Verwaltungsgericht Köln Urteil, 05. Okt. 2016 - 10 K 2629/15
Tenor
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der am 00.00.0000 in Transkarpatien in der heutigen Ukraine geborene Kläger beantragte unter dem 06.09.2010 beim Bundesverwaltungsamt (BVA) die Erteilung eines Aufnahmebescheides. Er machte geltend, deutscher Volkszugehöriger zu sein. In seinem ersten Inlandspass war er mit ungarischer Nationalität eingetragen; in seinem am 01.02.1997 ausgestellten Inlandspass war ein Nationalitätseintrag nicht vorgesehen. Die deutsche Volkszugehörigkeit leitete er von seinen Eltern, dem 1924 geborenen H. I. (20 K 1948/11) und der 1926 geborenen F. I. , geb K. , (20 K 1947/11) her sowie von den Großeltern mütterlicherseits, E. und A. K. , und der Großmutter väterlicherseits, U. I. . Die deutsche Sprache habe er von Geburt an u.a. von den Eltern und den Großeltern erlernt, die Deutsch verstanden, gesprochen und geschrieben hätten. Der Kläger legte eine Geburtsurkunde vor, ausgestellt am 30.12.1958, in der sein Vater mit ungarischer Nationalität und seine Mutter mit slowakischer Nationalität eingetragen ist, ferner seinen Militärpass, ausgestellt am 12.08.1985, in dem die ungarische Nationalität eingetragen ist. Er trug ferner vor, er sei Mitbegründer der Vereinigung für die Wiederherstellung der Rechte der Deutschen in Mukatschewo im Jahr 1990 sowie seit 1990 Mitglied der deutschsprachigen römisch-katholischen Kirchengemeinde Herz Jesu und seit 1995 des deutschen Kulturvereins „Palanka“.
3Mit Bescheid vom 01.11.2010 lehnte das BVA den Aufnahmeantrag des Klägers ab und wies den dagegen gerichteten Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 25.02.2011 zurück, da der Kläger nicht von einem deutschen Staatsangehörigen oder von einem deutschen Volkszugehörigen abstamme. Ebenso wurden die Aufnahmeanträge beider Eltern des Klägers – auch – wegen Fehlens des Abstammungserfordernisses, ferner wegen Fehlens eines Bekenntnisses zum deutschen Volkstum, abgelehnt.
4Der Kläger erhob damals Klage (20 K 1946/11), mit der er sein Aufnahmebegehren weiterverfolgte. Er machte geltend, beiderseits von deutschen Volkszugehörigen abzustammen; es komme nicht darauf an, wie Eltern oder Großeltern „zwangseingetragen“ gewesen seien.
5In dem damaligen Parallelverfahren des 1986 geborenen Sohnes Zoltan des Klägers (20 K 5475/10) lagen an weiteren Unterlagen vor: Ein Auszug aus dem staatlichen Standesamtsregister der Geburten betreffend den Kläger, ausgestellt am 30.01.2009, sowie ein Auszug aus dem staatlichen Standesamtsregister betreffend die Eheschließung des Vaters des Klägers mit F. I. (geb. K. ) vom 23.01.2009, in denen der Vater des Klägers unverändert mit ungarischer Nationalität eingetragen ist und seine Mutter nunmehr mit deutscher Nationalität, ein Auszug aus dem staatlichen Standesamtsregister der Geburten betreffend den Sohn des Klägers, ausgestellt am 22.01.2009, in der der Kläger mit deutscher Nationalität eingetragen wurde, und ein Auszug aus dem staatlichen Standesamtsregister der Eheschließung betreffend den Kläger und seine Ehefrau N. I. , ausgestellt am 22.01.2009, in der beide mit deutscher Nationalität eingetragen sind.
6In demselben Verfahren lag ferner eine Archivauskunft des staatlichen Archivs des Gebiets Transkarpatien vom 06.09.1993 vor, in der bescheinigt wird, dass die der 1887 geborene Großvater mütterlicherseits des Klägers, F1. (F2. ) K. und die 1896 geborene Großmutter mütterlicherseits, Anna K. , bei der Durchführung der ersten allgemeinen Volkszählung in der Tschechoslowakei im Jahr 1921 mit der deutschen Nationalität bezeichnet wurde.
7Im damaligen Verfahren seines Vaters H. I. (20 K 1948/11) lag ferner eine Archivauskunft des staatlichen Archivs des Gebiets Transkarpatien vom 12.07.2010 vor, in der bescheinigt wird, dass die 1885 geborene Großmutter väterlicherseits des Klägers, U. I. , bei der Durchführung der ersten allgemeinen Volkszählung in der Tschechoslowakei im Jahr 1921 mit der deutschen Nationalität bezeichnet wurde.
8Im damaligen Verfahren der Mutter des Klägers, F. I. (20 K 1947/11), lag ferner eine Rehabilitationsbescheinigung des Regionalrats von Transkarpatien vom 30.07.2010 vorgelegen, in der bestätigt wird, dass die Mutter des Klägers vom 21.01.1945 bis zum 18.12.1949 wegen ihrer Nationalität als Deutsche interniert war.
9Die gegen den Ablehnungsbescheid vom 01.11.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25.02.2011 gerichtete Klage (20 K 1946/11) nahm der Kläger am 17.05.2013 zurück. Auch die Klagen der übrigen Familienangehörigen wurden zurückgenommen.
10Mit Schreiben vom 04.10.2014 beantragte der Kläger beim BVA – gemeinsam mit seinem Vater H. I. , seinem Bruder A. I. (geb. 1963), seinem Sohn A. I. (geb. 1986), seiner Ehefrau N. I. , geb. A1. , und deren Eltern L. und N. A1. - das Verfahren „gem. dem 10. Änderungsgesetz zum BVFG“ wiederaufzugreifen und ihm einen Aufnahmebescheid zu erteilen. Zur Begründung wurde für den Kläger und seine Verwandten geltend gemacht, es handele sich bei allen um deutsche Volkszugehörige. Das ausdrückliche Bekenntnis ergebe sich bereits aus den alten Verfahren, da alle die „Änderung der Passeinträge intensiv betrieben“ hätten.
11Der Wiederaufgreifensantrag wurde zunächst nicht beschieden.
12Der Kläger hat am 04.05.2015 Untätigkeitsklage erhoben, mit der er seine Antragsbegründung aus dem Verwaltungsverfahren wiederholt. Er hat die oben bezeichneten Unterlagen teilweise erneut vorgelegt, ferner zwei Beschlüsse des Standesamt Mukatschewo vom 13.10.2015, betreffend seinen Vater und seinen Bruder, mit denen eine Eintragung der deutschen Nationalität in der jeweiligen Geburtsurkunde abgelehnt wurde, da die gewünschte Nationalität nach den vorhandenen übrigen Unterlagen „nicht zurückverfolgt“ werden könne. Der Kläger macht geltend, die Abstammung von deutschen Volkszugehörigen sei seinerzeit nur verneint worden, weil die Bezugspersonen kein durchgehendes Bekenntnis zum deutschen Volkstum abgegeben hätten. Ein „durchgehendes“ Bekenntnis sei aber nach der aktuellen Rechtslage nicht mehr erforderlich.
13Der Vater des Klägers ist im Verlauf des gerichtlichen Verfahrens verstorben. Der Ehefrau, dem Sohn und den Schwiegereltern des Klägers wurden inzwischen Aufnahmebescheide erteilt. Das Klageverfahren seines Bruders wird unter dem Aktenzeichen 10 K 2631/15 geführt.
14Nach Klageerhebung hat die Beklagte den Wiederaufgreifensantrag mit Bescheid vom 30.08.2016 abgelehnt: Durch das 10. BVFG-Änderungsgesetz habe sich die Rechtslage nicht zugunsten des Klägers geändert. Hinsichtlich des Abstammungserfordernisses habe sich für ihn keine Besserstellung ergeben. Auch ein Wiederaufgreifen im Ermessensweg nach § 51 Abs. 5 i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG komme nicht in Betracht, da der Rechtssicherheit hier der Vorrang vor einer Neubescheidung zu geben sei.
15Der Kläger beantragt,
16die Beklagte zu verpflichten, ihm unter Aufhebung des Bescheides des Bundesverwaltungsamtes vom 30.08.2016 im Wege des Wiederaufreifens des Verfahrens einen Aufnahmebescheid gemäß § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG zu erteilen.
17Er stellt ferner den Hilfsbeweisantrag,
18„zum Beweis dafür, dass der Kläger, seine Eltern und Großeltern die deutsche Sprache fließend auf Muttersprachenniveau gesprochen haben, beantrage ich die Anhörung des Klägers und die Zeugeneinvernahme der Eheleute N. A1. und L. A1. , Anschrift gerichtsbekannt.“
19Die Beklagte beantragt,
20die Klage abzuweisen.
21Sie verteidigt den angefochtenen Bescheid.
22Entscheidungsgründe
23Die zulässige Klage ist nicht begründet.
24Der Bescheid des Bundesverwaltungsamtes vom 30.08.2016 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO). Er hat keinen Anspruch auf Wiederaufgreifen seines bestandskräftig abgeschlossenen Aufnahmeverfahrens und Erteilung eines Aufnahmebescheids gemäß § 27 Abs. 1 BVFG.
25Die Bestandskraft der Ablehnungsentscheidung kann nur bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen des § 51 VwVfG überwunden werden. Diese Voraussetzungen liegen nicht vor.
26Nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG hat die Behörde auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat.
27Dies ist hier nicht der Fall. Denn die dem Bescheid vom 01.11.2010 zugrundeliegende Rechtslage hat sich nicht zugunsten des Klägers durch das am 14. September 2013 in Kraft getretene 10. BVFG-Änderungsgesetz geändert. Die 7. Kammer des Verwaltungsgerichts Köln hat hierzu in einem ähnlich gelagerten Fall mit
28Urteil vom 12. Juli 2016 - 7 K 7419/15 -, juris,
29ausgeführt:
30„Eine nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage zugunsten des Betroffenen setzt voraus, dass sich Faktoren geändert haben, die im ursprünglichen Verfahren für den Erlass des nunmehr bestandkräftigen Verwaltungsaktes maßgeblich waren. Für den hier fraglichen Fall einer geänderten Rechtslage bedeutet dies, dass seinerzeit entscheidungserhebliche Rechtsnormen nachträglich geändert worden sein müssen.
31Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Auflage 2015, § 51 Rn. 25 m.w.N.
32Dies ist in Bezug auf die Voraussetzungen eines Aufnahmebescheides nach § 27 Abs. 1 BVFG durchaus der Fall, da seit Inkrafttreten des 10. BVFG-Änderungsgesetzes vom 06.09.2013 die Anforderungen an die Spätaussiedlereigenschaft gemäß §§ 4, 6 Abs. 2 BVFG, namentlich in Bezug auf das erforderliche Volkstumsbekenntnis und die damit verbundenen sprachlichen Voraussetzungen in wesentlichen Punkten modifiziert wurden.
33Die gesetzlichen Änderungen entfalten jedoch keine Wirkung zugunsten der Klägerin. Hängt das Bestehen eines gesetzlichen Anspruchs - hier des Anspruchs auf Erteilung eines Aufnahmebescheides - von mehreren gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen ab, ist eine Änderung zugunsten des Betroffenen nur eingetreten, wenn nach der Änderung alle gesetzlichen Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. Nur in diesem Fall vermag der Anspruch auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens sein Ziel, nämlich die Durchbrechung der Bestandskraft der ablehnenden Entscheidung im Interesse der materiellen Gerechtigkeit, zu erreichen. In diesem Sinne bedeutet im Fall strikter Rechtsansprüche die Entscheidung über das Wiederaufgreifen auch stets eine Entscheidung über den Anspruch selbst. Denn ein Wiederaufgreifen mit dem Ergebnis neuerlicher Ablehnung in der Sache wäre für den Betroffenen sinnlos. Anders verhält es sich etwa bei Ermessensentscheidungen oder in Fällen notwendiger weiterer Sachaufklärung. Dort ist das Ergebnis des Wiederaufgreifens nicht allein durch die Rechtslage vorbestimmt. Fehlt es aber - wie vorliegend - bei einer gebundenen Entscheidung an einem solchen Spielraum, fallen Wiederaufgreifens- und Anspruchsvoraussetzungen zusammen. Denn nur dann sind für den Betroffenen objektiv günstigere rechtliche Umstände eingetreten.
34Vgl. Engels, in: VwVfG-Großkommentar, 1. Auflage 2014, § 51 Rn. 34; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Auflage 2008, § 51 Rn. 92; Urteile der Kammer vom 15.06.2016 - 7 K 3833/15 - und vom 07.06.2016 - 7 K 5651/14 -.
35Ein Anspruch der Klägerin auf das Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens mit der Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung eines Aufnahmebescheides besteht damit nur dann, wenn sich auch dasjenige Tatbestandsmerkmal nachträglich zu ihren Gunsten geändert hat, das bei der Erstentscheidung zur Ablehnung des Antrags geführt hat,
36anders z.T. OVG NRW, Beschluss vom 16.03.2016 - 11 E 221/16 -.
37Dies ist in Bezug auf das Merkmal der Abstammung von einem deutschen Volkszugehörigen jedoch nicht der Fall. Diese Voraussetzung der Volkszugehörigkeit und damit auch der Spätaussiedlereigenschaft blieb durch das 10. BVFG-Änderungsgesetz unberührt. Soweit die Klägerin darauf abhebt, dass nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich des Merkmals "Abstammung" in Abkehr vom vorherigen Verständnis,
38vgl. BVerwG, Urteil vom 10.11.1976 - 8 C 92.75 -, BVerwGE 51, 298-310 (juris Rn. 29),
39generationsübergreifend nicht nur auf die Eltern, sondern auch auf die Großeltern abgestellt werden kann,
40vgl. BVerwG, Urteil vom 25.01.2008 - 5 C 8.07 -, BVerwGE 130, 197-201,
41spricht sie einen Umstand an, der zwar infolge geänderter Verwaltungsvorschriften des Bundes zu einer geänderten Verwaltungspraxis des Bundesverwaltungsamtes in Bezug auf dieses Tatbestandsmerkmal geführt hat, als solcher aber nicht die Rechtslage geändert hat. Denn die Änderung der Rechtsprechung betrifft lediglich die Auslegung der Rechtslage, nicht aber die Rechtslage selbst.
42Vgl. nur BVerwG, Urteil vom 22.10.2009 - 1 C 26.08 -, BVerwGE 135, 137-150.
43Dies gilt insbesondere auch bei Änderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung.
44Anders noch BVerwG, Urteil vom 11.12.1963 - V C 91.62 -, BVerwGE 17, 256-262.
45Anderenfalls stünde jede bestandskräftige Verwaltungsentscheidung unter dem Vorbehalt nachträglich geänderter höchstrichterlicher Rechtsauffassung, was dem berechtigten Interesse der Rechtssicherheit deutlich zuwider liefe.
46Da der Bescheid vom 02.03.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.01.2007 maßgeblich auch auf die fehlende Abstammung von einem deutschen Volkszugehörigen in Person der Eltern gestützt war, sprach er ein Tatbestandmerkmal an, das durch das 10. BVFG-Änderungsgesetz unberührt blieb. Geändert hat sich nur die Auslegung dieses Tatbestandmerkmals. Dieses Ergebnis kann auch nicht mit dem Hinweis darauf relativiert werden, dass die Voraussetzungen deutscher Abstammung und deutscher Volkszugehörigkeit in sprachlicher Hinsicht miteinander verwoben sind und die Anforderungen in sprachlicher Hinsicht geändert wurden. Denn die Neureglungen des 10. BVFG-Änderungsgesetzes adressieren den Aufnahmebewerber. Dieser soll in Bezug auf das Merkmal familiärer Vermittlung der deutschen Sprache besser gestellt werden. Dieses wurde als bekenntnisrelevanter Umstand nicht mehr als zeitgemäß empfunden und sollte durch die Möglichkeit des Nachweises anderweitig erworbener Sprachfertigkeiten ergänzt werden. Das Erfordernis habe in der Praxis immer häufiger zu unbilligen Ablehnungsentscheidungen geführt, wenn die Abstammung von einem deutschen Volkszugehörigen, das Bekenntnis zum deutschen Volkstum und deutsche Sprachkenntnisse hätten nachgewiesen werden können und es lediglich noch an der familiären Vermittlung der Sprachkenntnisse gemangelt habe. Es sei zu bedenken, dass sich eine deutschstämmige Person auch durch das Erlernen der deutschen Sprache außerhalb der Familie mit Sprache und Kultur auseinandersetzen und zu ihrem Deutschsein bekennen könne.
47Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses zum Gesetzentwurf des Bundesrates, BT-Drs. 17/13937 vom 12.06.2013.
48Damit nahm der Gesetzgeber auf den unbestreitbar bestehenden Umstand Rücksicht, dass mit dem Rückgang der deutschstämmigen Bevölkerung in den Aussiedlungsgebieten nach Abschluss der großen Ausreisewellen die Möglichkeiten familiärer Sprachvermittlung in einer fremdsprachigen Umgebung naturgemäß zunehmend schwanden. Für jüngere Aufnahmebewerber wurde es damit trotz deutscher Abstammung zunehmend schwerer, das gesetzliche Tatbestandsmerkmal zu erfüllen. Dieses Problem stellte sich jedoch nur in deren Person, nicht in Person desjenigen, von dem die Abstammung hergeleitet wird. Vor diesem Hintergrund fehlen fassbare Anhaltspunkte für die Annahme, der Gesetzgeber habe mit dem 10. BVFG-Änderungsgesetz auch das Abstammungserfordernis einer generellen Revision unterziehen wollen. Vielmehr galt es, der besonderen Situation heutiger Aufnahmebewerber durch Erleichterungen in Bezug auf die Merkmale "Bekenntnis" und "Sprache" Rechnung zu tragen. Das Merkmal "Abstammung war hiervon nicht betroffen. Es betrifft stets abgeschlossene Sachverhalte, die im Gegensatz zu den mit der Sprachvermittlung zusammenhängenden Umständen an den Veränderungen der gesellschaftlichen Realität in den Herkunftsgebieten naturgemäß nicht teilhaben.“
49Die Kammer hatte sich dieser Auffassung bereits mit Urteil vom 30. November 2015 - 10 K 5371/14 - angeschlossen. Sie hält auch nach erneuter Prüfung daran fest. Ob sich die Rechtslage in Bezug auf die übrigen Tatbestandsvoraussetzungen des § 6 Abs. 2 BVFG geändert hat, hat daher keine Auswirkungen.
50Soweit der Kläger vorträgt, die deutsche Volkszugehörigkeit seiner Vorfahren sei im ursprünglichen Aufnahmeverfahren nur wegen Fehlens eines „durchgehenden“ Bekenntnisses verneint worden, trifft dies nicht zu. Die Beklagte hat vielmehr sowohl bei dem Vater als auch bei der Mutter des Klägers bereits deren deutsche Abstammung verneint, wie sich auch aus den in den Aufnahmebescheiden der Eltern seinerzeit ergangen Ablehnungsbescheiden ergibt; dort wird - selbständig tragend - jeweils auch auf das fehlende Abstammungserfordernis abgestellt. Hinsichtlich der für die Abstammung insoweit maßgeblichen, vor dem 01.01.1924 geborenen Großeltern des Klägers ist eine Änderung der Sach- oder Rechtslage durch das 10. BVFG-Änderungsgesetz schon deshalb nicht eingetreten, weil für diesen Personenkreis nicht auf § 6 Abs. 2 BVFG, sondern auf § 6 Abs. 1 BVFG abzustellen ist. Diese Vorschrift ist durch das 10. BVFG-Änderungsgesetz nicht berührt.
51Auch ein Wiederaufgreifen des Verfahrens im Rahmen des § 51 Abs. 5 i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG kann der Kläger aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Bescheides nicht beanspruchen. Diese tragen ermessensfehlerfrei die angefochtene Entscheidung.
52Die Beklagte hat das Verfahren auch nicht etwa der Sache nach bereits wieder aufgegriffen, indem sie sich im gerichtlichen Verfahren vor Erlass des Ablehnungsbescheides vom 30.08.2016 schriftsätzlich dahingehend geäußert hat, es sei offen, ob der Kläger von einem deutschen Volkszugehörigen abstamme, und insoweit auf ihre Ausführungen im Verfahren des - inzwischen verstorbenen – Vaters des Klägers verwiesen hat. In dieser Einlassung liegt keine Entscheidung dazu, ob eine erneute Sachprüfung trotz Vorliegen eines bestandskräftigen Ablehnungsbescheides noch erfolgen solle.
53Dem Hilfsbeweisantrag des Klägers war nicht nachzugehen, weil die unter Beweis gestellte Tatsache nicht erheblich ist, vielmehr zugunsten des Klägers als wahr unterstellt werden kann.
54Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.
(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er
- 1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat; - 2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren; - 3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.
(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.
(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(1) Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist.
(2) Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt darf, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden,
- 1.
wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist; - 2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat; - 3.
wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde; - 4.
wenn die Behörde auf Grund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, soweit der Begünstigte von der Vergünstigung noch keinen Gebrauch gemacht oder auf Grund des Verwaltungsaktes noch keine Leistungen empfangen hat, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde; - 5.
um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.
(3) Ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden,
- 1.
wenn die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird; - 2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat.
(4) Der widerrufene Verwaltungsakt wird mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam, wenn die Behörde keinen anderen Zeitpunkt bestimmt.
(5) Über den Widerruf entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zu widerrufende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(6) Wird ein begünstigender Verwaltungsakt in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 3 bis 5 widerrufen, so hat die Behörde den Betroffenen auf Antrag für den Vermögensnachteil zu entschädigen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen schutzwürdig ist. § 48 Abs. 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend. Für Streitigkeiten über die Entschädigung ist der ordentliche Rechtsweg gegeben.
(1) Der Aufnahmebescheid wird auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen (Bezugspersonen). Abweichend hiervon kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet gilt als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Satz 2 abgelehnt wurde und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet hat.
(2) Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei Jahren besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmling werden zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt; Ehegatten und volljährige Abkömmlinge müssen auch Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen. Die Einbeziehung wird nachgeholt, wenn ein Abkömmling einer Bezugsperson nicht mehr im Aussiedlungsgebiet, sondern während des Aussiedlungsvorganges und vor Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 Absatz 1 geboren wird. Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die Einbeziehung von minderjährigen Abkömmlingen in den Aufnahmebescheid ist nur gemeinsam mit der Einbeziehung der Eltern oder des sorgeberechtigten Elternteils zulässig. Ein Ehegatte oder volljähriger Abkömmling wird abweichend von Satz 1 einbezogen, wenn er wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer Behinderung im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch keine Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen kann. Die Einbeziehung in den Aufnahmebescheid wird insbesondere dann unwirksam, wenn die Ehe aufgelöst wird, bevor beide Ehegatten die Aussiedlungsgebiete verlassen haben, oder die Bezugsperson verstirbt, bevor die einbezogenen Personen Aufnahme im Sinne von § 4 Absatz 3 Satz 2 gefunden haben.
(3) Der Antrag auf Wiederaufgreifen eines unanfechtbar abgeschlossenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides oder auf Einbeziehung ist nicht an eine Frist gebunden. § 8 Absatz 2 und § 9 Absatz 4 Satz 2 gelten für Familienangehörige der nach Absatz 2 Satz 3 nachträglich einbezogenen Personen entsprechend.
(4) Für jedes Kalenderjahr dürfen so viele Aufnahmebescheide erteilt werden, dass die Zahl der aufzunehmenden Spätaussiedler, Ehegatten und Abkömmlinge die Zahl der vom Bundesverwaltungsamt im Jahre 1998 verteilten Personen im Sinne der §§ 4, 7 nicht überschreitet. Das Bundesverwaltungsamt kann hiervon um bis zu 10 vom Hundert nach oben oder unten abweichen.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Der Aufnahmebescheid wird auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen (Bezugspersonen). Abweichend hiervon kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet gilt als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Satz 2 abgelehnt wurde und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet hat.
(2) Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei Jahren besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmling werden zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt; Ehegatten und volljährige Abkömmlinge müssen auch Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen. Die Einbeziehung wird nachgeholt, wenn ein Abkömmling einer Bezugsperson nicht mehr im Aussiedlungsgebiet, sondern während des Aussiedlungsvorganges und vor Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 Absatz 1 geboren wird. Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die Einbeziehung von minderjährigen Abkömmlingen in den Aufnahmebescheid ist nur gemeinsam mit der Einbeziehung der Eltern oder des sorgeberechtigten Elternteils zulässig. Ein Ehegatte oder volljähriger Abkömmling wird abweichend von Satz 1 einbezogen, wenn er wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer Behinderung im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch keine Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen kann. Die Einbeziehung in den Aufnahmebescheid wird insbesondere dann unwirksam, wenn die Ehe aufgelöst wird, bevor beide Ehegatten die Aussiedlungsgebiete verlassen haben, oder die Bezugsperson verstirbt, bevor die einbezogenen Personen Aufnahme im Sinne von § 4 Absatz 3 Satz 2 gefunden haben.
(3) Der Antrag auf Wiederaufgreifen eines unanfechtbar abgeschlossenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides oder auf Einbeziehung ist nicht an eine Frist gebunden. § 8 Absatz 2 und § 9 Absatz 4 Satz 2 gelten für Familienangehörige der nach Absatz 2 Satz 3 nachträglich einbezogenen Personen entsprechend.
(4) Für jedes Kalenderjahr dürfen so viele Aufnahmebescheide erteilt werden, dass die Zahl der aufzunehmenden Spätaussiedler, Ehegatten und Abkömmlinge die Zahl der vom Bundesverwaltungsamt im Jahre 1998 verteilten Personen im Sinne der §§ 4, 7 nicht überschreitet. Das Bundesverwaltungsamt kann hiervon um bis zu 10 vom Hundert nach oben oder unten abweichen.
(1) Die Behörde hat auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn
- 1.
sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat; - 2.
neue Beweismittel vorliegen, die eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung herbeigeführt haben würden; - 3.
Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung gegeben sind.
(2) Der Antrag ist nur zulässig, wenn der Betroffene ohne grobes Verschulden außerstande war, den Grund für das Wiederaufgreifen in dem früheren Verfahren, insbesondere durch Rechtsbehelf, geltend zu machen.
(3) Der Antrag muss binnen drei Monaten gestellt werden. Die Frist beginnt mit dem Tage, an dem der Betroffene von dem Grund für das Wiederaufgreifen Kenntnis erhalten hat.
(4) Über den Antrag entscheidet die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der Verwaltungsakt, dessen Aufhebung oder Änderung begehrt wird, von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(5) Die Vorschriften des § 48 Abs. 1 Satz 1 und des § 49 Abs. 1 bleiben unberührt.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung durch Leistung einer Sicherheit in Höhe von 110 % des Vollstreckungsbetrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
T a t b e s t a n d
2Die Klägerin wurde am 00.00.0000 in Selemdschinsk (Amur-Gebiet/Russland) geboren.
3Sie beantragte mit Datum vom 25.11.2003 beim Bundesverwaltungsamt (BVA) die Erteilung eines Aufnahmebescheides nach dem Bundesvertriebenengesetz (BVFG) und die Einbeziehung der Kinder B. , geb.00.00.0000, O1. , geb. 00.00.0000 und des Enkels E. , geb. 00.00.0000. Sie sei wie ihre Eltern und Großeltern deutsche Volkszugehörige. Als Vater war im Antragsformular der am 19.07.1926 geborene Herr B1. T. , als Mutter die am 00.00.0000 geborene Frau Anna T. , geb. T1. , angeben. Der Vater sei 1987, die Mutter 1981 verstorben. Sowohl die Großeltern väterlicherseits als auch Großeltern mütterlicherseits seien ebenfalls deutsche Volkszugehörige gewesen. Sie – die Klägerin – sei in ihrem 2000 ausgestellten Inlandspass mit deutscher Nationalität vermerkt. Sie verstehe auf Deutsch fast alles und ihre Sprachfertigkeiten reichten für ein einfaches Gespräch auf Deutsch aus. Sie habe die Sprache im Elternhaus, in der Schule und in der Kirche, in der ihr Großvater väterlicherseits evangelischer Pastor gewesen sei, erlernt. Als in Deutschland lebende Verwandte gab die Klägerin ihren Sohn W. und ihre Schwiegertochter J. W1. an. Letztere sei Spätaussiedlerin; ihr Sohn sei als nichtdeutscher Ehegatte gemäß § 7 Abs. 2 BVFG nach Deutschland gekommen.
4Die Klägerin unterzog sich am 30.06.2004 im deutschen Generalkonsulat Nowosibirsk einem Sprachtest. Ausweislich des Protokolls gab die Klägerin an, dass die Vermittlung der deutschen Sprache nur bis zu ihrem 6. Lebensjahr stattgefunden habe. Ihre Geburtsurkunde sei 1997 neu ausgestellt worden, weil in der erstausgestellten Urkunde die Mutter mit russischer Nationalität geführt worden sei. In ihrem eigenen Inlandspass sei immer die deutsche Nationalität eingetragen gewesen, obgleich sie in der Geburtsurkunde des Sohnes B. mit russischer Nationalität geführt sei. Nach der Bewertung des Sprachtesters verfügte die Klägerin nur über sehr geringe deutsche Sprachkenntnisse. Sie verstehe mit Ausnahme einzelner Wörter kein Deutsch. Mit Bescheid vom 02.03.2006 lehnte das BVA den Aufnahmeantrag der Klägerin unter Hinweis auf fehlende familiäre Sprachvermittlung und den ihres Sohnes B. unter Hinweis auf fehlende Abstammung von deutschen Volkszugehörigen ab. Die 1997 neu ausgestellte Geburtsurkunde sei als Nachweis deutscher Abstammung ungeeignet, da sie keinen Rückschluss auf die ursprüngliche Nationalitätszugehörigkeit der Eltern zulasse. Den hiergegen erhobenen Widerspruch wies das Bundesverwaltungsamt mit Widerspruchsbescheid vom 15.01.2007 als unbegründet zurück. Die Klägerin erfülle schon nicht das erforderliche Kriterium der Abstammung von deutschen Volkszugehörigen gemäß § 6 Abs. 2 BVFG. Die vorgelegte Geburtsurkunde sei erst im Jahre 1997 ausgestellt und lasse deshalb keinen Rückschluss auf die Nationalitätszugehörigkeit der Eltern zu. Aufgrund des Ergebnisses des Sprachtests könne zudem eine familiäre Vermittlung der deutschen Sprache nicht festgestellt werden. Auch habe die Klägerin ein durchgängiges Bekenntnis zur deutschen Nationalität durch einen entsprechenden Eintrag im Inlandspass seit der Erstausstellung nicht glaubhaft gemacht. Fast alle Dokumente, die einen Rückschluss auf die ursprüngliche Nationalität zuließen (Inlandspass, Geburtsurkunde, Geburtsurkunde der Tochter) seien zwischen 1997 und 2003 neu ausgestellt. Die hierdurch bedingten Zweifel an einem durchgehenden Bekenntnis zum deutschen Volkstum bestätige die Geburtsurkunde des Sohnes B. , in der sie mit russischer Volkszugehörigkeit geführt sei. Beim Sohn B. fehle es ebenfalls an der deutschen Abstammung, einer familiären Sprachvermittlung und einem durchgängigen Bekenntnis zum deutschen Volkstum. Der Widerspruchsbescheid wurde dem Bevollmächtigten der Klägerin am 26.01.2007 zugestellt. Klage wurde nicht erhoben.
5Mit anwaltlichem Schriftsatz vom 04.04.2014 beantragte die Klägerin das Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 VwVfG und unter dem 12.08.2014 die nachträgliche Einbeziehung des Sohnes Vassili, geb. 22.01.1974, in den ihr zu erteilenden Aufnahmebescheid.
6Mit Bescheid vom 15.07.2015 lehnte das BVA den Antrag auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens ab. Ein Grund für ein Wiederaufgreifen des bestandskräftig abgeschlossenen Verfahrens bestehe nicht. Die Rechtslage habe sich durch das 10. BVFG-Änderungsgesetz nicht zu Gunsten der Klägerin geändert. Neben der Frage familiärer Sprachvermittlung sei die Ablehnung durch den Bescheid vom 02.03.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.01.2007 auch auf den fehlenden Beleg einer Abstammung von deutschen Volkszugehörigen gestützt worden. Insoweit sei das BVFG nicht geändert worden. Zwar habe das Bundesverwaltungsgericht den Abstammungsbegriff 2008 auf die Großelterngeneration erweitert. Hierbei handele es sich jedoch nicht um eine Änderung der Rechtslage, die zu einem Wiederaufgreifen berechtige. Auch stehe einem Wiederaufgreifen des Verfahrens § 51 Abs. 2 VwVfG entgegen. Ein Wiederaufgreifen im Ermessenswege komme nicht in Betracht. Hierzu reiche die bloße Rechtswidrigkeit der bestandskräftigen Entscheidung nicht aus. Den hiergegen gerichteten Widerspruch wies das BVA mit Widerspruchsbescheid vom 08.12.2015 als unbegründet zurück und verwies auf die Ausführungen im Ausgangsbescheid.
7Die Klägerin hat am 24.12.2015 Klage erhoben.
8Sie weist darauf hin, dass sie über beide Elternteile deutscher Abstammung sei. Die Beklagte stelle nicht in Abrede, dass in ihrem Inlandspass immer, jedenfalls ab 1998, die deutsche Nationalität eingetragen gewesen sei. Die deutsche Abstammung werde ins Blaue hinein bestritten. Hierzu legt die Klägerin Rehabilitierungsbescheinigungen beider Elternteile vor. Zudem sei auch der Großvater als evangelischer Pastor, dessen Religionsausübung streng verboten gewesen sei, deutscher Volkszugehöriger gewesen. Die Feststellung im ablehnenden Bescheid, dass der Klägerin die deutsche Sprache nicht im Elternhaus vermittelt worden sei, treffe zu. Sie habe Deutsch in der Schule und außerhalb der Familie erlernt. Es sei ihr problemlos möglich, ein Zertifikat B1 zu erwerben. Deshalb bestehe ein Grund, das Verfahren wiederaufzugreifen.
9Mit Fax vom 11.07.2016 hat der Prozessbevollmächtigte der Klägerin weitere Unterlagen übersandt. Hierbei handelt es sich um eine Bescheinigung ihrer privaten Deutschlehrerin sowie Kopien eines Militärausweises des Großvaters mütterlicherseits und der Geburtsurkunde eines Onkels, diese jeweils in russischer Sprache.
10Die Klägerin beantragt,
11die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 15.07.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.12.2015 zu verpflichten, das Verfahren wiederaufzugreifen und ihr einen Aufnahmebescheid nach dem BVFG zu erteilen.
12Die Beklagte beantragt,
13die Klage abzuweisen.
14Sie wiederholt und vertieft die Begründungen der streitbefangenen Bescheide und verweist ergänzend darauf, dass die Klägerin die behaupteten Sprachfertigkeiten nicht belegt habe.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des BVA Bezug genommen.
16E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
17Die Klage ist nicht begründet. Der Bescheid des BVA vom 15.07.2015 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.12.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.
18Die Voraussetzungen für einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des Aufnahmeverfahrens liegen nicht vor.
19Es bedarf keiner abschließenden Entscheidung der Frage, ob der Antrag auf Wiederaufgreifen des bestandskräftig abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens bereits nach § 51 Abs. 2 VwVfG unzulässig ist, weil die Klägerin die Gründe für das Wiederaufgreifen grob verschuldet nicht durch Rechtsbehelf gegen die ablehnende Entscheidung vom 02.03.2006 geltend gemacht hat. Denn die Klägerin kann Wiederaufnahmegründe nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG nicht geltend machen.
20Gemäß § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG hat die Behörde auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat. Das Wiederaufgreifen des Verfahrens ermöglicht als außerordentlicher Rechtsbehelf aus rechtsstaatlichen Gründen eine Durchbrechung der Bestandkraft von Verwaltungsakten. Liegen seine Voraussetzungen vor, hat der Betroffene einen strikten Rechtsanspruch auf ein neues verwaltungsbehördliches Verfahren und eine entsprechende Sachentscheidung.
21Vgl. Engels, in: Mann/Sennekamp/Uechtritz, VwVfG-Großkommentar, 1. Auflage 2014, § 51 Rn. 1-10; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Auflage 2008, § 51 Rn. 1-4, jeweils m.w.N.
22Eine nachträgliche Änderung der Sach- oder Rechtslage zugunsten des Betroffenen setzt voraus, dass sich Faktoren geändert haben, die im ursprünglichen Verfahren für den Erlass des nunmehr bestandkräftigen Verwaltungsaktes maßgeblich waren. Für den hier fraglichen Fall einer geänderten Rechtslage bedeutet dies, dass seinerzeit entscheidungserhebliche Rechtsnormen nachträglich geändert worden sein müssen.
23Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Auflage 2015, § 51 Rn. 25 m.w.N.
24Dies ist in Bezug auf die Voraussetzungen eines Aufnahmebescheides nach § 27 Abs. 1 BVFG durchaus der Fall, da seit Inkrafttreten des 10. BVFG-Änderungsgesetzes vom 06.09.2013 die Anforderungen an die Spätaussiedlereigenschaft gemäß §§ 4, 6 Abs. 2 BVFG, namentlich in Bezug auf das erforderliche Volkstumsbekenntnis und die damit verbundenen sprachlichen Voraussetzungen im wesentlichen Punkten modifiziert wurden.
25Die gesetzlichen Änderungen entfalten jedoch keine Wirkung zugunsten der Klägerin. Hängt das Bestehen eines gesetzlichen Anspruchs – hier des Anspruchs auf Erteilung eines Aufnahmebescheides – von mehreren gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen ab, ist eine Änderung zugunsten des Betroffenen nur eingetreten, wenn nach der Änderung alle gesetzlichen Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. Nur in diesem Fall vermag der Anspruch auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens sein Ziel, nämlich die Durchbrechung der Bestandskraft der ablehnenden Entscheidung im Interesse der materiellen Gerechtigkeit, zu erreichen. In diesem Sinne bedeutet im Fall strikter Rechtsansprüche die Entscheidung über das Wiederaufgreifen auch stets eine Entscheidung über den Anspruch selbst. Denn ein Wiederaufgreifen mit dem Ergebnis neuerlicher Ablehnung in Sache wäre für den Betroffenen sinnlos. Anders verhält es sich etwa in bei Ermessensentscheidungen oder in Fällen notwendiger weiter Sachaufklärung. Dort ist das Ergebnis des Wiederaufgreifens nicht allein durch die Rechtslage vorbestimmt. Fehlt es aber – wie vorliegend – bei einer gebundenen Entscheidung an einem solchen Spielraum, fallen Wiederaufgreifens- und Anspruchsvoraussetzungen zusammen. Denn nur dann sind für den Betroffenen objektiv günstigere rechtliche Umstände eingetreten.
26Vgl. Engels, in: VwVfG-Großkommentar, 1. Auflage 2014, § 51 Rn. 34; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 7. Auflage 2008, § 51 Rn. 92; Urteile der Kammer vom 15.06.2016 - 7 K 3833/15 - und vom 07.06.2016 - 7 K 5651/14 -.
27Ein Anspruch der Klägerin auf das Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens mit der Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung eines Aufnahmebescheides besteht damit nur dann, wenn sich auch dasjenige Tatbestandsmerkmal nachträglich zu ihren Gunsten geändert hat, das bei der Erstentscheidung zur Ablehnung des Antrags geführt hat,
28anders z.T. OVG NRW, Beschluss vom 16.03.2016 - 11 E 221/16 -.
29Dies ist in Bezug auf das Merkmal der Abstammung von einem deutschen Volkszugehörigen jedoch nicht der Fall. Diese Voraussetzung der Volkszugehörigkeit und damit auch der Spätaussiedlereigenschaft blieb durch das 10. BVFG-Änderungsgesetz unberührt. Soweit die Klägerin darauf abhebt, dass nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts hinsichtlich des Merkmals „Abstammung“ in Abkehr vom vorherigen Verständnis,
30vgl. BVerwG, Urteil vom 10.11.1976 - 8 C 92.75 -, BVerwGE 51, 298-310 (juris Rn. 29),
31generationsübergreifend nicht nur auf die Eltern, sondern auch auf die Großeltern abgestellt werden kann,
32vgl. BVerwG, Urteil vom 25.01.2008 - 5 C 8.07 -, BVerwGE 130, 197-201,
33spricht sie einen Umstand an, der zwar infolge geänderter Verwaltungsvorschriften des Bundes zu einer geänderten Verwaltungspraxis des Bundesverwaltungsamtes in Bezug auf dieses Tatbestandsmerkmal geführt hat, als solcher aber nicht die Rechtslage geändert hat. Denn die Änderung der Rechtsprechung betrifft lediglich die Auslegung der Rechtslage, nicht aber die Rechtslage selbst.
34Vgl. nur BVerwG, Urteil vom 22.10.2009 - 1 C 26.08 -, BVerwGE 135, 137-150.
35Dies gilt insbesondere auch bei Änderungen der höchstrichterlichen Rechtsprechung.
36Anders noch BVerwG, Urteil vom 11.12.1963 - V C 91.62 -, BVerwGE 17, 256-262.
37Anderenfalls stünde jede bestandskräftige Verwaltungsentscheidung unter dem Vorbehalt nachträglich geänderter höchstrichterlicher Rechtsauffassung, was dem berechtigten Interesse der Rechtssicherheit deutlich zuwider liefe.
38Da der Bescheid vom 02.03.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15.01.2007 maßgeblich auch auf die fehlende Abstammung von einer deutschen Volkszugehörigen in Person Eltern gestützt war, sprach er ein Tatbestandmerkmal an, das durch das 10. BVFG-Änderungsgesetz unberührt blieb. Geändert hat sich nur die Auslegung dieses Tatbestandmerkmals. Dieses Ergebnis kann auch nicht dem Hinweis darauf relativiert werden, dass die Voraussetzungen deutscher Abstammung und deutscher Volkszugehörigkeit in sprachlicher Hinsicht miteinander verwoben sind und die Anforderungen in sprachlicher Hinsicht geändert wurden. Denn die Neureglungen des 10. BVFG-Änderungsgesetzes adressieren den Aufnahmebewerber. Dieser soll in Bezug auf das Merkmal familiärer Vermittlung der deutschen Sprache besser gestellt werden. Dieses wurde als bekenntnisrelevanter Umstand nicht mehr als zeitgemäß empfunden und sollte durch die Möglichkeit des Nachweises anderweitig erworbener Sprachfertigkeiten ergänzt werden. Das Erfordernis habe in der Praxis immer häufiger zu unbilligen Ablehnungsentscheidungen geführt, wenn die Abstammung von einem deutschen Volkszugehörigen, das Bekenntnis zum deutschen Volkstum und deutsche Sprachkenntnisse hätten nachgewiesen werden können und es lediglich noch an der familiären Vermittlung der Sprachkenntnisse gemangelt habe. Es sei zu bedenken, dass eine deutschstämmige Person auch durch das Erlernen der deutschen Sprache außerhalb der Familie mit Sprache und Kultur auseinandersetzen und zu ihrem Deutschsein bekennen könne.
39Vgl. Beschlussempfehlung und Bericht des Innenausschusses zum Gesetzentwurf des Bundesrates, BT-Drs. 17/13937 vom 12.06.2013.
40Damit nahm der Gesetzgeber auf den unbestreitbar bestehenden Umstand Rücksicht, dass mit dem Rückgang der deutschstämmigen Bevölkerung in den Aussiedlungsgebieten nach Abschluss der großen Ausreisewellen die Möglichkeiten familiärer Sprachvermittlung in einer fremdsprachigen Umgebung naturgemäß zunehmend schwanden. Für jüngere Aufnahmebewerber wurde es damit trotz deutscher Abstammung zunehmend schwerer, das gesetzliche Tatbestandsmerkmal zu erfüllen. Dieses Problem stellte sich jedoch nur in deren Person, nicht in Person desjenigen, von dem die Abstammung hergeleitet wird. Vor diesem Hintergrund fehlen fassbare Anhaltspunkte für die Annahme, der Gesetzgeber habe mit dem 10. BVFG-Änderungsgesetz auch das Abstammungserfordernis einer generellen Revision unterziehen wollen. Vielmehr galt es, der besonderen Situation heutiger Aufnahmebewerber durch Erleichterungen in Bezug auf die Merkmale „Bekenntnis“ und „Sprache“ Rechnung zu tragen. Das Merkmal „Abstammung war hiervon nicht betroffen. Es betrifft stets abgeschlossene Sachverhalte, die im Gegensatz zu den mit der Sprachvermittlung zusammenhängenden Umständen an den Veränderungen der gesellschaftlichen Realität in den Herkunftsgebieten naturgemäß nicht teilhaben.
41Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 5 i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG.
42Das BVA hat die nachträgliche Aufhebung des bestandskräftigen Bescheides nach § 51 Abs. 5 VwVfG i.V.m. §§ 48 Abs. 1, 49 Abs. 1 VwVfG ermessensfehlerfrei abgelehnt. Die Behörde hat hierbei zutreffend auf die Abwägung der grundsätzlich gleichwertigen Belange des Schutzes der Bestandskraft der ablehnenden Entscheidung und damit der Belange des Rechtsfriedens auf der einen und auf das Interesse der Klägerin an der Einzelfallgerechtigkeit auf der anderen Seite abgehoben. Es ist aus rechtlicher Sicht nicht zu beanstanden, dass sie im Ergebnis dem öffentlichen Interesse an Rechtsfrieden und Rechtssicherheit den Vorzug gegeben hat. Hierbei bedarf auch keiner abschließenden Klärung, ob der ablehnende Bescheid aus dem Jahre 2006 bei heutiger Rechtsauslegung rechtswidrig wäre. Denn allein dieser Umstand geböte nicht ausnahmsweise eine erneute Sachentscheidung und damit ein Wiederaufgreifen. Das Ermessen der Behörde zu Gunsten des Betroffenen verdichtet sich lediglich dann, wenn das Festhalten an dem bestandskräftigen Verwaltungsakt schlechthin unerträglich wäre,
43vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2011 - 5 C 9.11 -.
44Ob dies der Fall ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls und einer Gewichtung der einschlägigen Gesichtspunkte ab. Die Ablehnung des Wiederaufgreifens eines Verfahrens ist insbesondere dann schlechthin unerträglich, wenn die Berufung der Behörde auf die Unanfechtbarkeit als ein Verstoß gegen die guten Sitten, Treu und Glauben oder den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz zu bewerten wäre oder eine offensichtliche Rechtswidrigkeit der bestandskräftigen Entscheidung gegeben ist. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich oder vorgetragen, dass die Ablehnung des Wiederaufgreifens gegen die guten Sitten, Treu und Glauben oder Art. 3 GG verstößt, da die Ablehnung durchaus seinerzeitiger Rechtsauslegung entsprach. Angesichts dessen liegt auch nichts für eine offensichtliche Rechtswidrigkeit vor. Dies gilt umso mehr, als die behaupteten sprachlichen Voraussetzungen der Aufnahme bis heute nicht belegt sind.
45Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
46Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO und § 711 ZPO.
(1) Der Aufnahmebescheid wird auf Antrag Personen mit Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten erteilt, die nach Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich des Gesetzes die Voraussetzungen als Spätaussiedler erfüllen (Bezugspersonen). Abweichend hiervon kann Personen, die sich ohne Aufnahmebescheid im Geltungsbereich des Gesetzes aufhalten, ein Aufnahmebescheid erteilt oder es kann die Eintragung nach Absatz 2 Satz 1 nachgeholt werden, wenn die Versagung eine besondere Härte bedeuten würde und die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Der Wohnsitz im Aussiedlungsgebiet gilt als fortbestehend, wenn ein Antrag nach Satz 2 abgelehnt wurde und der Antragsteller für den Folgeantrag nach Satz 1 erneut Wohnsitz in den Aussiedlungsgebieten begründet hat.
(2) Der im Aussiedlungsgebiet lebende Ehegatte, sofern die Ehe seit mindestens drei Jahren besteht, oder der im Aussiedlungsgebiet lebende Abkömmling werden zum Zweck der gemeinsamen Aussiedlung in den Aufnahmebescheid der Bezugsperson einbezogen, wenn in ihrer Person kein Ausschlussgrund im Sinne des § 5 vorliegt und die Bezugsperson die Einbeziehung ausdrücklich beantragt; Ehegatten und volljährige Abkömmlinge müssen auch Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen. Die Einbeziehung wird nachgeholt, wenn ein Abkömmling einer Bezugsperson nicht mehr im Aussiedlungsgebiet, sondern während des Aussiedlungsvorganges und vor Ausstellung der Bescheinigung nach § 15 Absatz 1 geboren wird. Abweichend von Satz 1 kann der im Aussiedlungsgebiet verbliebene Ehegatte oder Abkömmling eines Spätaussiedlers, der seinen ständigen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hat, nachträglich nach Satz 1 in den Aufnahmebescheid des Spätaussiedlers einbezogen werden, wenn die sonstigen Voraussetzungen vorliegen. Die Einbeziehung von minderjährigen Abkömmlingen in den Aufnahmebescheid ist nur gemeinsam mit der Einbeziehung der Eltern oder des sorgeberechtigten Elternteils zulässig. Ein Ehegatte oder volljähriger Abkömmling wird abweichend von Satz 1 einbezogen, wenn er wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer Behinderung im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch keine Grundkenntnisse der deutschen Sprache besitzen kann. Die Einbeziehung in den Aufnahmebescheid wird insbesondere dann unwirksam, wenn die Ehe aufgelöst wird, bevor beide Ehegatten die Aussiedlungsgebiete verlassen haben, oder die Bezugsperson verstirbt, bevor die einbezogenen Personen Aufnahme im Sinne von § 4 Absatz 3 Satz 2 gefunden haben.
(3) Der Antrag auf Wiederaufgreifen eines unanfechtbar abgeschlossenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheides oder auf Einbeziehung ist nicht an eine Frist gebunden. § 8 Absatz 2 und § 9 Absatz 4 Satz 2 gelten für Familienangehörige der nach Absatz 2 Satz 3 nachträglich einbezogenen Personen entsprechend.
(4) Für jedes Kalenderjahr dürfen so viele Aufnahmebescheide erteilt werden, dass die Zahl der aufzunehmenden Spätaussiedler, Ehegatten und Abkömmlinge die Zahl der vom Bundesverwaltungsamt im Jahre 1998 verteilten Personen im Sinne der §§ 4, 7 nicht überschreitet. Das Bundesverwaltungsamt kann hiervon um bis zu 10 vom Hundert nach oben oder unten abweichen.
(1) Spätaussiedler ist in der Regel ein deutscher Volkszugehöriger, der die Republiken der ehemaligen Sowjetunion nach dem 31. Dezember 1992 im Wege des Aufnahmeverfahrens verlassen und innerhalb von sechs Monaten im Geltungsbereich des Gesetzes seinen ständigen Aufenthalt genommen hat, wenn er zuvor
- 1.
seit dem 8. Mai 1945 oder - 2.
nach seiner Vertreibung oder der Vertreibung eines Elternteils seit dem 31. März 1952 oder - 3.
seit seiner Geburt, wenn er vor dem 1. Januar 1993 geboren ist und von einer Person abstammt, die die Stichtagsvoraussetzung des 8. Mai 1945 nach Nummer 1 oder des 31. März 1952 nach Nummer 2 erfüllt, es sei denn, dass Eltern oder Voreltern ihren Wohnsitz erst nach dem 31. März 1952 in die Aussiedlungsgebiete verlegt haben,
(2) Spätaussiedler ist auch ein deutscher Volkszugehöriger aus den Aussiedlungsgebieten des § 1 Abs. 2 Nr. 3 außer den in Absatz 1 genannten Staaten, der die übrigen Voraussetzungen des Absatzes 1 erfüllt und glaubhaft macht, dass er am 31. Dezember 1992 oder danach Benachteiligungen oder Nachwirkungen früherer Benachteiligungen auf Grund deutscher Volkszugehörigkeit unterlag.
(3) Der Spätaussiedler ist Deutscher im Sinne des Artikels 116 Abs. 1 des Grundgesetzes. Ehegatten oder Abkömmlinge von Spätaussiedlern, die nach § 27 Abs. 1 Satz 2 in den Aufnahmebescheid einbezogen worden sind, erwerben, sofern die Einbeziehung nicht unwirksam geworden ist, diese Rechtsstellung mit ihrer Aufnahme im Geltungsbereich des Gesetzes.
(1) Deutscher Volkszugehöriger im Sinne dieses Gesetzes ist, wer sich in seiner Heimat zum deutschen Volkstum bekannt hat, sofern dieses Bekenntnis durch bestimmte Merkmale wie Abstammung, Sprache, Erziehung, Kultur bestätigt wird.
(2) Wer nach dem 31. Dezember 1923 geboren worden ist, ist deutscher Volkszugehöriger, wenn er von einem deutschen Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen abstammt und sich bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung oder auf andere Weise zum deutschen Volkstum bekannt oder nach dem Recht des Herkunftsstaates zur deutschen Nationalität gehört hat. Das Bekenntnis auf andere Weise kann insbesondere durch den Nachweis ausreichender deutscher Sprachkenntnisse entsprechend dem Niveau B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen oder durch den Nachweis familiär vermittelter Deutschkenntnisse erbracht werden. Das Bekenntnis zum deutschen Volkstum muss bestätigt werden durch den Nachweis der Fähigkeit, zum Zeitpunkt der verwaltungsbehördlichen Entscheidung über den Aufnahmeantrag, in Fällen des § 27 Absatz 1 Satz 2 im Zeitpunkt der Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich dieses Gesetzes, zumindest ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen zu können, es sei denn, der Aufnahmebewerber kann diese Fähigkeit wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer Behinderung im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch nicht besitzen. Ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum wird unterstellt, wenn es unterblieben ist, weil es mit Gefahr für Leib und Leben oder schwerwiegenden beruflichen oder wirtschaftlichen Nachteilen verbunden war, jedoch auf Grund der Gesamtumstände der Wille unzweifelhaft ist, der deutschen Volksgruppe und keiner anderen anzugehören.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand
2Die am 00.00.0000 in Russland geborene Klägerin stellte unter dem 20.07.1999 einen Antrag auf Aufnahme nach dem BVFG für sich und ihr Adoptivkind I. . Sie gab an, sie sei die uneheliche Tochter von I1. G. und sie sei in der Familie ihres Vaters aufgewachsen. Dem Antrag fügte sie eine Geburtsurkunde vom 14.07.1999 bei. Bei einem Sprachtest bei der Deutschen Botschaft Moskau am 01.10.2001, bei dem die Klägerin ihre Fähigkeit, ein fließendes Gespräch auf Deutsch zu führen, unter Beweis stellte, gab sie an, ihre Original-Geburtsurkunde sei im Jahr 1989 bei einem Brand des Hauses vernichtet worden. Die Klägerin legte zudem eine Bescheinigung der Bezirksabteilung des Innern Priwoksanly, Stadt Tula vom 25.03.2002 vor, nach der das Standesamt mitteilt, dass in der Geburtsstandesakte vom 30.03.1954 für die Klägerin als Vater „G. , I1. , Volkszugehöriger - Deutscher“ verzeichnet sei. In einer Erklärung vom 28.02.2002 versichert Herr I1. G. , dass die Klägerin seine leibliche Tochter sei. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 07.05.2003 abgelehnt, weil nicht festgestellt werden konnte, dass die Klägerin von einem deutschen Staatsangehörigen oder von einem deutschen Volkszugehörigen abstamme. Die als Eltern bezeichneten Personen seien nicht miteinander verheiratet gewesen. Die Geburtsurkunde aus dem Jahr 1999 sei nicht beweisgeeignet, da bei Personenstandsurkunden, die nach dem 01.01.1990 in der ehemaligen Sowjetunion erneut ausgestellt wurden, die Möglichkeit bestanden habe, Nationalitäteneintragungen zu ändern. Die Klägerin legte Widerspruch ein, den sie mit Schreiben vom 21.07.2003 begründete. Die Geburtsurkunde habe neu ausgestellt werden müssen, da sie durch einen Brand im Jahr 1989 beschädigt worden sei. Ihr Vater und ihre Großeltern seien 1941 wegen ihrer deutschen Volkszugehörigkeit aus dem Gebiet Saratow nach Sibirien verschleppt worden. Während ihre Großeltern unter Kommandatur gestellt worden seien, habe ihre Vater Zwangsarbeit verrichten müssen. Sie habe sich auch zum deutschen Volkstum bekannt, da sie in ihrem ersten Pass als Nationalität Deutsch gewählt habe. Die Klägerin legte eine Erklärung ihrer Mutter vom 17.06.2003 vor. Hierin erklärt diese, die Klägerin sei in der Familie des Vaters I1. G. erzogen worden, da ihre Eltern gegen ein Kind mit deutscher Nationalität gewesen seien. Weiterhin legte die Klägerin eine Auskunft des Innenministeriums Tualer Gebiet vom 18.04.2004 vor, nach der Herr I1. G. zusammen mit seiner Tochter G. , Ekaterina, geboren 1954 unter Kommandaturbewachung gestanden habe. Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 14.06.2005 zurückgewiesen. Zur Begründung wurde ausgeführt, es bestünden erhebliche Zweifel an einer deutschen Abstammung. Die Klägerin habe nicht schlüssig dargelegt, weshalb ihr erst 10 Jahre nach Vernichtung der Originalgeburtsurkunde eine neue Urkunde ausgestellt worden sei. Ein durchgehendes Bekenntnis zum deutschen Volkstum sei ebenfalls nicht belegt. In dem derzeit gültigen Inlandspass der Klägerin aus dem Jahr 1999 sei keine Nationalität eingetragen. Im Rahmen eines Rechtshilfeersuchens sei von dem russischen Außenministerium mitgeteilt worden, dass die eingetragene Nationalität in dem ersten Inlandspass nicht ermittelt werden konnte. Der Widerspruchsbescheid wurde der Bevollmächtigten, Frau F. X. , mit Zustellungsurkunde vom 23.06.2005 zugestellt.
3Mit Antrag des Prozessbevollmächtigten vom 08.11.2013 wurde das Wiederaufgreifen des Verfahrens beantragt. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 11.09.2014 abgelehnt, da ein Wiederaufgreifensgrund nicht vorliege. Die Rechtslage habe sich nicht durch das 10. Änderungsgesetz des BVFG für die Klägerin nachträglich geändert. Denn eine Änderung des Tatbestandsmerkmales der deutschen Abstammung sei nicht erfolgt. Ein Wiederaufgreifen im Rahmen der §§ 48, 49 VwVfG komme nach gebotener Ermessensentscheidung auch nicht in Betracht. Hiergegen legte die Klägerin unter dem 15.09.2014 Widerspruch ein. Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 12.06.2015 zurückgewiesen. Die Beklagte verwies auf ihre Begründung vom 11.09.2014 und führte aus, eine angekündigte Widerspruchsbegründung sei nicht eingegangen.
4Die Klägerin hat am 03.07.2015 Klage erhoben. Sie verweist auf die bereits im Verwaltungsverfahren vorgelegten Unterlagen und trägt ergänzend vor:
5Die Rechtslage habe sich durch das 10. BVFG-ÄndG nachträglich für sie geändert. Denn die Ablehnung sei nicht nur wegen einer fehlenden deutschen Abstammung, sondern auch wegen eines fehlenden durchgehenden Bekenntnisses zum deutschen Volkstum erfolgt. Bezüglich dieses Merkmales habe sich die Rechtslage geändert.
6Sie habe auch ihre Abstammung von einem deutschen Volkszugehörigen nachgewiesen. Zwar bestehe erst ab 1968 die Möglichkeit bei nichtehelich geborenen Kindern einen Vater in der Geburtsurkunde eintragen zu lassen. Mit Erlass des Präsidiums des Obersten Sowjets der UdSSR vom 14.03.1945 sei jedoch eine Rente für außereheliche Kinder der im Vaterlandskrieg gefallenen Kämpfer eingeführt worden. Voraussetzung für die Rente sei die Eintragung des Gefallenen als Vater im Geburtsregister. Die Eintragung im Geburtsregister sei somit bereits vor 1968 möglich gewesen.
7Es liege eine Ermessensreduzierung auf Null im Rahmen der §§ 48, 49 VwVfG vor, so dass der ablehnende Bescheid aufzuheben sei. Sie sei Rentnerin und behindert. Zudem habe sie aufgrund ihrer deutschen Nationalität bzw. der ihres Vaters staatliche Repressalien und alltägliche gesellschaftliche Hindernisse erlitten.
8Die Klägerin beantragt,
9den bestandskräftigen Bescheid vom 07.05.2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.06.2005 unter gleichzeitiger Aufhebung des im Verfahren auf Wiederaufgreifen ergangenen Bescheides vom 11.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.06.2015 aufzuheben sowie die Beklagte zu verpflichten, ihr einen Aufnahmebescheid zu erteilen.
10Die Beklagte beantragt,
11die Klage abzuweisen.
12Sie verweist vollumfänglich auf ihre Ausführungen im Verwaltungsverfahren und trägt ergänzend vor:
13Nach sowjetischem Recht bestehe bei nichtehelich geborenen Kindern erst seit 1968 die Möglichkeit, im Geburtsregister und in der Geburtsurkunde den Vater eintragen zu lassen. Daher sei es - entgegen der vorgelegten Bescheinigung des Standesamtes vom 25.03.2002 - nicht möglich, dass in der Geburtsurkunde und im Geburtsregister der Klägerin von 1954 ein Vater eingetragen sei. Die Klägerin habe auch kein erbbiologisches Gutachten zur Glaubhaftmachung ihrer Abstammung, wie von ihr in den Schreiben an die damalige Bevollmächtigte vom 19.02.2004 und 01.06.2004 anheimgestellt, vorgelegt.
14Unter dem 23.02.2016 hat die Klägerin um Entscheidung ohne mündliche Verhandlung gebeten. Dem hat die Beklagte unter dem 01.03.2016 zugestimmt.
15Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
16Entscheidungsgründe
17Das Gericht konnte ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da die Beteiligten gemäß § 101 Abs. 2 VwGO übereinstimmend ihr Einverständnis hierzu erklärt haben.
18Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Bescheid der Beklagten vom 11.09.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.06.2015 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO. Sie hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihr unter Wiederaufgreifen des Aufnahmeverfahrens einen Aufnahmebescheid nach § 27 Abs. 1 Satz 1 BVFG erteilt.
19Die Voraussetzungen eines Rechtsanspruchs auf Wiederaufgreifen des bestandskräftig abgeschlossenen Aufnahmeverfahrens der Klägerin nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG liegen nicht vor. Es greift kein Wiederaufnahmegrund im Sinne des § 51 Abs. 1 VwVfG ein.
20Nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG hat die Behörde über die Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsakts zu entscheiden, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrundeliegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat. Dies ist nicht der Fall. Insbesondere hat sich die Rechtslage nicht zugunsten der Klägerin durch das am 14.09.2013 in Kraft getretene 10. BVFG-ÄndG geändert.
21Eine nachträgliche Änderung der Rechtslage zugunsten des Betroffenen setzt voraus, dass sich Faktoren geändert haben, die im ursprünglichen Verfahren für den Erlass des nunmehr bestandskräftigen Verwaltungsaktes maßgeblich waren,
22vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Auflage 2015, § 51 Rn. 25 m.w.N.
23Der Antrag ist nur zulässig, wenn eine wesentliche Änderung der Rechtslage vorliegt, die für die Sachentscheidung von Bedeutung sein kann. Der geltend gemachte Wiederaufgreifensgrund muss einen anderen Ausgang des Hauptsacheverfahrens möglich erscheinen lassen,
24vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Auflage 2015, § 51 Rn. 26.
25Die Rechtslage hat sich zwar durch das am 14.09.2013 in Kraft getretene 10. BVFG-ÄndG hinsichtlich des Tatbestandsmerkmales eines Bekenntnisses zum deutschen Volkstum geändert. Diese gesetzliche Änderung entfaltet jedoch keine Wirkung zugunsten der Klägerin. Hängt das Bestehen eines Anspruches – hier der Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheides – von mehreren gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen ab, ist eine Änderung der Rechtslage zugunsten des Betroffenen nur eingetreten, wenn nach der Änderung alle gesetzlichen Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. Nur in diesem Fall vermag der Anspruch auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens sein Ziel zu erreichen. In diesem Sinne bedeutet im Fall strikter Rechtsansprüche eine Entscheidung über das Wiederaufgreifen auch stets eine Entscheidung über den Anspruch selbst. Denn ein Wiederaufgreifen mit dem Ergebnis neuerlicher Ablehnung in der Sache wäre für den Betroffenen sinnlos. Ein Anspruch der Klägerin auf Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens mit der Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung eines Aufnahmebescheides besteht damit nur dann, wenn ein Wiederaufgreifensgrund bezüglich aller Tatbestandsmerkmale, die bei der Entscheidung zur Ablehnung des Antrages geführt haben, vorliegt.
26Vgl. VG Köln, Urteile vom 05.04.2016 - 7 K 5522/16 - , vom 30.11.2015 - 10 K 5371/14 - und vom 15.09.2015 - 7 K 2587/13 - m.w.N.; a.A. OVG NRW, Beschluss vom 16.03.2016 - 11 E 221/16 -.
27Die ablehnende Entscheidung vom 07.05.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.06.2005 stellt neben einem nicht nachgewiesenen durchgehenden Bekenntnis zum deutschen Volkstum auch auf einen fehlenden Nachweis der Abstammung von einem deutschen Volkszugehörigen ab. In Bezug auf das Merkmal der Abstammung von einem deutschen Volkszugehörigen hat sich die Rechtslage jedoch nicht geändert. Diese Voraussetzung blieb durch das 10. BVFG-Änderungsgesetz unberührt.
28Hinsichtlich des Merkmals einer Abstammung von einem deutschen Volkszugehörigen liegt auch kein anderer Wiederaufgreifensgrund nach § 51 Abs. 1 VwVfG vor. Insbesondere hat die Klägerin kein neues Beweismittel im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 2 BVFG vorgelegt.
29Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf die nachträgliche Aufhebung des die Aufnahme ablehnenden Bescheides nach § 51 Abs. 5 i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG. Das Bundesverwaltungsamt hat den Antrag ermessensfehlerfrei abgelehnt. Die Behörde hat hierbei zutreffend auf die Abwägung der grundsätzlich gleichwertigen Belange des Schutzes der Bestandskraft der ablehnenden Entscheidung und damit der Belange des Rechtsfriedens auf der einen und auf das Interesse der Klägerin an einer erneuten Sachentscheidung auf der anderen Seite abgehoben. Es ist aus rechtlicher Sicht nicht zu beanstanden, dass sie im Ergebnis dem öffentlichen Interesse an Rechtsfrieden und Rechtssicherheit den Vorzug gegeben hat. Hierbei bedarf auch keiner abschließenden Klärung, ob der ablehnende Bescheid bei heutiger Rechtsauslegung rechtswidrig wäre. Denn allein dieser Umstand geböte nicht ausnahmsweise eine erneute Sachentscheidung und damit ein Wiederaufgreifen. Das Ermessen der Behörde zu Gunsten des Betroffenen verdichtet sich lediglich dann, wenn das Festhalten an dem bestandskräftigen Verwaltungsakt schlechthin unerträglich wäre,
30vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2011 - 5 C 9/11 -.
31Ob dies der Fall ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls und einer Gewichtung der einschlägigen Gesichtspunkte ab. Die Ablehnung des Wiederaufgreifens eines Verfahrens ist insbesondere dann schlechthin unerträglich, wenn die Berufung der Behörde auf die Unanfechtbarkeit als ein Verstoß gegen die guten Sitten, Treu und Glauben oder den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz zu bewerten wäre oder eine offensichtliche Rechtswidrigkeit der bestandskräftigen Entscheidung gegeben ist. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich, dass die Ablehnung des Wiederaufgreifens gegen die guten Sitten, Treu und Glauben oder Art. 3 GG verstößt. Die Umstände, dass die Klägerin das streitige Verwaltungsverfahren mit Unterbrechung seit 1999 führe und sie Rentnerin im fortgeschrittenen Alter mit einer Behinderung sei sowie der pauschale Vortrag, sie habe gesellschaftliche und staatliche Hindernisse und Repressalien erlitten, machen das Festhalten an der bestandskräftigen Entscheidung nicht schlechthin unerträglich. Welche gesellschaftlichen Hindernisse die Klägerin konkret erlitten hat, wurde im Übrigen nicht belegt. Auch hebt die Beklagte in vergleichbaren Fällen ihre ablehnende Entscheidung nicht auf. Eine offensichtliche Rechtswidrigkeit ist ebenfalls nicht gegeben. Die Ablehnung erfolgte, weil das Bundesverwaltungsamt nicht feststellen konnte, dass die Klägerin sich nur zum deutschen Volkstum bekannt hat und von einem deutschen Volkszugehörigen abstammt. Es kann dahinstehen, ob aufgrund der eingereichten Unterlagen der Nachweis der Abstammung von einem deutschen Volkszugehörigen angenommen werden könnte. Denn eine offensichtliche Rechtswidrigkeit liegt bezüglich der Verneinung dieses Tatbestandsmerkmals jedenfalls nicht vor. Bei der Entscheidung hat die Beklagte sich mit den eingereichten Unterlagen der Klägerin und der diesbezüglich geltenden Rechtslage im Aussiedlungsgebiet auseinandergesetzt. Sie sah den Nachweis der Abstammung von einem deutschen Volkszugehörigen im Ergebnis nicht als erbracht an. Auf die entsprechenden vertretbaren Ausführungen in der Ablehnungsentscheidung vom 07.05.2003 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 14.06.2005 wird gemäß § 117 Abs. 5 VwGO verwiesen. Den Vorschlag der Beklagten im Verwaltungsverfahren, ein erbbiologisches Gutachten vorzulegen, hat die Klägerin zudem damals nicht aufgegriffen.Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
32Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
1
Tatbestand
2Der am 00.00.0000 in Moldavien geborene Kläger begehrt die Erteilung eines Aufnahmebescheides nach dem BVFG im Wege der Wiederaufnahme.
3Herr K. U. stellte unter dem 10.10.1994 einen Antrag auf Aufnahme nach dem BVFG und beantrage gleichzeitig die Einbeziehung des Klägers als Sohn. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 23.06.1997 abgelehnt, weil kein durchgehendes Bekenntnis zum deutschen Volkstum bei K. U. vorgelegen habe. Hiergegen legte K. U. Widerspruch ein, der mit Bescheid vom 23.12.1999 unter Bezug auf die Ausführungen im Ausgangsbescheid zurückgewiesen wurde. Ergänzend wurde ausgeführt, K. U. sei nach eigenen Angaben von 1979 bis 1994 mit russischer Nationalität geführt worden. K. U. reichte am 24.01.2000 Klage bei dem Verwaltungsgericht Köln ein (26 a K 637/00). Am 05.09.2001 sprach er bei der Deutschen Botschaft vor. Es wurde festgestellt, dass eine Verständigung in deutscher Sprache nicht möglich gewesen sei. Am 01.02.2002 nahm er daraufhin die Klage zurück. Das Verfahren wurde mit Beschluss vom 04.02.2002 eingestellt.
4Der Kläger stellte einen eigenen Antrag auf Aufnahme am 05.11.2002 und verwies hinsichtlich seiner Abstammung von einem deutschen Volkszugehörigen auf K. U. als seinen Vater und N. Q. als seine Großmutter. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 30.03.2004 abgelehnt, weil der Kläger nicht deutscher Volkszugehöriger sei. Es fehle an einer Abstammung von einem deutschen Volkszugehörigen. Die deutsche Volkszugehörigkeit des angegebenen Vaters des Klägers sei in dessen Aufnahmeverfahren verneint worden. Es lägen auch keine Anhaltspunkte für eine deutsche Staatsangehörigkeit eines Elternteils vor. Die Mutter des Klägers sei Moldauerin.
5Unter dem 10.12.2011 stellte der Kläger erneut einen Antrag auf Erteilung eines Aufnahmebescheides. Der Antrag wurde versehentlich als Neuantrag erfasst und weitere Sachverhaltsermittlungen durchgeführt. Mit Bescheid vom 13.07.2012 wurde der Antrag abgelehnt, weil der Kläger weder eine deutsche Abstammung noch ein durchgehendes Bekenntnis zum deutschen Volkstum nachgewiesen habe. Die vorgelegte Geburtsurkunde stamme aus dem Jahr 1994. Als Nachweis der Abstammung von K. U. oder N. Q. sei aber nur die Erstausstellung der Geburtsurkunde aus dem Geburtsjahr geeignet. Nach 1990 ausgestellte Personenstandsurkunden seien generell nicht beweisgeeignet, da seit Beginn der neunziger Jahre die Möglichkeit bestehe, Einträge in Personenstandsurkunden zu ändern. Andere, vor 1990 ausgestellte Urkunden zu der Abstammung des Klägers in Bezug auf seine Eltern oder Großeltern seien nicht vorgelegt worden. Ein durchgehendes Bekenntnis zum deutschen Volkstum sei durch die Vorlage des neu ausgestellten Inlandspasses von 2009 nicht belegt.
6Unter dem 25.02.2014 stellte der Kläger durch seinen Prozessbevollmächtigten einen Antrag auf Wiederaufnahme des Aufnahmeverfahrens des K. U. . Die Beklagte wertete den Antrag als Wiederaufgreifensantrag bezüglich des Aufnahmeverfahrens des Klägers und lehnte den Antrag durch Bescheid vom 23.06.2014 unter Bezugnahme auf die bestandskräftige Ablehnung vom 13.07.2012 ab. Ein Wiederaufgreifensgrund liege nicht vor. Die Rechtslage habe sich durch das 10. BVFG-Änderungsgesetz nicht zugunsten des Klägers geändert. Die Gesetzesänderung wirke sich nicht auf die Voraussetzung der Abstammung von einem deutschen Volkszugehörigen aus. Auch ein Wiederaufgreifen im Rahmen der §§ 48, 49 VwVfG komme nicht in Betracht. Hiergegen legte der Kläger Widerspruch unter dem 26.06.2014 ein und verwies auf seine Großmutter als Abstammungsperson. Der Widerspruch wurde mit Bescheid vom 16.09.2014 zurückgewiesen unter Bezugnahme auf die Ausführungen des Ablehnungsbescheides.
7Der Kläger hat am 16.10.2014 Klage erhoben und trägt vor:
8Ein Wiederaufgreifensgrund liege aufgrund des 10. Änderungsgesetztes zum BVFG vor. Dieses Gesetz gelte gemäß § 100 a BVFG auch rückwirkend. Sein Wiederaufgreifensantrag beziehe sich auf das Verfahren seines Vaters. Er könne sich diesbezüglich auch auf die Änderung einer Sachlage beziehen, da er erst nach dem Erlass des Ablehnungsbescheides für seinen Vater bekenntnisfähig geworden sei. Zudem sei die deutsche Sprache des Klägers nicht überprüft worden. Er habe einen hervorragenden Sprachtest bei der deutschen Botschaft im Mai 2012 abgelegt.
9Ergänzend liege in Bezug auf seinen eigenen Ablehnungsbescheid vom 13.07.2012 ein Wiederaufgreifensgrund nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG hinsichtlich der Voraussetzung eines Bekenntnisses zum deutschen Volkstum nach Rechtsänderung durch das 10. BVFG-ÄndG vor. Denn der Kläger habe am 07.04.2009 einen Pass mit dem Eintrag der deutschen Nationalität erhalten. Auch in seinem Militärpass von 2002 und in einer Bescheinigung von 2000 sei er mit deutscher Nationalität geführt. Die Feststellung, der Kläger stamme nicht von einem deutschen Volkszugehörigen ab, stehe dem Wiederaufgreifen nicht entgegen. Denn aufgrund des Vorliegens eines Wiederaufgreifensgrundes bezüglich des Bekenntnisses zum deutschen Volkstum sei eine erneute Entscheidung über alle Voraussetzungen zu treffen.
10Er habe auch einen Anspruch nach § 48 VwVfG. Es sei grob rechtswidrig, nur Elternteile als Abstammungspersonen anzuerkennen. Der Ausschluss eines Großelternteils als Abstammungsperson verstoße gegen Art. 6 GG. Er stamme von seiner Großmutter N. Q. ab, die Spätaussiedlerin sei.
11Der Kläger beantragt,
12unter Aufhebung des Ablehnungsbescheides vom 23.06.2014 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 16.09.2014, die Beklagte zu verpflichten, ihm einen Aufnahmebescheid im Wege der Wiederaufnahme zu erteilen.
13Die Beklagte beantragt,
14die Klage abzuweisen.
15Sie nimmt vollumfänglich Bezug auf ihre Ausführungen im Verwaltungsverfahren und trägt ergänzend vor: Die Aufnahme des Klägers aus eigenem Recht sei nicht Gegenstand des Aufnahmeverfahrens von K. U. gewesen, sondern erst unter dem 05.11.2002 und 10.12.2011 beantragt. Beide Ablehnungsbescheide seien bestandskräftig geworden.
16Ein Wiederaufgreifensgrund liege nicht vor. Hinsichtlich des Merkmals der deutschen Abstammung sei keine Änderung der Rechtslage eingetreten. Auf eine nachträgliche Änderung der Sachlage könne sich der Kläger in Bezug auf seine Großmutter nicht berufen. Der Umstand, diese sei Spätaussiedlerin, habe bereits zum Zeitpunkt der Ablehnungsentscheidung bestanden. Es bestünden erhebliche Zweifel an den neu ausgestellten Urkunden, so dass die biologische Abstammung nicht nachgewiesen sei. Der Anspruch scheitere insoweit auch an § 51 Abs. 2 VwVfG. Es sei nicht ersichtlich, weshalb der Kläger Umstände zu seiner Abstammung nicht bereits im Ausgangsverfahren geltend gemacht habe. Ein Anspruch ergebe sich auch nicht aus §§ 48, 49 VwVfG. Es fehle an einer offensichtlichen Rechtswidrigkeit.
17Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakten und der vorgelegten Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.
18Entscheidungsgründe
19Soweit der Kläger erkennbar das Ziel verfolgt, die Erteilung eines Aufnahmebescheides unter Wiederaufgreifen des Aufnahmeverfahrens von K. U. zu erreichen, ist die Klage unzulässig. Denn insoweit fehlt es dem Kläger an einer Klagebefugnis nach § 42 Abs. 2 VwGO. Gemäß § 42 Abs. 2 VwGO muss der Kläger geltend machen, dass er durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung in seinen Rechten verletzt ist. Eine Verletzung eigener Rechte kann der Kläger nicht in Bezug auf die Ablehnung der Erteilung eines Aufnahmebescheides für K. U. und gleichzeitiger Ablehnung seiner Einbeziehung geltend machen. Denn selbst bei Unterstellung eines Abstammungsverhältnisses, sind die Erben durch eine behördliche Ablehnung der Erteilung eines Aufnahmebescheides an einen verstorbenen Antragsteller nicht in eigenen Rechten verletzt. Aufgrund der höchstpersönlichen Natur des Anspruches werden der Antrag und der ablehnende Bescheid nach dem Tod des Antragstellers gegenstandslos und entfalten keine negative Bindungswirkung.
20Vgl. BVerwG, Beschluss vom 31.10.1996 - 9 B 360/96 -.
21Der Kläger ist auch nicht als möglicher Rechtsnachfolger klagebefugt. Denn bei Verwaltungsakten mit höchstpersönlichem Charakter ist eine Rechtswirkung gegenüber Rechtsnachfolgern ausgeschlossen,
22vgl. Kopp/Schenke, VwGO; 19. Auflage 2013, § 42 Rn. 174.
23Die Erteilung eines Aufnahmebescheides stellt einen Anspruch höchstpersönlicher Natur dar, der weder übertragbar noch vererbbar ist und daher weder zu Lebzeiten noch nach dem Tod des Antragstellers von dessen Erben geltend gemacht werden kann.
24Vgl. BVerwG, Beschluss vom 31.10.1996 - 9 B 360/96 -; VG Karlsruhe, Urteil vom 22.05.1998 - 3 K 3711/96-.
25Soweit der Kläger die Erteilung eines Aufnahmebescheides unter Wiederaufgreifen seines eigenen Aufnahmeverfahrens begehrt, ist die Klage zulässig, jedoch unbegründet.
26Der Bescheid der Beklagten vom 23.06.2014 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16.09.2014 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 5 VwGO. Er hat keinen Anspruch darauf, dass die Beklagte ihm unter Wiederaufgreifen des bestandskräftig abgeschlossenen Aufnahmeverfahrens einen Aufnahmebescheid nach § 27 BVFG erteilt.Bei der rechtlichen Prüfung ist von der Ablehnungsentscheidung vom 13.07.2012 auszugehen. Die Beklagte hat auf den zweiten Antrag des Klägers auf Erteilung eines Aufnahmebescheides eine ablehnende Entscheidung nach erneuter Sachverhaltsermittlung mit Bescheid vom 13.07.2012 getroffen. Insoweit ist die erste Ablehnungsentscheidung vom 30.03.2004 aufgehoben und durch die Ablehnungsentscheidung vom 13.07.2012 ersetzt worden.
27Die Voraussetzungen eines Rechtsanspruches auf Wiederaufgreifen des Verfahrens nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG liegen nicht vor. Es greift kein Wiederaufnahmegrund im Sinne des § 51 Abs. 1 VwVfG.
28Nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG hat die Behörde über die Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsaktes zu entscheiden, wenn sich die im Verwaltungsakt zugrundeliegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat. Dies ist nicht der Fall.
29Eine nachträgliche Änderung der Rechtslage zugunsten des Betroffenen setzt voraus, dass sich Faktoren geändert haben, die im ursprünglichen Verfahren für den Erlass des nunmehr bestandskräftigen Verwaltungsaktes maßgeblich waren,
30vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Auflage 2015, § 51 Rn. 25 m.w.N.
31Der Antrag ist nur zulässig, wenn eine wesentliche Änderung der Rechtslage vorliegt, die für die Sachentscheidung von Bedeutung sein kann. Der geltend gemachte Wiederaufgreifensgrund muss einen anderen Ausgang des Hauptsacheverfahrens möglich erscheinen lassen,
32vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, 15. Auflage 2015, § 51 Rn. 26.
33Die Rechtslage hat sich zwar durch das am 14.09.2013 in Kraft getretene 10. BVFG-ÄndG hinsichtlich des Tatbestandsmerkmales eines Bekenntnisses zum deutschen Volkstum geändert. Diese gesetzliche Änderung entfaltet jedoch keine Wirkung zugunsten des Klägers. Hängt das Bestehen eines Anspruches – hier der Anspruch auf Erteilung eines Aufnahmebescheides – von mehreren gesetzlichen Tatbestandsmerkmalen ab, ist eine Änderung der Rechtslage zugunsten des Betroffenen nur eingetreten, wenn nach der Änderung alle gesetzlichen Tatbestandsmerkmale erfüllt sind. Nur in diesem Fall vermag der Anspruch auf ein Wiederaufgreifen des Verfahrens sein Ziel zu erreichen. In diesem Sinne bedeutet im Fall strikter Rechtsansprüche eine Entscheidung über das Wiederaufgreifen auch stets eine Entscheidung über den Anspruch selbst. Denn ein Wiederaufgreifen mit dem Ergebnis neuerlicher Ablehnung in der Sache wäre für den Betroffenen sinnlos. Ein Anspruch des Klägers auf Wiederaufgreifen des Verwaltungsverfahrens mit der Verpflichtung der Beklagten zur Erteilung eines Aufnahmebescheides besteht damit nur dann, wenn sich auch alle Tatbestandsmerkmale nachträglich zu seinen Gunsten geändert haben, die bei der Entscheidung zur Ablehnung des Antrages geführt haben.
34Vgl. VG Köln, Urteile vom 05.04.2016 - 7 K 5522/16 - , vom 30.11.2015 - 10 K 5371/14 - und vom 15.09.2015 - 7 K 2587/13 - m.w.N.
35Die ablehnende Entscheidung vom 13.07.2012 stellt neben einem nicht nachgewiesenen durchgehenden Bekenntnis zum deutschen Volkstum auch auf einen fehlenden Nachweis der Abstammung von einem deutschen Volkszugehörigen ab. In Bezug auf das Merkmal der Abstammung von einem deutschen Volkszugehörigen hat sich die Rechtslage jedoch nicht geändert. Diese Voraussetzung blieb durch das 10. BVFG-Änderungsgesetz unberührt.
36Hinsichtlich des Merkmals einer Abstammung von einem deutschen Volkszugehörigen liegt auch kein anderer Wiederaufgreifensgrund nach § 51 Abs. 1 VwVfG vor. Insbesondere hat der Kläger kein neues Beweismittel im Sinne des § 51 Abs. 1 Nr. 2 BVFG vorgelegt. Ob ein Beweismittel neu ist, ist aus Sicht des Betroffenen zu beurteilen, es kommt nicht auf die Kenntnis der Behörde an,
37vgl. Kopp/Schenke, VwGO, 19. Auflage 2013, § 51 Rn. 33.
38Weder der Verweis auf eine Abstammung von N. Q. als Großmutter noch die Existenz des Aufnahmeverfahrens von K. U. aus dem Jahr 1994 mit dem Antrag auf Einbeziehung des Klägers als Sohn sind aus Sicht des Klägers neu. Selbst aus Sicht der Beklagten war zumindest die Angabe der N. Q. als Großmutter nicht neu. Diese wurde in dem Antrag des Klägers vom 10.12.2011 bereits als Großmutter angegeben. Ein neuer Beleg zu der tatsächlichen Abstammung wurde nicht vorgelegt. Der Registrierschein der N. Q. sagt nichts zu einer Abstammung des Klägers von ihr aus.
39Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die nachträgliche Aufhebung des die Aufnahme ablehnenden Bescheides vom 13.07.2012 nach § 51 Abs. 5 i.V.m. §§ 48, 49 VwVfG. Die Beklagte hat die nachträgliche Aufhebung des bestandskräftigen Bescheides ermessensfehlerfrei abgelehnt. Die Behörde hat hierbei zutreffend auf die Abwägung der grundsätzlich gleichwertigen Belange des Schutzes der Bestandskraft der ablehnenden Entscheidung und damit der Belange des Rechtsfriedens auf der einen und auf das Interesse des Klägers an einer erneuten Sachentscheidung auf der anderen Seite abgehoben. Es ist aus rechtlicher Sicht nicht zu beanstanden, dass sie im Ergebnis dem öffentlichen Interesse an Rechtsfrieden und Rechtssicherheit den Vorzug gegeben hat. Hierbei bedarf auch keiner abschließenden Klärung, ob der ablehnende Bescheid bei heutiger Rechtsauslegung rechtswidrig wäre. Denn allein dieser Umstand geböte nicht ausnahmsweise eine erneute Sachentscheidung und damit ein Wiederaufgreifen. Das Ermessen der Behörde zu Gunsten des Betroffenen verdichtet sich lediglich dann, wenn das Festhalten an dem bestandskräftigen Verwaltungsakt schlechthin unerträglich wäre,
40vgl. BVerwG, Urteil vom 13.12.2011 - 5 C 9.11 -.
41Ob dies der Fall ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls und einer Gewichtung der einschlägigen Gesichtspunkte ab. Die Ablehnung des Wiederaufgreifens eines Verfahrens ist insbesondere dann schlechthin unerträglich, wenn die Berufung der Behörde auf die Unanfechtbarkeit als ein Verstoß gegen die guten Sitten, Treu und Glauben oder den allgemeinen Gleichheitsgrundsatz zu bewerten wäre oder eine offensichtliche Rechtswidrigkeit der bestandskräftigen Entscheidung gegeben ist. Es sind keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich oder vorgetragen, dass die Ablehnung des Wiederaufgreifens gegen die guten Sitten, Treu und Glauben oder Art. 3 GG verstößt, da die Ablehnung durchaus seinerzeitiger Rechtsauslegung entsprach. Angesichts dessen liegt auch nichts für eine offensichtliche Rechtswidrigkeit vor. Soweit der Kläger vorträgt, die Nichtberücksichtigung eines Großelternteils bei der Beurteilung der Abstammung von einem deutschen Volkszugehörigen führe zu einer grob rechtswidrigen Entscheidung, verkennt der Kläger, dass die Beklagte in ihrer Entscheidung vom 13.07.2012 die Möglichkeit des Nachweises einer deutschen Abstammung durch einen Großelternteil nicht grundsätzlich verneint. Sie sah im Fall des Klägers die Abstammung von N. Q. jedoch als nicht nachgewiesen an.
42Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.
43Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11 ZPO und § 711 ZPO.
Tenor
Der angefochtene Beschluss wird geändert.
Der Klägerin wird für die Durchführung des Klageverfahrens in der ersten Instanz Prozesskostenhilfe ohne Anordnung von Ratenzahlung unter Beiordnung von Rechtsanwalt L. , X. , bewilligt.
1
G r ü n d e :
2Die Beschwerde ist begründet.
3Die Klägerin hat einen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, weil ihre Rechtsverfolgung die nach § 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 114 Abs. 1 Satz 1 ZPO erforderliche hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet.
4Der Erfolg der Hauptsache erscheint nicht fernliegend. Denn die zwischen den Beteiligten streitige Frage, ob die Klägerin die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufnahmebescheids im Wege des Wiederaufgreifens erfüllt, ist offen und rechtfertigt nicht die Versagung von Prozesskostenhilfe.
5I. Die Klägerin dürfte einen Anspruch auf Wiederaufgreifen des bestandskräftig abgeschlossenen Aufnahmeverfahrens haben.
61. Die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 VwVfG dürften entgegen den im Widerspruchsbescheid der Beklagten vom 25. August 2015 dargelegten Gründen, auf die das Verwaltungsgericht seine ablehnende Entscheidung in dem angefochtenen Beschluss gestützt hat, erfüllt sein. Nach dieser Vorschrift hat die Behörde auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsakts zu entscheiden, wenn einer der in § 51 Abs. 1 Nr. 1 bis 3 VwVfG abschließend aufgeführten Wiederaufgreifensgründe gegeben ist. Das bedeutet, dass auf der ersten Stufe des Verfahrens nur über die Frage zu entscheiden ist, ob die Voraussetzungen für die Eröffnung des Verfahrens gemäß § 51 Abs. 1 VwVfG, nämlich die Zulässigkeit und Begründetheit des Wiederaufnahmeantrags, und damit für die Wiedereröffnung des Verfahrens zur Sache erfüllt sind. Ist danach ein Wiederaufgreifen des Verfahrens zulässig und begründet, steht der Behörde kein Ermessen zu, sie muss vielmehr auf der zweiten Stufe auf der Grundlage des materiellen Rechts erneut in der Sache selbst entscheiden.
7Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 15. Auflage 2014, § 51 Rn. 12a ff., m. w. N.
8a. Der Antrag der Klägerin auf Wiederaufgreifen des Verfahrens dürfte zulässig und begründet sein.
9aa. Für die Zulässigkeit des Wiederaufnahmeantrags genügt es, dass die geltend gemachten Wiederaufnahmegründe einen anderen Ausgang des Hauptsacheverfahrens möglich erscheinen lassen, die Behörde also auf Grund des geltend gemachten Wiederaufgreifensgrundes in der Hauptsache zu einem für den Antragsteller günstigeren Ergebnis kommen könnte.
10Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 15. Auflage 2014, § 51 Rn. 14, m. w. N.
11Der geltend gemachte Wiederaufgreifensgrund nach § 51 Abs. 1 Nr. 1 VwVfG dürfte einen anderen Ausgang des bestandskräftig abgeschlossenen Verfahrens möglich erscheinen lassen. Nach dieser Vorschrift hat die Behörde auf Antrag des Betroffenen über die Aufhebung oder Änderung eines unanfechtbaren Verwaltungsakts zu entscheiden, wenn sich die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Sach- oder Rechtslage nachträglich zugunsten des Betroffenen geändert hat. Die dem Verwaltungsakt zugrunde liegende Rechtslage dürfte sich durch das am 14. September 2013 in Kraft getretene Zehnte BVFG-Änderungsgesetz (BGBl. I. S. 3554) zugunsten der Klägerin geändert haben. Denn zum Zeitpunkt der Entscheidung über den ursprünglichen Aufnahmeantrag der Klägerin mit Ablehnungsbescheid vom 27. Juli 2004 und Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 2004 war die Bestätigung des Bekenntnisses zum deutschen Volkstum durch die familiäre Vermittlung der deutschen Sprache Voraussetzung für die Feststellung der deutschen Volkszugehörigkeit (vgl. § 6 Abs. 2 Satz 2 BVFG in der zum damaligen Zeitpunkt geltenden Fassung des Gesetzes vom 30. August 2011, BGBl. I S. 2266, - BVFG a. F. -). Das Erfordernis der familiären Vermittlung der deutschen Sprache ist durch das Zehnte BVFG-Änderungsgesetz entfallen.
12Die Antragsfrist von drei Monaten ab Kenntnis des Wiederaufgreifengrunds nach § 51 Abs. 3 VwVfG dürfte einem Wiederaufgreifen des bestandskräftig abgeschlossenen Aufnahmeverfahrens nicht entgegenstehen. Denn nach § 27 Abs. 3 Satz 1 BVFG ist der Antrag auf Wiederaufgreifen eines unanfechtbar abgeschlossenen Verfahrens auf Erteilung eines Aufnahmebescheids nicht an eine Frist gebunden.
13bb. Der Antrag auf Wiederaufreifen dürfte auch begründet sein. Die Änderung der Sach- und Rechtslage muss zugunsten des Betroffenen erfolgt sein, d. h. sie muss für den fraglichen Verwaltungsakt entscheidungserhebliche Voraussetzungen betreffen, sodass die Änderung eine dem Betroffenen günstigere Entscheidung erfordert oder doch ermöglicht.
14Vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Kommentar, 8. Auflage 2014, § 51 Rn. 92, m. w. N.
15Die Änderung der Rechtslage betrifft eine für die bestandskräftige Ablehnung entscheidungserhebliche Voraussetzung. Denn der Anspruch der Klägerin auf Erteilung eines Aufnahmebescheids war im Bescheid vom 27. Juli 2004 und Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 2004 mit der Begründung abgelehnt worden, sie sei keine deutsche Volkszugehörige, weil u. a. das Erfordernis der familiären Vermittlung der deutschen Sprache nach § 6 Abs. 2 Satz 2 und 3 BVFG a. F. nicht erfüllt sei. Der Wegfall dieser Voraussetzung für die Feststellung der deutschen Volkszugehörigkeit durch das Zehnte BVFG-Änderungsgesetz dürfte eine für die Klägerin günstigere Entscheidung ermöglichen.
16b. Das Verfahren dürfte wiederaufzugreifen und eine Entscheidung in der Sache aufgrund der aktuellen Rechtslage zu treffen sein. Denn ist der Antrag auf Wiederaufgreifen zulässig und begründet, muss die Behörde erneut in der Sache entscheiden, die Gegenstand des Verwaltungsakts war. Für die Frage, welche Entscheidung in der Sache zu treffen ist, kommt es ausschließlich auf das in der Sache anzuwendende aktuelle materielle Recht im Zeitpunkt der nunmehr zu treffenden Entscheidung an.
17Vgl. Kopp/Ramsauer, VwVfG, Kommentar, 15. Auflage 2014, § 51 Rn. 18, m. w. N.; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Kommentar, 8. Auflage 2014, § 51 Rn. 32, m. w. N.
182. Die Überprüfung des Umfangs der erneuten Sachprüfung dürfte dem Hauptsacheverfahren vorbehalten sein.
19a. Es dürfte zu klären sein, ob der Umfang der erneuten Prüfung durch die ebenfalls im Ablehnungsbescheid vom 27. Juli 2004 und Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 2004 getroffene Feststellung beschränkt ist, die Klägerin sei keine deutsche Volkszugehörige, weil ihre Mutter, deren Aufnahmeantrag ebenfalls abgelehnt worden war, weder deutsche Volkszugehörige noch deutsche Staatsangehörige sei.
20Grundsätzlich ist die erneute Sachprüfung auf die in zulässiger Weise geltend gemachten Gründe für ein Wiederaufgreifen beschränkt.
21Vgl. BVerwG, Urteile vom 5. August 1987 - 9 B 318.86 -, Buchholz 402.25 § 14 AsylVfG (a. F.) Nr. 6, S. 1 (2 f.) = juris, Rn. 3, zum Umfang der erneuten Sachprüfung im Falle eines Asylfolgeantrags, und vom 15. September 1992 ‑ 9 B 18.92 -, NVwZ-RR 1993, 667 = juris, Rn. 3, zu einem vertriebenenrechtlichen Verfahren; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Kommentar, 8. Auflage 2014, § 51 Rn. 34, m. w. N.
22Die Hauptsache ist nur insoweit von Neuem zu verhandeln, als sie von dem Anfechtungsgrund betroffen ist, wobei allerdings die Abgrenzung des so „betroffenen“ Teils problematisch und sehr differenziert ist.
23Vgl. Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Kommentar, 8. Auflage 2014, § 51 Rn. 34, unter Bezugnahme auf die „prozessrechtl. Vorbilder der Wiederaufnahmeverfahren“ nach § 590 ZPO und § 153 VwGO.
24Nicht betroffen kann etwa ein selbständiger oder zeitlich klar abgrenzbarer Teil sein.
25Vgl. Reichold, in: Thomas/Putzo, ZPO, Kommentar 36. Auflage 2015, § 590 Rn. 34.
26Bloße Elemente eines Anspruchs können jedenfalls nicht abtrennbarer (oder selbstständiger) Teil eines Streitgegenstands sein.
27Vgl. Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 21. Auflage 2015, § 110 Rn. 4.
28Zudem ist im wiederaufgenommenen Verfahren der gesamte bis dahin entstandene Verfahrensstoff zu berücksichtigen, jedenfalls soweit er noch nicht durch die bestandskräftige Verbescheidung erledigt ist.
29Vgl. BVerwG, Urteil vom 15. September 1992 ‑ 9 B 18.92 -, NVwZ-RR 1993, 667 = juris, Rn. 3; Sachs, in: Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, Kommentar, 8. Auflage 2014, § 51 Rn. 36; Kopp/Schenke, VwGO, Kommentar, 21. Auflage 2015, § 153 Rn. 13.
30Ausgehend hiervon dürfte im Hauptsacheverfahren zu klären sein, ob und in welchem Umfang die Feststellung in der bestandskräftigen Ablehnung des Aufnahmeantrags, die Klägerin stamme nicht von einer deutschen Volkszugehörigen oder Staatsangehörigen ab, die erneute Sachprüfung einschränken kann. Es dürfte zu klären sein, ob diese Feststellung überhaupt als selbständiger, vom Wiederaufgreifen des Verfahrens nicht betroffener Teil mit der Folge anzusehen sein kann, dass sie nicht mehr Gegenstand einer erneuten Sachprüfung werden könnte. Hierbei dürfte zu berücksichtigten sein, dass es sich bei dieser mit dem bestandskräftigen Ablehnungsbescheid verneinten Voraussetzung der deutschen Abstammung nach § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG jedenfalls um einen nicht abtrennbaren Teil des Streitgegenstands (d. h. des Anspruchs auf Erteilung eines Aufnahmebescheids nach den §§ 27 Abs. 1 Satz 1, 6 Abs. 2 BVFG) handeln dürfte, sodass es fraglich erscheint, ob diese negative Feststellung der Beklagten als von der Änderung der maßgeblichen Anspruchsgrundlage nicht betroffener Teil bewertet werden und deswegen die Zweitentscheidung tatsächlich einschränken kann.
31Darüber hinaus dürfte im Rahmen einer erneuten Sachprüfung das Vorbringen der Klägerin, ihre in C. lebenden Großeltern mütterlicherseits seien deutsche Volkszugehörige und als Spätaussiedler anerkannt, auch deshalb zu berücksichtigen sein, weil dieses Vorbringen nicht durch die bestandskräftige Verbescheidung als „erledigt“ anzusehen sein dürfte. Denn es hat in dem ursprünglichen Aufnahmeverfahren keine mit Blick auf die Prüfung, ob die Klägerin deutsche Volkszugehörige ist, (entscheidungserhebliche) Berücksichtigung gefunden. Im Widerspruchsbescheid vom 27. Oktober 2004 ist vielmehr davon die Rede, dieser Umstand könne nicht zugunsten der Klägerin berücksichtigt werden, weil die Voraussetzungen für eine Aufnahme als Spätaussiedler jeweils in der Person des einzelnen Aufnahmebewerbers gegeben sein müsse. Die Abstammung von den deutschen Großeltern ist darin hingegen weder geprüft noch verneint worden.
32b. Die weitere Feststellung in dem bestandskräftig abgeschlossenen Aufnahmeverfahren, die Klägerin verfüge nur über unzureichende deutsche Sprachkenntnisse ohne Dialekteinschlag oder Dialektfärbung, die für ein einfaches Gespräch auf Deutsch keineswegs ausreichten, dürfte den Umfang einer erneuten Sachprüfung nicht einschränken. Denn zum damaligen Zeitpunkt war geprüft worden, ob die Klägerin auf der Grundlage ihrer „familiär erworbenen deutschen Sprachkenntnisse“ ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen könne. Die Prüfung der mit dem Zehnten BVFG-Änderungsgesetz entfallenen Voraussetzung der familiären Vermittlung der deutschen Sprache war demnach derart mit der Prüfung der Voraussetzung verknüpft, ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen zu können, dass letztere als untrennbarer Teil von dem geltend gemachten Wiederaufnahmegrund der Änderung der Rechtslage mit betroffen sein dürfte.
33II. Die begehrte Erteilung eines Aufnahmebescheids dürfte zumindest nicht fernliegend sein. Es spricht Einiges dafür, dass die Klägerin nach Wiederaufgreifen des Aufnahmeverfahrens die Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 BVFG erfüllt.
341. Die Klägerin dürfte deutscher Abstammung sein. Der in § 6 Abs. 2 Satz 1 BVFG verwendete Begriff der Abstammung von einem deutschen Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen weist auf einen generationsübergreifenden Abstammungsbegriff hin.
35Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2008 - 5 C 8.07 -, BVerwGE 130, 197 (199 f.) = juris, Rn. 13 ff.
36Die Großeltern der Klägerin mütterlicherseits sind nach den von der Beklagten nicht bestrittenen Angaben der Klägerin als Spätaussiedler anerkannt.
372. Die Klägerin dürfte auch ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum i. S. d. § 6 Abs. 2 BVFG abgelegt haben. Sie ist in ihren kasachischen Reisepässen, ausgestellt am 1. Juni 1995 und am 28. Juni 2013, jeweils mit deutscher Nationalität eingetragen.
383. Mit Blick auf ihr Vorbringen im Beschwerdeverfahren zu ihren Sprachkenntnissen dürfte eine Erfüllung der Voraussetzungen des § 6 Abs. 2 Satz 3 BVFG zumindest nicht fernliegend sein. Diese dürften jedenfalls dann zu bejahen sein, wenn sie das Sprachzertifikat B1 vorlegen kann.
39Außergerichtliche Kosten werden nicht erstattet (§ 166 Abs. 1 Satz 1 VwGO i. V. m. § 127 Abs. 4 ZPO).
40Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).
(1) Deutscher Volkszugehöriger im Sinne dieses Gesetzes ist, wer sich in seiner Heimat zum deutschen Volkstum bekannt hat, sofern dieses Bekenntnis durch bestimmte Merkmale wie Abstammung, Sprache, Erziehung, Kultur bestätigt wird.
(2) Wer nach dem 31. Dezember 1923 geboren worden ist, ist deutscher Volkszugehöriger, wenn er von einem deutschen Staatsangehörigen oder deutschen Volkszugehörigen abstammt und sich bis zum Verlassen der Aussiedlungsgebiete durch eine entsprechende Nationalitätenerklärung oder auf andere Weise zum deutschen Volkstum bekannt oder nach dem Recht des Herkunftsstaates zur deutschen Nationalität gehört hat. Das Bekenntnis auf andere Weise kann insbesondere durch den Nachweis ausreichender deutscher Sprachkenntnisse entsprechend dem Niveau B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen oder durch den Nachweis familiär vermittelter Deutschkenntnisse erbracht werden. Das Bekenntnis zum deutschen Volkstum muss bestätigt werden durch den Nachweis der Fähigkeit, zum Zeitpunkt der verwaltungsbehördlichen Entscheidung über den Aufnahmeantrag, in Fällen des § 27 Absatz 1 Satz 2 im Zeitpunkt der Begründung des ständigen Aufenthalts im Geltungsbereich dieses Gesetzes, zumindest ein einfaches Gespräch auf Deutsch führen zu können, es sei denn, der Aufnahmebewerber kann diese Fähigkeit wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder wegen einer Behinderung im Sinne des § 2 Absatz 1 Satz 1 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch nicht besitzen. Ein Bekenntnis zum deutschen Volkstum wird unterstellt, wenn es unterblieben ist, weil es mit Gefahr für Leib und Leben oder schwerwiegenden beruflichen oder wirtschaftlichen Nachteilen verbunden war, jedoch auf Grund der Gesamtumstände der Wille unzweifelhaft ist, der deutschen Volksgruppe und keiner anderen anzugehören.
(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.
(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er
- 1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat; - 2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren; - 3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.
(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.
(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(1) Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist.
(2) Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt darf, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden,
- 1.
wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist; - 2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat; - 3.
wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde; - 4.
wenn die Behörde auf Grund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, soweit der Begünstigte von der Vergünstigung noch keinen Gebrauch gemacht oder auf Grund des Verwaltungsaktes noch keine Leistungen empfangen hat, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde; - 5.
um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.
(3) Ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden,
- 1.
wenn die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird; - 2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat.
(4) Der widerrufene Verwaltungsakt wird mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam, wenn die Behörde keinen anderen Zeitpunkt bestimmt.
(5) Über den Widerruf entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zu widerrufende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.
(6) Wird ein begünstigender Verwaltungsakt in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 3 bis 5 widerrufen, so hat die Behörde den Betroffenen auf Antrag für den Vermögensnachteil zu entschädigen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen schutzwürdig ist. § 48 Abs. 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend. Für Streitigkeiten über die Entschädigung ist der ordentliche Rechtsweg gegeben.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.