Verwaltungsgericht München Urteil, 30. Sept. 2014 - 13 DK 14.1356

bei uns veröffentlicht am30.09.2014

Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Das monatliche Ruhegehalt des Beklagten wird um 10% auf fünf Jahre gekürzt.

II.

Der Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

1. Der Disziplinarbeklagte (im Folgenden: der Beklagte) ist am ... 1956 geboren. Er trat im ... 1973 als Anwärter für den mittleren Polizeivollzugsdienst in den Dienst des Klägers ein. Nach dem Bestehen der Laufbahnprüfung wurde er zum ... 1976 zum Polizeihauptwachtmeister im Beamtenverhältnis auf Probe ernannt. Zum ... 1983 wurde der Beklagte in das Beamtenverhältnis auf Lebenszeit übernommen. 1992 legte er erfolgreich die Laufbahnprüfung für den gehobenen Polizeivollzugsdienst ab. Er wurde zuletzt 1999 zum Kriminalhauptkommissar ernannt und bezog monatliche Einkünfte aus der Besoldungsgruppe A 11.

Nach unterschiedlich langen krankheitsbedingten Abwesenheitszeiten in den Jahren 2007 bis 2009 war der Beklagte seit dem November 2009 dauerhaft dienstunfähig erkrankt. Zwischen den Verfahrensbeteiligten ist streitig, worauf die krankheitsbedingten Ausfallzeiten zurückzuführen sind. Im April/Mai 2010 befand sich der Beklagte zu einer stationären Rehabilitationsbehandlung in der neurologischen Fachklink ... Auf den dort nach der Entlassung des Beklagten erstellten ausführlichen Arztbrief vom ... 2010 (Bl. 35 der Gerichtsakte), wird im Einzelnen verwiesen.

Ende September 2013 wurde der Beklagte gemäß Art. 65 BayBG, § 26 BeamtStG wegen dauernder Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Der Beklagte erhält derzeit Versorgungsbezüge in Höhe von 2.050,79 EUR (brutto), nach Abzügen verbleibt ein monatlicher Auszahlungsbetrag in Höhe von 1.757,16 EUR.

Der Beklagte ist disziplinarisch bisher nicht in Erscheinung getreten.

2. Mit Schreiben vom ... September 2011 leitete der Präsident des Polizeipräsidiums ... als Dienstvorgesetzter ein Disziplinarverfahren ein und gab dem Beklagten die Möglichkeit zur Stellungnahme.

Der Bevollmächtigte des Beklagten äußerte sich dazu am ... Oktober 2011 und führte im Wesentlichen aus, dass die krankheitsbedingten Fehlzeiten nicht auf eine Alkoholerkrankung sondern auf eine Vielzahl anderer Erkrankungen, unter denen der Beklagte leide, zurückzuführen seien. Eine stationäre Alkoholtherapie sei nach Auffassung der den Beklagten behandelnden privaten Fachärzte nicht indiziert, der davon abweichenden Auffassung des Polizeiarztes könne nicht gefolgt werden. Im Disziplinarverfahren müsse eine weitere Abklärung der Erkrankungsursachen durch Fachärzte durchgeführt werden.

Der Dienstvorgesetzte leitete nach dem Vorliegen der Äußerung das Verfahren an das Polizeipräsidium ... als Disziplinarbehörde weiter, das die Übernahme mit Schreiben vom ... Dezember 2011 erklärte.

Der Bevollmächtigte des Beklagten erhielt durch die Disziplinarbehörde Gelegenheit zur Äußerung im weiteren Verfahren. Die abschließende Anhörung erfolgte am ... Mai 2012, wozu der Bevollmächtigte des Beklagten mit Schriftsatz vom ... Juni 2012 auch unter Einbeziehung des im Verfahren im Mai 2012 eingeholten Persönlichkeitsbildes Stellung nahm. Dabei wurde im Wesentlichen unter Wiederholung des bisherigen Vorbringens bestritten, dass beim Beklagten eine Alkoholerkrankung vorliege. Eine stationäre Entziehungstherapie sei deshalb nicht notwendig. Die beim Beklagten diagnostizierten Erkrankungen seien im Kern auf ein Überforderungssyndrom zurückzuführen, ein Alkoholmissbrauch liege nicht vor. Der Beklagte habe entgegen der Schilderungen des Dienststellenleiters in dem Persönlichkeitsbild vom Mai 2012 seine dienstlichen Aufgaben jederzeit ordnungsgemäß erfüllt.

3. Mit der Disziplinarklage vom 4. Oktober 2012 verfolgte der Kläger (zunächst) das Ziel der Entfernung des (noch nicht im Ruhestand befindlichen) Beklagten aus dem Beamtenverhältnis (M 13 DK 12.4695).

Der Beklagte habe durch seine Weigerung, dienstlichen Weisungen nachzukommen, nicht unerhebliche Dienstvergehen (§ 35 Satz 2 BeamtStG) begangen. Weiter habe er sich nicht mit dem vollem persönlichem Einsatz seinem Beruf gewidmet (§ 34 Satz 1 BeamtStG) sowie gegen seine Gesundheitserhaltungspflicht, die als Ausfluss des vollen persönlichen Einsatzes für den Beruf und der allgemeinen Treuepflicht (§ 34 Satz 1, § 3 Abs. 1 BeamtStG) zu den beamtenrechtlichen Pflichten gehöre, verstoßen.

Diesem Vorwurf liege der folgende Sachverhalt zugrunde: Der Beklagte sei seit November 2009 durchgehend dienstunfähig erkrankt. Nach dem Ergebnis der deshalb im November 2009 durchgeführten polizeiärztlichen Untersuchung seien die gesundheitlichen Störungen im Wesentlichen auf den Konsum von Alkohol zurückzuführen. Nachdem eine Besserung des Gesundheitszustandes im Laufe des Jahres 2010 polizeiärztlich nicht diagnostiziert worden sei, sei der Beklagte erstmals mit Schreiben vom ... September 2010 aufgefordert worden, „eine vollständige Alkoholabstinenz einzuhalten sowie die vom Polizeiarzt zur Wiedererlangung der Dienstfähigkeit unbedingt erforderliche stationäre Maßnahme in einer entsprechenden Fachklinik durchzuführen“. Diese Aufforderung sei mit Schreiben des Dienstvorgesetzten vom ... Januar 2011 wiederholt worden, wobei die Durchführung einer stationären Maßnahme in einer Tagesklinik nach ärztlicher Beurteilung als ausreichend angesehen worden sei. Nach erneuter polizeiärztlicher Prüfung der Erfolgsaussichten einer derartigen Therapie sei der Beklagte schließlich mit Schreiben vom ... April 2011 aufgefordert worden, „die für die Wiederherstellung Ihrer Dienstfähigkeit zwingend notwendige stationäre Entwöhnungstherapie durchzuführen“. Der Beklagte sei diesen Aufforderungen nicht nachgekommen, ihm sei deshalb am ... Juni 2011 die dienstliche Weisung erteilt worden, „einen Nachweis über den vollstationären Therapiebeginn (Anmeldbestätigung) innerhalb drei Wochen nach Zugang dieses Schreibens (…) zu erbringen.“ In allen vorgenannten Schreiben sei ausdrücklich darauf hingewiesen worden, dass der Beklagte im Rahmen seiner beamtenrechtlichen Gesunderhaltungspflicht zur Durchführung notwendiger medizinischer Maßnahmen, wie vorliegend eine vollstationäre Therapie, zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit verpflichtet sei und er bei Verstößen gegen seine Gesunderhaltungspflicht mit disziplinarrechtlichen Maßnahmen rechnen müsse. Die dienstliche Weisung zur Verpflichtung des Beklagten zur Aufnahme einer vollstationären Therapie sei am ... September 2011 wiederholt worden.

Der Beklagte sei den ihm erteilten dienstlichen Weisungen zur Durchführung einer medizinisch als notwendig angesehenen stationären Therapie der diagnostizierten Alkoholerkrankung nicht nachgekommen. Er habe deshalb die durch den Alkoholkonsum bedingte vorzeitige Dienstunfähigkeit schuldhaft herbeigeführt. Die Pflicht zum Befolgen der Weisungen könne nicht deshalb verneint werden, weil der Beklagte subjektiv der Auffassung gewesen sei, ohne eine stationäre Behandlung auskommen zu können. Da der Beklagte nach ärztlicher Prüfung der beim ihm vorliegenden Erkrankungen ausdrücklich angewiesen worden sei, eine stationäre Entwöhnungsbehandlung in einer geeigneten Fachklinik durchführen zu lassen, sei es unbeachtlich, ob er selbst diese für erforderlich gehalten habe. Gegenstand der disziplinarrechtlichen Würdigung sei nämlich nicht die eventuell fehlende Einsicht des Beklagten in seine Alkoholerkrankung, sondern seine Weigerung, dienstlichen Weisungen nachzukommen.

Bei der Bemessung der Disziplinarmaßnahmen sei zulasten des Beklagten das im Verfahren eingeholte, insgesamt negativ zu wertende Persönlichkeitsbild einzustellen, ebenso die Anzahl der Pflichtverstöße. Die Weigerung zur Befolgung von Weisungen habe mehrfach stattgefunden, der Beklagte sei deshalb auch über einen langen Zeitraum dienstunfähig gewesen. Aufgrund des Persönlichkeitsbildes sei davon auszugehen, dass der Beklagte auch in Zukunft entsprechenden Weisungen nicht nachkomme. Damit sei das Vertrauensverhältnis endgültig zerstört, eine Entfernung aus dem Dienst somit geboten.

Auf die Disziplinarklage wird im Einzelnen verwiesen.

Der Bevollmächtigte des Beklagten nahm mit Schriftsätzen vom ... November 2012 und vom ... Dezember 2012 sowie ergänzend im September 2014 zur Disziplinarklage Stellung.

Die Dienstunfähigkeit des Beklagten sei nicht auf alkoholbedingte Erkrankungen zurückzuführen. Der Beklagte sei multipel erkrankt. Der Polizeiarzt und die Disziplinarbehörde hätten es aber unterlassen, sich mit den fachärztlichen Attesten bzw. mit den fachlichen Stellungnahmen der behandelnden Ärzte des Beklagten auseinander zu setzen. Bereits deshalb gehe der Kläger von einem falschen Sachverhalt aus, so dass die Entscheidung über die Disziplinarmaßnahme fehlerhaft, jedenfalls aber unverhältnismäßig sei. Die vom Kläger als notwendig angesehene stationäre Entziehungstherapie sei nicht geeignet gewesen, die Dienstfähigkeit des Beklagten wiederherzustellen. Ein gelegentlicher Alkoholkonsum könne dem Beklagten nicht zum Vorwurf gemacht werden. Ein Alkoholmissbrauch sei aufgrund der vorgelegten ärztlichen Atteste nicht nachgewiesen und liege auch nicht vor. Hinzu komme, dass der Beklagte keine schriftliche Kostenzusage für die Aufnahme einer stationären Therapie vom Dienstherrn erhalten habe. Ohne diese sei aber der Beginn einer Therapie finanziell für den Beklagten nicht möglich gewesen, da auch nach den eingeholten mündlichen Auskünften der privaten Krankenversicherung eine Kostenübernahme durch diese nicht gewährleistet gewesen sei. Dies sei zwischenzeitlich auch schriftlich durch die Krankenversicherung im September 2014 bestätigt worden. Insgesamt habe beim Beklagten mangels Vorliegens eines chronischen Alkoholismus keine Verpflichtung zur Aufnahme einer Therapie bestanden. Ein Verstoß gegen dienstliche Weisungen sei deshalb zu verneinen. Auch gegen seine Gesunderhaltungspflicht habe der Beklagte nicht verstoßen, da die Dienstunfähigkeit nicht auf einen schädlichen Alkoholkonsum zurückzuführen sei. Eine Verpflichtung zur Befolgung der Weisung habe deshalb ebenfalls nicht bestanden, zumal die polizeiärztlichen Erkenntnisse nicht mit den fachlichen Äußerungen der behandelnden Privatärzte des Beklagten abgeklärt worden seien. Selbst für den Fall, dass ein Dienstvergehen vorliegen sollte, habe der Kläger mit der Entfernung des Beklagten aus dem Dienst eine unverhältnismäßige Disziplinarmaßnahme beantragt. Der Beklagte sei entgegen den Aussagen im Persönlichkeitsbild vom Mai 2012 jederzeit in vollem Umfang seinen dienstlichen Pflichten nachgekommen. Die ihm vorgeworfenen Verhaltensweisen seien nachvollziehbar erklärbar, insbesondere seien ihm beantragte Fortbildungen in der Vergangenheit vielfach verweigert worden. Er sei vom Dienststellenleiter auch nicht ordnungsgemäß behandelt, eine weitere berufliche Entwicklung sei ihm verwehrt worden.

Nach der Aussetzung des gerichtlichen Verfahrens wegen strafrechtlicher Ermittlungen gegen den Beklagten wurde das Disziplinarverfahren im August 2013 fortgesetzt (Az. M 13 DK 13.4398). Die Disziplinarbehörde beantragte nach dem Ruhestandseintritt des Beklagten nunmehr unter Abänderung des ursprünglichen Klageantrags, dem Beklagten das Ruhegehalt abzuerkennen.

Am 28. März 2014 erhob der Kläger nach der Durchführung des Verwaltungsverfahrens gemäß Art. 51 Abs. 1 BayDG Nachtragsdisziplinarklage, für die vom Gericht ein eigenes Klageverfahren geführt wird (Az. M 13 DK 14.1356).

Gegenstand der Nachtragsdisziplinarklage ist der dem Beschluss des Amtsgerichts ..., Strafgericht, zugrunde gelegte Sachverhalt (Az. ...). Das gegen den Beklagten geführte Strafverfahren wegen des unerlaubten Entfernens vom Unfallort wurde mit Beschluss des Amtsgerichts ... vom ... 2013 gemäß § 153a Abs. 2 StPO gegen Zahlung einer Geldauflage in Höhe von 1.000,-- € vorläufig und mit Beschluss vom ... Juni 2013 endgültig eingestellt.

Der Bevollmächtigte des Beklagten äußerte sich zur Nachtragsdisziplinarklage mit Schriftsatz vom ... Juni 2014.

Nach Auffassung des Beklagten rechtfertige das nach Zahlung der Geldauflage eingestellte Strafverfahren keine disziplinarrechtliche Maßnahme. Der Einstellungsbeschluss enthalte keine Verurteilung des Beklagten, eine Bindung an den ursprünglich erlassenen Strafbefehl sei nach der Einstellung nicht mehr gegeben. Der Vorwurf der Verkehrsunfallflucht sei im Strafverfahren nicht endgültig aufgeklärt worden. Im Übrigen fehle es an einer ordentlichen Ermessensbetätigung, da der Kläger erkennbar keine Überlegungen dazu angestellt habe, ob eine mildere Disziplinarmaßnahme ausreichend sei.

In der Sache wurde am 30. September 2014 mündlich vor Gericht verhandelt. Auf die dabei gefertigte Niederschrift wird Bezug genommen, ebenso zur Ergänzung des Sach- und Streitstandes auf die beigezogene Disziplinarakte des Polizeipräsidiums ..., auf die vom Kläger vorgelegten Personalakten des Beklagten (Unterordner A mit C), auf die Gerichtsakten in den Verfahren M 13 DK 12.4695, M 13 DK 13.4398 sowie die Gerichtsakte im vorliegenden Verfahren. Zum Verfahren beigezogen wurde auch die Strafakte im o.g. Verfahren Az. ...

Gründe

Die zulässige Disziplinarklage führt dazu, dass das monatliche Ruhegehalt des Beklagten nach Art. 12 Satz 1 Bayerisches Disziplinargesetz (BayDG) i. d. F. d. Bek. vom 24. Dezember 2005 (GVBl S. 665), geändert durch § 1 Nr. 5 des Gesetzes zur Änderung des Bayerischen Disziplinargesetzes, des Bayerischen Beamtengesetzes und des Bayerischen Personalvertretungsgesetzes vom 8. Dezember 2009 (GVBl S. 605), in Höhe von 10% für die Dauer von fünf Jahren zu kürzen ist.

I.

Das Disziplinarverfahren weist in formeller Hinsicht keine Mängel auf. Der Beklagte wurde zu allen Verfahrensschritten gehört. Er hatte die Gelegenheit, sich abschließend zu äußern.

Die beantragte Beteiligung des Personalrats ist im September 2012 erfolgt (Bl. 134 der Disziplinarakte).

II.

1. Gegenstand der disziplinarrechtlichen Beurteilung im vorliegenden Verfahren ist ausschließlich der Sachverhalt, der vom Kläger der Disziplinarklage vom 4. Oktober 2012 (dort zu I., S. 2 mit 4) zugrunde gelegt worden ist. Dagegen wurde die mit der Nachtragsdisziplinarklage vom 28. März 2014 (dort zu I, S. 2) disziplinarrechtlich zu beurteilende Handlung des Beklagten, eine außerhalb des Dienstes begangenen Straftat, wurde mit Beschluss des Gerichts vom 30. September 2014 gemäß Art. 54 Satz 1 BayDG ausgeschieden und das Disziplinarverfahren insoweit beschränkt.

2. Der dem Beklagten in der Disziplinarklage zur Last gelegte Sachverhalt steht fest durch die Ermittlungen des Klägers im Verfahren, die als Inhalt der Disziplinarakte dem Gericht zur eigenen Überzeugungsfindung (Art. 3 BayDG i. V. m. § 108 Abs. 1 VwGO) vorgelegen haben.

Der Beklagte hat die vom Polizeiarzt zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit als notwendig angesehene und die aufgrund dieser ärztlichen Beurteilung vom Dienstvorgesetzen angeordnete stationäre Alkoholentwöhnungstherapie nicht begonnen. Zur Aufnahme dieser Therapie hat der Dienstvorgesetze den Beklagten am ... September 2010 (Bl. 9 der Disziplinarakte), am ... April 2011 (Bl. 19 der Disziplinarakte), am ... Juni 2011 (Bl. 21 der Disziplinarakte) und am ... September 2011 (Bl. 27 der Disziplinarakte) angewiesen. Der Beklagte hat das Vorliegen der Weisungen und seine Weigerung, diesen nachzukommen, nicht bestritten.

III.

Durch diesen zur Überzeugung des Gerichts festgestellten Sachverhalt hat der Beklagte sowohl gegen seine Pflicht, dienstliche Anordnungen auszuführen, als auch gegen seine Gesunderhaltungspflicht verstoßen. Auf die diesbezüglichen Ausführungen des Klägers in der Disziplinarklage vom 4. Oktober 2012 (dort zu V.1, S. 9 ff.), denen das Gericht zur Anwendung der für die rechtliche Beurteilung maßgeblichen beamtenrechtlichen Vorschriften folgt, kann zur Vermeidung von Wiederholungen Bezug genommen werden (Art. 3 BayDG i. V. m. § 117 Abs. 5 VwGO).

Ergänzend wird zur Klageerwiderung des Beklagten ausgeführt:

1. Entgegen der in der Klageerwiderung vertretenen Auffassung war der Beklagte verpflichtet, den Weisungen zur Aufnahme einer stationären Alkoholentwöhnungsbehandlung nachzukommen, da diese rechtmäßig erfolgten.

a) Die Weisungen sind formell ordnungsgemäß ergangen.

aa) Der Beamte hat dienstlichen Anordnungen nachzukommen, wenn diese in formeller Hinsicht aus sich heraus verständlich sind und der Betroffene ihnen entnehmen kann, was konkret ihr Anlass ist (vgl. zur Anordnung einer ärztlichen Untersuchung: BVerwG, U. v. 26.4.2012 - 2 C 17/10 - NVwZ 2012, 1483; Rn. 20).

An dem Vorliegen dieser formellen Anforderungen bestehen vorliegend keine durchgreifenden Zweifel.

bb) Auch die Weisung vom ... Januar 2011, durch die dem Beklagten statt der Aufnahme einer vollstationären Therapie die Möglichkeit, an einer speziellen Tagesklinik eine stationäre Entwöhnungsbehandlung durchzuführen, zugestanden wurde, lässt die Weisungen insgesamt nicht formell fehlerhaft werden.

Zwar war für den Beklagten dadurch nicht ohne weiteres erkennbar, an welcher Art von Therapieeinrichtung er die für notwendige angesehene Entwöhnungsbehandlung durchführen soll. Allerdings hat der Dienstvorgesetzte mit der Weisung vom ... April 2011 und in der Folge mehrfach wiederholt klargestellt, dass eine Behandlung in einer Tagesklinik als nicht ausreichend angesehen wird und den Beklagten eindeutig und für diesen nachvollziehbar angewiesen, eine vollstationäre Alkoholentwöhnungsbehandlung aufzunehmen.

b) Die auf die polizeiärztlichen Bewertungen zur Alkoholerkrankung des Beklagten gestützten Weisungen des Dienstvorgesetzten sind auch materiell nicht zu beanstanden.

aa) Nach den Untersuchungen zwischen Dezember 2009 und August 2010 stand für den Polizeiarzt fest, dass der Beklagte an einem schweren chronischen Alkoholismus erkrankt ist (Gesundheitszeugnisse vom ...12.2009 und vom ...9.2010, Bl. 43 und 45 der Disziplinarakte). Zur Behandlung dieser Erkrankung war nach Auffassung des Polizeiarztes eine viermonatige stationäre Alkoholentwöhnungsbehandlung indiziert. Dadurch sollte der bestehenden Dienstunfähigkeit entgegengewirkt werden.

bb) An der Richtigkeit dieser polizeiärztlichen Einschätzung zum Vorliegen einer Alkoholerkrankung des Beklagten und der deshalb bestehenden Notwendigkeit der Aufnahme einer stationären Alkoholentwöhnungstherapie bestehen zur Überzeugung des Gerichts keine Zweifel.

(1) Insoweit wird in der Klageerwiderung unter Verweis auf die im Verfahren vorgelegten privatärztlichen Atteste geltend gemacht, dass die vom Polizeiarzt als notwendig angesehene stationäre Alkoholentwöhnungsbehandlung zu keiner Verbesserung des Gesundheitszustandes des Beklagten geführt hätte. Die den Beklagten behandelnden (Privat-) Ärzte würden davon ausgehen, dass aufgrund der beim Beklagten diagnostizierten vielfachen Erkrankungen dessen Dienstunfähigkeit auch nach Durchführung einer Alkoholentwöhnungsbehandlung weiter bestehe. Deshalb bestehe keine Verpflichtung des Beklagten, der Weisung zur Aufnahme einer solchen Therapie nachzukommen.

(2) Zwar kann nicht davon ausgegangen werden, dass amtsärztlichen Feststellungen zum Gesundheitszustand eines Beamten ein unbedingter Vorrang vor der Beurteilung des behandelnden Privatarztes zukommt. Soweit beide Beurteilungen zum selben Krankheitsbild des Beamten voneinander abweichen, ist der amtsärztlichen Bewertung nur in eingeschränktem Maß ein Vorrang einzuräumen. Mit den vom behandelnden Privatarzt erhobenen Befunden hat sich der Amtsarzt auseinander zu setzen und nachvollziehbar darzulegen, warum er diesen Bewertungen nicht folgt. Gegebenenfalls hat das Gericht durch weitere Beweiserhebungen zu klären, welcher Einschätzung zu folgen ist (zusammenfassend: BVerwG, B. v. 28.12.2012 - 2 B 105/11 - juris Rn. 8).

(3) Eine derartige weitere Beweiserhebung war vorliegend nicht geboten. Die Bewertung des Polizeiarztes zur Notwendigkeit der stationären Alkoholentwöhnungsbehandlung aufgrund der getroffenen Diagnose einer Alkoholerkrankung des Beklagten ist für das Gericht auch unter Berücksichtigung des nur eingeschränkten Vorrangs der polizeiärztlichen Bewertung nachvollziehbar.

Der behandelnde Polizeiarzt hat sich im Schreiben vom ... November 2010 (Bl. 46 der Disziplinarakte) gegenüber der Disziplinarbehörde mit der von den Privatärzten des Beklagten vertretenen fachlichen Einschätzung auseinandergesetzt. Er hat nachvollziehbar dargelegt, dass auch unter Berücksichtigung der privatärztlichen Befunde an dem das übliche Maß übersteigenden Alkoholkonsum des Beklagten im maßgeblichen Zeitraum keine Zweifel bestehen.

Neben dieser polizeiärztlichen Bewertung ist vorliegend auch zu berücksichtigen, dass den vom Polizeiarzt seiner Therapieempfehlung zugrundgelegten Alkoholmissbrauch des Beklagten auch die behandelnden Privatärzte (vgl. Ärztliches Attest Dr. ... vom ...7.2011: „… der zeitweise Alkoholabusus nur einen Teil des Problems darstellt“; Bl. 56 der Gerichtsakte im Verfahren M 13 DK 12.4695) bestätigen.

Ebenso wird im Arztbrief der Fachklinik ... vom „Bild einer schweren alkoholtoxischen Erkrankung“ des Beklagten (Arztbrief vom ...5.2010, S. 3 letzter Absatz; Bl. 37 der Gerichtsakte) ausgegangen. Dass dieser vom Chefarzt der Fachklink ... unterzeichnete Arztbrief in der medizinischen Beurteilung der Erkrankung des Beklagten nach dessen Einschätzung von der Auffassung der behandelnden Stationsärztin abweicht, ist demgegenüber nicht durchschlagend. In dem Arztbrief wird nach dem Abschluss der Behandlung deren Ergebnis ausführlich zusammengefasst und begründet.

Auch nach den beiden privatärztlichen Aussagen steht damit ein Alkoholmissbrauch durch den Beklagten ohne Zweifel fest. Davon ist für die weitere ärztliche Bewertung auszugehen.

cc) Damit ist das Ergebnis der polizeiärztlichen Untersuchung und die dabei getroffenen Diagnose einer Alkoholerkrankung des Beklagten für die weitere Beurteilung maßgeblich. Auch wenn die behandelnden Privatärzte des Beklagten die Notwendigkeit einer Alkoholentwöhnungsbehandlung verneinen, konnte der Dienstvorgesetzte gestützt auf die polizeiärztlichen Feststellungen gegenüber dem Beklagten rechtmäßig die Aufnahme einer Alkoholentwöhnungstherapie anordnen.

c) Den Weisungen ist der Beklagte schuldhaft nicht nachgekommen.

Dass der Beklagte subjektiv davon ausging, dass er nicht an einer Alkoholerkrankung, die der therapeutischen Behandlung bedarf, leidet, entlastet ihn nicht (vgl. zur Frage der Schuldfähigkeit bei einer Alkoholerkrankung: VG Meiningen, B. v. 17.1.2011 - 6 D 60013/09 Me - juris Rn. 40).

Der Beklagte ist über seine dienstlichen Pflichten zum Befolgen der Weisungen mehrfach belehrt worden. Ihm war bekannt, dass nach der Einschätzung des Polizeiarztes nur durch eine stationäre Alkoholentwöhnungsbehandlung die Möglichkeit zur Wiederherstellung der Dienstfähigkeit eröffnet ist. Die Bedeutung dieser Einschätzung und die mit einer Weigerung der Aufnahme einer Therapie verbundenen dienstrechtlichen Konsequenzen waren dem Beklagten bewusst. Insbesondere ist nicht erkennbar, dass der Beklagte aufgrund einer Alkoholerkrankung bereits nicht mehr in der Lage gewesen wäre, die Therapieanordnung zu befolgen.

d) Durch die Weigerung des Beklagten, den - wie eben dargelegt - rechtmäßigen Weisungen des Dienstvorgesetzten zur Aufnahme einer stationären Alkoholentwöhnungsbehandlung nachzukommen, hat er gegen seine Verpflichtung aus § 35 Satz 2 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern (Beamtenstatusgesetz - BeamtStG) i. d. F. d. Bek. vom 17. Juni 2008 (BGBl I S. 1010), dienstliche Anordnungen auszuführen, verstoßen.

2. Mit dieser Weigerung, den dienstlichen Anordnungen zur Aufnahme einer stationären Alkoholentwöhnungsbehandlung nachzukommen, hat der Beklagte gleichzeitig gegen seine Gesunderhaltungspflicht verstoßen (§ 34 Satz 1 BeamtStG).

a) Aus der Pflicht zum vollem persönlichen Einsatz des Beamten „folgt, dass der Beamte zur Erfüllung seiner Pflichten dem Dienstherrn die volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen hat. Er ist somit auch verpflichtet, diese Arbeitskraft im Interesse des Dienstherrn nicht nur zu erhalten, sondern die beschränkte oder verlorene Arbeitskraft best- und schnellstmöglich wieder herzustellen. Zur Wiederherstellung seiner Arbeitskraft muss er alle ihm angebotenen zumutbaren Möglichkeiten nutzen. In diesem Zusammenhang hat der Beamte auf die Vorschläge der behandelnden Ärzte, des Dienstvorgesetzen und des Amtsarztes wegen deren Sachkunde auch dann einzugehen, wenn er meint, noch ohne eine stationäre Behandlung auskommen zu können. Er darf sich nicht nur von seiner eigenen Einstellung leiten lassen, sondern muss - im Fall der Zumutbarkeit - den Rat der Fachleute und die Hinweise der Dienstvorgesetzten befolgen“ (BayVGH, U. v. 13.12.2006 - 16a D 3379/05 - juris Rn. 22; ebenso VG Trier, U. v. 11.9.2012 - 3 K 629/12.TR - juris Rn. 58; vgl. auch VG Meiningen, B. v. 17.1.2011 - 6 D 60013/09 Me - juris Rn. 38).

b) In Anwendung dieser Grundsätze ist vorliegend der disziplinarrechtlich zu ahndende Verstoß gegen die Gesunderhaltungspflicht zu bejahen.

aa) Wie oben bereits dargelegt, war der Beklagte aufgrund des (beschränkten) Vorrangs der polizeiärztlichen Bewertung zur Aufnahme der stationären Alkoholentwöhnungsbehandlung verpflichtet. Dadurch war eine Besserung der durch den Alkoholmissbrauch bedingten Krankheiten möglich, so dass dem Beklagten die Wahrnehmung dieser Möglichkeit im Rahmen der ihm obliegenden Gesunderhaltungspflicht oblag.

bb) Dies ist nicht deshalb anders zu beurteilen, weil die den Beklagten behandelnden Privatärzte eine derartige Therapie nicht als zielführend angesehen haben.

Insoweit ist der Beklagte an den (beschränkten) Vorrang der polizeiärztlichen Bewertung gebunden. Diese hat in Auseinandersetzung mit den vorgelegten privatärztlichen Attesten nachvollziehbar die Notwendigkeit einer stationären Alkoholentwöhnungsbehandlung des Beklagten begründet. Hinzu kommt, dass auch in der ärztlichen Einschätzung der Fachklinik ... am Ende einer längeren Behandlungsphase eine „konsequente Entgiftungsbehandlung vom Alkohol“ als „unbedingt erforderlich“ (Arztbrief vom 10.5.2010, S. 4 letzter Absatz; Bl. 38 der Gerichtsakte) angesehen wurde.

cc) Im Ergebnis stellt die angeordnete Alkoholentwöhnungsbehandlung damit eine geeignete Möglichkeit zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Dienstfähigkeit dar, so dass der Beklagte diese im Rahmen der ihm obliegenden Gesunderhaltungspflicht wahrzunehmen hatte.

c) An dieser Stelle bedarf es keiner weiteren Aufklärung, ob beim Beklagten auch weitere Erkrankungen vorlagen, die unabhängig vom Alkoholmissbrauch zu einer Dienstunfähigkeit geführt hätten. Denn auch wenn nach dem Abschluss der angeordneten Alkoholentwöhnungstherapie weitere Erkrankungen die Dienstfähigkeit des Beklagten eingeschränkt oder ausgeschlossen hätten, war es jedenfalls ohne die Durchführung der angeordneten Therapie ausgeschlossen, dass die durch die diagnostizierte Alkoholerkrankungen bedingten Erkrankungen und deren negative Folgen für die Dienstfähigkeit des Beklagten geheilt werden.

IV.

Die festgestellten Dienstvergehen sind nach dem Grundsatz der Einheit des Dienstvergehens, der sich aus § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG ergibt, einheitlich zu würdigen. Das festgestellte einheitliche Dienstvergehen führt zur Kürzung des monatlichen Ruhegehalts des Beklagten in Höhe von 10% für die Dauer von fünf Jahre in Anwendung des Art. 12 Satz 1 BayDG.

1. Für die Bemessung der Disziplinarmaßnahme ist nach Art. 14 Abs. 1 BayDG durch das Gericht „über die erforderliche Disziplinarmaßnahme aufgrund einer prognostischen Gesamtwürdigung unter Berücksichtigung aller im Einzelfall belastenden und entlastenden Gesichtspunkte zu entscheiden. (…) Danach ist Gegenstand der disziplinarrechtlichen Betrachtung und Wertung die Frage, welche Disziplinarmaßnahme in Ansehung der gesamten Persönlichkeit des Beamten geboten ist, um die Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes und die Integrität des Berufsbeamtentums möglichst ungeschmälert aufrechtzuerhalten“ (BVerwG, U. v. 29.5.2008 - 2 C 59/07 - juris Rn. 16).

Damit ist maßgebliches Kriterium der Zumessung zunächst die Schwere des Dienstvergehens. Diese ist zum einen nach der Eigenart und der Bedeutung der verletzten Dienstpflichten, nach Dauer und Häufigkeit der Pflichtenverstöße und den Umständen der Tatbegehung (objektive Handlungsmerkmale) zu bewerten. Zum anderen sind für die Bewertung die Form und das Gewicht des Verschuldens und die Beweggründe des Beamten für sein pflichtwidriges Verhalten (subjektive Handlungsmerkmale) heranzuziehen. Weiter sind die unmittelbaren Folgen der Pflichtenverstöße für den dienstlichen Bereich oder für Dritte für die Maßnahmenzumessung in die Entscheidung des Disziplinargerichts einzustellen (BVerwG, U. v. 29.5.2008 a. a. O. Rn. 13).

Ist durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren, ist der Beamte gemäß Art. 14 Abs. 2 Satz 1 BayDG aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen. Dazu bedarf es der Prognose über das voraussichtliche künftige dienstliche Verhalten des Beamten. Wenn aufgrund dieser der Schluss zu ziehen ist, dass der Beamte auch künftig in erheblicher Weise gegen Dienstpflichten verstoßen wird, ist das Beamtenverhältnis zu beenden (BVerwG, U. v. 29.5.2008 a. a. O. Rn. 18).

Die festgestellten Dienstvergehen sind nach ihrem Gewicht einer der im Gesetz aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zuzuordnen. Dabei sind die in der disziplinarrechtlichen Rechtsprechung gebildeten Fallgruppen für bestimmte Regeleinstufungen zu berücksichtigen. Auf dieser Grundlage kommt es dann für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zur Vertrauensbeeinträchtigung, zum Persönlichkeitsbild und zum bisherigen dienstlichen Verhalten im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere Disziplinarmaßnahme als diejenige, die durch die Schwere des Dienstvergehens indiziert ist, notwendig ist (BVerwG, U. v. 29.5.2008 a. a. O. Rn. 20).

2. In Anwendung dieser Grundsätze gilt vorliegend das Folgende:

a) Ausgangspunkt der Maßnahmenzumessung ist das schwerste Dienstvergehen. Dabei ist nach den in der Rechtsprechung gebildeten Fallgruppen davon auszugehen (BayVGH, U. v. 13.12.2006 - 16a D 3379/05 - juris Rn. 21; ebenso VG Trier, U. v. 11.9.2012 - 3 K 629/12.TR - juris Rn. 74), dass die (vielfache) Weigerung des Beklagten, der dienstlichen Anordnung zur Aufnahme einer stationären Alkoholentwöhnungsbehandlung nachzukommen, und die damit verbundenen negativen Folgen für die Gesundheit des Beklagten und somit für dessen Pflicht, im Rahmen der vollen Hingabe für den Beruf alle zumutbaren Maßnahmen zu seiner Gesunderhaltung zu nutzen, beamtenrechtliche Kernpflichten betreffen. Aufgrund dieser Verstöße ist als Regelmaßnahme die Entfernung des Beamten aus dem Dienst und für den Beklagten als Ruhestandsbeamten die Aberkennung des Ruhegehalts nach Art. 13 Abs. 1 BayDG in den Blick zu nehmen.

b) Dabei ist vorliegend zulasten des Beklagten insbesondere zu berücksichtigen, dass dieser über einen längeren Zeitraum mehrfach zum Therapiebeginn aufgefordert und ihm die disziplinarrechtlichen Konsequenzen eindeutig aufgezeigt wurden. Die schuldhafte Weigerung, die Dienstfähigkeit durch die Aufnahme angeordneter zumutbarer Maßnahmen zu erhalten bzw. wiederherzustellen, stellt eine Pflichtverletzung mit erheblichem disziplinarischem Gewicht dar. Der Beklagte hat durch dieses Verhalten beamtenrechtliche Kernpflichten verletzt (BayVGH, U. v. 13.12.2006 a. a. O. Rn. 22 f.). Führt diese Verletzung der beamtenrechtlichen Kernpflichten zu erheblichen dienstlichen Auswirkungen, ist regelmäßig von einer Zerstörung des Vertrauensverhältnisses zwischen dem Dienstherrn und dem Beamten auszugehen (vgl. VG Münster, U. v. 19.2.2013 - 13 K 684/11.O - juris Rn. 40).

c) Eine endgültiger Vertrauensverlust ist vorliegend allerdings nicht eingetreten.

aa) Während die die Schwere des Dienstvergehens maßgeblichen belastenden Tatsachen durch den Kläger nachvollziehbar dargelegt und auf dieser Grundlage zur Überzeugung des Gerichts feststehen müssen, sind demgegenüber die den Beamten entlastenden „Umstände nach dem Grundsatz ‚in dubio pro reo‘ schon dann beachtlich, wenn hinreichende tatsächliche Anhaltspunkte für ihr Vorliegen gegeben sind und eine weitere Sachverhaltsaufklärung nicht möglich ist“ (BVerwG, U. v. 29.5.2008 - 2 C 59/07 - juris Rn. 17). Damit sind bei der prognostischen Einschätzung des zukünftigen dienstlichen Verhaltens des Beamten und dem Ausmaß der dadurch bewirkten Beeinträchtigung des Vertrauens des Dienstherrn zugunsten des Disziplinarbeklagten bereits solche Umstände zu berücksichtigen, die eine weitere dienstliche Tätigkeit des Betroffenen möglich erscheinen lassen. Nur wenn dies ausgeschlossen ist, ist nach dem anzuwendenden objektiven Maßstab das Vorliegen eines endgültigen Vertrauensverlustes zu bejahen und das Beamtenverhältnis durch die Entfernung aus dem Dienst zu beenden (vgl. BVerwG, U. v. 29.5.2008 a. a. O. Rn. 18). Für den im Ruhestand befindlichen Beamten ist in Anwendung dieses Maßstabs dann die Aberkennung des Ruhegehalts nach Art. 13 Abs. 1 BayDG zu verhängen.

bb) Zugunsten des Beklagten ist vorliegend in die Maßnahmenzumessung zum einen einzustellen, dass auch bei einer Aufnahme der angeordneten Alkoholentwöhnungsbehandlung nicht ausgeschlossen werden kann, dass aufgrund der beim Beklagten diagnostizierten weiteren sonstigen Erkrankungen die Wiederherstellung der (vollen) Dienstfähigkeit nicht sichergestellt war.

In allen vorliegenden ärztlichen Attesten wird von einer Vielzahl diagnostizierter Erkrankungen des Beklagten ausgegangen. Auch der behandelnde Polizeiarzt hält zwar den Alkoholmissbrauch des Beklagten für die wesentliche Ursache der Erkrankungen des Beklagten und damit für dessen Dienstunfähigkeit. Er stellt aber die sonstigen diagnostizierten Krankheiten nicht in Abrede („gesundheitliches Hauptproblem“; Gesundheitszeugnis vom ... 9.2011, Bl. 49 der Disziplinarakte).

Damit ist aber nicht erkennbar, dass durch die Aufnahme der angeordneten stationären Alkoholentwöhnungsbehandlung eine Wiederherstellung der (vollen) Dienstfähigkeit des Beklagten gewährleistet gewesen wäre. Zwar sprechen vorliegend sowohl die polizeiärztliche Einschätzung als auch die ärztliche Beurteilung im Arztbrief der Fachklinik ... vom ... Mai 2010 dafür, dass durch eine konsequente Entgiftungsbehandlung eine Heilung der Erkrankungen des Beklagten überhaupt erst ermöglicht wird. Zur Frage der Auswirkungen der vielfachen weiteren Erkrankungen des Beklagten auf dessen Dienstfähigkeit ist damit jedoch eine abschließende Beurteilung nicht erfolgt.

Da jedoch nur bei erheblichen dienstlichen Auswirkungen der Weigerung, der angeordneten stationären Therapie nachzukommen, die Höchstmaßnahme gerechtfertigt ist (VG Münster, U. v. 19.2.2013 - 13 K 684/11.O - juris Rn. 40), sind vorliegend zugunsten des Beklagten die verbleibenden Zweifel an der Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit durch eine Aufnahme der Alkoholentwöhnungsbehandlung in die Maßnahmenzumessung einzustellen (vgl. bei einer fehlenden Feststellung der Eignung angeordneter Therapien zur Wiederherstellung der (vollen) Dienstfähigkeit: BVerwG, U. v. 23.2.2005 - 1 D 1/04 - NVwZ-RR 2006, 47/51 f. = juris Rn. 111). Zugunsten des Beklagten ist dies zu berücksichtigen, da nur in diesem Fall alleine durch die Weigerung zur Aufnahme der Therapie ein umfassender Vertrauensverlust bejaht werden kann.

cc) Zugunsten des Beklagten ist für die Maßnahmenzumessung im Wesentlichen weiter zu berücksichtigen, dass im Rahmen der Anordnung zur Aufnahme einer Alkoholentwöhnungsbehandlung durch den Dienstherrn eine endgültige Klärung der Kostentragung für diese Therapie nicht erfolgt ist.

Nach dem im gerichtlichen Verfahren vorgelegten Schreiben der Krankenversicherung des Beklagten ist zu seinen Gunsten davon auszugehen, dass die Krankenversicherung die Kosten einer stationären Therapie nicht übernommen hätte.

Die von der Krankenversicherung als notwendig angesehenen „Angaben des behandelnden einweisenden Facharztes“ (Schreiben der Krankenversicherung vom ...9.2014, S. 2; Bl. 50 der Gerichtsakte), um eine Kostenübernahme prüfen zu können, lagen zu keinem Zeitpunkt vor. Im Gegenteil gingen die den Beklagten behandelnden (Privat-) Ärzte gerade davon aus, dass eine stationäre Alkoholentwöhnungsbehandlung nicht erfolgsversprechend ist. Damit ist aufgrund dieser ausreichenden tatsächlichen Anhaltspunkte nicht erkennbar, dass die Krankenversicherung die Kosten der vom Dienstvorgesetzen angeordneten stationären Alkoholentwöhnungsbehandlung übernommen hätte.

Gleichzeitig lag auch keine schriftliche Zusage des Dienstherrn vor, die Kosten im Falle der fehlenden Kostentragung durch die private Krankenversicherung zu übernehmen. Diese Kostenübernahme ist zwar möglicherweise dem Beklagten gegenüber mündlich erklärt worden (Schreiben vom ...2.2012, Bl. 62 der Disziplinarakte). Wegen der fehlenden Verbindlichkeit derartiger mündliche Äußerungen (vgl. Art. 38 Abs. 1 BayVwVfG) konnte der Beklagten jedoch auf eine Kostenübernahme durch den Dienstherrn nicht vertrauen.

Die Aufnahme der angeordneten Alkoholentwöhnungsbehandlung war damit für den Beklagten mit einem erheblichen Kostenrisiko verbunden. Dies entlastet den Beklagten, da prognostisch nicht auszuschließen ist, dass er bei einer endgültigen Klärung der Kostentragung die angeordnete Therapie aufgenommen hätte.

dd) Diese den Beklagten entlastenden Umstände führen unter Abwägung mit dem vom Beklagten begangenen Dienstvergehen dazu, dass nach dem anzuwendenden objektiven Maßstab noch kein endgültiger Vertrauensverlust, der eine Entfernung aus dem Dienst bzw. vorliegend die Aberkennung des Ruhegehalts rechtfertigen kann, festzustellen ist. Beim Vorliegen einer Kostenübernahme ist prognostisch die Aufnahme der angeordneten Alkoholentwöhnungsbehandlung nicht auszuschließen, so dass weitere Verstöße des Beklagten gegen dienstliche Pflichten verhindert werden können.

Dabei ist aus dem im Verfahren erstellten Persönlichkeitsbild, das gemäß Art. 14 Abs. 1 Satz 2 BayDG in die Maßnahmenzumessung einzustellen ist, keine andere Bewertung geboten. Zwar geht das Gericht im Hinblick auf das bisher gezeigte Verhalten des Beklagten (vgl. zu diesem Kriterium im Rahmen des Persönlichkeitsbildes: BVerwG, U. v. 29.5.2008 - 2 C 59/07 - juris Rn. 14) davon aus, dass er der angeordneten Aufnahme der Alkoholentwöhnungsbehandlung auch bei der Klärung der Kostentragung nicht ohne weiteres Beharren auf seiner Position nachgekommen wäre. Allerdings ergeben sich aus dem Persönlichkeitsbild für das Gericht auch keine Anhaltspunkte dafür, dass sich der Beklagte nach einer Klärung der offenen Fragen auf Dauer den Weisungen des Dienstherrn widersetzt und so eine Verbesserung seines Gesundheitszustandes verhindert hätte.

Unter Berücksichtigung aller be- und entlastenden Umstände ist für das Gericht damit eine endgültige Zerstörung des Vertrauensverhältnisses objektiv nicht gegeben. Damit ist im Ergebnis eine Entfernung aus dem Dienst nicht gerechtfertigt, so dass für die Maßnahmenzumessung bei den festgestellten Dienstvergehen nur eine Kürzung des Ruhegehalts auszusprechen ist.

Für die Bemessung des Umfangs der Ruhegehaltskürzung sind keine Umstände erkennbar, die vorliegend ein Abweichen vom Regelkürzungssatz (vgl. BVerwG, U. v. 21.3.2001 - 1 D 29/00 - BVerwGE 114, 88/90 f.) begründen würden, so dass das Gericht eine Kürzung in Höhe von 10% für notwendig und angemessen ansieht.

Diese Kürzung ist im Hinblick auf die verletzten Dienstpflichten unter voller Ausschöpfung der gesetzlichen Höchstgrenze in Art. 12 Satz 1 BayDG für die Dauer von fünf Jahren auszusprechen.

V.

Die Kostenentscheidung folgt aus Art. 72 Abs. 1 Satz 1 BayDG.

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(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgr

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Strafprozeßordnung - StPO | § 153a Absehen von der Verfolgung unter Auflagen und Weisungen


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Beamtenstatusgesetz - BeamtStG | § 47 Nichterfüllung von Pflichten


(1) Beamtinnen und Beamte begehen ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße g

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Beamtenstatusgesetz - BeamtStG | § 3 Beamtenverhältnis


(1) Beamtinnen und Beamte stehen zu ihrem Dienstherrn in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis (Beamtenverhältnis). (2) Die Berufung in das Beamtenverhältnis ist nur zulässig zur Wahrnehmung 1. hoheitsrechtlicher Aufgaben oder2

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Bundesverwaltungsgericht Beschluss, 28. Dez. 2012 - 2 B 105/11

bei uns veröffentlicht am 28.12.2012

Gründe 1 Die auf die Zulassungsgründe der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und des Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Nichtzulassungsbeschwerde hat

Verwaltungsgericht Trier Urteil, 11. Sept. 2012 - 3 K 629/12.TR

bei uns veröffentlicht am 11.09.2012

Tenor Der Beklagte wird aus dem Dienst entfernt. Die Kosten des Verfahrens einschließlich derjenigen des behördlichen Disziplinarverfahrens hat der Beklagte zu tragen. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem

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(1) Beamtinnen auf Lebenszeit und Beamte auf Lebenszeit sind in den Ruhestand zu versetzen, wenn sie wegen ihres körperlichen Zustands oder aus gesundheitlichen Gründen zur Erfüllung ihrer Dienstpflichten dauernd unfähig (dienstunfähig) sind. Als dienstunfähig kann auch angesehen werden, wer infolge Erkrankung innerhalb eines Zeitraums von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat und keine Aussicht besteht, dass innerhalb einer Frist, deren Bestimmung dem Landesrecht vorbehalten bleibt, die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist. In den Ruhestand wird nicht versetzt, wer anderweitig verwendbar ist. Für Gruppen von Beamtinnen und Beamten können besondere Voraussetzungen für die Dienstunfähigkeit durch Landesrecht geregelt werden.

(2) Eine anderweitige Verwendung ist möglich, wenn der Beamtin oder dem Beamten ein anderes Amt derselben oder einer anderen Laufbahn übertragen werden kann. In den Fällen des Satzes 1 ist die Übertragung eines anderen Amtes ohne Zustimmung zulässig, wenn das neue Amt zum Bereich desselben Dienstherrn gehört, es mit mindestens demselben Grundgehalt verbunden ist wie das bisherige Amt und wenn zu erwarten ist, dass die gesundheitlichen Anforderungen des neuen Amtes erfüllt werden. Beamtinnen und Beamte, die nicht die Befähigung für die andere Laufbahn besitzen, haben an Qualifizierungsmaßnahmen für den Erwerb der neuen Befähigung teilzunehmen.

(3) Zur Vermeidung der Versetzung in den Ruhestand kann der Beamtin oder dem Beamten unter Beibehaltung des übertragenen Amtes ohne Zustimmung auch eine geringerwertige Tätigkeit im Bereich desselben Dienstherrn übertragen werden, wenn eine anderweitige Verwendung nicht möglich ist und die Wahrnehmung der neuen Aufgabe unter Berücksichtigung der bisherigen Tätigkeit zumutbar ist.

(1) Beamtinnen und Beamte haben ihre Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen. Sie sind verpflichtet, deren dienstliche Anordnungen auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen. Dies gilt nicht, soweit die Beamtinnen und Beamten nach besonderen gesetzlichen Vorschriften an Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen sind.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei organisatorischen Veränderungen dem Dienstherrn Folge zu leisten.

(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Die Einzelheiten nach den Sätzen 2 bis 4 können durch Landesrecht bestimmt werden. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.

(1) Beamtinnen und Beamte stehen zu ihrem Dienstherrn in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis (Beamtenverhältnis).

(2) Die Berufung in das Beamtenverhältnis ist nur zulässig zur Wahrnehmung

1.
hoheitsrechtlicher Aufgaben oder
2.
solcher Aufgaben, die aus Gründen der Sicherung des Staates oder des öffentlichen Lebens nicht ausschließlich Personen übertragen werden dürfen, die in einem privatrechtlichen Arbeitsverhältnis stehen.

(1) Mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts und des Beschuldigten kann die Staatsanwaltschaft bei einem Vergehen vorläufig von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen und zugleich dem Beschuldigten Auflagen und Weisungen erteilen, wenn diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht. Als Auflagen oder Weisungen kommen insbesondere in Betracht,

1.
zur Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens eine bestimmte Leistung zu erbringen,
2.
einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu zahlen,
3.
sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen,
4.
Unterhaltspflichten in einer bestimmten Höhe nachzukommen,
5.
sich ernsthaft zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich) und dabei seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wieder gut zu machen oder deren Wiedergutmachung zu erstreben,
6.
an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen oder
7.
an einem Aufbauseminar nach § 2b Abs. 2 Satz 2 oder an einem Fahreignungsseminar nach § 4a des Straßenverkehrsgesetzes teilzunehmen.
Zur Erfüllung der Auflagen und Weisungen setzt die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten eine Frist, die in den Fällen des Satzes 2 Nummer 1 bis 3, 5 und 7 höchstens sechs Monate, in den Fällen des Satzes 2 Nummer 4 und 6 höchstens ein Jahr beträgt. Die Staatsanwaltschaft kann Auflagen und Weisungen nachträglich aufheben und die Frist einmal für die Dauer von drei Monaten verlängern; mit Zustimmung des Beschuldigten kann sie auch Auflagen und Weisungen nachträglich auferlegen und ändern. Erfüllt der Beschuldigte die Auflagen und Weisungen, so kann die Tat nicht mehr als Vergehen verfolgt werden. Erfüllt der Beschuldigte die Auflagen und Weisungen nicht, so werden Leistungen, die er zu ihrer Erfüllung erbracht hat, nicht erstattet. § 153 Abs. 1 Satz 2 gilt in den Fällen des Satzes 2 Nummer 1 bis 6 entsprechend. § 246a Absatz 2 gilt entsprechend.

(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren vorläufig einstellen und zugleich dem Angeschuldigten die in Absatz 1 Satz 1 und 2 bezeichneten Auflagen und Weisungen erteilen. Absatz 1 Satz 3 bis 6 und 8 gilt entsprechend. Die Entscheidung nach Satz 1 ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar. Satz 4 gilt auch für eine Feststellung, daß gemäß Satz 1 erteilte Auflagen und Weisungen erfüllt worden sind.

(3) Während des Laufes der für die Erfüllung der Auflagen und Weisungen gesetzten Frist ruht die Verjährung.

(4) § 155b findet im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 6, auch in Verbindung mit Absatz 2, entsprechende Anwendung mit der Maßgabe, dass personenbezogene Daten aus dem Strafverfahren, die nicht den Beschuldigten betreffen, an die mit der Durchführung des sozialen Trainingskurses befasste Stelle nur übermittelt werden dürfen, soweit die betroffenen Personen in die Übermittlung eingewilligt haben. Satz 1 gilt entsprechend, wenn nach sonstigen strafrechtlichen Vorschriften die Weisung erteilt wird, an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen.

(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.

(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.

(1) Das Urteil ergeht "Im Namen des Volkes". Es ist schriftlich abzufassen und von den Richtern, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben, zu unterzeichnen. Ist ein Richter verhindert, seine Unterschrift beizufügen, so wird dies mit dem Hinderungsgrund vom Vorsitzenden oder, wenn er verhindert ist, vom dienstältesten beisitzenden Richter unter dem Urteil vermerkt. Der Unterschrift der ehrenamtlichen Richter bedarf es nicht.

(2) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Beruf, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
die Urteilsformel,
4.
den Tatbestand,
5.
die Entscheidungsgründe,
6.
die Rechtsmittelbelehrung.

(3) Im Tatbestand ist der Sach- und Streitstand unter Hervorhebung der gestellten Anträge seinem wesentlichen Inhalt nach gedrängt darzustellen. Wegen der Einzelheiten soll auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen verwiesen werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand ausreichend ergibt.

(4) Ein Urteil, das bei der Verkündung noch nicht vollständig abgefaßt war, ist vor Ablauf von zwei Wochen, vom Tag der Verkündung an gerechnet, vollständig abgefaßt der Geschäftsstelle zu übermitteln. Kann dies ausnahmsweise nicht geschehen, so ist innerhalb dieser zwei Wochen das von den Richtern unterschriebene Urteil ohne Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung der Geschäftsstelle zu übermitteln; Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung sind alsbald nachträglich niederzulegen, von den Richtern besonders zu unterschreiben und der Geschäftsstelle zu übermitteln.

(5) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsakts oder des Widerspruchsbescheids folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(6) Der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle hat auf dem Urteil den Tag der Zustellung und im Falle des § 116 Abs. 1 Satz 1 den Tag der Verkündung zu vermerken und diesen Vermerk zu unterschreiben. Werden die Akten elektronisch geführt, hat der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle den Vermerk in einem gesonderten Dokument festzuhalten. Das Dokument ist mit dem Urteil untrennbar zu verbinden.

Gründe

1

Die auf die Zulassungsgründe der Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) und des Verfahrensfehlers (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) gestützte Nichtzulassungsbeschwerde hat keinen Erfolg.

2

1. Die 1953 geborene Klägerin steht als Lehrerin im Dienst des beklagten Landes. Sie war im Jahr 2005 wegen häufiger krankheitsbedingter Fehlzeiten verpflichtet worden, künftig zum Nachweis einer Dienstunfähigkeit jeweils ein amtsärztliches Attest ab dem ersten Werktag eines weiteren Fernbleibens vom Dienst unverzüglich dem Staatlichen Schulamt vorzulegen.

3

Eine amtsärztliche Untersuchung (Dr. W.) am 27. November 2006 bejahte unter Berücksichtigung einer am selben Tag durchgeführten Zusatzbegutachtung auf psychiatrischem Gebiet die Dienstfähigkeit der Klägerin. Am selben Tag wurde die Klägerin von ihrer Frauenärztin mit privatärztlichem Attest für die Zeit vom 27. November bis einschließlich 8. Dezember 2006 dienstunfähig krankgeschrieben. Wiederum am selben Tag bescheinigte ihr der Hausarzt Bettlägerigkeit bis einschließlich 29. November 2006. Am 30. November suchte die Klägerin einen Immunologen auf, der bei ihr Fieber, einen grippalen Infekt, Husten, Halsschmerzen und eine Schilddrüsenfunktionsstörung feststellte. Ein weiterer Amtsarzt (Dr. S.) stellte ebenfalls am 30. November 2006 keinen wesentlichen Befund von Krankheitswert fest und bejahte die Dienstfähigkeit der Klägerin; der Befund des Immunologen hatte ihm nicht vorgelegen, er wusste aber, dass die Klägerin von diesem untersucht worden war. Ferner kannte er die Diagnose der Frauenärztin und das Attest des Hausarztes.

4

Die Klägerin erschien vom 27. November bis zum 8. Dezember 2006 nicht zum Dienst, woraufhin der Beklagte den Verlust der Dienstbezüge wegen unentschuldigten Fernbleibens vom Dienst für den Zeitraum vom 28. November bis zum 8. Dezember 2006 feststellte. Die dagegen erhobene Klage hatte in der Berufungsinstanz für den Zeitraum 28. bis zum 30. November 2006 Erfolg. Die Abweisung im Übrigen begründete der Verwaltungsgerichtshof damit, dass aufgrund des amtsärztlichen Gutachtens vom 30. November 2006 von der Dienstfähigkeit der Klägerin im fraglichen Zeitraum auszugehen sei. Der Amtsarzt habe zwar von der Untersuchung der Klägerin durch den Immunologen vom selben Tag gewusst; es habe aber keine konkreten Werte oder Feststellungen dieses Arztes gegeben, mit denen er sich gegebenenfalls hätte auseinandersetzen müssen. Daher komme der amtsärztlichen Begutachtung der Vorrang gegenüber der privatärztlichen Begutachtung zu. Daneben wirke zu Lasten der Klägerin, dass sie ihren Mitwirkungspflichten nicht nachgekommen sei; wäre nach dem Amtsarzttermin vom 30. November 2006 bei der Klägerin eine die Dienstunfähigkeit begründende Verschlechterung eingetreten, hätte sie sich am 1. Dezember erneut zum Zweck entsprechender Feststellungen vorstellen müssen. Der von der Klägerin unterlassenen Mitwirkung an der amtsärztlichen Feststellung ihres gesundheitlichen Zustands komme Indizwirkung für eine nicht vorhandene Dienstunfähigkeit im Rahmen der Beweiswürdigung zu.

5

2. Eine Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) liegt nicht vor.

6

Die Klägerin macht geltend, das Berufungsgericht habe in Abweichung von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (Beschluss vom 15. Februar 2010 - BVerwG 2 B 126.09 - Buchholz 232.0 § 96 BBG 2009 Nr. 1 S. 2.) nicht berücksichtigt, dass amtsärztlichen Feststellungen nur dann der Vorrang gegenüber privatärztlichen Feststellungen gebühre, wenn diese Feststellungen von einem unabhängigen und auch den zu begutachtenden Beamten neutral gegenüber stehenden Amtsarzt stammten. Sofern man zugunsten der Klägerin annimmt, dass damit nicht lediglich eine unrichtige Rechtsanwendung im Einzelfall gerügt wird, sondern dem Darlegungserfordernis des § 133 Abs. 3 VwGO genügt ist, greift die Divergenzrüge in der Sache nicht durch.

7

Eine Divergenz im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO setzt voraus, dass die Entscheidung des Berufungsgerichts auf einem abstrakten Rechtssatz beruht, der in Widerspruch zu einem Rechtssatz steht, den das Bundesverwaltungsgericht in Anwendung derselben Rechtsvorschrift aufgestellt hat. Zwischen den beiden Gerichten muss ein prinzipieller Auffassungsunterschied über den Bedeutungsgehalt einer bestimmten Rechtsvorschrift oder eines bestimmten Rechtsgrundsatzes bestehen. Eine Divergenz liegt nicht vor, wenn das Berufungsgericht den Rechtssatz des Bundesverwaltungsgerichts, ohne ihm inhaltlich zu widersprechen, in dem zu entscheidenden Fall rechtsfehlerhaft angewandt oder daraus nicht die Folgerungen gezogen hat, die für die Sachverhalts- und Beweiswürdigung geboten sind (stRspr; vgl. nur Beschlüsse vom 19. August 1997 - BVerwG 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26 S. 14 und vom 25. Mai 2012 - BVerwG 2 B 133.11 - NVwZ-RR 2012, 607 Rn. 5). So liegt der Fall hier.

8

In dem auch von der Klägerin in Bezug genommenen Beschluss vom 15. Februar 2010 (BVerwG 2 B 126.09 - Buchholz 232.0 § 96 BBG 2009 Nr. 1) hat das Bundesverwaltungsgericht entschieden, dass der medizinischen Beurteilung des Amtsarztes wegen des Grundsatzes der freien Beweiswürdigung gemäß § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO kein unbedingter, sondern nur ein eingeschränkter Vorrang vor der Beurteilung des behandelnden Privatarztes zukommt, wenn beide Beurteilungen zum selben Krankheitsbild des Beamten voneinander abweichen. Die Tatsachengerichte können sich im Konfliktfall nur dann auf die Beurteilung des Amtsarztes stützen, wenn keine Zweifel an der Sachkunde des Amtsarztes bzw. eines von ihm hinzugezogenen Facharztes bestehen, seine Beurteilung auf zutreffenden Tatsachengrundlagen beruht und in sich stimmig und nachvollziehbar ist. Hat der Privatarzt seinen medizinischen Befund näher erläutert, so muss der Amtsarzt auf diese Erwägungen eingehen und nachvollziehbar darlegen, warum er ihnen nicht folgt. Dieser eingeschränkte Vorrang im Konfliktfall findet seine Rechtfertigung in der Neutralität und Unabhängigkeit des Amtsarztes. Im Gegensatz zu einem Privatarzt, der womöglich bestrebt ist, das Vertrauen des Patienten zu ihm zu erhalten, nimmt der Amtsarzt seine Beurteilung von seiner Aufgabenstellung her unbefangen und unabhängig vor. Er steht Beamten und Dienststelle gleichermaßen fern.

9

Der Verwaltungsgerichtshof hat auf diese maßgeblich auch mit der Unparteilichkeit des Amtsarztes begründete Rechtsprechung verwiesen. Er hat sodann darauf abgestellt, dass dem Amtsarzt am 30. November 2006 keine konkreten Werte oder Feststellungen des Immunologen vorgelegen hätten, mit denen er sich gegebenenfalls hätte auseinandersetzen müssen. Der Verwaltungsgerichtshof, der der Klage im Übrigen teilweise stattgegeben hat, ist daher nicht von einem absoluten Vorrang amtsärztlicher Feststellungen ausgegangen.

10

3. Die Revision ist auch nicht wegen eines von der Klägerin geltend gemachten Verfahrensmangels im Sinne von § 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen.

11

Der behauptete Verstoß gegen den Anspruch auf rechtliches Gehör (Art. 103 Abs. 1 GG und § 108 Abs. 2 VwGO) liegt nicht vor.

12

Die Verfahrensgarantie des rechtlichen Gehörs gemäß Art. 103 Abs. 1 GG, § 108 Abs. 2 VwGO verpflichtet das Gericht, das Vorbringen jedes Verfahrensbeteiligten bei seiner Entscheidung in Erwägung zu ziehen. Der Gehörsanspruch verlangt jedoch nicht, dass das Gericht das gesamte Vorbringen der Beteiligten in den Urteilsgründen wiederzugeben und zu jedem einzelnen Gesichtspunkt Stellung zu nehmen hat. Vielmehr sind in dem Urteil nur diejenigen Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind. Das Gericht kann sich auf die Darstellung und Würdigung derjenigen tatsächlichen und rechtlichen Gesichtspunkte beschränken, auf die es nach seinem Rechtsstandpunkt entscheidungserheblich ankommt (vgl. § 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO). Daher kann aus dem Umstand, dass das Gericht einen Aspekt des Vorbringens eines Beteiligten in den Urteilsgründen nicht abgehandelt hat, nur dann geschlossen werden, es habe diesen Aspekt nicht in Erwägung gezogen, wenn er nach dem Rechtsstandpunkt des Gerichts eine Frage von zentraler Bedeutung betrifft (BVerfG, Beschluss vom 19. Mai 1992 - 1 BvR 986/91 - BVerfGE 86, 133 <145 f.>; BVerwG, Urteil vom 5. Juli 1994 - BVerwG 9 C 158.94 - BVerwGE 96, 200 <209 f.> = Buchholz 402.25 § 1 AsylVfG Nr. 174 S. 27 f., Beschluss vom 21. Juni 2007 - BVerwG 2 B 28.07 - Buchholz 235.1 § 58 BDG Nr. 3 Rn. 6; stRspr).

13

Danach begründet die Rüge, das Berufungsgericht habe sich mit dem Vorbringen zur Voreingenommenheit des Amtsarztes nicht auseinandergesetzt, keine Verletzung des Anspruchs auf rechtliches Gehör. In der mündlichen Verhandlung ist neben dem als Zeugen geladenen Immunologen auch der Amtsarzt befragt worden, der die Klägerin am 30. November 2006 untersucht hatte. Weder aus der Niederschrift noch aus der Beschwerdebegründung ergibt sich, dass die Klägerin in diesem Zusammenhang dessen Voreingenommenheit erneut geltend gemacht hätte. Hätte die Klägerin insoweit an ihren in der Berufungsbegründung geäußerten Vorwürfen festgehalten, wäre zu erwarten gewesen, dass sie diese in der mündlichen Verhandlung erneut vorgebracht und Einwände dagegen erhoben hätte, dass ein von ihr als voreingenommen angesehener Amtsarzt - wohl als amtliche Auskunftsperson - medizinische Befunde und Zusammenhänge erläutert, ohne dass der Verwaltungsgerichtshof dabei auch der Frage der Voreingenommenheit nachgeht. Da in der Berufungsschrift die Unparteilichkeit und Objektivität des Amtsarztes mit der Behauptung massiver Spannungen zwischen ihm und der Klägerin sowie der Behauptung der Voreingenommenheit gegenüber bestimmten Ärzten, u.a. dem von der Klägerin am 30. November 2006 aufgesuchten Immunologen begründet wird, hätte es von Seiten der Klägerin nahe gelegen, dem durch entsprechenden Vorhalt gegenüber dem in der mündlichen Verhandlung anwesenden Amtsarzt nachzugehen oder zumindest eine entsprechende Befragung durch das Gericht anzuregen. Im Hinblick auf das Unterbleiben solcher Aktivitäten durfte der Verwaltungsgerichtshof den schriftsätzlichen Vortrag der Klägerin als überholt ansehen; eine Stellungnahme dazu in den Entscheidungsgründen war entbehrlich.

14

Die Verfahrensrüge stellt kein Mittel dar, um Versäumnisses eines Beteiligten in der Tatsacheninstanz zu kompensieren (stRspr; vgl. Urteil vom 23. Mai 1986 - BVerwG 8 C 10.84 - BVerwGE 74, 222 <223> = Buchholz 448.0 § 17 WPflG Nr. 7).

(1) Beamtinnen und Beamte haben ihre Vorgesetzten zu beraten und zu unterstützen. Sie sind verpflichtet, deren dienstliche Anordnungen auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen. Dies gilt nicht, soweit die Beamtinnen und Beamten nach besonderen gesetzlichen Vorschriften an Weisungen nicht gebunden und nur dem Gesetz unterworfen sind.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei organisatorischen Veränderungen dem Dienstherrn Folge zu leisten.

(1) Beamtinnen und Beamte haben sich mit vollem persönlichem Einsatz ihrem Beruf zu widmen. Sie haben die übertragenen Aufgaben uneigennützig nach bestem Gewissen wahrzunehmen. Ihr Verhalten innerhalb und außerhalb des Dienstes muss der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden, die ihr Beruf erfordern.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug auch hinsichtlich ihres Erscheinungsbilds Rücksicht auf das ihrem Amt entgegengebrachte Vertrauen zu nehmen. Insbesondere das Tragen von bestimmten Kleidungsstücken, Schmuck, Symbolen und Tätowierungen im sichtbaren Bereich sowie die Art der Haar- und Barttracht können eingeschränkt oder untersagt werden, soweit die Funktionsfähigkeit der Verwaltung oder die Pflicht zum achtungs- und vertrauenswürdigen Verhalten dies erfordert. Das ist insbesondere dann der Fall, wenn Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 durch ihre über das übliche Maß hinausgehende besonders individualisierende Art geeignet sind, die amtliche Funktion der Beamtin oder des Beamten in den Hintergrund zu drängen. Religiös oder weltanschaulich konnotierte Merkmale des Erscheinungsbilds nach Satz 2 können nur dann eingeschränkt oder untersagt werden, wenn sie objektiv geeignet sind, das Vertrauen in die neutrale Amtsführung der Beamtin oder des Beamten zu beeinträchtigen. Die Einzelheiten nach den Sätzen 2 bis 4 können durch Landesrecht bestimmt werden. Die Verhüllung des Gesichts bei der Ausübung des Dienstes oder bei einer Tätigkeit mit unmittelbarem Dienstbezug ist stets unzulässig, es sei denn, dienstliche oder gesundheitliche Gründe erfordern dies.

Tenor

Der Beklagte wird aus dem Dienst entfernt.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich derjenigen des behördlichen Disziplinarverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Vollstreckungsschuldner bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Zahlung einer Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckungsfähigen Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor der Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Unterhaltsbeitrag wird über die gesetzlich festgelegte Dauer hinaus für weitere sechs Monate bewilligt.

Tatbestand

1

Der Kläger betreibt die Entfernung des Beklagten aus dem Dienst.

2

Der am ... 1968 in ... geborene Beklagte steht als Kreisoberinspektor im Dienst des klagenden Landkreises. Nach dem Besuch von Grund-, Haupt- und Realschule in ... erwarb der Beamte im Jahr 1984 den Sekundarabschluss I. Dem schloss sich ein Berufsgrundschuljahr Wirtschaft/Verwaltung in ... und eine Ausbildung zum Großhandelskaufmann an. Von 1987 bis 1988 besuchte er die Fachoberschule Wirtschaft in ... und erwarb die Fachhochschulreife. Ein betriebswirtschaftliches Studium an der FH ... brach der Beklagte nach zwei Semestern ab. In der Zeit vom 2. Oktober 1989 bis zum 30. September 1990 absolvierte er seinen Grundwehrdienst. Am 1. Juli 1991 trat er in den Vorbereitungsdienst für die Laufbahn des gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienstes beim Landkreis ... ein, den er 1994 mit der Note „befriedigend“ (9 Punkte) abschloss. Anschließend war der Beklagte als Sachbearbeiter im Bereich Kreisvolkshochschule, Referat Sozialhilfe und Referat Soziale Sonderaufgaben, tätig. Mit Wirkung vom 18. Februar 2010 bis 28. Februar 2011 wurde er dem Kreiswasserwerk ... zur Dienstleistung zugewiesen. Dort war er mit der Veranlagung von bebaubaren Grundstücken beschäftigt. Zum 18. April 2011 wurde er dem Fachbereich Jugend und Familie – Referat Allgemeine Dienste – zugewiesen.

3

Zum 1. Juli 1994 wurde er als Angestellter in der Vergütungsgruppe V b BAT eingestellt und am 1. Juli 1995 zum Kreisinspektor z. A. ernannt. Mit Wirkung vom 1. Juli 1997 wurde der Beamte zum Kreisinspektor ernannt und am 1. Juli 1999 zum Kreisoberinspektor (Besoldungsgruppe A 10) befördert.

4

Ausweislich seiner letzten dienstlichen Beurteilung vom 12. Dezember 1996 wurden seine Leistungen mit 5 Punkten (entspricht den Leistungserwartungen) bewertet.

5

Der Beklagte ist ledig und kinderlos.

6

Disziplinarrechtlich ist er dergestalt vorbelastet als mit bestandskräftiger Disziplinarverfügung vom 25. November 2010 seine Dienstbezüge in Höhe von monatlich 5 v. H. auf die Dauer von 9 Monaten gekürzt wurden. Gegenstand dieser Verfügung waren der Vorwurf der Nichterfüllung dienstlicher Anordnungen zwecks Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit nach einem positiv festgestellten chronischen Alkoholmissbrauch sowie der Vorwurf des fehlenden Ausgleichs seines Arbeitszeitkontos.

7

Dem jetzigen Disziplinarverfahren liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

8

Nach einer im Krankenhaus ... durchgeführten Entgiftung (22. Februar 2011 bis 24. Februar 2011) begab der Beklagte sich in der Zeit vom 28. Februar bis 7. April 2011 in stationäre Therapie (...). Am 18. April 2011 nahm der Beklagte seinen Dienst bei der Kreisverwaltung wieder auf. Bereits nach kurzer Zeit gab es Probleme in der quantitativen und qualitativen Aufgabenerfüllung, was Gegenstand eines Personalgesprächs am 15. Juli 2011 war. Nachdem der Beklagte zuvor bereits gegenüber dem Landrat G... eingeräumt hatte, weiterhin ein Alkoholproblem zu haben, erging sodann unter dem 18. August 2011 gegenüber dem Beklagten folgende Anweisung:

9

1. Aktiv an seiner Gesunderhaltung mitzuwirken.

10

2. Beratungsgespräche in der psychosozialen Beratungsstelle für Suchtkranke der Caritas weiterzuführen und entsprechende Nachweise vorzulegen.

11

3. Einen Therapieplan erstellen zu lassen und diesen bis zum 15. September 2011 vorzulegen.

12

4. Bei jeder Erkrankung spätestens bis 9 Uhr beim Gesundheitsamt (Frau Dr. E... oder Herrn Dr. F...) zur Feststellung der Dienstunfähigkeit persönlich vorzusprechen bzw. einen Termin zur Untersuchung zu vereinbaren.

13

5. Im Zeitraum vom 22. August 2011 bis zum 30. September 2011 wöchentlich Untersuchungen bzw. Laborkontrollen auf Alkohol durch das Gesundheitsamt vornehmen zu lassen.

14

6. Dienstlich zulässigen Anweisungen Folge zu leisten.

15

7. Sowohl die Dienstvereinbarung über die Regelung der Arbeitszeit als auch die Dienstordnung uneingeschränkt einzuhalten.

16

8. Die unzulässige Unterschreitung der Arbeitszeit (Zeiterfassungskontostand 12. August 2011: Unterschreitung von 30,02 Stunden) bis spätestens zum 30. September 2011 auszugleichen.

17

9. Urlaub möglichst frühzeitig zu beantragen und die Genehmigung der Fachbereichsleitung einzuholen. Kurzfristige Urlaubsbeantragungen ohne die erforderliche Genehmigung durch den Fachbereichsleiter würden zukünftig nicht mehr akzeptiert und führten zu einem unentschuldigten Fernbleiben vom Dienst.

18

Nachfolgend durchgeführte Drogenscreenings in Form von Urinscreenings am 24. August, 1. September, 3. September, 21. September und 29. September 2011 ergaben einen Alkoholkonsum des Beklagten. Der ETG-Suchttest auf Alkohol verlief jeweils positiv, das Ergebnis lag stets deutlich über dem Referenzbereich von 100 ng/ml.

19

Unter dem 14. Oktober 2011 wurden durch das Referat Personal in Bezug auf die Punkte 1, 2, 3, 7 und 8 der vorgenannten Weisung die Nichterfüllung sowie ein erwiesener Alkoholkonsum und unzureichende Leistungen vermerkt. Am 27. Oktober 2011 fand daraufhin ein persönliches Gespräch des Landrates ... mit dem Beklagten statt. Zu den vorgehaltenen Weisungsverstößen äußerte der Beklagte sich nicht. Ihm wurde eine „letzte“ Chance eingeräumt. Unter Aushändigung eines Schreibens gleichen Datums wurde ihm aufgegeben, zur Bekämpfung seiner Alkoholkrankheit bis zum 30. November 2011 eine stationäre Therapie aufzunehmen und einen entsprechenden Nachweis hierüber unaufgefordert vorzulegen. Des Weiteren wurde er darauf hingewiesen, dass bei erneuter Nichterfüllung der Anordnung abermals ein Disziplinarverfahren in die Wege geleitet werden würde und eine Klageerhebung beim Verwaltungsgericht mit dem Ziel seiner Entfernung aus dem Dienst nicht auszuschließen sei.

20

Ein Nachweis über Beratungsgespräche bei der Caritas wurde ebenso wenig vorgelegt wie ein Therapieplan. Auch erfolgte kein Nachweis über die Aufnahme einer stationären Therapie bis zum 30. November 2011.

21

Unter dem 16. Dezember 2011 wurde gegen den Beklagten erneut ein Disziplinarverfahren eingeleitet mit dem Vorwurf, dass er:

22

1. nicht aktiv an seiner Gesunderhaltung mitgewirkt,

23

2. weder Beratungsgespräche mit der psychologischen Beratungsstelle für Suchtkranke der Caritas geführt, noch entsprechende Nachweise und auch

24

3. keinen Therapieplan zur Bekämpfung seiner Alkoholkrankheit vorgelegt habe,

25

4. hinsichtlich seiner Dienstunfähigkeit in der Zeit vom 21. November 2011 bis 9. Dezember 2011 nicht beim Gesundheitsamt persönlich vorgesprochen bzw. einen Termin zur Untersuchung vereinbart und

26

5. die Dienstvereinbarung über die Regelung der Arbeitszeit nicht eingehalten und die Arbeitszeit unzulässig um 63,39 Stunden unterschritten habe (Stand: 6. Dezember 2011) sowie

27

6. bis zum Entscheidungstag keine stationäre Therapie zur Bekämpfung der Alkoholkrankheit aufgenommen habe.

28

Der Beamte wurde über seine Rechte belehrt und es wurde ihm Gelegenheit zur Äußerung gegeben.

29

Mit Schreiben vom 30. Januar 2012 wurde das Disziplinarverfahren unter Hinweis darauf, dass das Ergebnis einer zeitgleich angeordneten amtsärztlichen Untersuchung für die Entscheidung im Disziplinarverfahren von wesentlicher Bedeutung sei, bis zu deren Abschluss ausgesetzt.

30

Die amtsärztliche Untersuchung des Beklagten ergab ausweislich des Gutachtens des Gesundheitsamtes bei der Kreisverwaltung ... vom 22. Februar 2012 unter ausdrücklicher Einbeziehung einer gutachterlichen Untersuchung des Beklagten am 15. Februar 2012 durch Dr. med. H..., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, die Dienstunfähigkeit des Beamten. Es wurde ausgeführt, mit einer raschen Besserung der Suchterkrankung sei nicht zu rechnen, so dass zunächst von einer zweijährigen Dienstunfähigkeit ausgegangen werden müsse. In dieser Zeit habe der Beklagte die Möglichkeit, die vom Facharzt für Neurologie und Psychiatrie empfohlene Therapie (stationäre Langzeittherapie über sechs Monate, vertiefte psychotherapeutische Exploration mit gegebenenfalls Übergang in eine ambulante Psychotherapie) wahrzunehmen.

31

Unter dem 5. März 2012 wurde das Gesundheitsamt um eine ergänzende Stellungnahme zur Schuldfähigkeit bzw. verminderten Schuldfähigkeit gebeten. In seinem ergänzenden nervenärztlichen Gutachten vom 11. April 2012 kam Dr. med. H... zu dem Ergebnis, dass derzeit nicht von einer Schuldunfähigkeit des Beklagten ausgegangen werden könne. Eine verminderte Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB sei über den gesamten in Frage stehenden Zeitraum anzunehmen. Der Beklagte sei jedoch kognitiv nicht soweit abgebaut, dass er nicht in der Lage sei oder gewesen wäre, die Forderungen des Dienstherrn im Hinblick auf seine dienstlichen Pflichten zu erkennen. Er wäre durchaus auch in der Lage gewesen, diesem Verlangen zu entsprechen.

32

Unter dem 23. April 2012 wurde das Disziplinarverfahren unter Hinweis auf das Ergebnis der amtsärztlichen Begutachtung fortgesetzt.

33

Mit Schreiben vom 27. April 2012 wurde dem Beklagten das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen mitgeteilt. Ihm wurde Gelegenheit gegeben, sich abschließend zu äußern, weitere Ermittlungen sowie die Beteiligung des Personalrates zu beantragen. Der Beklagte äußerte sich nicht.

34

Unter dem 4. Juni 2012 wurde dem Beamten erneut mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, Disziplinarklage mit dem Ziel seiner Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu erheben. Gleichzeitig wurde er zur beabsichtigten vorläufigen Dienstenthebung und Einbehaltung der Dienstbezüge gehört.

35

Am 14. Juni 2012 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben, mit der er die Entfernung des Beklagten aus dem Dienst betreibt. Dem Beklagten wird vorgeworfen, er habe entgegen den Anweisungen vom 18. August 2011 und vom 27. Oktober 2011:

36

1. nicht aktiv an seiner Gesunderhaltung mitgewirkt,

37

2. keine Nachweise über die geforderten Beratungsgespräche bei der Caritas vorgelegt,

38

3. die Frist zur Vorlage eines Therapieplanes fruchtlos verstreichen lassen,

39

4. sein Zeitkonto nicht ausgeglichen (derzeit bestehe noch eine Unterschreitung von 13,06 Stunden),

40

5. sich am 21. November, 29. November, 6. Dezember, 12. Dezember, 15. Dezember, 22. Dezember 2011, am 2. Januar, 5. Januar, 12. Januar, 16. Januar, 19. Januar, 24. Januar, 30. Januar, 6. Februar, 9. Februar und 1. März 2012 krank gemeldet, ohne jedoch beim Gesundheitsamt persönlich vorzusprechen und einen Untersuchungstermin zu vereinbaren und

41

6. er habe weder entsprechende Nachweise über eine aufzunehmende stationäre Therapie vorgelegt noch eine solche aufgenommen.

42

Durch seine Handlungen habe er die vom Dienstherrn in Ausübung der Fürsorgepflicht auferlegten dienstlichen Anordnungen zur Erhaltung seiner Gesundheit als auch zur Aufrechterhaltung eines geordneten Dienstbetriebes nicht in vollem Umfang befolgt. Er habe weiterhin trotz der missbilligenden Äußerung bereits vom 18. Februar 2010, der Disziplinarverfügung vom 25. November 2010 sowie einer Vielzahl von Personalgesprächen sein Verhalten nicht nachhaltig geändert. Der Kern der erhobenen disziplinarrechtlichen Vorwürfe ziele auf die fehlende Bereitschaft des Beklagten, aktiv an seiner Gesunderhaltung mitzuwirken. Dass er an einer Alkoholkrankheit leide, zeigten die zahlreichen vom Gesundheitsamt durchgeführten Alkoholtests sowie die Tatsache, dass er deswegen mit Schreiben vom 02. März 2012 von seinen dienstlichen Pflichten entbunden worden sei. Eine schuldhafte Weigerung, die Dienstfähigkeit durch eine geeignete Therapie wieder herzustellen, stelle im Regelfall ein schweres Dienstvergehen dar. Hierzu gehöre auch, nach einer Alkoholentziehungstherapie den Griff zum „ersten Glas Alkohol“ zu unterlassen, da jeglicher Alkoholkonsum nach einer Entziehungskur das Verlangen nach weiterem Genuss wieder aufleben lasse und erfahrungsgemäß in die nasse Phase der Alkoholabhängigkeit zurückführen könne. Dem Beklagten sei der Rückfall in die nasse Phase nach einer Entwöhnungsbehandlung vorzuwerfen, insbesondere sei er über die disziplinarrechtlichen Folgen eines Rückfalls belehrt worden.

43

Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe habe der Beklagte nicht vorgetragen und solche seien auch nach den Gesamtumständen nicht ersichtlich.

44

Die schuldhafte Weigerung, die Dienstfähigkeit zu erhalten bzw. durch zumutbare Maßnahmen wiederherzustellen, stelle eine Verletzung einer beamtenrechtlichen Kernpflicht mit erheblichem disziplinaren Gewicht dar. Ein endgültiger Vertrauensverlust trete hierdurch in der Regel dann ein, wenn dem Beamten ein zumindest bedingt vorsätzliches Verhalten vorzuwerfen sei. Zur Frage der Schuldfähigkeit des Beklagten habe das Gesundheitsamt unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des Dr. med. H... vom 11. April 2012 ausgeführt, dass beim Beklagten noch ein Mindestmaß an Einsichtsfähigkeit vorhanden sei, so dass Schuldausschlussgründe nicht vorlägen. Zwar habe Dr. med. H... Schuldminderungsgründe angenommen, diese führten jedoch nicht zu einem Ausschluss disziplinarrechtlicher Ahndung des Fehlverhaltens. Denn der Gutachter habe ausdrücklich festgestellt, dass der Beklagte in der Lage gewesen sei, der Forderung nach Durchführung einer Therapie nachzukommen und insbesondere diese Forderung als seine dienstliche Pflicht zu erkennen. Der Gutachter habe auch nicht jegliche Erfolgsaussicht einer Therapie ausgeschlossen.

45

Das Verhalten des Beklagten habe schließlich nicht nur dazu geführt, dass die Arbeitskolleginnen und -kollegen dessen Arbeit hätten miterledigen müssen. Vielmehr sei er auch kein gutes Beispiel dafür, wie ein verantwortungsbewusster Beamter mit einer Krankheit umzugehen habe. Das Vertrauensverhältnis zum Beklagten sei irreparabel zerstört.

46

Der Kläger beantragt,

47

den Beklagten aus dem Dienst zu entfernen.

48

Der Beklagte beantragt erkennbar,

49

die Klage abzuweisen.

50

Er trägt vor, dass der Gutachter Dr. med. H... ihm gegenüber geäußert habe, ein Verschulden könne ihm aus psychologischer Sicht nicht angelastet werden. Disziplinarmaßnahmen seien vom Gutachter aufgrund seines psychischen Zustandes für nicht zweckmäßig gehalten worden. Auch sei die Möglichkeit einer Frühpensionierung diskutiert worden. Eine solche sei jedoch sowohl von Dr. med. H... als auch von ihm selbst für wenig zweckmäßig erachtet worden.

51

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze sowie auf die Personal- und Verwaltungsvorgänge verwiesen. Diese lagen dem Gericht vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

52

Der Beklagte hat sich eines Dienstvergehens schuldig gemacht, das unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere des Umfangs, in dem er seine Pflichten verletzt und das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit beeinträchtigt hat sowie unter angemessener Berücksichtigung seines Persönlichkeitsbildes die Entfernung aus dem Dienst erforderlich macht (§§ 3 Abs. 1 Nr. 5, 8, 11 des Landesdisziplinargesetzes – LDG -).

53

Das der Klageerhebung vorangegangene Disziplinarverfahren ist ordnungsgemäß durchgeführt worden. Insbesondere wurden innerhalb der Frist des § 64 LDG keine wesentlichen Mängel des behördlichen Verfahrens oder der Klageschrift geltend gemacht. Solche sind auch nicht erkennbar.

54

In der Sache steht fest, dass sich der Beklagte eines schweren Dienstvergehens schuldig gemacht hat. Nach § 47 Abs. 1 Beamtenstatusgesetz – BeamtStG – begeht der Beamte ein Dienstvergehen, wenn er schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten verletzt. Zu den elementaren und im Interesse der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes unabdingbaren Verhaltensgeboten gehört die sich aus § 34 Satz 1 BeamtStG (bzw. § 64 Abs. 1 Satz 1 Landesbeamtengesetz in der bis zum 1. Juli 2012 geltenden Fassung – LBG a.F. -) ergebende Pflicht, sich mit vollem persönlichem Einsatz dem Beruf zu widmen. Nach § 35 Satz 2 BeamtStG (bzw. § 65 Abs. 1 Satz 2 LBG a.F.) sind Beamte darüber hinaus verpflichtet, dienstliche Anordnungen der Vorgesetzten auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen. Gegen diese Dienstpflichten hat der Beklagte über Monate mit einer Hartnäckigkeit in einem solchen Maß verstoßen (I.), dass seine Entfernung aus dem Dienst unausweichlich ist (II.).

I.

55

Aus den dem Gericht vorliegenden Verwaltungsakten ergibt sich der bereits im Tatbestand umfassend dargestellte chronologische Ablauf der Geschehnisse nach der vom Beklagten durchgeführten Entgiftung und stationären Therapie vom 28. Februar bis 7. April 2011 sowie der Inhalt der aus Fürsorgegründen durch den Dienstvorgesetzten zum Zwecke der Wiedererlangung der Gesundheit und Dienstfähigkeit des Beklagten getroffenen Anordnungen vom 18. August 2011 und 27. Oktober 2011. Insoweit kann zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Sachverhaltsdarstellung im Tatbestand verwiesen werden. Ebenso erschließt sich aus den Ermittlungsvorgängen das unabhängig von den oben genannten Weisungen wiederholt gezeigte nachhaltige Bestreben des Dienstherrn, den Beklagten an seine Pflichten zu erinnern sowie das Nichtbefolgen der dienstlichen Anordnungen im letztendlich angeschuldigten Umfang. Der Beklagte ist den getroffenen Feststellungen weder im Disziplinarverfahren noch im Klageverfahren entgegengetreten.

1.

56

Damit steht fest, dass der Beklagte, der nachweislich an einer Alkoholkrankheit leidet, entgegen den Anordnungen vom 18. August 2011 und 27. Oktober 2011

57

- weder Nachweise über Beratungsgespräche bei der Caritas (Anschuldigungspunkt 2.),
- noch einen Therapieplan (Anschuldigungspunkt 3.) und
- darüber hinaus auch keinen Nachweis über eine angetretene Therapie vorgelegt hat (Anschuldigungspunkt 6.).

58

Infolge dieses Verhaltens ist insgesamt der Vorwurf gerechtfertigt, dass der Beklagte nicht aktiv an seiner Gesunderhaltung mitgewirkt hat (vgl. „Anschuldigungspunkt 1“). Aus der Pflicht zu vollem persönlichem Einsatz eines Beamten (§ 34 Satz 1 BeamtStG, § 64 Abs. 1 Satz 1 LBG a.F.) folgt, dass der Beamte zur Erfüllung seiner Pflichten dem Dienstherrn die volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen hat. Er ist somit auch verpflichtet, diese Arbeitskraft im Interesse des Dienstherrn nicht nur zu erhalten, sondern die beschränkte oder verlorene Arbeitskraft best- und schnellstmöglich wieder herzustellen. Zur Wiederherstellung seiner Arbeitskraft muss er alle ihm angebotenen zumutbaren Möglichkeiten nutzen. In diesem Zusammenhang hat der Beamte auf die Vorschläge der behandelnden Ärzte, des Dienstvorgesetzen und des Amtsarztes wegen deren Sachkunde auch dann einzugehen, wenn er meint, noch ohne eine stationäre Behandlung auskommen zu können. Er darf sich nicht nur von seiner eigenen Einstellung leiten lassen, sondern muss – im Fall der Zumutbarkeit – den Rat der Fachleute und die Hinweise der Dienstvorgesetzten befolgen. Daraus folgt zugleich, dass die schuldhafte Weigerung, die Dienstfähigkeit zu erhalten bzw. durch zumutbare Maßnahmen wiederherzustellen, als Verstoß gegen eine dem Beamten obliegende Kernpflicht anzusehen ist und damit eine Pflichtverletzung mit erheblichem disziplinaren Gewicht darstellt (vgl. BayVGH, Urteil vom 13. Dezember 2006, Az. 16 A D 05.3379 – juris -).

59

Durch die beharrliche Weigerung, nicht nur „Vorschläge“ sondern in Gestalt von verbindlichen dienstlichen Anordnungen erfolgte Weisungen des Dienstherrn zum Zwecke der Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit zu befolgen, hat der Beklagte gegen seine Gesunderhaltungspflicht im oben genannten Sinne und damit einhergehend gegen seine Gehorsamspflicht (§ 35 Satz 2 BeamtStG, bzw. § 65 Satz 2 LBG a.F.) verstoßen. Der Beamte ist danach verpflichtet, dienstlichen Weisungen im Interesse der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung auch dann Folge zu leisten, wenn diese (vermeintlich) rechtswidrig sind. Dies gilt unabhängig von seinem Recht, auf dem Dienstweg hiergegen zu demonstrieren, wovon der Beklagte vorliegend keinen Gebrauch gemacht hat. Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit der erfolgten Anordnungen sind im Übrigen auch nicht ersichtlich.

60

Hinsichtlich dieser Pflichtverletzungen ist dem Beklagten ein Verschulden, nämlich ein vorsätzliches Verhalten vorzuwerfen. Eine Schuldunfähigkeit zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Verfehlungen kann aufgrund des fachärztlichen Gutachtens des Dr. med. H..., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Rehabilitationswesen, I..., vom 11. April 2012, dem sich das Gesundheitsamt bei der Kreisverwaltung ... unter dem 17. April 2012 angeschlossen hat, ausgeschlossen werden. In seinem Gutachten legt er schlüssig und nachvollziehbar dar, dass die kognitiven Fähigkeiten als auch die Steuerungsfähigkeit des Beklagten ausreichend waren, um das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Insofern führt der Gutachter dezidiert und unter Abwägung der für und gegen eine aufgehobene Steuerungsfähigkeit sprechenden Merkmale aus, dass der Beklagte durchaus in der Lage gewesen sei, die Forderungen des Dienstherrn im Hinblick auf seine dienstlichen Pflichten zu erkennen. Darüber hinaus sei er auch durchaus in der Lage gewesen, diesem Verlangen zu entsprechen. Anhaltspunkte, die geeignet wären, die Fachkunde des Gutachters oder die schlüssigen Auswertungen in Frage zu ziehen, sind weder vom Beklagten vorgetragen, noch nach den gegebenen Umständen ersichtlich. Der Einwand des Beklagten, der Gutachter habe ihm gegenüber die Äußerung getätigt, dass ihm ein Verschulden nicht vorgehalten werden könne, ist nicht belastbar. Diesen Schilderungen steht das schriftlich verfasste Gutachten des Dr. med. H... mit eindeutigem Inhalt entgegen. Der Gutachter hat keine Zweifel an der Richtigkeit und Nachhaltigkeit seiner Einschätzung erkennen lassen, so dass es auch keiner weitergehenden Ermittlungen etwa durch persönliche Einvernahme des Gutachters auf der Grundlage der durch nichts belegbaren und damit unsubstantiierten Behauptungen des Beklagten bedarf.

61

Die vom Gutachter für den gesamten Tatzeitraum demgegenüber bejahte eingeschränkte Schuldfähigkeit des Beklagten vermag die Vorwerfbarkeit der Dienstpflichtverletzungen nicht zu berühren, sondern allenfalls im Rahmen der Maßnahmebemessung Berücksichtigung zu finden, wie noch auszuführen sein wird.

62

Mithin verbleibt es dabei, dass der Beklagte in positiver Kenntnis des Vorliegens einer behandlungsbedürftigen Alkoholkrankheit mit Rücksicht auf seine Dienstpflichten unbedingt gehalten gewesen war, die Vorschläge und Forderungen seines Dienstvorgesetzten umzusetzen. Dies hat er bewusst nicht getan. Über seine dienstlichen Pflichten war der Beklagte zudem wiederholt schriftlich und mündlich belehrt worden und ihm war die Einschränkung seiner dienstlichen Leistungsfähigkeit nicht nur deutlich vor Augen geführt worden, sie war im Übrigen auch evident. Schließlich war er auch auf die disziplinarrechtlichen Folgen einer Weigerung, an der Wiederherstellung seiner vollen Dienstfähigkeit mitzuwirken, mehr als einmal und auch unmissverständlich hingewiesen worden.

63

Ob dem Beklagten darüber hinaus vorgehalten werden kann, dass er nach erfolgreichem Absolvieren einer Therapie wieder in die Alkoholsucht zurückgefallen ist, kann angesichts der Ausführungen des Gesundheitsamtes bei der Kreisverwaltung ... vom 22. Februar 2012 zur Würdigung des Entlassungsberichts der Klinik ..., nicht eindeutig beantwortet werden. Im Entlassungsbericht ist nach Auskunft des Gesundheitsamtes vermerkt, dass die Behandlung des Beklagten über den Zeitraum der genehmigten Kostenübernahme durchgeführt worden sei. Ein Antrag auf Verlängerung sei zwar empfohlen, vom Beklagten jedoch abgelehnt worden. Außerdem habe ausweislich des Berichts lediglich eine externe Motivation zur Durchführung der Suchtbehandlung vorgelegen. Der Patient habe wenig interne Motivation und Krankheitseinsicht mitgebracht, die auch durch die Therapie nicht entscheidend habe verbessert werden können (Blatt 91 und 92 DA). Da einem Beamten ein Rückfall in die nasse Phase nur dann vorgehalten werden kann, wenn die Therapie mit einer günstigen Zukunftsprognose abgeschlossen worden ist und sich tatsächlich ein Therapieerfolg eingestellt hat (vgl. Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, Kommentar, zu § 13, Rdnr. 77ff), dies jedoch angesichts der vorangegangenen Ausführungen und den relativ zeitnah zur Therapie offenbarten Alkoholproblemen fraglich erscheint, ist ein dahingehender Vorwurf nicht eindeutig belegbar. Einer weiteren Aufklärung dieser Frage bedurfte es jedoch vorliegend nicht, da der Beklagte sich auch ohne eine dahingehend eindeutige Feststellung dienstpflichtwidrig in Bezug auf seine Gesunderhaltungspflicht verhalten hat, wie oben ausgeführt.

2.

64

Eine weitergehende Pflichtverletzung hat der Beklagte dadurch begangen, dass sein Zeitkonto durchgehend seit dem 12. August 2011 eine Unterschreitung aufgewiesen hat bzw. derzeit noch aufweist (Anschuldigungspunkt 4.). Den geforderten Ausgleich hat der Beklagte nicht vorgenommen, sondern hat die Unterschreitung von ursprünglich 30.02 Stunden zwischenzeitlich auf 63,39 Stunden anwachsen lassen, so dass sich der Dienstherr nicht nur dazu veranlasst gesehen hat, dem Beklagten den Ausgleich mit Weisung vom 18. August 2011 konkret aufzugeben, sondern die Unterschreitung im März und April 2012 jeweils mit 34 Stunden finanziell abzugelten und von den Bezügezahlungen einzubehalten. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung lag immer noch eine Unterschreitung von 13,06 Stunden vor.

65

Dieser Sachverhalt steht ausweislich des Inhalts der Disziplinarakte fest und wird vom Beklagten auch nicht in Abrede gestellt.

66

Nach Ziffer 2.3.2 der Dienstvereinbarung zur Regelung der Arbeitszeit sind Unterschreitungen der regelmäßigen Arbeitszeit zum Monatsende bis zu 12 Stunden zulässig. Nach Ziffer 5 Satz 1 sind diese Unterschreitungen innerhalb eines Monats auszugleichen. Die sich hieraus ergebende Pflicht war dem Beklagten hinlänglich bekannt, da ein dahingehender Vorwurf bereits Gegenstand des ersten Disziplinarverfahrens war. Dadurch, dass der Beklagte trotz positiver Kenntnis seiner dahingehenden Verpflichtung und auch noch nach einer individuellen Weisung, die Unterschreitung unter Fristsetzung auszugleichen, untätig geblieben ist, hat er sich abermals einer schuldhaften Pflichtverletzung in Gestalt eines Gehorsamsverstoßes (§ 35 Satz 2 BeamtStG, § 65 Satz 2 LBG a.F.) schuldig gemacht.

3.

67

Ein weiteres Fehlverhalten liegt darin begründet, dass der Beklagte sich entgegen der Weisung vom 18. August 2011 in der Zeit vom 21. November 2011 bis zum 1. März 2012 insgesamt 16 Mal krank gemeldet hat, ohne beim zuständigen Gesundheitsamt persönlich vorzusprechen oder einen Untersuchungstermin zu vereinbaren (Anschuldigungspunkt 5) . Dabei waren alle angeschuldigten Fälle in die disziplinarrechtliche Würdigung einzubeziehen, da die über die in der Einleitungsverfügung hinaus genannten Fälle allesamt im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen aufgelistet und damit wirksam in das Disziplinarverfahren einbezogen wurden. Dem Beklagten wurde diesbezüglich sowohl im Disziplinarverfahren als auch im nachfolgenden Klageverfahren ausreichend rechtliches Gehör gewährt.

68

Auch die Weisung, bei Dienstunfähigkeit jeweils beim Gesundheitsamt vorzusprechen und sich dort untersuchen zu lassen, war für den Beklagten unmissverständlich und zudem offenkundig zu Recht ergangen. Dennoch befolgte der Beklagte sie unstreitig nicht. Entsprechend den Ausführungen des Gutachters Dr. med. H... war die einfach gelagerte Weisung für den Beklagten nachzuvollziehen und auch umzusetzen.

69

Mithin hat der Beklagte sich auch insoweit eines vorsätzlichen Weisungsverstoßes (§ 35 Satz 2 BeamtStG, bzw. § 65 Satz 2 LBG a.F.) schuldig gemacht.

II.

70

Die nach den Grundsätzen der Einheit des Disziplinarverfahrens zu verhängende Disziplinarmaßnahme ist nach der Zumessungsregelung des § 11 LDG zu bestimmen. Sie ist aufgrund einer Prognoseentscheidung auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung zu treffen. Hierzu haben die Gerichte zunächst im Einzelfall die bemessungsrelevanten Tatsachen zu ermitteln und mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Bewertung einzubeziehen. Auf der Grundlage des so zusammengestellten Tatsachenmaterials ist eine Prognose über das voraussichtliche dienstliche Verhalten des Beamten zu treffen und das Ausmaß der von ihm herbeigeführten Ansehensschädigung des Berufsbeamtentums einzuschätzen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2010, 2 B 29/10 – juris -).

71

Als maßgebendes Bemessungskriterium ist die Schwere des Dienstvergehens richtungsweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies bedeutet, dass das festgestellte Dienstvergehen zunächst nach seiner Schwere einer der im Katalog des § 3 LDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zuzuordnen ist. Dabei können die vom Bundesverwaltungsgericht für bestimmte Fallgruppen herausgearbeiteten Regeleinstufungen von Bedeutung sein. Davon ausgehend kommt es für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Disziplinarmaßnahme geboten ist (vgl. BVerwG, a. a. O.).

72

Für die Schwere des Dienstvergehens können bestimmend sein die objektiven Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, zum Beispiel Kern- oder Nebenpflichtverletzung sowie besondere Umstände der Tatbegehung wie etwa Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht des Verschuldens des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) und die unmittelbaren Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und Dritte, zum Beispiel der materielle Schaden (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2005, 2 C 12.04 – juris -).

73

Unter Zugrundelegung dieser Bemessungskriterien ist gegen den Beamten die Höchstmaßnahme zu verhängen, da er das Vertrauensverhältnis zu seinem Dienstherrn endgültig zerstört hat und auch das Persönlichkeitsbild des Beklagten keine andere Entscheidung rechtfertigt.

74

Das dem Beklagten vorgehaltene Dienstvergehen wiegt schwer. Die Treuepflicht und die Pflicht zum vollen persönlichen Einsatz sowie zur Befolgung von Weisungen gebieten es dem Beamten, dem Dienstherrn seine ganze Arbeitskraft zur Erfüllung der dienstlichen Aufgaben zur Verfügung zu stellen, demgemäß diese Arbeitskraft auch voll zu erhalten bzw. alles zur unverzüglichen Wiederherstellung zu tun (vgl. BVerwGE 63, 322; Urteil vom 9. November 1983 – BVerwG 1 D 91.82 – juris). Dieser Verpflichtung ist der Beamte nicht nachgekommen, wobei seine Schuld besonders schwer wiegt, denn schon seit Bekanntwerden seiner Alkoholproblematik im Jahr 2003 hätte er alles daran setzen müssen, um sich von seiner Neigung zum Alkohol zu befreien. An Anlässen hierzu und an verschiedenen besonderen Anstößen hat es in der Vergangenheit nicht gefehlt, zumal ihm insbesondere nicht nur die gesundheitlichen Folgen, sondern auch die dienstrechtlichen Konsequenzen seines Verhaltens immer wieder vor Augen geführt wurden. In zahlreichen persönlichen Gesprächen wurde dem Beklagten stets Hilfe angeboten und auch Verständnis entgegengebracht. Immer wieder wurde er aufgefordert, fachkundige Suchtberatung in Anspruch zu nehmen und sich einer Therapie zu unterziehen. Konkreten Weisungen hat sich der Beklagte beharrlich widersetzt, so dass bereits mit bestandskräftiger Disziplinarverfügung vom 25. November 2010 wegen Weisungsverstößen, wie sie auch Gegenstand des jetzigen Disziplinarverfahrens sind, eine Kürzung der Dienstbezüge in empfindlicher Höhe gegen den Beklagten verhängt wurde. Dennoch hat der Beklagte sich auch diese Mahnung nicht zur Warnung gereichen lassen und sich weiterhin dem Konsum von Alkohol hingegeben. Zwar hat er eine Entgiftung und sodann eine Entwöhnungstherapie durchgeführt, jedoch lässt sich den Verwaltungsakten entnehmen, dass durchaus nach Abschluss dieser Therapie die Notwendigkeit von ärztlicher Seite aus gesehen wurde, die Therapie fortzusetzen. Statt alle Bemühungen im Interesse seiner Dienstpflichten in seine Genesung zu setzen, setzte er weder – wie offenkundig empfohlen - die stationäre Therapie fort, noch bemühte er sich um eine ambulante adäquate Weiterbehandlung. Infolge dessen kam es im Dienst alsbald zu Beanstandungen seiner Arbeitsweise, bis er schließlich selbst gegenüber seinem Dienstherrn einen weiteren Alkoholkonsum zugeben musste. Auch die dann erfolgten Hilfestellungen hat der Beklagte mit einer derartigen Hartnäckigkeit abgelehnt und ignoriert, dass sich hierin zugleich eine Persönlichkeitsstruktur des Beklagten offenbart, die von Pflichtvergessenheit und Uneinsichtigkeit geprägt ist und ihn immer weiter von seinem beruflichen Pflichtenkreis und von seinem Dienstherrn distanziert hat. Nachfolgende konkrete Anordnungen - stets unter Hinweis auf drohende disziplinarrechtliche Konsequenzen - ließen den Beklagten ebenso unbeeindruckt, wie die laufenden Kürzungen seiner Dienstbezüge aufgrund des vorangegangenen Disziplinarverfahrens und auch aufgrund der Unterschreitung seines Zeitkontos. Selbst die erneute Einleitung eines Disziplinarverfahrens im Dezember 2011 vermochte den Beklagten nicht derart zu berühren, dass er zumindest ansatzweise bereit gewesen wäre, einen guten Willen erkennen zu lassen. Das wiederholte Anmahnen der Nachweise über Beratungsgespräche bei der Caritas, und auch des geforderten Therapieplans sowie die zuletzt angeordnete Durchführung einer Therapie ließ der Beklagte insgesamt spurlos an sich vorüberziehen. Selbst der Anordnung, sich bei Dienstunfähigkeit durch das Gesundheitsamt jeweils untersuchen zu lassen, kam der Beklagte auch noch nach Einleitung des Disziplinarverfahrens und der konkret drohenden Disziplinierung in 11 Fällen nicht nach. Seine Einlassung im Klageverfahren zeigt, dass er offenkundig darauf vertraut hat, wegen der von ihm begangenen Verfehlungen aufgrund einer Schuldunfähigkeit nicht belangt werden zu können, so dass er persönlichkeitsimmanent sogar noch im Disziplinarklageverfahren Bemühungen, dem Dienstherrn zumindest eine Bereitschaft zur zukünftigen ordnungsgemäßen Dienstleistung zu signalisieren, schlicht unterlassen hat.

75

Erschwerend ist schließlich zu berücksichtigen, dass die Alkoholsucht des Beamten auch Auswirkungen auf den Dienstbetrieb hatte. Der Beamte musste am 3. Februar 2012 von seinen dienstlichen Pflichten entbunden werden mit der Folge, dass seine Kollegen die von ihm über geraume Zeit vernachlässigte Sachbearbeitung miterledigen müssen.

76

Gründe, die eine mildere Bewertung des Dienstvergehens ausnahmsweise rechtfertigen könnten, sind im vorliegenden Fall nicht erkennbar. Weder seine Dienstleistungen, die ausweislich der Verwaltungsvorgänge ohnehin nicht dem Durchschnitt entsprachen, noch seine strafrechtliche Unbescholtenheit vermochten die Schwere der Verfehlungen aufzuwiegen. Disziplinarrechtlich weist der Beklagte - wie bereits ausgeführt – eine nicht unerhebliche Vorbelastung auf.

77

Grundsätzlich kann der Umstand einer verminderten Schuldfähigkeit zugunsten des Beamten bei der Maßnahmebemessung Berücksichtigung finden (vgl. BVerwG, Urteil vom 03. Mai 2007, 2 C 9/06 – juris -). Zwar wurde beim Beklagten durch Dr. med. H... eine solche für den Zeitraum der von ihm begangenen Pflichtverletzungen festgestellt, jedoch vermag dieser Umstand nach Lage des vorliegenden Einzelfalls unter dem Blickwinkel des Persönlichkeitsbildes des Beamten ebenso nicht mildernd in die Entscheidung über die Bemessung der Disziplinarmaßnahme einzufließen. Mit dem Gutachter ist davon auszugehen, dass beim Beklagten aufgrund der festgestellten Persönlichkeitsveränderung eine eingeschränkte Schuldfähigkeit vorgelegen hat. Ob diese jedoch im Sinne von §§ 20, 21 StGB geeignet war, die Steuerungsfähigkeit „erheblich“ zu mindern, ist eine Rechtsfrage, die die Verwaltungsgerichte ohne Bindung an die Einschätzung Sachverständiger in eigener Verantwortung zu beantworten haben. Hierzu bedarf es einer Gesamtschau der Persönlichkeitsstruktur des Betroffenen, seines Erscheinungsbildes vor, während und nach der Tat und der Berücksichtigung der Tatumstände, insbesondere der Vorgehensweise. Die Erheblichkeitsschwelle liegt umso höher, je schwerer das in Rede stehende Delikt wiegt. Dementsprechend hängt im Disziplinarrecht die Beurteilung der Erheblichkeit im Sinne von § 21 StGB von der Bedeutung und Einsehbarkeit der verletzten Dienstpflichten ab (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Mai 2007, a.a.O.).

78

Vor dem Hintergrund dessen, dass der Beklagte über einen erheblichen Zeitraum und trotz massiver Bemühungen seines Dienstherrn jegliche Anstrengungen unterlassen hat, um seiner leicht einsehbaren Kernpflicht, nämlich dem Dienstherrn seine volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, nachzukommen, kann in Ansehung der daraus resultierenden erheblichen Schwere des Dienstvergehens die Erheblichkeit der verminderten Schuldfähigkeit nicht bejaht werden. Die Folgen seines Fehlverhaltens wurden dem Beklagten tagtäglich vor Augen geführt und der angebotenen Hilfe hat er sich bewusst verschlossen. Dies auch noch nachdem er durch eine bereits vorangegangene Disziplinarmaßnahme hinreichend gewarnt war. Schließlich hat der Gutachter Dr. med. H... dem Beklagten bescheinigt, dass er kognitiv nicht so weit abgebaut war, dass er nicht in der Lage gewesen sei bzw. gewesen wäre, die Forderungen des Dienstherrn im Hinblick auf seine beruflichen Pflichten zu erkennen. Er wäre vielmehr durchaus in der Lage gewesen, diesem Verlangen zu entsprechen. Einem solchermaßen handelnden Beamten kann eine verminderte Schuldfähigkeit nicht mehr zugute gereichen.

79

Insgesamt kann ihm eine günstige Zukunftsprognose in die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung nicht mehr gestellt werden, so dass dem Dienstherrn eine weitergehende Zusammenarbeit mit dem Beamten nicht mehr zuzumuten ist. Der Beamte hat das Vertrauen seines Dienstherrn endgültig verloren. Eine Entfernung aus dem Dienst ist unausweichlich.

80

Infolge dessen ist die Entfernung des Beklagten aus dem Dienst auch nicht unverhältnismäßig. Insoweit sind die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses, zu der das Fehlverhalten geführt hat, und die Auswirkungen der verhängten Disziplinarmaßnahme in Beziehung zu setzen. Unter diesem Blickwinkel begegnet die gegen den Beklagten verhängte Maßnahme keinen Bedenken. Ist ein Beamter – wie der Beklagte – durch ihm vorwerfbares Verhalten achtungs- und vertrauensunwürdig geworden und fehlt damit eine entscheidende Grundlage für die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses, dann ist seine Entfernung aus dem Dienst die einzige Möglichkeit, das durch den Dienstherrn sonst nicht lösbare Beamtenverhältnis einseitig zu beenden. Die darin liegende Härte ist – auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten – für den Betroffenen nicht unverhältnismäßig, weil sie auf einem ihm zurechenbaren Verhalten beruht und einem der anerkannten Ziele des Disziplinarrechts, nämlich der Aufrechterhaltung der Integrität und Funktionsfähigkeit des Berufsbeamtentums im Interesse der Allgemeinheit, dient (BVerwGE 46, 64, 66; 103, 183, 189).

81

Eine von der gesetzlichen Regel der §§ 8 Abs. 2, 70 Abs. 2 LDG abweichende Entscheidung zum Unterhaltsbeitrag war vorliegend aus Gründen der Billigkeit in dem im Tenor ausgesprochenen Umfang geboten. Zweck des Unterhaltsbeitrages ist es, einem aus dem Beamtenverhältnis entfernten Beamten den Übergang in einen zivilen Beruf zu erleichtern und ihn während eines Übergangszeitraumes nicht in wirtschaftlich Not geraten zu lassen (Köhler/Ratz, Bundesdisziplinargesetz und materielles Disziplinarrecht, Kommentar, § 77 Rdnr. 2).

82

Vor dem Hintergrund dieser Zweckbestimmung ist vorliegend in Anbetracht dessen, dass das Gesundheitsamt bei der Kreisverwaltung ... mit dem Gutachter Dr. med. H... von einer derzeitigen Dienstunfähigkeit des Beklagten ausgeht und eine Langzeittherapie für die Dauer von sechs Monaten für erforderlich erachtet, davon auszugehen, dass dem Beklagten vor Ablauf einer derartigen Therapie ein Bemühen um eine berufliche Tätigkeit nicht möglich sein wird. Für dieses Bemühen soll ihm grundsätzlich ein Zeitraum von sechs Monaten zugebilligt werden. Da dem Beamten andererseits anzulasten ist, dass er selbst bis zum Entscheidungszeitpunkt des Gerichts eine solche Therapie noch nicht begonnen hat, hält die Kammer eine Verlängerung des Bewilligungszeitraumes für den Unterhaltsbeitrag für die Dauer von weiteren sechs Monaten über den bereits kraft Gesetzes vorgesehenen Zeitraum hinaus für erforderlich aber auch ausreichend, um eine unbillige Härte vom Beklagten abzuwenden.

83

Die Kostenentscheidung beruht auf § 99 Abs. 1 LDG; Verfahren nach dem Landesdisziplinargesetz sind gebührenfrei (§ 109 Abs. 1 LDG).

84

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus § 21 LDG i.V.m. §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.

(1) Beamtinnen und Beamte begehen ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen. Ein Verhalten außerhalb des Dienstes ist nur dann ein Dienstvergehen, wenn es nach den Umständen des Einzelfalls in besonderem Maße geeignet ist, das Vertrauen in einer für ihr Amt bedeutsamen Weise zu beeinträchtigen.

(2) Bei Ruhestandsbeamtinnen und Ruhestandsbeamten oder früheren Beamtinnen mit Versorgungsbezügen und früheren Beamten mit Versorgungsbezügen gilt es als Dienstvergehen, wenn sie sich gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes betätigen oder an Bestrebungen teilnehmen, die darauf abzielen, den Bestand oder die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland zu beeinträchtigen, oder wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Bei sonstigen früheren Beamtinnen und früheren Beamten gilt es als Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft gegen die in den §§ 37, 41 und 42 bestimmten Pflichten verstoßen. Für Beamtinnen und Beamte nach den Sätzen 1 und 2 können durch Landesrecht weitere Handlungen festgelegt werden, die als Dienstvergehen gelten.

(3) Das Nähere über die Verfolgung von Dienstvergehen regeln die Disziplinargesetze.

Tenor

Der Beklagte wird aus dem Dienst entfernt.

Die Kosten des Verfahrens einschließlich derjenigen des behördlichen Disziplinarverfahrens hat der Beklagte zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Vollstreckungsschuldner bleibt nachgelassen, die Vollstreckung durch Zahlung einer Sicherheitsleistung in Höhe des vollstreckungsfähigen Betrages abzuwenden, wenn nicht zuvor der Vollstreckungsgläubiger Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Der Unterhaltsbeitrag wird über die gesetzlich festgelegte Dauer hinaus für weitere sechs Monate bewilligt.

Tatbestand

1

Der Kläger betreibt die Entfernung des Beklagten aus dem Dienst.

2

Der am ... 1968 in ... geborene Beklagte steht als Kreisoberinspektor im Dienst des klagenden Landkreises. Nach dem Besuch von Grund-, Haupt- und Realschule in ... erwarb der Beamte im Jahr 1984 den Sekundarabschluss I. Dem schloss sich ein Berufsgrundschuljahr Wirtschaft/Verwaltung in ... und eine Ausbildung zum Großhandelskaufmann an. Von 1987 bis 1988 besuchte er die Fachoberschule Wirtschaft in ... und erwarb die Fachhochschulreife. Ein betriebswirtschaftliches Studium an der FH ... brach der Beklagte nach zwei Semestern ab. In der Zeit vom 2. Oktober 1989 bis zum 30. September 1990 absolvierte er seinen Grundwehrdienst. Am 1. Juli 1991 trat er in den Vorbereitungsdienst für die Laufbahn des gehobenen nichttechnischen Verwaltungsdienstes beim Landkreis ... ein, den er 1994 mit der Note „befriedigend“ (9 Punkte) abschloss. Anschließend war der Beklagte als Sachbearbeiter im Bereich Kreisvolkshochschule, Referat Sozialhilfe und Referat Soziale Sonderaufgaben, tätig. Mit Wirkung vom 18. Februar 2010 bis 28. Februar 2011 wurde er dem Kreiswasserwerk ... zur Dienstleistung zugewiesen. Dort war er mit der Veranlagung von bebaubaren Grundstücken beschäftigt. Zum 18. April 2011 wurde er dem Fachbereich Jugend und Familie – Referat Allgemeine Dienste – zugewiesen.

3

Zum 1. Juli 1994 wurde er als Angestellter in der Vergütungsgruppe V b BAT eingestellt und am 1. Juli 1995 zum Kreisinspektor z. A. ernannt. Mit Wirkung vom 1. Juli 1997 wurde der Beamte zum Kreisinspektor ernannt und am 1. Juli 1999 zum Kreisoberinspektor (Besoldungsgruppe A 10) befördert.

4

Ausweislich seiner letzten dienstlichen Beurteilung vom 12. Dezember 1996 wurden seine Leistungen mit 5 Punkten (entspricht den Leistungserwartungen) bewertet.

5

Der Beklagte ist ledig und kinderlos.

6

Disziplinarrechtlich ist er dergestalt vorbelastet als mit bestandskräftiger Disziplinarverfügung vom 25. November 2010 seine Dienstbezüge in Höhe von monatlich 5 v. H. auf die Dauer von 9 Monaten gekürzt wurden. Gegenstand dieser Verfügung waren der Vorwurf der Nichterfüllung dienstlicher Anordnungen zwecks Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit nach einem positiv festgestellten chronischen Alkoholmissbrauch sowie der Vorwurf des fehlenden Ausgleichs seines Arbeitszeitkontos.

7

Dem jetzigen Disziplinarverfahren liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

8

Nach einer im Krankenhaus ... durchgeführten Entgiftung (22. Februar 2011 bis 24. Februar 2011) begab der Beklagte sich in der Zeit vom 28. Februar bis 7. April 2011 in stationäre Therapie (...). Am 18. April 2011 nahm der Beklagte seinen Dienst bei der Kreisverwaltung wieder auf. Bereits nach kurzer Zeit gab es Probleme in der quantitativen und qualitativen Aufgabenerfüllung, was Gegenstand eines Personalgesprächs am 15. Juli 2011 war. Nachdem der Beklagte zuvor bereits gegenüber dem Landrat G... eingeräumt hatte, weiterhin ein Alkoholproblem zu haben, erging sodann unter dem 18. August 2011 gegenüber dem Beklagten folgende Anweisung:

9

1. Aktiv an seiner Gesunderhaltung mitzuwirken.

10

2. Beratungsgespräche in der psychosozialen Beratungsstelle für Suchtkranke der Caritas weiterzuführen und entsprechende Nachweise vorzulegen.

11

3. Einen Therapieplan erstellen zu lassen und diesen bis zum 15. September 2011 vorzulegen.

12

4. Bei jeder Erkrankung spätestens bis 9 Uhr beim Gesundheitsamt (Frau Dr. E... oder Herrn Dr. F...) zur Feststellung der Dienstunfähigkeit persönlich vorzusprechen bzw. einen Termin zur Untersuchung zu vereinbaren.

13

5. Im Zeitraum vom 22. August 2011 bis zum 30. September 2011 wöchentlich Untersuchungen bzw. Laborkontrollen auf Alkohol durch das Gesundheitsamt vornehmen zu lassen.

14

6. Dienstlich zulässigen Anweisungen Folge zu leisten.

15

7. Sowohl die Dienstvereinbarung über die Regelung der Arbeitszeit als auch die Dienstordnung uneingeschränkt einzuhalten.

16

8. Die unzulässige Unterschreitung der Arbeitszeit (Zeiterfassungskontostand 12. August 2011: Unterschreitung von 30,02 Stunden) bis spätestens zum 30. September 2011 auszugleichen.

17

9. Urlaub möglichst frühzeitig zu beantragen und die Genehmigung der Fachbereichsleitung einzuholen. Kurzfristige Urlaubsbeantragungen ohne die erforderliche Genehmigung durch den Fachbereichsleiter würden zukünftig nicht mehr akzeptiert und führten zu einem unentschuldigten Fernbleiben vom Dienst.

18

Nachfolgend durchgeführte Drogenscreenings in Form von Urinscreenings am 24. August, 1. September, 3. September, 21. September und 29. September 2011 ergaben einen Alkoholkonsum des Beklagten. Der ETG-Suchttest auf Alkohol verlief jeweils positiv, das Ergebnis lag stets deutlich über dem Referenzbereich von 100 ng/ml.

19

Unter dem 14. Oktober 2011 wurden durch das Referat Personal in Bezug auf die Punkte 1, 2, 3, 7 und 8 der vorgenannten Weisung die Nichterfüllung sowie ein erwiesener Alkoholkonsum und unzureichende Leistungen vermerkt. Am 27. Oktober 2011 fand daraufhin ein persönliches Gespräch des Landrates ... mit dem Beklagten statt. Zu den vorgehaltenen Weisungsverstößen äußerte der Beklagte sich nicht. Ihm wurde eine „letzte“ Chance eingeräumt. Unter Aushändigung eines Schreibens gleichen Datums wurde ihm aufgegeben, zur Bekämpfung seiner Alkoholkrankheit bis zum 30. November 2011 eine stationäre Therapie aufzunehmen und einen entsprechenden Nachweis hierüber unaufgefordert vorzulegen. Des Weiteren wurde er darauf hingewiesen, dass bei erneuter Nichterfüllung der Anordnung abermals ein Disziplinarverfahren in die Wege geleitet werden würde und eine Klageerhebung beim Verwaltungsgericht mit dem Ziel seiner Entfernung aus dem Dienst nicht auszuschließen sei.

20

Ein Nachweis über Beratungsgespräche bei der Caritas wurde ebenso wenig vorgelegt wie ein Therapieplan. Auch erfolgte kein Nachweis über die Aufnahme einer stationären Therapie bis zum 30. November 2011.

21

Unter dem 16. Dezember 2011 wurde gegen den Beklagten erneut ein Disziplinarverfahren eingeleitet mit dem Vorwurf, dass er:

22

1. nicht aktiv an seiner Gesunderhaltung mitgewirkt,

23

2. weder Beratungsgespräche mit der psychologischen Beratungsstelle für Suchtkranke der Caritas geführt, noch entsprechende Nachweise und auch

24

3. keinen Therapieplan zur Bekämpfung seiner Alkoholkrankheit vorgelegt habe,

25

4. hinsichtlich seiner Dienstunfähigkeit in der Zeit vom 21. November 2011 bis 9. Dezember 2011 nicht beim Gesundheitsamt persönlich vorgesprochen bzw. einen Termin zur Untersuchung vereinbart und

26

5. die Dienstvereinbarung über die Regelung der Arbeitszeit nicht eingehalten und die Arbeitszeit unzulässig um 63,39 Stunden unterschritten habe (Stand: 6. Dezember 2011) sowie

27

6. bis zum Entscheidungstag keine stationäre Therapie zur Bekämpfung der Alkoholkrankheit aufgenommen habe.

28

Der Beamte wurde über seine Rechte belehrt und es wurde ihm Gelegenheit zur Äußerung gegeben.

29

Mit Schreiben vom 30. Januar 2012 wurde das Disziplinarverfahren unter Hinweis darauf, dass das Ergebnis einer zeitgleich angeordneten amtsärztlichen Untersuchung für die Entscheidung im Disziplinarverfahren von wesentlicher Bedeutung sei, bis zu deren Abschluss ausgesetzt.

30

Die amtsärztliche Untersuchung des Beklagten ergab ausweislich des Gutachtens des Gesundheitsamtes bei der Kreisverwaltung ... vom 22. Februar 2012 unter ausdrücklicher Einbeziehung einer gutachterlichen Untersuchung des Beklagten am 15. Februar 2012 durch Dr. med. H..., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, die Dienstunfähigkeit des Beamten. Es wurde ausgeführt, mit einer raschen Besserung der Suchterkrankung sei nicht zu rechnen, so dass zunächst von einer zweijährigen Dienstunfähigkeit ausgegangen werden müsse. In dieser Zeit habe der Beklagte die Möglichkeit, die vom Facharzt für Neurologie und Psychiatrie empfohlene Therapie (stationäre Langzeittherapie über sechs Monate, vertiefte psychotherapeutische Exploration mit gegebenenfalls Übergang in eine ambulante Psychotherapie) wahrzunehmen.

31

Unter dem 5. März 2012 wurde das Gesundheitsamt um eine ergänzende Stellungnahme zur Schuldfähigkeit bzw. verminderten Schuldfähigkeit gebeten. In seinem ergänzenden nervenärztlichen Gutachten vom 11. April 2012 kam Dr. med. H... zu dem Ergebnis, dass derzeit nicht von einer Schuldunfähigkeit des Beklagten ausgegangen werden könne. Eine verminderte Schuldfähigkeit im Sinne des § 21 StGB sei über den gesamten in Frage stehenden Zeitraum anzunehmen. Der Beklagte sei jedoch kognitiv nicht soweit abgebaut, dass er nicht in der Lage sei oder gewesen wäre, die Forderungen des Dienstherrn im Hinblick auf seine dienstlichen Pflichten zu erkennen. Er wäre durchaus auch in der Lage gewesen, diesem Verlangen zu entsprechen.

32

Unter dem 23. April 2012 wurde das Disziplinarverfahren unter Hinweis auf das Ergebnis der amtsärztlichen Begutachtung fortgesetzt.

33

Mit Schreiben vom 27. April 2012 wurde dem Beklagten das wesentliche Ergebnis der Ermittlungen mitgeteilt. Ihm wurde Gelegenheit gegeben, sich abschließend zu äußern, weitere Ermittlungen sowie die Beteiligung des Personalrates zu beantragen. Der Beklagte äußerte sich nicht.

34

Unter dem 4. Juni 2012 wurde dem Beamten erneut mitgeteilt, dass beabsichtigt sei, Disziplinarklage mit dem Ziel seiner Entfernung aus dem Beamtenverhältnis zu erheben. Gleichzeitig wurde er zur beabsichtigten vorläufigen Dienstenthebung und Einbehaltung der Dienstbezüge gehört.

35

Am 14. Juni 2012 hat der Kläger die vorliegende Klage erhoben, mit der er die Entfernung des Beklagten aus dem Dienst betreibt. Dem Beklagten wird vorgeworfen, er habe entgegen den Anweisungen vom 18. August 2011 und vom 27. Oktober 2011:

36

1. nicht aktiv an seiner Gesunderhaltung mitgewirkt,

37

2. keine Nachweise über die geforderten Beratungsgespräche bei der Caritas vorgelegt,

38

3. die Frist zur Vorlage eines Therapieplanes fruchtlos verstreichen lassen,

39

4. sein Zeitkonto nicht ausgeglichen (derzeit bestehe noch eine Unterschreitung von 13,06 Stunden),

40

5. sich am 21. November, 29. November, 6. Dezember, 12. Dezember, 15. Dezember, 22. Dezember 2011, am 2. Januar, 5. Januar, 12. Januar, 16. Januar, 19. Januar, 24. Januar, 30. Januar, 6. Februar, 9. Februar und 1. März 2012 krank gemeldet, ohne jedoch beim Gesundheitsamt persönlich vorzusprechen und einen Untersuchungstermin zu vereinbaren und

41

6. er habe weder entsprechende Nachweise über eine aufzunehmende stationäre Therapie vorgelegt noch eine solche aufgenommen.

42

Durch seine Handlungen habe er die vom Dienstherrn in Ausübung der Fürsorgepflicht auferlegten dienstlichen Anordnungen zur Erhaltung seiner Gesundheit als auch zur Aufrechterhaltung eines geordneten Dienstbetriebes nicht in vollem Umfang befolgt. Er habe weiterhin trotz der missbilligenden Äußerung bereits vom 18. Februar 2010, der Disziplinarverfügung vom 25. November 2010 sowie einer Vielzahl von Personalgesprächen sein Verhalten nicht nachhaltig geändert. Der Kern der erhobenen disziplinarrechtlichen Vorwürfe ziele auf die fehlende Bereitschaft des Beklagten, aktiv an seiner Gesunderhaltung mitzuwirken. Dass er an einer Alkoholkrankheit leide, zeigten die zahlreichen vom Gesundheitsamt durchgeführten Alkoholtests sowie die Tatsache, dass er deswegen mit Schreiben vom 02. März 2012 von seinen dienstlichen Pflichten entbunden worden sei. Eine schuldhafte Weigerung, die Dienstfähigkeit durch eine geeignete Therapie wieder herzustellen, stelle im Regelfall ein schweres Dienstvergehen dar. Hierzu gehöre auch, nach einer Alkoholentziehungstherapie den Griff zum „ersten Glas Alkohol“ zu unterlassen, da jeglicher Alkoholkonsum nach einer Entziehungskur das Verlangen nach weiterem Genuss wieder aufleben lasse und erfahrungsgemäß in die nasse Phase der Alkoholabhängigkeit zurückführen könne. Dem Beklagten sei der Rückfall in die nasse Phase nach einer Entwöhnungsbehandlung vorzuwerfen, insbesondere sei er über die disziplinarrechtlichen Folgen eines Rückfalls belehrt worden.

43

Rechtfertigungs- oder Entschuldigungsgründe habe der Beklagte nicht vorgetragen und solche seien auch nach den Gesamtumständen nicht ersichtlich.

44

Die schuldhafte Weigerung, die Dienstfähigkeit zu erhalten bzw. durch zumutbare Maßnahmen wiederherzustellen, stelle eine Verletzung einer beamtenrechtlichen Kernpflicht mit erheblichem disziplinaren Gewicht dar. Ein endgültiger Vertrauensverlust trete hierdurch in der Regel dann ein, wenn dem Beamten ein zumindest bedingt vorsätzliches Verhalten vorzuwerfen sei. Zur Frage der Schuldfähigkeit des Beklagten habe das Gesundheitsamt unter Bezugnahme auf die Stellungnahme des Dr. med. H... vom 11. April 2012 ausgeführt, dass beim Beklagten noch ein Mindestmaß an Einsichtsfähigkeit vorhanden sei, so dass Schuldausschlussgründe nicht vorlägen. Zwar habe Dr. med. H... Schuldminderungsgründe angenommen, diese führten jedoch nicht zu einem Ausschluss disziplinarrechtlicher Ahndung des Fehlverhaltens. Denn der Gutachter habe ausdrücklich festgestellt, dass der Beklagte in der Lage gewesen sei, der Forderung nach Durchführung einer Therapie nachzukommen und insbesondere diese Forderung als seine dienstliche Pflicht zu erkennen. Der Gutachter habe auch nicht jegliche Erfolgsaussicht einer Therapie ausgeschlossen.

45

Das Verhalten des Beklagten habe schließlich nicht nur dazu geführt, dass die Arbeitskolleginnen und -kollegen dessen Arbeit hätten miterledigen müssen. Vielmehr sei er auch kein gutes Beispiel dafür, wie ein verantwortungsbewusster Beamter mit einer Krankheit umzugehen habe. Das Vertrauensverhältnis zum Beklagten sei irreparabel zerstört.

46

Der Kläger beantragt,

47

den Beklagten aus dem Dienst zu entfernen.

48

Der Beklagte beantragt erkennbar,

49

die Klage abzuweisen.

50

Er trägt vor, dass der Gutachter Dr. med. H... ihm gegenüber geäußert habe, ein Verschulden könne ihm aus psychologischer Sicht nicht angelastet werden. Disziplinarmaßnahmen seien vom Gutachter aufgrund seines psychischen Zustandes für nicht zweckmäßig gehalten worden. Auch sei die Möglichkeit einer Frühpensionierung diskutiert worden. Eine solche sei jedoch sowohl von Dr. med. H... als auch von ihm selbst für wenig zweckmäßig erachtet worden.

51

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die zur Gerichtsakte gereichten Schriftsätze sowie auf die Personal- und Verwaltungsvorgänge verwiesen. Diese lagen dem Gericht vor und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung und Entscheidungsfindung.

Entscheidungsgründe

52

Der Beklagte hat sich eines Dienstvergehens schuldig gemacht, das unter Berücksichtigung aller Umstände, insbesondere des Umfangs, in dem er seine Pflichten verletzt und das Vertrauen des Dienstherrn und der Allgemeinheit beeinträchtigt hat sowie unter angemessener Berücksichtigung seines Persönlichkeitsbildes die Entfernung aus dem Dienst erforderlich macht (§§ 3 Abs. 1 Nr. 5, 8, 11 des Landesdisziplinargesetzes – LDG -).

53

Das der Klageerhebung vorangegangene Disziplinarverfahren ist ordnungsgemäß durchgeführt worden. Insbesondere wurden innerhalb der Frist des § 64 LDG keine wesentlichen Mängel des behördlichen Verfahrens oder der Klageschrift geltend gemacht. Solche sind auch nicht erkennbar.

54

In der Sache steht fest, dass sich der Beklagte eines schweren Dienstvergehens schuldig gemacht hat. Nach § 47 Abs. 1 Beamtenstatusgesetz – BeamtStG – begeht der Beamte ein Dienstvergehen, wenn er schuldhaft die ihm obliegenden Pflichten verletzt. Zu den elementaren und im Interesse der Funktionsfähigkeit des öffentlichen Dienstes unabdingbaren Verhaltensgeboten gehört die sich aus § 34 Satz 1 BeamtStG (bzw. § 64 Abs. 1 Satz 1 Landesbeamtengesetz in der bis zum 1. Juli 2012 geltenden Fassung – LBG a.F. -) ergebende Pflicht, sich mit vollem persönlichem Einsatz dem Beruf zu widmen. Nach § 35 Satz 2 BeamtStG (bzw. § 65 Abs. 1 Satz 2 LBG a.F.) sind Beamte darüber hinaus verpflichtet, dienstliche Anordnungen der Vorgesetzten auszuführen und deren allgemeine Richtlinien zu befolgen. Gegen diese Dienstpflichten hat der Beklagte über Monate mit einer Hartnäckigkeit in einem solchen Maß verstoßen (I.), dass seine Entfernung aus dem Dienst unausweichlich ist (II.).

I.

55

Aus den dem Gericht vorliegenden Verwaltungsakten ergibt sich der bereits im Tatbestand umfassend dargestellte chronologische Ablauf der Geschehnisse nach der vom Beklagten durchgeführten Entgiftung und stationären Therapie vom 28. Februar bis 7. April 2011 sowie der Inhalt der aus Fürsorgegründen durch den Dienstvorgesetzten zum Zwecke der Wiedererlangung der Gesundheit und Dienstfähigkeit des Beklagten getroffenen Anordnungen vom 18. August 2011 und 27. Oktober 2011. Insoweit kann zunächst zur Vermeidung von Wiederholungen auf die Sachverhaltsdarstellung im Tatbestand verwiesen werden. Ebenso erschließt sich aus den Ermittlungsvorgängen das unabhängig von den oben genannten Weisungen wiederholt gezeigte nachhaltige Bestreben des Dienstherrn, den Beklagten an seine Pflichten zu erinnern sowie das Nichtbefolgen der dienstlichen Anordnungen im letztendlich angeschuldigten Umfang. Der Beklagte ist den getroffenen Feststellungen weder im Disziplinarverfahren noch im Klageverfahren entgegengetreten.

1.

56

Damit steht fest, dass der Beklagte, der nachweislich an einer Alkoholkrankheit leidet, entgegen den Anordnungen vom 18. August 2011 und 27. Oktober 2011

57

- weder Nachweise über Beratungsgespräche bei der Caritas (Anschuldigungspunkt 2.),
- noch einen Therapieplan (Anschuldigungspunkt 3.) und
- darüber hinaus auch keinen Nachweis über eine angetretene Therapie vorgelegt hat (Anschuldigungspunkt 6.).

58

Infolge dieses Verhaltens ist insgesamt der Vorwurf gerechtfertigt, dass der Beklagte nicht aktiv an seiner Gesunderhaltung mitgewirkt hat (vgl. „Anschuldigungspunkt 1“). Aus der Pflicht zu vollem persönlichem Einsatz eines Beamten (§ 34 Satz 1 BeamtStG, § 64 Abs. 1 Satz 1 LBG a.F.) folgt, dass der Beamte zur Erfüllung seiner Pflichten dem Dienstherrn die volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen hat. Er ist somit auch verpflichtet, diese Arbeitskraft im Interesse des Dienstherrn nicht nur zu erhalten, sondern die beschränkte oder verlorene Arbeitskraft best- und schnellstmöglich wieder herzustellen. Zur Wiederherstellung seiner Arbeitskraft muss er alle ihm angebotenen zumutbaren Möglichkeiten nutzen. In diesem Zusammenhang hat der Beamte auf die Vorschläge der behandelnden Ärzte, des Dienstvorgesetzen und des Amtsarztes wegen deren Sachkunde auch dann einzugehen, wenn er meint, noch ohne eine stationäre Behandlung auskommen zu können. Er darf sich nicht nur von seiner eigenen Einstellung leiten lassen, sondern muss – im Fall der Zumutbarkeit – den Rat der Fachleute und die Hinweise der Dienstvorgesetzten befolgen. Daraus folgt zugleich, dass die schuldhafte Weigerung, die Dienstfähigkeit zu erhalten bzw. durch zumutbare Maßnahmen wiederherzustellen, als Verstoß gegen eine dem Beamten obliegende Kernpflicht anzusehen ist und damit eine Pflichtverletzung mit erheblichem disziplinaren Gewicht darstellt (vgl. BayVGH, Urteil vom 13. Dezember 2006, Az. 16 A D 05.3379 – juris -).

59

Durch die beharrliche Weigerung, nicht nur „Vorschläge“ sondern in Gestalt von verbindlichen dienstlichen Anordnungen erfolgte Weisungen des Dienstherrn zum Zwecke der Wiederherstellung seiner Dienstfähigkeit zu befolgen, hat der Beklagte gegen seine Gesunderhaltungspflicht im oben genannten Sinne und damit einhergehend gegen seine Gehorsamspflicht (§ 35 Satz 2 BeamtStG, bzw. § 65 Satz 2 LBG a.F.) verstoßen. Der Beamte ist danach verpflichtet, dienstlichen Weisungen im Interesse der Funktionsfähigkeit der öffentlichen Verwaltung auch dann Folge zu leisten, wenn diese (vermeintlich) rechtswidrig sind. Dies gilt unabhängig von seinem Recht, auf dem Dienstweg hiergegen zu demonstrieren, wovon der Beklagte vorliegend keinen Gebrauch gemacht hat. Anhaltspunkte für eine Rechtswidrigkeit der erfolgten Anordnungen sind im Übrigen auch nicht ersichtlich.

60

Hinsichtlich dieser Pflichtverletzungen ist dem Beklagten ein Verschulden, nämlich ein vorsätzliches Verhalten vorzuwerfen. Eine Schuldunfähigkeit zum hier maßgeblichen Zeitpunkt der Verfehlungen kann aufgrund des fachärztlichen Gutachtens des Dr. med. H..., Facharzt für Neurologie und Psychiatrie, Rehabilitationswesen, I..., vom 11. April 2012, dem sich das Gesundheitsamt bei der Kreisverwaltung ... unter dem 17. April 2012 angeschlossen hat, ausgeschlossen werden. In seinem Gutachten legt er schlüssig und nachvollziehbar dar, dass die kognitiven Fähigkeiten als auch die Steuerungsfähigkeit des Beklagten ausreichend waren, um das Unrecht seiner Tat einzusehen oder nach dieser Einsicht zu handeln. Insofern führt der Gutachter dezidiert und unter Abwägung der für und gegen eine aufgehobene Steuerungsfähigkeit sprechenden Merkmale aus, dass der Beklagte durchaus in der Lage gewesen sei, die Forderungen des Dienstherrn im Hinblick auf seine dienstlichen Pflichten zu erkennen. Darüber hinaus sei er auch durchaus in der Lage gewesen, diesem Verlangen zu entsprechen. Anhaltspunkte, die geeignet wären, die Fachkunde des Gutachters oder die schlüssigen Auswertungen in Frage zu ziehen, sind weder vom Beklagten vorgetragen, noch nach den gegebenen Umständen ersichtlich. Der Einwand des Beklagten, der Gutachter habe ihm gegenüber die Äußerung getätigt, dass ihm ein Verschulden nicht vorgehalten werden könne, ist nicht belastbar. Diesen Schilderungen steht das schriftlich verfasste Gutachten des Dr. med. H... mit eindeutigem Inhalt entgegen. Der Gutachter hat keine Zweifel an der Richtigkeit und Nachhaltigkeit seiner Einschätzung erkennen lassen, so dass es auch keiner weitergehenden Ermittlungen etwa durch persönliche Einvernahme des Gutachters auf der Grundlage der durch nichts belegbaren und damit unsubstantiierten Behauptungen des Beklagten bedarf.

61

Die vom Gutachter für den gesamten Tatzeitraum demgegenüber bejahte eingeschränkte Schuldfähigkeit des Beklagten vermag die Vorwerfbarkeit der Dienstpflichtverletzungen nicht zu berühren, sondern allenfalls im Rahmen der Maßnahmebemessung Berücksichtigung zu finden, wie noch auszuführen sein wird.

62

Mithin verbleibt es dabei, dass der Beklagte in positiver Kenntnis des Vorliegens einer behandlungsbedürftigen Alkoholkrankheit mit Rücksicht auf seine Dienstpflichten unbedingt gehalten gewesen war, die Vorschläge und Forderungen seines Dienstvorgesetzten umzusetzen. Dies hat er bewusst nicht getan. Über seine dienstlichen Pflichten war der Beklagte zudem wiederholt schriftlich und mündlich belehrt worden und ihm war die Einschränkung seiner dienstlichen Leistungsfähigkeit nicht nur deutlich vor Augen geführt worden, sie war im Übrigen auch evident. Schließlich war er auch auf die disziplinarrechtlichen Folgen einer Weigerung, an der Wiederherstellung seiner vollen Dienstfähigkeit mitzuwirken, mehr als einmal und auch unmissverständlich hingewiesen worden.

63

Ob dem Beklagten darüber hinaus vorgehalten werden kann, dass er nach erfolgreichem Absolvieren einer Therapie wieder in die Alkoholsucht zurückgefallen ist, kann angesichts der Ausführungen des Gesundheitsamtes bei der Kreisverwaltung ... vom 22. Februar 2012 zur Würdigung des Entlassungsberichts der Klinik ..., nicht eindeutig beantwortet werden. Im Entlassungsbericht ist nach Auskunft des Gesundheitsamtes vermerkt, dass die Behandlung des Beklagten über den Zeitraum der genehmigten Kostenübernahme durchgeführt worden sei. Ein Antrag auf Verlängerung sei zwar empfohlen, vom Beklagten jedoch abgelehnt worden. Außerdem habe ausweislich des Berichts lediglich eine externe Motivation zur Durchführung der Suchtbehandlung vorgelegen. Der Patient habe wenig interne Motivation und Krankheitseinsicht mitgebracht, die auch durch die Therapie nicht entscheidend habe verbessert werden können (Blatt 91 und 92 DA). Da einem Beamten ein Rückfall in die nasse Phase nur dann vorgehalten werden kann, wenn die Therapie mit einer günstigen Zukunftsprognose abgeschlossen worden ist und sich tatsächlich ein Therapieerfolg eingestellt hat (vgl. Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, Kommentar, zu § 13, Rdnr. 77ff), dies jedoch angesichts der vorangegangenen Ausführungen und den relativ zeitnah zur Therapie offenbarten Alkoholproblemen fraglich erscheint, ist ein dahingehender Vorwurf nicht eindeutig belegbar. Einer weiteren Aufklärung dieser Frage bedurfte es jedoch vorliegend nicht, da der Beklagte sich auch ohne eine dahingehend eindeutige Feststellung dienstpflichtwidrig in Bezug auf seine Gesunderhaltungspflicht verhalten hat, wie oben ausgeführt.

2.

64

Eine weitergehende Pflichtverletzung hat der Beklagte dadurch begangen, dass sein Zeitkonto durchgehend seit dem 12. August 2011 eine Unterschreitung aufgewiesen hat bzw. derzeit noch aufweist (Anschuldigungspunkt 4.). Den geforderten Ausgleich hat der Beklagte nicht vorgenommen, sondern hat die Unterschreitung von ursprünglich 30.02 Stunden zwischenzeitlich auf 63,39 Stunden anwachsen lassen, so dass sich der Dienstherr nicht nur dazu veranlasst gesehen hat, dem Beklagten den Ausgleich mit Weisung vom 18. August 2011 konkret aufzugeben, sondern die Unterschreitung im März und April 2012 jeweils mit 34 Stunden finanziell abzugelten und von den Bezügezahlungen einzubehalten. Zum Zeitpunkt der Klageerhebung lag immer noch eine Unterschreitung von 13,06 Stunden vor.

65

Dieser Sachverhalt steht ausweislich des Inhalts der Disziplinarakte fest und wird vom Beklagten auch nicht in Abrede gestellt.

66

Nach Ziffer 2.3.2 der Dienstvereinbarung zur Regelung der Arbeitszeit sind Unterschreitungen der regelmäßigen Arbeitszeit zum Monatsende bis zu 12 Stunden zulässig. Nach Ziffer 5 Satz 1 sind diese Unterschreitungen innerhalb eines Monats auszugleichen. Die sich hieraus ergebende Pflicht war dem Beklagten hinlänglich bekannt, da ein dahingehender Vorwurf bereits Gegenstand des ersten Disziplinarverfahrens war. Dadurch, dass der Beklagte trotz positiver Kenntnis seiner dahingehenden Verpflichtung und auch noch nach einer individuellen Weisung, die Unterschreitung unter Fristsetzung auszugleichen, untätig geblieben ist, hat er sich abermals einer schuldhaften Pflichtverletzung in Gestalt eines Gehorsamsverstoßes (§ 35 Satz 2 BeamtStG, § 65 Satz 2 LBG a.F.) schuldig gemacht.

3.

67

Ein weiteres Fehlverhalten liegt darin begründet, dass der Beklagte sich entgegen der Weisung vom 18. August 2011 in der Zeit vom 21. November 2011 bis zum 1. März 2012 insgesamt 16 Mal krank gemeldet hat, ohne beim zuständigen Gesundheitsamt persönlich vorzusprechen oder einen Untersuchungstermin zu vereinbaren (Anschuldigungspunkt 5) . Dabei waren alle angeschuldigten Fälle in die disziplinarrechtliche Würdigung einzubeziehen, da die über die in der Einleitungsverfügung hinaus genannten Fälle allesamt im wesentlichen Ergebnis der Ermittlungen aufgelistet und damit wirksam in das Disziplinarverfahren einbezogen wurden. Dem Beklagten wurde diesbezüglich sowohl im Disziplinarverfahren als auch im nachfolgenden Klageverfahren ausreichend rechtliches Gehör gewährt.

68

Auch die Weisung, bei Dienstunfähigkeit jeweils beim Gesundheitsamt vorzusprechen und sich dort untersuchen zu lassen, war für den Beklagten unmissverständlich und zudem offenkundig zu Recht ergangen. Dennoch befolgte der Beklagte sie unstreitig nicht. Entsprechend den Ausführungen des Gutachters Dr. med. H... war die einfach gelagerte Weisung für den Beklagten nachzuvollziehen und auch umzusetzen.

69

Mithin hat der Beklagte sich auch insoweit eines vorsätzlichen Weisungsverstoßes (§ 35 Satz 2 BeamtStG, bzw. § 65 Satz 2 LBG a.F.) schuldig gemacht.

II.

70

Die nach den Grundsätzen der Einheit des Disziplinarverfahrens zu verhängende Disziplinarmaßnahme ist nach der Zumessungsregelung des § 11 LDG zu bestimmen. Sie ist aufgrund einer Prognoseentscheidung auf der Grundlage einer Gesamtwürdigung zu treffen. Hierzu haben die Gerichte zunächst im Einzelfall die bemessungsrelevanten Tatsachen zu ermitteln und mit dem ihnen zukommenden Gewicht in die Bewertung einzubeziehen. Auf der Grundlage des so zusammengestellten Tatsachenmaterials ist eine Prognose über das voraussichtliche dienstliche Verhalten des Beamten zu treffen und das Ausmaß der von ihm herbeigeführten Ansehensschädigung des Berufsbeamtentums einzuschätzen (vgl. BVerwG, Beschluss vom 21. Dezember 2010, 2 B 29/10 – juris -).

71

Als maßgebendes Bemessungskriterium ist die Schwere des Dienstvergehens richtungsweisend für die Bestimmung der erforderlichen Disziplinarmaßnahme. Dies bedeutet, dass das festgestellte Dienstvergehen zunächst nach seiner Schwere einer der im Katalog des § 3 LDG aufgeführten Disziplinarmaßnahmen zuzuordnen ist. Dabei können die vom Bundesverwaltungsgericht für bestimmte Fallgruppen herausgearbeiteten Regeleinstufungen von Bedeutung sein. Davon ausgehend kommt es für die Bestimmung der Disziplinarmaßnahme darauf an, ob Erkenntnisse zum Persönlichkeitsbild und zum Umfang der Vertrauensbeeinträchtigung im Einzelfall derart ins Gewicht fallen, dass eine andere als die durch die Schwere des Dienstvergehens indizierte Disziplinarmaßnahme geboten ist (vgl. BVerwG, a. a. O.).

72

Für die Schwere des Dienstvergehens können bestimmend sein die objektiven Handlungsmerkmale (insbesondere Eigenart und Bedeutung der Dienstpflichtverletzung, zum Beispiel Kern- oder Nebenpflichtverletzung sowie besondere Umstände der Tatbegehung wie etwa Häufigkeit und Dauer eines wiederholten Fehlverhaltens), subjektive Handlungsmerkmale (insbesondere Form und Gewicht des Verschuldens des Beamten, Beweggründe für sein Verhalten) und die unmittelbaren Folgen des Dienstvergehens für den dienstlichen Bereich und Dritte, zum Beispiel der materielle Schaden (vgl. BVerwG, Urteil vom 20. Oktober 2005, 2 C 12.04 – juris -).

73

Unter Zugrundelegung dieser Bemessungskriterien ist gegen den Beamten die Höchstmaßnahme zu verhängen, da er das Vertrauensverhältnis zu seinem Dienstherrn endgültig zerstört hat und auch das Persönlichkeitsbild des Beklagten keine andere Entscheidung rechtfertigt.

74

Das dem Beklagten vorgehaltene Dienstvergehen wiegt schwer. Die Treuepflicht und die Pflicht zum vollen persönlichen Einsatz sowie zur Befolgung von Weisungen gebieten es dem Beamten, dem Dienstherrn seine ganze Arbeitskraft zur Erfüllung der dienstlichen Aufgaben zur Verfügung zu stellen, demgemäß diese Arbeitskraft auch voll zu erhalten bzw. alles zur unverzüglichen Wiederherstellung zu tun (vgl. BVerwGE 63, 322; Urteil vom 9. November 1983 – BVerwG 1 D 91.82 – juris). Dieser Verpflichtung ist der Beamte nicht nachgekommen, wobei seine Schuld besonders schwer wiegt, denn schon seit Bekanntwerden seiner Alkoholproblematik im Jahr 2003 hätte er alles daran setzen müssen, um sich von seiner Neigung zum Alkohol zu befreien. An Anlässen hierzu und an verschiedenen besonderen Anstößen hat es in der Vergangenheit nicht gefehlt, zumal ihm insbesondere nicht nur die gesundheitlichen Folgen, sondern auch die dienstrechtlichen Konsequenzen seines Verhaltens immer wieder vor Augen geführt wurden. In zahlreichen persönlichen Gesprächen wurde dem Beklagten stets Hilfe angeboten und auch Verständnis entgegengebracht. Immer wieder wurde er aufgefordert, fachkundige Suchtberatung in Anspruch zu nehmen und sich einer Therapie zu unterziehen. Konkreten Weisungen hat sich der Beklagte beharrlich widersetzt, so dass bereits mit bestandskräftiger Disziplinarverfügung vom 25. November 2010 wegen Weisungsverstößen, wie sie auch Gegenstand des jetzigen Disziplinarverfahrens sind, eine Kürzung der Dienstbezüge in empfindlicher Höhe gegen den Beklagten verhängt wurde. Dennoch hat der Beklagte sich auch diese Mahnung nicht zur Warnung gereichen lassen und sich weiterhin dem Konsum von Alkohol hingegeben. Zwar hat er eine Entgiftung und sodann eine Entwöhnungstherapie durchgeführt, jedoch lässt sich den Verwaltungsakten entnehmen, dass durchaus nach Abschluss dieser Therapie die Notwendigkeit von ärztlicher Seite aus gesehen wurde, die Therapie fortzusetzen. Statt alle Bemühungen im Interesse seiner Dienstpflichten in seine Genesung zu setzen, setzte er weder – wie offenkundig empfohlen - die stationäre Therapie fort, noch bemühte er sich um eine ambulante adäquate Weiterbehandlung. Infolge dessen kam es im Dienst alsbald zu Beanstandungen seiner Arbeitsweise, bis er schließlich selbst gegenüber seinem Dienstherrn einen weiteren Alkoholkonsum zugeben musste. Auch die dann erfolgten Hilfestellungen hat der Beklagte mit einer derartigen Hartnäckigkeit abgelehnt und ignoriert, dass sich hierin zugleich eine Persönlichkeitsstruktur des Beklagten offenbart, die von Pflichtvergessenheit und Uneinsichtigkeit geprägt ist und ihn immer weiter von seinem beruflichen Pflichtenkreis und von seinem Dienstherrn distanziert hat. Nachfolgende konkrete Anordnungen - stets unter Hinweis auf drohende disziplinarrechtliche Konsequenzen - ließen den Beklagten ebenso unbeeindruckt, wie die laufenden Kürzungen seiner Dienstbezüge aufgrund des vorangegangenen Disziplinarverfahrens und auch aufgrund der Unterschreitung seines Zeitkontos. Selbst die erneute Einleitung eines Disziplinarverfahrens im Dezember 2011 vermochte den Beklagten nicht derart zu berühren, dass er zumindest ansatzweise bereit gewesen wäre, einen guten Willen erkennen zu lassen. Das wiederholte Anmahnen der Nachweise über Beratungsgespräche bei der Caritas, und auch des geforderten Therapieplans sowie die zuletzt angeordnete Durchführung einer Therapie ließ der Beklagte insgesamt spurlos an sich vorüberziehen. Selbst der Anordnung, sich bei Dienstunfähigkeit durch das Gesundheitsamt jeweils untersuchen zu lassen, kam der Beklagte auch noch nach Einleitung des Disziplinarverfahrens und der konkret drohenden Disziplinierung in 11 Fällen nicht nach. Seine Einlassung im Klageverfahren zeigt, dass er offenkundig darauf vertraut hat, wegen der von ihm begangenen Verfehlungen aufgrund einer Schuldunfähigkeit nicht belangt werden zu können, so dass er persönlichkeitsimmanent sogar noch im Disziplinarklageverfahren Bemühungen, dem Dienstherrn zumindest eine Bereitschaft zur zukünftigen ordnungsgemäßen Dienstleistung zu signalisieren, schlicht unterlassen hat.

75

Erschwerend ist schließlich zu berücksichtigen, dass die Alkoholsucht des Beamten auch Auswirkungen auf den Dienstbetrieb hatte. Der Beamte musste am 3. Februar 2012 von seinen dienstlichen Pflichten entbunden werden mit der Folge, dass seine Kollegen die von ihm über geraume Zeit vernachlässigte Sachbearbeitung miterledigen müssen.

76

Gründe, die eine mildere Bewertung des Dienstvergehens ausnahmsweise rechtfertigen könnten, sind im vorliegenden Fall nicht erkennbar. Weder seine Dienstleistungen, die ausweislich der Verwaltungsvorgänge ohnehin nicht dem Durchschnitt entsprachen, noch seine strafrechtliche Unbescholtenheit vermochten die Schwere der Verfehlungen aufzuwiegen. Disziplinarrechtlich weist der Beklagte - wie bereits ausgeführt – eine nicht unerhebliche Vorbelastung auf.

77

Grundsätzlich kann der Umstand einer verminderten Schuldfähigkeit zugunsten des Beamten bei der Maßnahmebemessung Berücksichtigung finden (vgl. BVerwG, Urteil vom 03. Mai 2007, 2 C 9/06 – juris -). Zwar wurde beim Beklagten durch Dr. med. H... eine solche für den Zeitraum der von ihm begangenen Pflichtverletzungen festgestellt, jedoch vermag dieser Umstand nach Lage des vorliegenden Einzelfalls unter dem Blickwinkel des Persönlichkeitsbildes des Beamten ebenso nicht mildernd in die Entscheidung über die Bemessung der Disziplinarmaßnahme einzufließen. Mit dem Gutachter ist davon auszugehen, dass beim Beklagten aufgrund der festgestellten Persönlichkeitsveränderung eine eingeschränkte Schuldfähigkeit vorgelegen hat. Ob diese jedoch im Sinne von §§ 20, 21 StGB geeignet war, die Steuerungsfähigkeit „erheblich“ zu mindern, ist eine Rechtsfrage, die die Verwaltungsgerichte ohne Bindung an die Einschätzung Sachverständiger in eigener Verantwortung zu beantworten haben. Hierzu bedarf es einer Gesamtschau der Persönlichkeitsstruktur des Betroffenen, seines Erscheinungsbildes vor, während und nach der Tat und der Berücksichtigung der Tatumstände, insbesondere der Vorgehensweise. Die Erheblichkeitsschwelle liegt umso höher, je schwerer das in Rede stehende Delikt wiegt. Dementsprechend hängt im Disziplinarrecht die Beurteilung der Erheblichkeit im Sinne von § 21 StGB von der Bedeutung und Einsehbarkeit der verletzten Dienstpflichten ab (vgl. BVerwG, Urteil vom 3. Mai 2007, a.a.O.).

78

Vor dem Hintergrund dessen, dass der Beklagte über einen erheblichen Zeitraum und trotz massiver Bemühungen seines Dienstherrn jegliche Anstrengungen unterlassen hat, um seiner leicht einsehbaren Kernpflicht, nämlich dem Dienstherrn seine volle Arbeitskraft zur Verfügung zu stellen, nachzukommen, kann in Ansehung der daraus resultierenden erheblichen Schwere des Dienstvergehens die Erheblichkeit der verminderten Schuldfähigkeit nicht bejaht werden. Die Folgen seines Fehlverhaltens wurden dem Beklagten tagtäglich vor Augen geführt und der angebotenen Hilfe hat er sich bewusst verschlossen. Dies auch noch nachdem er durch eine bereits vorangegangene Disziplinarmaßnahme hinreichend gewarnt war. Schließlich hat der Gutachter Dr. med. H... dem Beklagten bescheinigt, dass er kognitiv nicht so weit abgebaut war, dass er nicht in der Lage gewesen sei bzw. gewesen wäre, die Forderungen des Dienstherrn im Hinblick auf seine beruflichen Pflichten zu erkennen. Er wäre vielmehr durchaus in der Lage gewesen, diesem Verlangen zu entsprechen. Einem solchermaßen handelnden Beamten kann eine verminderte Schuldfähigkeit nicht mehr zugute gereichen.

79

Insgesamt kann ihm eine günstige Zukunftsprognose in die ordnungsgemäße Aufgabenerfüllung nicht mehr gestellt werden, so dass dem Dienstherrn eine weitergehende Zusammenarbeit mit dem Beamten nicht mehr zuzumuten ist. Der Beamte hat das Vertrauen seines Dienstherrn endgültig verloren. Eine Entfernung aus dem Dienst ist unausweichlich.

80

Infolge dessen ist die Entfernung des Beklagten aus dem Dienst auch nicht unverhältnismäßig. Insoweit sind die Zerstörung des Vertrauensverhältnisses, zu der das Fehlverhalten geführt hat, und die Auswirkungen der verhängten Disziplinarmaßnahme in Beziehung zu setzen. Unter diesem Blickwinkel begegnet die gegen den Beklagten verhängte Maßnahme keinen Bedenken. Ist ein Beamter – wie der Beklagte – durch ihm vorwerfbares Verhalten achtungs- und vertrauensunwürdig geworden und fehlt damit eine entscheidende Grundlage für die Fortsetzung des Beamtenverhältnisses, dann ist seine Entfernung aus dem Dienst die einzige Möglichkeit, das durch den Dienstherrn sonst nicht lösbare Beamtenverhältnis einseitig zu beenden. Die darin liegende Härte ist – auch unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten – für den Betroffenen nicht unverhältnismäßig, weil sie auf einem ihm zurechenbaren Verhalten beruht und einem der anerkannten Ziele des Disziplinarrechts, nämlich der Aufrechterhaltung der Integrität und Funktionsfähigkeit des Berufsbeamtentums im Interesse der Allgemeinheit, dient (BVerwGE 46, 64, 66; 103, 183, 189).

81

Eine von der gesetzlichen Regel der §§ 8 Abs. 2, 70 Abs. 2 LDG abweichende Entscheidung zum Unterhaltsbeitrag war vorliegend aus Gründen der Billigkeit in dem im Tenor ausgesprochenen Umfang geboten. Zweck des Unterhaltsbeitrages ist es, einem aus dem Beamtenverhältnis entfernten Beamten den Übergang in einen zivilen Beruf zu erleichtern und ihn während eines Übergangszeitraumes nicht in wirtschaftlich Not geraten zu lassen (Köhler/Ratz, Bundesdisziplinargesetz und materielles Disziplinarrecht, Kommentar, § 77 Rdnr. 2).

82

Vor dem Hintergrund dieser Zweckbestimmung ist vorliegend in Anbetracht dessen, dass das Gesundheitsamt bei der Kreisverwaltung ... mit dem Gutachter Dr. med. H... von einer derzeitigen Dienstunfähigkeit des Beklagten ausgeht und eine Langzeittherapie für die Dauer von sechs Monaten für erforderlich erachtet, davon auszugehen, dass dem Beklagten vor Ablauf einer derartigen Therapie ein Bemühen um eine berufliche Tätigkeit nicht möglich sein wird. Für dieses Bemühen soll ihm grundsätzlich ein Zeitraum von sechs Monaten zugebilligt werden. Da dem Beamten andererseits anzulasten ist, dass er selbst bis zum Entscheidungszeitpunkt des Gerichts eine solche Therapie noch nicht begonnen hat, hält die Kammer eine Verlängerung des Bewilligungszeitraumes für den Unterhaltsbeitrag für die Dauer von weiteren sechs Monaten über den bereits kraft Gesetzes vorgesehenen Zeitraum hinaus für erforderlich aber auch ausreichend, um eine unbillige Härte vom Beklagten abzuwenden.

83

Die Kostenentscheidung beruht auf § 99 Abs. 1 LDG; Verfahren nach dem Landesdisziplinargesetz sind gebührenfrei (§ 109 Abs. 1 LDG).

84

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten ergibt sich aus § 21 LDG i.V.m. §§ 167 VwGO, 708 Nr. 11, 711 ZPO.