Verwaltungsgericht München Urteil, 29. Aug. 2014 - 24 K 14.50349

bei uns veröffentlicht am29.08.2014

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Der Bescheid der Beklagten vom 2. Juni 2014 wird aufgehoben.

II.

Die Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger (geb. fiktiv ... 1996) ist afghanischer Staatsangehöriger. Er reiste am 8. Januar 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 22. Januar 2014 Asylantrag.

In der Niederschrift über das persönliche Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates zur Durchführung des Asylverfahrens am 22. Januar 2014 beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF) (Bl. 20ff. der vorgelegten Verwaltungsakte - d. A.) gab der Kläger zu seinem Reiseweg und den Aufenthaltszeiten an, er sei nach einem zehnjährigen Aufenthalt im Iran über die T. (1 Monat), G-land (4 Jahre) Mazedonien (1 Tag), Serbien (Durchreise), U. (2 Wochen), Österreich (Durchreise) unter anderem an, am 9. Mai 2014 in die Bundesrepublik Deutschland eingereist zu sein. In G-land habe er in vier Jahren durch Arbeit auf der Orangen-Plantage von 6.00h morgens bis 18.00h abends für 10 Euro/Tag Entgelt die Weiterreise erspart. Das Geld hätte nur für eine Weiterreise nach Deutschland gereicht. Er wolle nicht wieder in Länder zurück, wo er wie in G-land geschlagen werde.

Am 8. April 2014 sandte das BAMF ein Wiederaufnahmegesuch an die ungarischen Behörden (Bl. 45ff. d. A.). Dort wurde unter anderem ausgeführt, der Kläger sei laut EURODAC in U. am 30.12.2013 mit Fingerabdruckabnahme erfasst worden. Es sei nicht evident, dass der Kläger das Gebiet der Mitgliedstaaten verlassen habe.

Mit email mit scanner-Anhang vom 22. April 2014 erklärte sich das ungarische Amt für Einwanderung und Nationalität (Office of Immigration and Nationality) zur Wiederaufnahme des Klägers bereit.

Mit streitgegenständlichem Bescheid vom 2. Juni 2014 (Bl. 56f d. A.) lehnte das BAMF den Asylantrag als unzulässig ab (Nr. 1) und ordnete die Abschiebung nach U. an (Nr. 2). Der Bescheid vom 2. Juni 2014 wurde dem Kläger mit gesondertem Zustellanschreiben vom 5. Juni 2014 (Bl. 61 d. A.) übersandt. Ein Zustellnachweis befindet sich nicht in der Behördenakte. Ein Postaufgabedatum ist in der Behördenakte nicht vermerkt.

Mit Schreiben vom 18. Juni 2014, per Telefax bei Gericht eingegangen am 18. Juni 2014, erhob der Kläger Klage zugleich Antrag nach § 80 Abs. 5 VwGO und beantragte im Klageverfahren,

den Bescheid vom 5. (richtig wohl 2.; der Bescheid vom 2. Juni 2014 ist der Klageschrift beigefügt) Juni 2014 aufzuheben und das Bundesamt zu verpflichten, das Asylverfahren durchzuführen.

Auf die Klagebegründung wird verwiesen.

Mit Beschluss vom 14. Juli 2014 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Mit gerichtlichen Schreiben vom 14. Juli 2014 teilte der Einzelrichter den Beteiligten unter anderem mit, dass nach der aktuellen Erkenntnismittellage zu U. nach Auffassung des Gerichts davon auszugehen sei, dass sich (Rück)Überstellungen an U. nach dem Dublin-System derzeit als unmöglich erwiesen. Es wurde deshalb um Mitteilung gebeten, ob seitens der Beteiligten auf mündliche Verhandlung verzichtet wird.

Die Beteiligten verzichteten daraufhin mit Rückantwortschreiben vom 17. Juli (Kläger) und vom 22. Juli 2014 (Beklagte) auf mündliche Verhandlung.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die parallelen Gerichtsakten M 24 K 14.50349 und M 24 S 14.50350 sowie auf die vom BAMF vorgelegte Verwaltungsakte Bezug genommen.

Gründe

1. Die Klage ist im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylVfG) zulässig und begründet.

Das Gericht konnte gemäß § 101 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ohne mündliche Verhandlung im schriftlichen Verfahren entscheiden, weil alle Beteiligten klar, eindeutig und vorbehaltlos (vgl. BVerwG B. v. 24.4.2013 - 8 B 91/12 - juris Rn. 3) auf mündliche Verhandlung verzichtet haben. Dabei bedurfte es weder einer gesonderten Anordnung des schriftlichen Verfahrens durch einen gerichtlichen Beschluss (BVerwG B. v. 15.5.2014 - 9 B 57/13 - Rn. 20, NVwZ-RR 2014-657) noch vor der Entscheidung im schriftlichen Verfahren der Bestimmung einer Schriftsatzfrist (BVerwG B. v. 10.10.2013 - 1 B 15/13 - Rn. 5, Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 72, juris).

Das Verwaltungsgericht München ist entscheidungsbefugt, insbesondere örtlich zuständig, weil der Kläger im maßgeblichen Zeitpunkt der Klageerhebung seinen Aufenthalt im Gerichtsbezirk des Verwaltungsgerichts München zu nehmen hatte (§ 52 Nr. 2 Satz 3 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO - i. V. m. Art. 1 Abs. 2 Nr. 1 des Gesetzes zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung - AGVwGO - i. V. m. § 83 Satz 1 VwGO i. V. m. § 17 Abs. 1 Satz 1 Gerichtsverfassungsgesetz - GVG).

Aufgrund des Kammerbeschlusses vom 14. Juli 2014 ist der Berichterstatter als Einzelrichter zur Entscheidung berufen (§ 76 Abs. 1 AsylVfG).

Gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylVfG ist für die vorliegend gemäß § 101 Abs. 2 VwGO ohne mündliche Verhandlung ergehende gerichtliche Entscheidung die Sach- und Rechtslage in dem Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird.

2. Die Anfechtungsklage gegen den streitgegenständlichen Bescheid ist zulässig, insbesondere innerhalb der 2-Wochen-Frist des § 74 Abs. 2 AsylVfG erhoben worden; sie ist auch vollumfänglich begründet.

2.1. Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Ablehnung des Asylantrags als unzulässig ist § 27a AsylVfG; Rechtsgrundlage der streitgegenständlichen Abschiebungsanordnung ist § 34a Abs. 1 AsylVfG.

Der Asylantrag wäre dabei gemäß § 27a AsylVfG unzulässig, wenn U. gemäß den Zuständigkeitskriterien der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 (Dublin-III-VO) für die Behandlung des Asylantrags zuständig wäre (vgl. auch § 71a Abs. 1 und Abs. 2 AsylVfG) oder wenn dies auf einen anderen Mitgliedstaat zutrifft, der nach den Zuständigkeitsregelungen der Dublin-III-VO vorrangig zuständig ist (OVG NRW U. v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - juris Rn. 31 m. w. N.).

Einschlägig ist dabei im vorliegenden Fall die Dublin-III-VO und nicht die frühere Verordnung (EG) Nr. 343/2003 (Dublin-II-VO), weil das Wiederaufnahmegesuch der Bundesrepublik Deutschland an U. nach dem 1. Januar 2014 gestellt wurde. Gemäß Art. 49 Abs. 2 Satz 1 Alternative 2 Dublin-III-VO ist die Dublin-III-VO ungeachtet des Zeitpunkts der Stellung des Antrags auf internationalen Schutz ab dem 1. Januar 2014 auf alle Gesuche um Aufnahme oder Wiederaufnahme von Antragstellern anwendbar.

2.2. Nach den Zuständigkeitsregelungen der Dublin-III-VO wäre an sich U. der für die Prüfung des Asylantrags zuständige Mitgliedstaat.

Dabei kann sich die Zuständigkeit eines Mitgliedstaates nicht nur aus den materiellen Zuständigkeitskriterien (Art. 3 und 7 - 16) der Dublin-III-VO ergeben, sondern auch aus dem Selbsteintritt eines Mitgliedstaates gemäß Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO; ein solcher Selbsteintritt bewirkt abweichend von den materiellen Zuständigkeitskriterien konstitutiv eine eigene Zuständigkeit des jeweils erklärenden Mitgliedstaates (vgl. Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin-III-VO). Ob im Einzelfall ein Selbsteintritt vorliegt oder nicht, hängt dabei zwar von den Umständen des Einzelfalles ab, wobei auch eine „konkludente“ Ausübung des Selbsteintrittsrechts denkbar ist (vgl. BayVGH B. v. 3.3.2010 - 15 ZB 10.30005 - InfAuslR 2010, 467, juris Rn. 4). Jedenfalls dann aber, wenn ein Mitgliedstaat ausdrücklich dem Übernahmeersuchen oder dem Wiederaufnahmeersuchen eines anderen Mitgliedstaates zustimmt (Art. 22 Abs. 1, 26 Dublin-III-VO) und entsprechende Unterrichtungen auf dem in Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 2 Satz 2 Dublin-III-VO vorgesehenen Kommunikationsweg vornimmt, ist von einem Selbsteintritt i. S. v. Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO auszugehen, der den erklärenden Mitgliedstaat damit auch zum „zuständigen Mitgliedstaat“ i. S. v. Art. 18 Abs. 1 Dublin-III-VO macht (vgl. Funke-Kaiser in: GK-AsylVfG, Stand: November 2013, § 27a Rn. 174 und Rn. 177).

Vorliegend wäre U. jedenfalls infolge seiner Erklärung vom 16. Juni 2014 (übermittelt mit email am 22. April 2014), mit der das ungarische Amt für Einwanderung und Nationalität (Office of Immigration and Nationality) die Bereitschaft zur Wiederaufnahme des Klägers zum Ausdruck brachte, nach der Dublin-III-VO zuständig und damit wiederaufnahmepflichtig geworden (Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 2 i. V. m. Art. 18 Abs. 1 Dublin-III-VO), wobei sich auch aus Art. 13 und Art. 3 Abs. 2 Abs. 1 Dublin-III-VO vorliegend nichts anderes ergäbe. Insbesondere kommt eine vorrangige Zuständigkeit G-lands aufgrund Art. 13 Dublin-III-VO gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO aufgrund der dort bestehenden systemischen Mängel des Asylsystems nicht in Betracht (vgl. EuGH (Große Kammer) U. v. 14.11.2014 - C-4/11 - NVwZ 2014, 129; EGMR Entsch. V. 6.9.2011 - 51599/08 - NVwZ 2012, 1233; EGMR (Große Kammer) U. v. 21.1.2011 - 30696/09 - NVwZ 2011, 413).

2.3. Auch ist kein Verfahrensfehler im Hinblick auf das Wiederaufnahmegesuch des BAMF ersichtlich (vgl. Art. 20 - 23, 25 und 29 Dublin-III-VO).

2.4. Für Fälle wie den vorliegenden, in denen der somit an sich zuständige Mitgliedstaat der Wiederaufnahme (vorliegend U.) in verfahrensfehlerfreier Weise zugestimmt hat, kann der Asylbewerber der Heranziehung der von der Dublin-III-VO vorgesehenen Zuständigkeitskriterien nur damit entgegentreten, dass er systematische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im Aufnahmemitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i. S. v. Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GRCh) ausgesetzt zu werden (Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO; vgl. EuGH (Große Kammer) U. v. 14.11.2013 - C-4/11 - Rn. 36 f., NVwZ 2014, 129). Wird dies bejaht, hat der Mitgliedstaat in erster Linie die Prüfung der Zuständigkeitskriterien der Dublin-III-VO fortzusetzen, um festzustellen, ob ein anderer Mitgliedstaat nach einem dieser Kriterien bestimmt werden kann (vgl. EuGH v. 14.11.2013, a. a. O., Rn. 36). Hingegen führt die Unmöglichkeit der Überstellung in den im Ausgangspunkt zuständigen Mitgliedstaat als solche nicht dazu, dass der den zuständigen Mitgliedstaat bestimmende Mitgliedstaat zum Selbsteintritt (Art. 17 Abs. 1 Dublin-III-VO) verpflichtet wäre (vgl. EuGH v. 14.11.2013, a. a. O., Rn. 37). Dieser bereits für die Dublin-II-VO entwickelte Zusammenhang ist in dem bereits erwähnten Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO nunmehr ausdrücklich festgehalten. Bei der Prüfung der Frage systemischer Schwachstellen handelt es sich somit um die Subsumtion der unmittelbar anwendbaren Dublin-III-VO selbst, nicht um eine Frage einer teleologischen Reduktion oder gar einer inzidenten Verwerfung der Dublin-III-VO.

2.5. Im maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Eilentscheidung ist davon auszugehen, dass das ungarische Asylsystem systemische Schwachstellen aufweist.

2.5.1. Maßgeblich ist, wie gezeigt, gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 Halbsatz 2 AsylVfG die Lage im Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung. Deshalb kommt es weder auf den vom April 2012 stammenden Bericht des Hohen Flüchtlingskommissars der Vereinten Nationen (UNHCR) „U. als Asylland - Bericht zur Situation für Asylsuchende und Flüchtlinge in U.“ in seiner deutschsprachigen Fassung vom 15. Juni 2012 (zitiert nach www.bordermonitoring.eu/tag/ungarn-2 unter „Neue Berichte“ 17. Punkt, nachfolgend: UNHCR-Bericht April 2012) noch auf die vom UNHCR im Oktober 2012 ausgesprochene Empfehlung, nach den Dublin-II-Bestimmungen keine Asylbewerber nach U. zu überstellen, wenn diese vor ihrer Ankunft in U. durch Serbien gekommen waren (zitiert nach www.bordermonitoring.eu/tag/ungarn-2 unter „Neue Berichte“ 11. Punkt, nachfolgend: UNHCR-Bericht Oktober 2012) entscheidend an. Denn abgesehen davon, dass der UNHCR die Empfehlung vom Oktober 2012 bereits ab Dezember 2012 so nicht mehr aufrecht erhalten hat (vgl. UNHCR „Note on Dublin transfers to Hungary of people who have transited through Serbia - update“, December 2012, S. 1: „UNHCR acknowledges the subsequent progress in asylum practice in Hungary, and accordingly amends its previous position“, zitiert nach http://www...org/country...HUN...html, nachfolgend UNHCR-Bericht vom Dezember 2012), hat es auch nach den vom UNHCR im Dezember 2012 positiv gesehenen Verbesserungen weitere ungarische Reformen gegeben, die ab Juli 2013 in Kraft getreten sind und zum 1. Januar 2014 weiter fortgeschrieben wurden. Diese, ab Juli 2013 und Januar 2014 eingeführten, Regelungen stehen für das Gericht im Vordergrund.

2.5.2. Vor diesem Hintergrund ist aufgrund der aktuellen Erkenntnislage beim ungarischen Asylsystem derzeit von systemischen Mängeln i. S. v. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO auszugehen.

2.5.2.1. Zwar hat gerade für U. die Große Kammer des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) bereits in einem Zeitpunkt nach dem Inkrafttreten der ungarischen Asylrechtsänderungen zum 1. Juli 2013 systemische Mängel verneint (EuGH (Große Kammer) U. v. 10.12.2013 - C-394/12 - Rn. 60 und 61, NVwZ 2014, 208).

2.5.2.2. Allerdings sind zwischenzeitlich neue Erkenntnismittel verfasst und veröffentlicht worden, die dem EuGH bei seiner Entscheidung vom 10. Dezember 2013 noch nicht bekannt sein konnten, weil sie damals noch nicht existierten. Eine tragfähige Grundlage für die Annahme eines möglicherweise als systemisch zu bewertenden Mangels durch eine ungerechtfertigte Freiheitsentziehung kann dabei gegeben sein, wenn kompetente Stellen wie etwa der UNHCR und das EASO (Europäisches Unterstützungsbüro für Asylfragen, errichtet durch die Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. L 132 v. 29.5.2010, S. 11) einen solchen Mangel feststellen (vgl. VG Hamburg B. v. 10.2.2014 - 19 AE 5415/13 - juris Rn. 24 - 32 und ihm folgend VG München B. v. 22.4.2014 - M 24 S 13.31311 - juris). An entsprechenden Stellungnahmen fehlte es zwar noch zur Zeit der soeben genannten Judikate; zwischenzeitlich sind aber weitere aktuelle Erkenntnismittel veröffentlicht worden, nämlich:

- Schreiben des UNHCR vom 9. Mai 2014 an das VG Düsseldorf im Verfahren 13 L 172/14.A (abrufbar in der öffentlich zugänglichen Datenbank MILO des BAMF);

- Bericht des HHC (Hungarian Helsinki Committee) zur Asylhaft und zu den Dublin-Verfahren in U. (Stand: Mai 2014; ebenfalls abrufbar in MILO);

- U.-Länder-Bericht des AIDA (Asylum Information Database), der ebenfalls vom HHC geschrieben und vom European Council on Refugees and Exiles (EDRE) veröffentlicht worden ist (Stand: 30.4.2014; abrufbar unter:

http://www...org/...).

Diesen Veröffentlichungen lassen sich insbesondere zur Inhaftierungspraxis U.s im Zusammenhang mit Asylfällen diverse Kritikpunkte entnehmen. Das Gericht schließt sich insoweit folgenden Ausführungen im Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 28. Mai 2014, Az. 13 L 172/14.A (juris Rn. 62 bis 100), an:

„Seit der (Wieder-)Einführung der Asylhaft zum 1. Juli 2013, die erneut eine Inhaftierung von Erstantragstellern - wie dem Antragsteller des vorliegenden Verfahrens - ermöglicht, wurden im Zeitraum von Juli bis Dezember 2013 rund 25% aller Asylantragsteller auf dieser Grundlage inhaftiert,

vgl. Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 9. Mai 2014, Frage 1, Seite 1.

Die Gesamtzahl der in diesem Zeitraum gestellten neuen Asylanträge belief sich auf 7.156, während die Anzahl der Inhaftierungen im gleichem Zeitraum 1.762 betrug; die Hafteinrichtungen waren in diesem Zeitraum regelmäßig voll besetzt;

vgl. Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 9. Mai 2014, zu Frage 1 und Fußnote 1; aida, National Country Report Hungary, S. 48.

Nach der Dublin-Verordnung nach U. zurücküberstellte Asylbewerber wurden in diesem Zeitraum flächendeckend inhaftiert,

vgl. Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 9. Mai 2014 zu Frage 3, S. 2.

Zwar stellt der Umstand, dass das ungarische Asylrecht seit der erneuten Rechtsänderung zum 1. Juli 2013 - wieder - Inhaftierungsgründe für Asylbewerber enthält und U. diese neuen Inhaftierungsvorschriften auch tatsächlich anwendet, für sich genommen noch keinen begründeten Anhaltspunkt für das Vorliegen systemischer Mängel des Asylsystems dar. Denn auch das unionsrechtliche Regelungssystem geht seinerseits davon aus, dass eine Inhaftierung von Asylbewerbern - wenn auch unter engen Voraussetzungen - im Einzelfall möglich ist. Artikel 8 und 9 der Richtlinie 2013/33 EU des Europäischen Parlamentes und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragten (Neufassung) - im Folgenden: AufnahmeRL, geben den Mitgliedstaaten hierfür ausdrücklich einen rechtlichen Rahmen vor. Auch macht U. ersichtlich nicht mehr in einem so umfassenden Umfang von den neuen Haftregelungen Gebrauch wie noch im Zeitraum bis zum 1. Januar 2013 nach der früheren Rechtslage.

Aus den aktuellen Erkenntnismitteln ergeben sich aber ungeachtet dessen sowohl hinsichtlich des Verfahrens der Haftanordnung durch die zuständige Verwaltungsbehörde (sog. Office of Immigration and Nationality - OIN) als auch mit Blick auf die gegen die Haftanordnung bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten Anhaltspunkte für eine grundrechtsverletzende, insbesondere willkürliche und nicht dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit genügende Inhaftierungspraxis, der die Asylbewerber rechtsschutzlos ausgeliefert zu sein scheinen.

Den Verwaltungsentscheidungen, mit denen die Asylhaft gegenüber Erstantragstellern angeordnet wird, fehlt es regelmäßig an einer einzelfallbezogenen Begründung. Denn die haftanordnenden Entscheidungen des OIN nennen weder den konkreten Haftgrund, noch enthalten sie Angaben dazu, warum die Inhaftierung aus Sicht der zuständigen Behörde im konkreten Einzelfall erforderlich und angemessen ist und insbesondere keine anderen milderen Mittel in Betracht kommen, um eine Verfügbarkeit des Antragstellers im Asylverfahren sicherzustellen, wie etwa die Stellung einer Kaution, die Anordnung einer Residenzpflicht oder regelmäßige Meldepflichten - Alternativen zur Haft, die im neuen ungarischen Asylrecht rechtlich durchaus vorgesehen sind,

vgl. Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 9. Mai 2014, zu Frage 3, Seite 2; aida, National Country Report Hungary, a. a. O., S. 51.

Vielmehr werden Asylbewerber nur mündlich über die Gründe ihrer Inhaftierung informiert und erhalten die - nicht mit einer Begründung versehene - Haftanordnung noch dazu ausschließlich in ungarischer Sprache,

vgl. aida, National Country Report Hungary, a. a. O., S. 56.

was jedenfalls die Überprüfbarkeit der Anordnung und die Inanspruchnahme von Rechtsschutz für den Asylbewerber deutlich erschweren dürfte.

Dass vor der Anordnung der Haft eine - lediglich nicht schriftlich dokumentierte - Einzelfallprüfung erfolgt, ergibt sich ebenfalls nicht. Nach den Angaben im aida Länderbericht soll die Asylhaft nach der ungarischen Rechtslage zwar auf der Grundlage einer Prüfung der individuellen Umstände des Einzelfalls und nur dann erfolgen, wenn - s. o. - keine weniger einschneidenden Alternativen in Betracht kommen. Die Erfahrung zeige aber, dass Haftanordnungen gerade ohne eine solche Einzelfallprüfung ergingen und Haftalternativen nicht geprüft würden. Auch würden zur Verfügung stehende Instrumente zur Überprüfung der Notwendigkeit und Verhältnismäßigkeit der Haftanordnung in der Praxis nicht angewendet,

vgl. aida, National Country Report Hungary, a. a. O., S. 51.

Vielmehr sei vollkommen intransparent und daher nicht vorhersehbar, welche Asylbewerber in U. verhaftet würden und welche nicht und warum,

vgl. Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 9. Mai 2014, zu Frage 3, S. 2.

Damit sehen sich aber grundsätzlich alle Asylbewerber bei der Erstantragstellung dem nicht einschätzbaren Risiko einer willkürlichen Inhaftierung ausgesetzt.

Soweit Dublin-Rückkehrer anders als die übrigen Asylbewerber nach ihrer Rückkehr nach U. grundsätzlich inhaftiert werden,

vgl. Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 9. Mai 2014, zu Frage 3, Seite 2,

führt dies nicht zu einer anderen Bewertung, da es nach der Auskunftslage auch hinsichtlich dieser Personengruppe jedenfalls an jeder individuellen Prüfung der Haftvoraussetzungen und Haftgründe zu fehlen scheint.

Soweit ausweislich des aida Länderberichts nach neuem Recht unbegleitete Minderjährige nicht inhaftiert werden dürfen und alleinstehende Frauen und Familien mit Kindern - obwohl rechtlich möglich - tatsächlich nicht in Asylhaft genommen werden,

vgl. aida, National Country Report Hungary, a. a. O., S. 48; andererseits sind andere besonders verletzliche Personen, z. B. ältere Menschen, oder Menschen mit körperliche oder geistigen Erkrankungen/Behinderungen, nicht von der Asylhaft ausgenommen sind und es bestehen auch keine ausreichenden Mechanismen, um diese Personen im Asylverfahren rechtzeitig zu identifizieren, S. 56,

bleibt schon offen, ob dies auch auf die Personengruppe der Dublin-Rückkehrer zutrifft, der der Antragsteller zugehört. Jedenfalls gehört der Antragsteller aber ersichtlich nicht zu diesen besonders geschützten Personengruppen, die nach der aktuellen Erkenntnislage von einer Asylhaft tatsächlich verschont bleiben.

Es ist andererseits nicht ersichtlich, dass die vorhandenen Rechtsschutzmöglichkeiten wenigstens nachträglich eine ausreichende und wirksame rechtliche Überprüfung der Rechtmäßigkeit der Inhaftierungsentscheidung bzw. ihrer Fortdauer gewährleisten könnten. Im Gegenteil bewerten die aktuellen Erkenntnismittel die bestehenden Rechtsschutzmöglichkeiten als vollkommen ineffektiv und im Ergebnis wirkungslos. Selbstständige Rechtsbehelfe stehen gegen die behördliche Anordnung der Asylhaft nicht zur Verfügung,

vgl. aida National Country Report Hungary, a. a. O., S. 56 unten; Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 9. Mai 2014, a. a. O., zu Frage 7, Seite 6.

Die Überprüfung der Haftanordnungen erfolgt vielmehr im Rahmen einer automatischen gerichtlichen Haftüberprüfung erstmals nach 72 Stunden, anschließend dann - weil die Behörden regelmäßig die Verlängerung der Haft um jeweils weitere 60 Tage beantragen - in einem 60-Tage-Rhythmus. Die zuständigen Gerichte setzen dabei die Überprüfungstermine im Halbstundentakt und regelmäßig für Gruppen von 5 bis 15 Inhaftierte gleichzeitig an, so dass für jeden Fall nur wenige Minuten zur Verfügung stehen.

vgl. auch aida-report, a. a. O., S. 57; Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 9. Mai 2014 zu Frage 7, S. 7.

Eine einzelfallbezogene Überprüfung, ob die Haftanordnung rechtmäßig war und der Haftgrund fortbesteht, dürfte - zumal die Haftgründe und sonstigen behördlichen Erwägungen wie ausgeführt in der behördlichen Anordnung nicht schriftlich fixiert sind - den Gerichten unter diesen Umständen kaum möglich sein,

so auch Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 9. Mai 2014, zu Frage 7, Seite 7.

Erschwerend kommt hinzu, dass inhaftierte Asylbewerber zwar Anspruch auf einen kostenlosen Rechtsbeistand haben, diese Rechtsbeistände aber in den Haftprüfungsterminen normalerweise keine Einwände gegen die Verlängerung der Haftdauer erheben und regelmäßig auch nur in der ersten Überprüfung (nach 72 Stunden Haft) von Amts wegen zur Verfügung gestellt werden. Bei den späteren, wegen der regelmäßig erfolgenden Haftverlängerungen um 60 Tage grundrechtlich noch bedeutsameren Folgeüberprüfungen steht Asylantragstellern diese rechtliche Unterstützung in der Praxis dagegen regelmäßig nicht mehr zur Verfügung,

vgl. aida, National Country Report Hungary, a. a. O., S. 57.

Hierzu fügt sich, dass nach einer Untersuchung, die das höchste Gericht U.s (Kuria) in den Jahren 2011 und 2012 durchgeführt hat, lediglich in drei von 5.000 bzw. 8.000 Fällen, die automatische Haftüberprüfung (durch dieselben Gerichte, die auch nach neuem Recht für die Überprüfung zuständig sind), tatsächlich zu einer Aufhebung der Haftanordnung geführt hat,

vgl. Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 9. Mai 2014, zu Frage 7, Seite 7; aida National Country Report Hungary, a. a. O., Seite 57.

Damit spricht nach den aktuellen Erkenntnissen viel dafür, dass das vorhandene Rechtsschutzsystem ungeeignet ist, um Asylbewerbern wirksamen Schutz vor einer rechtswidrigen Freiheitsentziehung von regelmäßig erheblicher Dauer zu bieten.

Soweit das ungarische Asylrecht neben der automatischen Haftprüfung vorsieht, dass der Asylbewerber gegen die Anordnung der Asylhaft eine sog. „objection“, also wohl einen Einspruch, erheben kann, führt auch dies nicht zu einer anderen Beurteilung. Dem UNHCR ist seit der Wiedereinführung der Asylhaft zum 1. Juli 2013 kein einziger Fall bekannt geworden, in dem ein solcher Einspruch tatsächlich erhoben worden ist. Nach Einschätzung des UNHCR werden Asylbewerber in der Praxis überhaupt nicht über diesen Rechtsbehelf informiert bzw. seitens der zuständigen Behörden mit dem Hinweis darauf, dass dieser Rechtsbehelf ungeeignet sei, die Rechtmäßigkeit der Haftentscheidung anzugreifen, von einer Einlegung abgehalten,

vgl. Auskunft des UNHCR an das Verwaltungsgericht Düsseldorf vom 9. Mai 2014, zu Frage 7, Seite 6.

Zu alledem fügt sich schließlich, dass Asylbewerber, die inhaftiert werden, nach den vorliegenden Erkenntnismitteln mit großer Wahrscheinlichkeit die gesamte Dauer ihres Asylverfahrens inhaftiert bleiben. Die maximale Haftdauer der seit dem 1. Juli 2013 neu geregelten Asylhaft beträgt sechs Monate und auch die durchschnittliche Haftdauer wird derzeit mit 4 bis 5 Monaten angegeben, reicht also deutlich an die rechtlich zulässige Höchsthaftdauer heran,

vgl. aida National Country Report Hungary, a. a. O., S. 51 und 49.”

Angesichts insbesondere des hohen Gewichts, das Stellungnahmen des UNHCR beizumessen ist (EuGH U. v. 30.5.2013 - C-528/11 - Rn. 44, NVwZ-RR 2013, 660), führen die genannten neuesten Erkenntnismittel (Schreiben des UNHCR vom 9.5.2014; Bericht des HHC [Hungarian Helsinki Committee] vom Mai 2014; U.-Länder-Bericht des AIDA [Asylum Information Database] - Stand: 30.4.2014) dazu, vom Vorliegen systemischer Schwächen im ungarischen Asylsystem i. S. v. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO auszugehen. Denn im Hinblick auf diese seit nunmehr rund drei Monaten unveränderte und von der Beklagten nicht substantiiert in Zweifel gezogene Erkenntnismittellage ist davon auszugehen, dass Dublin-Rückkehrer nach ihrer Ankunft in U. grundsätzlich, ohne Angabe von Gründen und ohne eine Prüfung ihrer individuellen Umstände inhaftiert werden, sonstige Asylbewerber grundsätzlich jedenfalls dem Risiko einer willkürlichen Inhaftierung ausgesetzt sind und beide Gruppen mangels wirksamer Rechtsschutzmöglichkeiten die Anordnung der Haft bzw. die Haftfortdauer nicht mit Aussicht auf Erfolg überprüfen lassen können (vgl. VG Düsseldorf B. v. 28.5.2014 - 13 L 172/14.A - juris Rn. 101). Infolge dessen kommt es auch nicht mehr auf die Frage an, ob die konkreten Haftbedingungen der in U. inhaftierten Asylbewerber das mit einer Haft unvermeidbar verbundene Maß übersteigen.

Es ist in keiner Weise ersichtlich, dass sich in der Zeit seit der Veröffentlichung der genannten Erkenntnismittel bis zur vorliegenden Entscheidung Veränderungen im ungarischen Asylsystem ergeben hätten. Die genannten fachkundigen Institutionen haben ihre kritischen Aussagen nicht relativiert, insbesondere hat der UNHCR keinen allgemeinen Bericht veröffentlicht, aus dem hervorginge, dass er seine kritische Haltung gegenüber dem ungarischen Asylsystem, die er in seiner Stellungnahme an das VG Düsseldorf zum Ausdruck gebracht hat, nicht mehr aufrecht erhalten würde. Der streitgegenständliche Bescheid setzt sich zwar mit der aktuellen Rechtslage in U., nicht aber mit der Frage der tatsächlichen Verhältnisse, wie sie in den genannten aktuellen Erkenntnismitteln dargestellt werden, auseinander. Auch hat die Beklagtenseite im gerichtlichen Verfahren nicht ansatzweise vorgetragen, dass sich insoweit Verbesserungen ergeben hätten. Das Gericht sieht deshalb im Hinblick auf die seit nunmehr rund drei Monaten unveränderte neuere Erkenntnismittellage gegenüber dem ungarischen Asylsystem und die dort vorgebrachten Kritikpunkte (s. o.) sowie im Hinblick darauf, dass die Beklagtenseite hiergegen auch auf das gerichtliche Anhörungsschreiben vom 29. Juli 2014 hin nicht substantiiert zur Frage zwischenzeitlicher Veränderungen im ungarischen Asylsystem vorgetragen hat, keinen Anlass für ergänzende Anfragen bei den genannten Stellen dahin, ob von deren kritischer Haltung abgerückt wird.

2.6. Dieses Ergebnis erscheint auch in Anbetracht des primärrechtlichen Gebots der effektiven Umsetzung der Dublin-III-VO (vgl. Art. 4 Abs. 3 des Vertrags über die Europäische Union - EUV) sachgerecht, weil im Fall des Klägers - eines Asylrückkehrers - angesichts der genannten neuesten Erkenntnismittel die Gefahr einer Verletzung unionsrechtlicher Grundrechte (Art. 4 GRCh), die ebenfalls Teil des unionsrechtlichen Primärrechts sind (vgl. Art. 6 Abs. 1 EUV), hinreichend wahrscheinlich ist.

Dabei ist zwar zu sehen, dass den Regelungen der Dublin-III-Verordnung zunächst der Grundsatz des gegenseitigen Vertrauens zugrunde liegt, der mit hinreichender Wahrscheinlichkeit erschüttert sein muss, um zum Erfolg eines Rechtsbehelfs gegen eine Abschiebungsanordnung nach § 34a AsylVfG führen zu können. Dieser Grundsatz kann nicht mittels jedweder Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat außer Kraft gesetzt werden (vgl. EuGH (Große Kammer) U. v. 21.12.2011 - C-411/10 u. a. - Rn. 82, NVwZ 2012, 417); denn andernfalls würden die betreffenden Verpflichtungen zur Beachtung der Bestimmungen der Dublin-III-VO in ihrem Kern ausgehöhlt werden (vgl. EuGH, U. v. 21.12.2011, a. a. O., Rn. 85). Auch ist zu sehen, dass das Arbeitsprogramm 2014 der EASO (abrufbar unter: http://...europa...pdf) nach wie vor U. nicht auflistet.

Das ändert aber nichts daran, dass Stellungnahmen des UNHCR - angesichts der Rolle, die diesem durch die Genfer Flüchtlingskonvention übertragen worden ist - bei der Beurteilung der Funktionsfähigkeit des Asylsystems in dem nach der Dublin-III-VO zuständigen Mitgliedstaat besondere Relevanz zukommt (EuGH U. v. 30.5.2013 - C-528/11 - Rn. 44, NVwZ-RR 2013, 660). Hinzu kommt, dass die im Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung veröffentlichten aktuellen Stellungnahmen der Non-Government-Organisationen keine andere Einschätzung nahelegen als diejenige, die der UNHCR in seinem Schreiben vom 9. Mai 2014 dem Verwaltungsgericht Düsseldorf mitgeteilt hat (s. o.).

Dies rechtfertigt es, auch in Anbetracht des primärrechtlichen Effektivitätsgrundsatzes und des Grundsatzes des gegenseitigen Vertrauens zwischen den Mitgliedstaaten, im Hinblick auf Art. 4 GRCh, den der sekundärrechtliche Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO selbst in Bezug nimmt, von systemischen Schwächen im ungarischen Asylsystem i. S. v. Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO auszugehen, so dass U. - obwohl an sich nach der Dublin-III-VO zur Durchführung des Asylverfahrens des Klägers berufen - gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO gleichwohl nicht zuständig ist.

2.7. Angesichts der somit wegen Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO nicht gegebenen Zuständigkeit U.s, ist nach dieser Vorschrift weiter zu prüfen, ob ein anderer Mitgliedstaat als zuständig bestimmt werden kann, wobei eine entsprechende verwaltungsgerichtliche Prüfung aber nicht gleichsam „ins Blaue hinein“ vorzunehmen ist, sondern nur insoweit, also sich aus den Akten oder dem sonstigen Vorbringen der Beteiligten hinreichende Anhaltspunkte hierfür ergeben (OVG NRW U. v. 7.3.2014 - 1 A 21/12.A - juris Rn. 31).

Es ist nicht ersichtlich, dass der Kläger über einen Aufenthaltstitel oder ein Visum im Sinne von Art. 12 Dublin-III-VO verfügt hätte. .Vorliegend ist eine Zuständigkeit anderer Mitgliedstaaten als der Bundesrepublik Deutschland nach der Dublin-III-VO - Art. 13 Dublin-III-VO auf gesicherter Erkenntnislage (EURODAC-Treffer) - nicht ersichtlich. Wie bereits gezeigt, kommt eine vorrangige Zuständigkeit G-lands aufgrund Art. 13 Abs. 1 Dublin-III-VO gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO aufgrund der dort bestehenden systemischen Mängel des Asylsystems nicht in Betracht (s. o.), ungeachtet eines möglichen Zuständigkeitsendes nach Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin-III-VO. Weiter ist auch für eine Zuständigkeit anderer Staaten nichts ersichtlich. Auch hat die Reise des Klägers von U. nach Deutschland keine Zuständigkeit nach Art. 13 Abs. 2 Dublin-III-VO begründet. Unabhängig von der Frage, durch welche Mitgliedstaaten die Reise des Klägers von U. nach Deutschland geführt hat, und abgesehen vom Fehlen aktenkundiger Beweismittel oder Indizien gemäß den in Art. 13 Abs. 2 Unterabs. 2 i. V. m. Art. 22 Abs. 3 Dublin-III-VO genannten Verzeichnissen ist das Erfordernis eines mindestens 5-monatigen Aufenthalts in einem anderen Mitgliedstaat (Art. 13 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin-III-VO) nicht aktenkundig belegt. Ein Fall visafreier Einreise (Art. 14 Dublin-III-VO) ist beim Kläger, der afghanischer Staatsangehöriger ist, nicht gegeben. Art. 15 Dublin-III-VO ist nicht einschlägig, weil der Kläger nicht im Transitbereich eines Flughafens einen Antrag auf internationalen Schutz gestellt hat. Danach ist gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 1 Dublin-III-VO angesichts der - wie gezeigt - gemäß Art. 3 Abs. 2 Unterabs. 2 Dublin-III-VO anzunehmenden Unzuständigkeit G-lands und U.s (s. o.) die Bundesrepublik Deutschland für die Prüfung des Asylantrags des Klägers zuständig.

Das führt im Ergebnis dazu, dass weder die Voraussetzungen für eine Unzulässigkeit des Asylantrags des Klägers nach § 27a AsylVfG noch für eine Abschiebungsandrohung nach § 34a AsylVfG vorgelegen haben und die zulässige Anfechtungsklage in vollem Umfang Erfolg hat (§ 113 Abs. 1 VwGO).

3. Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 VwGO.

4. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung ergibt sich aus § 167 Abs. 2 und Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. Zivilprozessordnung (ZPO).

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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 80


(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 101


(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden. (2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung

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(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden. (2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag ka

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Für die örtliche Zuständigkeit gilt folgendes:1.In Streitigkeiten, die sich auf unbewegliches Vermögen oder ein ortsgebundenes Recht oder Rechtsverhältnis beziehen, ist nur das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk das Vermögen oder

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Für die sachliche und örtliche Zuständigkeit gelten die §§ 17 bis 17b des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprechend. Beschlüsse entsprechend § 17a Abs. 2 und 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes sind unanfechtbar.

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Gründe 1 Die Beschwerde hat keinen Erfolg. 2 1. Der von der Klägeri

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

Gründe

1

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Der von der Klägerin geltend gemachte Verfahrensmangel (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) liegt nicht vor. Das Verwaltungsgericht hat entgegen der Auffassung der Beschwerdeführerin zulässigerweise ohne mündliche Verhandlung entschieden.

3

Allerdings hat die Klägerin mit ihrem Schreiben vom 11. August 2012, in dem sie auf die entsprechende Anfrage des Gerichts vom 17. Juli 2012 mit der Erklärung antwortete, sie möchte "die angefragte Zustimmung in sofern eingeschränkt erteilen", "sofern noch offen bleiben darf, dass u.U. nach Beweisaufnahme doch noch eine mündliche Verhandlung anberaumt werden kann auf Anfrage", nicht wirksam ihr Einverständnis nach § 101 Abs. 2 VwGO zu einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung abgegeben. Der Verzicht auf die mündliche Verhandlung ist eine Prozesshandlung. Als Prozesshandlung muss der Verzicht klar, eindeutig und vorbehaltlos erklärt werden (vgl. Urteil vom 22. Juni 1982 - BVerwG 2 C 78.81 - Buchholz 310 § 101 VwGO Nr. 13 m.w.N.; Beschluss vom 8. November 2005 - BVerwG 10 B 45.05 - juris Rn. 4; BFH, Urteil vom 5. November 1991 - VII R 64/90 - BFHE 166, 415 = juris Rn. 12). Aus dem Schriftsatz der Klägerin vom 11. August 2012 ergibt sich ein Verzicht auf die mündliche Verhandlung jedenfalls nicht mit der notwendigen Eindeutigkeit. Ihre Einverständniserklärung war mit dem Vorbehalt versehen, dass im Falle einer Beweisaufnahme durch das Gericht (noch) eine mündliche Verhandlung stattfinden solle.

4

Auf diesen, eine wirksame Einverständniserklärung nach § 101 Abs. 2 VwGO zunächst hindernden, Vorbehalt kann sich die Klägerin indes zur Begründung ihrer Verfahrensrüge nicht mehr mit Erfolg berufen. Denn das Verwaltungsgericht hat durch ein Schreiben der Vorsitzenden als Einzelrichterin vom 16. August 2012 die Klägerin darauf hingewiesen, sie verstehe das Schreiben vom 11. August 2012 so, dass die Klägerin grundsätzlich mit einer schriftlichen Entscheidung einverstanden sei, aber im Fall einer Beweisaufnahme durch das Gericht eine mündliche Verhandlung stattfinden solle. Wenn das Schreiben in diesem Sinne als richtig verstanden zu betrachten sei, brauche die Klägerin nichts weiter zu unternehmen; anderenfalls werde sie um Mitteilung binnen zwei Wochen gebeten (GA Bl. 63). Da die Klägerin mit ihrem Schreiben vom 11. August 2012 eine Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nicht grundsätzlich abgelehnt, sondern "die angefragte Zustimmung ... eingeschränkt" erteilt hatte, war es nun an ihr, auf die berechtigte Nachfrage des Gerichts zur Klarstellung ihrer Erklärung ggf. mitzuteilen, dass sie die Interpretation des Gerichts, sie sei mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden, ablehne. Denn die Klägerin war, wie jeder Verfahrensbeteiligte, gehalten, die ihr zur Verfügung stehenden prozessualen Möglichkeiten zur Verwirklichung ihres Anspruchs auf rechtliches Gehör, der hier durch den Gesetzgeber in seinem Recht auf Durchführung einer mündlichen Verhandlung konkretisiert ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 28. Oktober 1965 - BVerwG 8 C 1.65 - BVerwGE 22, 271 <272 f.> = Buchholz 310 § 138 Ziff. 3 VwGO Rtl. Gehör Nr. 14), wahrzunehmen, wenn sie nicht ihr Recht, eine Verletzung dieses Anspruchs rügen zu können, verlieren will (stRspr, vgl. etwa BVerwG, Beschlüsse vom 13. Oktober 1976 - BVerwG 6 B 77.75 - Buchholz 11 Art. 103 Abs. 1 GG Nr. 5 m.w.N. und vom 8. November 2005 a.a.O.; das Bundesverfassungsgericht hat mit Beschluss vom 3. März 2006 - 1 BvR 311/06 - die gegen den zuletzt genannten Beschluss des Bundesverwaltungsgerichts erhobene Verfassungsbeschwerde nicht zur Entscheidung angenommen). Da das Urteil des Verwaltungsgerichts erst mehr als einen Monat nach dem Hinweis der Vorsitzenden an die Klägerin ergangen ist, hätte sie ausreichend Gelegenheit gehabt, der Auslegung des Verwaltungsgerichts zu widersprechen und auf einer mündlichen Verhandlung zu bestehen. Ihre Lage ist hier nicht vergleichbar mit dem Fall, in dem ein Beteiligter auf eine erste Anfrage des Gerichts, ob er mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden ist, nicht antwortet.

5

Dem steht auch nicht entgegen, dass die Klägerin im Verfahren vor dem Verwaltungsgericht nicht durch einen Rechtsanwalt, sondern durch ihren Verfahrensbevollmächtigten Herrn Jan H. vertreten war. Die Einverständniserklärung nach § 101 Abs. 2 VwGO kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch durch einen nicht vertretenen Beteiligten wirksam abgegeben werden (Urteil vom 28. April 1981 - BVerwG 2 C 51.78 - Buchholz 350 § 3 BRAO Nr. 4 S. 3 = juris Rn. 17, insoweit nicht abgedruckt in BVerwGE 62,169, m.w.N.).

6

2. Weitere Zulassungsgründe hat die Klägerin nicht geltend gemacht. Sie hat weder die grundsätzliche Bedeutung einer konkreten Rechtsfrage des revisiblen Rechts aufgeworfen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) noch eine Abweichung des angegriffenen Urteils von einer Entscheidung eines der in § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO bezeichneten Gerichte geltend gemacht. Ihre Ausführungen unter 2. der Beschwerdebegründung erschöpfen sich in Angriffen gegen einzelne Elemente der Begründung des Urteils des Verwaltungsgerichts, ohne einen gesetzlichen Zulassungsgrund in der vom Gesetz geforderten Weise geltend zu machen und dessen Vorliegen unter Beachtung der Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO zu begründen.

Gründe

I.

1

Die Satzung der Beklagten über die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer vom 17. Dezember 2008 (ZwStS) enthält u.a. folgende Regelung:

"§ 3

Steuermaßstab

(1) Die Steuer wird nach dem jährlichen Mietaufwand berechnet.

(2) Der jährliche Mietaufwand ist das Gesamtentgelt, das der Steuerschuldner für die Benutzung der Wohnung aufgrund vertraglicher Vereinbarungen nach dem Stand im Zeitpunkt der Entstehung der Steuerschuld für ein Jahr zu entrichten hat (Jahresrohmiete).

(3) Statt des Betrages nach Absatz 2 gilt als jährlicher Mietaufwand die übliche Miete für solche Wohnungen, die eigengenutzt, ungenutzt, zu vorübergehendem Gebrauch oder unentgeltlich überlassen sind. Die übliche Miete wird in Anlehnung an die Jahresrohmiete geschätzt, die für Räume gleicher oder ähnlicher Art, Lage und Ausstattung regelmäßig gezahlt wird.

(4) Die Vorschriften des § 79 Abs. 1 des Bewertungsgesetzes i.d.F. vom 26. September 1974 (BGBl. I, S. 2369) finden entsprechende Anwendung."

2

Die Beklagte setzte gegenüber der Klägerin eine Zweitwohnungsteuer fest. Dabei ermittelte sie die Jahresrohmiete nach § 3 Abs. 3 Satz 2 ZwStS - ausgehend von dem entsprechenden Einheitswert nach § 19 Abs. 1 BewG - aus dem Produkt der Jahresrohmiete des Jahres 1964 in Höhe von 48,00 DM je qm und der Wohnungsgröße von 146 qm (= 7 008,00 DM). Unter Berufung auf seither erfolgte Mietpreissteigerungen erhöhte sie diesen Betrag um 215 %. Das Verwaltungsgericht hat der hiergegen gerichteten Klage der Klägerin mit der Begründung teilweise stattgegeben, zwar sei der erste Schritt zur Ermittlung der Jahresrohmiete nicht zu beanstanden, die Indexierung der errechneten Jahresrohmiete anhand einer jährlichen Teuerungsrate finde aber in der Satzung der Beklagten keine Stütze. Der Verwaltungsgerichtshof hat auf die Berufung der Beklagten die Klage der Klägerin in vollem Umfang abgewiesen. Zwar habe die Beklagte mit der Indexierung der errechneten Jahresrohmiete eine Schätzungsmethode gewählt, die ihre Satzung nicht vorsehe; dieser Fehler bleibe jedoch im Ergebnis ohne Auswirkungen. Die Beklagte habe im Berufungsverfahren ihre Schätzung auf elf vergleichbare Wohnungen gestützt, deren Mieten höher lägen als die für die Wohnung der Klägerin geschätzte Jahresrohmiete. Deshalb sei die Klägerin nicht in ihren subjektiven Rechten verletzt.

II.

3

Die auf sämtliche Revisionszulassungsgründe (§ 132 Abs. 2 VwGO) gestützte Beschwerde hat keinen Erfolg.

4

1. Die Sache hat nicht die von der Beschwerde geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO.

5

Grundsätzlich bedeutsam im Sinne dieser Vorschrift ist eine Rechtssache nur, wenn für die angefochtene Entscheidung der Vorinstanz eine konkrete, fallübergreifende und bislang ungeklärte Rechtsfrage des revisiblen Rechts von Bedeutung war, deren Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint. Den Darlegungen der Beschwerde lässt sich nicht entnehmen, dass diese Voraussetzungen im vorliegenden Fall erfüllt sind.

6

a) Die von ihr aufgeworfenen Fragen,

1. Ist die als Mietaufwand in §§ 1 ff. der Satzung (der Gemeinde Baden-Baden vom 17. Dezember 2008) niedergelegte Zweitwohnungsteuer verfassungswidrig, insbesondere verstößt sie gegen Art. 3 und 14 GG und stellt eine verbotene und versteckte Vermögensteuer dar, weil sie den Eigentümer der Immobilie zum Steuerschuldner macht und ihn im Vergleich zu sonstigen Nutzungsberechtigten härter trifft, da dadurch sein steuervorbelastetes Vermögen wirtschaftlich belastet wird?

2. Wenn Frage 1 verneint wird: Ist die Beklagte verpflichtet, fiktive Aufwendungen und Abschreibungen des Eigentümers sowie tatsächlich angefallene Steuern und Abgaben im Fall der Selbstnutzung des Zweitwohnungseigentümers mindernd zu berücksichtigen?

3. Wenn Frage 2 verneint wird: Liegt im Fall einer fehlenden Berücksichtigungspflicht eine i.S.v. Art. 3 GG nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung der Zweitwohnungseigentümer im Vergleich zu den Eigentümern vor, die ihre Wohnungen vermieten und Aufwendungen und Abschreibungen sowie tatsächlich angefallene Steuern steuermindernd geltend machen dürfen?

4. Verstößt die Erhebung der Zweitwohnungsteuer bei den Wohnungseigentümern gegen Art. 105 Abs. 1 und 2 GG, weil es de facto zu einer Doppelbesteuerung neben der jährlich an die Gemeinde zu zahlenden Grundsteuer sowie ggf. im Fall der Veräußerung zur Abgeltungssteuer i.S.v. § 23 EStG führt?,

verleihen der Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung. Denn die Fragen sind, soweit sie einer abstrakten Beantwortung zugänglich sind und nicht nur den konkreten Einzelfall der Klägerin betreffen, in der bundesgerichtlichen Rechtsprechung bereits geklärt. Danach ist die Zweitwohnungsteuer nicht gleichartig mit der Vermögensteuer, weil diese auf eine andere Quelle wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit zugreift. Sie zielt nicht auf die Einkommensverwendung ab, sondern auf die im Vermögen liegende potentielle Ertragskraft und das daraus fließende fundierte Einkommen (BFH, Urteil vom 5. März 1997 - II R 28.95 - BFHE 182, 243 - unter Hinweis auf BVerfG, Beschluss vom 12. Oktober 1976 - 1 BvR 2328/73 - BVerfGE 43, 1 <7>). Entgegen der Mutmaßung der Klägerin hat das Bundesverfassungsgericht, das sich bereits wiederholt mit Fragen der Zweitwohnungsteuer befasst hat (grundlegend Beschluss vom 6. Dezember 1983 - 2 BvR 1275/79 - BVerfGE 65, 325), auch nach seiner die Vermögensteuer betreffenden Entscheidung vom 22. Juni 1995 - 2 BvL 37/91 - (BVerfGE 93, 121) an der verfassungsrechtlichen Zulässigkeit der Zweitwohnungsteuer als örtliche Aufwandsteuer im Sinne des Art. 105 Abs. 2a Satz 1 GG festgehalten. Sie soll die in der Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf zum Ausdruck kommende wirtschaftliche Leistungsfähigkeit des Steuerschuldners treffen. Der Konsum als Aufwand ist typischerweise Ausdruck und Indikator der wirtschaftlichen Leistungsfähigkeit. Ob der Aufwand im Einzelfall die Leistungsfähigkeit überschreitet, ist für die Steuerpflicht unerheblich. Eine Einkommensverwendung für den persönlichen Lebensbedarf liegt insbesondere dann vor, wenn der Steuerpflichtige - wie vorliegend auch die Klägerin - die Zweitwohnung selbst bewohnt (BVerfG, stRspr, vgl. nur Beschlüsse vom 11. Oktober 2005 - 1 BvR 1232/00, 1 BvR 2627/03 - BVerfGE 114, 316 <334> sowie jüngst vom 15. Januar 2014 - 1 BvR 1656/09 - juris Rn. 46 f.). Der in diesem Zusammenhang behauptete grundsätzliche Klärungsbedarf in Bezug auf Abschreibungen und Aufwendungen, die im Falle der Vermietung einer Zweitwohnung anfallen, wird von der Beschwerde nicht näher begründet und ist auch nicht ersichtlich. Die Zweitwohnungsteuer ist im Übrigen auch nicht gleichartig mit der Grundsteuer, weil auch insoweit unterschiedliche Quellen wirtschaftlicher Leistungsfähigkeit erschlossen werden (BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 1983 a.a.O. S. 353); gleiches gilt für die von der Beschwerde erwähnte Abgeltungssteuer.

7

Die Klägerin zeigt auch darüber hinaus keine neuen, bislang nicht berücksichtigten rechtlichen Gesichtspunkte auf, die Anlass zu einem Überdenken der Rechtsprechung geben könnten.

8

b) Hinsichtlich der Fragen 5 und 6 formuliert die Beschwerde entweder keine abstrakte, bislang ungeklärte Rechtsfrage (Frage 5) oder sie geht von einem Sachverhalt aus, den der Verwaltungsgerichtshof seiner Entscheidung nicht zugrunde gelegt hat (Frage 6).

9

c) Auch die Fragen,

7. Stellt die Erhebung der Zweitwohnungsteuer eine unzulässige Enteignung bzw. einen enteignungsgleichen Eingriff in das Vermögen dar, soweit die Steuer 20%, 27,5% oder 35% der fiktiven Jahresrohmiete beträgt?

8. Hat § 4 der Satzung der Beklagten eine insbesondere für die Klägerin erdrosselnde Wirkung und verstößt gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz, soweit der Steueranteil des jährlichen Mietaufwands über 2 500 € bis 5 000 € bereits bei 27,5% und über 5 000 € endgültig bei 35% liegt?,

rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision. Es ist in der Rechtsprechung geklärt, dass die "Erdrosselungsgrenze" eine äußerste Schranke der Besteuerung darstellt (vgl. nur Beschluss vom 7. Januar 1998 - BVerwG 8 B 228.97 - Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 32 S. 25 sowie Urteil vom 10. Dezember 2009 - BVerwG 9 C 12.08 - Buchholz 401.68 Vergnügungssteuer Nr. 47 = BVerwGE 135, 367 Rn. 45 - jeweils zur Vergnügungssteuer). Die Frage, ab welcher Höhe eine kommunale Aufwandsteuer erdrosselnde Wirkung entfaltet, kann aber nur aufgrund einer dem Tatrichter vorbehaltenen Feststellung und Würdigung der tatsächlichen Verhältnisse beantwortet werden. Es handelt sich daher um eine Tatsachenfrage, die sich einer grundsätzlichen Klärung im Revisionsverfahren entzieht (s. auch Beschluss vom 25. März 2010 - BVerwG 9 B 74.09 - juris Rn. 5 - zur Hundesteuer). Bei der Tatsachenwürdigung kann der Umstand eine Rolle spielen, dass in einer Gemeinde - wie nach den Feststellungen des Berufungsgerichts auch im Falle der Klägerin - eine beachtliche Zahl von Zweitwohnungsinhabern zur Zweitwohnungsteuer veranlagt wird und sich diese Zahl in den letzten Jahren noch erhöht hat (BVerfG, Beschluss vom 15. Januar 2014 a.a.O. Rn. 51; vgl. auch BVerwG, Urteil vom 10. Dezember 2009 a.a.O. Rn. 46).

10

d) Bezüglich der Fragen 9 und 10, die sich auf die Problematik des "Nachschiebens von Ermessensgründen" beziehen, geht die Beschwerde, wie einzelne Formulierungen sowie die Bezugnahme auf § 114 Satz 2 VwGO zeigen, ohne Weiteres davon aus, dass der Beklagten bei der Festsetzung der Zweitwohnungsteuer ein Ermessen zusteht. Dies ist nicht der Fall. Der Beklagten ist nach ihrer Satzung weder bei der Festsetzung der Zweitwohnungsteuer (vgl. § 1 ZwStS) noch bei der Anwendung des Steuermaßstabs (hier: Schätzung der üblichen Miete in Anlehnung an die Jahresrohmiete nach § 3 Abs. 3 Satz 2 ZwStS) ein Ermessen eingeräumt. Ihr wird allerdings nach der insoweit maßgeblichen materiell-rechtlichen Auffassung des Berufungsgerichts - auf der Tatbestandsseite der Norm - ein Schätzungsspielraum, mithin ein Beurteilungsspielraum zugebilligt. Insoweit ist - unabhängig von der Frage, ob sich der Anwendungsbereich von § 114 VwGO auch auf Beurteilungsermächtigungen erstreckt (vgl. zum Meinungsstand Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 114 Rn. 39 m.w.N.) - der Rechtsgedanke des § 114 Satz 2 VwGO entsprechend anzuwenden (vgl. Beschluss vom 16. Dezember 2008 - BVerwG 1 WB 19.08 - BVerwGE 133, 13 Rn. 46).

11

Die Beschwerde hat in diesem Zusammenhang keine abstrakten, bislang ungeklärten Rechtsfragen formuliert, die eine Zulassung der Revision rechtfertigen könnten. Soweit sie auf eine Rechtssache verweist, in der die Revision zur Klärung der Grenzen des Nachschiebens und Ersetzens wesentlicher Ermessenserwägungen bei Dauerverwaltungsakten zugelassen worden war (Beschluss vom 17. Oktober 2012 - BVerwG 8 B 61.12 - juris Rn. 24 ff.), lag die betreffende Revisionsentscheidung zum Zeitpunkt der Beschwerdebegründung bereits vor (Urteil vom 20. Juni 2013 - BVerwG 8 C 46.12 - BVerwGE 147, 81). Danach bestimmt sich die Frage der Zulässigkeit des Nachschiebens von Ermessenserwägungen nach dem materiellen Recht und dem Verwaltungsverfahrensrecht. Neue Gründe für einen Verwaltungsakt dürfen nach dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht nur nachgeschoben werden, wenn sie schon bei Erlass des Verwaltungsakts vorlagen, dieser nicht in seinem Wesen verändert und der Betroffene nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt wird (Urteil vom 20. Juni 2013 a.a.O. Rn. 31 unter Hinweis auf die stRspr, s. Urteile vom 14. Oktober 1965 - BVerwG 2 C 3.63 - BVerwGE 22, 215 <218> = Buchholz 232 § 32 BBG Nr. 14, vom 16. Juni 1997 - BVerwG 3 C 22.96 - BVerwGE 105, 55 <59> = Buchholz 316 § 39 VwVfG Nr. 25 und vom 29. Januar 2001 - BVerwG 11 C 3.00 - Buchholz 401.64 § 6 AbwAG Nr. 3). Kommt danach ein Nachschieben von Gründen in Betracht, muss die Behörde im Hinblick auf das Bestimmtheitsgebot unmissverständlich deutlich machen, ob und inwieweit - über ein nur prozessuales Verteidigungsvorbringen hinaus - der Verwaltungsakt selbst geändert werden soll (Urteil vom 20. Juni 2013 a.a.O. Rn. 35). Aus § 114 Satz 2 VwGO ergeben sich keine weitergehenden Anforderungen. Diese Vorschrift regelt nicht die Voraussetzungen für die materiell-rechtliche und verwaltungsverfahrensrechtliche Zulässigkeit des Nachschiebens von Ermessenserwägungen, sondern betrifft nur deren Geltendmachung im Prozess. Ihr Zweck ist es, klarzustellen, dass ein materiell- und verwaltungsverfahrensrechtlich zulässiges Nachholen von Ermessenserwägungen nicht an prozessualen Hindernissen scheitert (Urteil vom 20. Juni 2013 a.a.O. Rn. 31, 34 unter Hinweis auf Urteile vom 5. Mai 1998 - BVerwG 1 C 17.97 - BVerwGE 106, 351 <364> = Buchholz 402.240 § 45 AuslG 1990 Nr. 13 und vom 13. Dezember 2011 - BVerwG 1 C 14.10 - BVerwGE 141, 253 Rn. 11; vgl. zum Ganzen auch Schenke, DVBl 2014, 285 <288 ff.>). Dass darüber hinaus fallübergreifend Klärungsbedarf besteht, zeigt die Klägerin nicht auf. Soweit sie geltend macht, die Voraussetzungen des § 114 Satz 2 VwGO hätten in ihrem Fall nicht vorgelegen, ist damit - unbeschadet der Frage eines Verfahrensfehlers (s. dazu unten 3. a) - eine grundsätzliche Bedeutung nicht dargetan.

12

2. Die von der Klägerin erhobenen Divergenzrügen genügen nicht den formellen Anforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

13

Der Zulassungsgrund der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn die Beschwerde einen inhaltlich bestimmten, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz benennt, mit dem die Vorinstanz einem in der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts oder eines anderen der in der Vorschrift aufgeführten Gerichte aufgestellten ebensolchen (abstrakten) Rechtssatz in Anwendung derselben Rechtsvorschrift widersprochen hat. Die nach Auffassung des jeweiligen Beschwerdeführers divergierenden Rechtssätze müssen einander gegenübergestellt werden (stRspr, vgl. u.a. Beschlüsse vom 20. Dezember 1995 - BVerwG 6 B 35.95 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 9 = NVwZ-RR 1996, 712 und vom 17. Dezember 2010 - BVerwG 8 B 38.10 - juris Rn. 15) und die entscheidungstragende Abweichung muss darauf bezogen konkret herausgearbeitet werden. Hieran fehlt es.

14

a) Die Beschwerde macht unter Bezugnahme auf verschiedene genauer bezeichnete Entscheidungen des Bundesverwaltungs- und Bundesverfassungsgerichts zum Bestimmtheitsgrundsatz geltend, der Verwaltungsgerichtshof sei hiervon abgewichen, indem er "immanent" einen Rechtsgrundsatz aufgestellt habe, wonach "steuerrechtliche Regelungen für die Betroffenen nicht hinreichend bestimmt und voraussehbar sein müssen" (vgl. Beschwerdebegründung S. 18). Diese Darstellung trifft nicht zu. Eine solche Aussage enthält das Urteil weder wörtlich noch sinngemäß. Der Verwaltungsgerichtshof geht vielmehr - ohne näheres Eingehen auf den Bestimmtheitsgrundsatz - davon aus, dass die Festsetzung der Zweitwohnungsteuer ihre Rechtsgrundlage in §§ 2 Abs. 1, 9 Abs. 4 KAG i.V.m. der Satzung der Beklagten über die Erhebung einer Zweitwohnungsteuer vom 17. Dezember 2008 (ZwStS) findet (vgl. UA S. 12).

15

b) Ebenso wenig legt die Beschwerde eine Abweichung vom Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 22. Juni 1995 - 2 BvL 37/91 - zur Vermögensteuer dar. Auch insoweit benennt sie keinen, die angefochtene Entscheidung tragenden abstrakten Rechtssatz des Verwaltungsgerichtshofs, der von der genannten Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts abweichen könnte. Im Übrigen liegt eine solche Abweichung auch nicht vor (s. hierzu bereits oben unter 1. a); die Zweitwohnungsteuer ist, wie oben bereits angemerkt, nicht mit der Vermögensteuer identisch.

16

3. Keiner der von der Beschwerde gerügten Verfahrensmängel liegt vor.

17

a) Der Verwaltungsgerichtshof hat entgegen der Auffassung der Klägerin nicht dadurch gegen den - dem Rechtsgedanken nach anwendbaren, s.o. - § 114 Satz 2 VwGO verstoßen, dass er sein Urteil auf die im Berufungsverfahren (hilfsweise) vorgetragene Schätzung der üblichen Miete nach § 3 Abs. 3 Satz 2 ZwStS gestützt hat.

18

Der Verwaltungsgerichtshof hat angenommen, dass der von ihm festgestellte Fehler, der der Beklagten bei der Anwendung der satzungsrechtlichen Schätzungsvorschrift zunächst unterlaufen ist, im Ergebnis ohne Auswirkungen bleibe. Denn die von der Beklagten im Berufungsverfahren hilfsweise vorgetragene Schätzung ergebe, dass der Bemessung der Zweitwohnungsteuer kein überhöhter jährlicher Mietaufwand zugrunde gelegt worden sei. Die Beschwerde hält dem Verwaltungsgerichtshof vor, dass er damit die nachträgliche Einführung einer auf einer völlig anderen Methode beruhenden Schätzung gebilligt habe, die - abgesehen von inhaltlichen Defiziten der Neuschätzung selbst - jedenfalls über die Grenzen einer nach § 114 Satz 2 VwGO allein zulässigen Ergänzung der ursprünglichen Schätzung hinausgehe und daher im Prozess unzulässig sei. Damit verkennt die Beschwerde den bereits oben hervorgehobenen Umstand, dass sich das Nachschieben von Gründen, die einen Ermessensspielraum bzw. hier einen Schätzungsspielraum ausfüllen, nach dem einschlägigen materiellen Recht und dem Verwaltungsverfahrensrecht bestimmt, während die prozessrechtliche Vorschrift des § 114 Satz 2 VwGO lediglich regelt, dass ein materiell- und verwaltungsverfahrensrechtlich zulässiges Nachholen solcher Erwägungen nicht an prozessualen Hindernissen scheitert. Das Beschwerdevorbringen lässt nicht erkennen, dass der Verwaltungsgerichtshof die so beschriebene prozessuale Bedeutung des § 114 Satz 2 VwGO verkannt und dadurch unrichtige Schlussfolgerungen für das gerichtliche Verfahren gezogen hätte. Vielmehr hat das Berufungsgericht unter materiellrechtlichen Gesichtspunkten die nachgereichte Schätzung für unproblematisch gehalten, weil auf ihrer Grundlage die festgesetzte Steuer (auch) ihrer Höhe nach im Ergebnis rechtlich nicht zu beanstanden sei. Unabhängig davon, ob diese Bewertung zutrifft und ob sie die Anforderungen erfüllt, die das materielle Recht und das allgemeine Verwaltungsverfahrensrecht - insbesondere im Hinblick auf die "Wesensgleichheit" des nachgebesserten Verwaltungsakts (s.o. unter 1. d) - insoweit stellen, hat der Senat den materiellrechtlichen Standpunkt des Berufungsgerichts seiner Überprüfung in Bezug auf den hier geltend gemachten Verfahrensfehler zugrunde zu legen. Danach liegt ein Verfahrensverstoß gegen den - entsprechend anwendbaren - § 114 Satz 2 VwGO nicht vor.

19

b) Das Urteil ist auch nicht dadurch eine Überraschungsentscheidung, dass der Verwaltungsgerichtshof die Klägerin nicht darauf hingewiesen hat, dass er in Bezug auf die umstrittene Frage der Indexierung nunmehr - in Abweichung von seiner früheren Rechtsprechung (vgl. Urteil vom 18. Februar 1987 - 2 S 543/85) - der Auffassung des Verwaltungsgerichts folgen wolle, den Festsetzungsbescheid aber dennoch aus anderen Gründen für zulässig halte. Zwar konkretisiert die richterliche Hinweispflicht den Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs und zielt damit auch auf die Vermeidung von Überraschungsentscheidungen, falls Gesichtspunkte den Ausschlag geben, mit denen auch ein gewissenhafter und kundiger Prozessbeteiligter nach dem bisherigen Prozessverlauf nicht zu rechnen brauchte, weil sie weder im Verwaltungsverfahren noch im bisherigen Gerichtsverfahren erörtert worden sind (stRspr, vgl. nur Urteil vom 18. April 2013 - BVerwG 5 C 21.12 - NVwZ-RR 2013, 719 Rn. 21 und Beschluss vom 31. Juli 2013 - BVerwG 4 B 8.13 - juris Rn. 13 m.w.N.). So liegt es hier aber nicht. Die Beklagte hatte sich - wie oben erwähnt - in mehreren Schriftsätzen auf Vergleichsmieten in der Wohngegend der Klägerin berufen. Sie hatte ausdrücklich geltend gemacht, dass die von ihr erhobenen Daten, die Gebäude in vergleichbarer Lage beträfen, Vergleichswerte ergäben, die deutlich über der für das streitgegenständliche Steuerobjekt der Klägerin geschätzten Kaltmiete lägen. Die Klägerin hatte die Möglichkeit, hierzu Stellung zu nehmen; von dieser Möglichkeit hat sie auch Gebrauch gemacht. Soweit sie nunmehr in der Beschwerdebegründung ausführt, sie hätte im Falle eines gerichtlichen Hinweises auch zur Unwirksamkeit des Schätzungsverfahrens sowie zur erdrosselnden Wirkung des Steuersatzes vorgetragen, lässt auch dies nicht auf einen Gehörsverstoß schließen. Denn der Frage einer erdrosselnden Wirkung ist der Verwaltungsgerichtshof bereits im Laufe des Berufungsverfahrens nachgegangen (vgl. an die Beklagte gerichtete Verfügung vom 18. März 2013 sowie die Ausführungen im Urteil S. 11 f.); im Übrigen ist insoweit kein Zusammenhang mit dem von der Klägerin konkret vermissten gerichtlichen Hinweis erkennbar. Die Frage der grundsätzlichen Zulässigkeit der Schätzung war ebenfalls Gegenstand des gerichtlichen Verfahrens (vgl. Schriftsätze der Klägerin vom 21. Januar 2013 S. 2 f. und der Beklagten vom 4. Februar 2013).

20

c) Der "Verspätungseinwand", mit dem die Klägerin einen Verstoß gegen § 101 Abs. 1 VwGO, § 173 VwGO i.V.m. § 128 Abs. 2 ZPO rügt, ist nicht gerechtfertigt. Die Klägerin steht auf dem Standpunkt, der Verwaltungsgerichtshof habe den letzten Schriftsatz der Beklagten vom 25. April 2013, in dem weitere Vergleichswohnungen benannt wurden, nicht mehr berücksichtigen dürfen, nachdem zuvor Verzicht auf mündliche Verhandlung erklärt und kein schriftliches Verfahren angeordnet worden sei. Dem ist nicht zu folgen. Die Beklagte hat mit Fax vom 11. April 2013 und die Klägerin am Folgetag - mit Fax vom 12. April 2013 - auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet. Damit war das Verfahren kraft Einverständnisses der Beteiligten (vgl. § 101 Abs. 2 VwGO) im schriftlichen Verfahren fortzuführen (Dolderer, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 101 Rn. 17); einer besonderen Anordnung durch Beschluss, wie im Zivilprozess nach § 128 Abs. 2 Satz 2 ZPO üblich (vgl. Thomas/Putzo, ZPO, 34. Aufl. 2013, § 128 Rn. 32; Stadler, in: Musielack, ZPO, 11. Aufl. 2014, § 128 Rn. 16), bedurfte es hierfür nicht. Das Verfahren der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung hat für den Verwaltungsprozess in § 101 Abs. 2 VwGO eine eigenständige Regelung erfahren, die für eine ergänzende Anwendung des § 128 Abs. 2 ZPO keinen Raum lässt. Der Verzicht auf mündliche Verhandlung ist danach eine auf die nächste Entscheidung des Gerichts bezogene, grundsätzlich unwiderrufliche Prozesshandlung (Beschlüsse vom 1. März 2006 - BVerwG 7 B 90.05 - juris Rn. 13, 16 und vom 8. Juli 2008 - BVerwG 8 B 29.08 - juris Rn. 6 ff., jeweils m.w.N.). Allerdings steht es auch nach einem Verzicht im Ermessen des Gerichts, ob es ohne mündliche Verhandlung entscheidet (s. Beschluss vom 1. März 2006 - BVerwG 7 B 90.05 - juris Rn. 14). Die Klägerin hat indes - auch nach dem Hinweis des Berufungsgerichts vom 10. Juni 2013, dass es nach Ablauf des 18. Juni beraten und entscheiden wolle - nicht geltend gemacht, dass sie einen Verhandlungstermin für erforderlich halte. Vor diesem Hintergrund war das Berufungsgericht nicht daran gehindert, das schriftliche Vorbringen der Beteiligten einschließlich des Schriftsatzes der Beklagten vom 25. April 2013 sowie der Erwiderung der Klägerin vom 14. Mai 2013 zum Gegenstand seiner im schriftlichen Verfahren getroffenen Entscheidung zu machen.

21

d) Der Verfahrensfehler mangelnder Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) ist nicht hinreichend bezeichnet. Für die ordnungsgemäße Begründung einer Aufklärungsrüge ist unter anderem substantiiert darzulegen, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären, welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären und inwiefern deren Berücksichtigung auf der Grundlage der Rechtsauffassung des Berufungsgerichts zu einem anderen Ergebnis hätte führen können (stRspr, vgl. nur Urteil vom 18. April 2013 a.a.O. Rn. 28 m.w.N.). Daran fehlt es hier. Im Übrigen hat der Verwaltungsgerichtshof in Bezug auf die Vergleichbarkeit der von der Beklagten nachträglich benannten Wohnungen nicht gegen seine Aufklärungspflicht nach § 86 VwGO verstoßen. Er hat die Vergleichbarkeit einzelner dieser Wohnungen wegen ihrer Art (Penthaus) oder Größe für zweifelhaft gehalten und sie - insoweit der zuvor geäußerten Kritik der Klägerin folgend - im Rahmen der vorzunehmenden Schätzung nicht berücksichtigt. Hinsichtlich der übrigen elf Wohnungen bestand nach der insoweit maßgeblichen Rechtsauffassung des Verwaltungsgerichtshofs keine Veranlassung zu weiteren Ermittlungen. Vielmehr gab es nach Auffassung des Gerichtshofs "keine konkreten Anhaltspunkte dafür, dass die Schätzung der Beklagten insoweit auf falschen oder offenbar unsachlichen Erwägungen beruht, dass wesentliche Tatsachen nicht ermittelt oder außer Acht gelassen oder dass der Schätzung unrichtige Maßstäbe zugrunde gelegt worden sind." Auch die Klägerin habe keine substantiierten Einwendungen gegen die grundsätzliche Vergleichbarkeit ihrer Wohnung mit diesen elf Wohnungen erhoben. Ferner sei zugunsten der Beklagten zu berücksichtigen, dass im Rahmen einer Schätzung keine "centgenaue" Ermittlung der Vergleichsmiete verlangt werden könne. Etwaigen verbleibenden Unsicherheiten habe die Beklagte schließlich dadurch Rechnung getragen, dass sie bei der Bemessung der Zweitwohnungsteuer nur von einer üblichen Jahresrohmiete von 6,44 €/qm ausgegangen sei, obwohl unter Berücksichtigung der verbleibenden elf vergleichbaren Wohnungen sogar ein Betrag von ca. 7,05 €/qm angemessen wäre. Aus dem Vorstehenden folgt, dass die Beschwerde ihren Vorwurf zwar in das Gewand der Aufklärungsrüge kleidet, in Wahrheit jedoch eine fehlerhafte Rechtsauffassung der Vorinstanz beanstandet. Damit lässt sich ein Verstoß gegen § 86 Abs. 1 VwGO nicht dartun.

22

e) Soweit die Klägerin einen Verstoß gegen § 155 Abs. 4 VwGO rügt, fehlt es bereits an der Darlegung eines nach § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zu berücksichtigenden Verfahrensfehlers. Die Revisionszulassung nach dieser Norm dient allein dazu, die Behebung von Verfahrensmängeln zu ermöglichen, die der Entscheidung zur Sache anhaften; Einwendungen gegen die Kostenentscheidung können danach nicht mit Erfolg gerügt werden (Beschluss vom 2. Juli 1998 - BVerwG 11 B 26.98 - juris Rn. 8 m.w.N.). Hiervon abgesehen ist anzumerken, dass eine Kostentragungspflicht der Beklagten wegen fehlerhafter Begründung des Festsetzungs- sowie des Widerspruchsbescheids allenfalls dann in Betracht gekommen wäre, wenn die Klägerin auf die nachgeschobene Begründung mit einer Klagerücknahme oder einer Erledigungserklärung reagiert hätte (vgl. genauer Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 155 Rn. 98 ff.). Stattdessen hat sie jedoch in Kenntnis der nachgeschobenen Begründung an ihrem Klagebegehren festgehalten und sich so dem Kostenrisiko ausgesetzt.

Gründe

1

Die Beschwerde, mit der die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) und Verfahrensmängel des Berufungsgerichts (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) geltend gemacht werden, hat keinen Erfolg.

2

1. Die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO kommt nicht im Betracht. Sie setzt die Formulierung einer bestimmten, höchstrichterlich noch ungeklärten und für die erstrebte Revisionsentscheidung entscheidungserheblichen Rechtsfrage des revisiblen Rechts voraus und verlangt außerdem die Angabe, worin die allgemeine, über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung bestehen soll (stRspr; vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 = NJW 1997, 3328 m.w.N.). Daran fehlt es.

3

Die Beschwerde hält die Frage für grundsätzlich klärungsbedürftig, "... ob eine den Schutzbereich des Art. 8 EMRK eröffnende Verwurzelung nur bei legalem Aufenthalt entstehen kann, oder ob dies auch der Fall sein kann, wenn eine Person sich dauernd oder überwiegend nur geduldet im Bundesgebiet aufhält." Das Vorbringen rechtfertigt schon deshalb nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache, da diese vom Verwaltungsgerichtshof offengelassene Frage in dem erstrebten Revisionsverfahren nicht klärungsbedürftig wäre. Denn das Berufungsgericht hat Art. 8 EMRK in der angefochtenen Entscheidung geprüft und ist dabei unter Berücksichtigung der konkreten Lebensumstände der Klägerin zu dem Ergebnis gekommen, dass diese nicht in die Lebensverhältnisse in Deutschland integriert ist und keine Gesichtspunkte erkennbar sind, die ihre Wiedereingliederung in die Verhältnisse des Herkunftslandes als unzumutbar erscheinen ließen. Das macht deutlich, dass der Verwaltungsgerichtshof die (nicht nur kurzfristige) Rechtmäßigkeit des Aufenthalts nicht als zwingend notwendige Voraussetzung für die Anwendbarkeit, d.h. die Eröffnung des Schutzbereichs des Art. 8 EMRK angesehen hat. Demzufolge war die von der Beschwerde formulierte Frage für die Vorinstanz nicht entscheidungserheblich und bedarf deshalb in dem erstrebten Revisionsverfahren keiner Klärung (stRspr; Beschlüsse vom 7. Januar 1986 - BVerwG 2 B 94.85 - Buchholz 310 § 75 VwGO Nr. 11 S. 5 und vom 22. Mai 2008 - BVerwG 9 B 34.07 - Buchholz 442.09 § 18 AEG Nr. 65 Rn. 5).

4

2. Soweit das Beschwerdevorbringen den Anforderungen an die Bezeichnung eines Verfahrensmangels (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) genügt, lässt es keinen Verfahrensverstoß erkennen, auf dem das angefochtene Urteil beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

5

2.1 Die Beschwerde macht als Gehörsverletzung geltend, das Berufungsgericht habe überraschenderweise ohne weitere mündliche Verhandlung entschieden (Überraschungsurteil). Zwar habe der Verwaltungsgerichtshof der Klägerin eine Schriftsatzfrist eingeräumt, damit sie sich mit der erst kurz vor der Berufungsverhandlung von der Beklagten vorgelegten Stellungnahme des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 26. April 2013 habe auseinandersetzen können. Das Berufungsgericht habe es jedoch versäumt, in der mündlichen Verhandlung nach Zustimmung der Beteiligten zum Übergang in das schriftliche Verfahren eine für beide Beteiligten geltende Frist zur Einreichung von Schriftsätzen zu bestimmen. Mit diesem Vorbringen wird kein Verfahrensmangel aufgezeigt. Denn die Vorinstanz war nicht verpflichtet, nach dem Verzicht der Beteiligten auf eine (weitere) mündliche Verhandlung gemäß § 101 Abs. 2 VwGO eine Frist zu bestimmen, bis zu deren Ablauf Schriftsätze eingereicht werden können. Eine solche Vorgehensweise mag in der Praxis opportun sein; prozessrechtlich geboten ist sie nicht.

6

2.2 Ohne Erfolg rügt die Beschwerde als Gehörsverstoß und Verletzung des § 86 Abs. 2 VwGO, der Verwaltungsgerichtshof habe vor Erlass des im schriftlichen Verfahren ergangenen Berufungsurteils die in dem nachgelassenen Schriftsatz enthaltenen Beweisanträge nicht förmlich vorab beschieden.

7

Die Pflicht zur förmlichen Vorabentscheidung gemäß § 86 Abs. 2 VwGO gilt im Grundsatz nur für in der mündlichen Verhandlung gestellte unbedingte Beweisanträge, nicht dagegen für (nur) in vorbereitenden Schriftsätzen angekündigte Beweisanträge. Allerdings gebietet es der Anspruch auf Gewährung rechtlichen Gehörs, auch im Falle einer vorangegangenen Verzichtserklärung gemäß § 101 Abs. 2 VwGO einen neuen Beweisantrag entsprechend einem in der mündlichen Verhandlung gestellten Beweisantrag zu behandeln und über ihn vor der Sachentscheidung zu entscheiden (Beschluss vom 6. September 2011 - BVerwG 9 B 48.11 u.a. - Buchholz 310 § 86 Abs. 2 VwGO Nr. 69 = NVwZ 2012, 376 jeweils Rn. 10; Urteil vom 28. November 1962 - BVerwG 4 C 113.62 - BVerwGE 15, 175 <176>). Anders verhält es sich, wenn der Beweisantrag vor oder gleichzeitig mit dem Verzicht auf mündliche Verhandlung gestellt worden ist (Beschluss vom 29. März 1979 - BVerwG 7 B 27.78 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 106 S. 160 und Urteil vom 30. Mai 1989 - BVerwG 1 C 57.87 - Buchholz 402.24 § 8 AuslG Nr. 13 S. 22 f.), sowie bei einem Beweisantrag in einem nachgelassenen Schriftsatz, der nur Anlass geben kann, die mündliche Verhandlung wieder zu eröffnen, wenn sich aus ihm die Notwendigkeit weiterer Aufklärung des Sachverhalts ergibt (Beschluss vom 15. April 2003 - BVerwG 7 BN 4.02 - Buchholz 445.4 § 19 WHG Nr. 9 S. 6 = NVwZ 2003, 1116<1118>).

8

Nach diesen Maßstäben ist das Vorgehen des Verwaltungsgerichtshofs nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat in der Berufungsverhandlung keinen der zuvor schriftsätzlich angekündigten Beweisanträge gestellt, sondern ihr Einverständnis mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren erklärt; ihr wurde eine Schriftsatzfrist eingeräumt. Mit dem Verzicht auf eine (weitere) mündliche Verhandlung hat sie sich des Anspruchs auf förmliche Vorabentscheidung über ihre im Schriftsatz vom 28. Februar 2013 angekündigten Beweisanträge begeben. Über Beweisanträge in nachgelassenen Schriftsätzen braucht nach dem oben Gesagten in keinem Fall förmlich vorab entschieden zu werden.

9

2.3 Unbegründet ist die Rüge, das Berufungsgericht habe den Antrag der Klägerin abgelehnt, den Verfasser der Stellungnahme des Bundesamtes zu laden und persönlich anzuhören sowie Gelegenheit zu geben, die Stellungnahme in mündlicher Verhandlung zu hinterfragen. Diesen im Schriftsatz vom 28. Februar 2013 angekündigten Antrag hat die Klägerin in der Berufungsverhandlung nicht gestellt, sondern vielmehr ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne (weitere) mündliche Verhandlung gemäß § 101 Abs. 2 VwGO erklärt. Durch den Verzicht auf mündliche Verhandlung hat sie zu erkennen gegeben, dass sie an der beantragten Anhörung nicht länger festhält; anders lässt sich diese Prozesshandlung nicht verstehen. Da sie in dem nachgelassenen Schriftsatz vom 17. Juni 2013 nicht erneut einen solchen Antrag gestellt hat, ergab sich für das Berufungsgericht kein Anlass, trotz des Verzichts der Beteiligten eine mündliche Verhandlung durchzuführen und den Mitarbeiter des Bundesamtes zu laden. Daher stellt sich auch die von der Beschwerde in diesem Zusammenhang aufgeworfene prozessrechtliche Grundsatzfrage nicht (vgl. dazu im Übrigen, Beschluss vom 21. September 1994 - BVerwG 1 B 131.93 - Buchholz 310 § 98 VwGO Nr. 46 mit Verweis auf das Urteil vom 6. Februar 1985 - BVerwG 8 C 15.84 - BVerwGE 71, 38 <45>).

10

2.4 Die Rüge, das Berufungsgericht sei dem nicht "ins Blaue" behaupteten, sondern unter Bezugnahme auf konkrete Dokumente und mit Beweisangeboten untermauerten Vorbringen der Klägerin zur (mangelnden) Kostenfreiheit medizinischer Versorgung und ärztlicher Präsenz in lokalen Gesundheitszentren nicht nachgegangen, genügt nicht den Anforderungen an die Bezeichnung einer Aufklärungsrüge.

11

Ein Verfahrensmangel im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO ist nur dann hinreichend bezeichnet, wenn er sowohl in den ihn (vermeintlich) begründenden Tatsachen als auch in seiner rechtlichen Würdigung substantiiert dargetan wird. Hinsichtlich des von der Beschwerde behaupteten Verstoßes gegen den Amtsermittlungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) muss substantiiert dargelegt werden, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären; weiterhin muss dargelegt werden, aus welchen Gründen sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen von Amts wegen hätten aufdrängen müssen (vgl. Beschluss vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 = NJW 1997, 3328).

12

Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde nicht. Denn sie gibt den von ihr als entscheidungserheblich angesehenen Inhalt des in dem nachgelassenen Schriftsatz vom 17. Juni 2013 angeführten Länderinformationsblatts der IOM vom Juni 2012 nicht genau wieder. Das wäre erforderlich gewesen, da die Klägerin diese Quelle weder dem nachgelassenen Schriftsatz an das Berufungsgericht noch der Beschwerdebegründung als Anlage angefügt und auch in dem nachgelassenen Schriftsatz inhaltlich nicht auszugsweise zitiert hat. Ferner hat die Klägerin weder in dem nachgelassenen Schriftsatz noch mit der Beschwerde dargelegt, inwieweit sich der Inhalt des Länderinformationsblatts konkret von der seitens des Bundesamtes verarbeiteten Auskunft derselben Stelle vom 27. März 2012 unterscheidet. Daher fehlen Ausführungen dazu, aus welchen Gründen sich dem Berufungsgericht weitere Ermittlungen zu den genannten Beweisthemen auf der Grundlage seiner materiellrechtlichen Maßstäbe (§ 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG) hätten aufdrängen müssen.

13

2.5 Weiter macht die Beschwerde als Gehörsverletzung geltend, das Berufungsgericht führe in der angefochtenen Entscheidung entgegen den mit Beweisangeboten untermauerten Darlegungen der Klägerin aus, es sei nichts dafür ersichtlich, dass die von einem Arzt vorzunehmende medikamentöse Neueinstellung der Klägerin im Kosovo nicht gewährleistet sein solle. Das lasse erkennen, dass sich das Berufungsgericht nicht in hinreichender Weise mit dem Vortrag der Klägerin auseinandergesetzt, sondern die Stellungnahme des Bundesamtes nicht ernsthaft hinterfragt habe. Auch mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keinen Gehörsverstoß auf. Denn das Berufungsgericht hat sich in der angefochtenen Entscheidung mit den von der Klägerin vorgetragenen Punkten inhaltlich befasst (BA Rn. 25 f.). Der Umstand, dass es ihr Vorbringen im Rahmen der ihm gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO obliegenden tatrichterlichen Beweiswürdigung anders als die Klägerseite gewürdigt hat, begründet keinen Gehörsverstoß. Insoweit kritisiert die Beschwerde im Gewande der Gehörsrüge die Beweiswürdigung des Berufungsgerichts; damit vermag sie aber die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 3 i.V.m. § 108 Abs. 2 VwGO nicht zu erreichen.

14

3. Der Senat sieht von einer weiteren Begründung ab (§ 133 Abs. 5 Satz 2 Halbs. 2 VwGO).

15

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Die Streitwertfestsetzung folgt aus § 47 Abs. 3 i.V.m. § 52 Abs. 2 GKG.

(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.

(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.

(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.

(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.

(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.

Für die örtliche Zuständigkeit gilt folgendes:

1.
In Streitigkeiten, die sich auf unbewegliches Vermögen oder ein ortsgebundenes Recht oder Rechtsverhältnis beziehen, ist nur das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk das Vermögen oder der Ort liegt.
2.
Bei Anfechtungsklagen gegen den Verwaltungsakt einer Bundesbehörde oder einer bundesunmittelbaren Körperschaft, Anstalt oder Stiftung des öffentlichen Rechts ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Bundesbehörde, die Körperschaft, Anstalt oder Stiftung ihren Sitz hat, vorbehaltlich der Nummern 1 und 4. Dies gilt auch bei Verpflichtungsklagen in den Fällen des Satzes 1. In Streitigkeiten nach dem Asylgesetz ist jedoch das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Ausländer nach dem Asylgesetz seinen Aufenthalt zu nehmen hat; ist eine örtliche Zuständigkeit danach nicht gegeben, bestimmt sie sich nach Nummer 3. Soweit ein Land, in dem der Ausländer seinen Aufenthalt zu nehmen hat, von der Möglichkeit nach § 83 Absatz 3 des Asylgesetzes Gebrauch gemacht hat, ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, das nach dem Landesrecht für Streitigkeiten nach dem Asylgesetz betreffend den Herkunftsstaat des Ausländers zuständig ist. Für Klagen gegen den Bund auf Gebieten, die in die Zuständigkeit der diplomatischen und konsularischen Auslandsvertretungen der Bundesrepublik Deutschland fallen, auf dem Gebiet der Visumangelegenheiten auch, wenn diese in die Zuständigkeit des Bundesamts für Auswärtige Angelegenheiten fallen, ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Bundesregierung ihren Sitz hat.
3.
Bei allen anderen Anfechtungsklagen vorbehaltlich der Nummern 1 und 4 ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Verwaltungsakt erlassen wurde. Ist er von einer Behörde, deren Zuständigkeit sich auf mehrere Verwaltungsgerichtsbezirke erstreckt, oder von einer gemeinsamen Behörde mehrerer oder aller Länder erlassen, so ist das Verwaltungsgericht zuständig, in dessen Bezirk der Beschwerte seinen Sitz oder Wohnsitz hat. Fehlt ein solcher innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Behörde, so bestimmt sich die Zuständigkeit nach Nummer 5. Bei Anfechtungsklagen gegen Verwaltungsakte einer von den Ländern mit der Vergabe von Studienplätzen beauftragten Behörde ist jedoch das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk die Behörde ihren Sitz hat. Dies gilt auch bei Verpflichtungsklagen in den Fällen der Sätze 1, 2 und 4.
4.
Für alle Klagen aus einem gegenwärtigen oder früheren Beamten-, Richter-, Wehrpflicht-, Wehrdienst- oder Zivildienstverhältnis und für Streitigkeiten, die sich auf die Entstehung eines solchen Verhältnisses beziehen, ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Kläger oder Beklagte seinen dienstlichen Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Wohnsitz hat. Hat der Kläger oder Beklagte keinen dienstlichen Wohnsitz oder keinen Wohnsitz innerhalb des Zuständigkeitsbereichs der Behörde, die den ursprünglichen Verwaltungsakt erlassen hat, so ist das Gericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk diese Behörde ihren Sitz hat. Die Sätze 1 und 2 gelten für Klagen nach § 79 des Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der unter Artikel 131 des Grundgesetzes fallenden Personen entsprechend.
5.
In allen anderen Fällen ist das Verwaltungsgericht örtlich zuständig, in dessen Bezirk der Beklagte seinen Sitz, Wohnsitz oder in Ermangelung dessen seinen Aufenthalt hat oder seinen letzten Wohnsitz oder Aufenthalt hatte.

Für die sachliche und örtliche Zuständigkeit gelten die §§ 17 bis 17b des Gerichtsverfassungsgesetzes entsprechend. Beschlüsse entsprechend § 17a Abs. 2 und 3 des Gerichtsverfassungsgesetzes sind unanfechtbar.

(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

Tenor

Das angefochtene Urteil wird geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, in beiden Rechtszügen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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Tenor

Der auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes gerichtete Antrag wird abgelehnt.

Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens trägt der Antragsteller.

Gründe

I.

1

Der Antragsteller, nach eigenen Angaben afghanischer Staatsangehöriger tadschikischer Volkszugehörigkeit, begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen einen Bescheid der Antragsgegnerin, der sich u.a. auf die Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 (im Folgenden: Dublin II-VO) stützt.

2

Am 22. Mai 2013 beantragte der Antragsteller bei der Antragsgegnerin die Gewährung von Asyl. Im Rahmen seiner persönlichen Anhörung durch die Antragsgegnerin gab er an, er sei von Afghanistan mit dem Bus nach Teheran und von dort in die Türkei gefahren. Mit einem Schlauchboot sei er mit weiteren Flüchtlingen nach Griechenland gelangt. Mit gefälschten griechischen Papieren sei er sodann von Griechenland nach Deutschland geflogen. Hierauf konfrontierte die Antragsgegnerin den Antragsteller mit einem EURODAC-Treffer für Ungarn. Der Antragsteller erklärte nunmehr, er sei in Griechenland von Paschtunen verfolgt worden. Er habe deshalb zunächst auf dem Landweg ausreisen wollen und sei irgendwo festgenommen worden. Die Antragsgegnerin brach daraufhin die Anhörung ab.

3

Am 26. November 2013 richtete die Antragsgegnerin hinsichtlich des Antragstellers ein Wiederaufnahmeersuchen an Ungarn gemäß Art. 16 Abs. 1 Buchst. c Dublin II-VO (vgl. Bl. 59 bis 62 der Asylakte). Diesem Wiederaufnahmeersuchen entsprach Ungarn mit Schreiben vom 2. Dezember 2013 (vgl. Bl. 64 der Asylakte).

4

Mit Bescheid vom 12. Dezember 2013, dem Antragsteller persönlich zugestellt am 18. Dezember 2013, stellte die Antragsgegnerin fest, dass der Asylantrag des Antragstellers unzulässig sei und ordnete seine Abschiebung nach Ungarn an. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die sie zur Ausübung ihres Selbsteintrittsrechts veranlassen könnten, bestünden nicht.

5

Am 20. Dezember 2013 hat der Antragsteller beim Verwaltungsgericht Klage erhoben und den vorliegenden Eilantrag gestellt: Es sei nicht ersichtlich, ob er in Ungarn als Asylberechtigter oder Flüchtling anerkannt worden sei oder Abschiebungsverbote festgestellt worden seien. Daher sei im Verfahren des Eilrechtsschutzes davon auszugehen, dass sein Asylverfahren in Ungarn noch nicht abgeschlossen sei. Die Antragsgegnerin habe die Einhaltung der 3-Monats-Frist nach Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin II-VO mit der Folge versäumt, dass sie nunmehr gemäß Satz 2 der Bestimmung selbst für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig sei. In Ungarn sei er überdies der Gefahr der Obdachlosigkeit und mangelnder Versorgung ausgesetzt. Eine Bescheidung seines Asylantrages nach Maßgabe der unionsrechtlichen Verfahrensgarantien sei in Ungarn nicht gewährleistet.

6

Der Antragsteller beantragt „gemäß § 80 Abs. 5 VwGO zu beschließen“,

7

der Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung aufzugeben, Maßnahmen zu seiner Abschiebung nach Ungarn vorläufig bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren auszusetzen und der zuständigen Ausländerbehörde unverzüglich mitzuteilen, dass seine Abschiebung nach Ungarn vorläufig bis zu einer Entscheidung im Hauptsacheverfahren nicht durchgeführt werden darf.

8

Die Antragsgegnerin beantragt,

9

den Antrag abzulehnen.

10

Zur Begründung bezieht sie sich auf den angefochtenen Bescheid.

11

Der Einzelrichter hat den Rechtsstreit - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten unter Hinweis auf die Wiedereinführung eines Haftregimes in Ungarn zum 1. Juli 2013 (vgl. hierzu das gerichtliche Schreiben vom 8. Januar 2014) - mit Beschluss vom 23. Januar 2014 gemäß § 76 Abs. 4 Satz 2 Alt. 1 AsylVfG auf die Kammer übertragen.

II.

12

Das als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage (19 A 5414/13) verstandene Rechtsschutzbegehren hat keinen Erfolg. Der Antrag ist zwar zulässig (dazu unter 1.), aber unbegründet (dazu unter 2.).

13

1. Der gegen die erlassene Abschiebungsanordnung (vgl. § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG) und damit auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage vom 20. Dezember 2013 gerichtete Eilantrag ist gemäß § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO statthaft. Die aufschiebende Wirkung ist vorliegend gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 VwGO i.V.m. § 75 Abs. 1 AsylVfG kraft Gesetzes entfallen. Nach Änderung von § 34a Abs. 2 AsylVfG durch Art. 1 Nr. 27 Buchst. b des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013 (BGBl. I S. 3474) ist die Stellung eines Eilantrags gemäß § 80 Abs. 5 VwGO nicht mehr ausgeschlossen, sondern gemäß § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG (n.F.). ausdrücklich zulässig. Diese neue Bestimmung ist auch anwendbar. Sie ist nach Maßgabe von Art. 7 Satz 2 des Gesetzes am Tage nach der Verkündung in Kraft getreten. Die Verkündung des Gesetzes erfolgte am 5. September 2013.

14

Der Antrag ist auch fristgemäß gestellt. Die in § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylVfG normierte Wochenfrist hat der Antragsteller gewahrt.

15

2. Der Antrag hat indes in der Sache keinen Erfolg. Der in der Hauptsache erhobenen Klage sind die erforderlichen Erfolgsaussichten abzusprechen. Damit bleibt es beim Vorrang des öffentlichen Interesses an der sofortigen Vollziehbarkeit des streitgegenständlichen Bescheids vor dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers. Die Antragsgegnerin dürfte zu Recht die Abschiebung des Antragstellers nach Ungarn angeordnet haben.

16

Die Abschiebungsanordnung findet ihre Grundlage in § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG. Danach ordnet das Bundesamt, sofern der Ausländer in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a AsylVfG) abgeschoben werden soll, die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht, § 34a Abs. 1 Satz 3 AsylVfG. Hiernach ist der Erlass der Abschiebungsanordnung nicht zu beanstanden. Die Abschiebung des Antragstellers nach Ungarn ist rechtlich zulässig und tatsächlich möglich.

17

a) Für die Durchführung des Asylverfahrens ist aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft (vgl. § 27a AsylVfG), der Vorschriften der Dublin II-VO, nicht die Antragsgegnerin, sondern Ungarn zuständig. Die Dublin II-VO findet auf den vorliegenden Fall noch Anwendung. Sie ist zwar inzwischen durch Art. 48 der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: Dublin III-VO), aufgehoben worden. Bei dem Antrag des Antragstellers vom 22. Mai 2013 handelt es sich jedoch um einen „Altantrag“ im Sinne des Art. 49 Dublin III-VO, auf den die Kriterien der Dublin II-VO zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats weiterhin Anwendung finden.

18

Nach Art. 13 Dublin II-VO ist, sofern sich anhand der Kriterien dieser Verordnung nicht bestimmen lässt, welchem Mitgliedstaat die Prüfung des Asylantrags obliegt, der erste Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, für dessen Prüfung zuständig. Vorliegend sind die vorrangig (vgl. Art. 5 Abs. 1 Dublin II-VO) zu prüfenden Zuständigkeitskriterien gemäß Art. 6 bis Art. 12 Dublin II-VO nicht einschlägig. Folglich verbleibt es bei der Zuständigkeit Ungarns, wo der Antragsteller ausweislich des Schreibens der ungarischen Dublin Coordination Unit vom 2. Dezember 2013 am 26. März 2013 einen – am 9. September 2013 abgelehnten – Asylantrag gestellt hat (vgl. Bl. 64 d. Asylakte).

19

Entgegen der Auffassung des Antragstellers ist die Zuständigkeit nicht zwischenzeitlich infolge Zeitablaufs auf die Antragsgegnerin übergegangen. Soweit Art. 17 Abs. 1 Satz 2 Dublin II-VO bestimmt, dass der Mitgliedstaat, in dem der Asylantrag gestellt wurde, für die Prüfung des Asylantrags zuständig ist, wenn das Gesuch um Aufnahme eines Antragstellers nicht innerhalb einer Frist von drei Monaten unterbreitet wird, findet diese Regelung vorliegend keine Anwendung. Mit dieser Drei-Monats-Frist ist (allein) die in Art. 17 Abs. 1 Satz 1 Dublin II-VO bestimmte Frist gemeint. Danach kann ein Mitgliedstaat, in dem ein Asylantrag gestellt wurde und der einen anderen Mitgliedstaat für die Prüfung des Antrags für zuständig hält, sobald wie möglich, in jedem Fall aber innerhalb von drei Monaten nach Einreichung des Antrags im Sinne von Art. 4 Abs. 2 Dublin II-VO den anderen Mitgliedstaat ersuchen, den Asylbewerber aufzunehmen. Die Regelung des Art. 17 Dublin II-VO betrifft jedoch ausschließlich sog. Aufnahmeersuchen im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Buchst. a Dublin II-VO. Danach ist der Mitgliedstaat, der nach der Dublin II-VO zur Prüfung des Asylantrags zuständig ist, gehalten, einen Asylbewerber, der in einem anderen Mitgliedstaat einen Antrag gestellt hat, nach Maßgabe der Art. 17 bis 19 Dublin II-VO aufzunehmen. Hierunter fallen indes nur die Fälle derjenigen Asylbewerber, die noch keinen Asylantrag in dem ersuchten Mitgliedstaat gestellt haben. Art. 17 Abs. 1 Dublin II-VO findet hingegen keine Anwendung auf den – hier vorliegenden – Fall eines Wiederaufnahmegesuchs nach bereits in einem anderen Mitgliedstaat gestellten Asylantrag. Dafür spricht zunächst der eindeutige Wortlaut der Dublin II-VO. Die Verordnung unterscheidet klar zwischen Aufnahme- und Wiederaufnahmeverfahren (VG Berlin, Beschl. v. 7.10.2013, 33 L 403.13 A, juris Rn. 9). Dies ergibt sich schon aus der Überschrift ihres V. Kapitels „AUFNAHME UND WIEDERAUFNAHME“. Aus der Systematik der Verordnung wird ebenfalls deutlich, dass Art. 17 Dublin II-VO ausschließlich auf Aufnahmegesuche im Sinne des Art. 16 Abs. 1 Buchst. a Dublin II-VO und nicht auf Wiederaufnahmegesuche nach Art. 20 Dublin II-VO Anwendung finden soll. Die für die Wiederaufnahmeverfahren allein maßgebliche Regelung des Art. 20 Dublin II-VO enthält weder eine entsprechende Fristenregelung noch nimmt sie auf die Vorschrift des Art. 17 Abs. 1 Dublin II-VO Bezug (vgl. zum Ganzen: VG Hamburg, Beschl. 18.11.2013, 10 AE 4755/13). Vor diesem Hintergrund ist der Ansicht des Verwaltungsgerichts Düsseldorf (Beschl. v. 7.8.2012, 22 L 1158/12.A, juris 24), Art. 17 Abs. 1 Dublin II-VO wolle „alle Arten von Aufnahmeanträgen“ erfassen, nicht zu folgen. Zwar sieht sich das Verwaltungsgericht Düsseldorf in seiner Auffassung durch einen „klarstellenden“ Vorschlag der Kommission der Europäischen Gemeinschaften für eine Neufassung der Verordnung Nr. 343/2003 vom 3. Dezember 2008, Art. 20 durch Art. 23 zu ersetzen und darin ausdrücklich für die Stellung eines Wiederaufnahmegesuchs eine Frist von zwei bzw. drei Monaten festzulegen, bestätigt. Tatsächlich war dieser Vorschlag jedoch nicht lediglich „klarstellender“ Natur. Insoweit ist auf Seite 6 des Dokuments zu verweisen. Für die Vorlage von Wiederaufnahmegesuchen werden danach Fristen (erstmals) „eingeführt“. Es sollte also eine Rechtsänderung erfolgen.

20

b) Die Antragsgegnerin ist auch nicht mit Blick auf das Selbsteintrittsrecht nach Art. 3 Abs. 2 Dublin II-VO zuständig. Danach kann jeder Mitgliedstaat einen von einem Drittstaatsangehörigen eingereichten Asylantrag prüfen, auch wenn er nach den in dieser Verordnung festgelegten Kriterien nicht für die Prüfung zuständig ist. Der betreffende Mitgliedstaat wird dadurch zum ständigen Mitgliedstaat im Sinne der Dublin II-VO und übernimmt die mit dieser Zuständigkeit einhergehenden Verpflichtungen. Entgegen der Auffassung der Antragsteller besteht vorliegend keine Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Ausübung dieses Selbsteintrittsrechts. Im Einzelnen:

21

aa) Eine Verpflichtung zum Selbsteintritt ergibt sich hier nicht daraus, dass das Asylverfahren in Ungarn systemische Mängel aufweist (vgl. zu diesem Maßstab EuGH, Urt. v. 21.12.2011, C-411/10 und C-493/10, InfAuslR 2012, 108, juris Rn. 86; EuGH, Urt. v. 14.11.2013, C-4/11, NVwZ 2014, 129). Derartige Missstände sind zum gegenwärtigen Zeitpunkt (vgl. § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) für Ungarn nicht anzunehmen (ebenso VGH Mannheim, Beschl. v. 6.08.2013, 12 S 675/13, juris Rn. 5; VG Magdeburg, Beschl. v. 30.09.2013, 1 B 375/13, juris Rn. 6; VG Trier, Beschl. v. 18.10.2013, 2 L 1483/13.TR, juris Rn. 21; VG Hannover, Urt. v. 7.11.2013, 2 A 4696/12, juris Rn. 30; österreichischer Asylgerichtshof, Entscheidung v. 26.11.2013, S7 438673-1/2013, Ziff. 2.7, vgl. www.ris.bka.gv.at; VG Augsburg, Beschl. v. 5.12.2013, AU 7 S 13.30454, juris Rn. 24; VG Regensburg, Kammer 5, Beschl. v. 17.12.2013, RN 5 S 13.30749, juris Rn. 18; VG Regensburg, Kammer 6, Beschl. v. 27.12.2013, RN 6 S 13.30709, juris Rn. 28; VG München, Beschl. v. 27.01.2014, M 4 S 14.30066, juris Rn. 29; VG Potsdam, Beschl. v. 29.01.2014, 6 L 29/14.A, juris Rn. 7; a.A. VG Frankfurt, Beschl. v. 24.07.2013, VG 1 L 213/13.A. juris Rn. 3). Bei Beantwortung der Frage, ob eine Abschiebung auf Grundlage der Dublin II-VO in ein anderes Land möglich ist oder dem systemische Mängel im dortigen Asylverfahren entgegenstehen, ist von Folgendem auszugehen: Die materielle Beweislast für das Vorliegen systemischer Mängel liegt beim Ausländer, nicht etwa muss das Bundesamt eine geäußerte Befürchtung, solche Mängel lägen vor, entkräften (vgl. VG Hamburg, Beschl. v. 8.01.2014, 17 AE 4953/13, juris Rn. 4; a.A. jedenfalls für das Eilverfahren VG Freiburg, Beschl. v. 28.08.2013, A 5 K 1406/13, juris Rn. 19). Einstweiliger Rechtsschutz ist auch nicht allein mit der Erwägung zu gewähren, die Klärung der vom Ausländer geäußerten Bedenken gegen die Abschiebung in ein anderes Land müsse dem Hauptsacheverfahren vorbehalten bleiben (so aber VG München, Beschl. v. 11.11.2013, M 18 S 13.31119, juris Rn. 26). Die Dublin II-VO beruht nämlich auf ähnlichen Erwägungen wie das deutsche Konzept der „normativen Vergewisserung“ hinsichtlich der Sicherheit von Drittstaaten (vgl. zu beidem VGH Mannheim, Beschl. v. 6.08.2013, 12 S 675/13, juris 3). Die Verordnung geht insbesondere von der Anwendung der Genfer Flüchtlingskonvention und der Versicherung, dass niemand dorthin zurückgeschickt wird, wo er Verfolgung ausgesetzt ist, der Charta der Grundrechte der Europäischen Union sowie der Europäischen Menschenrechtskonvention aus (EuGH, Urt. v. 21.12.2011, C-411/10 und C-493/10, InfAuslR 2012, 108, juris Rn. 75 ff.). Hinsichtlich der Einhaltung dieser Normen dürfen die Mitgliedstaaten einander Vertrauen entgegenbringen (EuGH a.a.O., Rn. 78 f.). Unter diesen Bedingungen muss deshalb die Vermutung gelten, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention steht (EuGH a.a.O., Rn. 80). Eine solche Vermutung gilt allerdings nicht uneingeschränkt. Für sie besteht kein Raum mehr, wenn den Mitgliedstaaten nicht unbekannt sein kann, dass systemische Mängel des Asylverfahrens und der Bedingungen für die Aufnahme von Asylbewerbern in dem ursprünglich nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin II-VO als zuständig bestimmten Mitgliedstaat bestehen. Es müssen insoweit ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme vorliegen, dass der betreffende Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden (EuGH, Urteil vom 14. November 2013, C-4/11, NVwZ 2014, 129). Von einer solchen Sachlage kann im Fall des Antragstellers nicht ausgegangen werden.

22

(1) Es bestehen zunächst keine ernsthaften und durch Tatsachen bestätigten Gründe für die Annahme, er sei in seiner konkreten Situation in Ungarn der Gefahr der Obdachlosigkeit und mangelnder Versorgung ausgesetzt. Seine diesbezüglichen, nicht belegten Angaben bleiben unsubstantiiert. Er hat auch nicht etwa dargelegt und glaubhaft gemacht, dass er aufgrund bereits eingetretener Obdachlosigkeit und/oder mangelnder Versorgung Ungarn verlassen musste.

23

(2) Es kann nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand ferner nicht angenommen werden, dass der Antragsteller bei einer Rückkehr nach Ungarn entgegen unionsrechtlicher Verfahrensgarantien inhaftiert würde. Die Tatsache, dass Ungarn überhaupt eine Inhaftierung von Asylbewerbern in Betracht zieht, ist europarechtlich im Grundsatz nicht zu beanstanden. Inhaftierungen von Asylantragstellern sind in Ungarn nach Maßgabe der Gesetzesänderung ab Juli 2013 (nur noch) in gesetzlich bestimmten besonderen Fällen erlaubt (VG Potsdam, Beschl. v. 29.01.2014, 6 L 29/14.A, juris 9). Art. 8 der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen, gibt hierfür einen rechtlichen Rahmen. Dass dessen Grenzen durch das ungarische Recht überschritten werden, ist gegenwärtig nicht erkennbar.

24

Eine tragfähige Grundlage für die Annahme eines möglicherweise als systemisch zu bewertenden Mangels durch eine ungerechtfertigte Freiheitsentziehung dürfte grundsätzlich erst dann gegeben sein, wenn kompetente Stellen wie etwa der UNHCR und das EASO (Europäisches Unterstützungsbüro für Asylfragen, errichtet durch die Verordnung (EU) Nr. 439/2010 des Europäischen Parlaments und des Rates, ABl. L 132 v. 29.5.2010, S. 11) einen solchen Mangel feststellen (vgl. VG Ansbach, Beschl. v. 3.12.2013, AN 11 S 13.31074, juris Rn. 22 unter Hinweis auf die Erwägungsgründe 22 und 23 sowie Art. 33 der Dublin-III VO; ihm folgend VG Hamburg, Beschl. v. 7.01.2014, 10 AE 5467/13). An entsprechenden Stellungnahmen fehlt es indes zum jetzigen Zeitpunkt:

25

Im unmittelbaren zeitlichen Vorfeld zur am 1. Juli 2013 in Kraft getretenen Gesetzesänderung in Ungarn hat der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte mit Urteil vom 6. Juni 2013 (2283/12, http://www.refworld.org/pdfid/51b192004.pdf; auszugsweise inoffizielle Übersetzung abrufbar beim Informationsverbund Asyl & Migration) zu den seinerzeit vorliegenden Auskünften des UNHCR ausgeführt:

26

"105. However, the Court notes that the UNHCR never issued a position paper requesting European Union Member States to refrain from transferring asylum-seekers to Hungary under the Dublin Regulation (compare the situation of Greece discussed in M.S.S. v. Belgium and Greece, cited above, § 195). Furthermore, the Court reiterates that the time of the assessment of whether the applicant would be at a real risk of suffering treatment contrary to Article 3 of the Convention upon a transfer to Hungary is that of the proceedings before it. With that in mind, the Court refers to the most recent note issued by the UNHCR in which it appreciatively acknowledges the planned changes to the law by the Hungarian Government and makes particular reference to the fact that transferees that immediately apply for asylum upon their arrival in Hungary will no longer be subject to detention. Moreover, the UNHCR also remarked on the reported intention of the Hungarian authorities to introduce additional legal guarantees concerning detention and to ensure unhindered access to basic facilities. It finally noted that the number of detained asylum-seekers declined significantly in 2012 (see paragraphs 48-50 above).

27

106. Under those circumstances and as regards the possible detention of the applicant and the related complaints, the Court concludes that in view of the recent report made by the UNHCR, the applicant would no longer be at a real and individual risk of being subjected to treatment in violation of Article 3 of the Convention upon a transfer to Hungary under the Dublin Regulation."

28

Die neue ungarische Vorschrift (vgl. hierzu http://helsinki.hu/wp-content/uploads/HHC-update-hungary-asylum-1-July-2013.pdf) kennt Verwaltungshaft

29

- zur Überprüfung der Identität und Nationalität des Antragstellers.
- wenn der Asylsuchende untergetaucht ist oder die Durchführung des Asylverfahrens auf andere Art und Weise behindert.
- um notwendige Informationen zur Durchführung des Asylverfahrens zu erhalten, wenn gewichtige Gründe für die Annahme bestehen, der Asylsuchende würde das Verfahren verzögern, behindern oder untertauchen.
- zum Schutz der öffentlichen Sicherheit und Ordnung.
- wenn der Asylantrag am Flughafen gestellt wurde.
- wenn der Antragsteller wiederholt seinen Verpflichtungen an Verfahrenshandlungen mitzuwirken nicht nachgekommen ist und damit die Durchführung eines Dublin-Verfahrens behindert.

30

Die Anwendung dieser Vorschrift in der Praxis ist Gegenstand einer Untersuchung der Working Group on Arbitrary Detention des UNHCR in Ungarn in der Zeit vom 23. September bis 2. Oktober 2013 gewesen. Die UN-Experten brachten hierbei ihre Besorgnis zum Ausdruck, die Wiedereinführung des Haftregimes könne aufgrund eines unzureichenden Rechtsschutzes zu willkürlicher Inhaftierung von Asylbewerbern und illegalen Ausländern führen (www.ohchr.org/EN/NewsEvents/Pages/DisplayNews.aspx?NewsID=13817&LangID=E). Der für das Jahr 2014 angekündigte Abschlussbericht, der die seinerzeit geäußerte Besorgnis ausräumen oder bestätigen könnte, liegt aber noch nicht vor. Diesem Bericht kommt auch deshalb besonderes Gewicht zu, weil sich die rechtlichen Rahmenbedingungen in Ungarn zum 1. Januar 2014 erneut geändert haben dürften (vgl. österreichischer Asylgerichtshof, Entscheidung v. 26.11.2013, S7 438673-1/2013, Ziff. I.8, vgl. http://www.ris.bka.gv.at).

31

Eine Stellungnahme von EASO zu Ungarn liegt ebenfalls nicht vor (vgl. http://easo.europa.eu/asylum-documentation/easo-publication-and-documentation/). Das Arbeitsprogramm der EASO für 2013 enthält keine Hinweise zu Ungarn; das gleiche gilt für das Arbeitsprogramm für 2014.

32

Die von der Kammer weiter ausgewerteten Stellungnahmen von Nichtregierungsorganisationen führen ebenfalls nicht weiter. Die "BRIEF INFORMATION NOTE ON THE MAIN ASYLUM-RELATED LEGAL CHANGES IN HUNGARY AS OF 1 JULY 2013" des Ungarischen Helsinki Komitees zeichnet zwar ein kritisches Bild von der gesetzlichen Neuregelung; einen Beitrag zur erforderlich gehaltenen Überwachung der ungarischen Verwaltungspraxis leistet sie selbst aber nicht. Der bordermonitoring.eu e.V. weist in seiner Schrift "UNGARN: FLÜCHTLINGE ZWISCHEN HAFT UND OBDACHLOSIGKEIT Aktualisierung und Ergänzung des Berichts vom März 2012" aus dem Oktober 2013 darauf hin, dass Asylbewerber zumindest dann, wenn sie sich in Ungarn noch in einem laufenden Verfahren befinden das Inhaftierungskriterium des „Untertauchens“ bzw. der Behinderung oder Verzögerung des Asylverfahrens allein schon durch ihre Weiterwanderung erfüllt haben dürften. Ob im Regelfall tatsächlich mit einer Inhaftierung zu rechnen ist, bleibt jedoch offen (vgl. S. 10, 35). Damit kann im Fall des Antragstellers, bei dem überdies unklar ist, ob sein Verfahren überhaupt endgültig abgeschlossen oder ein Rechtbehelf eingelegt worden ist, nicht von einer drohenden rechtswidrigen Inhaftierung ausgegangen werden.

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bb) Außergewöhnliche humanitäre Gründe, wie sie die Antragsgegnerin im angefochtenen Bescheid (S. 2) – erkennbar mit Blick auf Art. 15 Dublin II-VO – anführt, machen die Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach den Umständen des Einzelfalls nicht erforderlich. Das Vorliegen solcher Gründe ist weder vorgetragen noch sonst ersichtlich.

III.

34

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG.

Tenor

Das angefochtene Urteil wird geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, in beiden Rechtszügen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.