. 33 Abs. 4 GG, sondern auch mit Blick auf Art. 34 Satz 2 GG der Rechtfertigung bedarf. Diese letztere Vorschrift ist zwar regelmäßig nicht berührt, soweit sie der Fürsorge des Dienstherrn gegenüber seinen Bediensteten dient. In Rede steht aber ihr anderer Zweck, die Entschlussfreude des hoheitlich Handelnden zu stärken. Dieser Zweck knüpft nicht an die Person des Handelnden an, sondern an den - eben hoheitlichen - Charakter des Handelns als solches. Er dient damit der Effizienz des hoheitlichen Handelns, das von bremsender Rücksicht auf mögliche Haftungsrisiken freigehalten werden soll. Diese Zielrichtung hat in Art. 34 Satz 2 GG zwar - wie gezeigt - nur für den Umkreis des öffentlichen Dienstes Niederschlag gefunden; sie besitzt aber Bedeutung für jedwedes hoheitliche Verwaltungshandeln, unabhängig davon, ob der Staat durch eigenes Personal selbst handelt oder vermittels eines privaten Beliehenen. Art. 34 Satz 2 GG gebietet damit, diesen Gesichtspunkt auch außerhalb seines eigentlichen Anwendungsbereichs zu berücksichtigen.

27

cc) Dies bedeutet nicht, dass dem Gesetzgeber verwehrt wäre, den Rückgriff gegen den Beliehenen auch bei einfacher Fahrlässigkeit vorzusehen. Art. 34 Satz 2 GG beschränkt den Rückgriff nur innerhalb seines Anwendungsbereichs, also nur bei öffentlichen Bediensteten auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit; dies findet seinen Grund darin, dass sich der Zweck, die Entschlussfreude des hoheitlich Handelnden im Interesse der Effizienz des Staatshandelns zu stärken, hier mit dem anderen Zweck der Fürsorge des Dienstherrn für seine Bediensteten verbindet. Das liegt außerhalb des öffentlichen Dienstes anders. Zwar bleibt es auch dann durchgängig bei dem Ziel, im Interesse der Effizienz des Staatshandelns die Entschlussfreude des handelnden Amtsträgers zu stärken; deshalb muss der Gesetzgeber die Rückgriffsbeschränkung auch hier jedenfalls als Grundsatz stets vor Augen haben. Er darf aber einen weiterreichenden Rückgriff vorsehen, wenn besondere Umstände die Annahme rechtfertigen, dass die Entschlussfreude des Amtsträgers gleichwohl ungetrübt bleibt. Dabei wird er die mit der jeweiligen hoheitlichen Tätigkeit verbundenen Haftungsrisiken nach möglicher Schadenshöhe und Schadenshäufigkeit ebenso in Rechnung stellen müssen wie die wirtschaftlichen Folgen einer Haftungsverlagerung für den Beliehenen, die eine juristische Person des Privatrechts möglicherweise eher tragen kann als ein Einzelner. Insofern wird er auch bedenken, ob und zu welchen Konditionen sich der beliehene Private gegen persönliche Haftpflichten - eigene und solche seiner Beschäftigten - auch bei hoheitlichem Handeln versichern kann. Schließlich kommt dem Umstand Bedeutung zu, ob der Private die Beleihung selbst oder doch bestimmte Amtshandlungen ablehnen kann und welche Auswirkungen dies für die gleichmäßige Erfüllung der ihm angesonnenen öffentlichen Aufgabe hat (vgl. etwa § 33 Abs. 2 des Postgesetzes vom 22. Dezember 1997, BGBl I S. 3294).

28

Der Gesetzgeber hat das Bedürfnis einer gesetzlichen Regelung der Haftungsfolgen einer Beleihung in der Vergangenheit auch zumeist gesehen und dem in unterschiedlichem Sinne Rechnung getragen. So sieht etwa § 10 Abs. 4 des Kraftfahrsachverständigengesetzes vom 22. Dezember 1971 (BGBl I S. 2086) eine vollständige Haftungsfreistellung des jeweiligen Landes durch die Technische Prüfstelle vor, für die die - persönlich beliehenen - Sachverständigen tätig werden. Auch nach § 12 Satz 2 des - vom Bundesverfassungsgericht mit Urteil vom 19. Oktober 1982 wegen der fehlenden Gesetzgebungskompetenz des Bundes für nichtig erklärten (BVerfGE 61, 149) - Staatshaftungsgesetzes vom 26. Juni 1981 (BGBl I S. 553) sollte der Rückgriff gegen den hoheitlich handelnden Privaten bei jedem Verschulden offen stehen, soweit gesetzlich nichts anderes geregelt ist. Umgekehrt eröffnet § 31e des Luftverkehrsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. Mai 2007 (BGBl I S. 698) den Rückgriff gegen die in §§ 31a bis 31c LuftVG genannten Beauftragten - nicht aber unmittelbar gegen die für diese handelnden Organe und Beschäftigten - nur beschränkt auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit, zudem nur bis zu einem bestimmten Höchstbetrag, und hält sich damit im Rahmen des verfassungsrechtlichen Regelbildes.

29

4. Die nach allem erforderliche gesetzliche Grundlage für die hier umstrittene Haftungsregelung fehlt. Das Berufungsgericht hat dies bislang lediglich mit Blick auf die Außenhaftung gegenüber einem Geschädigten geprüft. Nichts anderes gilt aber für den Rückgriff im Innenverhältnis. Das Gesetz ermächtigt zwar dazu, privaten Kontrollstellen die selbständige Wahrnehmung der öffentlichen Aufgabe der Öko-Kontrolle zu übertragen und sie mit den hierzu nötigen hoheitlichen Befugnissen zu beleihen. Zu den Modalitäten der Beleihung und insbesondere zur Haftungsverteilung im internen Beleihungsverhältnis trifft es indessen keine Aussage.

30

a) Die Aufgabe der Kontrolle und Zertifizierung von Öko-Landbau-Unternehmen wurde durch europäisches Gemeinschaftsrecht zur öffentlichen Aufgabe erhoben, die von den Mitgliedstaaten entweder durch staatliche Kontrollbehörden oder unter Einschaltung privater Kontrollstellen wahrzunehmen ist. Nach Art. 1 der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 des Rates vom 24. Juni 1991 über den ökologischen Landbau und die entsprechende Kennzeichnung der landwirtschaftlichen Erzeugnisse und Lebensmittel (ABl L Nr. 198 S. 1) in der hier anwendbaren Fassung der Verordnung (EG) Nr. 699/2006 der Kommission vom 5. Mai 2006 (ABl L Nr. 121 S. 36) - im Folgenden: Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 - müssen bestimmte Agrarerzeugnisse sowie Futtermittel, die als Erzeugnisse aus ökologischem Landbau gekennzeichnet sind oder gekennzeichnet werden sollen, bestimmten Anforderungen genügen. Jedes Unternehmen, das solche Erzeugnisse erzeugt, aufbereitet, lagert, zur Vermarktung einführt oder vermarktet, ist nach Art. 8 der Verordnung verpflichtet, dies bei der zuständigen Behörde des Mitgliedstaats zu melden und seine Tätigkeit einem Kontrollverfahren zu unterstellen. Art. 9 der Verordnung verpflichtet die Mitgliedstaaten, ein derartiges Kontrollverfahren einzuführen, das entweder von staatlichen Kontrollbehörden oder von zugelassenen privaten Kontrollstellen oder von Kontrollbehörden und Kontrollstellen im Zusammenwirken durchzuführen ist.

31

Europäisches Gemeinschaftsrecht lässt damit die Übertragung der öffentlichen Aufgabe der Kontrolle von Öko-Landbau-Unternehmen auf private Kontrollstellen zu. Es schließt auch deren Beleihung mit hoheitlichen Befugnissen nicht aus. Das ergibt sich schon daraus, dass die Durchführung der Kontrolle Maßnahmen bei Unregelmäßigkeiten gegenüber den kontrollierten Öko-Landbau-Unternehmen einschließt, die nach deutschem Rechtsverständnis hoheitlicher Art sind (Beschluss vom 13. Juni 2006 - BVerwG 3 BN 1.06 - Buchholz 424.3 Nr. 6 m.zust.Anm. Sydow, ZLR 2006, 717). Zwar handelt es sich nach Ansicht des Europäischen Gerichtshofs hierbei nicht um Tätigkeiten, die nach ihrem Inhalt im Sinne der Art. 55, 45 Abs. 1 EG (Art. 62, 51 Abs. 1 AEUV) notwendig mit der Ausübung öffentlicher Gewalt verbunden sind. Dem Mitgliedstaat ist aber unbenommen, der Kontrollstelle auch die Befugnis zum Erlass von Maßnahmen einzuräumen, die ihrer Form nach Hoheitsakte - Verwaltungsakte - sind (EuGH, Urteil vom 29. November 2007 - C-404/05 - Slg. I-10239, 10242 ).

32

Die Modalitäten der Übertragung und das rechtliche (Innen-)Verhältnis zwischen dem Mitgliedstaat und der Kontrollstelle werden in Art. 9 der Verordnung nur in einzelnen Hinsichten geregelt (vgl. Abs. 4 bis 6, 8 und 11). Eine Bestimmung über die Haftungsverteilung im Innenverhältnis findet sich nicht. Eine Aussage hierzu lässt sich auch nicht mittelbar daraus herleiten, dass die Kontrollstelle nach Art. 9 Abs. 11 der Verordnung in Verbindung mit Ziff. 4.2 Buchstabe h der Europäischen Norm EN 45011 Festlegungen treffen muss, um die Haftung für ihre Maßnahmen und Tätigkeiten übernehmen zu können. Diese Anforderung dient der Sicherung der kontrollierten Öko-Landbau-Unternehmen dagegen, mit Ersatzansprüchen gegen die Kontrollstelle wegen deren Zahlungsunfähigkeit auszufallen. Sie gilt nur für den Fall, dass die Kontrollstelle nach nationalem Recht den Öko-Landbau-Unternehmen im Außenverhältnis haftet; das Gemeinschaftsrecht ordnet damit aber nicht an, dass das nationale Recht eine derartige Haftung der Kontrollstelle - anstelle einer Haftung des Mitgliedstaates - vorsehen muss.

33

Nur ergänzend sei darauf hingewiesen, dass nach der Ablösung der Verordnung (EWG) Nr. 2092/91 am 1. Januar 2009 durch die Verordnung (EG) Nr. 834/2007 des Rates vom 28. Juni 2007 über die ökologische/biologische Produktion und die Kennzeichnung von ökologischen/biologischen Erzeugnissen usw. (ABl L Nr. 189 S. 1) nichts anderes gilt. Die Verpflichtung der Mitgliedstaaten zur Einführung eines Kontrollsystems besteht nach Art. 27 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 fort. Gemäß Art. 27 Abs. 4 i.V.m. Art. 2 Buchstabe p dieser Verordnung können die Mitgliedstaaten Kontrollaufgaben weiterhin unabhängigen privaten Kontrollstellen übertragen. Bestimmungen über die Haftungsverteilung im Innenverhältnis der Kontrollstelle zum Mitgliedstaat sind weder durch Art. 27 der Verordnung noch durch die Verordnung (EG) Nr. 882/2004 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 29. April 2004 (ABl L Nr. 165 S. 1) - auch nicht durch deren Art. 5 - getroffen, auf die Art. 27 der Verordnung (EG) Nr. 834/2007 verweist.

34

b) Die angefochtene Haftungsregelung findet auch in dem (Bundes-)Gesetz zur Durchführung der Rechtsakte der Europäischen Gemeinschaft auf dem Gebiet des ökologischen Landbaus (Öko-Landbaugesetz - ÖLG) vom 10. Juli 2002 (BGBl I S. 2558) in der hier anzuwendenden Fassung der Bekanntmachung vom 12. August 2005 (BGBl I S. 2431) keine Grundlage.

35

§ 2 Abs. 3 Satz 1 ÖLG ermächtigt die Landesregierungen, durch Rechtsverordnung Kontrollaufgaben auf private Kontrollstellen zu übertragen. Ein Klammerzusatz definiert diese Übertragung als Beleihung, stellt also klar, dass die Übertragung der öffentlichen Kontrollaufgabe mit der Ermächtigung zu hoheitlichem Handeln verbunden ist. Die einzelne Beleihung muss nicht durch Rechtsverordnung, sondern kann auch durch Verwaltungsakt, dann aber auf der Grundlage einer Rechtsverordnung geschehen; so ist die - insofern missverständliche - Formulierung der Vorschrift ersichtlich gemeint. Dasselbe gilt für § 2 Abs. 3 Satz 2 ÖLG, wonach die Landesregierungen "die Ermächtigung nach Satz 1" ganz oder teilweise auf andere Behörden des Landes übertragen dürfen. Daraus ist nicht zu schließen, dass auch diese anderen Behörden eine Beleihung nur in der Rechtsform der Rechtsverordnung vornehmen dürften.

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Zu den Modalitäten einer Aufgabenübertragung und Beleihung sagt auch das Öko-Landbaugesetz nichts. § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ÖLG ermächtigt vielmehr die Landesregierungen, durch Rechtsverordnung die Voraussetzungen und das Verfahren der Beleihung zu regeln. Hier ist die Form der Rechtsverordnung zu beachten. Inhaltliche Vorgaben enthält die Vorschrift insofern nicht; sie ergeben sich auch nicht aus anderen Vorschriften des Gesetzes. Das wirft die Frage auf, ob die Ermächtigung des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ÖLG überhaupt geeignet wäre, eine Regelung zur internen Haftungsverteilung, die durch bloße Landesverordnung ergeht, zu tragen, ob die Ermächtigung mit anderen Worten insofern den Anforderungen des Art. 80 Abs. 1 Satz 2 GG genügt. Doch bedarf dies im vorliegenden Rechtsstreit keiner Entscheidung.

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An dem beschriebenen Rechtszustand hat sich durch die Neufassung des Öko-Landbaugesetzes durch das Gesetz vom 7. Dezember 2008 (BGBl I S. 2358) nichts geändert.

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c) Auch das bayerische Landesrecht enthält keine Ermächtigung, im Zuge einer Beleihung die Haftungsverteilung zu regeln. Eine gesetzliche Bestimmung findet sich nicht. Ebenso wenig trifft das Verordnungsrecht insofern eine Regelung. Das wird von keinem der Beteiligten bestritten und ist so offenkundig, dass es zu dieser Feststellung, auch wenn sie nicht revisibles Recht betrifft, keiner Zurückverweisung an das Berufungsgericht bedarf.

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In Ausfüllung des § 2 Abs. 3 ÖLG hat sich der bayerische Verordnungsgeber für das Beleihungsmodell entschieden. Nach § 11 der Verordnung zur Ausführung von Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft im Geschäftsbereich des Bayerischen Staatsministeriums für Landwirtschaft und Forsten (EG-Ausführungsverordnung-Landwirtschaft - AV-EG-LF) vom 8. April 2003 (BayGVBl S. 293) überträgt die Landesanstalt für Landwirtschaft den privaten Kontrollstellen mit einer Zulassung für Bayern auf Antrag verschiedene öffentliche Aufgaben der Kontrolle von Öko-Landbau-Unternehmen zur Erfüllung als beliehene Unternehmen.

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§ 11 Abs. 2 AV-EG-LF knüpft eine solche Aufgabenübertragung unter Beleihung an verschiedene Voraussetzungen, die hier nicht in Rede stehen. § 11 Abs. 2 Satz 3 AV-EG-LF ermächtigt das Staatsministerium für Landwirtschaft und Forsten, das Nähere über die Beleihung durch Bekanntmachung zu regeln. Über den möglichen Inhalt dieser Bekanntmachung trifft § 11 Abs. 2 Satz 3 AV-EG-LF keine Aussage. Namentlich wird der Gegenstand einer Haftungsverteilung im Beleihungsverhältnis nicht genannt. Dem bayerischen Verordnungsrecht lässt sich damit eine Ermächtigung zu einem Rückgriff auf den Beliehenen insgesamt nicht entnehmen.

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Die Bekanntmachung selbst ist am 7. November 2003 ergangen (AllMBl S. 890). Sie hat aber nicht einmal Verordnungsrang und kommt deshalb ihrerseits keinesfalls als gesetzliche Grundlage für eine Regelung der Haftungsverteilung in Betracht, ebenso wenig wie sie das Erfordernis des § 2 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 ÖLG zu erfüllen vermag, dass die Landesregierungen die Voraussetzungen der Beleihung "durch Rechtsverordnung" zu regeln haben. Dass sie in Ziffer 3.1.4 eine Haftungsregelung vorsieht, der diejenige des angefochtenen Bescheides entspricht, ist damit unerheblich.

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Auch hier sei ergänzend angemerkt, dass sich die Rechtslage in Bayern insofern bis heute ebenfalls nicht geändert hat. Allerdings ist die Verordnungsregelung zum Öko-Landbau durch die Verordnung vom 16. Oktober 2009 (BayGVBl S. 539) aus der EG-Ausführungsverordnung-Landwirtschaft herausgenommen und als § 4 in die Verordnung über die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft übernommen worden. Eine sachliche Änderung ist damit aber nicht verbunden.

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5. Stellt sich die angefochtene Haftungsregelung nach allem mangels gesetzlicher Grundlage als rechtswidrig dar, so wird die Klägerin dadurch auch in ihren Rechten, nämlich in ihrem Grundrecht aus Art. 12 Abs. 1, Art. 19 Abs. 3 GG verletzt (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 und 4 VwGO). Die Klägerin ist als Kontrollstelle von Öko-Landbau-Unternehmen tätig; das ist ihr Beruf. Mit Erlass des Öko-Landbaugesetzes hat der Gesetzgeber die Kontrolle von Öko-Landbau-Unternehmen zur öffentlichen Aufgabe erklärt und bestimmt, dass diese Aufgabe künftig hoheitlich wahrzunehmen sei. Er hat den bislang in diesem Bereich tätigen Kontrollunternehmen die weitere Kontrolltätigkeit zwar nicht völlig verwehrt, sie aber durch § 4 ÖLG von einer Zulassung als Kontrollstelle abhängig gemacht und sie durch § 2 Abs. 3 ÖLG - nach Wahl des jeweiligen Landes - entweder als Verwaltungshelfer in die behördliche Wahrnehmung der Kontrolle eingebunden oder aber mit der eigenständigen Wahrnehmung der Kontrolle beliehen. Das stellt einen Eingriff in ihre Berufsfreiheit dar. Daran ändert nichts, dass die Beleihung nicht von einer Bedarfsprüfung abhängig ist (vgl. zu der insofern anderen Rechtslage nach der Neuregelung der Notfallrettung und des Krankentransports in Sachsen BVerfG, Beschluss vom 8. Juni 2010 - 1 BvR 2011/07 u.a. - DVBl 2010, 1035). Die Klägerin muss aber einen Eingriff in die Berufsfreiheit nur dann hinnehmen, wenn dieser in jeder Hinsicht rechtmäßig ist (stRspr; vgl. BVerfG, Urteil vom 16. Januar 1957 - 1 BvR 253/56 - BVerfGE 6, 32 <37 ff.>). Es stellt daher zugleich eine Grundrechtsverletzung dar, wenn die Neuregelung mit Verfassungsgrundsätzen des Staatsorganisationsrechts unvereinbar ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.