Gericht

Verwaltungsgericht München

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

III.

Der Streitwert wird auf 5.000 Euro festgesetzt.

Gründe

I.

Der 1958 geborene Antragsteller steht seit 10. Oktober 1985 als Beamter auf Lebenszeit im Dienstgrad eines Ersten Polizeihauptkommissars in den Diensten des Antragsgegners. Der Antragsteller ist hierbei insbesondere als Seminarleiter im Dienstbetrieb des Antragsgegners, im Fortbildungsinstitut der ... (...) in ..., als Fachlehrer eingesetzt.

Der Antragsteller trat in einer Fernsehsendung des Senders „...“ auf und nahm hier an einer Diskussionsrunde teil, wobei Name und Berufsbezeichnung des Antragstellers genannt wurden. Diese Sendung befasste sich mit den Ideen der sogenannten „...bewegung“, die sich auf ein Deutsches Reich beruft und die Existenz der Bundesrepublik Deutschland leugnet. Dabei gab der Antragsteller unter anderem an, „seit 40 Jahren in der Firma“ zu sein und äußerte sich kritisch zur Gültigkeit von Wahlen, Gesetzen sowie zur Legitimation des Gesetzgebers. Daneben stellte er die Gültigkeit des Grundgesetzes in Frage. Das Video der Sendung erschien am ... 2015 auf der Plattform ...de und ist seither abrufbar.

In der Folge führte der Institutsleiter am 29. September und 22. Oktober 2015 Kritikgespräche mit dem Antragsteller und teilte ihm mit, dass die Führung im Haus sich von dem Vorgehen und den Inhalten der Aussagen des Antragstellers distanziere.

Am ... Februar 2016 nahm der Antragsteller auf Einladung der „...“ in .../... an einer geschlossenen und für die Öffentlichkeit nicht zugänglichen Veranstaltung teil. Im Zuge der Veranstaltung trat der Antragsteller zum Thema der sogenannten „Mensch-Kennzeichen“ als Ersatz für Haftpflicht-Kennzeichen als Redner auf und äußerte sich zum Umgang mit Polizeibeamten. Am Folgetag erschien auf den Internetportalen von ...de und ...de ein Artikel, in dem über den Antragsteller im Zusammenhang mit einer Veranstaltung von „...“ berichtet wurde. Dabei wurde auch mitgeteilt, dass der Antragsteller ein hochrangiger Polizeibeamter sei und als Erster Polizeihauptkommissar im ... in ... unterrichte. Noch am selben Tag erhielt der Antragsgegner die Anfrage eines Bürgers, wie die staatsfeindliche Haltung des Antragstellers mit dessen Beruf vereinbar sei und warum dieser im Fortbildungsinstitut lehren dürfe. ... Februar 2016 erschien ein Zeitungsartikel in der ... über den Antragsteller unter dem Titel „...‘“.

Am 19. Februar 2016 untersagte der Antragsgegner dem Antragsteller nach dessen Anhörung mündlich die Führung seiner Dienstgeschäfte. Zudem erteilte er dem Antragsteller für die Dauer des Verbotes für sämtliche Diensträume der Bayerischen Bereitschaftspolizei ein Hausverbot und untersagte ihm, Dienstkleidung zu tragen und eine Dienstwaffe zu führen. Er ordnete an, dass der Antragsteller sämtliche in seinem Besitz befindlichen Ausrüstungsgegenstände herauszugeben habe und ordnete die sofortige Vollziehung sämtlicher Verfügungen an. Mit Schreiben vom 24. Februar 2016 bestätigte der Antragsgegner die mündlich ausgesprochenen Verfügungen. Zur Begründung führte der Antragsgegner an, der Antragsteller pflege Verbindungen zur sogenannten „...bewegung“. Er sei unter Bekanntgabe seines Berufes als Polizeibeamter einschließlich genauer Amtsbezeichnung und Zugehörigkeit zum ... in der Öffentlichkeit aufgetreten. Das auf ... auffindbare Video zeige, dass der Antragsteller die Thesen der ...bewegung für richtig befinde und unterstütze. Darüber hinaus fänden sich aktuelle einschlägige Presseberichterstattungen im Internet. Er sei bei einer Veranstaltung der „...“ als Redner aufgetreten und habe auch hier Beruf und Zugehörigkeit genannt. Obwohl die getroffene Maßnahme einen erheblichen Eingriff in die Rechte des Antragstellers als Beamter darstelle und mit einer massiven psychischen Belastung für ihn verbunden sei, sei die Maßnahme verhältnismäßig, da die Vorwürfe in besonderer Weise geeignet seien, das Ansehen der Polizei zu schädigen. Weiterhin könne es zu erheblichen Störungen im Dienstbetrieb des ... kommen, da sich Kollegen und Lehrgangsteilnehmer verunsichert fühlen könnten. Die Anordnung der sofortigen Vollziehung liege zudem im besonderen öffentlichen Interesse, da die Integrität des Antragstellers wegen des gegen ihn gerichteten Verdachts so sehr in Zweifel zu ziehen sei, dass eine vertrauensvolle Zusammenarbeit momentan nicht möglich wäre. Ohne Sofortvollzug wären der Dienstbetrieb und das Ansehen der Polizei erheblich und unnötig belastet. Eine Abwägung ergebe auch im Hinblick auf die für den Antragsteller verbundenen Nachteile ein besonderes öffentliches Interesse an der sofortigen Vollziehung.

Gegen den Antragsteller wurde am 19. Februar 2016 ein Disziplinarverfahren wegen des Verdachtes einer schwerwiegenden Dienstpflichtverletzung aufgrund einer Verbindung zur „...bewegung“ eingeleitet und mit Vermerk vom 11. April 2016 ausgedehnt.

Mit Schreiben vom 14. März 2016 erhob der Antragsteller gegen den Bescheid vom 24. Februar 2016 Widerspruch. Mit Schriftsatz vom 15. März 2016 hat der Antragsteller einen Antrag auf einstweiligen Rechtsschutz gestellt und beantragt:

1. Die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs vom 14. März 2016 gegen den Bescheid des Antragsgegners vom 24. Februar 2016 bezüglich der Ziffern 1 bis 3 wird wiederhergestellt.

2. Der Antragsgegner ist ferner zu verbescheiden, die vom Antragsteller bereits abgegebenen Ausrüstungsgegenstände, insbesondere die Dienstwaffe, den Mehrzweckschlagstock, das Pfefferspray, den Dienstausweis, den Berechtigungsschein KFZ sowie alle Dienstschlüssel unverzüglich an den Antragsteller auszuhändigen.

Der Antragsteller sei kein Mitglied der „...bewegung“. Er sei auf der Veranstaltung der „...“ als Privatperson aufgetreten und habe klargestellt, dass er keinesfalls eine Rede als Vertreter von Polizeiorganisationen halte. Er habe sich klar von den Denkansätzen distanziert und mehrfach sein Bestreben im Hinblick auf die Aufrechterhaltung und das Fortbestehen der freiheitlich-demokratischen Grundordnung bekräftigt. Hinsichtlich des ...-Videos sei aufgrund des Zeitablaufs ein Vertrauensschutz entstanden, da der Antragsgegner nach dessen Erscheinen weder ein Disziplinarverfahren einleitete noch die Führung der Dienstgeschäfte untersagte. Der Sofortvollzug sei rechtswidrig, da der Antragsgegner lediglich den Gesetzestext wiedergebe und die Meinungsfreiheit nicht gegenüber den Interessen des Antragsgegners ordnungsgemäß abgewogen habe. Es mangele an der notwendigen Aufklärung des Sachverhaltes sowie der Anhörung neutraler Zeugen. Die befürchtete Verunsicherung am ... sowie die Störungen im Dienstbereich würden reine Spekulation darstellen. Der Antragsteller habe einen Anspruch auf amtsangemessene Beschäftigung, zudem verstoße der Antragsgegner gegen seine Fürsorgepflicht. Auch sei widersprüchlich, dass einerseits lediglich der Verdacht einer schweren Dienstpflichtverletzung bestehe, andererseits aber bereits ein konkreter und erheblicher Vertrauensverlust mit einer massiven Ansehensbeschädigung eingetreten sei. Es hätte als milderes Mittel die bloße Entbindung von der Fachlehrertätigkeit zur Verfügung gestanden. Das Hausverbot sowie die Entbindung von allen Tätigkeiten für den Dienstherrn seien unverhältnismäßig. Soweit der Antragsgegner in seinem Schriftsatz vom 2. Mai 2016 neue Tatsachen mitteilte, welche die Rechtmäßigkeit der Anordnung der sofortigen Vollziehung untermauern würden, liege ein unzulässiges Austauschen von Gründen vor.

Mit Schriftsatz vom 12. April 2016 hat das Präsidium der Bayerischen Bereitschaftspolizei für den Antragsgegner beantragt,

den Antrag abzulehnen.

Der Antragsgegner wiederholte das Vorbringen aus der Untersagungsverfügung vom 24. Februar 2016. Er trägt weiter vor, der Antragsteller habe sich nicht in ordnungsgemäßer Weise von Gruppen und Bestrebungen distanziert, die den Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassung angreifen. Er habe die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Frage gestellt. Gerade vor dem Hintergrund der Kritikgespräche anlässlich des Fernsehauftrittes hätte ihm sein Tun bewusst sein müssen. Erschwerend sei zu berücksichtigen gewesen, dass beide Auftritte des Antragstellers der Öffentlichkeit bekannt geworden seien und dort für großes Unverständnis gesorgt hätten. Aufgrund der herausgehobenen Stellung des Antragstellers und seiner Tätigkeit als Seminarleiter seien die Pressemitteilungen mittlerweile in weiten Kreisen der Polizei bekannt. Den Seminarteilnehmern sei es nicht vermittelbar, warum ein Beamter, der den Staat derart kritisch sehe und dies auch öffentlich äußere, weiterhin als Seminarleiter tätig sein könne.

Mit Schriftsatz vom 12. April 2016 hat der Antragsgegner weitere Tatsachen vorgetragen, die ihm am 1. März 2016 bekannt geworden seien. So habe der Antragsteller Verschwörungstheorien über den Tod von Franz Josef Strauß und Jörg Haider geäußert. Außerdem habe er Ausgaben des rechtspopulistischen Magazins „compact“ im Lehrerzimmer des ... ausgelegt.

Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten verwiesen.

II.

Der zulässige Antrag ist unbegründet.

1. Nach § 80 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO haben Widerspruch und Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung. Die Behörde darf die aufschiebende Wirkung gemäß § 80 Abs. 2 Nr. 4 VwGO durch Anordnung der sofortigen Vollziehung beseitigen, wenn dafür ein besonderes öffentliches Interesse besteht, das grundsätzlich über jenes Interesse hinauszugehen hat, welches den Verwaltungsakt selbst rechtfertigt. Dieses besondere öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts ist nach § 80 Abs. 3 Satz 1 VwGO schriftlich zu begründen.

Das öffentliche Interesse an der sofortigen Vollziehung eines Verbots der Führung der Dienstgeschäfte ist in aller Regel zu bejahen, sofern dieses nicht offensichtlich rechtswidrig ist (Zängl in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Bayerisches Beamtengesetz, Stand: Februar 2016, § 39 BeamtStG Rn. 59). Beim Vorliegen von Gründen, die ein Verbot der Führung der Dienstgeschäfte erforderlich machen, ist dieses regelmäßig auch unaufschiebbar, um überhaupt den Zweck eines solchen Verbotes erfüllen zu können. Für die Begründung der sofortigen Vollziehung sind deshalb grundsätzlich keine weiteren Gründe erforderlich als für die Anordnung des Verbots (VG München, B.v. 13.10.2006 - 5 S 06.3478 - juris Rn. 15; B.v. 7.5.2013 - M 5 S 13.1380). Die im Bescheid des Antragsgegners vom 24. Februar 2016 gegebene Begründung genügt diesen formalen Anforderungen. Entgegen der Auffassung des Antragstellers hat der Antragsgegner nicht bloß den Gesetzeswortlaut wiederholt, sondern lässt erkennen, dass eine Einzelfallprüfung erfolgte und die unterschiedlichen, einander widerstreitenden Interessen der Beteiligten gegeneinander abgewogen wurden. Nicht notwendig ist es, explizit auf bestimmte Aspekte wie die Meinungsfreiheit einzugehen.

2. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung ist daher nur möglich, wenn nach der im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes vorzunehmenden summarischen Prüfung grundlegende Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der Anordnung bestehen (OVG Hamburg, B.v. 3.8.1954 - Bs II 32/54 - VerwRspr 1955, 216 f.). Ergibt sich hingegen, dass der Rechtsbehelf oder die Klage voraussichtlich erfolglos sein werden, scheidet eine Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung aus. Hiervon ausgehend ergibt die summarische Prüfung der Sach- und Rechtslage im vorliegenden Fall, dass keine durchgreifenden Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit des für sofort vollziehbar erklärten Verbotes der Führung der Dienstgeschäfte vom 24. Februar 2016 bestehen.

Gemäß § 39 des Gesetzes zur Regelung des Statusrechts der Beamtinnen und Beamten in den Ländern - Beamtenstatusgesetz/BeamtStG - i. V. m. Art. 6 Abs. 4 Satz 1 des Bayerischen Beamtengesetztes/BayBG kann die oberste Dienstbehörde oder die von ihr bestimmte Behörde einem Beamten aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verbieten. Diese vorläufige und zeitlich befristete Maßnahme dient dazu, ein weiteres dienstliches Tätigwerden des Beamten bis zur Entscheidung über die Einleitung eines Disziplinarverfahrens oder eines sonstigen auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren zu unterbinden.

a) Nach Art. 6 Abs. 4 Satz 2 BayBG soll der Beamte vor Erlass des Verbots gehört werden. Auch wenn die Anhörung als Sollvorschrift und nicht als zwingende Norm ausgestaltet ist, so binden auch Sollvorschriften die Verwaltung, soweit kein triftiger Grund für eine Ausnahme vorliegt (vgl. Zängl in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, a. a. O., § 39 BeamtStG Rn. 34, § 6 BayBG Rn. 19). Dem Antragsteller ist laut Niederschrift vom 19. Februar 2016 vor Ergehen der streitgegenständlichen Verfügung die Möglichkeit gegeben worden, sich zu äußern.

b) Bei dem Begriff der zwingenden dienstlichen Gründe im Sinne von § 39 BeamtStG handelt es sich nach allgemeiner Ansicht um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der der uneingeschränkten gerichtlichen Nachprüfung unterliegt. Dienstliche Gründe können sowohl im dienstlichen als auch im außerdienstlichen Verhalten des Beamten oder in seiner Person begründet sein, soweit sie sich auf die dienstlichen Bereiche auswirken können. Die dienstlichen Gründe müssen das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte zwingend erfordern. Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte ist eine Notmaßnahme, um eine erhebliche Beeinträchtigung oder Gefährdung dienstlicher oder öffentlicher Belange zu verhindern oder zu unterbinden. Es müssen also Umstände vorliegen, die eine weitere Ausübung der Dienstgeschäfte durch den Beamten zumindest im Augenblick als nicht vertretbar erscheinen lassen und es darf keine anderen, weniger einschneidenden Möglichkeiten geben, die dienstlichen Nachteile abzuwenden. Die zu befürchtenden Nachteile müssen also so gewichtig sein, dass dem Dienstherrn die Führung der Dienstgeschäfte durch den Beamten bis zur abschließenden Klärung und Entscheidung nicht zugemutet werden kann. Schließlich ist der Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu beachten, das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte darf nicht außer Verhältnis zur Schwere des inkriminierenden Verhaltens und dem Grad der zu befürchtenden Unzuträglichkeiten stehen. Soweit jedoch gewichtige Bedenken gegen eine Fortführung der Dienstgeschäfte bestehen, hat das Individualinteresse des Beamten an der Führung seiner Dienstgeschäfte gegenüber den dienstlichen Interessen zurückzutreten (vgl. zum Ganzen VG München, B.v. 7.5.2013 - M 5 S 13.1380; B.v. 13.10.2006 - 5 S 06.3478 - juris; VG Kassel, B.v. 16.10.2006 - 1 L 1108/09.KS - juris; Zängl in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, a. a. O., § 39 BeamtStG Rn. 21 ff. m. w. N.).

Im Hinblick auf die Fürsorgepflicht des Dienstherrn nach § 45 BeamtStG sind die dienstlichen Gründe des Dienstherrn erst zwingend, wenn es ihm nicht mehr zumutbar ist, die Dienstgeschäfte durch den Beamten fortsetzen zu lassen (Metzler-Müller/Rieger/Seeck/Zentgraf in Praxis der Kommunalverwaltung Band C 17 Bund, Stand Juni 2014, S. 387). Zwingende dienstliche Gründe können bereits bei Vorliegen des bloßen Verdachtes einer Straftat oder einer Dienstpflichtverletzung bestehen sowie auf einem durch wesentliche Unstimmigkeiten gestörten Vertrauensverhältnis, wenn dadurch eine ernsthafte Beeinträchtigung des Dienstbetriebes zu befürchten ist (Zängl in Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, a. a. O., § 39 BeamtStG Rn. 26 ff.). Voraussetzung ist also gerade nicht, dass nachgewiesen ist, dass der Beamte eine Straftat oder Dienstpflichtverletzung tatsächlich begangen hat. Bereits der Verdacht kann genügen, um ein Verbot nach § 39 BeamtStG auszusprechen (vgl. Praxis der Kommunalverwaltung, a. a. O., S. 387). Dies ist insofern gerechtfertigt, als das Verbot nach § 39 BeamtStG lediglich zeitweise gilt und kurzfristig zum Einsatz kommt, bis eine endgültige Klärung erreicht werden kann.

c) Durch den der streitgegenständlichen Maßnahme zugrunde liegenden Sachverhalt liegen solche Umstände vor, die eine weitere Ausübung der Dienstgeschäfte durch den Kläger im Zeitpunkt des Ausspruchs des Verbotes der Führung der Dienstgeschäfte als nicht vertretbar erscheinen lassen.

aa) Dabei sind allein die vom Antragsgegner in der Verfügung vom 19. Februar 2016 bzw. der schriftlichen Bestätigung vom 24. Februar 2016 angegebenen Gründe maßgeblich. Die mit Schriftsatz vom 2. Mai 2016 zusätzlich vorgebrachten Argumente stellen ein unzulässiges Nachschieben von Gründen dar, die keine Berücksichtigung finden können. Zwar ist es der Behörde gemäß § 114 S. 2 VwGO grundsätzlich möglich, ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren zu ergänzen. Die nachträglich angegebenen Gründe müssen jedoch schon bei Erlass des Verwaltungsaktes vorgelegen haben (BVerwG, U.v. 20.06.2013 - 8 C 46/12 - juris Rn. 32; Decker in Posser/Wolff, Beck OK VwGO, Stand 1. April 2016, § 114 Rn. 42). Der Antragsgegner gibt selbst an, dass ihm diese neuen Tatsachen erst am 1. März 2016 und somit nach Erlass der Verfügung bekannt geworden sind.

bb) Der Antragsteller ist mehrfach in Zusammenhang mit der „...bewegung“ in Erscheinung getreten, wobei sein Name und seine Funktion entweder benannt wurden oder allseits bekannt waren. Die „...bewegung“ stellt die Existenz der Bundesrepublik Deutschland als Staat in Frage und geht von einem Fortbestehen des Deutschen Reiches aus. Die BRD sei lediglich eine Firma und die Deutschen Bürger deren Personal, weshalb ein Personalausweis zu tragen sei (vgl. zum Ganzen Caspar/Neubauer, LKV 2012, 529 ff.). Der Antragsteller äußerte in dem Videoauftritt explizit, er sei „seit 40 Jahren in der Firma“, die SHAEF-Gesetze der Alliierten hätten weiterhin Geltung und er stellte in Frage, ob im Hinblick auf das Grundgesetz „geltendes Recht“ auch „gültiges Recht“ sei. Das Bundesverfassungsgericht habe festgestellt, dass alle Wahlen ungültig seien, daher sei der Gesetzgeber nicht legitimiert und in der Folge wohl sämtliche Gesetze ungültig. Zwar gibt der Antragsteller in seiner Antragsschrift an, kein Mitglied der „...bewegung“ zu sein und nicht die freiheitlich-demokratische Grundordnung der Bundesrepublik Deutschland zu bekämpfen. Gleichwohl entsprechen die bei seinem Fernsehauftritt getätigten Äußerungen dem Gedankengut der „...bewegung“. Durch die Teilnahme an der Veranstaltung der „...“, deren Mitglieder sich ebenfalls als „Reichsdeutsche“ ansehen, hat der Antragsteller erneut ein Verhalten gezeigt, dass jedenfalls eine gewisse Nähe zur „...bewegung“ vermuten lässt. Aus diesem Grund durfte der Antragsgegner von einem konkreten Verdacht einer Dienstpflichtverletzung ausgehen, welcher ein Verbot des Führens der Dienstgeschäfte rechtfertigt. Denn sollte der Antragsteller tatsächlich der „...bewegung“ zuzuordnen sein, liegt hierin ein gravierender Verstoß gegen seine Dienstpflicht (vgl. hierzu OVG Sachsen-Anhalt, B.v. 21. Mai 2015 - 10 M 4/15, 10 M 5/15, 10 M 6/15, 10 M 7/10 M 7/15, 10 M 4 - 7/15 - juris Rn. 21). Nach § 33 Abs. 1 S. 2 BeamtStG müssen sich Beamte durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten. Dies ist nicht gewährleistet, wenn ein Beamter als „...“ die Geltung des Grundgesetzes und die verfassungsmäßigen Strukturen der Bundesrepublik Deutschland in Frage stellt. Dieses Verhalten ist auch nicht durch die Meinungsfreiheit aus Art. 5 Grundgesetz/GG gedeckt.

Es ist kein Vertrauenstatbestand dadurch aufgebaut worden, dass der Dienstherr nicht schon unmittelbar nach Erscheinen des Videos ein Disziplinarverfahren eingeleitet hat. Zum einen wurden mit dem Antragsteller mehrfach Kritikgespräche hierüber geführt. Zum anderen war es zulässig, dass der Antragsgegner erst nach einem erneuten Auffälligwerden des Antragstellers die streitgegenständlichen Verfügungen erließ. Denn sein Mitwirken in der Sendung kann noch als einmaliges Fehlverhalten gewertet werden, der sich nicht wiederholt und durch die mehrfachen Kritikgespräche gestoppt wurde. Durch die Teilnahme an der Veranstaltung der „...“ als Redner hat der Antragsteller jedoch gezeigt, dass es sich nicht um eine bloß einmalige Angelegenheit gehandelt hat, sondern dass er ernsthaft die Distanz zu solchen Gruppierungen vermissen lässt. An dieser Bewertung ändert sich nichts, selbst wenn es sich nach Aussage des Antragstellers um eine geschlossene Veranstaltung gehandelt haben sollte, schließlich erfuhr dessen Teilnahme auch außerhalb der Veranstaltungsteilnehmer eine erhebliche Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Denn dieser zweite Vorfall hat zu Zeitungsartikeln in Online- und Printmedien sowie Bürgeranfragen geführt. Dies gilt selbst dann, wenn der Beamte lediglich die Position des Freistaates Bayern ausführen wollte. Denn die Organisation der „...“ steht unter dem Verdacht, die verfassungsmäßige Ordnung der Bundesrepublik Deutschland anzuzweifeln. Bei Beiträgen in einem solchen Rahmen ist, auch bei nichtöffentlichen Veranstaltungen, besondere Zurückhaltung geboten, insbesondere wenn Name und Funktion des Beamten allgemein bekannt sind.

Der Dienstherr durfte daher den Fernsehauftritt und die Teilnahme an besagter Veranstaltung zu einer gemeinsamen Betrachtung heranziehen und zusammen als hinreichend schwerwiegend für die streitgegenständliche Verfügung ansehen.

cc) Ob dieser Verdacht einer Dienstpflichtverletzung zutreffend ist und der Antragsteller der „...bewegung“ zuzuordnen ist und unter Rückgriff auf deren Ansichten die freiheitlich-demokratische Grundordnung in Frage stellt, ist letztlich im Rahmen des Disziplinarverfahrens zu klären. Das Verbot nach § 39 BeamtStG dient als Notmaßnahme nur zur Überbrückung der Zeit, bis eine solche gesicherte Aufklärung erzielt werden kann und setzt gerade keine konkrete Aufklärung voraus. Aus diesem Grund fordert § 39 S. 2 BeamtStG auch, dass das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte nicht länger als drei Monate bestehen soll, wenn kein Disziplinarverfahren oder ein sonstiges auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren eingeleitet wird. Gegen den Antragsteller ist am 19. Februar 2016 ein solches Disziplinarverfahren eingeleitet worden, so dass diese Bedingung des § 39 BeamtStG ebenfalls erfüllt ist.

Es ist auch nicht widersprüchlich, wenn der Antragsgegner einerseits von einem bloßen Verdacht einer schweren Dienstpflichtverletzung ausgeht, andererseits aber bereits ein konkreter und erheblicher Vertrauensverlust mit einer massiven Ansehensbeschädigung eingetreten sei. Denn durch das frei zugängliche Video auf ... und die Presse-Berichterstattung sind die Vorfälle an die Öffentlichkeit gelangt und haben bereits zu einer Bürgeranfrage geführt. Auch im Übrigen ist davon auszugehen, dass die Vorfälle Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit erregt haben. Bereits der Verdacht kann daher ausgereicht haben, um das Ansehen der Bayerischen Polizei zu beschädigen.

dd) Das Verbot der Führung der Dienstgeschäfte erweist sich nicht als unverhältnismäßig. Die Schwere des Verdachtes lässt eine weitere Tätigkeit des Antragstellers derzeit als unvertretbar erscheinen, während ihm durch das Verbot des Führens der Dienstgeschäfte angesichts der Fortzahlung der Bezüge keine erheblichen Nachteile entstehen.

Dem Interesse des Antragstellers an einer Weiterbeschäftigung steht das Interesse des Dienstherrn gegenüber, keinen Beamten im Dienstbetrieb einzusetzen, der das Grundgesetz und die freiheitlich-demokratische Grundordnung nicht achtet. Das Vertrauensverhältnis zu einem Beamten, der im Verdacht steht, gegen ein derart elementares Grundprinzip zu verstoßen, ist schwer belastet. Daneben wäre durch die Weiterbeschäftigung ein erheblicher Ansehensverlust der Bayerischen Polizei zu befürchten. Zum Zeitpunkt des Ausspruchs der Verfügung war die Aufmerksamkeit der Öffentlichkeit erregt und bereits die Reaktion eines Bürgers erfolgt. Das Erscheinen eines weiteren Artikels über den Antragsteller war angekündigt. Dass der Antragsteller im Bereich der Fortbildung von Polizeibeamten tätig ist („Multiplikatorenfunktion“), tritt überdies hinzu. Denn zum einen besteht die Gefahr, dass in Lehrveranstaltungen ähnliche Aussagen getätigt und hierdurch andere Polizeibeamte verunsichert werden, zum anderen ist eine negative Einflussnahme auf die Seminarteilnehmer zu befürchten. Darüber hinaus wird es den Seminarteilnehmern schwer vermittelbar sein, weshalb ein Polizist als Lehrkraft tätig sein darf, der im Verdacht steht, einer die Verfassung in Frage stellenden Gruppierung anzugehören. Durch diesen Verdacht ist jedoch nicht nur das Vertrauensverhältnis zu den Kollegen und Seminarteilnehmern belastet, sondern auch das Vertrauensverhältnis zum Dienstherren erheblich gestört. Dem steht auch nicht die Fürsorgepflicht des Dienstherrn entgegen. Es ist dem Dienstherrn nicht zumutbar, den Antragsteller weiter zu beschäftigen und abzuwarten, welche Auswirkungen im Dienstbetrieb tatsächlich entstehen. Die entsprechende Sorge des Antragsgegners liegt angesichts der herausgehobenen Funktion im Bereich der Fortbildung sowie dem vom Antragsteller innegehabten Amt nahe. Daneben bestehen die genannten weiteren Gründe, die das Verbot der Dienstgeschäfte stützen.

ee) Schließlich stand dem Antragsgegner auch kein milderes Mittel zur Verfügung. Die Integrität des Antragstellers als Beamter steht insgesamt in Frage, so dass es dem Antragsgegner nicht zuzumuten ist, den Antragsteller nur von einzelnen Tätigkeiten auszuschließen, im Übrigen aber weiter zu beschäftigen. Die Gründe, die für das Verbot sprechen, betreffen nicht nur die reine Lehrtätigkeit. Es ist nur folgerichtig, dass der Beamte in diesem Zusammenhang auch seine Ausrüstungsgegenstände abgeben muss. Denn für diese hat er keine Verwendung, da ihm die Führung der Dienstgeschäfte ohnehin untersagt ist. Auch das Hausverbot ist als flankierende Verfügung nicht zu beanstanden. Schließlich hat der Antragsteller kein berechtigtes Interesse an einem Betreten der Diensträume, solange er keine Dienstgeschäfte führen darf.

4. Der Antragsteller hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 Satz 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf §§ 53 Abs. 2 Nr. 1, 52 Abs. 1, 2 des Gerichtskostengesetzes/GKG. Hierbei wurden die beiden Nummern des Antrages des Beamten jeweils selbstständig kostenrechtlich bewertet.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht München Beschluss, 20. Juni 2016 - M 5 S 16.1250

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2.
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3.
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4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Beamtinnen und Beamten kann aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verboten werden. Das Verbot erlischt, wenn nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen die Beamtin oder den Beamten ein Disziplinarverfahren oder ein sonstiges auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren eingeleitet worden ist.

Der Dienstherr hat im Rahmen des Dienst- und Treueverhältnisses für das Wohl der Beamtinnen und Beamten und ihrer Familien, auch für die Zeit nach Beendigung des Beamtenverhältnisses, zu sorgen. Er schützt die Beamtinnen und Beamten bei ihrer amtlichen Tätigkeit und in ihrer Stellung.

Beamtinnen und Beamten kann aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verboten werden. Das Verbot erlischt, wenn nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen die Beamtin oder den Beamten ein Disziplinarverfahren oder ein sonstiges auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren eingeleitet worden ist.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer Verfügung, mit der ihr die Annahme und Vermittlung unerlaubter Sportwetten in ihrem Geschäftsraum in der F.-Straße ... in W. untersagt worden war.

2

In dieser Betriebsstätte vermittelte die Klägerin Sportwetten an die D. GmbH in Österreich. Ihr Antrag auf Erteilung einer Vermittlungserlaubnis, hilfsweise auf Feststellung, dass die österreichische Konzession des Wettanbieters einer inländischen Erlaubnis gleichstehe, wurde abgelehnt. Dagegen erhob die Klägerin Klage. Nach vorheriger Anhörung untersagte die Stadt W. als Rechtsvorgängerin des Beklagten ihr mit sofort vollziehbarem Bescheid vom 30. August 2007 die Vermittlung von Sportwetten in ihrem Wettlokal, gab ihr auf, den Betrieb einzustellen, und drohte ein Zwangsgeld in Höhe von 5 000 € an. Zur Begründung verwies sie auf §§ 5, 12 Abs. 1 Satz 2 des Staatsvertrags zum Lotteriewesen in Deutschland vom 13. Februar 2004 (Lotteriestaatsvertrag - LoStV - GVBl S. 325) i.V.m. § 2 des Landesgesetzes über das öffentliche Glücksspiel - LGlüG - vom 14. Juni 2004 (GVBl S. 322). Wegen des staatlichen Sportwettenmonopols könne die Klägerin ebenso wie der private Wettanbieter keine Erlaubnis erhalten. Den Widerspruch der Klägerin wies die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier (ADD Trier) mit Widerspruchsbescheid vom 28. Juli 2008, zugestellt am 30. Juli 2008, zurück. Sie führte aus, die Untersagung sei ermessensgerecht und insbesondere verhältnismäßig. Eine andere Entscheidung komme nicht in Betracht.

3

Am 30. August 2008 hat die Klägerin Anfechtungsklage erhoben. Ihr bereits zuvor erhobener Eilantrag hatte zunächst Erfolg. Im Streit um die eilverfahrensrechtlichen Konsequenzen der Umsetzung des Glücksspielstaatsvertrags lehnte das Oberverwaltungsgericht jedoch schließlich mit Beschluss vom 5. Januar 2010 eine Wiederherstellung oder Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage ab.

4

Nach einer Kontrolle im Februar 2010 setzte der Beklagte ein Zwangsgeld in Höhe von 3 000 € fest. Auf die Erklärung des Geschäftsführers der Klägerin, er sei nicht mehr für diese, sondern für die W. GmbH i.G. als neue Betreiberin des Wettlokals tätig, stellte der Beklagte die Vollstreckung ein.

5

Mit außergerichtlichem Schreiben vom 13. September 2010 wies der Beklagte die Klägerin darauf hin, nach den Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs vom 8. September 2010 sei allenfalls die Monopolregelung unanwendbar, der Betrieb von Wettannahmestellen ohne Erlaubnis aber weiterhin formell illegal. Er werde die Entscheidung des Ministeriums abwarten.

6

Im gerichtlichen Verfahren trug der Beklagte mit Schriftsatz vom 30. November 2011 vor, die Untersagung sei wegen des Fehlens der erforderlichen Erlaubnis gerechtfertigt. Darauf habe sich schon der Ausgangsbescheid gestützt. Deshalb liege auch kein unzulässiger Austausch von Gründen vor. Im Übrigen könnten Dauerverwaltungsakte jederzeit modifiziert werden. Inzwischen sei das Erlaubnisverfahren für Private geöffnet worden. Dies habe das Innenministerium den Wettanbietern, die eine Erlaubnis beantragt hatten, mit Schreiben vom 18. Oktober 2010 erläutert. Außerdem habe es dazu eine Check-Liste herausgegeben. Die Angebote der Wettveranstalter seien jedoch nicht offensichtlich erlaubnisfähig.

7

Das Verwaltungsgericht Mainz hat den angegriffenen Bescheid mit Gerichtsbescheid vom 5. Januar 2012 aufgehoben.

8

Im Berufungsverfahren hat die Klägerin mitgeteilt, sie habe am 10. Mai 2012 den Zugriff auf die Geschäftsräume in der F.-Straße ... durch Rückgabe der Räume an den Vermieter verloren. Deshalb hat sie ihre Klage auf einen Fortsetzungsfeststellungsantrag umgestellt und sich auf ein Präjudizinteresse und ein Rehabilitierungsinteresse sowie auf ein berechtigtes Feststellungsinteresse wegen der Schwere des Grundrechtseingriffs berufen.

9

Das Oberverwaltungsgericht hat mit Urteil vom 15. Mai 2012 den Gerichtsbescheid geändert und festgestellt, die Untersagungsverfügung sei vom Zeitpunkt ihres Erlasses bis zum 10. Mai 2012 rechtswidrig gewesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Untersagung ergebe sich aus einem Präjudizinteresse der Klägerin. Die Geltendmachung von Staatshaftungsansprüchen insbesondere nach § 68 Abs. 1 Satz 2 POG sei nicht offensichtlich aussichtslos. Die Klägerin habe alles Zumutbare getan, eine Erlaubnis zu erlangen. Die Fortsetzungsfeststellungsklage sei auch begründet, weil die Untersagung ermessensfehlerhaft sei. Im Zeitraum vom Erlass der Verfügung bis 2010 sei das Sportwettenmonopol schon wegen der Werbung, die von der L. GmbH für die Sportwette ODDSET betrieben wurde, verfassungs- und unionsrechtswidrig gewesen. Auch im Zeitraum seit 2010, in dem der Beklagte das Erlaubnisverfahren für Private geöffnet und das Aufrechterhalten der Verbotsverfügung mit dem Fehlen einer Vermittlungserlaubnis und der fehlenden Erlaubnisfähigkeit des Wettangebots gerechtfertigt habe, sei die Untersagung rechtswidrig gewesen. Insoweit liege ein nach § 114 Satz 2 VwGO unzulässiger Austausch wesentlicher Ermessenserwägungen vor, da der ursprünglich tragende Gesichtspunkt des Sportwettenmonopols keine Rolle mehr spiele. Überdies sei auch die unzulässig nachgeschobene Begründung ermessensfehlerhaft. Der Beklagte habe es versäumt, bei seiner Ermessensausübung zu berücksichtigen, dass die Landesregierung dem Landtag Rheinland-Pfalz den Entwurf eines Gesetzes zur Änderung des Landesglücksspielgesetzes (LTDrucks 16/1179) zugeleitet habe, das am 1. Juli 2012 in Kraft treten solle. Der Entwurf sehe vor, in Übereinstimmung mit dem Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrag die Veranstaltung und Vermittlung von Wetten im Internet sowie Endergebniswetten während des laufenden Sportereignisses zuzulassen. Dies habe der Beklagte nicht zuletzt wegen des Unterliegens der Klägerin im Eilverfahren in seine Ermessensausübung einbeziehen müssen.

10

Mit seiner Revision, die bezüglich des Untersagungszeitraums vom 1. Oktober 2010 bis zum 10. Mai 2012 zugelassen wurde, macht der Beklagte geltend, das Berufungsgericht habe zu Unrecht ein Präjudizinteresse der Klägerin bejaht. § 68 Abs. 1 Satz 2 POG, der im Verwaltungsprozess ebenso revisibel sei wie im zivilgerichtlichen Verfahren, greife offensichtlich nicht ein. Er begründe keine Haftung für legislatives Unrecht einschließlich des Vollzugs rechtswidriger Gesetze. In materiell-rechtlicher Hinsicht sei der Verwaltungsgerichtshof zu Unrecht von einer Inkohärenz des Monopols ausgegangen. Er habe den Werbebegriff verkannt und die unionsrechtlichen Grenzen kanalisierender Werbung zu eng gezogen. Gegebenenfalls sei dazu eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union einzuholen. Für den Wortlaut der vorgeschlagenen Vorlagefragen wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 18. Juni 2013 verwiesen. Der Beklagte trägt weiter vor, bei Dauerverwaltungsakten wie der hier angegriffenen Untersagung stehe § 114 Satz 2 VwGO einem Auswechseln der Ermessenserwägungen nicht entgegen. Unabhängig davon seien auch die allgemeinen verwaltungsverfahrensrechtlichen Grenzen des Nachschiebens von Gründen gewahrt. Das Berufungsurteil verkenne die Rechtsfigur des intendierten Ermessens und übersehe, dass das Ermessen des Beklagten zulasten der Klägerin auf Null reduziert gewesen sei. Gesetze im Entwurfsstadium müssten bei der Ermessensausübung nicht berücksichtigt werden.

11

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Rheinland-Pfalz vom 15. Mai 2012 und den Gerichtsbescheid des Verwaltungsgerichts Mainz vom 5. Januar 2012, soweit diese den Zeitraum vom 1. Oktober 2010 bis zum 10. Mai 2012 betreffen, zu ändern und die Klage insoweit abzuweisen.

12

Die Klägerin beantragt,

die Revision des Beklagten zurückzuweisen.

13

Sie verteidigt das angegriffene Urteil und führt ergänzend aus, ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse ergebe sich auch aus dem schwerwiegenden Eingriff in ihre Dienstleistungsfreiheit. Der Erlaubnisvorbehalt sei nicht monopol-unabhängig anwendbar. Ein Nachschieben von Gründen sei nach endgültiger Erledigung der Untersagung nicht mehr zulässig. Ein intendiertes Ermessen oder eine Ermessensreduzierung auf Null lägen nicht vor. Außerdem dürfe nicht auf die formelle Illegalität abgestellt werden, weil die Öffnung des Erlaubnisverfahrens für Private in Rheinland-Pfalz nicht den unionsrechtlichen Anforderungen der Transparenz genügt habe. Insoweit sei nach wie vor von einer Verletzung der Dienstleistungsfreiheit auszugehen. Die entsprechenden unionsrechtlichen Vorgaben seien durch ein Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union zu klären. Für die von der Klägerin formulierten Vorlagefragen wird auf die zweite Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 18. Juni 2013 verwiesen.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision des Beklagten ist im Umfang ihrer Zulassung - soweit das Verfahren den Zeitraum vom 1. Oktober 2010 bis zum 10. Mai 2012 betrifft - begründet. Insoweit beruht das angegriffene Urteil gemäß § 137 Abs. 1 VwGO auf der unzutreffenden Anwendung der §§ 133, 157 BGB, des § 114 Satz 2 VwGO und des § 40 VwVfG, der nach § 1 des Landesverwaltungsverfahrensgesetzes (LVwVfG) vom 23. Dezember 1976 (GVBl S. 308) in der Fassung der Änderung durch Gesetz vom 27. Oktober 2009 (GVBl S. 358) anzuwenden ist. Die Berufungsentscheidung erweist sich insoweit auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Da ihre Tatsachenfeststellungen keine abschließende Entscheidung zulassen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1, Abs. 4 VwGO), war das angegriffene Urteil, soweit es den verfahrensgegenständlichen Zeitraum betrifft, aufzuheben und die Sache insoweit zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

15

1. Zu Recht hat das Oberverwaltungsgericht die Fortsetzungsfeststellungsklage der Klägerin für zulässig gehalten.

16

a) Statthaft ist diese Klageart, weil die angegriffene Untersagungsverfügung sich endgültig erledigt hat. Da sie sich nur auf die Betriebsstätte der Klägerin bezog, wurde sie gegenstandslos, als die Klägerin den Zugriff auf das Wettlokal verlor. Die Feststellung des Oberverwaltungsgerichts, dies sei durch Aufgeben der Betriebsstätte am 10. Mai 2012 geschehen, hat der Beklagte nicht mit wirksamen Verfahrensrügen angegriffen. Insbesondere war das Berufungsgericht nach § 86 Abs. 1 VwGO nicht verpflichtet, ohne konkrete Anhaltspunkte für die Unrichtigkeit des Vorbringens der Klägerin und ohne einen entsprechenden Beweisantrag des Beklagten weitere Aufklärungsmaßnahmen zur Klärung des Zeitpunkts und der Umstände der Betriebsaufgabe einzuleiten. Der Zulässigkeit des Fortsetzungsfeststellungsbegehrens steht auch nicht entgegen, dass die Zwangsgeldfestsetzung nach der Einstellung der Vollstreckung nicht aufgehoben wurde. Wegen der endgültigen Aufgabe der Betriebsstätte kommt eine weitere Vollstreckung aus der Zwangsgeldfestsetzung nicht mehr in Betracht. Damit ist die Untersagungsverfügung auch als Vollstreckungsgrundlage gegenstandslos geworden.

17

b) Die Klägerin hat auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Untersagung (§ 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO). Zwar besteht kein Rehabilitierungsinteresse, da der Widerspruchsbescheid zur Begründung der Untersagung allein auf die objektive Tatbestandsmäßigkeit des Verhaltens abstellt, ohne einen stigmatisierenden Vorwurf schuldhaft strafrechtswidrigen Handelns zu erheben. Die Klägerin kann sich aber auf ein Präjudizinteresse berufen. Dazu genügt, dass die beabsichtigte Geltendmachung von Staatshaftungsansprüchen nicht offensichtlich aussichtslos ist.

18

Bei der Prüfung dieses Ausschlusskriteriums ist ein strenger Maßstab anzulegen. Offensichtlich aussichtslos ist eine Staatshaftungsklage, wenn der geltend gemachte Anspruch unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt besteht und dies sich ohne eine ins Einzelne gehende Würdigung aufdrängt (Urteile vom 14. Januar 1980 - BVerwG 7 C 92.79 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 95, vom 29. April 1992 - BVerwG 4 C 29.90 - Buchholz 310 § 113 VwGO Nr. 247 und vom 8. Dezember 1995 - BVerwG 8 C 37.93 - BVerwGE 100, 83 <92> = Buchholz 454.11 WEG Nr. 7). Die Wahrscheinlichkeit eines Misserfolgs genügt nicht.

19

Offenbleiben kann hier, ob ein - verschuldensabhängiger - Amtshaftungsanspruch nach Art. 34 Satz 1 GG, § 839 BGB oder ein unionsrechtlicher Staatshaftungsanspruch in Betracht kommt. Jedenfalls ist das Bestehen eines Haftungsanspruchs nach § 68 Abs. 1 Satz 2 des rheinland-pfälzischen Polizei- und Ordnungsgesetzes (POG) nicht von vornherein offensichtlich ausgeschlossen. Dabei muss nicht geklärt werden, ob die Anwendung der im Zivilprozess revisiblen Vorschrift (§§ 545, 560 ZPO) auch im Verwaltungsprozess revisionsgerichtlich überprüft werden darf oder ob dies wegen § 137 Abs. 1 VwGO nicht in Betracht kommt (vgl. Beschlüsse vom 17. Oktober 2012 - BVerwG 8 B 47.12 - Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 208 und - BVerwG 8 B 62.12 - juris). Selbst wenn eine revisionsgerichtliche Überprüfung der Auslegung der Vorschrift zulässig sein sollte, wären deren Voraussetzungen hier nicht offensichtlich und ohne eine ins Einzelne gehende Prüfung zu verneinen.

20

§ 68 Abs. 1 Satz 2 POG begründet einen - verschuldensunabhängigen - Entschädigungsanspruch, wenn jemand durch eine rechtswidrige Maßnahme der allgemeinen Ordnungsbehörden oder der Polizei einen Schaden erleidet. Bei Erlass der Untersagungsverfügung wurde die Stadt W. nach § 11 Abs. 2 Satz 1 LGlüG als örtliche Ordnungsbehörde tätig.

21

Ob eine Haftung nach § 68 Abs. 1 Satz 2 POG ausgeschlossen ist, weil die Norm nur die Haftung für enteignungsgleichen Eingriff regeln soll und keine Entschädigung für legislatives Unrecht einschließlich der Anwendung rechtswidriger Normen (sog. Beruhensfälle) gewährt, muss gegebenenfalls im zivilgerichtlichen Staatshaftungsprozess geklärt werden. Von einer solchen Anspruchsbegrenzung kann nicht mit der erforderlichen Offensichtlichkeit ausgegangen werden. Weder der Wortlaut der Norm noch die Gesetzessystematik geben dafür klare Anhaltspunkte. In den Gesetzesmaterialien (vgl. Heise/Riegel, Musterentwurf eines einheitlichen Polizeigesetzes, 2. Aufl. 1978, S. 23 unter 3.51 erster Absatz sowie die Begründung des Gesetzentwurfs der Landesregierung zur Änderung des Polizeiverwaltungsgesetzes von Rheinland-Pfalz vom 2. Februar 1993, LTDrucks 12/2542, S. 32; Protokoll der ersten Beratung des Gesetzentwurfs, Protokolle der 12. Wahlperiode, 44. Sitzung vom 11. Februar 1993, StenBer S. 3568 f.) finden sich zu dieser Frage keine einschlägigen, eindeutigen Aussagen. Eine gefestigte, die Anspruchsbegrenzung bestätigende zivilgerichtliche Rechtsprechung liegt noch nicht vor. Nur eines von zwei rheinland-pfälzischen Oberlandesgerichten hat bislang eine solche Begrenzung in einem Prozesskostenhilfe-Beschwerdeverfahren mit rechtsgeschichtlichen und rechtsvergleichenden Erwägungen bejaht (OLG Zweibrücken, Beschluss vom 6. März 2013 - 6 W 21.12 - ZfWG 2013, 185 f. = juris ). Eine Berufungsentscheidung des anderen Oberlandesgerichts in einem weiteren diese Frage betreffenden Verfahren (LG Mainz, Urteil vom 11. April 2012 - 4 O 436/10 -) stand bei Schluss der mündlichen Verhandlung im vorliegenden Revisionsverfahren noch aus.

22

Ein Ersatzanspruch nach § 68 Abs. 1 Satz 2 POG ist auch nicht schon offensichtlich zu verneinen, weil die etwaige Rechtsverletzung nicht kausal für den geltend gemachten Schaden wäre. Die landesrechtliche Regelung verhält sich nicht zu den Anforderungen, die an die Verursachung des Schadens zu stellen sind. Bisher fehlt auch eine gefestigte zivilgerichtliche Konkretisierung der in § 68 Abs. 1 Satz 2 POG vorausgesetzten Kausalität. Zwar mag naheliegen, die für revisible Haftungsnormen entwickelten Anforderungen an die Kausalität bei Ermessensakten auch auf die landesrechtliche Haftungsregelung des Polizei- und Ordnungsrechts zu übertragen und die Ursächlichkeit zu verneinen, wenn nicht ausgeschlossen werden kann, dass auch bei fehlerfreier Rechtsanwendung dieselbe zum Schaden führende Entscheidung getroffen worden wäre (BGH, Beschlüsse vom 21. Januar 1982 - III ZR 37/81 - VersR 1982, 275 und vom 30. Mai 1985 - III ZR 198/84 - VersR 1985, 887 f.; Vinke, in: Soergel, Bürgerliches Gesetzbuch, Bd. 12, Stand: Sommer 2005, § 839 Rn. 176, zur Unterscheidung von der Figur rechtmäßigen Alternativverhaltens vgl. ebd. Rn. 178). Offensichtlich ist eine solche Parallelität aber nicht. Insbesondere steht es dem Landesgesetzgeber frei, die Haftung großzügiger zu regeln. Ob dies hier geschehen ist, bedarf gegebenenfalls einer näheren Prüfung im Staatshaftungsverfahren.

23

Entgegen der Auffassung des Beklagten fehlt es schließlich nicht offenkundig an einem ersatzfähigen Schaden. Auf die Frage, ob eigentumsfähige Positionen betroffen sind, kommt es nur bei einer entsprechenden, hier gerade nicht offensichtlichen Beschränkung der Haftung an. Ob Vermögenseinbußen wegen rechtlicher Missbilligung der untersagten Tätigkeit nicht ersatzfähig sind, lässt sich nur auf der Grundlage einer ins Einzelne gehenden verfassungs- und unionsrechtlichen Prüfung der die Tätigkeit beschränkenden oder missbilligenden Vorschriften beantworten, so dass auch insoweit keine Offensichtlichkeit vorliegt.

24

Da die Klägerin sich um eine Erlaubnis bemüht und deswegen Klage erhoben hat, scheidet eine Haftung auch unter dem Gesichtspunkt der Mitverursachung nicht offensichtlich aus.

25

2. Die Annahme des Berufungsgerichts, die Fortsetzungsfeststellungsklage sei für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum vom 1. Oktober 2010 bis zum 10. Mai 2012 auch begründet, hält jedoch der revisionsrechtlichen Überprüfung nicht Stand. Das Berufungsurteil verletzt die revisiblen Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB, soweit es den Stellungnahmen des Beklagten im verwaltungsgerichtlichen Verfahren entnimmt, dass die Untersagung im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nicht mehr auf das Sportwettenmonopol, sondern allein auf die nachgeschobenen Erwägungen zur formellen und materiellen Illegalität der untersagten Tätigkeit gestützt wurde. Außerdem geht das Urteil unzutreffend davon aus, die Zulässigkeit des Nachschiebens neuer Gründe sei in § 114 Satz 2 VwGO geregelt, und übergeht die einschlägigen Grundsätze des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts. Schließlich wendet es § 40 VwVfG i.V.m. § 1 LVwVfG unrichtig an, soweit es annimmt, der Beklagte sei verpflichtet gewesen, bei seinen Ermessenserwägungen den Gesetzentwurf der Landesregierung zur Umsetzung des Ersten Glücksspieländerungsvertrags zu berücksichtigen.

26

a) Das Berufungsgericht ist in Anwendung nichtrevisiblen Landesrechts davon ausgegangen, dass die Vermittlungstätigkeit der Klägerin formell illegal war und deshalb von der Ordnungsbehörde - bei fehlerfreier Ausübung des ihr eingeräumten Ermessens - untersagt werden durfte. Dagegen ist nichts zu erinnern. Gleiches gilt für die Annahme des Berufungsgerichts, die Untersagungsverfügung sei ursprünglich damit begründet worden, dass die Vermittlungstätigkeit wegen des Sportwettenmonopols schlechterdings nicht erlaubt werden konnte. Revisionsrechtlich fehlerhaft ist jedoch seine weitere Annahme, der Beklagte habe diese Begründung nach der Öffnung des Erlaubnisverfahrens für Private im Jahr 2010 durch die neue Erwägung ersetzt, der Schutz des Erlaubnisverfahrens erfordere die Untersagung einer unerlaubten Gewerbeausübung; das Monopol habe deshalb seither für die Begründung der Ermessensentscheidung keine Rolle mehr gespielt. Diese Deutung verletzt revisible Auslegungsgrundsätze und wird den Erklärungen des Beklagten nicht gerecht.

27

Die bundesrechtlichen Auslegungsregeln der §§ 133, 157 BGB sind auf öffentlich-rechtliche Erklärungen entsprechend anzuwenden. Bei Verwaltungsakten kommt es wie bei empfangsbedürftigen Willenserklärungen nicht auf den wirklichen Willen des Erklärenden (natürliche Auslegung), sondern auf den objektiven Erklärungsinhalt an. Maßgeblich ist, wie der Empfänger die Erklärung nach Treu und Glauben unter Berücksichtigung der für ihn erkennbaren Umstände verstehen musste. Dabei ist vom Wortlaut der Erklärung auszugehen und deren objektiver Gehalt unter Berücksichtigung des Empfängerhorizonts zu ermitteln (stRspr, vgl. Urteile vom 2. September 1999 - BVerwG 2 C 22.98 - BVerwGE 109, 283 <286> = Buchholz 237.7 § 72 NWLBG Nr. 4 und vom 27. Juni 2012 - BVerwG 9 C 7.11 - BVerwGE 143, 222 = Buchholz 11 Art. 20 GG Nr. 206; BGH, Urteile vom 24. Februar 1988 - VIII ZR 145/87 - BGHZ 103, 275 <280>, vom 27. Januar 2010 - VIII ZR 58/09 - BGHZ 184, 128 <137 Rn. 33> und vom 1. März 2011 - II ZR 16/10 - NJW 2011, 1666 <1667 Rn. 11> je m.w.N.). Das setzt nicht zuletzt eine vollständige Berücksichtigung des Wortlauts schriftlicher Erklärungen voraus. Diesen Anforderungen genügt die berufungsgerichtliche Auslegung der Ausführungen des Beklagten zu den Gründen der Ermessensausübung nicht.

28

Die Annahme, das Monopol habe für die Begründung der Ermessensentscheidung seit Oktober 2010 keine Rolle mehr gespielt, beruht auf einer unvollständigen Berücksichtigung der Ausführungen in der Klageerwiderung des Beklagten vom 30. November 2011 und dessen im Wesentlichen inhaltsgleicher Berufungsbegründung vom 9. März 2012. Das Berufungsurteil gibt sinngemäß nur die Ausführungen des Beklagten zur Durchsetzung des Erlaubnisvorbehalts und zur materiellen Illegalität des Angebots der Wettunternehmer wieder (Ziffern I, II und V der Klageerwiderung sowie Ziffern IV bis VII der Berufungsbegründung) und reduziert das Beklagtenvorbringen darauf. Die umfangreichen Darlegungen beider Schriftsätze zur Rechtmäßigkeit des Monopols (Ziffern III und IV der Klageerwiderung sowie Ziffer II und III der Berufungserwiderung) und die Hinweise zum Verhältnis der beiden Begründungsstränge zueinander werden dabei ausgeblendet. Unberücksichtigt bleiben deshalb diejenigen Ausführungen der Klageerwiderung und der Berufungsbegründung, die im Einzelnen darlegen, aus welchen Gründen der Beklagte das Sportwettenmonopol weiterhin für unionsrechtskonform und für geeignet hält, die Untersagung zu rechtfertigen. So wendet er sich unter anderem gegen die Feststellung einer Expansionspolitik im Bereich des gewerblichen Automatenspiels und gegen die Annahme, aus einer solchen Politik folge schon die Ungeeignetheit des Monopols zur Suchtbekämpfung. Seine Ausführungen geben keinerlei Anhaltspunkte für eine zeitliche Zäsur in der Begründung der Untersagung. Das Berufungsurteil zeigt solche Anhaltspunkte auch nicht auf. Es prüft nur, ob das Nachschieben der neuen Ausführungen zur Durchsetzung des Erlaubnisvorbehalts nach § 114 Satz 2 VwGO noch als zulässige Ergänzung oder als Ersetzen der bisherigen Ermessenserwägungen einzuordnen ist. Dabei wird übersehen, dass die Frage nach der prozessualen Beachtlichkeit neuer Erwägungen gemäß § 114 Satz 2 VwGO sich erst stellt, wenn durch Auslegung entsprechend §§ 133, 157 BGB ermittelt wurde, ob damit eine neue Begründung neben die bisherige oder an deren Stelle getreten ist, und wenn geklärt wurde, ob das Nachschieben der neuen Gründe verwaltungsverfahrensrechtlich zulässig war.

29

Bei vollständiger Berücksichtigung der Ausführungen des Beklagten wird deutlich, dass dieser die ursprüngliche Begründung der Untersagung mit dem Monopol auch für die Zeit ab Oktober 2010 nicht aufgeben wollte. Sein Vortrag, das Monopol sei auch unter Berücksichtigung der Entscheidungen des Gerichtshofs noch unionsrechtskonform, lässt sich nur dahin verstehen, dass er die Monopolregelung weiterhin und über den Herbst 2010 hinaus für rechtmäßig hält. Die nachgeschobenen Erwägungen sollten ersichtlich nur hilfsweise angeführt werden für den Fall, dass die Gerichte von einer Inkohärenz des Monopols im unionsrechtlichen Sinn ausgingen. Die Eröffnung des Erlaubnisverfahrens wird entsprechend als "vorsorglich" bezeichnet (vgl. Ziffer V Seite 23 f. der Klageerwiderung und Ziffer VII Seite 16 der Berufungserwiderung). Die Begründung mit dem Monopol wird also als Hauptbegründung aufrechterhalten; die Erwägungen zur alternativen Begründbarkeit mit der Durchsetzung des Erlaubnisvorbehalts haben nur Hilfsfunktion.

30

b) Auch der weiteren Annahme des Berufungsgerichts, die - von ihm angenommene - Auswechslung wesentlicher Ermessenserwägungen sei wegen Verstoßes gegen § 114 Satz 2 VwGO unzulässig, kann nicht zugestimmt werden.

31

aa) Ob ein Nachschieben von Ermessenserwägungen zulässig ist, bestimmt sich nach dem materiellen Recht und dem Verwaltungsverfahrensrecht. § 114 Satz 2 VwGO regelt lediglich, unter welchen Voraussetzungen derart veränderte Ermessungserwägungen im Prozess zu berücksichtigen sind (im Anschluss an das Urteil vom 13. Dezember 2011 - BVerwG 1 C 14.10 - BVerwGE 141, 253 ).

32

Neue Gründe für einen Verwaltungsakt dürfen nach dem allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht nur nachgeschoben werden, wenn sie schon bei Erlass des Verwaltungsakts vorlagen, dieser nicht in seinem Wesen verändert und der Betroffene nicht in seiner Rechtsverteidigung beeinträchtigt wird (stRspr, Urteile vom 14. Oktober 1965 - BVerwG 2 C 3.63 - BVerwGE 22, 215 <218> = Buchholz 232 § 32 BBG Nr. 14, vom 16. Juni 1997 - BVerwG 3 C 22.96 - BVerwGE 105, 55 <59> = Buchholz 316 § 39 VwVfG Nr. 25 und vom 29. Januar 2001 - BVerwG 11 C 3.00 - Buchholz 401.64 § 6 AbwAG Nr. 3). Diese Grundsätze gelten auch bei Verwaltungsakten mit Dauerwirkung wie der glücksspielrechtlichen Untersagungsverfügung, wenn deren Begründung für einen bereits abgelaufenen Zeitraum geändert werden soll. Dabei kann offenbleiben, ob eine solche rückwirkende Änderung ausscheidet, nachdem sich der Dauerverwaltungsakt endgültig erledigt hat, also seinen Regelungsgegenstand für die Zukunft verloren hat und auch für die Vergangenheit keinerlei fortwirkende Folgen mehr aufweist. Jedenfalls kann auch ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung in Ansehung eines bereits abgelaufenen Zeitraums nicht mehr mit Ermessenserwägungen begründet werden, durch welche die ursprüngliche Ermessensentscheidung im Kern ausgewechselt wird (vgl. Rennert, in: Eyermann, VwGO-Kommentar, 13. Auflage 2010, § 114 Rn. 89).

33

Der Austausch wesentlicher Ermessenserwägungen kann jedoch zulässig sein, soweit die Begründung der glücksspielrechtlichen Untersagung (nur) für die Zukunft geändert wird. Als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung muss eine solche Untersagung einer Änderung der Sach- und Rechtslage Rechnung tragen. Sie ist deshalb auf eine Anpassung an jeweils neue Umstände angelegt und wird dadurch nicht zwangsläufig in ihrem Wesen verändert. So wie die Behörde die Untersagung mit neuer Begründung neu erlassen könnte, kann sie das Verbot auch mit geänderter Begründung für die Zukunft aufrechterhalten. Die Rechtsverteidigung des Betroffenen wird durch eine Änderung (nur) für die Zukunft nicht beeinträchtigt. Da für die rechtliche Beurteilung von Dauerverwaltungsakten grundsätzlich die jeweils aktuelle Sach- und Rechtslage maßgeblich ist, muss das Prozessverhalten des Betroffenen sich ohnehin auf zukunftsbezogene Veränderungen einstellen. Führt (erst) die Änderung der Begründung der Untersagung mit Wirkung für die Zukunft dazu, dass die bisherigen Erfolgsaussichten einer Klage entfallen, steht es dem Betroffenen frei, den Rechtsstreit durch Erledigungserklärung ohne eigene Kostenbelastung zu beenden (vgl. § 161 Abs. 2 VwGO), sofern er die Untersagung nicht - etwa als Rechtsgrundlage noch rückgängig zu machender Vollzugsmaßnahmen - für die Vergangenheit (gegebenenfalls: weiterhin) anfechten oder wegen eines berechtigten Feststellungsinteresses im Sinne des § 113 Abs. 1 Satz 4 VwGO zu einem Fortsetzungsfeststellungsantrag übergehen kann und will.

34

Aus § 114 Satz 2 VwGO ergeben sich keine weitergehenden Anforderungen. Diese Vorschrift regelt nicht die Voraussetzungen für die materiell-rechtliche und verwaltungsverfahrensrechtliche Zulässigkeit des Nachschiebens von Ermessenserwägungen, sondern betrifft nur deren Geltendmachung im Prozess. Ihr Zweck ist es, klarzustellen, dass ein materiell- und verwaltungsverfahrensrechtlich zulässiges Nachholen von Ermessenserwägungen nicht an prozessualen Hindernissen scheitert (Urteile vom 5. Mai 1998 - BVerwG 1 C 17.97 - BVerwGE 106, 351 <364> = Buchholz 402.240 § 45 AuslG 1990 Nr. 13 und vom 13. Dezember 2011 a.a.O. ).

35

Kommt ein Nachschieben von Ermessenserwägungen nach dem Vorstehenden in Betracht, so muss dies allerdings genügend bestimmt geschehen. Das Erfordernis hinreichender Bestimmtheit ergibt sich aus § 37 Abs. 1 VwVfG und gilt als Ausprägung des Rechtsstaatsgebots (Art. 20 Abs. 3 GG) auch für die Änderung eines Verwaltungsakts einschließlich seiner Begründung. Wird die Änderung erst in einem laufenden Verwaltungsprozess erklärt, so muss die Behörde unmissverständlich deutlich machen, dass es sich nicht nur um prozessuales Verteidigungsvorbringen handelt, sondern um eine Änderung des Verwaltungsakts selbst. Außerdem muss deutlich werden, welche der bisherigen Erwägungen weiterhin aufrechterhalten und welche durch die neuen Erwägungen gegenstandslos werden. Andernfalls wäre dem Betroffenen keine sachgemäße Rechtsverteidigung möglich (Urteil vom 13. Dezember 2011 a.a.O. Rn. 18). Das wäre mit der Gewährleistung effektiven Rechtsschutzes nach Art. 19 Abs. 4 GG nicht zu vereinbaren.

36

bb) Da das Berufungsgericht auf die verwaltungsverfahrensrechtlichen Anforderungen nicht eingeht, übersieht es, dass die - von ihm angenommene - Änderung eines Verwaltungsakts nicht dem Erfordernis hinreichender Bestimmtheit gemäß § 37 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 1 LVwVfG genügte.

37

Der Beklagte hat erst während des Verwaltungsprozesses und nur im Wege prozessualen Vorbringens geltend gemacht, die Untersagung sei nicht allein aus dem Sportwettenmonopol, sondern alternativ und hilfsweise wegen der formellen und materiellen Illegalität der untersagten Tätigkeit gerechtfertigt. Das genügt den dargelegten Bestimmtheitsanforderungen nicht. Unklar bleibt, ob damit nur die Untersagung im Prozess verteidigt oder die angegriffene Verfügung selbst in ihrer Begründung geändert werden soll. Im letztgenannten Fall wird außerdem nicht deutlich, ob die Hilfsbegründung rückwirkend für den gesamten Wirkungszeitraum der Untersagungsverfügung oder nur für die Zeit nach dem Zugang der Erklärung eingeführt wird. Solche Zweifel und Unklarheiten gehen zulasten der Behörde (Urteil vom 13. Dezember 2011 a.a.O.). Das außergerichtliche Schreiben des Beklagten vom 13. November 2010 trägt nichts zur Klärung bei. Mit Blick auf die unionsgerichtliche Rechtsprechung weist es nur darauf hin, die Vermittlung sei weiterhin zumindest formell illegal, und kündigt an, eine Entscheidung des zuständigen Ministeriums abwarten zu wollen.

38

cc) Unabhängig davon wäre die neue Begründung, soweit sie - wie vom Berufungsgericht angenommen - auf den Zeitpunkt der Öffnung des Erlaubnisverfahrens im Oktober 2010 zurückwirken sollte, auch unzulässig, weil sie die Klägerin in ihrer Rechtsverteidigung beeinträchtigte.

39

Hätte die Beklagte die fehlende Erlaubnisfähigkeit nicht mehr mit dem Sportwettenmonopol, sondern allein mit der materiellen Illegalität der Wettvermittlung begründet, wären die wesentlichen Ermessenserwägungen für die Untersagung ausgetauscht worden. Die Rechtmäßigkeit und Anwendbarkeit des Monopols sind für die erste Begründung entscheidend, für die zweite jedoch unerheblich. Ein solcher Austausch wäre nur für die Zukunft zulässig, nicht hingegen auch rückwirkend für bereits verstrichene Zeiträume. Daran ändert auch nichts, dass beide Begründungen an das Fehlen einer Erlaubnis anknüpfen. Die formelle Illegalität erfüllt den Tatbestand der Untersagungsermächtigung und eröffnet damit nur das Ermessen. Dessen Ausübung muss sich daher nach anderen Kriterien richten. Ob im Austausch der wesentlichen Ermessenserwägungen schon eine Wesensänderung der Untersagung selbst liegt, kann dahinstehen. Jedenfalls wird die Rechtsverteidigung des Betroffenen erheblich beeinträchtigt, wenn die maßgeblichen Erwägungen rückwirkend ausgewechselt werden. Dies zwingt ihn, seine Rechtsverteidigung für eine erhebliche vergangene Zeitspanne völlig umzustellen. Solange die Ermessensausübung im Wesentlichen mit dem Sportwettenmonopol begründet wurde, konnte der Betroffene sich darauf konzentrieren, dessen Rechtswidrigkeit geltend zu machen. Die neue Begründung stellt erstmals auf die monopolunabhängigen Anforderungen an die Vermittlung und das Wettangebot ab. Dem Betroffenen bleibt nur, diese Anforderungen zu prüfen und für den gesamten bereits abgelaufenen Zeitraum entweder darzulegen, dass sie rechtswidrig waren, oder darzutun, dass seine Tätigkeit mit ihnen übereinstimmte. Soweit die rückwirkende Änderung der Begründung die Erfolgsaussichten der Klage entfallen lässt, kann er darauf nur nachträglich reagieren.

40

c) Entgegen dem angegriffenen Urteil war die - von ihm angenommene - Begründung der Untersagungsverfügung mit der formellen und materiellen Illegalität der Tätigkeit nicht schon ermessensfehlerhaft, weil sie den Gesetzentwurf zur Umsetzung des Ersten Glücksspieländerungsstaatsvertrags nicht berücksichtigte. Dabei kann offenbleiben, inwieweit der Beklagte unter Opportunitätsgesichtspunkten zu einer Einbeziehung des Entwurfs in seine Ermessenserwägungen befugt gewesen wäre. Eine Rechtspflicht dazu bestand im verfahrensgegenständlichen Zeitraum bis zur endgültigen Erledigung der angegriffenen Verfügung jedenfalls nicht.

41

Die Ermächtigung, die unerlaubte Wettvermittlung zu untersagen, ergab sich seinerzeit aus § 9 Abs. 1 Satz 3 Nr. 3 des Glücksspielstaatsvertrags - GlüStV (a.F.) i.V.m. § 11 Abs. 2 LGlüG. Die Ausübung des Ermessens musste gemäß § 40 VwVfG, der hier gemäß § 1 LVwVfG anzuwenden ist, dem Zweck der Ermächtigung entsprechen und die gesetzlichen Ermessensgrenzen beachten. Zu diesen Rechtsgrenzen zählte die gesetzliche Neuregelung des Glücksspielrechts erst mit ihrem Inkrafttreten. Zuvor entfaltete sie keine rechtliche Bindungswirkung. Das ergibt sich aus der rechtsstaatlichen Bindung der Exekutive an das Gesetz und aus dem verfassungsrechtlichen Demokratiegebot (Art. 20 Abs. 3 GG). Das Rechtsstaatsgebot verpflichtet die Verwaltung zur Anwendung des jeweils geltenden Rechts und lässt es nicht zu, davon mit Blick auf eine vorgeschlagene künftige Rechtsänderung abzuweichen. Das Demokratiegebot lässt es nicht zu, die Beachtung der vom Parlament erlassenen Gesetze zur Disposition der Verwaltung zu stellen. Entsprechend geht das Oberverwaltungsgericht auch nicht von einer Pflicht zur Voranwendung der beabsichtigten Rechtsänderung, sondern nur von einer Verpflichtung zu ihrer Vorberücksichtigung im Rahmen der Ermessenserwägungen aus (zur Begrifflichkeit vgl. Kloepfer, Vorwirkung von Gesetzen, 1974, S. 94 f., 166; Guckelberger, Vorwirkung von Gesetzen im Tätigkeitsbereich der Verwaltung, 1997, S. 162).

42

Aus dem Verhältnismäßigkeitsgebot, das die Behörde als rechtliche Grenze des Ermessens beachten muss, ergibt sich ebenfalls keine Verpflichtung, den in den Landtag eingebrachten Gesetzentwurf zu berücksichtigen. Bis zum Inkrafttreten der Rechtsänderung war die Untersagung geeignet und erforderlich, die unerlaubte und nach damaliger Rechtslage nicht offensichtlich erlaubnisfähige Wettvermittlung zu unterbinden (vgl. zu diesen Kriterien Urteil vom 16. Mai 2013 - BVerwG 8 C 14.12 - Rn. 53 ff. - juris). Der Umstand, dass der Gesetzentwurf Regelungen vorsah, nach denen die materielle Erlaubnisfähigkeit des Wettangebots möglicherweise günstiger zu beurteilen war, führt auch nicht zur Unangemessenheit der Untersagung oder zu deren Unverhältnismäßigkeit im engeren Sinne. Voraussetzung dafür wäre vielmehr, dass mit hinreichender Sicherheit vom Wirksamwerden der Neuregelung zu einem bestimmten, absehbaren Zeitpunkt auszugehen war und dass die Tätigkeit damit bereits legal werden würde (vgl. Urteil vom 6. Dezember 1985 - BVerwG 4 C 23.83 und 4 C 24.83 - Buchholz 406.17 Bauordnungsrecht Nr. 21 S. 8). Hier fehlt schon die erste Bedingung, die bei gesetzlichen Neuregelungen regelmäßig einen Gesetzesbeschluss des Parlaments voraussetzt. Im Zeitpunkt der Erledigung der Untersagungsverfügung war das Gesetzgebungsverfahren noch nicht über die erste Lesung im Parlament und die Überweisung an die Ausschüsse hinausgelangt. Außerdem stand noch nicht fest, ob der durch das Gesetz umzusetzende Erste Glücksspieländerungsstaatsvertrag, wie in seinem Art. 2 Abs. 1 vorausgesetzt, bis zum 30. Juni 2012 von mindestens 13 Bundesländern ratifiziert werden und zum 1. Juli 2012 in Kraft treten würde.

43

Ein Ermessensdefizit lässt sich auch nicht unabhängig vom Verhältnismäßigkeitsgebot aus der Pflicht herleiten, alle ermessensrelevanten Gesichtspunkte im Sinne einer vollständigen Interessenabwägung in die Entscheidung einzubeziehen. Rechtlich begrenzt und gerichtlich überprüfbar ist die Ermessensausübung nach § 40 VwVfG nur, soweit sie durch den Zweck der Ermächtigung und die gesetzlichen Grenzen der Ermessensausübung gebunden wird. Die Umstände, die für die Beachtung dieser rechtlichen Grenzen relevant sind, wurden bereits in den Ausführungen zum Rechtsstaatsgebot und zur Verhältnismäßigkeit erörtert. Der Zweck der Ermächtigung, den Erlaubnisvorbehalt zur Sicherung des Jugend- und Spielerschutzes durchzusetzen, gebietet ebenfalls keine Vorberücksichtigung einer Entwurfsregelung, die das gerade zum Jugend- und Spielerschutz erlassene Internetverbot lockert und weitere, bis zur Rechtsänderung illegale Wettformen zulässt.

44

d) Entgegen der Auffassung der Revision musste das Berufungsgericht aber nicht von einer Ermessensreduzierung auf Null zulasten der Klägerin ausgehen. Umstände, deretwegen jedes Zuwarten des Beklagten rechtswidrig gewesen wäre, sind weder festgestellt noch von der Revision geltend gemacht worden. Der Vortrag, das Wettangebot des Wettunternehmers schließe materiell illegale Wettformen ein, belegt noch nicht, dass auch die konkrete Vermittlungstätigkeit der Klägerin materiell illegal war und nicht zumindest unter Nebenbestimmungen erlaubnisfähig gewesen wäre. Das Berufungsgericht hat auch den Begriff des intendierten Ermessens nicht verkannt, der als Rechtsfigur des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts revisibel ist. Ob die Untersagungsermächtigung im verfahrensgegenständlichen Zeitraum nur ein intendiertes Ermessen einräumte, ist eine revisionsrechtlich nicht zu überprüfende Frage der Auslegung dieser irrevisiblen Vorschrift (vgl. den in diesem Verfahren ergangenen Beschluss vom 17. Oktober 2012 - BVerwG 8 B 61.12 - Rn. 13 - juris).

45

3. Das Berufungsurteil beruht auf der unzutreffenden Anwendung der §§ 133, 157 BGB, § 40 VwVfG und § 114 Satz 2 VwGO, weil es bezüglich des noch verfahrensgegenständlichen Zeitraums nicht von einer fehlerfreien Alternativbegründung getragen wird. Zur Beurteilung der Untersagung im verfahrensgegenständlichen Zeitraum stellt das angegriffene Urteil unter Ziffer 3 b seiner Entscheidungsgründe allein auf den - angenommenen - Austausch der Begründung der Untersagungsverfügung und die - vermeintliche - Rechtswidrigkeit der nachgeschobenen Erwägungen ab. Nur bezüglich des vorhergehenden Zeitraums bis zur Öffnung des Erlaubnisverfahrens für Private im Jahr 2010 - genauer: im Oktober diesen Jahres - geht es davon aus, dass die Untersagung auf das Sportwettenmonopol gestützt wurde, und begründet ihre Rechtswidrigkeit mit der Erwägung, dieses sei wegen systematischer Verstöße gegen die verfassungs- und unionsrechtlichen Grenzen zulässiger Werbung rechtswidrig gewesen (vgl. Ziffer 3 a der Entscheidungsgründe des Berufungsurteils).

46

4. Bezüglich des verfahrensgegenständlichen Zeitraums erweist das Urteil sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO).

47

Zwar ist das Oberverwaltungsgericht im Ergebnis zu Recht davon ausgegangen, dass der Hinweis des Beklagten auf die formelle und materielle Illegalität der Wettvermittlung das Verbot nicht trägt. Wie bereits dargelegt, sind die verwaltungsverfahrensrechtlichen Anforderungen an eine nachträgliche Änderung der Begründung der Untersagungsverfügung nicht erfüllt, weil sie nicht hinreichend bestimmt erklärt wurde und ein Austausch der Ermessenserwägungen für die Vergangenheit ohnehin unzulässig wäre.

48

Ob indes die im angegriffenen Urteil übergangene, vom Beklagten aufrechterhaltene Begründung der Untersagung mit dem Sportwettenmonopol im Zeitraum vom 1. Oktober 2010 bis zum 10. Mai 2012 rechtswidrig war, lässt sich auf der Grundlage der Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts nicht abschließend beurteilen. Entgegen der Auffassung der Klägerin ergibt sich aus den Feststellungen, die das angegriffene Urteil zur Werbung des Monopolträgers im Jahr 2010 und darüber hinaus getroffen hat, noch keine Rechtswidrigkeit des Monopols. Die Werbebeispiele für den hier maßgeblichen Zeitraum seit Oktober 2010 belegen keine systematischen Verstöße gegen § 5 GlüStV oder die verfassungs- und unionsrechtlichen Werbebeschränkungen, aus denen auf rechtlich illegitime, fiskalische Ziele des Monopols zu schließen wäre. Aus der Bezugnahme auf herausragende Sportereignisse folgt noch kein Verstoß gegen die Pflicht, die Werbung zur Kanalisierung der vorhandenen Nachfrage auf sachliche Information und Aufklärung über die legalen Wettangebote zu beschränken. So darf ein herausragendes Sportereignis als Gegenstand der angebotenen Wetten benannt werden. Unzulässig ist es dagegen, in stimulierender, zur Teilnahme am Glücksspiel ermunternder oder anreizender Art und Weise auf ein solches Sportereignis Bezug zu nehmen oder die Bezugnahme mit der Ankündigung höherer oder zusätzlicher Gewinnchancen zu verknüpfen (Urteil vom 1. Juni 2011 - BVerwG 8 C 2.10 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 276 Rn. 34). Eine Missachtung dieser Grenzen ist anhand der Werbebeispiele, die das Berufungsgericht für den verfahrensgegenständlichen Zeitraum aufgeführt hat, nicht festzustellen. Insbesondere gehen Formulierungen nach dem Muster " bei ODDSET" nicht über eine zulässige Information über den Gegenstand der angebotenen Wetten hinaus. Die Beurteilung der Werbeanzeige "Wochen der Entscheidung" (April 2011) und der mit Vereinssignets illustrierten Anzeige "Derby-Zeit" (Januar 2012) kann dahinstehen, weil aus einem Einzelfall unzulässiger Werbung pro Jahr noch nicht auf eine rechtswidrige Zielsetzung des Monopols geschlossen werden kann.

49

5. Eine Sachentscheidung nach § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 VwGO ist auf der Grundlage der vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen nicht möglich. Als Grundlage für eine abschließende Beurteilung der Werbepraxis im verfahrensgegenständlichen Zeitraum oder gar der Rechtmäßigkeit des Monopols im Übrigen reichen sie nicht aus. Die für die Zeit seit Oktober 2010 aufgeführten Werbebeispiele stehen im Zusammenhang der Ausführungen des Berufungsurteils zum Zeitraum bis 2010 und sollen ersichtlich nur die Kontinuität bestimmter Werbestrategien während dieses Jahres und - vereinzelt - noch darüber hinaus belegen. Weitere und genauere Feststellungen waren aus der Sicht des Berufungsgerichts nicht erforderlich, weil es die Untersagung im verfahrensgegenständlichen Zeitraum aus anderen Gründen für rechtswidrig hielt. Mangels einschlägiger Feststellungen des Berufungsgerichts kann auch nicht beurteilt werden, ob das Monopol im verfahrensgegenständlichen Zeitraum unabhängig von der Werbepraxis rechtswidrig war, etwa wegen einer gegenläufigen Glücksspielpolitik in einem anderen Bereich mit mindestens gleich hohem Suchtpotenzial, wenn diese zur Folge hatte, dass das Monopol nicht mehr wirksam zum Erreichen der mit ihm verfolgten, unionsrechtlich legitimen Ziele beitragen konnte. Vor der erforderlichen weiteren Sachaufklärung lässt sich nicht absehen, ob und gegebenenfalls welche Zweifelsfragen zu den unionsrechtlichen Grenzen zulässiger Werbung für die Entscheidung des Rechtsstreits erheblich sein werden. Derzeit besteht daher gemäß Art. 267 Abs. 3 AEUV kein Anlass, das vom Beklagten angeregte Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof der Europäischen Union zu richten.

50

Da eine abschließende Entscheidung nicht möglich ist, muss die Sache gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückverwiesen werden. Dieses wird bei seiner weiteren Prüfung zu berücksichtigen haben, dass sich eine Verletzung der unionsrechtlichen Grenzen zulässiger Werbung auch aus Werbemaßnahmen ergeben kann, die im Rahmen einer im Deutschen Lotto- und Totoblock abgestimmten Werbestrategie unter einer gemeinsamen Dachmarke verbreitet werden (vgl. Urteil vom 20. Juni 2013 - BVerwG 8 C 10.12 - Rn. 40 ff.).

(1) Beamtinnen und Beamte dienen dem ganzen Volk, nicht einer Partei. Sie haben ihre Aufgaben unparteiisch und gerecht zu erfüllen und ihr Amt zum Wohl der Allgemeinheit zu führen. Beamtinnen und Beamte müssen sich durch ihr gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes bekennen und für deren Erhaltung eintreten.

(2) Beamtinnen und Beamte haben bei politischer Betätigung diejenige Mäßigung und Zurückhaltung zu wahren, die sich aus ihrer Stellung gegenüber der Allgemeinheit und aus der Rücksicht auf die Pflichten ihres Amtes ergibt.

Beamtinnen und Beamten kann aus zwingenden dienstlichen Gründen die Führung der Dienstgeschäfte verboten werden. Das Verbot erlischt, wenn nicht bis zum Ablauf von drei Monaten gegen die Beamtin oder den Beamten ein Disziplinarverfahren oder ein sonstiges auf Rücknahme der Ernennung oder auf Beendigung des Beamtenverhältnisses gerichtetes Verfahren eingeleitet worden ist.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 3 der Zivilprozessordnung:

1.
über die Anordnung eines Arrests, zur Erwirkung eines Europäischen Beschlusses zur vorläufigen Kontenpfändung, wenn keine Festgebühren bestimmt sind, und auf Erlass einer einstweiligen Verfügung sowie im Verfahren über die Aufhebung, den Widerruf oder die Abänderung der genannten Entscheidungen,
2.
über den Antrag auf Zulassung der Vollziehung einer vorläufigen oder sichernden Maßnahme des Schiedsgerichts,
3.
auf Aufhebung oder Abänderung einer Entscheidung auf Zulassung der Vollziehung (§ 1041 der Zivilprozessordnung),
4.
nach § 47 Absatz 5 des Energiewirtschaftsgesetzes über gerügte Rechtsverletzungen, der Wert beträgt höchstens 100 000 Euro, und
5.
nach § 148 Absatz 1 und 2 des Aktiengesetzes; er darf jedoch ein Zehntel des Grundkapitals oder Stammkapitals des übertragenden oder formwechselnden Rechtsträgers oder, falls der übertragende oder formwechselnde Rechtsträger ein Grundkapital oder Stammkapital nicht hat, ein Zehntel des Vermögens dieses Rechtsträgers, höchstens jedoch 500 000 Euro, nur insoweit übersteigen, als die Bedeutung der Sache für die Parteien höher zu bewerten ist.

(2) In folgenden Verfahren bestimmt sich der Wert nach § 52 Absatz 1 und 2:

1.
über einen Antrag auf Erlass, Abänderung oder Aufhebung einer einstweiligen Anordnung nach § 123 der Verwaltungsgerichtsordnung oder § 114 der Finanzgerichtsordnung,
2.
nach § 47 Absatz 6, § 80 Absatz 5 bis 8, § 80a Absatz 3 oder § 80b Absatz 2 und 3 der Verwaltungsgerichtsordnung,
3.
nach § 69 Absatz 3, 5 der Finanzgerichtsordnung,
4.
nach § 86b des Sozialgerichtsgesetzes und
5.
nach § 50 Absatz 3 bis 5 des Wertpapiererwerbs- und Übernahmegesetzes.