Verwaltungsgericht München Beschluss, 17. Jan. 2017 - M 9 S 17.50032

published on 17/01/2017 00:00
Verwaltungsgericht München Beschluss, 17. Jan. 2017 - M 9 S 17.50032
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Tenor

I. Die aufschiebende Wirkung der Klage (Az.: M 9 K 17.50031) des Antragstellers gegen Nr. 3 des Bescheids des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom … Dezember 2016 wird angeordnet.

II. Die Antragsgegnerin trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt vorläufigen Rechtsschutz gegen die bevorstehende Überstellung nach Österreich im Rahmen des sog. Dublin-Verfahrens.

Der Antragsteller ist (alles nach eigenen Angaben) türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit und geboren am … 1991. Er wurde am 22. Februar 2016 wegen unerlaubten Aufenthalts im Bundesgebiet aufgegriffen und erkennungsdienstlich behandelt (davor war er bereits am 28. Oktober 2015 durch das Bundespolizeirevier … erkennungsdienstlich behandelt und wohl bei der versuchten Einreise in das Bundesgebiet abgewiesen worden, vgl. Bl. 31 der Bundesamtsakten). Auf die Angaben in den schriftlichen Stellungnahmen „Questionnaire for determining the member state responsible for examinig an application (initial enquiry)“ (Erstbefragung Dublin schriftliches Verfahren Englisch), dem Antragsteller ausgehändigt laut Randvermerk auf Bl. 9 der Bundesamtsakte am 22. Februar 2016, beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) ausgefüllt zurückgelaufen am 8. März 2016 (Bl. 9 - 12 der Bundesamtsakten) sowie „Questionnaire for determining obstacles to deportation in Dublin procedure (supplementary enquiry)“ (Zweitbefragung Dublin schriftliches Verfahren Englisch), undatiert (Bl. 13f. der Bundesamtsakten) wird Bezug genommen. Er habe das Heimatland erstmalig am 20. Januar 2016 verlassen und sei am 26. Januar 2016 im Deutschland angekommen. Zum Reiseweg und den Durchreiseländern machte der Antragsteller keine Angaben. Er gab an, nicht zu wissen, mit welchen Transportmitteln er gereist sei und außerdem, dass er nicht durch Mitgliedstaaten der Europäischen Union gereist sei. Der Fall des Antragstellers wurde vom Bundesamt - Entscheidungszentrum … in … am 22. Februar 2016 aufgenommen und als sog. Dublin-Aufgriffsfall und ausdrücklich nicht als Asylantrag behandelt (vgl. Bl. 8 der Bundesamtsakten).

Für den Antragsteller folgt aus dem von der Antragsgegnerin vorgelegten Verwaltungsvorgang ein EURODAC-Treffer für Österreich (AT* …; Bl. 6 sowie Bl. 73 der Bundesamtsakte).

Am 16. März 2016 richtete die Antragsgegnerin ein Übernahmeersuchen an Österreich. Im Übernahmeersuchen (Bl. 20 - 22 der Bundesamtsakten) wird u.a. mitgeteilt, dass der Antragsteller bislang keinen Asylantrag gestellt habe. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) der Republik Österreich teilte mit Schreiben vom 23. März 2016 mit, dass dem Übernahmeersuchen zugestimmt wird.

Mit Schreiben vom 1. April 2016 teilte die nach dem Wohnort des Antragstellers für diesen zuständige Ausländerbehörde, die Landeshauptstadt München, mit, dass der Antragsteller weder im Ausländerzentralregister noch im Einwohnermelderegister verzeichnet sei (Bl. 29 der Bundesamtsakten).

Mit Schreiben vom 31. Mai 2016 (Bl. 32f. der Bundesamtsakten; Bl. 34 enthält die Sendebestätigung) teilte das Bundesamt dem österreichischen Bundesasylamt - Koordinationsbüro Dublin mit, dass eine Überstellung des Antragstellers derzeit nicht möglich sei, weil der Antragsteller flüchtig sei; die Überstellung erfolge bis spätestens 23. September 2017 (Bl. 32 der Bundesamtsakten).

Der Antragsteller wurde am 10. Juni 2016 erneut aufgegriffen und erkennungsdienstlich behandelt; zu diesem Zeitpunkt war er im INPOL zur Fahndung ausgeschrieben (vgl. Bl. 36f. der Bundesamtsakten). Unter dem Datum des 10. Juni 2016 nimmt das Bundesamt die Stellung des Asylerstantrags an (Bl. 41 der Bundesamtsakten). Ebenfalls am 10. Juni 2016 fand das persönliche Gespräch zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaats zur Durchführung des Asylverfahrens - Erstbefragung statt. Auf die Niederschrift wird Bezug genommen (Bl. 58 - 61 der Bundesamtsakten). Hier machte der Antragsteller erstmals Angaben zum Reiseweg und im Vergleich zu früher abweichende Angaben zu den Zeitpunkten von Aus- und Einreise: Er habe das Heimatland erstmals am 28. Oktober 2015 verlassen, sei über den Kosovo, Montenegro, Serbien und Österreich nach Deutschland eingereist, wo er am 4. November 2015 angekommen sei. Außerdem gab er an, dass er über Österreich nach Deutschland eingereist sei und in Österreich ca. im November 2015 einen Asylantrag gestellt habe.

Am 10. August 2016 richtete die Antragsgegnerin ein erneutes Übernahmeersuchen an Österreich. Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl (BFA) der Republik Österreich teilte mit Schreiben vom 19. August 2016 (Bl. 88 der Behördenakten) hierauf unter dem Betreff „Übernahmeersuchen gemäß Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Rates - Unzuständigkeit“ Folgendes mit:

„Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bedauert, mitteilen zu müssen, dass Ihrem Ersuchen um Übernahme der oben genannten Person vom 10.08.2016 nicht [Hervorhebung i.Orig.] zugestimmt werden kann, da eine aufrechte Zustimmung vom 23.03.2016 vorliegt (siehe Anlage).

Bitte beachten Sie in diesem Zusammenhang die relevanten Fristenläufe.“

Mit Bescheid vom … Dezember 2016 lehnte das Bundesamt den Asylantrag als unzulässig ab (Nr. 1), stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 2) und ordnete die Abschiebung nach Österreich an (Nr. 3). Die Nr. 4 des Bescheids enthält die Befristungsentscheidung hinsichtlich des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots nach § 11 Abs. 1 AufenthG. Auf den Bescheid und seine Begründung wird Bezug genommen.

In einem Aktenvermerk ebenfalls vom 14. Dezember 2016 (Bl. 108 der Bundesamtsakten) ist vermerkt, dass die Überstellungsfrist verlängert worden sei, da die Ausländerbehörde mitgeteilt habe, dass dort der Antragsteller nicht bekannt sei. Ebenso sei er nicht im AZR eingetragen. Es sei zwei Monate zugewartet worden nach dem Aufgriff bis zur „Untergetaucht-Meldung“. Kurz darauf sei erst der Asylantrag gestellt worden. Somit sei die Verlängerung der Überstellungsfrist gerechtfertigt.

In einem weiteren Aktenvermerk ebenfalls vom 14. Dezember 2016 (Bl. 117 der Bundesamtsakten) findet sich eine Berechnung des Endes der Überstellungsfrist. Datum des Zuständigkeitsübergangs auf Österreich sei der 23. März 2016, Ende der Überstellungsfrist sei der 23. September 2017 nach Fristverlängerung wegen Untertauchens.

Mit Begleitschreiben vom 28. Dezember 2016 wurde der Bescheid an den Antragsteller versandt. Laut der bei den Bundesamtsakten befindlichen Kopie der Postzustellungsurkunde wurde der Bescheid dem Antragsteller am 30. Dezember 2016 zugestellt.

Der Antragsteller ließ mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 5. Januar 2017, bei Gericht eingegangen per Telefax am selben Tag, Klage erheben (Az.: M 9 K 17.50031) mit dem Antrag, den Bescheid vom … Dezember 2016 aufzuheben.

Außerdem ließ der Antragsteller im selben Schriftsatz beantragen,

die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung [sic!] anzuordnen.

Mit Schreiben seines Bevollmächtigten vom 9. Januar 2017, bei Gericht eingegangen per Telefax am selben Tag, ließ der Antragsteller Klage und Antrag begründen. In dem Schriftsatz, auf den im Übrigen Bezug genommen wird, ist im Wesentlichen ausgeführt, dass der Antragsteller am 27. Januar 2016 einen Asylantrag gestellt habe. Das in dem angegriffenen Bescheid genannte Datum der Asylantragstellung, nämlich der 10. Juni 2016 sei unrichtig. Es handele sich wohl um einen Schreibfehler. Seitens des Bundesamts sei aufgrund des Abgleichs der Fingerabdrücke des Antragstellers festgestellt worden, dass der Antragsteller bereits zuvor einen Asylantrag in Österreich gestellt habe. Gemäß Art. 3 Dublin III-Verordnung sei damit Österreich für die Behandlung des Asylantrags des Antragstellers zuständig. Vom Bundesamt sei am 30. März 2016 ein Übernahmeersuchen an Österreich gerichtet worden. Die österreichischen Behörden hätten mit Schreiben vom 23. März 2016 ihre Zuständigkeit erklärt. Indessen sei Österreich nicht mehr für die Durchführung des Asylverfahrens des Antragstellers zuständig. Denn die Überstellungsfrist gemäß Art. 29 Dublin III-Verordnung - also die Frist für die Durchführung der Abschiebung in den zuständigen Staat - sei abgelaufen. Diese Frist betrage grundsätzlich sechs Monate nach der Annahme des Wiederaufnahmegesuchs durch die österreichischen Behörden. Diese Annahme sei vorliegend spätestens am 23. März 2016 erfolgt und sei demnach am 23. September 2016 abgelaufen. Da also die Überstellung des Antragstellers innerhalb der Frist von sechs Monaten nicht erfolgt sei, sei die Antragsgegnerin für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig geworden. Damit stelle sich sowohl die Ablehnung des Asylantrags als unzulässig als auch die Abschiebungsandrohung [sic!] als rechtswidrig dar und beides verletze den Antragsteller in seinen Rechten.

Die Antragsgegnerin legte die Behördenakten vor, äußerte sich in der Sache aber nicht.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten in diesem und im dazugehörigen Klageverfahren und der Behördenakten Bezug genommen.

II.

Der Antrag hat Erfolg.

Der Antrag ist sachdienlich dahin auszulegen, dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung begehrt wird und nicht, wie der Bevollmächtigte des Antragstellers unzutreffend beantragt hat, die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung; durch die Bezugnahme auf den streitgegenständlichen Bescheid ist ausreichend klar, was gemeint sein soll, da dieser Bescheid eben nur eine Abschiebungsanordnung, aber keine Abschiebungsandrohung enthält.

Für das Gericht ist hinsichtlich der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der Entscheidung maßgeblich (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 AsylG). Insbesondere kommen das AsylG und das AufenthG in den durch das Gesetz zur Einführung beschleunigter Asylverfahren vom 11. März 2016 (BGBl I, S. 390), das Gesetz zur erleichterten Ausweisung von straffälligen Ausländern sowie zum erweiterten Ausschluss der Flüchtlingsanerkennung bei straffälligen Asylbewerbern vom 11. März 2016 (BGBl I, S. 394) und das Integrationsgesetz vom 31. Juli 2016 (BGBl I, S. 1939) geänderten Fassungen zur Anwendung.

Der Antrag ist zulässig, insbesondere ist er fristgerecht gestellt, § 34a Abs. 2 Satz 1 AsylG i.V.m. § 80 Abs. 5 Satz 1 VwGO.

Der Antrag ist auch begründet, denn die Klage in der Hauptsache wird nach jetzigem Stand jedenfalls in Bezug auf die für den vorläufigen Rechtsschutz allein relevante Abschiebungsanordnung Erfolg haben. Das private Interesse des Antragstellers an der Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsanordnung überwiegt daher das öffentliche Interesse an der kraft Gesetzes bestehenden sofortigen Vollziehbarkeit.

Die Abschiebungsanordnung nach Österreich in Nr. 3 des streitgegenständlichen Bescheids ist rechtswidrig, weil die Voraussetzungen gemäß § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG nicht vorliegen.

Nach § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat an, sobald feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann.

1. Zwar ist entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten des Antragstellers davon auszugehen, dass Österreich als Mitgliedstaat, in dem der Antragsteller ausweislich des Eurodac-Treffers für Österreich einen Asylantrag gestellt hat, (immer noch) für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.

Die Zuständigkeit für die Durchführung des Asylverfahrens richtet sich vorliegend nach der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (Dublin III-VO). Die Zuständigkeitskriterien der Dublin III-VO finden nach Art. 49 Abs. 2 dieser Verordnung auf Asylanträge, die - wie hier - nach dem 1. Januar 2014 gestellt worden sind, Anwendung.

Art. 3 Abs. 1 Dublin III-VO sieht vor, dass der Asylantrag von dem Mitgliedstaat geprüft wird, der nach den Kriterien des Kapitels III der Dublin III-VO als zuständiger Staat bestimmt wird. Bei Anwendung dieser Kriterien ist Österreich für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig. Gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 1 Dublin III-VO ist derjenige Mitgliedstaat für die Prüfung des Asylantrags zuständig, über dessen Grenze der Asylbewerber aus einem Drittstaat illegal eingereist ist. Das ist auch nach dem eigenen Vortrag des Antragstellers Österreich. Ausgehend vom Vortrag des Antragstellers hat er in Österreich zudem einen Asylantrag gestellt. Der Umstand der Asylantragstellung in Österreich wird außerdem belegt durch den für den Antragsteller erzielten Eurodac-Treffer mit der Kennzeichnung „AT1“. Die Ziffer „1“ steht für einen Antrag auf internationalen Schutz (Art. 24 Abs. 4 der Verordnung (EU) Nr. 603/2013 vom 26. Juni 2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 über die Einrichtung von Eurodac für den Abgleich von Fingerabdruckdaten zum Zwecke der effektiven Anwendung der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist und über der Gefahrenabwehr und Strafverfolgung dienende Anträge der Gefahrenabwehr- und Strafverfolgungsbehörden der Mitgliedstaaten und Europols auf den Abgleich mit Eurodac-Daten sowie zur Änderung der Verordnung (EU) Nr. 1077/2011 zur Errichtung einer Europäischen Agentur für das Betriebsmanagement von IT-Großsystemen im Raum der Freiheit, der Sicherheit und des Rechts (Neufassung) (EURODAC-VO)). Die Zuständigkeit Österreichs ist auch nicht gemäß Art. 13 Abs. 1 Satz 2 Dublin III-VO erloschen. Damit ist vorliegend Österreich der für die Durchführung des Asylverfahrens zuständige Mitgliedstaat.

Die österreichischen Behörden haben die Zuständigkeit Österreichs mit Schreiben vom 23. März 2016 jedenfalls zunächst auch akzeptiert.

Entgegen der Auffassung des Bevollmächtigten des Antragstellers ist die sog. Überstellungsfrist im Entscheidungszeitpunkt noch nicht abgelaufen, ein Zuständigkeitsübergang auf die Antragsgegnerin gemäß Art. 29 Abs. 2 Dublin III-VO ist daher nicht erfolgt.

Das wäre nur dann der Fall, wenn hier die Überstellungsfrist gemäß Art. 29 Unterabs. 1, Abs. 2 Satz 1 Dublin III-VO die Regeldauer von sechs Monaten hätte, was aber nicht der Fall ist. Denn die Antragsgegnerin hat von der Möglichkeit gemäß Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Var. 2 Dublin III-VO Gebrauch gemacht.

Diese Vorschrift sieht vor, dass die Frist höchstens auf 18 Monate verlängert werden kann, wenn die betreffende Person flüchtig ist. Der Umstand, dass der Antragsteller im relevanten Zeitpunkt flüchtig gewesen ist, steht nach Aktenlage (Auskunft der Landeshauptstadt München vom 01.04.2016, Bl. 29 der Bundesamtsakten) fest. Zu diesem Zeitpunkt war der Antragsteller für die Behörden der Antragsgegnerin nicht greifbar; ausgerichtet am Sinn und Zweck der Vorschrift des Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Var. 2 Dublin III-VO - die Verlängerung der Frist kann für den Fall, dass ein Antragsteller flüchtig ist, erfolgen, weil ein Antragsteller nicht dadurch den Zuständigkeitsübergang durch pflichtwidriges Tun soll herbeiführen können, indem er sich der Überstellung durch „Untertauchen“ entzieht - durfte die Antragsgegnerin in diesem Zeitpunkt die Frist verlängern.

Die Antragsgegnerin hat von dieser Möglichkeit auch Gebrauch gemacht. Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Aktenvermerk Fristverlängerung (Bl. 108 der Bundesamtsakten) erst am 14. Dezember 2016 erfolgt ist. Denn bereits im Zeitpunkt des Schreibens des Bundesamts vom 31. Mai 2016 (Bl. 32f. der Bundesamtsakten) an das österreichische Bundesasylamt - Koordinationsbüro Dublin ist die erfolgte Fristverlängerung, die mangels entsprechender Rechtsvorschrift nicht in einem Bescheid o.ä. erfolgen muss, nach außen dokumentiert, indem das Bundesamt in diesem Schreiben mitgeteilt hat, dass die Überstellung bis 23. September 2017 erfolgen werde; dieses Datum ist genau der Endzeitpunkt der (verlängerten) 18-Monats-Frist, gerechnet ab der österreichischen Zustimmung vom 23. März 2016 (vgl. Art. 29 Abs. 1 Unterabs. 1 Dublin III-VO).

Offen bleiben kann, ob Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Var. 2 Dublin III-VO die Befugnis dazu verleiht, die Dauer der Fristverlängerung immer bis zum Maximalzeitraum auszuschöpfen; im Zeitpunkt des „Untertauchens“ bzw. „Flüchtig-Seins“ ist das wohl nicht zu beanstanden, denn naturgemäß steht, anders als im Fall von Art. 29 Abs. 2 Satz 2 Var. 1 Dublin III-VO, gerade kein Endzeitpunkt fest. Diese Frage, wie auch die Frage, ob zu verlangen ist, dass in dem Zeitpunkt, in dem der Flüchtige wieder „auftaucht“, wiederum eine Begrenzung der verlängerten Frist vorzunehmen ist, kann aber in diesem Verfahren offen bleiben, da es darauf derzeit wegen der sogleich anschließenden Ausführungen unter 2. nicht ankommt.

Der Umstand dagegen, dass Österreich mit Schreiben vom 19. August 2016 - zu Unrecht - mittlerweile einer Überstellung nicht mehr zustimmt, lässt nicht die objektiv nach der Gesetzeslage weiterhin bestehende Zuständigkeit entfallen, vielmehr verhindert dieser Umstand den Erlass einer Abschiebungsanordnung deswegen, weil in diesem Fall nicht feststeht, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann (dazu sogleich).

2. Jedoch steht nicht i.S.v. § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG fest, dass die Abschiebung nach Österreich durchgeführt werden kann.

Zwar bestehen keinerlei Zweifel daran, dass das Asylsystem in Österreich den anzulegenden Maßstäben gerecht wird.

Jedoch steht die Mitteilung des österreichischen BFA vom 19. August 2016 entgegen.

Gemäß § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylG ordnet das Bundesamt u.a. im hier vorliegenden Fall des § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) AsylG die Abschiebung an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Das setzt voraus, dass das Bundesamt die Übernahmebereitschaft des Zielstaates abschließend geklärt hat (vgl. VG Trier, B.v. 16.04.2014 - 5 L 569/14.TR -, juris Rn. 52; Funke/Kaiser in: Gemeinschaftskommentar zum AsylG, 101. Ergänzungslieferung Juni 2014, § 34 a AsylVfG, Rn. 20 m.w.N.), d.h. die Aufnahmebereitschaft des Zielstaats muss feststehen (Hailbronner, AuslR, 96. Aktualisierung 2016, § 34a AsylG Rn. 22) bzw. der Zielstaat hat der Übernahme zugestimmt (vgl. Bergmann in: Renner/Bergmann/Dienelt, Ausländerrecht, 10. Auflage, § 34 a AsylVfG, Rn. 3), was im Fall des § 29 Abs. 1 Nr. 1 lit. a) AsylG wegen Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO auch eine fiktive Zustimmung mit einschließt.

Das ist hier aber nicht der Fall, vielmehr steht derzeit nur die fehlende Übernahmebereitschaft fest.

Österreich hat eine Übernahme auf der Grundlage des Dublin-Verfahrens nämlich mit dem Schreiben des BFA vom 19. August 2016 ausdrücklich abgelehnt. Es ist nicht ganz klar, warum im streitgegenständlichen Bescheid dieses Schreiben nicht einmal erwähnt, sondern nur auf das überholte Zustimmungsschreibens vom 23. März 2016 verwiesen wird. Es kommt aber auch nicht darauf an, ob dieses Schreiben, obwohl es in der Bundesamtsakte vorhanden ist (Bl. 88 der Bundesamtsakte) nur übersehen oder ob es wegen seiner höflichen Formulierung möglicherweise nicht richtig verstanden wurde. Denn aus dem Schreiben vom 19. August 2016 ergibt sich unzweideutig, dass Österreich den Antragsteller nicht (mehr) aufnehmen wird (vgl. den Wortlaut „Das Bundesamt für Fremdenwesen und Asyl bedauert, mitteilen zu müssen, dass Ihrem Ersuchen um Übernahme der oben genannten Person vom 10.08.2016 nicht [Hervorhebung i.Orig.] zugestimmt werden kann[…]). Der im Anschluss folgende Verweis auf das frühere Schreiben vom 23. März 2016 („[…]da eine aufrechte Zustimmung vom 23.03.2016 vorliegt (siehe Anlage)“), das außerdem in der Anlage noch einmal mitgeschickt wurde, ändert an der Aussage des Schreibens vom 19. August 2016 nichts. Denn die Mitsendung des „alten“ Schreibens vom 23. März 2016 in der Anlage dient ersichtlich nur dazu, die Behörde der Antragsgegnerin höflich darauf hinzuweisen, dass sie aus Sicht der österreichischen Behörden die Überstellungsfrist versäumt hat. Das wird deutlich aus dem folgenden Satz: „Bitte beachten Sie in diesem Zusammenhang die relevanten Fristenläufe“ und nicht zuletzt aus dem Betreff des Schreibens vom 19. August 2016, nämlich Unzuständigkeit.

Der Umstand, dass Österreich nach dem oben unter 1. Gesagten immer noch zuständig ist, ändert nichts, denn § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG stellt gerade darauf ab, dass zusätzlich zur bestehenden rechtlichen Zuständigkeit eines Mitgliedstaats auch in tatsächlicher Hinsicht feststehen muss, dass die Abschiebung durchgeführt werden kann, was bei einer ausdrücklichen Weigerung des Mitgliedstaats nicht gegeben ist. In einer Konstellation wie der vorliegenden bedürfte es für den Nachweis insoweit eines erneuten Schreibens der österreichischen Behörden, in dem wiederum eine Zustimmung zur Abschiebung des Antragstellers erteilt bzw. das Schreiben vom 19. August 2016 widerrufen wird; daran fehlt es im Entscheidungszeitpunkt dieses Beschlusses.

3. Dem Antrag ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO stattzugeben. Das Verfahren ist nach § 83b AsylG gerichtskostenfrei.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a). (2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur 1. bei der

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

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published on 15/03/2017 00:00

Tenor I. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 14. Dezember 2016 wird aufgehoben. II. Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens. III. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Ko
published on 16/04/2014 00:00

Diese Entscheidung zitiert Tenor 1. Die aufschiebende Wirkung der unter dem Aktenzeichen 5 K 568/14.TR bei dem beschließenden Gericht anhängigen Klage wird insoweit angeordnet, als sich die Klage gegen die in dem Bescheid der Antragsgegner
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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.

(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Entscheidungen in Rechtsstreitigkeiten nach diesem Gesetz können vorbehaltlich des § 133 Abs. 1 der Verwaltungsgerichtsordnung nicht mit der Beschwerde angefochten werden.