Verwaltungsgericht Koblenz Urteil, 22. Okt. 2013 - 1 K 250/12.KO

ECLI:ECLI:DE:VGKOBLE:2013:1022.1K250.12.KO.0A
bei uns veröffentlicht am22.10.2013

Tenor

Das Verfahren wird eingestellt, soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat.

Der Beklagte wird verurteilt, durch geeignete Maßnahmen sicherzustellen, dass bei der Benutzung der Landesstraße L 1... keine Impuls- oder Schlaggeräusche entstehen, die am Wohnhaus A... Straße ... in B... zu einer Überschreitung der in der Richtlinie „Lärmschutz an Bundesfernstraßen in der Baulast des Bundes (VLärmSchR)“ genannten Auslösewerte von 69 dB(A) am Tag und 59 dB(A) in der Nacht führen; im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger zu ¼ und dem Beklagten zu ¾ auferlegt mit Ausnahme der Mehrkosten, die durch die Verweisung des Rechtsstreits entstanden sind und die der Kläger in vollem Umfang zu tragen hat.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung des Klägers durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abzuwenden, falls der Kläger nicht zuvor Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Berufung wird zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt von dem Beklagten Maßnahmen zur Reduzierung von Verkehrslärm.

2

Der Kläger bewohnt zusammen mit seiner Mutter das Wohnhaus A... Straße ... in B..., dessen Eigentümer er seit dem 8. August 2013 ist und das zuvor seiner Mutter gehörte. Westlich des Anwesens verläuft die Landesstraße L 1..., die nach etwa 400 bis 500 m zu einer Anschlussstelle der Bundesautobahn A ... führt.

3

1992 schloss die Mutter des Klägers mit dem Beklagten eine Vereinbarung, wonach dieser sich verpflichtete, ihr 75 % der Aufwendungen von 5.150,46 DM für Lärmschutzmaßnahmen am Gebäude A... Straße ..., nämlich a) für den Einbau lärmdämmender Fenster in den Wohn- und Schlafräumen und b) für die Dämmung von Rollladenkästen, zu erstatten. Die Vereinbarung enthält die Regelung, wonach sämtliche Ansprüche der Eigentümerin wegen der Beeinträchtigung der Nutzung ihres Gebäudes wegen Verkehrslärms, der von der bestehenden L 1... ausgeht, erfüllt sind.

4

Unter dem 6. April 2001 führte der vom Kläger zur Ermittlung der Lärmbelästigung durch Verkehrslärm eingeschaltete Gutachter Dipl.- Ing. C... aus, der Beurteilungspegel am Haus des Klägers betrage tagsüber 73,4 dB(A) und nachts 66,4 dB(A).

5

Mit Schreiben vom 24. Oktober 2011 machte der Kläger den Beklagten darauf aufmerksam, dass die auch nachts regelmäßig befahrene Straße auf der Höhe seines Grundstücks erhebliche Schäden aufweise. Er werde wegen der vorhandenen Schlaglöcher nachts durch vorbeifahrende Lkw aus dem Schlaf gerissen. Am 27. Oktober 2011 ließ der Beklagte Fräsarbeiten an der Fahrbahn der L 1... durchführen. Unter dem 8. November 2011 machte der Kläger gegenüber dem Beklagten geltend, die Schlaglöcher, welche zu den unzumutbaren nächtlichen Lärmbelästigungen führten, seien durch die Arbeiten nicht beseitigt worden. Mit E-Mail vom 15. November 2011 teilte der Beklagte dem Kläger mit, zurzeit könne aufgrund der Maßnahmenreihung im Landesstraßenbauprogramm keine grundlegende Deckenerneuerung durchgeführt werden. Die vorgenommenen Fräsarbeiten stellten eine wesentliche Verbesserung des bisherigen Zustandes dar. Wann eine grundlegende Erneuerung durchgeführt werde, könne aufgrund der angespannten Haushaltslage nicht vorhergesagt werden.

6

Der Kläger hat am 22. Dezember 2011 beim Landgericht Koblenz Klage zunächst mit dem Ziel erhoben, den Beklagten zu verpflichten, geeignete Maßnahmen zur Einhaltung der Immissionsgrenzwerte der Verkehrslärmverordnung (16. BImSchV) von 50 dB(A) tags – gemeint sind wohl 59 dB(A) – und 49 dB(A) nachts am Gebäude A... Straße ... durch von der L 1... ausgehende Geräusche zu ergreifen. Mit Beschluss vom 8. März 2012 hat das Landgericht Koblenz das Verfahren an das erkennende Gericht verwiesen.

7

Der Kläger bringt vor: Der Streckenabschnitt der L 1... sei sanierungsbedürftig. Die Straße weise in Höhe der Grenze zum Nachbargrundstück zwei Fahrbahnabsenkungen auf, die beim Befahren laute Schlaggeräusche verursachten. Hierdurch würden Lärmimmissionen hervorgerufen, die schwer und unerträglich in das Grundeigentum eingriffen und sein Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit verletzten. Das Ergebnis des vom Gericht eingeholten Gutachtens bestätige die Unzumutbarkeit der Lärmimmissionen. Die Lärmpegel lägen oberhalb der Grenz- bzw. Auslösewerte für Mischgebiete aller in Betracht kommenden Vorschriften und Regelwerke.

8

Der Kläger beantragt,

9

den Beklagten zu verurteilen, geeignete Maßnahmen zur Einhaltung der Grenzwerte von 64 dB(A) tags und 59 dB(A) nachts am Gebäude A... Straße ... in B... durch von der L 1... ausgehende Geräusche zu ergreifen.

10

Der Beklagte beantragt,

11

die Klage abzuweisen.

12

Er macht geltend: Die L 1... weise im Bereich des Anwesens des Klägers keine Schlaglöcher auf. Es seien lediglich in etwa hundert Meter Entfernung in Richtung zur Autobahn Fahrbahnabsenkungen in Form von deutlich erkennbaren Spurrillen vorhanden. Der Kläger müsse die Verkehrsimmissionen hinnehmen, zumal an dem in Rede stehenden Anwesen bereits in den Jahren 1991/1992 im Zuge der Lärmsanierung passiver Lärmschutz durchgeführt worden sei. Die Kosten für die Instandsetzung der L 1... im hier fraglichen Bereich würden bei mindestens 10.000 € liegen, die Kosten für ein Lärmschutzfenster hätten 2011 im Mittel 530 €/qm betragen.

13

Das Gericht hat mit Beweisbeschlüssen vom 29. Oktober 2012 und vom 22. März 2013 Beweis erhoben durch die Einholung eines Gutachtens und einer ergänzenden Stellungnahme des Sachverständigen Dipl.-Physikers Dr. D..., auf dessen schriftliche Ausführungen vom 2. Februar 2013 und vom 19. Juni 2013 ausdrücklich Bezug genommen wird.

14

Der Beklagte trägt hierzu vor, die sachverständigen Stellungnahmen seien fehlerhaft. Der Sachverständige habe die Beurteilungspegel nicht wie in den einschlägigen Richtlinien vorgeschrieben berechnet. Bei der Ermittlung des Innenpegels im Ergänzungsgutachten sei der Glasaufbau nicht berücksichtigt worden und die absoluten Spitzenpegel nur unzureichend dargestellt.

15

Der Sachverständige hat seine Gutachten in der mündlichen Verhandlung vom 24. September 2013 erläutert. Insoweit wird auf die Sitzungsniederschrift vom gleichen Tag, wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze sowie die vorgelegte Verwaltungsakte verwiesen.

Entscheidungsgründe

16

Zunächst ist festzustellen, dass der Kläger seine Klage teilweise zurückgenommen hat und insoweit das Verfahren einzustellen war (vgl. § 92 Abs. 3 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO –). Ursprünglich strebte der Kläger nämlich an, dass der Beklagte geeignete Maßnahmen zur Einhaltung der Grenzwerte der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) von 59 dB(A) tags und 49 dB(A) nachts bezogen auf sein Wohnhaus A... Straße ... durch von der L 1... ausgehende Geräusche ergreifen müsse. In der mündlichen Verhandlung vom 1. Oktober 2012 hat der Kläger dann aber nur noch die Einhaltung von Werten verlangt, die über den Vorgaben der Verkehrslärmschutzverordnung liegen. Bei dieser Beschränkung handelt es sich um eine teilweise Rücknahme der Klage.

17

Darüber hinaus versteht die Kammer das Klagebegehren angesichts der Begründung dahingehend, dass der Kläger von dem Beklagten Maßnahmen zur Vermeidung der bei Benutzung der Straße wahrnehmbaren Schlaggeräusche anstrebt, solange die von ihm im Antrag beschriebenen Werte überschritten sind.

18

Dies vorausgeschickt ist die Klage zulässig. Der Kläger macht einen öffentlich-rechtlichen Abwehranspruch im Wege der allgemeinen Leistungsklage geltend, für die er die notwendige Klagebefugnis entsprechend § 42 Abs. 2 VwGO besitzt. Es ist nämlich nicht ausgeschlossen, dass er durch die geltend gemachte Untätigkeit des Beklagten in eigenen Rechten verletzt ist. Zwar kann er sich nicht auf eine Verletzung des § 11 Abs. 1 und Abs. 3 Landesstraßengesetz (LStrG) berufen. Die Wahrnehmung der Aufgabe der Straßenbaulast besteht als öffentliche Aufgabe ausschließlich im Interesse der Allgemeinheit und ist nicht dem Schutz privater Rechte zu dienen bestimmt (vgl. OVG RP, Urteil vom 24.05.2012, 7 A 10976/11.OVG, juris). Jedoch ist anerkannt, dass Art. 14 Abs. 1 Satz 1 Grundgesetz (GG) einen Abwehranspruch gegenüber einem Hoheitsträger jedenfalls dann vermittelt, wenn eine in Wahrnehmung einer öffentlicher Aufgaben betriebene Einrichtung Immissionen hervorruft, die schwer und unerträglich in das Eigentum eingreifen (vgl. BVerwG, U. v. 29.04.1988, 7 C 33.87, juris). Ebenso folgt aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG für staatliche Stellen die Verpflichtung, Leben und Gesundheit zu schützen. Der Kläger trägt vor, dass durch die Querrisse auf der L 1... im Bereich seines Wohnhauses in der Nachtzeit durch den Schwerlastverkehr Geräusche von erheblichem Ausmaß entstehen, die dazu führten, dass ein Schlafen in dem Gebäude nicht mehr möglich sei. Angesichts dieses Vorbringens ist jedenfalls nicht von vornherein ausgeschlossen, dass er durch eine Untätigkeit des Beklagten bei der Unterhaltung der L 1... in seinem Eigentumsgrundrecht sowie in seinem Recht auf körperliche Unversehrtheit verletzt wird.

19

Die Klage hat in der Sache überwiegend Erfolg. Der Kläger hat nach Maßgabe des Tenors Anspruch auf die Durchführung von Maßnahmen zur Reduzierung des Verkehrslärms. Er kann sein Begehren insoweit auf den gewohnheitsrechtlich anerkannten öffentlich-rechtlichen Abwehranspruch stützen (vgl. BVerwG U. v. 29.04.1988, 7 C 33.87, U. v. 19.01.1989, 7 C 77.87; OVG RP, U. v. 12.09.2007, 7 A 10789/07.OVG; OVG NW, U. v. 28.10.2010 – 11 A 1646/06; alle zitiert nach juris). Soweit der Kläger die Einhaltung eines Grenzwertes von 64 dB(A) tagsüber angestrebt, war die Klage allerdings abzuweisen.

20

Die Voraussetzungen des öffentlich-rechtlichen Abwehranspruchs sind gegeben. Der Kläger wird durch ein hoheitliches Unterlassen in seinen geschützten Rechtsgütern rechtswidrig beeinträchtigt und ist zur Duldung dieser Beeinträchtigung nicht verpflichtet.

21

Durch den Verkehr auf der seit langer Zeit bestehenden L 1... wird die Nutzung des Wohnhauses A... Straße ... unzumutbar beeinträchtigt. Ausgangspunkt der Überlegung ist dabei, dass der Eigentümer eines Wohnhauses an einer Straße angesichts der bestehenden Situation den hiervon ausgehenden Verkehrslärm situationsbedingt grundsätzlich hinnehmen muss. Etwas anderes gilt allerdings dann, wenn der Verkehrslärm quasi eine enteignende Wirkung für das Grundeigentum hat, wenn also hierdurch die ausgeübte Grundstücksnutzung schwer und unerträglich beeinträchtigt wird. Ob dies der Fall ist, hängt von der Würdigung der gesamten Umstände des Einzelfalles ab, wobei auf die Grenzwerte in der Verkehrslärmschutzverordnung (16. BImSchV) nicht zurückgegriffen werden kann, da sie nach § 1 dieser Verordnung nur für den Bau und die wesentliche Änderung von öffentlichen Straßen Anwendung finden. Zur Beurteilung der Situation hält die Kammer es mangels anderer normativer Vorgaben für geboten, die in der Richtlinie des Bundesministers für Verkehr „Lärmschutz an Bundesfernstraßen in der Baulast des Bundes“ – VLärmSchR – genannten Richtwerte (Auslösewerte) für die Lärmsanierung als Orientierungshilfe heranzuziehen (vgl. OVG Bremen, U. v. 19.01.1993, 1 BA 11/92, juris), auch wenn hierin ausdrücklich festgestellt ist, dass Lärmschutz an bestehenden Straßen (Lärmsanierung) als freiwillige Leistung auf der Grundlage haushaltsrechtlicher Regelungen gewährt wird. Aus der VLärmSchR wiederum folgt, wann an bestehenden Straßen, wie der L 1..., Lärmsanierungsmaßnahmen durchgeführt werden können. Danach gelten für die Lärmsanierung (seit 2010) für Kern-, Dorf und Mischgebiete Auslösewerte von 69 dB(A) tagsüber und 59 dB(A) nachts. Nur dann, wenn diese Werte überschritten werden, haben Verkehrsimmissionen für die Anlieger der Straße ein erhebliches Ausmaß, so dass im Einzelfall eine schwerwiegende Beeinträchtigung der Wohnnutzung gegeben sein kann. Darüber hinaus ist zu berücksichtigen, dass Impulsgeräusche, die Lärmspitzen verursachen, bei einer objektiven Betrachtungsweise als besonders störend empfunden werden. Ein Wohnhaus an einer Straße ist vor diesem Hintergrund durch Verkehrsimmissionen jedenfalls dann schwer und unerträglich beeinträchtigt, wenn diese die oben erwähnten Auslösewerte erheblich überschreiten und zudem störende Geräuschspitzen (Impulsgeräusche) insbesondere in der Nachtzeit feststellbar sind.

22

Hiervon ausgehend ist das Gericht davon überzeugt, dass vorliegend ein solcher Sachverhalt gegeben ist. Dies ergibt sich aus den Sachverständigengutachten des Dipl.-Ing. Dr. D... vom 2. Februar 2013 und vom 19. Juni 2013. Er hat hierin bezogen auf die besondere Situation vor dem Wohnhaus des Klägers ausgeführt, dass grundsätzlich Schallimmissionen des Straßenverkehrs rechnerisch ermittelt werden. Ein solches Vorgehen sei hier nicht möglich, da es vorliegend auf die Besonderheiten der Schallimmissionen, ausgelöst durch die von dem Kläger behaupteten Schlaggeräusche ankomme. Von daher seien die Immissionen messtechnisch zu ermitteln gewesen. Die Messung habe ergeben, dass der mittlere Mittelungspegel bei 69,3 dB(A) tagsüber und 63,3 dB(A) nachts liege. Würden Samstag und Sonntag von der Auswertung ausgenommen werden, ergebe sich ein Wert von 69,9 dB(A) am Tag und 63,5 dB(A) in der Nacht. Darüber hinaus hat der Sachverständige zu den vom Kläger als besonders störend eingestuften Impulsgeräuschen ausgeführt, er habe 13 aufgezeichnete Schallereignisse abgehört. Bei 11 von ihnen habe er Impulsgeräusche festgestellt. Diese Impulsgeräusche seien nicht ständig vorhanden, sondern sie träten einmal während der Vorbeifahrt auf, mithin seien sie im Ort (d.h. also in der Straße) begründet. Der von ihm berechnete Innenpegel betrage bei geschlossenen Fenstern gemittelt über die Messzeit am Tag 39 dB(A) und in der Nacht 35,7 dB(A). Angesichts dieser Ausführungen des Sachverständigen, welche die Kammer für nachvollziehbar hält, ist davon auszugehen, dass die Auslösewerte der VLärmSchR am Wohnhaus des Klägers insbesondere in der Nachtzeit, gerade auch bedingt durch die festgestellten Impulsgeräusche, deutlich überschritten werden. Hinzu kommt das Störpotenzial derartiger Impulsgeräusche, wenn sie in Schlafräumen wahrnehmbar sind. Sie beeinträchtigen damit dauerhaft die Nachtruhe. Mithin wird bedingt durch zwei Faktoren, nämlich das hohe Verkehrsaufkommen auf der L 1... im Bereich des Wohnhauses des Klägers und durch den Zustand der Fahrbahn, der Kläger insbesondere in der Nachtzeit durch die entstehenden Verkehrsimmissionen schwer und unerträglich in der Nutzung seines Wohneigentums beeinträchtigt.

23

Die gegen die Ausführungen des Sachverständigen erhobenen Einwendungen des Beklagten greifen nicht durch. Insoweit weist die Kammer darauf hin, dass der Sachverständige in der mündlichen Verhandlung nochmals darauf verwiesen hat, dass wegen der Impulsgeräusche ein besonderer Sachverhalt gegeben sei und es für die Beurteilung der Lärmimmissionen einer Messung bedurft habe. Von daher beruht die Vorgehensweise des Sachverständigen, an dessen Sachkunde die Kammer keine Zweifel hat, darauf, dass insbesondere der Lärm durch die Unebenheit der Fahrbahn (Schlaggeräusche) zu bewerten war. Angesichts der vom Sachverständigen unter dem 2. Februar 2012 dargestellten Messergebnisse, die mit den Ergebnissen des Sachverständigen C... aus dem Jahr 2001 durchaus vergleichbar sind, hat die Kammer keine Zweifel an einer erheblichen Überschreitung dieser Auslösewerte verursacht durch die festgestellten Impulsgeräusche. Dieser Umstand führt aber bei einer objektiven Betrachtungsweise zu einer dauerhaften Störung der Nachtruhe der Bewohner des Hauses A... Straße ...

24

Die Schlaggeräusche sind dem Beklagten, der als Träger der Straßenbaulast (vgl. § 12 Abs. 1 i.V.m. § 11 Abs. 1 Satz 1 LStrG) für den Zustand der Straße verantwortlich ist, zurechenbar, auch wenn die Straßenbaulast als öffentliche Aufgabe ausschließlich im Interesse der Allgemeinheit besteht (vgl. hierzu OVG Münster a.a.O.). Jede staatliche Stelle ist verpflichtet, bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben die Bedeutung der Grundrechte, die Abwehrrechte des Bürgers sind und eine objektive Wertordnung vermitteln, zu beachten. Hinzu kommt, dass alle staatlichen Stellen aus Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG die Verpflichtung haben, die körperliche Unversehrtheit zu schützen (vgl. BVerwG, U. v. 13.10.2011, 4 A 4000.09, juris). Die ständige Verletzung der Nachtruhe durch Verkehrslärm kann bei einer objektiven Betrachtungsweise für die betroffenen Anlieger Gesundheitsbeeinträchtigungen nach sich ziehen. Dies bedeutet, dass ein Träger der Straßenbaulast einer atypischen Situation begegnen muss. Geschieht dies nicht, verletzt er zu Lasten der betroffenen Anlieger eine ihm zurechenbare Obliegenheit.

25

Der Kläger ist nicht zur Duldung dieser Schlaggeräusche verpflichtet, auch wenn es sich bei der L 1... um eine seit Jahrzehnten bestehende öffentliche Straße handelt und den von einer solchen Straße ausgehenden Verkehrslärm jeder Anlieger grundsätzlich hinnehmen muss. Angesichts der wertsetzenden Bedeutung der Art 14 Abs. 1 und 2 Abs. 2 Satz 1 GG ergibt sich hier im Interesse eines wirksamen Grundrechtsschutzes ausnahmsweise die Pflicht des Beklagten zur Durchführung von Sanierungsmaßnahmen an der Straße, was bisher von dem Beklagten rechtswidrig unterlassen wurde.

26

Dem Beklagten ist die Durchführung von Maßnahmen zur Minderung des Verkehrslärms auch zumutbar. Insbesondere ist mit der Erfüllung des Begehrens für den Beklagten kein unverhältnismäßig hoher Aufwand verbunden, der zu dem erreichbaren Erfolg bei allem Respekt für das Verlangen nach rechtmäßigen Zuständen in keinem vernünftigen Verhältnis mehr steht (vgl. BVerwG, U. v. 26.08.1993, 4 C 24.91, juris). Der Beklagte hat bei der Maßnahmenreihung der Unterhaltung von Straßen neben Aspekten der Verkehrssicherheit auch die Betroffenheit von Grundstückseigentümern durch Verkehrslärm mit zu berücksichtigen. Dies gilt insbesondere dann, wenn wie hier eine dauerhafte Störung der Nachtruhe der Anlieger zu besorgen ist. Darüber hinaus hat der Beklagte mit Schriftsatz vom 15. August 2013 mitgeteilt, dass die Instandsetzung der L 1... im hier fraglichen Bereich „mindestens 10.000 €“ betrage. In der mündlichen Verhandlung hat der Beklagte diesbezüglich angegeben, mit dem genannten Betrag von 10.000 € sei nicht sichergestellt, dass nicht neue oder andere Störquellen, bedingt durch Unebenheiten der Fahrbahn, entstünden. Dies wäre allenfalls bei einer großflächigen Sanierung der Straße auszuschließen. Bedenkt man, dass Sanierungsmaßnahmen an der L 1... im Bereich des Wohnhauses des Klägers anstehen, auch wenn der genaue Zeitpunkt nach dem Inhalt der E-Mail vom 15. November 2011 wegen der angespannten Haushaltslage noch nicht feststeht, ist es gerade unter dem Aspekt der Gewährleistung eines ausreichenden Schutzes der Nachtruhe dem Beklagten zuzumuten, eine solche großflächige Sanierung trotz des mit ihr verbundenen Aufwands zeitlich vorzuziehen. Dies gilt jedenfalls, dann, wenn andere Maßnahmen bspw. straßenverkehrsrechtlicher Art nicht zu einer Reduzierung der Verkehrslärmimmissionen auf die in der VLärmSchR genannten Auslösewerte führen und eine außergerichtliche Vereinbarung über Maßnahmen des passiven Lärmschutzes zwischen den Beteiligten nicht erzielt werden kann.

27

Der Kläger hat seine Ansprüche nicht entsprechend § 242 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) verwirkt, auch wenn seine Mutter als Rechtsvorgängerin im Eigentum 1992 eine Vereinbarung mit dem Beklagten über den Einbau von Lärmschutzfenstern getroffen und dabei auf die Erstattung sämtlicher Ansprüche wegen der Beeinträchtigung der Nutzung ihres Gebäudes durch Verkehrslärm, der von der bestehenden L 1... ausgeht, verzichtet hat. Denn der Kläger war selbst nicht Vertragspartner dieser Vereinbarung. Ferner wendet er sich gegen die Lärmbelastung, die aufgrund des Zustands der Fahrbahn durch die Schlaggeräusche entsteht. Die Mutter des Klägers konnte zum Zeitpunkt der Vereinbarung nicht damit rechnen, dass der Beklagte seiner Verpflichtung zur Unterhaltung der Straße nicht in der gebotenen Weise und unter Außerachtlassung besonderer Umstände nachkommen wird.

28

Angesichts dessen hat der Kläger einen Anspruch darauf, dass der Beklagte die notwendigen Maßnahmen zur Abwehr der von dem Sachverständigen festgestellten Impulsgeräusche trifft, falls andere Maßnahmen in Bezug auf das Wohnhaus A... Straße ... nicht zu einer Reduzierung des Verkehrslärms auf die Auslösewerte der VLärmSchR führen. Allerdings besteht keine Pflicht zur Einhaltung von niedrigeren als den in der VLärmSchR genannten Grenzwerten. Von daher war die Klage abzuweisen, soweit der Kläger für die Tageszeit die Einhaltung eines Wertes von 64 dB(A) statt der in der VLärmSchR genannten 69 dB(A) verlangt.

29

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 2 VwGO und § 17 b Abs. 2 Satz 2 Gerichtsverfassungsgesetz (GKG).

30

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 i.V.m. § 708 Nr. 11, 711 Zivilprozessordnung (ZPO).

31

Die Berufung war gemäß §§ 124 Abs. 1 und Abs. 2 Nr. 3 VwGO zuzulassen, da die Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein Anspruch auf Durchführung von Maßnahmen am Straßenkörper zur Begegnung von unzumutbarem Verkehrslärm, der durch den Zustand der Straße ausgelöst ist, besteht, in der höchstrichterlichen Rechtsprechung noch nicht abschließend geklärt ist.

32

Beschluss

33

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 45.000,--€ festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).

34

Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit derBeschwerde angefochten werden.

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Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124


(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird. (2) Die B

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 242 Leistung nach Treu und Glauben


Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 2


(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt. (2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unver

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 63 Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren


(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anh

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 155


(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteili

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 68 Beschwerde gegen die Festsetzung des Streitwerts


(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Geri

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 42


(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 92


(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der münd

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 17


Bei den Verwaltungsgerichten können auch folgende Richter verwendet werden: 1. Richter auf Probe,2. Richter kraft Auftrags und3. Richter auf Zeit.

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(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.

(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.

(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Jeder hat das Recht auf die freie Entfaltung seiner Persönlichkeit, soweit er nicht die Rechte anderer verletzt und nicht gegen die verfassungsmäßige Ordnung oder das Sittengesetz verstößt.

(2) Jeder hat das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit. Die Freiheit der Person ist unverletzlich. In diese Rechte darf nur auf Grund eines Gesetzes eingegriffen werden.

Der Schuldner ist verpflichtet, die Leistung so zu bewirken, wie Treu und Glauben mit Rücksicht auf die Verkehrssitte es erfordern.

(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.

(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.

(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.

(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.

Bei den Verwaltungsgerichten können auch folgende Richter verwendet werden:

1.
Richter auf Probe,
2.
Richter kraft Auftrags und
3.
Richter auf Zeit.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.

(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.

(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,

1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,
2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,
3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

(1) Gegen den Beschluss, durch den der Wert für die Gerichtsgebühren festgesetzt worden ist (§ 63 Absatz 2), findet die Beschwerde statt, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200 Euro übersteigt. Die Beschwerde findet auch statt, wenn sie das Gericht, das die angefochtene Entscheidung erlassen hat, wegen der grundsätzlichen Bedeutung der zur Entscheidung stehenden Frage in dem Beschluss zulässt. Die Beschwerde ist nur zulässig, wenn sie innerhalb der in § 63 Absatz 3 Satz 2 bestimmten Frist eingelegt wird; ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann sie noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden. Im Fall der formlosen Mitteilung gilt der Beschluss mit dem dritten Tage nach Aufgabe zur Post als bekannt gemacht. § 66 Absatz 3, 4, 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden. Die weitere Beschwerde ist innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung des Beschwerdegerichts einzulegen.

(2) War der Beschwerdeführer ohne sein Verschulden verhindert, die Frist einzuhalten, ist ihm auf Antrag von dem Gericht, das über die Beschwerde zu entscheiden hat, Wiedereinsetzung in den vorigen Stand zu gewähren, wenn er die Beschwerde binnen zwei Wochen nach der Beseitigung des Hindernisses einlegt und die Tatsachen, welche die Wiedereinsetzung begründen, glaubhaft macht. Ein Fehlen des Verschuldens wird vermutet, wenn eine Rechtsbehelfsbelehrung unterblieben oder fehlerhaft ist. Nach Ablauf eines Jahres, von dem Ende der versäumten Frist an gerechnet, kann die Wiedereinsetzung nicht mehr beantragt werden. Gegen die Ablehnung der Wiedereinsetzung findet die Beschwerde statt. Sie ist nur zulässig, wenn sie innerhalb von zwei Wochen eingelegt wird. Die Frist beginnt mit der Zustellung der Entscheidung. § 66 Absatz 3 Satz 1 bis 3, Absatz 5 Satz 1, 2 und 5 sowie Absatz 6 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Die Verfahren sind gebührenfrei. Kosten werden nicht erstattet.