Verwaltungsgericht Köln Urteil, 07. März 2016 - 16 K 3587/15.A
Gericht
Tenor
Der Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 17. Juni 2015 wird aufgehoben.
Die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden, trägt die Beklagte.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand
2Der Kläger ist am 0. E. 1991, nach anderen Angaben erst 1996 in Teheran / Iran geboren und iranischer Staatsangehöriger mit persischer Volkszugehörigkeit. Er ist ledig und hat keine Kinder.
3Nach eigenen Angaben, die er im Rahmen seiner Anhörung vom 30. März 2015 vor dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge – im Folgenden: Bundesamt – gemacht hat, reiste der Kläger am 8. August 2014 nach Deutschland ein, nachdem er den Iran auf dem Landweg über die Türkei, Griechenland, Mazedonien, Serbien, Ungarn und Österreich verlassen habe. Die Reise habe insgesamt rund dreieinhalb Monate gedauert. In Griechenland und Ungarn seien ihm Fingerabdrücke abgenommen worden.
4Nach Aktenlage stellte der Kläger ebenfalls am 30. März 2015 seinen Asylantrag. Das Bundesamt ermittelte sodann im April 2015 zwei EURODAC-Treffer für Griechenland und Ungarn. Daraufhin ersuchte das Bundesamt die ungarischen Behörden am 4. Mai 2015 unter Berufung auf Art. 18 Abs. 1 b der Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist – Dublin-III-VO – um eine Aufnahme des Klägers. Die ungarischen Behörden bestätigten zunächst den Empfang des Übernahmeersuchens und erklärten unter dem 18. Mai 2015 die Übernahme des Klägers.
5Bereits im Verwaltungsverfahren legte der Prozessbevollmächtigte des Klägers eine Taufurkunde der Evangelischen Kreuzkirchengemeinde C. sowie mehrere Erklärungen von Mitgliedern der Kirchengemeinde vor.
6Am 2. Juni 2015 führte das Bundesamt eine Zweitbefragung des Klägers durch.
7Mit Bescheid des Bundesamtes vom 17. Juni 2015, dem Kläger zugestellt am 20. Juni 2015, stellte die Beklagte gestützt auf §§ 27a, 34a Abs. 1 Satz 1 Asylverfahrensgesetz – AsylVfG – fest, dass der Asylantrag des Klägers unzulässig ist und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Ungarn an.
8Am 22. Juni 2015 hat der Kläger hiergegen Klage erhoben und zugleich einen Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung seiner Klage gegen die Abschiebungsanordnung gestellt.
9Mit Beschluss vom 8. Juli 2015 hat die erkennende Kammer die aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsordnung angeordnet (Az. 16 L 1574/15.A). Zur Begründung hat die Kammer auf die offenen Fragen zu systemischen Mängeln im Asylsystem Ungarns verwiesen.
10Zur Begründung seiner Klage trägt der Kläger unter Bezugnahme auf verschiedene Quellen u.a. vor, das Asylsystem Ungarns leide an Mängeln der Art, die eine Rücküberstellung des Klägers dorthin unmöglich machten. Die Beklagte müsse daher von ihrem Selbsteintrittsrecht Gebrauch machen und den Asylantrag des Klägers selbst prüfen.
11Der Kläger beantragt,
12den Bescheid der Beklagten vom 17. Juni 2015 aufzuheben.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie verteidigt den angefochtenen Bescheid.
16Die Kammer hat die Beteiligten im Februar 2016 auf das mittlerweile rechtskräftige Urteil der 2. Kammer des VG Köln vom 22. Dezember 2015 hingewiesen und die Beklagte angefragt, ob im Hinblick darauf eine Klaglosstellung des Klägers in Betracht gezogen werde. Die Beklagte hat daraufhin erklärt, dass an der ablehnenden Entscheidung festgehalten werde.
17Die Beteiligten haben ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, auch durch den Einzelrichter erklärt.
18Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Streitakte im Verfahren 16 L 1574/15.A sowie des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen.
19Entscheidungsgründe
20Die Entscheidung ergeht nach Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO) und durch den Berichterstatter als Einzelrichter, weil die Kammer ihm den Rechtsstreit gemäß § 76 Abs. 1 AsylG zur Entscheidung übertragen hat.
21Die zulässige Anfechtungsklage ist begründet. Der angefochtene Bescheid des Bundesamtes vom 17. Juni 2015 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO). Das Bundesamt hat zu Unrecht den Asylantrag des Klägers nach § 27a AsylVfG (jetzt AsylG) als unzulässig abgelehnt und auf der Grundlage des § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG (jetzt AsylG) die Abschiebung des Klägers nach Ungarn angeordnet.
22I.
23Die Ablehnung des Antrags des Klägers als unzulässig unter Ziffer 1. des angefochtenen Bescheides ist im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung (§ 77 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz AsylG) rechtswidrig, weil sie nicht im Einklang mit § 27a AsylG steht. Nach dieser Bestimmung ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Zwar bestand hier formal nach Art. 18 Abs. 1 b der Dublin-III-VO, die im vorliegenden Fall Anwendung findet (vgl. Art. 49 Dublin-III-VO), eine Zuständigkeit Ungarns für die Prüfung des (erneuten) Asylantrags des Klägers, weil dieser zuvor dort einen Asylantrag gestellt hatte und die ungarischen Behörden einer Wiederaufnahme des Klägers zugestimmt hatten. Gleichwohl ist heute die Beklagte für die Prüfung des Begehrens des Klägers zuständig. Im heute maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Gerichts ist die Beklagte jedenfalls auf der Grundlage von Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers zuständig. Denn seine Überstellung nach Ungarn erweist sich als unmöglich, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen in diesem Mitgliedstaat der Europäischen Union systemische Schwachstellen aufweist, die die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen und die weitere Prüfung nach einem zuständigen Mitgliedstaat nach Ablauf der Fristen für die Stellung von Aufnahme- oder Wiederaufnahmeersuchen (vgl. Art. 21 und 23 Dublin-III-VO) keinen Erfolg verspricht.
24Das Gericht verweist insoweit auf die Ausführungen im rechtskräftigen Urteil der 2. Kammer,
25VG Köln, Urteil vom 22. Dezember 2015 – 2 K 3464/15.A, juris,
26deren Erwägungen sich die zur Entscheidung berufene Kammer vollständig zu Eigen macht:
27„a) Die im vorliegenden Fall Anwendung findende Dublin-III-VO beruht auf der Erwartung, dass alle daran beteiligten Staaten die Grundrechte beachten, einschließlich der Rechte, die ihre Grundlage in der Genfer Flüchtlingskonvention und dem Protokoll von 1967 sowie in der Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) finden, und dass die Mitgliedstaaten einander insoweit Vertrauen entgegenbringen dürfen. Aufgrund dieses Prinzips des gegenseitigen Vertrauens gilt daher grundsätzlich die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat im Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechtecharta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK steht. Allerdings handelt es sich dabei nicht um eine unwiderlegbare Vermutung. Denn es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das System in der Praxis auf größere Funktionsstörungen in einem bestimmten Mitgliedstaat stößt, so dass eine ernstzunehmende Gefahr besteht, dass Asylbewerber bei einer Überstellung in diesen Mitgliedstaat in einer Weise behandelt werden, die mit ihren Grundrechten nicht vereinbar ist. Zwar genügt nicht jede Verletzung eines Grundrechts durch den zuständigen Mitgliedstaat und nicht jeder geringste Verstoß gegen die Richtlinien, um die Überstellung eines Asylbewerbers an den normalerweise zuständigen Mitgliedstaat zu vereiteln. Ist jedoch ernsthaft zu befürchten, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Asylbewerber im zuständigen Mitgliedstaat systemische Mängel aufweisen, die eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung der an diesen Mitgliedstaat überstellten Asylbewerber im Sinne von Art. 4 Grundrechtecharta implizieren, so ist die Überstellung mit dieser Bestimmung unvereinbar. In solchen Situationen obliegt es den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichte, einen Asylbewerber nicht an den „zuständigen Mitgliedstaat“ im Sinne der Verordnung zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 Grundrechtecharta ausgesetzt zu werden.
28Vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – Rs. C-411/10 und C-493/10, N.S. und M.E., juris; EGMR, Urteile vom 21. Januar 2011 – Nr. 30696/09, M.S.S. / Belgien und Griechenland und vom 04. November 2014 – Nr. 29217/12, Tarakhel / Italien.
29Der Begriff des systemischen Mangels ist weit zu verstehen. Mit „Asylverfahren und Aufnahmebedingungen“ ist der Gesamtkomplex des Asylsystems im Zielstaat gemeint. Dieses umfasst den Zugang zum Asylverfahren, das Asylverfahren selbst, die Behandlung während des Asylverfahrens, die Handhabung der Anerkennungsvoraussetzungen, das Rechtsschutzsystem und auch die in der Genfer Flüchtlingskonvention und der Qualifikationsrichtlinie geregelte Behandlung nach der Anerkennung.
30Vgl. Lübbe, ZAR 2014, 105; Bank/Hruschka, ZAR 2012, 182.
31Systemische Mängel im Sinne der vorgenannten Rechtsprechung des EuGH sind dabei nicht auf flächendeckende gravierende Systemausfälle (wie etwa für Griechenland festgestellt) beschränkt, sondern erfassen generell solche, die im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaats angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen und deshalb den Einzelnen vorhersehbar und regelhaft treffen. Auch tatsächliche Umstände, die dazu führen, dass ein theoretisch sachgerecht konzipiertes und nicht zu beanstandendes Asyl- und Aufnahmesystem – aus welchen Gründen auch immer – faktisch ganz oder in weiten Teilen seine ihm zugedachte Funktion nicht mehr erfüllen kann und weitgehend unwirksam wird, können einen systemischen Mangel darstellen. Nicht systemisch ist demgegenüber ein Mangel dann, wenn es lediglich in Einzelfällen zu einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 Grundrechtecharta bzw. Art. 3 EMRK kommt.
32Vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 19. März 2014 – 10 B 6.14, NVwZ 2014, 1039 und vom 6. Juni 2014 – 10 B 35.14, Buchholz 402.25 § 27a AsylVfG Nr. 2; VGH Baden-Württemberg, Urteil vom 10. November 2014 – A 11 S 1778/14, DVBl. 2015, 118.
33Im Falle des Vorliegens systemischer Mängel ist es ferner erforderlich, dass der einzelne Asylbewerber tatsächlich Gefahr läuft, hiervon im Falle einer Überstellung in den Zielstaat selbst betroffen zu sein. Bei flächendeckenden systemischen Mängeln bedarf dies keiner besonderen Darlegung. Bei systemischen Mängeln, die sich nur auf Teilgruppen oder vereinzelt auswirken, müssen weitere besondere Umstände des Einzelfalls vorliegen bzw. geltend gemacht werden, die eine Betroffenheit des Einzelnen beachtlich wahrscheinlich machen.
34Vgl. Lübbe, a. a. O.
35Bei der Beurteilung der Situation in einem Mitgliedstaat und der für einen Asylbewerber dort bestehenden tatsächlichen Risiken im Falle einer Überstellung sind Stellungnahmen des UNHCR ebenso heranzuziehen wie regelmäßige und übereinstimmende Berichte von internationalen Nichtregierungsorganisationen sowie sonstige Berichte der europäischen Institutionen, insbesondere der Kommission.
36Vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011, a. a. O. sowie vom 30. Mai 2013 – Rs. C-528/11, juris.
37Für die Rechtsfrage einer Verletzung von Art. 3 EMRK hat die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) eine Orientierungs- und Leitfunktion.
38b) Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze und nach Auswertung der aktuellen Auskunfts- und Erkenntnislage zu Ungarn steht es im Sinne von § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO zur Überzeugung der Kammer fest, dass dem Kläger bei einer Überstellung nach Ungarn schon wegen der dort aktuell gegebenen Aufnahmebedingungen für Antragsteller, die um internationalen Schutz nachsuchen, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne der Grundrechtecharta und der EMRK droht.
39Ungarn ist heute an die in der Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen – Aufnahmerichtlinie (ABl. L 180 S. 96) – festgelegten Mindeststandards gebunden. Dieses Regelwerk soll u.a. sicherstellen, dass Antragstellern ein menschenwürdiges Leben in den Mitgliedstaaten ermöglicht wird und vergleichbare Lebensbedingungen in allen Mitgliedstaaten gewährleisten (vgl. den Erwägungsgrund 11 der Richtlinie). Antragsteller werden in einem Mitgliedstaat unmenschlich oder erniedrigend behandelt, wenn ihnen nicht die unerlässlichen Leistungen der Daseinsvorsorge gewährt werden, die ihnen nach der Aufnahmerichtlinie zustehen. Ihnen müssen während der Dauer des Asylverfahrens die notwendigen Mittel zur Verfügung stehen, mit denen sie ihre elementaren Grundbedürfnisse (wie z.B. Unterkunft, Nahrungsaufnahme und Hygienebedürfnisse) in zumutbarer Weise befriedigen können. Als Maßstab sind die Art. 17 und 18 der Aufnahmerichtlinie mit den dort geregelten zeitlich begrenzten Einschränkungsmöglichkeiten bei vorübergehenden Unterbringungsengpässen und der Verpflichtung, auch in diesen Fällen die Grundbedürfnisse zu decken, heranzuziehen.
40Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A, juris, unter Hinweis auf die Entscheidungen des EGMR vom 21. Januar 2011 – Nr. 30696/09, NVwZ 2011, 413 und des EuGH vom 27. Februar 2014 – Rs. C-79/13, juris; VG Oldenburg, Urteil vom 2. November 2015 – 12 A 2572/15, juris.
41Diesen Anspruch auf Befriedigung der Grundbedürfnisse haben nach der Aufnahmerichtlinie nicht nur besonders schutzbedürftige Personen wie Familien/Alleinstehende mit Kleinkindern oder Kranke mit besonderen medizinischen Versorgungsansprüchen, sondern alle Asylsuchenden und somit auch alleinstehende, junge und gesunde männliche Personen. Auch diese sind im dargestellten Umfang vor Obdachlosigkeit, Unterernährung, Gewalt und gesundheitsgefährdenden Umständen in Unterkünften zu schützen.
42Die Aufnahmebedingungen für Antragsteller, die in Ungarn um internationalen Schutz nachsuchen, werden diesen Mindeststandards nach der aktuellen Auskunfts- und Erkenntnislage nicht gerecht. In Ungarn herrschen mit Blick auf die Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen extreme Kapazitätsprobleme. Bis zum 14. Juli 2015 sollen im Jahr 2015 78.000 Flüchtlinge registriert worden sein.
43Vgl. Pressemitteilung des ungarischen Ministry of Foreign Affairs and Trade vom 14. Juli 2015 “Steady migratory pressure necessitates border fence" (http://www.kormany.hu/en/ministry-of-foreign-affairs-and-trade/news/steady-migratory-pressure-necessitates-border-fence, [abgerufen am 2. März 2016]).
44Im September 2015 nannte die Europäische Kommission eine Zahl von inzwischen 98.072 Asylanträgen in Ungarn im Jahr 2015.
45Vgl. VG Oldenburg, Urteil vom 2. November 2015 – 12 A 2572/15, juris-Rn. 26.
46Inzwischen ist in der Presse sogar die Rede von mehr als 180.000 Asylbewerbern, die nach der Einreise in Ungarn registriert worden seien.
47Vgl. FAZ vom 12. November 2015 „Lob aus Wien, Warnungen aus Budapest“ (http://www.faz.net/aktuell/politik/fluechtlingskrise/berliner-aeusserungen-zum-dublin-verfahren-lob-aus-wien-warnungen-aus-budapest-13907294.html, [abgerufen am 2. März 2016]).
48Demgegenüber verfügt Ungarn über eine Aufnahmekapazität von höchstens 2.500 Plätzen für Flüchtlinge.
49Vgl. EASO, Beschreibungen des ungarischen Asylsystems, Stand März 2015; Auswärtiges Amt, Auskunft an das VG Freiburg vom 12. März 2015.
50Es liegt auf der Hand und bedarf keiner weiteren Begründung, dass bei einem derart eklatanten Missverhältnis eine auch nur annähernd menschenwürdige Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen objektiv nicht gewährleistet werden kann, diese im Gegenteil gezwungen sind, schutzlos auf der Straße oder in der freien Natur zu leben. In den der Kammer zu Verfügung stehenden Berichten wird dies ausdrücklich bestätigt. Human Rights Watch berichtet detailliert davon, dass in den Flüchtlingslagern in Ungarn „entsetzliche Zustände“ herrschten, der Zugang zu Nahrung, Wasser und medizinischer Versorgung sei nicht gewährleistet,
51vgl. Human Rights Watch, Bericht vom 11. September 2015 (https://www.hrw.org/de/news/2015/09/11/ungarn-entsetzliche-zustande-fluchtlingslagern, [abgerufen am 2. März 2016]),
52Diese in Ungarn objektiv fehlenden Unterbringungs- und Versorgungsmöglichkeiten bedeuten allerdings noch nicht, dass eine systemische Schwachstelle im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO gegeben ist. Zum systemischen Mangel wird die festgestellte Schwachstelle erst dann, wenn der betroffene Mitgliedstaat nicht nur nicht in der Lage ist, sondern vor allem auch nicht den Willen zeigt, die Aufnahmebedingungen für Antragsteller zu verbessern, indem er sich erkennbar darum bemüht, die Unterkunftsmöglichkeiten und die Versorgung der Flüchtlinge nachhaltig zu verbessern.
53Ebenso VG Oldenburg, Urteil vom 2. November 2015 – 12 A 2572/15, juris.
54So liegt der Fall allerdings hier. Der ungarische Staat ist offenkundig nicht willens, seine europarechtlichen Verpflichtungen zu erfüllen. Dies zeigen die seit dem Sommer 2015 ergriffenen Maßnahmen der zuständigen ungarischen Stellen. Ungarn betreibt eine offene Politik der Abschottung gegen den Zuzug von Flüchtlingen und hat als erstes Land einen Grenzzaun zur Abwehr weiterer Flüchtlinge errichtet. Das Land hat erklärt, dass es eine nennenswerte Zuwanderung sog. „Wirtschaftsflüchtlinge“ nicht wünsche und keine multikulturelle Gesellschaft werden wolle.
55Aus den vielen Pressberichten vgl. nur Pro Asyl, Pressemitteilung vom 7. Juli 2015 „Kein Schutz für niemanden: Ungarn verabschiedet sich vom Flüchtlingsrecht“; amnesty international, Fenced out – Hungary´s violations of the rights of refugees and migrants (Report von Oktober 2015); Die Welt vom 24. Juni 2015 „Flüchtlingskrise: Warum Ungarn Angst vor zu vielen Asylbewerbern hat“; SZ vom 24. Juni 2015 „Die ungarische Regierung will Flüchtlinge ab sofort aussperren“; n-tv vom 29. August 2015 „Stacheldraht gegen Flüchtlinge – Ungarn stellt erste Grenz-Sperranlage fertig“; FAZ vom 1. September 2015 „Ungarn schottet sich mit Stacheldraht ab“.
56Die aktuelle Flüchtlingskrise hat der ungarische Ministerpräsident als „ein deutsches Problem“ bezeichnet.
57Vgl. Zeit Online vom 3. September 2015.
58Das „Dublin System“ hat der ungarische Außenminister in einer aktuellen Verlautbarung vom 11. November 2015 für „tot“ erklärt.
59Vgl. Pressemitteilung der ungarischen Regierung vom 11. November 2015 (http://www.kormany.hu/en/ministry-of-foreign-affairs-and-trade/news/dublin-system-is-dead-there-is-no-reason-why-rules-relating-to-repatriation-should-apply [abgerufen am 2. März 2016]; ferner FAZ vom 12. November 2015 „Lob aus Wien, Warnungen aus Budapest“.
60Ganz aktuell hat der ungarische Ministerpräsident Orban seine Haltung gegenüber Flüchtlingen zusammengefasst mit den Worten: „Wir wollen diese Menschen nicht haben.“
61Vgl. FAZ vom 15. Dezember 2015.
62Nach allem ist das Gericht davon überzeugt, dass Antragstellern wie dem Kläger, die um internationalen Schutz nachsuchen, wegen der zur Zeit in Ungarn gegebenen Aufnahmebedingungen, die Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne der Grundrechtecharta und der EMRK mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht und es deshalb im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO unmöglich ist, sie in diesen Staat zu überstellen.
63So auch VG Oldenburg, Urteil vom 2. November 2015 – 12 A 2572/15, juris m.w.N. aus der Rechtsprechung; ferner VG Köln, Urteil vom 15. Juli 2015 – 3 K 2005/15.A, juris; VG Köln, Urteil vom 8. September 2015 – 18 K 4584/15.A, juris; a.A. etwa VG Stade, Beschluss vom 4. November 2015 – 1 B 1749/15, juris.
64Die Antwort der Europäischen Kommission vom 30. Oktober 2015 an die erkennende Kammer auf deren Beweisbeschlüsse in den Verfahren 2 K 6465/14.A und 2 K 6214/14.A steht dieser Bewertung nicht entgegen. Denn sie ist ohne belastbare Aussagekraft und deshalb nicht geeignet, die Überzeugung des Gerichts zu erschüttern. Die Kommission verlautbart in dieser Mitteilung zunächst selbst, dass die zuständige Generaldirektion wiederholt Erfahrungsberichte diverser Einrichtungen bekomme, die vor Ort in Ungarn tätig seien und die „Anlass zur Sorge in Bezug auf das Funktionieren des ungarischen Asylverfahrens“ gäben. Die Kommission sieht sich allerdings zur Zeit außerstande, zuverlässige und gültige Informationen über das tatsächliche Funktionieren des ungarischen Asylsystems zu geben, weist zugleich aber darauf hin, sie prüfe die Vereinbarkeit der von Ungarn vorgenommen Rechtsänderungen des nationalen Asylsystems und trete zu diesem Zweck mit den ungarischen Behörden in Kontakt.
65Ebenso wenig steht die Tatsache, dass es noch keine Empfehlung der UNHCR gibt, Überstellungen von Antragstellern nach Ungarn wegen der Gefahr einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung auszusetzen, der Einschätzung der Kammer entgegen. Denn der UNHCR hat in seiner Stellungnahme vom 30. September 2014 an das VG Bremen ausdrücklich darauf hingewiesen, dass er derartige Empfehlungen bislang lediglich in Ausnahmekonstellationen ausgesprochen habe und aus der Tatsache des Fehlens einer Äußerung in einem UNHCR-Papier, ob bestimmte Mängel einer Überstellung in den betreffenden Staat entgegenstünden, nicht geschlossen werden könne, der UNHCR vertrete die Auffassung, dass keine einer Überstellung entgegenstehenden Umstände vorlägen oder im Einzelfall vorliegen könnten. Dies sei deshalb der Fall, weil sich die betreffenden Papiere zumeist in erster Linie mit Empfehlungen zur Verbesserung des Flüchtlingsschutzes an die betreffende Regierung richteten. Es sei vielmehr – so der UNHCR – die Aufgabe der Behörden und Gerichte, im Einzelfall zu entscheiden, ob drohende Verletzungen von Art. 3 EMRK eine Überstellung in einen Mitgliedstaat ausschließen.
66Vgl. UNHCR vom 30. September 2014 an das VG Bremen.
67Schließlich hindert auch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) vom 3. Juli 2014 (Mohammadi / Österreich, Nr. 71932/12) die Einschätzung des Gerichts nicht. Die Entscheidung des EGMR, dass ein Asylsuchender zum damaligen Zeitpunkt nicht mehr einer tatsächlichen und persönlichen Gefahr unterliege, bei einer Überstellung nach Ungarn nach den Maßgaben der Dublin-Verordnung einer Behandlung ausgesetzt zu sein, die Art. 3 EMRK verletzen würde, beruht im Wesentlichen auf der Erwartung, dass die zu diesem Zeitpunkt in Kraft getretenen Gesetzesänderungen in Ungarn zu einer positiven Entwicklung des ungarischen Asylsystems führen würden. Diese Erwartungen haben sich indessen - wie die oben dargelegten aktuellen Erkenntnisse zu den zur Zeit in Ungarn herrschenden Aufnahmebedingungen für Antragsteller belegen - offensichtlich nicht erfüllt.
68Ebenso VG Köln, Urteil vom 15. Juli 2015 – 3 K 2005/15.A, juris; VG Köln, Urteil vom 8. September 2015 – 18 K 4584/15.A, juris.
69Ob dem Kläger darüber hinaus auch wegen der in Ungarn bestehenden Inhaftierungspraxis und wegen der Haftbedingungen in diesem Land die Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 Grundrechtecharta droht und er auch deshalb nicht nach Ungarn überstellt werden darf,
70so etwa VG Köln, Urteil vom 15. Juli 2015 – 3 K 2005/15.A, juris; ferner VG Köln, Urteil vom 8. September 2015 – 18 K 4584/15.A, juris; VG Oldenburg, Urteil vom 2. November 2015 – 12 A 2572/15, juris; a.A. u.a. VG Stade, Beschluss vom 4. November 2015 – 1 B 1749/15, juris,
71oder systemische Schwachstellen im Sinne von Art. 3 Abs. 2 Dublin-III-VO aufgrund der Rechtsänderungen im ungarischen Asylrecht durch die Asylrechtsnovelle im August 2015 begründet werden,
72so VG Düsseldorf, Gerichtsbescheid vom 2. Dezember 2015 – 22 K 3263/15.A, juris,
73bedarf mit Blick auf die obigen Ausführungen keiner Entscheidung durch die Kammer.“
74Neuere Erkenntnisse, die diese Bewertung in Frage stellen, liegen der Kammer nicht vor und wurden auch seitens der Beklagten nicht vorgebracht.
75II.
76Auch die unter Ziff. 2 des angefochtenen Bescheides weiterhin erlassene Abschiebungsanordnung nach Ungarn ist im maßgeblichen Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung rechtswidrig und – weil den Kläger in seinen Rechten verletzend – nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO aufzuheben. Sie findet ihre Rechtsgrundlage heute nicht in § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylG. Nach dieser Vorschrift ordnet das Bundesamt die Abschiebung in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 27a) an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann.
77Diese Voraussetzungen sind aktuell nicht gegeben. Wie das Gericht soeben dargelegt hat, ist Ungarn nicht der für die Durchführung des Asylverfahrens des Klägers zuständige Staat im Sinne von § 27a AsylG. Eine Abschiebung des Klägers nach Ungarn als sicheren Drittstaat im Sinne von § 26a AsylG scheidet ebenfalls aus. Denn die Drittstaatenregelung findet nach § 26a Abs. 1 Satz 3 Nr. 2 AsylG keine Anwendung, wenn die Bundesrepublik Deutschland – wie dies hier der Fall ist – aufgrund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist.
78Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 83b AsylG.
79Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Annotations
(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.
(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.
(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.
(1) Die Kammer soll in der Regel in Streitigkeiten nach diesem Gesetz den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn nicht die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.
(2) Der Rechtsstreit darf dem Einzelrichter nicht übertragen werden, wenn bereits vor der Kammer mündlich verhandelt worden ist, es sei denn, dass inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.
(3) Der Einzelrichter kann nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit auf die Kammer zurückübertragen, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozesslage ergibt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.
(4) In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entscheidet ein Mitglied der Kammer als Einzelrichter. Der Einzelrichter überträgt den Rechtsstreit auf die Kammer, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn er von der Rechtsprechung der Kammer abweichen will.
(5) Ein Richter auf Probe darf in den ersten sechs Monaten nach seiner Ernennung nicht Einzelrichter sein.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Soll der Ausländer in einen sicheren Drittstaat (§ 26a) oder in einen für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat (§ 29 Absatz 1 Nummer 1) abgeschoben werden, ordnet das Bundesamt die Abschiebung in diesen Staat an, sobald feststeht, dass sie durchgeführt werden kann. Dies gilt auch, wenn der Ausländer den Asylantrag in einem anderen auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Union oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständigen Staat gestellt oder vor der Entscheidung des Bundesamtes zurückgenommen hat. Einer vorherigen Androhung und Fristsetzung bedarf es nicht. Kann eine Abschiebungsanordnung nach Satz 1 oder 2 nicht ergehen, droht das Bundesamt die Abschiebung in den jeweiligen Staat an.
(2) Anträge nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsanordnung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsanordnung bleibt hiervon unberührt.
(1) Ein Ausländer, der aus einem Drittstaat im Sinne des Artikels 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Drittstaat) eingereist ist, kann sich nicht auf Artikel 16a Abs. 1 des Grundgesetzes berufen. Er wird nicht als Asylberechtigter anerkannt. Satz 1 gilt nicht, wenn
- 1.
der Ausländer im Zeitpunkt seiner Einreise in den sicheren Drittstaat im Besitz eines Aufenthaltstitels für die Bundesrepublik Deutschland war, - 2.
die Bundesrepublik Deutschland auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages mit dem sicheren Drittstaat für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist oder - 3.
der Ausländer auf Grund einer Anordnung nach § 18 Abs. 4 Nr. 2 nicht zurückgewiesen oder zurückgeschoben worden ist.
(2) Sichere Drittstaaten sind außer den Mitgliedstaaten der Europäischen Union die in Anlage I bezeichneten Staaten.
(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage I bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Drittstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 2 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.