Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 10. Okt. 2016 - 2 K 6400/15

bei uns veröffentlicht am10.10.2016

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der festzusetzenden Kosten abwenden, falls nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des zu vollstreckenden Betrages leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen das endgültige Nichtbestehen seines Masterstudiengangs und begehrt die Neubewertung seiner Masterarbeit, hilfsweise einen weiteren Prüfungsversuch.

2

Der im Jahr … geborene Kläger immatrikulierte sich zum Oktober 2010 bei der Beklagten für den Masterstudiengang Betriebswirtschaft (Business Administration). Nachdem er im ersten Versuch bei der Absolvierung der Masterarbeit gescheitert war, wurde er im Oktober 2013 zum zweiten Versuch der Masterarbeit zugelassen, die bis zum 11. April 2014 (bei postalischem Versand abgestellt auf das Datum des Poststempels) abzugeben war. Am 14. April 2014 ging seine Masterarbeit mit dem Titel „Konsequenzen der AIFM-Richtlinie für Immobilienfonds“ zusammen mit folgender Erklärung bei der Beklagten ein:

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„Ich versichere, dass ich die vorstehende Arbeit selbstständig und ohne fremde Hilfe angefertigt und mich anderer als der im beigefügten Verzeichnis angegebenen Hilfsmittel nicht bedient habe. Alle Stellen, die wörtlich oder sinngemäß aus Veröffentlichungen übernommen wurden, sind als solche kenntlich gemacht. Alle Internetquellen sind der Arbeit beigefügt. Des Weiteren versichere ich, dass ich die Arbeit vorher nicht in einem anderen Prüfungsverfahren eingereicht habe und dass die eingereichte schriftliche Fassung der auf dem elektronischen Speichermedium entspricht.“

4

Einen Tag nach dem Eingang der Masterarbeit bei der Beklagten, am 15. April 2014, schrieb der Kläger seinem Betreuer Herrn A. eine E-Mail und wies darauf hin, dass er versehentlich die vorletzte Version der Masterarbeit abgegeben habe, die noch formelle Mängel gehabt habe. Auf die Bitte des Betreuers hin übersandte er ihm als Anhang zu einer E-Mail vom 15. April 2014 eine weitere elektronische Fassung der Masterarbeit. Sie befindet sich in ausgedruckter Form bei den Sachakten.

5

Die Masterarbeit wurde von zwei Gutachtern bewertet. Der Erstgutachter Professor Dr. B. bewertete die Arbeit am 12. Mai 2014 mit der Note 5,0 (mangelhaft) und führte aus, die vom Kläger vorgelegte Arbeit sei insgesamt als Plagiat zu bewerten. Der Kläger verwende teilweise wörtlich, teilweise nahezu wörtlich Passagen aus Quellen, die weder bei den entsprechenden Zitaten im Haupttext noch im Literaturverzeichnis der Arbeit genannt würden. Die betreffenden Abschnitte würden nicht mit Quellenangaben belegt und nicht als Zitate kenntlich gemacht. Es werde der Eindruck erweckt, dass die relevanten Passagen eigenständig verfasst worden seien. Das treffe insbesondere auf die vier im Anhang zu seinem Gutachten benannten Quellen Wikipedia (2014), BaFin (2014), Ambrosius und Fischer (2011) sowie Ernst & Young (2011) zu. Lediglich die Quelle Ernst & Young (2011) werde in einer Bildunterschrift (Seite 27) unvollständig erwähnt. Die Funde beträfen Passagen in einem Gesamtumfang von mindestens 4-5 Seiten. Da die Arbeit insgesamt nur ca. 37 Seiten umfasse, sei der Anteil der betreffenden Passagen ausgesprochen hoch. Der erzielte Scorewert in der Plagiatssoftware „Turnitin“ liege mit 20 % deutlich über den sonst üblichen Werten. Der Zweitgutachter Professor Dr. C. kam in seiner Stellungnahme vom 8. Juni 2014 zu demselben Ergebnis. Er führte aus, dass die von dem Kläger eingereichte Arbeit den Anforderungen an eine nach wissenschaftlichen Maßstäben selbstständig verfasste Masterarbeit nicht gerecht werde. Wesentliche Teile würden direkt oder leicht abgewandelt von anderen Autoren ohne ausreichende Kennzeichnung übernommen. Sowohl die ungewöhnliche Häufung nicht sachgerecht zitierter Passagen, als auch die Art der Übernahme (in Teilen leicht abgewandelt), könnten darüber hinaus als Indizien für eine Täuschungsabsicht angesehen werden.

6

Der Kläger wurde am 20. Juni 2014 über die Benotung der Masterarbeit informiert, woraufhin er am 13. Juli 2014 Stellung nahm. Er führte aus, die Bewertung sei ein großer Schock für ihn gewesen. Er sei lediglich davon ausgegangen, dass die Arbeit bei der Abgabe noch formale Mängel gehabt habe. Es sei jedoch nicht seine Absicht gewesen, wissenschaftliche Thesen, Gedanken und Ideen anderer als die seinen auszugeben. Darüber hinaus führte der Kläger zu seiner Lebenssituation aus, dass er verheiratet und Vater von drei kleinen Kindern sei. Er habe aus finanziellen Gründen neben dem Studium stets gearbeitet; seine Frau sei freiberuflich tätig. Die Organisation des Alltags sei in diese Situation schwierig und belastend. Vor etwa zwei Jahren, fast zeitgleich mit der Geburt des dritten Kindes, sei sein Schwiegervater gestorben, so dass seine Frau und er sich um Beerdigungs- und Testamentsangelegenheiten im Ausland hätten kümmern müssen. Ende 2013 sei sein Arbeitsvertrag ausgelaufen, was zu finanziellen Problemen geführt habe. Ihm sei dann eine freiberufliche Mitarbeit an einem großen Projekt angeboten worden, was den zeitlichen Druck jedoch erneut verschärft habe. Die Mehrfachbelastung habe zu Schlafstörungen, schmerzhaften Verspannungen und Wirbelblockaden geführt. Versehentlich habe er deshalb nicht die letzte Version ausgedruckt, sondern die vorletzte Version, die noch viele formale Mängel enthalten habe. Er habe sich bei der abgegebenen Fassung zwar tatsächlich an der Broschüre von Ernst & Young „Investmentfonds in Deutschland“ von 2011 orientiert und sie gewissermaßen als Vorlage herangezogen. In der finalen Version der Arbeit habe er die Stellen, die eine analytische Eigenleistung der Autoren von Ernst & Young darstellten, entsprechend gekennzeichnet. Allerdings fasse die genannte Broschüre zum überwiegenden Teil die AIFM-Richtlinie zusammen und gebe an vielen Stellen wortwörtlich den Richtlinien Text wieder. Insofern könne ihm kein Plagiat angelastet werden. Die Textpassage, die offensichtlich so auch bei Wikipedia auftauche (Seite 19), habe er nicht von Wikipedia übernommen. Vielmehr habe er exakt diesen Text auf einer Vielzahl von Webseiten gefunden.

7

Die Beklagte führte ein Überdenkungsverfahren durch. Der Erstgutachter führte in einer E-Mail aus, er halte an seiner Benotung und an der Feststellung eines Plagiats fest. Die am 15. April 2014 eingereichte elektronische Version der Arbeit weiche in den kritischen Plagiatsstellen nicht von der fristgerecht eingereichten Vorversion ab; es seien auch hier keine Quellenangaben vorhanden. Auch der Zweitgutachter erklärte am 17. Juli 2014, seine Bewertung nicht ändern zu wollen.

8

Der Prüfungsausschuss stufte die Arbeit ebenfalls als Täuschungsversuch ein. Mit Bescheid vom 29. Juli 2014, unterschrieben von der Vorsitzenden des Prüfungsausschusses, zugestellt am 11. August 2014, bestätigte die Beklagte die Bewertung der eingereichten Masterarbeit im zweiten Versuch mit 5,0 aufgrund eines Täuschungsversuchs. Zugleich stellte sie fest, dass der Kläger gemäß § 18 Abs. 1 der Prüfungsordnung der Fakultät Wirtschafts- und Sozialwissenschaften für Studiengänge mit dem Abschluss Master of Science (M.sc.) vom 4. Februar 2009 (PO) seine Masterprüfung endgültig nicht bestanden habe.

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Der Kläger legte am 2. September 2014 Widerspruch ein und begehrte die Neubewertung der Masterarbeit sowie hilfsweise, ihm die Möglichkeit der Einreichung einer Masterthesis zu einem anderen Thema einzuräumen. Er führte aus, teilweise handele es sich bei den bemängelten Passagen um wissenschaftliches Allgemeingut, zum großen Teil jedoch gebe er zudem den Wortlaut der von ihm überprüften Richtlinie wieder. Jedenfalls liege keine Täuschungsabsicht vor, da er noch am Tag der Abgabe seinen Betreuer per E-Mail darüber informiert habe, dass die Arbeit aufgrund eines Organisationsfehlers nicht in der richtigen Version abgegeben worden sei. In der finalen Version habe er die übernommenen Textpassagen von Ernst & Young entsprechend gekennzeichnet. Jedenfalls habe die Beklagte ihr Ermessen fehlerhaft ausgeübt, da es abgestufte Möglichkeiten der Sanktionierung von Täuschungshandlungen gebe. Die Bewertung der Masterthesis mit ungenügend (5,0) sei die härtest mögliche Sanktion und erscheine unverhältnismäßig im Hinblick auf den Aufwand des Klägers Prüfungsleistungen im Rahmen des Masterstudiengangs zu erbringen. Es werde angeregt, die Anwendung des § 14 Abs. 11 der Prüfungsordnung in Betracht zu ziehen, bei der es sich um eine Härtefallklausel handele. Der Kläger habe sich bei der Abgabe seiner Masterarbeit in einer familiären Ausnahmesituation befunden.

10

Mit Widerspruchsbescheid vom 20. Oktober 2015 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 29. Juli 2014 als unbegründet zurück. Zu Recht habe der Prüfungsausschuss einen Täuschungsversuch in Form eines Plagiats angenommen. Die wörtliche Wiedergabe von Gesetzestext sei nicht beanstandet worden, eine solche Wiedergabe müsse jedoch ebenso gekennzeichnet werden wie andere Übernahmen von fremden Texten, indem etwa die entsprechende Norm angegeben werde. Der Kläger habe vielmehr Textpassagen aus fremden Artikeln wörtlich wiedergegeben bzw. nur leicht abgewandelt, insbesondere aus der Broschüre von Ernst & Young „Investmentfonds in Deutschland“ (Stand 2011), Ambrosius und Fischer “Neuordnung des europäischen Binnenmarktes für Investmentfonds…“, sowie Artikel der Internetseiten www.Wikipedia.de und www.bafin.de. Unerheblich sei, ob der Kläger exakt die von der Beklagten bezeichnete Quelle zitiert habe, oder eine andere, auf der sich der übernommene Text finde. In jedem Fall fehle es an dem erforderlichen Zitat. Der Kläger habe auch mit Täuschungsvorsatz gehandelt, da er die maßgeblichen Umstände gekannt habe, welche die Täuschung ausmachten. Ausreichend sei bedingter Täuschungsvorsatz. Die beanstandeten Stellen in der Masterarbeit sprächen aufgrund ihres Umfanges und ihrer Bedeutung für die Arbeit schon dem ersten Anschein nach für einen Vorsatz. § 17 Abs. 1 PO eröffne keinen Ermessensspielraum bei der Entscheidung des Bestehens oder Nichtbestehens der Prüfung bei einer Täuschung. Dies schließe nicht aus, dass es unter Beachtung des verfassungsrechtlichen Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes zu weiteren Differenzierungen kommen könne, die hinter diesem schweren Eingriff des Nichtbestehens zurück blieben. Im vorliegenden Fall sei jedoch von einem schweren Verstoß des Klägers auszugehen, der eine Bewertung der Masterarbeit mit 5,0 rechtfertige. Für die Feststellung der Schwere des Verstoßes könne nicht die „finale Version“ der Masterarbeit herangezogen werden. Bewertungsgegenstand könne und dürfe nur die fristgerecht eingereichte Masterarbeit sein (§ 14 Abs. 8 Satz 1 PO). Unberücksichtigt blieben ebenso der Gesamteindruck des Klägers aus dem Studium und seine persönlichen Umstände zur Zeit der Anfertigung der Masterarbeit. Solche Umstände könnten auf die Bewertung einer Prüfung keinen Einfluss haben, weil sonst der Grundsatz der Chancengleichheit verletzt würde. Jeder Prüfling sei anhand seiner konkreten Leistung zu bewerten, unabhängig von seinen subjektiven Voraussetzungen oder Umständen. Es habe dem Kläger auch offen gestanden, eine Verlängerung der Bearbeitungszeit für die Masterarbeit nach § 14 Absatz 7 PO zu beantragen. Auf diese Weise hätten die persönlichen Umstände des Klägers gegebenenfalls angemessen berücksichtigt werden können. Von dieser Möglichkeit habe der Kläger jedoch keinen Gebrauch gemacht. Auch das endgültige Nichtbestehen des Masterstudiengangs sei zu Recht festgestellt worden, da der Kläger im zweiten Versuch seiner Masterarbeit nicht bestanden habe. Grundsätzlich seien keine weiteren Versuche möglich (§ 14 Abs. 11 PO). Eine zweite Wiederholung der Masterarbeit nach § 14 Abs. 11 Satz 3 PO werde dem Kläger nicht gewährt. Es liege kein besonderer Ausnahmefall vor, der nicht durch einen Härtefallantrag gemäß § 11 PO oder eine Fristverlängerung gemäß § 13 Absatz 7 PO hätten ausgeglichen werden können. Im Übrigen komme ein zweiter Wiederholungsversuch wegen des schweren Verstoßes des Klägers gegen die Grundsätze des wissenschaftlichen Arbeitens nicht infrage.

11

Gegen den am 22. Oktober 2015 zugestellten Widerspruchsbescheid hat der Kläger am Montag, dem 23. November 2015, Klage erhoben. Er wiederholt und vertieft sein den Vortrag aus dem Widerspruchsverfahren und bezieht sich zur Definition des Plagiats auf die Ausführungen im Duden. Nach dessen Definition läge weder ein Textplagiat, noch ein paraphrasierendes Plagiat, ein Zitatsplagiat oder ein Imitationsplagiat vor. Er habe lediglich Richtlinientext, nicht dagegen fremdes Gedankengut übernommen. Jedenfalls sei der Prozentsatz der dem Kläger vorgeworfenen Plagiate erheblich geringer als 20 %. Der Kläger betont erneut, dass aus seiner E-Mail am Tag nach der Abgabe der Arbeit hervorgehe, dass er nicht die finale Version eingereicht und dies auch nicht mit dem E-Mail-Anhang vom 15. April 2014 nachgeholt habe. Die am 15. April 2014 übersandte Fassung sei identisch mit der ausgedruckten, fristgerecht eingereichten Fassung seiner Arbeit. Bei der finalen Version habe er zwar nicht die vom BaFin und von Ambrosius und Fischer übernommenen Textstellen, wohl aber diejenigen von Ernst & Young als solche im Text gekennzeichnet. Beim Ausdrucken sei er zeitlich sehr gestresst gewesen und habe die Arbeit nicht noch einmal durchgelesen. Da ihm nicht aufgefallen sei, dass er eine Arbeit ohne ausreichende Zitate abgegeben habe, habe ihm der Täuschungsvorsatz gefehlt.

12

Der Kläger beantragt,

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1. die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 29. Juli 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 2015 zu verpflichten, über die Bewertung der Masterarbeit mit dem Titel „Konsequenzen der AIFM-Richtlinie für Immobilienfonds“ nach Neubewertung der Arbeit unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden;

14

2. hilfsweise, - unter Aufhebung ihres Bescheides vom 29. Juli 2014 sowie des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 2015 – den Kläger zur erneuten Ablegung der Masterarbeit zu laden,

15

3. sowie die Hinzuziehung des Verfahrensbevollmächtigten im Widerspruchsverfahren für notwendig zu erklären.

16

Die Beklagte beantragt,

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die Klage abzuweisen.

18

Die Beklagte räumt ein, dass es auch innerhalb der Universität unterschiedliche Anforderungen an das Abfassen eines Zitats gebe. Allerdings bestehe ein Unterschied zwischen einem fehlerhaften Zitat, welches das Auffinden der Quelle erschwere, und einem fehlenden Zitat, welches die Urheberschaft erst einmal verschleiert. Das Weglassen der Quellenangabe sei nicht mit einem fehlerhaften Zitat gleichzusetzen, da Letzteres zumindest eine gewisse Kennzeichnung des Textes voraussetze. Es sei nicht nachzuvollziehen, dass der Kläger die nunmehr geltend gemachten Härtegründe nicht bereits während der Bearbeitungszeit mitgeteilt hat, um gegebenenfalls eine Fristverlängerung nach § 14 Abs. 7 PO zu erreichen.

19

Hinsichtlich des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt des Sitzungsprotokolls und der Sachakte der Beklagten verwiesen, die zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht worden ist.

20

Nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung hat der Kläger dem Gericht eine ausgedruckte Fassung seiner Masterarbeit übersandt, die er als „finale Version“ bezeichnet hat. Diese Version unterscheidet sich von der fristgerecht eingereichten Druckfassung u.a. dadurch, dass die Quellen Ambrosius und Fischer (Neuordnung des europäischen Binnenmarktes für Investmentfonds, 2011) sowie die Broschüre von Ernst und Young (Auswirkungen der AIFM-Richtlinie auf Investmentfonds, Investmentfonds in Deutschland, 2011) im Literaturverzeichnis aufgeführt sind und dass diese Quellen auch im Text genannt werden.

Entscheidungsgründe

I.

21

Über die Klage durfte im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 87a Abs. 2 VwGO die Vorsitzende anstelle der Kammer entscheiden.

22

Eine Entscheidung konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 10. November 2016 getroffen werden, denn die mündliche Verhandlung war nicht nach § 104 Abs. 3 Satz 2 VwGO im Hinblick auf den nachgereichten Schriftsatz des Klägers mit der beigefügten, als „finale Fassung“ bezeichneten Version seiner Masterarbeit wiederzueröffnen. Diese nachgereichte Version der Masterarbeit stellt kein in tatsächlicher oder rechtlicher Hinsicht wesentlich neues Vorbringen dar, das eine Erörterung nach § 104 Abs. 1 VwGO und die Gewährung rechtlichen Gehörs erforderlich macht. Denn der nachgereichte Schriftsatz nebst Anlage ist für die Entscheidungsfindung des Gerichts nicht beachtlich (dazu mehr unter II. 1. c.).

II.

23

Die zulässige Klage hat in der Sache keinen Erfolg.

24

Der Bescheid vom 29. Juli 2014 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 20. Oktober 2015, mit dem die Beklagte wegen der Nichtbestehens der Masterprüfung das endgültige Nichtbestehen des Masterstudiengangs festgestellt und einen weiteren Prüfungsversuch abgelehnt hat, ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Kläger kann weder beanspruchen, dass die angegriffenen Bescheide aufgehoben werden und seine Masterarbeit neu bewertet wird (1.) noch dass ihm ein zweiter Wiederholungsversuch eingeräumt wird (2.), § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO.

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1. Rechtsgrundlage für die Feststellung des endgültigen Nichtbestehens des Masterstudiengangs ist § 18 Abs. 1c PO. Danach ist die Masterprüfung endgültig nicht bestanden, wenn die Masterarbeit auch in ihrer letzten Wiederholung mit „nicht ausreichend“ (5,0) bewertet wurde oder als mit „nicht ausreichend“ (5,0) bewertet gilt. Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Denn die Masterarbeit des Klägers wurde im Zweiten Prüfungsversuch, der gemäß § 14 Abs. 11 Satz 1 PO regelmäßig der letzte Prüfungsversuch ist, zu Recht mit „nicht ausreichend“ (5,0) bewertet. Eine zweite Wiederholung der Masterarbeit kann der Kläger nicht beanspruchen (siehe hierzu unter 2.).

26

Die Bewertung des zweiten Prüfungsversuchs mit „nicht ausreichend“ (5,0) erfolgte in nicht zu beanstandender Weise gemäß § 17 Abs. 1 Satz 1 PO. Danach wird die Prüfungsleistung mit „nicht ausreichend“ (5,0) bewertet, wenn der Studierende versucht, das Ergebnis einer Prüfungsleistung durch Täuschung oder Benutzung nicht zugelassener Hilfsmittel zu beeinflussen. Im vorliegenden Fall hat die Beklagte zu Recht einen Täuschungsversuch im Sinne dieser Vorschrift angenommen. Bei der Erstellung einer wissenschaftlichen Arbeit begeht der Studierende den vorausgesetzten Täuschungsversuch namentlich dann, wenn er bei den Gutachtern einen Irrtum über das Vorliegen der wesentlichen Verleihungsvoraussetzungen, d.h. insbesondere über die Eigenständigkeit seiner erbrachten wissenschaftlichen Leistung hervorzurufen versucht, indem er in erheblichem Umfang fremde Textpassagen ohne Quellenangabe aus dem Werk eines anderen Autors wörtlich oder sinngemäß übernimmt, obwohl ihm deren Herkunft vom Fremdautor bewusst ist (OVG Münster, Urt. v. 10.2.2016, 19 A 991/12, juris Rn. 59; VG Hamburg, Urt. v. 24.6.2016, 2 K 2209/13, S. 34 UA zur Täuschung im Promotionsverfahren).

27

Im Einzelnen setzt eine versuchte vorsätzliche Täuschung bei der Abgabe wissenschaftlicher Arbeiten im Rahmen eines Prüfungsverfahrens eine Täuschungshandlung, deren Erheblichkeit, und den Vorsatz des Prüflings auch bezüglich der bezweckten Irrtumserregung voraus. Insbesondere der Umstand, dass nach § 14 Abs. 8 Satz 5 PO die Abgabe einer Versicherung über die eigenständige Anfertigung der Masterarbeit und die abschließende Verwendung der genannten Quellen vom Kläger gefordert wurde, verdeutlicht, dass das Gebot wissenschaftlicher Redlichkeit zu beachten war. Erweist sich diese Versicherung als unwahr, verstößt - von Bagatellfällen abgesehen - die wörtliche oder sinngemäße Übernahme von Textpassagen aus fremden Werken ohne (ausreichendes) Zitat gegen grundlegende Maßstäbe wissenschaftlichen Arbeitens (zu Anforderungen in der universitären Hausarbeit: VG Hamburg, Urt. v. 16.6.2015, 2 K 3712/14; zur Bachelorarbeit vgl. VG Düsseldorf, Urt. v. 31.5.2016, 2 K 2280/15, juris 1. Leitsatz; zur Dissertation vgl. VGH München, Urt. v. 4.4.2006, 7 BV 05.388, BayVBl. 2007, 281, juris Rn. 13; VG Hamburg, Urt. v. 24.6.2016, a.a.O., S. 36 UA), stellt einen Täuschungsversuch dar und schließt damit die Annahme der Arbeit als wissenschaftliche Arbeit im Rahmen eines universitären Prüfungsverfahrens - z.B. in Gestalt einer Masterarbeit - im Regelfall aus. Zu den Anforderungen an die Zitierpflicht aufgrund des Gebots der wissenschaftlichen Redlichkeit hat die Kammer im Urteil vom 24. Juni 2016 (a.a.O., S. 36 UA) ausgeführt:

28

„Das Gebot der wissenschaftlichen Redlichkeit erfordert es, die Übernahme einer Fremdleistung nachprüfbar zu machen, indem sämtliche wörtlich oder sinngemäß übernommenen Gedanken aus Quellen und Literatur als solche kenntlich gemacht werden (so der Sache nach auch VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, a.a.O., Rn. 69, jedoch unter der urheberrechtlich falschen Einordnung der Fremdleistung als „geistiges Eigentum“, dazu Apel, ZUM 2014, 621 <623> m.w.N.). Geboten ist, dass „der Leser an jeder Stelle weiß, wer zu ihm spricht“ (VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, a.a.O., Rn. 108, zust. Apel, a.a.O.). Dagegen wird auch dann verstoßen, wenn der Doktorand Entlehnungen aus der Sekundärliteratur zwecks Darstellung der Erkenntnisse zu der Primärliteratur in der Dissertation nicht hinreichend kenntlich macht (VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, a.a.O., Rn. 122). Fehlt es an einer solchen Kenntlichmachung der Übernahme der Rezeptionsleistung und bezieht sich der Doktorand auf eine Primärquelle, deren Inhalt und/oder Deutung er letztlich aus einer nicht nachgewiesenen Sekundärquelle abschreibt, so täuscht er (VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, a.a.O., Rn. 124).“

29

Die Täuschungshandlung des Klägers liegt in der Einreichung einer Masterarbeit, in der in erheblichem Umfang erforderliche Zitate fehlen, und der Abgabe einer von § 14 Abs. 8 Satz 5 PO geforderten Versicherung vom 14. April 2014, die Arbeit selbst ständig verfasst und keine anderen als die angegebenen Hilfsmittel – insbesondere keine im Quellenverzeichnis nicht benannten Internetquellen – benutzt zu haben. Denn die vorgelegte Masterarbeit genügt den Grundanforderungen wissenschaftlicher Redlichkeit ausweislich der im Einzelnen festzustellenden Zitierfehler (a.) nicht. Das Ausmaß und die Bedeutung der fehlenden Zitate waren erheblich (b.) und dienten dazu, einen Irrtum hervorzurufen, um die Verleihung des Mastertitels zu erreichen. Der Kläger hat hinsichtlich aller objektiven Tatbestandsmerkmale vorsätzlich gehandelt (c.). Ein strafbefreiender Rücktritt vom Täuschungsversuch kann zu seinen Gunsten nicht angenommen werden (d.). Sowohl die Rechtsfolge der Bewertung der Masterarbeit mit 5,0 als auch des endgültigen Nichtbestehens des Masterstudiengangs sind verhältnismäßig (e.).

30

a. Die von der Beklagten festgestellten Verstöße gegen das Gebot wissenschaftlicher Redlichkeit aufgrund fehlenden Zitate liegen bis auf drei Ausnahmen vor.

31

Hinsichtlich der monierten Textstelle auf Seite 19 (1. Absatz, 5 Zeilen; „wurden deshalb mit … verschoben“) mag die Angabe des Klägers zutreffen, dass er das Zitat nicht von der Internetseite www.wikipedia.de übernommen hat. Die Textstelle findet sich im Internet in einer Vielzahl von Quellen (u.a. bei Thomas Werner: „Ökologische Investmentchancen und Risiken grüner Geldanlagen“, 2009, S. 90, 3. Absatz) und wurde – wie der Kläger selbst einräumt – nicht von ihm verfasst. Wegen der Originalität der Formulierung kann sie nicht als „wissenschaftliches Allgemeingut“ angesehen werden. Es hätte der Angabe einer der Quellen bedurft, von der das Zitat stammt.

32

Über 14 Zeilen erstreckt sich das Zitat von S. 19 im 3. Absatz bis zum ersten Absatz auf Seite 20, in dem ein REIT (Real Estate Investment Trust) anhand des REIT-Gesetzes definiert wird, und das – wie der Kläger einräumt – von der Internetseite www.bafin.de/shareddocs/Aufsichtsrecht/DE/Gesetz/REITG.html, Abruf vom 5.6.2014) stammt. Der Kläger hat vorliegend nicht den Normtext, sondern die Sekundärliteratur, die den Normtext zum Inhalt hat, wörtlich zitiert. Auch die wörtliche Übernahme eines Fremdtexts (mit minimaler eigener Ergänzung: „Streubesitz“), der einen Norminhalt beschreibt, bedarf der Angabe der Quelle sowie der Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme. Denn die Leistung der Zusammenfassung und Erläuterung einer (komplizierten, umfangreichen) Norm hat nicht der Verfasser der streitgegenständlichen Prüfungsleistung erbracht, sondern der Verfasser der Sekundärquelle. Insofern gilt nichts anderes als bei sonstigen Leistungen der Primär- bzw. Sekundärliteratur. Da der Kläger noch nicht einmal die Quelle benannt und erst recht nicht das wörtliche Zitat gekennzeichnet hat, liegt ein Verstoß gegen das Gebot wissenschaftlicher Redlichkeit vor.

33

Dagegen stellt der auf Seite 26 im zweiten Absatz zu findende Satz „Mit der AIFM-Richtlinie verfolgt die Europäische Union zwei übergeordnete Ziele“ kein kritikwürdiges Plagiat dar. Denn diese Ziele ergeben sich aus dem Vorwort der AIFM-Richtlinie und der Satz erscheint nicht derart originell, dass er als wörtliches Zitat einer Sekundärquelle (Ambrosius und Fischer) kenntlich gemacht werden muss.

34

Zu Recht hat die Beklagte dagegen auf Seite 26 im 5. Absatz das sich über 10 Zeilen erstreckende wörtliche Zitat von Ambrosius und Fischer moniert. Die Quelle, aus der wörtlich zitiert wurde, wurde weder im Zusammenhang mit der übernommenen Textstelle noch im Quellenverzeichnis genannt.

35

Ebenso verhält es sich mit den kritisierten wörtlichen Zitaten aus der Broschüre von Ernst & Young „Investmentfonds in Deutschland“ auf den Seiten 28 und 29 der Masterarbeit. Fast der gesamte Text auf diesen Seiten (mit einzelnen individuellen Einschüben des Klägers) stellt eine nicht gekennzeichnete, wörtliche Übernahme von Fremdtext dar; ebenso etwa 28 Zeilen auf den Seiten 30 und 31. Insoweit hat der Kläger eingeräumt, sich gegen Ende der Bearbeitungszeit an der Broschüre von Ernst & Young „orientiert“ zu haben, da er die Wiedergabe des Richtlinientexts in der Broschüre von Ernst & Young für kürzer und prägnanter hielt als seine eigenen zunächst getätigten Ausführungen. Die Erforderlichkeit eines Zitats (im Text und im Literaturverzeichnis) ergibt sich insbesondere aus der wörtlichen und nur teilweise leicht veränderten bzw. durch Einschübe ergänzten Übernahme des Fremdtexts. Soweit der Kläger geltend macht, er habe lediglich Inhalte der AIFM-Richtlinie wiedergegeben, entbindet ihn dies – wie bereits dargestellt – nicht von der Zitierpflicht. Denn er hat gerade keine eigene Zusammenfassung und Erläuterung des Normtexts vorgenommen. Vielmehr ist die wörtliche Übernahme der Ausführungen von Ernst & Young augenfällig; insbesondere kopiert der Kläger die von Ernst & Young vorgenommene, in der Reihenfolge veränderte Darstellung der Ausnahmetatbestände des Art. 2 Abs. 3 der AIFM-Richtlinie, anstatt sich unmittelbar am Normtext zu orientieren. Soweit der Kläger darauf verweist, er habe die Verwendung der Broschüre von Ernst & Young dadurch kenntlich gemacht, dass er unter 3.1 bei der auf S. 27 abgebildeten Grafik „Quelle: Ernst & Young“ hinzugefügt habe, entkräftet dieser Umstand in keiner Weise den Täuschungsversuch hinsichtlich der im Text weiter hinten folgenden umfangreichen wörtlichen Übernahmen von Fremdtext. Die berechtigte Erwartung des Lesers, der Urheber werde genannt, wird nur erfüllt, wenn die Autorennennung im Text an einem Ort vorhanden ist, die dem Leser nach dem Sinnzusammenhang eine Zuordnung zu der Textstelle ermöglicht und nicht zu weit vorne oder zu weit hinten im Text erscheint (VG Hamburg, Urt. v. 24.6.2016, a.a.O., S. 36/37 UA). Der Leser hatte vorliegend keinerlei Veranlassung anzunehmen, dass wesentliche Teile des unter dem Abschnitt 3.2 folgenden Textes auf den Seiten 28 – 34 auch dieser nicht näher spezifizierten Quelle von Seite 27 entstammen, die zudem allein im Zusammenhang mit einer Grafik erwähnt wird.

36

Ebenso hat die Beklagte zu Recht die wörtliche Textübernahme von Ernst & Young im letzten Absatz auf Seite 33 moniert („Die AIFM-Richtlinie … auf Dritte fest“, 3 Zeilen). Dasselbe gilt für eine sich über 5 Zeilen erstreckende weitere wörtliche Übernahme auf Seite 34 im 2. Absatz („sowohl Reportingpflichten … Mindestinhalt vorzulegen“).

37

Nicht als wörtliche Übernahme ist dagegen der im Erstgutachten herausgestellte Satz im zweiten Absatz auf Seite 34 einzustufen: „Ferner hat der AIFM den Anlegern bevor sie ein Investment in den AIF tätigen weitere umfangreiche Informationen zur Verfügung zu stellen“. Der zum Vergleich herangezogene Text von Ernst & Young lautet: „Ferner hat der AIFM den Anlagern des AIF u.a. Informationen zur Anlagestrategie, zu den zugelassenen Vermögensgegenständen, zu den Eigenmitteln, zu Kosten etc. zur Verfügung zu stellen“, unterscheidet sich somit wesentlich von der Formulierung es Klägers und enthält keine Fehler bei der Kommasetzung. Es handelt sich auch nicht um eine inhaltliche Übernahme des Texts von Ernst & Young. Denn auch der Kläger fasst den Norminhalt zusammen, allerdings gestraffter.

38

Soweit der Erstgutachter im letzten Absatz auf Seite 34 die Formulierung rügt „Des Weiteren enthält die Richtlinie Bestimmungen über Informationspflichten gegenüber den Aufsichtsbehörden“, die sich – bis auf die Einleitung „Des Weiteren“ statt „Außerdem“ nicht von der Formulierung bei Ernst & Young unterscheidet, kann ebenfalls kein fehlendes Zitat bemängelt werden. Denn die Formulierung erscheint nicht derart originell, dass sie eines Zitats bedurft hätte.

39

b. Der Umfang der weder im Text noch im Quellenverzeichnis gekennzeichneten wörtlichen Übernahmen von Fremdtext ist trotz der durch das Gericht unbeanstandet gebliebenen (kurzen) Passagen erheblich und überschreitet die Bagatellgrenze unabhängig von einem Scorewert deutlich. Die Beklagte führt zu Recht aus, dass die vom Kläger eingereichte Masterarbeit nicht umfangreich ist, dass hingegen die Übernahmen von Fremdtexten sich über weite Passagen, teilweise über ganze Seiten erstrecken. Hinzu kommt, dass sich der Kläger in seiner Arbeit in einem großen Abschnitt, d.h. auf 30 Seiten, mit der Darstellung verschiedener Immobilienfonds und der AIFM-Richtlinie befasst. Der deskriptive, zusammenfassende Teil der Masterarbeit, der in erheblichem Umfang wörtliche Übernahmen enthält, bekommt durch diese Schwerpunktsetzung daher gegenüber der eigentlich geforderten Analyse (ab S. 35 unter 3.3, 6 Seiten und 2 Zeilen), welche die Konsequenzen die AIFM-Richtlinie für Immobilienfonds herausarbeitet, ein größeres Gewicht.

40

c. Der Kläger hat bei der Einreichung der mit den genannten Mängeln behafteten Masterarbeit auch vorsätzlich gehandelt. Nach der Rechtsprechung der Kammer (zur vergleichbaren Täuschungshandlung in einer Dissertation: Urt. v. 24.6.2016, a.a.O., S. 57 UA), liegt ein Täuschungsvorsatz unter folgenden Umständen vor:

41

„Vorsatz ist das Wissen und Wollen des Prüflings hinsichtlich der objektiven Umstände, d.h. der Täuschungshandlung im Promotionsverfahren durch Vorlage einer Fremdleistungen mangelhaft als solche ausweisenden Dissertation (dazu s.o. bb.), der Erheblichkeit der Täuschung (dazu s.o. cc.) und der Ursächlichkeit der Täuschung für die Verleihung des Doktorgrads (dazu s.o. dd.). Ausreichend für eine vorsätzliche Täuschung ist ein bedingter Vorsatz, bei dem die Verwirklichung der objektiven Umstände für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen wird (vgl. OVG Bautzen, Beschl. v. 28.6.1994, 2 S 130/94, SächsVBl 1994, 269, juris ). Die vorsätzliche Täuschung eines Prüflings liegt dann vor, wenn keine andere Erklärung zu finden ist, als die, dass der Prüfling insgeheim den ursprünglichen Text als Schreibvorlage benutzt hat (VGH Mannheim, Urt. v. 18.11.1980, IX 1302/78, ESVGH 31, 54 <55>).

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Auf S. 59 UA führt die Kammer weiter aus:

43

„Ein Täuschungsvorsatz lässt sich in Anlehnung an die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Münster anhand von vier alternativ zu erfüllenden Kriterien feststellen. Ist eines dieser Kriterien erfüllt, so kann darauf geschlossen werden, dass der Prüfling sich mit dem von ihm abgeschriebenen Text in einer Weise befasst hat, dass von einem bloß leichtfertigen Verstoß gegen das Redlichkeits- und Zitiergebot keine Rede sein kann (VG Münster, Urt. v. 20.2.2009, 10 K 1212/07, juris Rn. 27; vgl. OVG Münster, Beschl. v. 12.8.2010, 14 A 847/09, juris Rn. 23). Das erste Kriterium ist erfüllt, wenn der Prüfling eine Kollage aus Arbeiten fremder Autoren präsentiert. Das zweite Kriterium stellt auf marginale Manipulationen ausgehend vom ursprünglichen Text ab, denn (so VGH Mannheim, Beschl. v. 13.10.2008, 9 S 494/08, juris Rn. 9; vgl. auch VG Frankfurt, Urt. v. 23.5.2007, 12 E 2262/05, juris Rn. 15) die Vorgehensweise der Umstellungen und der Syntaxvariationen belegt eine gezielte Verschleierungsabsicht. Das dritte Kriterium zeigt ein Durchzitieren von Primärquellen ohne Nennung der Sekundärquelle, deren Rezeptionsleistung übernommen wurde, an. Das vierte Kriterium, das einen Täuschungsvorsatz indiziert, ist erfüllt, wenn der Prüfling die Quelle nicht an der in Rede stehenden Textstelle, sondern an anderer Stelle nennt, da dadurch für den Leser im Umkehrschluss der Eindruck bestärkt wird, der Prüfling habe an der erstgenannten Textstelle eine eigene Leistung erbracht.“

44

Im vorliegenden Fall hat der Kläger nach der Überzeugung des Gerichts zum Zeitpunkt der Abgabe mindestens unter billigender Inkaufnahme, eher jedoch wissentlich und willentlich die zahlreichen zuvor genannten wörtlichen Übernahmen vorgenommen, ohne den Urheber zu kennzeichnen. Spätestens durch die Abgabe der Erklärung zu Zitierpflichten war er darüber in Kenntnis gesetzt worden, dass er jede Quelle – auch solche aus dem Internet – zu kennzeichnen hatte. Zugleich wusste er, dass er Texte verschiedene Quellen in erheblichem Umfang wörtlich wiedergegeben hatte. Auch diverse Indizien für vorsätzliches Handeln sind gegeben. Er verwendet mit Ambrosius und Fischer sowie der Broschüre von Ernst & Young – wie dargelegt – zwei Quellen, die über weite Strecken als zentrale Textvorlage gedient haben, die aber nicht angegeben wurden. Die Arbeit des Klägers wirkt insbesondere im Abschnitt 3.2 wie eine Kollage, die zudem kleine Einschübe und Veränderungen enthält, mit denen eine Verschleierung beabsichtigt worden ist. Da der Kläger in anderen Teilen seiner Arbeit (z.B. in der Einleitung, in den Abschnitten 2. und 3.3) fremde Autoren benennt (wenn auch ohne korrekte Angabe der vollständigen Fundstelle), er dies aber ausgerechnet für die monierten weitreichenden wörtlichen Zitate nicht tut, sollte für den Leser der Eindruck hervorgerufen werden, die Ausführungen (insbesondere zur Definition des REIT und zur Darstellung des Inhalts der AIFM-Richtlinie) stammten aus seiner Feder.

45

Der Täuschungsvorsatz entfällt auch nicht ausnahmsweise im Hinblick auf den Vortrag des Klägers, er habe versehentlich die vorletzte, fehlerhafte Version abgegeben, die anders als die finale Version die geforderten Quellenangaben nicht enthalten habe. Zu Recht geht die Beklagte davon aus, dass allein die fristgerecht eingereichte Version der Masterarbeit zum Gegenstand der Prüfungsentscheidung gemacht wurde. Relevant kann dieser Vortrag allenfalls im Hinblick auf den festzustellenden Täuschungsvorsatz sein. Es kann jedoch dahinstehen, ob eine versehentlich eingereichte Vorversion den Täuschungsvorsatz entfallen lassen würde, wenn es eine nicht plagiatsbehaftete finale Version gegeben hätte, und das Vorgehen allein als grobe Fahrlässigkeit zu bewerten wäre. Denn die Anforderungen an den Nachweis eines solchen Sachverhaltes sind streng, da anderenfalls jede plagiatsbehaftete Prüfungsarbeit im Nachhinein durch den Prüfling als versehentlich eingereichte Vorversion bezeichnet werden würde.

46

Der Vortrag des Klägers zur versehentlich eingereichten Vorversion, für den er beweispflichtig ist, ist in keiner Weise glaubhaft. Weder der Eindruck des Klägers in der mündlichen Verhandlung noch der Akteninhalt stützen seine Behauptung, dass bereits am 11. April 2014 eine Fassung der Masterarbeit mit Hinweisen auf die Quellen Ambrosius und Fischer sowie Ernst & Young vorgelegen hat. Hierfür hat er keinen Nachweis erbracht. Der Umstand, dass er nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung im Oktober 2016 eine Fassung mit (ungenauen) Zitaten im Text und mit einem im Vergleich zur abgegebenen Fassung erweiterten Literaturverzeichnis vorgelegt hat, beweist nicht, dass diese Fassung bereits am 11. April 2014 vorgelegen hat. Der Kläger kann sie zu jedem beliebigen späteren Zeitpunkt – auch nach der Bewertung seiner plagiatsbehafteten Arbeit - erstellt haben. Somit ergeben sich aus der nunmehr eingereichten Version der Masterarbeit keine neuen Erkenntnisse zum Sachverhalt.

47

Zwar ist aktenkundig, dass der Kläger seinen Betreuer am 15. April 2014 darauf hingewiesen hat, dass er die vorletzte Version der Masterarbeit mit letzten formalen Mängeln abgegeben haben will. Bei den gerügten nicht gekennzeichneten Textübernahmen handelt es sich jedoch nicht bloß um „letzte formale Mängel“, sondern um gravierende Verstöße gegen das Gebot wissenschaftlicher Redlichkeit. Hätte er bereits am 15. April 2014 seinen Fehler, in erheblichem Umfang Passagen der Arbeit zwar wörtlich aus fremden Texten übernommen, aber nicht kenntlich gemacht zu haben, eingesehen und korrigieren wollen, hätte er mit größerem Nachdruck versucht, den Prüfern anstelle der eingereichten Version die angeblich wesentlich geänderte, finale Fassung vorlegen zu lassen. Stattdessen hat er aber den Betreuer lapidar auf „letzte formale Mängel“ der abgegebenen Fassung hingewiesen, die finale Fassung seiner Arbeit aber vor der Korrektur nicht eingereicht. Dies spricht eher dafür, dass es zwar im April 2014 eine nicht abgegebene „finale Version“ mit weniger formalen Mängeln gegeben haben mag, dass diese aber auch nicht die geforderten weiteren Quellenangaben enthielt. Der Kläger hat erst im Nachhinein, als ihm Plagiate vorgehalten wurden, behauptet, die „finale Version“ habe weitere Quellenangaben enthalten.

48

Seine Sachverhaltsdarstellung, er habe im April 2014 kurz vor dem Ablauf der Bearbeitungsfrist die Quellenhinweise ergänzt, würde auch eine sehr ungewöhnliche, lebensfremde Vorgehensweise und einen Sinneswandel voraussetzen. Denn wenn der Kläger die Quellen in redlicher Weise noch innerhalb der Bearbeitungsfrist angegeben haben will, obwohl die Angaben in der Vorversion nicht vorhanden waren, hätte dies einen erheblichen Zeitaufwand bedeutet. Er hätte die fremden Texte, nachdem er sie zunächst ohne Zitat und Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme einbezogen hat, anschließend im eigenen und im fremden Text identifizieren müssen, um sie entgegen seinem ursprünglichen Plan doch zu kennzeichnen und die Autoren zu zitieren. Weshalb er trotz der geschilderten Zeitnot einen solchen Sinneswandel vollzogen haben und sich diese zusätzliche Arbeit gemacht haben will, hat er in keiner Weise dargelegt. Nicht nachvollziehbar ist auch, weshalb der Kläger allein die Quellen Ernst & Young und Ambrosius und Fischer in der letzten Version ergänzt haben will. Wer sich auf das Gebot wissenschaftlicher Redlichkeit besinnt, hätte konsequenterweise in der finalen Version sämtliche zuvor nicht genannten Quellen angegeben, u.a. die der Internetseite www.bafin.de/shareddocs/Aufsichtsrecht/DE/Gesetz/REITG.html, auf die jedenfalls im April 2014 noch zugegriffen werden konnte – heute dagegen nicht mehr. Nicht glaubhaft ist insbesondere, dass der Kläger trotz dieser angeblichen – wesentlichen - Korrekturen nicht überprüft haben will, welche Version seiner Arbeit er ausdruckt, auf einem Speichermedium für die Beklagte speichert und abgibt. Ihm hätte bei den jeweiligen Vorgängen, d.h. insbesondere dem Aufrufen des Dokuments, dem Ausdrucken, dem Speichern oder der Abgabe der Versicherung auffallen können und müssen, dass es sich nicht um die letzte Fassung handelt.

49

Entgegen den Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung sind die ausgedruckte Version der Arbeit und die elektronisch am 15. April 2014 versandte Version auch nicht identisch. Er wollte gegenüber dem Gericht den Eindruck vermitteln, er habe seinem Betreuer konsequenterweise am 15. April 2014 auch die „Vorversion“, die er in ausgedruckter Fassung eingereicht habe, übersandt. Dies war jedoch nicht der Fall, was Rückschlüsse auf die Glaubhaftigkeit seines Vortrags im Ganzen zulässt. In der elektronisch am 15. April 2014 übersandten Fassung findet sich im Inhaltsverzeichnis auf S. 2, letzte Zeile, wie in der ausgedruckten, gebundenen Masterarbeit der Hinweis auf einen Auszug aus dem Strafgesetzbuch (StGB), der beiden Versionen nicht beigefügt worden ist. Nur in der am 15. April 2014 eingereichten elektronischen Fassung erscheint jedoch der fettgedruckte Hinweis: „Fehler! Textmarke nicht definiert“. Ferner sind im Vergleich zur ausgedruckten Version auf einzelnen, aber nicht auf allen Seiten Zeilen verschoben worden. Weshalb die Fassungen nicht identisch sind, weshalb dem Gericht nunmehr drei unterschiedliche Fassungen der Masterarbeit vorliegen, ob die am 15. April 2014 übersandte Fassungen die zum damaligen Zeitpunkt „finale Fassung“ oder eine weitere vorläufige Fassung war, bedarf keiner Klärung. Denn der Kläger hat angesichts der vorgefundenen Plagiate in der eingereichten Arbeit die geltend gemachten Umstände, die ihn ausnahmsweise entlasten sollen und die allein in seiner Sphäre liegen, nachzuweisen.

50

Schließlich hätte der Vortrag des Klägers, wonach er aus Versehen eine Version mit erheblichen Zitiermängeln abgegeben, dies aber vor der Bewertung erkannt haben will, zur logischen Konsequenz gehabt, dass er von dem Urteil der Prüfer nicht mehr überrascht worden wäre, wie er es in seiner Stellungnahme vom 13. Juli 2014 beschreibt. Denn wer kurz vor der Abgabe der Arbeit den wesentlichen Mangel fehlender Quellenangaben für weitreichende, nicht kenntlich gemachte wörtliche Zitate unter größerem Aufwand behoben haben will, hätte dies getan, um sich gerade nicht dem Vorwurf des Täuschungsversuchs auszusetzen. Wenn der Kläger also rechtzeitig erkannt haben will, dass diese wesentliche Ergänzung den Prüfern nicht vorlag, hätte er mit der Feststellung eines Täuschungsversuchs rechnen müssen.

51

d. Schließlich kann er sich aufgrund seines Hinweises an den Betreuer zur abgegebenen „Vorversion“ nicht auf einen strafbefreienden Rücktritt vom Täuschungsversuch nach § 24 Abs. 1 StGB berufen. Wegen Versuchs wird gemäß § 24 Abs. 1 Satz 1 StGB nicht bestraft, wer im Fall eines unbeendeten Versuchs freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat im Fall des beendeten Versuchs ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so bleibt er nach § 24 Abs. 1 Satz 2 StGB straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern.

52

Offen bleiben kann, ob ein strafbefreiender Rücktritt im Prüfungsrecht bei der Abgabe einer plagiatsbehafteten wissenschaftlichen Arbeit in Betracht kommen kann. Beim Mitführen – aber Nichtverwenden – unerlaubter Hilfsmittel in einer Prüfung ist etwa nach der Rechtsprechung für die Annahme eines Rücktritts vom Täuschungsversuch kein Raum, da bereits das Mitführen unerlaubter Hilfsmittel im Sinne des Prüfungsrechts eine vollendete Tat darstellt (OVG Brandenburg, Beschl. v. 7.11.2011, OVG 10 N 21.09, juris Rn. 9 m.w.N.). Dies kann jedoch bei der Abgabe verschiedener Versionen einer Arbeit vor der Befassung der Prüfer mit der zuletzt eingereichten Fassung anders zu bewerten sein.

53

Doch selbst wenn § 24 StGB dem Rechtsgedanken nach hier Anwendung finden könnte, würde er den Kläger nicht entlasten. Denn die Tatbestandsvoraussetzungen für einen strafbefreienden Rücktritt sind nicht erfüllt. Im vorliegenden Fall hatte der Kläger mit der Abgabe der plagiatsbehafteten Arbeit bereits alles getan, was nach dem üblichen Lauf der Dinge ohne weiteres Zutun seinerseits zu der in Kauf genommenen Täuschung der Prüfer führen würde. Es handelte sich also um einen beendeten Versuch im Sinne des § 24 Abs. 1 Satz 2 StGB, von dem er nur durch das freiwillige und ernsthafte Bemühen hätte zurücktreten können, die Vollendung der Tat zu verhindern. Hier hätte er die abgegebene Masterarbeit zurückziehen müssen - ggf. unter sofortiger Einreichung der finalen Version - um eine mögliche Täuschung der Prüfer auszuschließen. Dies hat er jedoch nicht getan, zumal er damit rechnen musste, dass eine später eingereichte andere Fassung seiner Arbeit als nicht fristgerecht vorgelegt abgelehnt worden wäre. Der Hinweis an den Betreuer, er habe versehentlich die falsche Version eingereicht, genügte ohne die zeitgleiche Einreichung der finalen Version nicht, unabhängig davon, dass nach Überzeugung des Gerichts am 15. April 2014 keine mit den Quellen Ambrosius und Fischer und Ernst & Young versehene Version der Masterarbeit vorlag.

54

e. Die von der Prüfungsordnung vorgesehene Rechtsfolge des Täuschungsversuchs – das Nichtbestehen der Masterarbeit und, da es der zweite Prüfungsversuch war, gemäß §§ 14 Abs. 11 Satz 1, 17 Abs. 1, 18 Abs. 1c PO, das Nichtbestehen des gesamten Masterstudiengangs, ist auch unter Verhältnismäßigkeitsgesichtspunkten nicht zu beanstanden. Bei der abgegebenen Arbeit handelt es sich nicht um eine weniger bedeutsame Prüfungsleistung, sondern um die zentrale Abschlussarbeit des Masterstudiengangs, so dass die Sanktion des endgültigen Nichtbestehens bei zweimaligem Scheitern in der Masterarbeit gemäß § 18 Abs. 1c PO ohne Möglichkeit des Ausgleichs keinen Bedenken begegnet. Auch die in § 17 Abs. 1 Satz 1 PO vorgesehene Konsequenz der Bewertung einer Prüfungsleistung mit 5,0 im Falle eines Täuschungsversuchs ist nicht zu beanstanden. Denn es ist in Rechtsprechung und Literatur anerkannt, dass sich die Sanktionen abgestuft nach der Schwere der durch den Prüfling begangenen Pflichtverletzung auszurichten haben (vgl. Niehues/Fischer/Jeremias, Prüfungsrecht, 6. Aufl. 2014, S. 96 f., Rn. 240. m.w.N.). Die Schwere des hier vorliegenden Täuschungsversuchs wurde bereits im Rahmen der Erheblichkeit desselben geprüft und gewürdigt (oben unter b.). Denn bei weniger umfangreichen Mängeln oder weniger gravierenden bloßen Zitierfehlern wird ein Täuschungsversuch im Hinblick auf die belastende Konsequenz der Benotung der Prüfungsleistung mit 5,0 bereits nicht angenommen. Trotz nicht gekennzeichneter wörtlicher Textübernahmen erheblichen Umfangs von einer Sanktion abzusehen oder die übernommenen Textpassagen bei der Bewertung der Arbeit nicht zu berücksichtigen, würde dagegen Täuschungsversuchen Tür und Tor öffnen. Die Rechtsfolge ist auch deshalb verhältnismäßig, weil sie den Kläger nicht überraschend trifft. Jedem Prüfling sind die Konsequenzen einer Täuschung aus der für ihn geltenden Prüfungsordnung und insbesondere aus der gesondert abzugebenden Erklärung über die Verpflichtung zur Angabe von Quellen bewusst. Dies gilt auch für Prüflinge, die in ihrem letzten Prüfungsversuch in Kenntnis der möglichen Folgen dieses Risiko eingehen.

55

2. Der Hilfsantrag bleibt ebenfalls ohne Erfolg. Der Kläger kann nicht - unter Aufhebung des Bescheides vom 29. Juli 2014 sowie des Widerspruchsbescheides vom 20. Oktober 2015 - beanspruchen, zur erneuten Ablegung der Masterarbeit geladen zu werden.

56

Eine zweite Wiederholung der Masterarbeit ist gemäß § 14 Abs. 11 Satz 3 PO nur in begründeten Ausnahmefällen möglich. Offen bleiben kann, ob diese Norm der Prüfungsbehörde einen Ermessensspielraum eröffnet, da bereits kein „begründeter Ausnahmefall“ vorliegt. Ein solcher erfordert im Hinblick auf den Grundsatz der Chancengleichheit eine besondere, unverschuldete Ausnahmesituation, der durch andere prüfungsrechtliche Maßnahmen nicht begegnet werden konnte.

57

Ein solcher Fall liegt nicht vor. Das Gericht verkennt nicht, dass sich der Kläger während seines Studiums und insbesondere während der Bearbeitungszeit der Masterarbeit seinen Angaben zufolge in einer familiär und finanziell angespannten Situation befunden haben dürfte. Es ist jedoch nicht zu beanstanden, dass die Beklagte den Kläger darauf hingewiesen hat, dass er sich aufgrund von Härtefallaspekte um eine Verlängerung der Bearbeitungszeit nach § 14 Abs. 7 PO hätte bemühen können und dass er dies unterlassen hat (vgl. in ähnlicher Konstellation: VG Berlin, Urt. v. 26.9.2014, 12 K 978/13, juris Rn. 29). Auch eine Belastungssituation darf den Prüfling jedoch nicht dazu berechtigen, diese zunächst nicht geltend zu machen, sondern erst die Benotung der Prüfungsleistung abzuwarten. Ein solches Vorgehen würde dem Prüfling gegenüber seinen Kommilitonen einen ungerechtfertigten Vorteil verschaffen und dem Grundsatz der Chancengleichheit widersprechen. Zu Lasten des Klägers ist ebenfalls zu berücksichtigen, dass seine Masterarbeit im zweiten Prüfungsversuch nicht wegen unzureichender Leistungen oder Fristversäumnis mit „mangelhaft“ bewertet worden ist, sondern wegen eines vorsätzlichen, somit verschuldeten Täuschungsversuchs. Ein Täuschungsversuch kann auch durch eine Belastungssituation – welcher Art auch immer – weder gerechtfertigt noch entschuldigt werden. Wäre eine Belastungssituation geeignet, trotz eines Täuschungsversuchs einen dritten Prüfungsversuch zu erreichen, wäre die abschreckende Wirkung der §§ 17, 18 Abs. 1 PO in wesentlichen Teilen entkräftet.

III.

58

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO. Im Hinblick auf die fehlende positive Kostengrundentscheidung kommt eine Feststellung nach § 162 Abs. 2 Satz 2 VwGO zur Notwendigkeit der Hinzuziehung des Prozessbevollmächtigten im Vorverfahren nicht in Betracht. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.

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Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 10. Okt. 2016 - 2 K 6400/15 zitiert 10 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 113


(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 162


(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens. (2) Die Gebühren und Auslage

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(1) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht,1.über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens;2.bei Zurücknahme der Klage, Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch oder Anerkenntnis des Anspruchs, auc

Strafgesetzbuch - StGB | § 24 Rücktritt


(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft be

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(1) Der Vorsitzende hat die Streitsache mit den Beteiligten tatsächlich und rechtlich zu erörtern. (2) Der Vorsitzende hat jedem Mitglied des Gerichts auf Verlangen zu gestatten, Fragen zu stellen. Wird eine Frage beanstandet, so entscheidet das

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Verwaltungsgericht Hamburg Urteil, 24. Juni 2016 - 2 K 2209/13

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Tenor Im Umfang von Ziffer 2 des Bescheidtenors wird der Bescheid vom 25. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2013 aufgehoben. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 31. Mai 2016 - 2 K 2280/15

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Tenor Die Klage wird abgewiesen. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils vollstreckbaren B

Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Urteil, 10. Feb. 2016 - 19 A 991/12

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Tenor Das angefochtene Urteil wird geändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt der Kläger. Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistun

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Beschluss, 13. Okt. 2008 - 9 S 494/08

bei uns veröffentlicht am 13.10.2008

Tenor Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 04. Oktober 2007 - 8 K 1384/05 - wird abgelehnt. Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

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(1) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht,

1.
über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens;
2.
bei Zurücknahme der Klage, Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch oder Anerkenntnis des Anspruchs, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
3.
bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
4.
über den Streitwert;
5.
über Kosten;
6.
über die Beiladung.

(2) Im Einverständnis der Beteiligten kann der Vorsitzende auch sonst anstelle der Kammer oder des Senats entscheiden.

(3) Ist ein Berichterstatter bestellt, so entscheidet dieser anstelle des Vorsitzenden.

(1) Der Vorsitzende hat die Streitsache mit den Beteiligten tatsächlich und rechtlich zu erörtern.

(2) Der Vorsitzende hat jedem Mitglied des Gerichts auf Verlangen zu gestatten, Fragen zu stellen. Wird eine Frage beanstandet, so entscheidet das Gericht.

(3) Nach Erörterung der Streitsache erklärt der Vorsitzende die mündliche Verhandlung für geschlossen. Das Gericht kann die Wiedereröffnung beschließen.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Das angefochtene Urteil wird geändert.

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Rechtsstreits in beiden Instanzen trägt der Kläger.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des beizutreibenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung in entsprechender Höhe Sicherheit leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.


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Tenor

Im Umfang von Ziffer 2 des Bescheidtenors wird der Bescheid vom 25. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2013 aufgehoben.

Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger.

Das Urteil ist wegen der Kosten gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Rücknahme der Promotion und die Rückforderung der Promotionsurkunde.

2

Nach dem Studium der Rechtswissenschaft an der beklagten Hochschule bestand der Kläger am 18. Dezember 1995 die Erste Juristische Staatsprüfung.

3

Der Kläger beantragte mit Schreiben vom 1. Juni 1997 die Zulassung zur Promotion beim damaligen Fachbereich Rechtswissenschaft I der Beklagten. Er gab dabei die Versicherung gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 3 PromO 1972 ab, dass er die Dissertation selbst angefertigt und nur die angegebenen Hilfsmittel benutzt habe. Die vorgelegte Dissertation mit dem Titel: „…“ bewerteten der Betreuer der Dissertation und Erstgutachter Prof. Dr. A. in seinem Votum vom 16. Oktober 1997 und der Zweitgutachter Prof. Dr. B. in seinem Votum vom 23. Dezember 1997 jeweils mit der Note „magna cum laude“. Am 28. Januar 1998 bestand der Kläger das Kolloquium vor den Prüfern Prof. Dr. C., Prof. Dr. A. sowie Prof. Dr. D.. Der Sprecher des Fachbereichs Rechtswissenschaft I fertigte eine auf diesen Tag datierte Promotionsurkunde aus, mit der dem Kläger der Grad eines Doktors der Rechte verliehen wurde.

4

Nach Bestehen der Großen Juristischen Staatsprüfung am 19. Mai 2000 nahm der Kläger die freiberufliche Tätigkeit als Rechtsanwalt auf.

5

Auf Antrag des Klägers vom 19. Dezember 2007 gewährte der damalige Dekan der Fakultät für Rechtswissenschaft der Beklagten und Vorsitzende des Habilitationsausschusses Prof. Dr. E. ihm am 15. Januar 2008 die Zulassung zur Habilitation. Der Kläger legte eine Habilitationsschrift vor unter dem Titel: „…“. Der Erstgutachter Prof. Dr. F. schlug in seinem Votum vom 26. April 2008 die Annahme der Habilitationsschrift vor. Hingegen schlug der Zweitgutachter Prof. Dr. G. in seinem Votum vom 19. Juni 2008 die Ablehnung vor und führte aus:

6

„Für eine wissenschaftliche Abhandlung ernstlich bedenklich ist indes, dass Verf. seine Thesen kaum argumentativ herausarbeitet, sondern im Wesentlichen behauptet […]. Gänzlich verstörend wirkt freilich, dass sich in den Schrifttumsnachweisen des geschilderten Abschnitts […] kein einziger Nachweis findet, der jünger als 13 Jahre wäre […] Des Rätsels Lösung besteht darin, dass Verf. an dieser Stelle der Arbeit in großen Teilen sowohl Text wie auch Fußnoten aus den S. 36 ff. seiner Dissertation aus dem Jahre 1998 […] wörtlich übernommen hat. Nun ist ein 'selbstreferenzielles' Vorgehen bekanntlich zwar nicht urheberrechtlich unzulässig, aber jedenfalls dann wissenschaftlich unredlich, wenn der Autor sich noch nicht einmal die Mühe macht, Text und Fußnoten zu aktualisieren.“

7

Der im ursprünglichen Promotionsverfahren als Betreuer der Dissertation tätig gewordene Prof. Dr. A. wandte sich mit Schreiben vom 5. Dezember 2008 gegen dieses die Habilitationsschrift betreffende Zweitvotum. Gleichwohl beschloss der Habilitationsausschuss in seiner Sitzung vom 14. Januar 2009, dass die Habilitationsschrift unzureichend sei. Der Kläger wandte sich mit diversen Schreiben seiner Bevollmächtigten gegen diese Einschätzung.

8

Unmittelbar vor einer auf den 27. Mai 2009 angesetzten Sitzung des Habilitationsausschusses unter dem Vorsitz von Prodekan Prof. Dr. D. als Vertreter des krankheitsbedingt fehlenden Dekans fand eine Unterredung des Vorsitzenden mit dem Bevollmächtigten des Klägers Rechtsanwalt H. statt. In dem Protokoll der anschließenden Sitzung des Habilitationsausschusses heißt es:

9

„In diesem Gespräch haben sich der Vorsitzende und Herr Rechtsanwalt H. darauf verständigt, dass auf die Erörterung der schriftlichen Habilitationsleistung (§ 9 Abs. 2 Satz 3 der Habilitationsordnung) im gegenseitigen Einvernehmen verzichtet wird. Der Habilitationsausschuss billigt diese Einigung.

10

Der Vorsitzende berichtet weiter, dass er Herrn Rechtsanwalt H. eine Schriftsatzfrist von zwei Monaten anbietet. Innerhalb dieser Frist soll ein Gespräch zwischen [dem Kläger], gegebenenfalls unter Beteiligung seiner Rechtsbeistände, und Herrn Prof. Dr. I. zu der Frage stattfinden, inwieweit es möglich ist, durch Ausgliederung eines Teils der bisher vorgelegten Arbeit und dessen vertiefte, dem Stand der Diskussion und der Rechtslage entsprechende Behandlung das Verfahren voranzutreiben. Herr Prof. Dr. I. erklärt sich zu einem solchen Gespräch bereit und wird im Voraus mit Herrn Prof. Dr. G. diese Frage erörtern. Prof. Dr. G. erklärt sich ebenfalls dazu bereit. Der Ausschuss billigt auch dieses Vorgehen.

11

[…] Mit diesem Angebot der Fakultät ist noch keine Garantie einer günstigen Entscheidung verbunden. Vielmehr behält sich der Ausschuss eine Neubewertung des überarbeiteten Teils der Arbeit vor.“

12

In der Folgezeit arbeitete der Kläger seine Habilitationsschrift um, jetzt unter dem Titel: „…“. Der nunmehr als Erstgutachter tätig gewordene Prof. Dr. I. in seinem Votum vom 25. März 2010 sowie daran anschließend der Zweitgutachter Prof. Dr. G. in seinem Votum vom 21. April 2010 schlugen eine Annahme der Habilitationsschrift mit einer Einschränkung der Lehrbefugnis (venia legendi) auf das „Gesellschaftsrecht unter besonderer Berücksichtigung des Aktienrechts“ vor.

13

Der Habilitationsausschuss erörterte in seiner Sitzung vom 7. Juli 2010 den Umstand, dass der vormalige Erstgutachter der Habilitationsschrift Prof. Dr. F. auf der Website der vom Kläger gegründeten Rechtsanwaltssozietät J. seit dem 1. Juni 2009 als „of counsel“ genannt worden war. Im Sitzungsprotokoll ist ausgeführt:

14

„Sodann wird unter dem Vorbehalt, dass die Aufklärung keinen Verfahrensmangel ergibt, auf der Grundlage der vorliegenden Gutachten von Prof. Dr. I. und Prof. Dr. G. einstimmig beschlossen, die Habilitationsschrift als schriftliche Habilitationsleistung anzunehmen.“

15

Am 1. Oktober 2010 trat Prof. Dr. K. die Nachfolge von Prof. Dr. E. als Dekan der Fakultät für Rechtswissenschaft und Vorsitzender des Habilitationsausschusses an.

16

Am 17. Mai 2011 teilte Prof. Dr. I. den Mitgliedern des Habilitationsausschusses unter Hinweis auf die Tätigkeit des Prof. Dr. F. für die Rechtsanwaltssozietät des Klägers mit, er ziehe sein Gutachten zurück. Der Habilitationsausschuss möge den Promotionsausschuss bitten, „im Hinblick auf die vom Zweitgutachter G. in seinem ursprünglichen Gutachten aufgedeckten Plagiate in der Dissertation des [Klägers] das Verfahren zur Entziehung des Doktorgrads einzuleiten.“ Prof. Dr. I. teilte ferner mit, er halte sich für befangen.

17

Der Zweitgutachter der Habilitationsschrift Prof. Dr. G. teilte dem Dekan und Vorsitzenden des Habilitationsausschusses Prof. Dr. K. unter dem 20. Mai 2011 mit, er fechte seine Erklärung an, mittels derer er seine Bestellung als Zweitgutachter in dem Habilitationsverfahren angenommen habe und ziehe sein Zweitvotum zurück. Zugleich bat er den Habilitationsausschuss darüber zu entscheiden, ob seiner Mitwirkung im weiteren Verfahren die Besorgnis der Befangenheit entgegenstehe.

18

Der Habilitationsausschuss fasste in seiner Sitzung vom 8. Juni 2011 einen Beschluss, in dem er insbesondere folgende Entscheidungen traf: Prof. Dr. I. und Prof. Dr. G. wurden wegen Besorgnis der Befangenheit aus dem Habilitationsausschuss ausgeschlossen. Der Promotionsausschuss wurde gebeten, den von Mitgliedern des Habilitationsausschusses geäußerten Verdacht eines Plagiats in der Dissertation des Klägers zu prüfen. Bis zu einer Stellungnahme des Promotionsausschusses wurde das Habilitationsverfahren ausgesetzt und der Termin für den Habilitationsvortrag des Klägers am 29. Juni 2011 aufgehoben. Der Habilitationsausschuss entschied, dass er keine schwerwiegenden Verfahrensmängel i.S.d. Vorbehalts der Entscheidung vom 7. Juli 2010 sehe. Im Protokoll der Sitzung vom 8. Juni 2011 heißt es über den vom Habilitationsausschuss am 27. Mai 2009 gefassten Beschluss:

19

„In Anwesenheit der beiden Gutachter und nach vorherigen außergerichtlichen Erörterungen mit den Anwälten [des Klägers] wurde am 27.5.2009 vom Ausschuss eine 'Rettungslösung' beschlossen. [Dem Kläger] sollte die Gelegenheit zur Überarbeitung und Verbesserung seiner Habilitationsschrift bekommen. Über die dazu erforderlichen Schritte sollte ihn Herr I. beraten. Herr I. sollte sodann zur überarbeiteten Fassung ein neues Erstgutachten erstellen, Herr G. erneut ein Zweitgutachten schreiben.“

20

Der Vorsitzende des Habilitationsausschusses Dekan Prof. Dr. K. ersuchte den Vorsitzenden des Promotionsausschusses Prof. Dr. L. unter dem 15. Juni 2011 förmlich um eine durch den Promotionsausschuss zu erbringende Aufklärung „des Verdachts des Plagiats in der Dissertation“ des Klägers.

21

Am gleichen Tag erstattete der Dekan dem Präsidenten der Beklagten über den Gang des Habilitationsverfahrens des Klägers folgenden Bericht:

22

„Der Ausschuss hat am 8. Juni ausführlich über die Konsequenzen für das Verfahren und die gestellten Anträge beraten. Zu den Plagiatsvorwürfen wurde ergänzend erklärt, dass diese in der Tat auch im Ausschuss zu Beginn des Jahres 2009 diskutiert worden seien. Damals war der Ausschuss der Auffassung, dem Hinweise in diesem Verfahren nicht weiter nachgehen zu müssen, da die Habilitationsschrift ohnehin nicht angenommen werde. Nach der Verabredung der 'Rettungslösung' waren die Vorwürfe nicht mehr Gegenstand des Verfahrens und wurden erst jetzt, im Sommersemester 2011 wieder von mehreren Mitgliedern des Ausschusses erhoben.“

23

Der Promotionsausschuss unter dem Vorsitz von Prof. Dr. L. beschloss in seiner 150. Sitzung am 29. Juni 2011, die beiden Gutachter der Habilitationsschrift Prof. Dr. G. und Prof. Dr. I. wegen der geäußerten Plagiatsvorwürfe anzuschreiben. Der Promotionsausschuss beschloss am 6. Juli 2011, in Aussicht zu nehmen, „ggfs. Herrn Prof. D. um eine gutachterliche Stellungnahme zu bitten, sofern sich Anhaltspunkte für einen Verdacht ergeben sollten“. Der Vorsitzende des Promotionsausschusses Prof. Dr. L. bat unter dem 15. August 2011 den am M. tätigen Prof. Dr. N., ein Gutachten zu der Frage zu erstatten, inwieweit sich der Kläger durch „solche Übernahmen von Texten anderer Urheber einer erheblichen Täuschung im Promotionsverfahren schuldigt gemacht hat, so dass ihm gem. § 19 der in diesem Fall gültigen Promotionsordnung der Doktorgrad abzuerkennen wäre.“ Prof. Dr. N. beantwortete die gestellten Fragen in einem auf November 2011 datierten Gutachten wie folgt:

24

„1. Die Dissertation [des Klägers] ist in einem erheblichen, jede Bagatellgrenze deutlich übersteigenden Maße von wissenschaftlicher Unredlichkeit gekennzeichnet – indem Fremdtexte teils wörtlich, teils unter leichter Satzumstellung oder Umformulierung verwandt werden.

25

2. Die Promotion ist rechtswidrig und kann nach § 48 Abs. 3 VwVfG zurückgenommen werden, weil die Dissertation wissenschaftlichen Maßstäben nicht genügt und damit nicht als Promotionsleistung taugt.

26

3. Vertrauensschutz genießt [der Kläger] auch nach fast 14 Jahren nicht – schon weil er arglistig gehandelt hat. Dementsprechend kann auch ein etwaiger 'Erwerbsschaden' durch Promotionsentzug in der Abwägung nicht zu seinen Gunsten ins Gewicht fallen. [Der Kläger] verliert nur das, was er sich unredlich erschlichen hat.“

27

Zuvor waren bereits im August 2011 Plagiatsvorwürfe hinsichtlich der Dissertation des Klägers auf der Homepage der Internetplattform „O.“ veröffentlich worden. Der Wissenschaftsjournalist Priv.-Doz. Dr. P. hatte sich mit E-Mails vom 8. August 2011 an den Dekan Prof. Dr. K. mit einer Anfrage gewandt, die Plagiatsvorwürfe wegen der Dissertation des Klägers betraf. Am 29. August 2011 erschien ein Artikel von Priv.-Doz. Dr. P. im Internetangebot „Q.“ unter dem Titel: „…“ Zu einem späteren Zeitpunkt erstattete der Präsident der Beklagten, Prof. Dr. R., „Strafanzeige gegen Unbekannt wegen des Verdachts der Weitergabe vertraulicher Informationen an Dritte“ und nahm dabei auf die Online-Publikationen über Plagiatsvorwürfe Bezug. Die Staatsanwaltschaft Hamburg stellte das Ermittlungsverfahren ein, da kein Täter ermittelt werden konnte (Einstellungsnachrichten v. 8.1.2013, ...).

28

Mit Schreiben vom 8. November 2011 informierte der Vorsitzende des Promotionsausschusses Prof. Dr. L. die beiden Gutachter der Dissertation, Prof. Dr. A. und Prof. Dr. B., unter Beifügung des Gutachtens des Prof. Dr. N. über die Vorwürfe und bat um Stellungnahme. Mit Schreiben unter dem gleichen Datum räumte er dem Kläger Gelegenheit zur Stellungnahme ein.

29

Unter Bezugnahme auf das an ihn gerichtete Schreiben des Vorsitzenden des Promotionsausschusses wandte sich der Erstgutachter der Dissertation des Klägers, Prof. Dr. A., unter dem 24. November 2011 an den Präsidenten der Beklagten, Prof. Dr. R., monierte den Gang des Habilitationsverfahrens und erhob Bedenken gegen die Qualifikation des Prof. Dr. N. und dessen Gutachten. In dem Gutachten seien keine Plagiate von relevanter Bedeutung nachgewiesen worden und er fühle sich nicht getäuscht.

30

Der Kläger drohte mit E-Mail an den Vorsitzenden des Promotionsausschusses, Prof. Dr. L., vom 16. November 2011 mit rechtlichen Schritten in den Vereinigten Staaten.

31

Der Zweitgutachter der Dissertation Prof. Dr. B. nahm unter dem 1. Dezember 2011 gegenüber dem Vorsitzenden des Promotionsausschusses, Prof. Dr. L., insbesondere wie folgt Stellung:

32

„Ich hatte bereits in meinem Zweitgutachten zur Dissertation [des Klägers] zum Ausdruck gebracht, dass die Dissertation im Wesentlichen nur bereits bekannte Erkenntnisse enthält. Nunmehr zeigt sich, dass [der Kläger] die Arbeit in einem erschreckend großen Umfang von anderen Autoren abgeschrieben hat und dabei ebenfalls in sehr großem Umfang Texte fremder Autoren wörtlich oder fast wörtlich einfach übernommen hat, ohne dies kenntlich zu machen. […] Ich sehe mich in meiner damaligen, für die Beurteilung maßgebenden Annahme getäuscht, dass – mögen auch die Erkenntnisse im Wesentlichen nicht neu gewesen sein – doch die gesamte Darstellung inhaltlich und textlich allein vom Verfasser stammt. Hierin hatte ich die eigene Leistung des Verfassers gesehen. Die Grundlage für diese Beurteilung ist vollständig entfallen.“

33

Mit Schreiben vom 19. Dezember 2011 bat das Mitglied des Promotionsausschusses Prof. Dr. T. gegenüber dem Vorsitzenden des Promotionsausschusses, Prof. Dr. L., wegen einer an ihn gerichteten E-Mail des Klägers vom 15. Dezember 2011 ihn, Prof. Dr. T., „im Promotionsausschuss für befangen zu erklären“.

34

In seiner Stellungnahme vom 13. Januar 2012 brachte der Kläger vor, der Begriff des Plagiats erfordere die Angabe fremden Gedankenguts unter Nichtnennung der Quelle. Er habe seine Dissertation von einem Germanisten lektorieren lassen. Es hätten Gespräche sowohl im Vorfeld als auch nach Fertigstellung der Arbeit stattgefunden. Dabei sei auch die korrekte Zitierweise erörtert bzw. besprochen worden. Danach sollten Anführungszeichen, wenn überhaupt, nur zu setzen sein, wenn ein ganzer Satz wortwörtlich wiedergegeben werde, ansonsten reiche der Quellennachweis aus, da sonst dem geneigten Leser ein flüssiges Lesen unmöglich wäre. Es sei nicht erforderlich und auch nicht geboten, innerhalb eines Absatzes jeden einzelnen Satz zu zitieren. Innerhalb eines Absatzes sei ein Quellennachweis ausreichend, wenn die einzelnen Sätze in einem engen sachlichen Zusammenhang stünden und für den fachkundigen Leser erkennbar sei, dass die einzelnen Sätze von einem Autor stammten. Der Quellennachweis sei dann je nach Schwerpunktsetzung an das Ende des ersten Satzes oder des letzten Satzes des betreffenden Absatzes zu setzen. Er, der Kläger, habe – ausgehend von einem Festschriftbeitrag des Betreuers der Dissertation Prof. Dr. A. – als Eigenleistung eine herausragende Stellung des Finanzvorstands anerkannt. Der Vorwurf der vorsätzlichen, arglistigen Täuschung sei befremdlich und werde entschieden zurückgewiesen.

35

Der Promotionsausschuss erörterte am 25. April 2012 eine Aberkennung des akademischen Grads des Klägers unter Einbezug der Stellungnahmen des Klägers und der Gutachter. Der Promotionsausschuss fasste den Beschluss:

36

„[Dem Kläger] wird der Doktortitel wegen wissenschaftlichen Fehlverhaltens gem. § 19 S. 2 PromO 1972 und § 48 Abs. 1, Abs. 2 S. 3 Nr. 1, Abs. 4 S. 2 HmbVwVfG entzogen, da sich nachträglich herausgestellt hat, dass die zur Verleihung des Doktortitels erforderlichen Voraussetzungen aufgrund Täuschung und wissenschaftlichen Fehlverhaltens des [Klägers] zum Zeitpunkt der Verleihung des Doktortitels nicht vorgelegen haben.“

37

Der Promotionsausschuss hielt ausweislich des Sitzungsprotokolls dafür, dass der transparente und exakte Nachweis der Verwendung fremder Formulierungen und fremden Gedankenguts nicht erst seit 1999 zum Wesensmerkmal guter wissenschaftlicher Praxis gehöre und ein wesentliches Element der Eigenständigkeit bzw. der Erkennbarkeit der eigenständigen wissenschaftlichen Leistung eines Promovenden sei. Der Promotionsausschuss gehe angesichts Art und Umfang der Nutzung fremder Texte und fremden Gedankenguts, die nicht adäquat nachgewiesen bzw. verschleiert sei, von einer arglistigen Täuschung aus. Der Promotionsausschuss erörterte die Frage, ob angesichts des damit zugleich verbundenen schweren Eingriffs in die Grundrechte des Klägers der Entzug des Doktorgrads noch als verhältnismäßig angesehen werden könne, was aber angesichts des Umfangs und der Art der nicht adäquat erfolgten Kennzeichnung der Übernahme fremden Gedankenguts der Fall sei.

38

Der Vorsitzende des Promotionsausschusses Prof. Dr. L. wurde beauftragt, diesen Beschluss und dessen Begründung dem Dekan zwecks Vollzugs im Außenverhältnis mitzuteilen. Der Dekan der Fakultät für Rechtswissenschaft Prof. Dr. K. fertigte unter dem 25. Juni 2012 den Bescheid, dem Kläger zugestellt am 28. Juni 2012, in dessen Tenor es heißt:

39

„1. Die Verleihung des akademischen Grads eines Doktors der Rechtswissenschaft mit Urkunde vom 28.1.1998 durch den Fachbereich Rechtswissenschaft I wird zurückgenommen. Der Titel wird Ihnen damit nachträglich aberkannt und entzogen.

40

2. Es wird Ihnen aufgegeben, die Promotionsurkunde vom 28.01.1998 an die Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg, Rothenbaumchaussee 33, 20148 Hamburg bis zum 17.08.2012 zurückzugeben.“

41

Zur Begründung wurde ausgeführt: Die Entscheidung finde ihre Rechtsgrundlage in § 48 Abs. 1 und 3 HmbVwVfG i.V.m. § 19 Satz 2 PromO 1972. Die Regelung des § 19 PromO 1972 reiche als Grundlage für einen derart weitgehenden Eingriff nicht aus. Dazu bedürfe es einer gesetzlichen Grundlage. Die Verleihung des akademischen Grads eines Doktors der Rechtswissenschaft sei ein begünstigender Verwaltungsakt i.S.d. § 48 Abs. 3 HmbVwVfG und vorliegend rechtswidrig, weil die Voraussetzungen zu seinem Erlass seinerzeit nicht vorgelegen hätten. Die Aberkennung und Entziehung des Doktorgrads sei rechtlich als Rücknahme eines Verwaltungsaktes anzusehen.

42

Die Voraussetzungen für die Promotion hätten nicht vorgelegen, da die Dissertation keine eigenständige Leistung darstelle, in der nur die angegebenen Hilfsmittel verwendet worden seien. Vielmehr stelle die mangelnde Kenntlichmachung der verwendeten Fremdtexte eine erhebliche Täuschung i.S.d. § 19 PromO 1972 dar. Die an eine Dissertation zu stellenden Anforderungen seien erst dann erfüllt, wenn an den konkreten Textstellen, innerhalb derer fremde Erkenntnisse verwendet würden, eine eindeutige Quellenangabe erfolge. Die Beklagte nahm Bezug auf das Gutachten des Prof. Dr. N., in dem fünf Kategorien von Zitierfehlern unterschieden wurden:

43

„1. Wörtliche Übernahme fremder Textstellen ohne jegliche Nennung des Urhebers und Autors an der betreffenden Stelle in der Dissertation;

44

2. nahezu wörtliche Übernahme fremder Textstellen ohne jegliche Nennung des Urhebers und Autors an der betreffenden Stelle der Dissertation;

45

3. wörtliche Übernahme fremder Textstellen, bei denen zwar eine Nennung des Urhebers und Autors in einer Fußnote erfolgt, aber ohne dass erkennbar wird, dass es sich um eine wörtliche Übernahme handelt und ohne dass erkennbar wird, wo das Zitat beginnt und wo es endet,

46

4. wörtliche Übernahme des Textes mit der Nennung einer Vielzahl von Autoren[,] ohne dass Beginn und Ende des Zitats und der eigentliche Autor erkennbar werden;

47

5. nahezu wörtliche Übernahme mit der Nennung des Autors, aber ohne dass erkennbar wird, wo die Übernahme beginnt und wo diese endet.“

48

An 55 in Anlage 1 zum Bescheid benannten und der ersten Kategorie zuzuordnenden Textstellen der Dissertation seien Texte fremder Autoren wortwörtlich bzw. nahezu wortgleich übernommen worden, ohne jeden Hinweis auf den Urheber und ohne dass sich dort eine entsprechende Quellenangabe fände. Wie sich aus Anlage 2 zum Bescheid ergebe, seien an zwei weiteren Stellen, die der zweiten Kategorie zuzuordnen seien, Texte fremder Autoren ohne entsprechende Quellenangabe nahezu wortwörtlich bzw. wortgleich übernommen worden. Allein schon die in Anlage 1 und 2 aufgeführten insgesamt 57 Textstellen belegten ein wissenschaftliches Fehlverhalten in einem quantitativ wie auch hinsichtlich des Schweregrads und der inhaltlichen Bedeutung hinreichendem Maße, um von einer erheblichen Täuschung i.S.d. § 19 PromO 1972 zu sprechen.

49

Aus den in Anlage 3 aufgeführten Textstellen, die der dritten Kategorie zuzuordnen seien, ergebe sich, dass an weiteren 71 Stellen der Dissertation die Texte fremder Autoren zwar unter Nennung der Quelle übernommen worden seien; dort sei aber nicht kenntlich gemacht, welche Teile des Textes auf seinen eigenen Erkenntnissen und Gedanken beruhten und welche Teile des Textes eine bloße Wiedergabe fremder Erkenntnisse und Gedanken darstellten. Ebenso seien an den in Anlage 4 aufgeführten und der vierten Kategorie zuzuordnenden elf Stellen Texte fremder Autoren in den Text der Dissertation übernommen worden, ohne diese Übernahme im Text zureichend kenntlich zu machen; im Unterschied zu den in Anlage 3 aufgeführten Textstellen finde sich in den jeweiligen Fußnoten zwar die Angabe der Originalquelle, daneben aber noch weitere Quellenangaben, so dass nicht klar erkenntlich sei, was die eigentliche Quelle sei. An den in Anlage 5 genannten und der fünften Kategorie zuzuordnenden 16 Stellen seien Texte unter Nennung der Quelle nahezu wörtlich übernommen worden, die nahezu wörtliche Übernahmen aber nicht kenntlich gemacht worden.

50

Durch die Abgabe der Versicherung gemäß § 7 Abs. 3 Nr. 3 PromO 1972 habe der Kläger den Eindruck erweckt, er habe die in der Dissertation verwendeten Hilfsmittel vollständig angegeben. Tatsächlich habe er aber in erheblichem Umfang Texte bzw. Textteile fremder Autoren verwendet und diese Verwendung gar nicht oder nicht ausreichend kenntlich gemacht. Mithin habe er entgegen seiner Erklärung die von ihm verwendeten Hilfsmittel nicht vollständig und nicht in der wissenschaftlich erforderlichen Weise angegeben. Es gehöre zu den wissenschaftlichen Selbstverständlichkeiten, die Übernahme fremden Gedankenguts transparent und hinsichtlich Art und Umfang eindeutig kenntlich zu machen. Nur darüber lasse sich kenntlich machen, welche Leistungen von einem selbst, welche von anderen Autoren stammten. Darauf beruhe in der Wissenschaft die Zuschreibung wissenschaftlicher Reputation. Ein vereinzelt auftretendes und versehentliches unsauberes Arbeiten bzw. Zitieren im Sinne von bagatellhaften, handwerklichen Flüchtigkeitsfehlern oder ein Fehlverhalten in inhaltlich irrelevanten, hinsichtlich der Thematik der Arbeit allenfalls randständigen Teilen der Dissertation sei nicht gegeben. Die fraglichen Textstellen fänden sich nämlich nicht nur und auch nicht weit überwiegend in thematischen Randbereichen der Dissertation, vielmehr finde sich eine relevante Anzahl der in Rede stehenden Textstellen auch innerhalb solcher thematischer Zusammenhänge, die in der Dissertation als „Kernbereich der Arbeit“ bezeichnet worden seien.

51

Neben einer genauen Quellenangabe sei es zusätzlich notwendig, dass die wörtlich übernommenen Textstellen innerhalb des eigenen Textes des Promovierenden eindeutig als Zitate gekennzeichnet würden. Dies folge aus den grundlegenden Maßstäben wissenschaftlichen Arbeitens und entspreche auch dem Wesen der Dissertation als Nachweis der Befähigung zum eigenständigen wissenschaftlichen Arbeiten.

52

Die Entziehung des Doktorgrads setze neben der festgestellten erheblichen objektiven Täuschungshandlung einen subjektiven Täuschungswillen voraus, wobei ein bedingter Vorsatz ausreiche. Die objektive Täuschungshandlung sei vorsätzlich begangen worden. Art und Umfang der Übernahme fremder Texte und Gedanken sprächen eindeutig gegen fahrlässiges, versehentliches Fehlverhalten. Der Täuschungsvorsatz folge weiter aus der unzutreffenden Erklärung über die vollständige Angabe der verwendeten Hilfsmittel, die als bewusste Irreführung zu werten sei. Es sei davon auszugehen, dass der Kläger die Täuschung der Gutachter und der übrigen Prüfungskommission über die nicht hinreichende Kennzeichnung als möglich erkannt und mindestens billigend in Kauf genommen habe. Die begangenen Täuschungen seien auch kausal gewesen für die erfolgte Verleihung des Doktorgrads. Der Umstand, dass der Erstgutachter sich möglicherweise nicht getäuscht gefühlt habe, ändere daran nichts, dass die Fakultät und das Prüfungsgremium als Ganzes durch die Täuschungshandlung von unzutreffenden Voraussetzungen ausgegangen seien.

53

Es könne offenbleiben, ob das Rücknahmeermessen durch die Regelung des § 18 Abs. 2 Satz 2 PromO 2010 eingeschränkt werde. Einschlägig sei die Regelung aus § 48 Abs. 1 HmbVwVfG, die ein Ermessen vorsehe, das durch den Promotionsausschuss auch ausgeübt worden sei. Eine an den Zwecken der Ermessensermächtigung in § 48 Abs. 3 HmbVwVfG orientierte Ermessensentscheidung führe zu dem Ergebnis, dass die Verleihung des Doktorgrads zurückgenommen werden solle. Auf schutzwürdiges Vertrauen könne der Kläger sich nicht berufen, weil er den „Titel“ eines Doktors der Rechtswissenschaft durch Täuschung erlangt habe.

54

Die Entziehung des Doktorgrads sei verhältnismäßig. Sie schütze den wissenschaftlichen Ruf des Fachbereichs, der Universität und das Ansehen der Rechtswissenschaft insgesamt und sichere die Übereinstimmung von akademischer Leistung und akademischem „Titel“, das Allgemeininteresse an „Titelwahrheit“ und die Integrität des Promotionsverfahrens sowie die Chancengleichheit mit anderen Doktoranden. Die Rücknahme der Verleihung des Doktorgrads sei erforderlich, um diese Zwecke zu fördern. Notenherabsetzung und Nachbesserung kämen als mildere Maßnahmen nicht in Betracht, da sie auch bei einer früheren Entdeckung in der Promotionsordnung nicht vorgesehen seien. Da von der konkreten Identität der vorgelegten Arbeit auszugehen sei, sei nicht von Bedeutung, ob für eine andere Arbeit als die tatsächlich vorgelegte der Doktorgrad ggf. mit einer schlechteren Note verliehen worden wäre. Unabhängig davon sei ausgehend von dem erheblichen Ausmaß des wissenschaftlichen Fehlverhaltens im konkreten Fall eine Notenherabsetzung oder Nachbesserung oder bloße Rüge auch nicht geeignet, das Ansehen von Fachbereich, Universität und Rechtswissenschaft sowie die Chancengleichheit mit anderen – redlichen – Doktoranden zu sichern.

55

Die Entziehung sei auch angemessen. Sie lasse die mehrjährige Arbeit an der Dissertationsschrift hinfällig werden und könne zu beruflichen Erschwernissen führen, die Beeinträchtigungen in der Berufsfreiheit mit sich bringen könnten. Wegen des Umfangs der Täuschungen und der Reichweite der wissenschaftlichen Unredlichkeiten, welche das Ansehen des Fachbereichs, der Universität und der Rechtswissenschaft insgesamt in der wissenschaftlichen sowie in der allgemeinen und medialen Öffentlichkeit erheblich gefährdeten und auch im Sinne der Wahrung des Grundsatzes der Chancengleichheit aller Doktoranden und der Allgemeininteressen an Titelwahrheit und Integrität des Promotionsverfahrens seien die öffentlichen Interessen höher zu gewichten als die persönlichen beruflichen, sozialen und privaten Belange des Klägers. Zu beachten sei, dass durch die Aberkennung des Doktorgrads eine zwingende Zulassungsvoraussetzung zu der angestrebten Habilitation entfalle, es sei aber nicht zu vertreten, dass die persönlichen Interessen des Klägers an einer Habilitation dazu veranlassen sollten, das in die Wissenschaft und Forschung gesetzte öffentliche Vertrauen zu gefährden oder einen geringeren Anspruch an seine wissenschaftliche Redlichkeit zu stellen.

56

Die Jahresfrist für die Rücknahme gemäß § 48 Abs. 4 Satz 1 HmbVwVfG sei wegen § 48 Abs. 4 Satz 2 HmbVwVfG nicht anwendbar und im Übrigen eingehalten. Der Fakultät seien alle relevanten Tatsachen, insbesondere Art und Umfang der Täuschungshandlungen sowie die für die Ermessensausübung relevanten Tatsachen, erst im Oktober 2011 bekannt geworden.

57

Der Kläger legte gegen den Bescheid am 23. Juli 2012 Widerspruch ein.

58

Mit Schreiben seines Bevollmächtigten an die Präsidialverwaltung der Beklagten vom 30. August 2012 machte der Kläger geltend, dass der Dekan Prof. Dr. K. wegen Befangenheit aus sämtlichen den Kläger betreffenden Verfahren auszuschließen sei. Es sei zu bezweifeln, ob die vom Dekanat geführte Akte tatsächlich vollständig sei. Die Präsidialverwaltung wies mit Schreiben vom 6. September 2012 die Unterstellung pflichtwidrigen Handelns zurück.

59

Zur Begründung des Widerspruchs führte der Kläger in formeller Hinsicht insbesondere aus: Wegen der Schwere des Eingriffs habe der Promotionsausschuss nur beratend tätig werden dürfen. Die gesamte Fakultät für Rechtswissenschaft sei wegen der Weitergabe interner, brisanter Informationen nach § 21 HmbVwVfG befangen. Der Promotionsausschuss sei gemessen an § 4 Abs. 2 Satz 2 PromO 1972 fehlerhaft zusammengesetzt und mangels Qualifikation nicht in der Lage gewesen, über die Dissertationsschrift zu entscheiden. Es fehle ein Vertreter des Zivilrechts. Die Ergänzung des Promotionsausschusses um Prof. Dr. U. als Ersatzmitglied sei unzulässig gewesen. Die Mitglieder des Promotionsausschusses Prof. Dr. L. und Prof. Dr. V. seien wegen ihrer gleichzeitigen Mitgliedschaft im Habilitationsausschuss befangen, Prof. Dr. L. auch deshalb, weil er bereits vor der Beschlussfassung über die Aberkennung des Doktorgrads am 25. April 2012 in der Sitzung des Promotionsausschusses vom 15. März 2012 mit der Formulierung eines Aberkennungsbescheids beauftragt worden sei. Die fehlende Neutralität des Prof. Dr. L. und seine Befangenheit ergäben sich ferner aus seiner E-Mail vom 19. Juli 2012 an Prof. Dr. K., in welcher er ausgeführt habe, es bestünde nicht allzu viel Anlass zu besonderer Freundlichkeit und er neige zur Nichtreaktion auf die noch vor Einlegung des Widerspruchs angebrachte Anfrage des Klägers zu einer einzuräumenden Widerspruchsbegründungsfrist. Prof. Dr. N. sei zur Erstattung eines Gutachtens fachlich und persönlich ungeeignet und im Verwaltungs- und Hochschulrecht unerfahren gewesen. Der Grundsatz rechtlichen Gehörs sei verletzt worden, da es an einer persönlichen Anhörung fehle und er, der Kläger, nur zu dem Vorwurf der arglistigen Täuschung angehört worden sei, nicht zu dem Vorwurf eines wissenschaftlichen Fehlverhaltens.

60

In materieller Hinsicht machte der Kläger geltend: Es fehle an der Feststellung eines „Wissenschaftsplagiats“. Fremde Gedanken seien ausnahmslos durch Fußnoten gekennzeichnet worden. Quellenangaben bei evidenten Aussagen seien entbehrlich bzw. unzulässig. Dass die Fußnoten sich teilweise auf aufeinander folgende Sätze bezögen, sei ebenfalls unschädlich. Er, der Kläger, habe sich häufig der Möglichkeit eines Zitates „passim“ bedient, die in einem summarischen Verweis auf eine Quelle bestehe, um den Lesefluss nicht zu hemmen. Aus diesem Grund sei auch auf Anführungszeichen verzichtet worden, was einem Gutachten des Philologen Dr. W. entspreche. Im Folgenden führte der Kläger zu jeder einzelnen der in den Anlagen 1 bis 5 zum Bescheid benannten Textstellen aus, weshalb nach seiner Meinung kein Zitierfehler vorliege.

61

Weiter brachte der Kläger vor: Die Beklagte habe gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens verstoßen, denn er, der Kläger, habe bei Anfertigung der zweiten Habilitationsschrift darauf vertraut, dass die Beklagte den Plagiatsvorwürfen bezüglich seiner Dissertationsschrift nicht weiter nachgehe. Die Beklagte treffe wegen mangelnder Sorgfalt eine Mitverantwortung und es stelle eine unzulässige Rechtsausübung dar, wenn nach 14 Jahren die Zitierweise in der Dissertation beanstandet werde. Die Beklagte habe unter Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG willkürlich gehandelt, da sie offensichtlich den Entschluss zur Durchführung des Verfahrens zur Aberkennung des Doktorgrads nur gefasst habe, um eine erfolgreiche Durchführung des Habilitationsverfahrens zu verhindern. Das subjektive Recht auf ein faires Verfahren sei durch die Vorabinformation der Öffentlichkeit verletzt worden. Das Habilitationsverfahren und das Promotionsentziehungsverfahren seien von der Fakultät für Rechtswissenschaft nicht ausreichend getrennt worden. Dies ergebe sich daraus, dass der Plagiatsvorwurf hinsichtlich der Dissertation schon im ersten Verfahrensteil des Habilitationsverfahrens Ende 2008/Anfang 2009 erörtert, dem Vorwurf aber nicht weiter nachgegangen worden sei.

62

Der Habilitationsausschuss beschloss am 9. Januar 2013, das Habilitationsverfahren im Hinblick auf das Promotionsentziehungsverfahren „bis zur Erreichung endgültiger Bestandskraft oder aber endgültiger Aufhebung des Verwaltungsakts ruhen zu lassen“.

63

Der Promotionsausschuss setzte sich in seiner 158. Sitzung vom 9./16. Januar 2013 mit den Einwänden des Klägers auseinander und beschloss in seiner 159. Sitzung vom 30. Januar 2013, dem Widerspruch nicht abzuhelfen. Der Widerspruchsvorgang wurde dem Widerspruchsausschuss für Prüfungsangelegenheiten am 20. Februar 2013 vorgelegt.

64

Der Widerspruchsausschuss, besetzt mit der Vorsitzenden X., der Hochschullehrerin aus der Fakultät für Rechtswissenschaft Prof. Dr. Y. und dem Promotionsstudenten aus der Fakultät für Rechtswissenschaft Z., hörte den Kläger in Person und seine Bevollmächtigten am 10. April 2013 an. Die Vertreter des Klägers brachten dabei ausweislich des Protokolls insbesondere vor, dass im Habilitationsverfahren eine „Rettungslösung“ vereinbart worden sei, die ein verbindlicher Vergleichsvertrag mit „Generalquittungscharakter“ sei und zum Inhalt habe, Plagiatsvorwürfe wegen der Dissertation nicht weiter zu verfolgen. Der den Widerspruch zurückweisende Tenor wurde von allen drei Mitgliedern des Promotionsausschusses am 10. April 2013 unterzeichnet. Der den Widerspruch zurückweisende Widerspruchsbescheid erging unter dem 30. April 2013, zugestellt am 6. Mai 2013. Darin führte die Beklagte aus:

65

Zuständig für die Entziehung der Promotion sei der Promotionsausschuss, dessen Zusammensetzung sich nach § 2 Abs. 1 Satz 2 PromO 2010, nicht nach § 4 Abs. 2 Satz 2 PromO 1972 richte, weshalb die Mitwirkung eines Vertreters aus dem Zivilrecht entbehrlich sei. Es gehe nicht um die Prüfung eines Doktorkandidaten, sondern um die Überprüfung einer erbrachten Arbeit auf korrekte Zitierweise. Es bestehe kein Zweifel an der Fachkompetenz des Gutachters Prof. Dr. N.. Der Kläger habe umfangreich Gelegenheit zur Stellungnahme gehabt, im Übrigen habe er im Widerspruchsverfahren Gelegenheit zu mündlichem Vortrag erhalten. Es bestehe keine Besorgnis der Befangenheit gegen alle Mitglieder des Promotionsausschusses wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses, weil kein Hinweis darauf vorliege, das ein Mitglied des Promotionsausschusses das Dienstgeheimnis verletzt habe. Es bestehe auch keine Besorgnis der Befangenheit gegen diejenigen Mitglieder des Promotionsausschusses, die zugleich dem Habilitationsausschuss angehörten. Es bestehe keine Besorgnis der Befangenheit gegen den Vorsitzenden des Promotionsausschusses allein aufgrund des Umstands, dass er mit dem Entwurf eines Bescheids beauftragt gewesen sei.

66

Im Widerspruchsbescheid ist weiter ausgeführt:

67

„Der Bescheid ist auch materiell rechtmäßig. Die Tatbestandsvoraussetzungen des insoweit maßgeblichen § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1, 1. Variante i.V.m. § 48 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 48 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 19 PromO 1972 sind erfüllt. Ermessensfehler, die zur Aufhebung des Verwaltungsaktes führen müssen, sind nicht erkennbar.“

68

Es könne dahinstehen, ob jede wörtliche Übernahme ohne Kennzeichnung durch Anführungszeichen bereits ein Plagiat sei. Ferner werde zugunsten des Klägers zugrunde gelegt, dass eine wissenschaftliche Leistung auch darin liegen könne, dass der Kläger vereinzelte wörtliche Übernahmen längerer Passagen durch weitere Nachweise angereichert habe. Gleichwohl könne selbst dann, wenn der Urheber an untergeordneter Stelle mit einer Fußnote kenntlich gemacht werde, die wörtliche Übernahme fremder Textpassagen zur Annahme eines Plagiats und damit einer arglistigen Täuschung führen. Dies gelte jedenfalls dann, wenn es nicht auf die präzise Darstellung eines Wortlauts ankomme (wie z.B. bei der Zitierung von Gesetzen oder Leitsätzen aus der Rechtsprechung) und eine Häufung derartiger Verletzungen der Zitierregeln auftrete; würden weder Anführungszeichen gesetzt, noch sonst qualifizierte Nachweise der Urheberschaft in irgendeiner Weise erbracht, liege unter den genannten Voraussetzungen unzweifelhaft eine arglistige Täuschung vor. Die Kenntnis juristischer Zitierregeln sei von jedem Doktoranden selbst zu erwarten. Die Rücknahmefrist sei nicht vor Kenntnis von dem externen Gutachten angelaufen. Ermessensfehler seien nicht zu erkennen. Im Einzelnen wurde ausgeführt (Widerspruchsbescheid, S. 9-11): Aufgrund § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 VwVfG sei ein sehr eingeschränkter Ermessensspielraum zu Grunde zu legen, da derjenige, der mittels arglistiger Täuschung den zu seinen Gunsten erlassenen rechtswidrigen Verwaltungsakt erwirke, in verstärktem Maße mit einer späteren Aufhebung rechnen müsse und deshalb des Vertrauensschutzes teilweise verlustig gehe. Die berufliche Situation des Klägers sei hinreichend gewürdigt. Mit der Aberkennung des Doktorgrads gehe zwar ein erheblicher Reputationsverlust einher, der jedoch durch das öffentliche Interesse an der Wahrung wissenschaftlicher Integrität überwogen werde. Die allgemein bekannten wissenschaftlichen Standards seien ein hohes Gut, welches nicht ohne Weiteres zu Lasten der wissenschaftlichen Öffentlichkeit zurückgesetzt werden dürfe. Der als „Rettungslösung“ bezeichnete Beschluss des Habilitationsausschusses enthalte keinen Vergleichsschluss mit „Generalquittungscharakter“. Es sei den Akten nicht zu entnehmen, dass die Plagiatsvorwürfe nicht weiter hätten verfolgt werden sollen. Das öffentliche Bekanntwerden des Plagiatsverdachts habe nicht zum Unterlassen des Aberkennungsbescheids führen müssen. Selbst wenn die Weitergabe dienstlich erlangter Informationen eine strafrechtlich relevante Handlung darstelle, folge daraus kein erhöhtes Vertrauen auf den Bestand des Verwaltungsaktes.

69

Der Kläger hat am 31. Mai 2013 Klage erhoben. Zur Begründung verweist der Kläger auf die Widerspruchsbegründung und führt ergänzend insbesondere aus:

70

Das Mitglied des Widerspruchsausschusses Prof. Dr. Y. habe Zweifel an der Rücknahme geäußert sowie formelle Fehler in dem Verfahren eingeräumt. Der Widerspruchsausschuss sei fehlerhaft besetzt gewesen, da der Promotionsstudent Z. in einem Abhängigkeitsverhältnis zu seiner Universität stehe und nicht unbefangen gewesen sein könne. An einer „wissenschaftsbasierten Entscheidung“ wie der Entziehung des Doktorgrads dürfe kein Promotionsstudent mitwirken. Es habe eine Verschleierung formeller Mängel stattgefunden. Prof. Dr. T. habe sich für den Habilitationsausschuss und den Promotionsausschuss für befangen erklärt, und sei zunächst nicht eingeladen worden, deshalb seien Beschlüsse fehlerhaft. Zu den Sitzungen des Promotionsausschusses sei er erst nach Einlegung des Widerspruchs bzw. der Widerspruchsbegründung wieder eingeladen gewesen.

71

Die Dissertation enthalte bereits keine Plagiate. Sollte sie tatsächlich Plagiate enthalten, ließe sich dies auch über eine Nachbesserung, eine Neueinreichung oder über eine Dissertation im Rahmen der Sammeldissertation heilen. Der Entzug des Doktorgrads sei unverhältnismäßig wegen des Verlusts seiner Stellung in der Rechtsanwaltssozietät, seines fortgeschrittenen Alters, seiner Geschäftsführerposition bei der Vereinigung „…“ und da die Grundlage für die bereits angenommene Habilitation entzogen werde. Alle diese Umstände hätten im bisherigen Verfahren überhaupt keine Würdigung erfahren. Ferner müsste eine zwischenzeitlich aufgetretene Erkrankung des Klägers berücksichtigt und angemessen gewürdigt werden.

72

Die Ausführung des Betreuers der Dissertation, Prof. Dr. A., sich keineswegs getäuscht zu fühlen, sei bei Entscheidung über die Rücknahme nicht berücksichtigt worden. Da er, der Kläger, als dessen Assistent gearbeitet habe, sei nicht auszuschließen, dass ein „Abschreiben auch umgekehrt herum erfolgt“ sein könne.

73

Die Rücknahme der Promotion sei im Hinblick auf die im Habilitationsverfahren gefundene „Rettungslösung“ unzulässig. Der Inhalt des Vier-Augen-Gesprächs vom 27. Mai 2009 mit dem Vorsitzenden des Habilitationsausschusses, Prodekan Prof. Dr. D., könne dezidiert wiedergegeben werden aus den detaillierten Aufzeichnungen und diktierten Protokollen des Rechtsanwalts H.. Danach habe Prof. Dr. D. geäußert, dass bei „der Durchsicht der Arbeit [des Klägers] aufgefallen sei, dass Passagen aus Aufsätzen übernommen worden seien, ohne dass dies hinreichend gekennzeichnet worden sei“. Darauf entgegnend habe Rechtsanwalt H. darauf hingewiesen, dass zu der Habilitationsschrift ein Drittgutachten vorliege und die Zitierweise insbesondere insoweit nicht moniert worden sei. Prof. Dr. D. habe vorgeschlagen, „dass [der Kläger] die Arbeit umarbeiten“ solle. Rechtsanwalt H. habe ihm, dem Kläger, im Anschluss berichtet, dass Prof. Dr. D. „eine Lösung anstrebe, mit der beide Seiten leben“ könnten und „vom Kläger erwartet werde, dass er nicht weiter vermeintliche formelle Mängel der Universität geltend mache und sich der neuen Situation widme. Umgekehrt würde auch die Universität dem Kläger keine weiteren Steine in den Weg legen.“ Der Kläger vertritt die Auffassung, die im Habilitationsverfahren gefundene „Rettungslösung“ stelle einen „Vergleich mit Generalquittungscharakter“ dar. Es sei ein Vergleich geschlossen worden, der „begriffsnotwendig“ beinhalte, dass die Voraussetzungen zur Fertigung einer Habilitation als gegeben akzeptiert würden. Die Beklagte habe gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens verstoßen; dem Habilitationsausschuss sei bei Annahme des „Vergleichs“ bekannt gewesen, dass Bedenken gegen die Dissertation erhoben worden seien.

74

Der Kläger beantragt,

75

den Bescheid vom 25. Juni 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2013 aufzuheben.

76

Die Beklagte beantragt,

77

die Klage abzuweisen.

78

Zur Begründung verweist die Beklagte auf die Ausführungen in den Bescheiden und trägt ergänzend vor: Die Entscheidung in Prüfungsangelegenheiten obliege dem Widerspruchsausschuss in Prüfungsangelegenheiten. Dessen Zusammensetzung ergebe sich aus § 66 Abs. 1 Satz 2 HmbHG. Es gehe nicht um die (Neu-)Bewertung der Dissertation, sondern darum, ob Fremdtexte ausreichend zitiert worden seien. Es bestehe kein prüfungsspezifischer Bewertungsspielraum. Der Widerspruchsausschuss sei keine Prüfungskommission. Die Beklagte habe keine formellen Mängel verschleiert, denn es habe keine formellen Mängel gegeben. Frau Prof. Dr. Y. habe keine Fehler in dem Verfahren eingeräumt, der Kläger habe auch nicht mitgeteilt, um welche Fehler es sich gehandelt habe. Die „Rettungslösung“ beinhalte keinen Vergleich mit „Generalquittungscharakter“. An eine etwaige Zusicherung sei sie, die Beklagte, auch nicht mehr gebunden. Die Stellungnahme des Prof. Dr. A. sei hinreichend gewürdigt worden. Es sei bereits in zeitlicher Hinsicht nicht plausibel, dass Prof. Dr. A. vom Kläger abgeschrieben habe und nicht umgekehrt. Die Entziehung des Doktorgrads sei auch nicht wegen Art. 12 Abs. 1 GG unverhältnismäßig; gravierende Fälle wissenschaftlicher Unredlichkeit bedürften einer wirkungsvollen Reaktion. Der Promotionsausschuss habe auch erkannt, dass dem Kläger mit dem Entzug des Doktorgrads die Grundlage seiner Habilitation entzogen werde. Mildere Maßnahmen kämen nicht in Betracht. Die Neueinreichung einer Dissertation oder eine Sammeldissertation erforderten ein neues Promotionsverfahren. Eine erst jetzt bekannt gewordene Erkrankung des Klägers habe bei der Ermessensausübung ohnehin nicht berücksichtigt werden dürfen.

79

Beigezogen und zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung wurden gemacht: die veröffentliche Fassung der vom Kläger vorgelegten Dissertation, die Promotionsakte in zwei Bänden, der Widerspruchsvorgang, ein Ordner mit Quellentexten, die Habilitationsakte in zwei Bänden, sowie die Ermittlungsakte der Staatsanwaltschaft Hamburg, …. Auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Akten wird wegen der weiteren Einzelheiten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

I.

80

Die zulässige Anfechtungsklage, mit welcher der Kläger gemäß §§ 42 Abs. 1 Alt. 1, 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO den Bescheid vom 25. Juni 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2013 anficht, ist nur im Umfang von Ziffer 2 des Bescheidtenors auch begründet (hierzu unter 2.), im Umfang von Ziffer 1 des Bescheidtenors ist sie unbegründet (hierzu unter 1.).

81

1. Soweit der Kläger den Regelungsgehalt unter Ziffer 1 des Bescheidtenors anficht, ist die Klage nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO unbegründet. Denn in diesem Umfang ist der Bescheid vom 25. Juni 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2013 objektiv rechtmäßig oder verletzt den Kläger zumindest nicht in seinen subjektiven Rechten. Der angefochtene Bescheid ist unter Ziffer 1 seines Tenors darauf gerichtet, die mit Urkunde vom 28. Januar 1998 vollzogene Verleihung des Doktorgrads an den Kläger als „actus contrarius“ rückgängig zu machen (hierzu unter a.). Dafür besteht in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt (hierzu unter b.) eine Befugnisnorm (hierzu unter c.). Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig oder leidet zumindest nicht an einem formellen Fehler, der i.S.d. § 46 HmbVwVfG erheblich wäre und einen Aufhebungsanspruch des Klägers tragen könnte (hierzu unter d.). Der angefochtene Bescheid ist zudem materiell rechtmäßig sowohl im Hinblick auf die tatbestandlichen Anforderungen der Befugnisnorm (hierzu unter e.) als auch im Hinblick auf die Rechtsfolge der Befugnisnorm (hierzu unter f.).

82

a. Der angefochtene Bescheid ist unter Ziffer 1 seines Tenors darauf gerichtet, die Verleihung des Doktorgrads an den Kläger rückgängig zu machen. Im Bescheidtenor kommt zum Ausdruck, dass ein „actus contrarius“ zur Promotion des Klägers gesetzt werden soll.

83

Die mehrfache Formulierung im Bescheidtenor „zurückgenommen“, „aberkannt“ und „entzogen“ nimmt die Normen in Bezug, die zur Rechtfertigung eines „actus contrarius“ in Betracht zu ziehen sind. Nach § 48 Abs. 1 HmbVwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt „zurückgenommen“ werden. Nach § 18 Abs. 2 Satz 1 der Promotionsordnung der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg (v. 7.7.2010, Amtl. Anz. S. 2620 – PromO 2010) kann ein Doktorgrad „nachträglich aberkannt und entzogen“ werden. Im Bescheid vom 25. Juni 2012 wird zu Recht angenommen, dass die Aberkennung und Entziehung des Doktorgrads als Rücknahme eines Verwaltungsaktes anzusehen seien.

84

Ebenso wenig ist zwischen nachträglicher Aberkennung einerseits und Entziehung des Doktorgrads andererseits zu unterscheiden. Eine solche Unterscheidung kennen weder die amtliche Normüberschrift „Verfahren bei Täuschung und Aberkennung des Grades einer Doktorin oder eines Doktors“ noch die Vorschrift des § 18 Abs. 2 Satz 2 PromO 2010, nach der „eine solche Aberkennung“ insbesondere in dem dort bezeichneten Fall erfolgt, noch die Vorschrift des § 18 Abs. 3 PromO 2010, die für die Aberkennung des Grades einer Doktorin oder eines Doktors im Übrigen auf die gesetzlichen Bestimmungen verweist. Die Satzungsrechtslage ist insoweit nicht vergleichbar mit der in dem vom Verwaltungsgericht Düsseldorf (Urt. v. 20.3.2014, 15 K 2271/13, juris Rn. 42) entschiedenen Fall, in dem § 20 der dort einschlägigen Promotionsordnung für eine „Ungültigerklärung“ der Promotionsleistung eine eigenständige Befugnisnorm darstellte, während § 21 der dort einschlägigen Promotionsordnung für die „Rücknahme“ oder „Entziehung“ des Doktorgrads auf das Verwaltungsverfahrensgesetz des Landes verwies.

85

b. Maßgeblich für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Rücknahme ist hier der Zeitpunkt der Entscheidung des Widerspruchsausschusses in Prüfungsangelegenheiten über den Widerspruch am 30. April 2013. Wenn kein Widerspruchsverfahren durchzuführen ist, ist der maßgebliche Zeitpunkt im Hinblick auf die Rücknahme der Verleihung eines Doktorgrads derjenige des Erlasses des Bescheides (OVG Berlin-Brandenburg, Urt. v. 12.5.2016, OVG 5 B 11.15, juris Rn. 38; VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, 15 K 2271/13, juris Rn. 39; VG Karlsruhe, Urt. v. 4.3.2013, 7 K 3335/11, juris Rn. 28), sonst der Zeitpunkt des Erlasses des Widerspruchsbescheids (VGH Mannheim, Urt. v. 19.4.2000, 9 S 2435/99, juris Rn. 22). Anwendung findet der Grundsatz, dass der Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung für die Begründetheit einer Anfechtungsklage maßgeblich ist. Die für Dauerverwaltungsakte anerkannte Ausnahme von diesem Grundsatz greift für den Verwaltungsakt, der auf die Rücknahme eines anderen Verwaltungsakts gerichtet ist, nicht ein. Denn die Rücknahme zielt nicht als Dauerverwaltungsakt auf eine andauernde, der ständigen Aktualisierung unterworfene Regelung ab, sondern ihrem zeitlichen Regelungsgehalt nach punktuell auf eine einmalige Rechtsfolge, hier die rückwirkende Aufhebung der Verleihung des akademischen Grads.

86

c. Die „nachträgliche Aberkennung und Entziehung“ bzw. inhaltsgleich die „Rücknahme“ der Verleihung des Doktorgrads (dazu s.o. a.) gründen im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung (dazu s.o. b.) auf eine Befugnisnorm. Entgegen der von der Beklagten noch im Widerspruchsbescheid geäußerten Rechtsauffassung kann die Maßnahme nicht auf „§ 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1, 1. Variante i.V.m. § 48 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 48 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 19 PromO 1972“ gestützt werden. Dahinstehen kann, ob sich die Befugnis zur Rücknahme aus der besonderen Satzungsbestimmung des § 18 Abs. 2 PromO 2010 (hierzu unter aa.) oder aus der nachrangig anwendbaren Gesetzesbestimmung des § 48 Abs. 1 HmbVwVfG ergibt (hierzu unter bb.).Der damit gegenüber der Begründung des Widerspruchsbescheids vorgenommene Austausch der Ermächtigungsgrundlage ist unbedenklich (hierzu unter cc.).

87

aa. Die Frage kann offen bleiben, ob die Satzungsbestimmung des § 18 Abs. 2 PromO 2010 allein eine hinreichende Ermächtigung zur Rücknahme der Promotion bietet.

88

Der rechtstaatliche Vorbehalt des Gesetzes verlangt nicht, die Ermächtigungsgrundlage für die Entziehung eines Doktorgrads in einem förmlichen Parlamentsgesetz zu regeln (OVG Münster, Urt. v. 10.12.2015, 19 A 254/13, juris Rn. 75 ff.). Das Hamburgische Hochschulgesetz (v. 18.7.2001, HmbGVBl. S. 171 m. spät. Änd. – HmbHG) ermächtigt in § 91 Abs. 2 Nr. 1 HmbHG zum Erlass einer Hochschulprüfungsordnung, die gemäß § 60 Abs. 1 HmbHG Prüfungsanforderungen und Prüfungsverfahren regelt. Gemäß § 59 Abs. 1 HmbHG zählt die Promotion, mit der die Befähigung zu wissenschaftlicher Arbeit nachgewiesen wird, zu den Hochschulprüfungen. Der Aufnahme von Regelungen über die Entziehung der Promotion als „actus contrarius“ in die Promotionsordnung steht die nicht abschließende Aufzählung der Mindestinhalte der Prüfungsordnung in § 60 Abs. 2 HmbHG nicht entgegen. Auch bei der Rücknahme eines verliehenen Doktorgrades handelt es sich um eine Hochschulprüfungen betreffende Angelegenheit (VGH Mannheim, Beschl. v. 3.2.2014, 9 S 885/13,ESVGH 64, 166, juris Rn. 7).

89

Nach § 18 Abs. 1 PromO 2010 kann der Promotionsausschuss nach Anhörung des oder der Betroffenen die Promotion für nicht bestanden erklären, wenn die Doktorandin oder der Doktorand im Promotionsverfahren eine vorsätzliche Täuschung begangen hat. Ist der Grad einer Doktorin oder eines Doktors zum Zeitpunkt des Bekanntwerdens einer solchen Täuschung bereits verliehen, so kann er nach § 18 Abs. 2 Satz 1 PromO 2010 vom Promotionsausschuss nach vorheriger Anhörung des Betroffenen oder der Betroffenen nachträglich aberkannt und entzogen werden. Eine solche Aberkennung erfolgt nach § 18 Abs. 2 Satz 2 PromO 2010 insbesondere dann, wenn die Täuschung Leistungen in solchen Teilen der Promotion betrifft, die für die Bewertung der Dissertation oder Disputation oder die Gesamtnote einen wichtigen Stellenwert hatten. Nach § 18 Abs. 3 PromO 2010 gelten für die Aberkennung des Grades einer Doktorin oder eines Doktors im Übrigen die gesetzlichen Bestimmungen.

90

In zeitlicher Hinsicht kann die Befugnisnorm nur der im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung über die Rücknahme (dazu s.o. b.) geltenden Promotionsordnung und nicht der bei Verleihung des Doktorgrads am 28. Januar 1998 geltenden Promotionsordnung des Fachbereichs Rechtswissenschaft I der Universität Hamburg (v. 9.2.1972, Amtl. Anz. 1974, S. 377, berichtigt S. 457, m. spät. Änd. – PromO 1972) entnommen werden. Ebenso ist eine Anwendung der zwischenzeitlich in Geltung befindlichen Promotionsordnung des Fachbereichs Rechtswissenschaft der Universität Hamburg (v. 20.5.1998, Amtl. Anz. S. 1978; m. Änd. v. 31.5.2000, Amtl. Anz. 2001, S. 4610, v. 5.2.2003, Amtl. Anz. S. 1411 – PromO 1998) ausgeschlossen. Ausgangspunkt sind die im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung geltenden Inkrafttretens- und Übergangsregelungen in § 20 PromO 2010. Nach dem Grundsatz des § 20 Abs. 1 PromO 2010 trat diese Promotionsordnung am 22. Dezember 2010 als dem Tag nach der Bekanntmachung in Kraft. Eine Ausnahmeregelung davon enthält § 20 Abs. 2 PromO 2010, wonach sie für Promotionsverfahren gilt, für welche die Zulassung nach dem Tag der Bekanntmachung beantragt wird. Im Umkehrschluss gilt diese Promotionsordnung nicht für Promotionsverfahren, für welche die Zulassung vor dem 22. Dezember 2010 beantragt worden ist. Diese Ausnahme findet jedoch nur auf Promotionsverfahren Anwendung. Dies sind ausweislich der Regelung über die Zulassung zum Promotionsverfahren in § 3 PromO 2010 nur solche Verfahren, in denen über die Verleihung des Doktorgrads entschieden wird, nicht jedoch Promotionsentziehungsverfahren, in denen über die Rücknahme der Verleihung des Doktorgrads entschieden wird. Für Promotionsentziehungsverfahren verbleibt es nach dem Grundsatz des § 20 Abs. 1 PromO 2010 bei der Anwendung des neuen Rechts.

91

bb. Böte die Satzungsbestimmung des § 18 Abs. 2 PromO 2010 keine hinreichende Ermächtigung zur Rücknahme der Verleihung des Doktorgrads, so ergäbe sich die Befugnis aus der allgemeinen Gesetzesbestimmung des § 48 Abs. 1 HmbVwVfG.

92

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 HmbVwVfG kann ein rechtswidriger Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Nach § 48 Abs. 1 Satz 2 HmbVwVfG darf ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt) jedoch nur unter den Einschränkungen des § 48 Abs. 2 bis 4 HmbVwVfG zurückgenommen werden.

93

Unter der Annahme einer Unanwendbarkeit des § 18 Abs. 2 PromO 2010 ist der Anwendungsbereich des Hamburgischen Verwaltungsverfahrensgesetzes nach § 1 Abs. 1 Nr. 2 HmbVwVfG grundsätzlich eröffnet, da die Tätigkeit der Beklagten als einer der Aufsicht der Freien und Hansestadt Hamburg unterstehenden juristische Person des öffentlichen Rechts in Rede steht. Unter der vorstehenden Annahme enthalten die Rechtsvorschriften der Freien und Hansestadt Hamburg keine inhaltsgleichen oder entgegenstehenden Bestimmungen. Die vormalige spezialgesetzliche Grundlage für den Entzug akademischer Grade in § 4 Abs. 1 des Gesetzes über die Führung akademischer Grade (v. 7.6.1939, RGBl. I S. 985 m. spät. Änd.), die zunächst gemäß Art. 123 ff. GG als Landesrecht fort galt (BVerwG, Urt. v. 26.2.1960, VII C 198.59, BVerwGE 10, 195, juris , vgl. Beschl. v. 7.9.1990, 7 B 127/90, Buchholz 421.11 § 4 GFaG Nr. 2; Schroeder, NWVBl. 2010, 176 <177> m.w.N.) ist durch Art. 6 Nr. 3 des Hochschulrechtsänderungsgesetzes (v. 18.4.1991, HmbGVBl. S. 139, 217) für Hamburg aufgehoben worden.

94

Ein Anwendungsausschluss durch § 2 Abs. 3 Nr. 2 HmbVwVfG greift jedenfalls nicht ein: Die Anwendung des Gesetzes ist nach dieser Vorschrift für die Tätigkeit der Behörden „bei“ Leistungs-, Eignungs- und ähnlichen Prüfungen von Personen zwar beschränkt, umfasst aber ausdrücklich § 48 HmbVwVfG. Unabhängig davon ist das Promotionsentziehungsverfahren keine Tätigkeit „bei“ einer Prüfung i.S.d. § 2 Abs. 3 Nr. 2 HmbVwVfG, da der Anwendungsausschluss nicht allgemeine Verfahrensfragen außerhalb der spezifischen Prüfungssituation betrifft (VG Hamburg, Urt. v. 5.1.2016, 2 K 3911/14, juris Rn. 43).

95

Bei der allgemeinen Bestimmung über die Rücknahme in den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder handelt es sich um eine im Sinne des Vorbehalts des Gesetzes und der Wesentlichkeitstheorie hinreichende Ermächtigung für die Rücknahme der Verleihung eines akademischen Grades. Die Kammer schließt sich der höchstrichterlichen Rechtsprechung an (BVerwG, Beschl. v. 20.10.2006, 6 B 67/06, Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 116, juris Rn.4). Nach dieser ist die Grundentscheidung über die Rücknahme von Verwaltungsakten in den Verwaltungsverfahrensgesetzen der Länder hinreichend getroffen und gelten selbst bei statusbegründenden, auf lange Dauer angelegten Verwaltungsakten unter dem Gesichtspunkt der Wesentlichkeit keine gesteigerten Anforderungen an die gesetzliche Ausgestaltung einer Rücknahme.

96

cc. Der Bescheid vom 25. Juni 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2013 lässt sich wahlweise auf § 18 Abs. 2 PromO 2010 oder § 48 Abs. 1 HmbVwVfG stützen, obwohl der Widerspruchsausschuss für Prüfungsangelegenheiten im Widerspruchsbescheid zu Unrecht ausgeführt hat, die „Tatbestandsvoraussetzungen des insoweit maßgeblichen § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1, 1. Variante i.V.m. § 48 Abs. 3 Satz 2 i.V.m. § 48 Abs. 1 VwVfG i.V.m. § 19 PromO 1972“ seien erfüllt.

97

Da sich die Ermessensausübung immer vom Zweck der Rechtsgrundlage leiten lassen muss, ist der Austausch der Rechtsgrundlage bei einem Ermessensverwaltungsakt dann möglich, wenn die von der Behörde irrtümlich benannte und die richtige Rechtsgrundlage zweckgleich sind (vgl. OVG Hamburg, Urt. v. 11.4.2013, 4 Bf 141/11, NordÖR 2014, 36, juris Rn. 50; VGH München, Urt. v. 16.1.1975, 40 VIII 74, BayVBl. 1978, 180). Diese Voraussetzung ist in jeder Hinsicht erfüllt:

98

Die (nach § 1 Abs. 1 und 4 VwVfG nicht anwendbare) bundesrechtliche Vorschrift des § 48 Abs. 1 VwVfG ist zweckgleich mit der (nach § 1 Abs. 1 HmbVwVfG nachrangig anwendbaren) wortlaut- und inhaltgleichen Parallelvorschrift des Landesrechts in § 48 Abs. 1 HmbVwVfG über die Rücknahme rechtswidriger Verwaltungsakte.

99

Für die Satzungsbestimmung über die Aberkennung und Entziehung des Doktorgrads wegen vorsätzlicher Täuschung im Promotionsverfahren nach § 18 Abs. 2 PromO 2010 gilt nichts anderes. Ebenso wie die Rücknahmevorschriften in den parallelen Verwaltungsverfahrensgesetzen des Bundes und der Länder dem Ausgleich zwischen der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Rechtssicherheit dienen (vgl. Sachs, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 48 Rn. 28 ff.) ist bei der Ausübung des Ermessens nach der Satzungsbestimmung des § 18 Abs. 2 PromO 2010 zwischen der dem öffentlichen Interesse dienenden Herstellung rechtmäßiger Zustände durch Aufhebung der rechtswidrigen Verleihung des Doktorgrads und dem privaten Interesse des Promovenden an dem Erhalt des Doktorgrads abzuwägen. In Bezug auf die Rücknahme der Verleihung eines akademischen Grads des Doktors dient § 48 Abs. 1 HmbVwVfG dem Ansehen der betroffenen Hochschule und dem Ansehen der Rechtswissenschaft (so zur Parallelvorschrift Art. 48 Abs. 1 BayVwVfG: BVerwG, Beschl. v. 20.10.2006, 6 B 67.06, Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 116, juris Rn. 6).

100

Die Nennung der als solche kein Ermessen einräumenden Norm des § 19 PromO 1972 neben § 48 Abs. 1 (Hmb)VwVfG im Widerspruchsbescheid ist deshalb unschädlich, weil der Widerspruchsausschuss lediglich gemeint hat, die Tatbestandsvoraussetzungen auch nach § 19 PromO 1972 seien erfüllt. Seine Ermessenserwägungen hat der Widerspruchsbescheid hingegen auf § 48 Abs. 1 Satz 1 (Hmb)VwVfG gestützt.

101

d. Der angefochtene Bescheid ist formell rechtmäßig oder leidet zumindest nicht an einem solchen formellen Fehler, der i.S.d. § 46 HmbVwVfG erheblich wäre und einen Aufhebungsanspruch des Klägers tragen könnte. Formelle Fehler des Promotionsentziehungsverfahrens können sich aus dem Habilitationsverfahren des Klägers bereits im Ansatz nicht ergeben (hierzu unter aa.). Das Vorliegen eines bestimmten formellen Fehlers ist nicht aufgezeigt, soweit der Kläger vorgetragen hat, das Mitglied des Widerspruchsausschusses Prof. Dr. Y. habe in der Erörterung vor dem Widerspruchsausschuss Zweifel an der Rücknahme geäußert und formelle Fehler im Verfahren eingeräumt. Etwaige formelle Fehler bei Erlass des Bescheids vom 25. Juni 2012 sind nach Bescheidung des Widerspruchs, wenn nicht geheilt, so doch zumindest nicht länger beachtlich (hierzu unter bb.). Bei Erlass des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2013 wurde den formellen Anforderungen Genüge getan (hierzu unter cc.).

102

aa. Die Vorgänge in dem vom Habilitationsausschuss unter dem Vorsitz des Dekans durchzuführenden und noch nicht abgeschlossenen Habilitationsverfahren des Klägers sind insoweit nicht zu prüfen, da sie auf die formelle Rechtmäßigkeit der Rücknahme der Verleihung des Doktorgrads durch den Bescheid vom 25. Juni 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2013 keinen Einfluss haben. Das Habilitationsverfahren, zu dem der Kläger unter dem 15. Januar 2008 zugelassen worden ist und das seinen Abschluss noch nicht gefunden hat, ist ein Hochschulprüfungsverfahren nach § 59 Abs. 1 HmbHG, das zum Gegenstand hat, ob der Kläger habilitiert und mit einer Lehrbefugnis (venia legendi) ausgestattet wird. Es handelt sich um ein nach § 9 i.V.m. § 2 Abs. 3 Nr. 2 HmbVwVfG mangels Erlass eines Verwaltungsaktes noch nicht abgeschlossenes Verwaltungsverfahren in der Gremienzuständigkeit des Habilitationsausschusses (gemäß § 20 Satz 3 der Habilitationsordnung der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg v. 14.4.2010, Amtl. Anz. S. 2676, i.V.m. § 6 der Habilitationsordnung der Fakultät für Rechtswissenschaft der Universität Hamburg v. 7.5.1999/14.5.2001, Amtl. Anz. 2001, S. 2458). Davon zu unterscheiden ist das in der Gremienzuständigkeit des Promotionsausschusses durchgeführte Promotionsentziehungsverfahren, das als Verwaltungsverfahren mit dem Erlass des Verwaltungsaktes über die Rücknahme der Verleihung des akademischen Grads des Doktors seinen Abschluss gefunden hat. Alle Maßnahmen, die der Befassung des Promotionsausschusses vorausliegen, können nicht zur Rechtswidrigkeit des Rücknahmeverfahrens führen, da sie nicht Bestandteil des mit dem angefochtenen Bescheid abgeschlossenen Verwaltungsverfahrens sind (vgl. VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, 15 K 2271/13, juris Rn. 45 f.).

103

bb. Jedenfalls wäre ein etwaiger formeller Fehler bei Erlass des Bescheids vom 25. Juni 2012 mit Erlass des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2013 nach § 46 HmbVwVfG unbeachtlich. Nach dieser Vorschrift kann die Aufhebung eines Verwaltungsaktes, der nicht nach § 44 HmbVwVfG nichtig ist, nicht allein deshalb beansprucht werden, weil er unter Verletzung von Vorschriften über das Verfahren, die Form oder die örtliche Zuständigkeit zustande gekommen ist, wenn offensichtlich ist, dass die Verletzung die Entscheidung in der Sache nicht beeinflusst hat. Unter der Annahme eines formellen Fehlers bei Erlass des Bescheids vom 25. Juni 2012 sind diese Voraussetzungen einer Unbeachtlichkeit gegeben. Ein Nichtigkeitsgrund nach § 44 HmbVwVfG ist nicht ersichtlich. Ein Mangel in der sachlichen Zuständigkeit, der nicht nach § 46 HmbVwVfG als unbeachtlich angesehen werden könnte, liegt nicht vor (hierzu unter (1)). Eine etwaige Verletzung von Vorschriften über das Verfahren bei Erlass des Bescheids vom 25. Juni 2012 wäre nach Durchführung des Widerspruchsverfahrens unbeachtlich (hierzu unter (2)).

104

(1) Die Zuständigkeiten bei Erlass des Bescheids vom 25. Juni 2012 sind gewahrt. Nach allgemeinen Regeln lag die Verbandszuständigkeit für die Rücknahme bei der beklagten Hochschule als Rechtsträgerin des vormaligen Fachbereichs Rechtswissenschaft I, dessen Sprecher den zurückgenommenen Verwaltungsakt der Verleihung des Doktorgrads am 28. Januar 1998 ausgefertigt hatte. In dem Verwaltungsverfahren, das nach § 9 HmbVwVfG mit der Rücknahme als Verwaltungsakt am 25. Juni 2012 abschloss, hat mit dem Dekanat der Fakultät für Rechtswissenschaft das zuständige Organ als Ausgangsbehörde den angefochtenen Bescheid ausgefertigt und zwar in Vollziehung der vom Promotionsausschuss als zuständigem Gremium getroffenen Rücknahmeentscheidung. Im Einzelnen:

105

Die Zuständigkeit als Ausgangsbehörde lag bei einem Organ der Fakultät für Rechtswissenschaft, da der jeweiligen Fakultät der Universität Hamburg gemäß § 89 Abs. 1 Satz 1 HmbHG auf ihrem Gebiet die Wahrnehmung der Aufgaben in Lehre, Forschung und Entwicklung und dafür notwendige Verwaltungsaufgaben obliegen und die Fakultät gemäß § 89 Abs. 1 Satz 4 HmbHG eine eigene Verwaltung unterhält. Die Fakultät für Rechtswissenschaft ist als Untergliederung der Beklagten nach § 89 Abs. 1 Satz 1 HmbHG an die Stelle des vormaligen Fachbereichs Rechtswissenschaft I getreten, dessen Sprecher die Promotionsurkunde zugunsten des Klägers ausgefertigt hatte. Organe der Fakultät sind gemäß § 89 Abs. 1 Satz 2 HmbHG das Dekanat und der Fakultätsrat. Die Aufzählung ist abschließend, die Hochschulen dürfen keine weiteren Organe der Fakultäten schaffen (Drexler, in Neukirchen/Reußow/Schomburg, Hamburgisches Hochschulgesetz, 1. Aufl. 2011, § 89 Rn. 6). Das Dekanat nahm nach § 90 Abs. 6 Nr. 8 HmbHG (in der bis 30.6.2014 gültigen Fassung, nunmehr § 90 Abs. 6 Nr. 7 HmbHG) alle Aufgaben der Fakultät wahr, die nicht vom Fakultätsrat wahrzunehmen sind. Eine Zuständigkeit des Fakultätsrats nach dem Katalog des § 91 Abs. 2 HmbHG war nicht begründet. Keine Bedenken erheben sich gegen ein Tätigwerden des Dekans als Behördenleiter. Dies geht im Umkehrschluss daraus hervor, dass nach § 90 Abs. 2 Satz 2 HmbHG die Dekanin oder der Dekan den Prodekaninnen und Prodekanen einen eigenen Aufgabenbereich überträgt, mithin selbst über ihren oder seinen Aufgabenbereich entscheidet.

106

Die vor Erlass des Verwaltungsaktes im Außenverhältnis durch das Dekanat als Ausgangsbehörde fakultätsintern erforderliche Gremienentscheidung des Promotionsausschusses liegt vor. Die interne Zuständigkeit des Promotionsausschusses der Fakultät für Rechtswissenschaft zur Entscheidung über die Rücknahme folgt aus § 63 Abs. 1 Satz 2 HmbHG i.V.m. § 18 Abs. 2 Satz 1 PromO 2010. Der Promotionsausschuss ist durch § 2 Abs. 1 Satz 1 PromO 2010 für die Promotion, die nach § 59 Abs. 1 HmbHG zu den Hochschulprüfungen zählt, als Prüfungsausschuss i.S.d. § 63 Abs. 1 HmbHG bestimmt. Dem Prüfungsausschuss obliegen gemäß § 63 Abs. 1 Satz 1 HmbHG die Organisation der Prüfung und gemäß § 63 Abs. 1 Satz 2 HmbHG weitere durch die Prüfungsordnung übertragene Aufgaben. Die Aufgabe zur Entscheidung über die nachträgliche Aberkennung und Entziehung ist dem Promotionsausschuss durch die Satzungsbestimmung des § 18 Abs. 2 Satz 1 PromO 2010 übertragen, die auf das Promotionsentziehungsverfahren des Klägers zeitlich anwendbar ist (s.o. c. aa.).

107

Gegen die Zuständigkeit des Promotionsausschusses für die Entscheidung über die Rücknahme bestehen aus dem höherrangigen Recht auch nicht deshalb Bedenken, weil in ihm nach § 63 Abs. 1 Satz 4 HmbHG die stimmberechtigte Mitwirkung von Studierenden vorzusehen ist. Der Prüfungsausschuss ist nicht zu verwechseln mit der Prüfungskommission (Delfs, in Neukirchen/Reußow/Schomburg, HmbHG, 1. Aufl. 2011, § 63 Rn. 2). Denn für die Bewertung von Prüfungsleistungen ist der Prüfungsausschuss nach § 63 Abs. 1 Satz 3 HmbHG ausdrücklich nicht zuständig. Deshalb war es nicht geboten, dass die Mitglieder des Promotionsausschusses mindestens die durch die Prüfung festzustellende oder eine gleichwertige Qualifikation besitzen, wie § 64 Abs. 1 HmbHG für die Prüferinnen und Prüfer in einer Hochschulprüfung verlangt. Entgegen der vom Kläger vorgebrachten Auffassung geht es nicht um eine „wissenschaftsbasierte Entscheidung“. Bei der Entziehung der Promotion steht nicht eine inhaltliche Bewertung der Dissertation in Rede, sondern die Klärung der Frage, ob die Dissertation wissenschaftlichen Mindeststandards genügt (BVerwG, Beschl. v. 20.10.2006, 6 B 67/06, Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 116, juris Rn. 5), ohne dass ein prüfungsspezifischer Beurteilungsspielraum bestünde (OVG Münster, Urt. v. 10.12.2015, 19 A 254/13, juris Rn. 28; VG Karlsruhe, Urt. v. 4.3.2013, 7 K 3335/11, juris Rn. 28).

108

Es ist entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht aus der Schwere des Eingriffs in seine Rechte zu begründen, dass der Promotionsausschuss nur beratend habe tätig werden dürfen. Ein Vorrang des Dekanats oder des Fakultätsrats bei einer für den Betroffenen bedeutsamen Einzelfallentscheidung ergibt sich aus höherrangigem Recht nicht. Die zunächst vom Promotionsausschusses aufgrund seiner Gremienzuständigkeit getroffene Entscheidung über die Rücknahme unterliegt letztlich ohnehin der vollen Überprüfung an den Maßstäben nicht nur der Rechtmäßigkeit, sondern auch der Zweckmäßigkeit durch den zuständigen Widerspruchsausschuss in Prüfungsangelegenheiten (dazu s.u. dd. (1)).

109

(2) Eine etwaige Verletzung von Vorschriften über das Verfahren bei Erlass des Bescheids vom 25. Juni 2012 wäre nach Durchführung des Widerspruchsverfahrens unbeachtlich. Gegenstand der gerichtlichen Überprüfung ist nach § 79 Abs. 1 Nr. 1 VwGO der ursprüngliche Verwaltungsakt in der Gestalt, die er durch den Widerspruchsbescheid gefunden hat. Nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung kann insbesondere die Frage einer Befangenheit im ursprünglichen Verfahren in den Fällen offenbleiben, in denen die Widerspruchsbehörde einen Rücknahmebescheid vollständig überprüft und durch eine selbstständige Sachentscheidung bestätigt hat (BVerwG, Urt. v. 28.5.2015, 1 C 24/14, BVerwGE 152, 164, juris Rn. 15 m.w.N.). Ausgehend von dieser Rechtsprechung fehlt es im vorliegenden Fall an dem erforderlichen Kausalzusammenhang zwischen einem etwaigen formellen Fehler und der in der Gestalt des Widerspruchsbescheides zur gerichtlichen Prüfung gestellten Rücknahmeentscheidung. Der Widerspruchsausschuss hat den Rücknahmebescheid anhand der Maßstäbe der Rechtmäßigkeit sowie der Zweckmäßigkeit vollständig überprüft und durch eine selbständige Sachentscheidung bestätigt. Dem Promotionsausschuss kam kein von der Widerspruchsbehörde zu achtender prüfungsspezifischer Beurteilungsspielraum zu (dazu s.o. (1)). Der Widerspruchsausschuss hat den ihm zustehenden Entscheidungsspielraum auch ausgeschöpft. Im Einzelnen hat er ausweislich des Widerspruchsbescheids (S. 9-11) sein Ermessen ausgeübt und in die vorgenommene Abwägung insbesondere folgende Gesichtspunkte eingestellt: die Einschränkung des Vertrauensschutzes bei arglistiger Täuschung, die berufliche Situation des Klägers und der drohende Reputationsverlust, die Wahrung wissenschaftlicher Standards, das Fehlen eines Vergleichsschlusses mit „Generalquittungscharakter“ und die entstandenen Indiskretionen.

110

cc. Den formellen Anforderungen wurde jedenfalls bei Erlass des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2013 Genüge getan. Die Zuständigkeiten sind gewahrt (hierzu unter (1)). Der Mitwirkung der Mitglieder des Widerspruchsausschusses stand keine Besorgnis der Befangenheit entgegen (hierzu unter (2)). Die gebotene Anhörung des Klägers hat stattgefunden (hierzu unter (3)).

111

(1) Die Verbandszuständigkeit für die Bescheidung des Widerspruchs in Selbstverwaltungsangelegenheiten nach § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 VwGO lag in Ermangelung einer abweichenden gesetzlichen Regelung bei der Beklagten. Die behördliche Zuständigkeit lag, nachdem der Promotionsausschuss beschlossen hatte, dem Widerspruch nicht nach § 72 VwGO abzuhelfen, beim Widerspruchsausschuss in Prüfungsangelegenheiten. Dies folgt aus § 73 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 a.E. VwGO i.V.m. § 66 Abs. 1 Satz 1 HmbHG in der zum Zeitpunkt der Widerspruchsentscheidung maßgebenden Fassung. Danach entscheidet über Widersprüche in Prüfungsangelegenheiten der Widerspruchsausschuss. Diesem gehören gemäß § 66 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und Nr. 2, Abs. 2 Satz 1 HmbHG als Vorsitzender ein Mitglied des Technischen, Bibliotheks- und Verwaltungspersonals (TVP) mit der Befähigung zum Richteramt und als Beisitzer eine Professorin oder ein Professor sowie eine Studierende oder ein Studierender der Fachrichtung, in der die Prüfung durchgeführt worden ist, an. Die Rücknahme der Verleihung des Doktorgrads betrifft eine Prüfungsangelegenheit i.S.d. § 66 Abs. 1 Satz 1 HmbHG. Denn die Promotion, um deren Rückgängigmachung es geht, zählt nach § 59 Abs. 1 HmbHG zu den Hochschulprüfungen (s.o. c. aa.). Der Zuständigkeit des Widerspruchsausschusses für die Entscheidung über einen Widerspruch gegen die Entziehung des Doktorgrads steht dabei nicht entgegen, dass weder der Vorsitzende des Widerspruchsausschusses noch der studentische Beisitzer selbst promoviert sein müssen. Die Qualifikation, um deren Rücknahme es geht, ist bei den Mitgliedern des Widerspruchsausschusses deshalb nicht zu fordern, weil die Rücknahme eines akademischen Grads nicht als Prüfungsentscheidung unter Ausübung eines prüfungsspezifischen Spielraums ergeht (dazu s.o. bb. (1)).

112

(2) Hinsichtlich der Mitglieder des Widerspruchsausschusses bestand keine Besorgnis der Befangenheit. Eine der Mitwirkung am Verwaltungsverfahren entgegenstehende Besorgnis der Befangenheit setzt § 21 Abs. 1 Satz 1 HmbVwVfG einen Grund voraus, der geeignet ist, Misstrauen gegen eine unparteiische Amtsausübung zu rechtfertigen. Ein solcher Grund bestand weder allgemein wegen der Zugehörigkeit zweier Mitglieder des Widerspruchsausschusses zur Fakultät für Rechtswissenschaft (hierzu unter (a)) noch im Besonderen wegen der Stellung eines Mitglieds des Widerspruchsausschusses als Promotionsstudent (hierzu unter (b)).

113

(a) Entgegen der Annahme des Klägers, dass wegen aufgetretener Indiskretionen die „gesamte Fakultät“ befangen sei mit der Folge, dass niemand über die Rücknahme habe entscheiden dürfen, bestand nicht gegen alle Mitglieder der Fakultät die Besorgnis der Befangenheit und ist insofern das Recht auf ein faires Verfahren nicht verletzt.

114

Das Gesetz kennt keine institutionelle Befangenheit, sondern nur eine individuelle Befangenheit einzelner Personen (Schmitz, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 21 Rn. 2 i.V.m. § 20 Rn. 8). Eine Besorgnis der Befangenheit verlangt einen gegenständlichen, vernünftigen Grund, der die Beteiligten von ihrem Standpunkt aus befürchten lassen kann, dass der Amtsträger nicht unparteiisch sachlich, insbesondere nicht mit der gebotenen Distanz, Unbefangenheit und Objektivität entscheiden, sondern sich von persönlichen Vorurteilen oder sonstigen sachfremden Erwägungen leiten lassen könnte; nicht ausreichend ist die „Ahnung“ oder das „Gefühl“ eines Beteiligten oder rein querulatorisches Vorbringen; erforderlich ist vielmehr ein in der Person oder in der Art der Sachbehandlung liegender, benennbarer, rationaler Grund, der an Tatsachen anknüpft, die nach objektiven und vernünftigen Erwägungen geeignet sind, Zweifel an der unparteiischen Tätigkeit des Bediensteten zu wecken (Schmitz, a.a.O., § 21 Rn. 10 m.w.N.).

115

Nach diesem Maßstab war nicht jedes einzelne Mitglied der Fakultät für Rechtswissenschaft deshalb von einer Mitwirkung auszuschließen, weil es im Umfeld des Habilitationsverfahrens oder auch des Promotionsentziehungsverfahrens des Klägers zu Indiskretionen gekommen war. Indiskretionen aus einer Fakultät führen in aller Regel nicht dazu, dass gegen alle Mitglieder der Fakultät die Besorgnis der Befangenheit erhoben werden könnte. In Übereinstimmung damit hat das Verwaltungsgericht Düsseldorf, selbst nachdem ein Bericht, der im Entziehungsverfahren dem Promotionsausschuss vorgelegt worden war, auf ungeklärtem Wege an die Presse gelangt ist, keinen objektiven Anhaltspunkt für eine Besorgnis der Befangenheit der Mitglieder des für die Rücknahme zuständigen Fakultätsorgans gesehen (VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, 15 K 2271/13, juris Rn. 60).

116

Der alle Mitglieder der Fakultät für Rechtswissenschaft umfassende Personenkreis ist so weit gezogen, dass auch dann, wenn feststünde, dass sich ein namentlich unbekanntes Mitglied der Fakultät einer Verletzung des Dienstgeheimnis nach § 353b StGB schuldig gemacht hätte, kein vernünftiger Grund bestünde, der die Beteiligten von ihrem Standpunkt aus befürchten ließe, jedes Mitglied der Fakultät werde nicht unparteiisch sachlich, insbesondere nicht mit der gebotenen Distanz, Unbefangenheit und Objektivität entscheiden, sondern sich von persönlichen Vorurteilen oder sonstigen sachfremden Erwägungen leiten lassen. Aus objektiver Sicht ist der Verdachtsgrad hinsichtlich der Verletzung des Dienstgeheimnisses, der sich gegen jedes einzelne Mitglied der Fakultät allein aufgrund seiner Mitgliedschaft richtet, äußerst gering. Denn Mitglieder der Fakultät sind alle der Fakultät zugeordneten und nach § 91 Abs. 1 i.V.m § 10 Abs. 1 HmbHG im Fakultätsrat vertretenen Mitglieder der Hochschule, d.h. nach § 8 Abs. 1 Satz 1 HmbHG alle hauptberuflich Beschäftigten sowie immatrikulierten Studierenden einschließlich Doktorandinnen und Doktoranden. Aus dem durchgeführten Ermittlungsverfahren, …, das die Staatsanwaltschaft Hamburg gegen Unbekannt geführt und am 8. Januar 2013 eingestellt hat, weil kein Täter ermittelt werden konnte, ergibt sich keine Eingrenzung des in Betracht kommenden Personenkreises. Es ist nicht ersichtlich, welches bestimmte Mitglied der Fakultät für Indiskretionen verantwortlich war, schon gar nicht, dass es sich um einen der Beisitzer im Widerspruchsausschuss für Prüfungsangelegenheiten handelte.

117

(b) Eine Besorgnis der Befangenheit besteht entgegen der Auffassung des Klägers auch nicht deshalb, weil das Mitglied des Widerspruchsausschusses Z. zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Widerspruch Promotionsstudent an der Fakultät für Rechtswissenschaft war. Das Gesetz hat in § 66 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 HmbHG die Mitgliedschaft eines Studierenden der die Prüfungsangelegenheit betreffenden Fachrichtung im Widerspruchsausschuss zwingend vorgeschrieben. Nach der Wertung des Gesetzgebers begründet die damit einhergehende Beziehung zur Fakultät – immatrikulierte Studierende sind nach § 8 Abs. 1 Satz 1 HmbHG Mitglieder der Hochschule als Körperschaft – noch keine Besorgnis der Befangenheit, sondern gewährleistet für den verfahrensbeteiligten Prüfling die Mitwirkung eines „peers“, sie dient nach den Gesetzesmaterialien ausdrücklich der „Sicherung der Rechte der Studierenden“ (Bü-Drs. 16/5759, S. 48). Der Gesetzgeber hat in § 66 Abs. 1 Satz 4 HmbHG die Entscheidung getroffen, dass die Mitglieder des Widerspruchsausschusses nicht gleichzeitig dem zuständigen Prüfungsausschuss angehören dürfen. Daraus geht im Umkehrschluss hervor, dass sich der Gesetzgeber gegen andere besondere Ausschlussgründe entschieden hat.

118

(3) Dem sich aus § 18 Abs. 2 Satz 1 PromO 2010 und nachrangig aus § 28 Abs. 1 HmbVwVfG ergebenden Erfordernis, den Kläger zur Rücknahme der Promotion anzuhören, wurde Genüge getan. Soweit der Kläger gerügt hat, er sei vor dem Erlass des Ausgangsbescheids nur zu dem Vorwurf der arglistigen Täuschung angehört worden, nicht zu dem Vorwurf eines wissenschaftlichen Fehlverhaltens, auch fehle es an einer persönlichen Anhörung, muss der Frage nicht nachgegangen werden, ob die vom Promotionsausschuss durchgeführte Anhörung hinreichte. Denn ein Verfahrensfehler, der in einem etwaigen Anhörungsmangel gelegen hätte, wäre durch die Nachholung im Widerspruchsverfahren nach § 45 Abs. 2, Abs. 1 Nr. 3 HmbVwVfG geheilt. Im Widerspruchsverfahren ist der Kläger durch den Widerspruchsausschuss in Prüfungsangelegenheiten auch in Person angehört worden und hatte zuvor auch schriftlich Gelegenheit, zu den im ursprünglichen Bescheid erhobenen und im Widerspruchsbescheid bestätigten Vorwürfen Stellung zu nehmen. Eine Anhörung vor der Widerspruchsbehörde genügt. Die Widerspruchsbehörde ist bei Ermessensakten nur dann nicht imstande, die von der Ausgangsbehörde versäumte Anhörung wirksam nachzuholen, wenn sie entgegen der Regel des § 68 Abs. 1 VwGO durch ein Gesetz auf die Prüfung der Rechtmäßigkeit beschränkt ist, also im Gegensatz zur Ausgangsbehörde die Frage der Zweckmäßigkeit nicht beurteilen darf (BVerwG, Urt. v. 17.8.1982, 1 C 22/81, BVerwGE 66, 111, juris Rn. 18). Dieser Ausnahmefall liegt jedoch nicht vor, da insbesondere kein vom Widerspruchsausschuss zu achtender prüfungsspezifischer Beurteilungsspielraum gegeben ist (dazu s.o. bb. (1)).

119

e. In materieller Hinsicht sind die tatbestandlichen Anforderungen erfüllt, unter denen der Doktorgrad nach § 18 Abs. 2 Satz 1 PromO 2010 aberkannt und entzogen oder nach § 48 Abs. 1 HmbVwVfG zurückgenommen werden kann.

120

Eine Rücknahme der Promotion setzt nach § 48 Abs. 1 HmbVwVfG tatbestandlich die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes voraus, mit dem der Doktorgrad verliehen worden ist. Rechtswidrig ist dieser Verwaltungsakt insbesondere dann, wenn er auf einer vorsätzlichen Täuschung im Promotionsverfahren beruht. Ebenso setzen Aberkennung und Entziehung des Doktorgrads nach § 18 Abs. 2 Satz 1 PromO 2010 voraus, dass die Doktorandin oder der Doktorand im Promotionsverfahren vorsätzlich getäuscht hat. Der in dieser Prüfungsordnung verwendete Begriff der vorsätzlichen Täuschung knüpft an den Begriff der arglistigen Täuschung im allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht, hier in § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 HmbVwVfG, an (entsprechend die Auslegung des OVG Münster, Urt. v. 10.2.2016, 19 A 991/12, juris Rn. 59, für das Tatbestandsmerkmal „Täuschung“ in der dort einschlägigen Prüfungsordnung). Bei der Erstellung einer Dissertation begeht der Doktorand die vorausgesetzte Täuschung namentlich dann, wenn er bei den Gutachtern einen Irrtum über das Vorliegen der wesentlichen Verleihungsvoraussetzungen, d.h. insbesondere über die Eigenständigkeit seiner erbrachten wissenschaftlichen Leistung hervorruft, indem er in erheblichem Umfang fremde Textpassagen ohne Quellenangabe aus dem Werk eines anderen Autors wörtlich oder sinngemäß übernimmt, obwohl ihm deren Herkunft vom Fremdautor bewusst ist (OVG Münster, Urt. v. 10.2.2016, a.a.O.). Im Einzelnen setzt eine vorsätzliche Täuschung im Promotionsverfahren eine Täuschungshandlung, deren Erheblichkeit, einen zur Verleihung des Doktorgrads führenden Irrtum und den Vorsatz des Prüflings voraus.

121

Diese Voraussetzungen sind erfüllt. Der Kläger hat in dem ursprünglichen Promotionsverfahren, das mit der Verleihung des Doktorgrads mit der vom Sprecher des Fachbereichs Rechtswissenschaft I ausgefertigten Urkunde vom 28. Januar 1998 abschloss, vorsätzlich getäuscht. Die Täuschungshandlung liegt in der Einreichung einer mit Zitierfehlern behafteten Dissertation und der Abgabe einer von § 7 Abs. 3 Nr. 3 PromO 1972 geforderten Versicherung vom 1. Juni 1997, die Dissertation selbst angefertigt und nur die angegebenen Hilfsmittel benutzt zu haben. Darin liegt deshalb eine Täuschungshandlung, weil die vorgelegte Dissertation den bereits im Zeitpunkt der Abgabe der Dissertation geltenden Grundanforderungen wissenschaftlicher Redlichkeit (hierzu unter aa.) ausweislich der im Einzelnen festzustellenden Zitierfehler nicht genügt (hierzu unter bb.). Die Täuschung ist erheblich (hierzu unter cc.). Sie hat einen Irrtum hervorgerufen, auf dem die Verleihung des Doktorgrads beruht (hierzu unter dd.). Der Kläger hat vorsätzlich gehandelt (hierzu unter ee.).

122

aa. Die Vorlage einer Dissertation, welche gegen die zum Zeitpunkt der Vorlage geltenden Grundanforderungen wissenschaftlicher Redlichkeit verstößt, begründet eine Täuschung im Promotionsverfahren (vgl. VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, 15 K 2271/13, juris Rn. 69 ff.). Die Grundanforderungen wissenschaftlicher Redlichkeit gebieten es insbesondere, die Übernahme von Fremdleistungen durch geeignete Quellennachweise als solche kenntlich zu machen. Im Einzelnen:

123

Die Promotion des Klägers erfolgte gemäß § 2 Abs. 1 PromO 1972 auf Grund einer als „rechtswissenschaftliche Abhandlung“ legaldefinierten Dissertation sowie des Kolloquiums. Die Dissertation musste gemäß § 2 Abs. 2 Satz 1 PromO 1972 die Rechtswissenschaft fördern. Die zum Zeitpunkt der Promotion geltende Promotionsordnung beruhte als Hochschulprüfungsordnung auf dem Gesetz über die Universität Hamburg (v. 25.4.1969, HmbGVBl. S. 61 m. spät. Änd. – HmbUG) und galt bei Verleihung des Doktorgrads an den Kläger unter den Nachfolgevorschriften (des vormaligen Hamburgischen Hochschulgesetzes v. 2.7.1991, HmbGVBl. S. 249) fort. In dem Promotionsverfahren war ausgehend von der Verantwortung des damaligen Fachbereichs für die Heranbildung des wissenschaftlichen Nachwuchses nach § 41 Abs. 1 HmbUG (vgl. § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 HmbHG) der Charakter der Promotion als akademische Prüfung gemäß § 41 Abs. 3 Satz 1 HmbUG (vgl. § 59 Abs. 1 HmbHG) und der Charakter des Doktorgrads als akademischer Grad gemäß § 41 Abs. 4 HmbUG (vgl. § 70 Abs. 4 Satz 1 HmbHG) zu gewährleisten.

124

Nur eine unter Offenlegung aller verwendeten Quellen und Hilfsmittel erbrachte wissenschaftliche Leistung genügt den an eine Dissertation gestellten Anforderungen (VGH Mannheim, Beschl. v. 9.2.2015, 9 S 327/14, NJW 2015, 2518, juris Rn. 7; Urt. v. 19.4.2000, 9 S 2435/99, KMK-HSchR/NF 21A Nr. 19, juris Rn. 24; Urt. v. 18.11.1980, IX 1302/78, ESVGH 31, 54 <58>; Schroeder, NWVBl. 2010, 176 <179>). In der obergerichtlichen Rechtsprechung war bereits bei Abgabe der Dissertation des Klägers als ein grundlegendes, jedermann einsichtiges und allseits anerkanntes Gebot der Redlichkeit anerkannt, in einer wissenschaftlichen Arbeit Gedanken anderer Autoren, selbst wenn sie nur Ausgangspunkt eigener Überlegungen sein sollen, als solche kenntlich zu machen, sei es im Text oder in den beigefügten Zitaten; unterbleibt in diesem Fall die Kenntlichmachung der fremden Leistung, so muss der unbefangene Leser in dem selbstverständlichen Vertrauen, dass jene grundlegende Regel wissenschaftlichen Arbeitens eingehalten ist, einen falschen Eindruck von Umfang und Wert der eigenen Leistung des Verfassers gewinnen; zumindest aber gerät er in die Gefahr, einem solchen Irrtum zu erliegen (OVG Münster, Urt. v. 20.12.1991, 15 A 77/89, NWVBl 1992, 212, juris Rn. 11, daran anschließend VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, 15 K 2271/13, juris Rn. 70 ff.; vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 18.11.1980, ESVGH 31, 54, daran anschließend Beschl. v. 13.10.2008, 9 S 494/08, NVwZ-RR 2009, 285, juris Rn. 8). Insbesondere der Umstand, dass nach § 7 Abs. 3 Nr. 3 PromO 1972 die Abgabe einer Versicherung über die eigenständige Anfertigung der Dissertation und die abschließende Verwendung der genannten Quellen vom Kläger gefordert wurde, verdeutlicht, dass das Gebot wissenschaftlicher Redlichkeit bereits im Jahr 1998 zu beachten war. Von Bagatellfällen abgesehen verstößt die wörtliche oder sinngemäße Übernahme von Textpassagen aus fremden Werken ohne (ausreichendes) Zitat gegen grundlegende Maßstäbe wissenschaftlichen Arbeitens und schließt damit die Annahme einer Arbeit als Dissertation im Regelfall aus (VGH München, Urt. v. 4.4.2006, 7 BV 05.388, BayVBl. 2007, 281, juris Rn. 13). Das Gebot der wissenschaftlichen Redlichkeit erfordert es, die Übernahme einer Fremdleistung nachprüfbar zu machen, indem sämtliche wörtlich oder sinngemäß übernommenen Gedanken aus Quellen und Literatur als solche kenntlich gemacht werden (so der Sache nach auch VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, a.a.O., Rn. 69, jedoch unter der urheberrechtlich falschen Einordnung der Fremdleistung als „geistiges Eigentum“, dazu Apel, ZUM 2014, 621 <623> m.w.N.). Geboten ist, dass „der Leser an jeder Stelle weiß, wer zu ihm spricht“ (VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, a.a.O., Rn. 108, zust. Apel, a.a.O.). Dagegen wird auch dann verstoßen, wenn der Doktorand Entlehnungen aus der Sekundärliteratur zwecks Darstellung der Erkenntnisse zu der Primärliteratur in der Dissertation nicht hinreichend kenntlich macht (VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, a.a.O., Rn. 122). Fehlt es an einer solchen Kenntlichmachung der Übernahme der Rezeptionsleistung und bezieht sich der Doktorand auf eine Primärquelle, deren Inhalt und/oder Deutung er letztlich aus einer nicht nachgewiesenen Sekundärquelle abschreibt, so täuscht er (VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, a.a.O., Rn. 124).

125

Die Übernahme eines gedanklichen Inhalts erfordert eine Nennung des Autors. Zwar sind – in Übereinstimmung mit dem Vortrag des Klägers – Quellenangaben bei der Wiedergabe evidenter Aussagen entbehrlich, wenn der Leser sie auch ohne Herkunftsangabe nicht für eine Eigenleistung des Doktoranden halten kann. Doch kann und muss der Leser eine Nennung des fremden Autors bei einer Übernahme originärer Inhalte erwarten, insbesondere bei einer über eine bloße Beschreibung hinausgehenden Analyse oder Schlussfolgerung. Die berechtigte Erwartung des Lesers, der Urheber werde genannt, wird erfüllt, wenn die Autorennennung im Text an einem Ort vorhanden ist, die dem Leser nach dem Sinnzusammenhang eine Zuordnung zu der Textstelle ermöglicht und nicht zu weit vorne oder zu weit hinten im Text erscheint. Der Rechtsauffassung des Klägers, es bestehe die Möglichkeit eines Zitates „passim“, die in einem summarischen Verweis auf eine Quelle bestehe, um den Lesefluss nicht zu hemmen, folgt das erkennende Gericht in dieser Allgemeinheit nicht. Zum einen muss in dem wissenschaftlichen Werk offengelegt werden, dass die Quellennachweise summarisch zu verstehen seien. Zum anderen kann eine Autorennennung nicht schlicht unter Berufung auf den Lesefluss unterbleiben, da Passagen ohne Autorennennung als eigene Leistung wahrgenommen werden. Möchte der Verfasser eines wissenschaftlichen Werks auf die störende Autorennennung verzichten, ist ihm dies nur durch den Verzicht auf Übernahmen fremden Gedankenguts möglich.

126

Über die Autorennennung hinaus darf der Leser die besondere Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme erwarten, wenn ganze Sätze oder charakteristische Einzelformulierungen wörtlich übernommen werden. Der besonderen Kennzeichnung bedarf es, wenn ein Text wortgleich oder im Wesentlichen wortgleich übernommen wird, ohne dass diese Form der Wiedergabe und damit letztlich die Herkunft des in der Arbeit verwendeten und ausformulierten Textes deutlich gemacht worden sind, sei es im Text selbst oder durch eine entsprechende Abfassung der verwendeten Zitate (OVG Münster, Beschl. v. 12.8.2010, 14 A 847/09, juris Rn. 17). Den Erfordernissen einer rechtswissenschaftlichen Dissertation entspricht es, dass der Doktorand eigene Formulierungsleistungen erbringt oder dort, wo er von fremden Formulierungen Gebrauch macht, dies kenntlich macht.

127

Hinsichtlich der einzelnen Textstellen ist daher zunächst zu untersuchen, ob wegen der Übernahme von Fremdleistungen eine Autorennennung für die Textstelle überhaupt und ob zusätzlich eine besondere Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme von Formulierungen erforderlich ist. Sodann ist zu untersuchen, ob eine Autorennennung für die Textstelle und zusätzlich eine besondere Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme vorliegen. Aus der Gegenüberstellung der geforderten Zitierweise und der erfolgten Zitierweise ergeben sich folgende Fallgruppen:

128
        

Autorennennung
und besondere
Kennzeichnung
erfolgen

Autorennennung erfolgt,
besondere erfolgt
Kennzeichnung nicht

bereits Autorennennung
erfolgt nicht

keine Autorennennung
erforderlich

–       

–       

Fallgruppe A:
kein Zitierfehler,
da bereits keine
Autorennennung erforderlich

nur Autorennennung
erforderlich,
besondere Kennzeichnung
einer wörtlichen Übernahme
entbehrlich

–       

Fallgruppe B:
kein Zitierfehler,
da die allein erforderliche
Autorennennung erfolgt

Fallgruppe D:
Zitierfehler,
da die allein erforderliche
Autorennennung fehlt

Autorennennung und besondere
Kennzeichnung erforderlich

Fallgruppe C:
kein Zitierfehler,
da die erforderliche
Autorennennung und die
erforderliche besondere
Kennzeichnung erfolgen

Fallgruppe E:
Zitierfehler,
da die erforderliche
Autorennennung ohne die
erforderliche besondere
Kennzeichnung erfolgt

Fallgruppe F:
Zitierfehler, da die
erforderliche Autorennennung
und die erforderliche
besondere Kennzeichnung fehlen

129

bb. Nach dem soeben aufgezeigten Maßstab hat der Kläger im Promotionsverfahren durch die Vorlage der Dissertation getäuscht, da diese gegen die Grundanforderungen wissenschaftlicher Redlichkeit verstößt. Entgegen seinem Vortrag hat der Kläger vielfach fremde Gedanken nicht durch Fußnoten gekennzeichnet. An den sogleich darzustellenden Textstellen hat er fremde Inhalte und/oder fremde Formulierungen nicht in hinreichender Weise als solche ausgewiesen und damit für den Leser zu Unrecht den Eindruck einer eigenen Leistung erweckt. An diesen Textstellen weiß der Leser nicht, „wer zu ihm spricht“.

130

Dabei kann sich die Überprüfung der Dissertation innerhalb der 155 von der Beklagten im angefochtenen Bescheid vom 25. Juni 2012 benannten Textstellen auf die 57 Textstellen beschränken, welche in der Anlage 1 (dortige Textstellen Nr. 1 bis 55) und der Anlage 2 (dortige Textstellen Nr. 1 bis 2) zum Bescheid benannt sind und die nach Auffassung der Beklagten eine wörtliche oder nahezu wörtliche Übernahme fremder Textstellen ohne jegliche Nennung des Urhebers und Autors an der betreffenden Stelle in der Dissertation aufweisen. Es zeigt sich, dass in der vom Kläger vorgelegten Dissertation nicht an jeder dieser 57 Textstellen, aber immerhin in 44 Fällen (und in einem weiteren Fall teilweise) eine Übernahme fremder gedanklicher Inhalte und/oder Formulierungen nicht hinreichend gekennzeichnet ist.

131

Im Einzelnen sind die untersuchten 57 Textstellen den vorgestellten sechs Fallgruppen (dazu s.o. aa.) wie folgt zuzuordnen: An den fünf der Fallgruppe A zugeordneten Textstellen ist kein Zitierfehler festzustellen, da bereits eine Autorennennung entbehrlich ist (hierzu unter (7), (11), (27), (34) und (51)). An den sieben Textstellen der Fallgruppe B liegt ein Zitierfehler nicht vor, da die allein erforderliche Autorennennung vorhanden ist (hierzu unter (3), (4), (19), (40), (41), (43) und (48)). Keine der untersuchten Textstellen ist der Fallgruppe C zuzuordnen, in der sowohl die erforderliche Autorennennung als auch die erforderliche besondere Kennzeichnung vorhanden sind. An den beiden Textstellen der Fallgruppe D begründet es einen Zitierfehler, dass es an der allein erforderlichen Autorennennung fehlt (hierzu unter (52) und (57)). An den sieben Textstellen der Fallgruppe E ist ein Zitierfehler deshalb festzustellen, weil zwar die erforderliche Autorennennung vorhanden ist, aber ohne die ebenfalls erforderliche besondere Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme (hierzu unter (13), (21), (26), (30), (35), (36) und (49)). An den 35 Textstellen der Fallgruppe F besteht der Zitierfehler darin, dass sowohl die erforderliche Autorennennung als auch die erforderliche besondere Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme fehlen (hierzu unter (1), (5), (6), (8) bis (10), (12), (14) bis (18), (20), (22), (23) bis (25), (28), (29), (31) bis (33), (37) bis (39), (42), (44) bis (47), (50), (53) bis (56)). Eine Textstelle ist teilweise der Fallgruppe A und teilweise der Fallgruppe F zuzuordnen (hierzu unter (2)).

132

(1) In der Fußnote 5 auf S. 2 der vom Kläger vorgelegten Dissertation fehlen sowohl die erforderliche Nennung des Autors A. als auch die besondere Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme (Fallgruppe F). Der Vortrag des Klägers, dass er als Assistent von Prof. Dr. A., des Betreuers seiner Dissertation, gearbeitet habe und nicht auszuschließen sei, dass ein „Abschreiben auch umgekehrt herum erfolgt“ sein könne, ist unsubstantiiert, da nicht dargelegt ist, aus welchem Werk A. Leistungen des Klägers übernommen haben könnte. Eine Autorennennung fehlt für den Inhalt der Fußnote 5. A. wird in der Fußnote 4 zu S. 1 Abs. 2 Satz 7 der Dissertation sowie in den Fußnoten 7 und 8 zu S. 2 Abs. 2 Satz 2 ff. der Dissertation als Autor nur für die diesbezüglichen Inhalte des Textkorpus genannt. Es wird nicht erkennbar, dass auch der Inhalt der Fußnote 5 von A. stammt und keine erst vom Doktoranden selbst angestellte, weitergehende Erwägung ist.

133

(2) Bezüglich S. 8 Abs. 3 Satz 1 und Satz 3 der Dissertation des Klägers ist zu differenzieren: Satz 1 erfordert, wenngleich der Inhalt trivial und nicht Ausdruck hoher Schöpfungskraft ist, eine Autorennennung und eine besondere Kennzeichnung wörtlicher Übernahme, da der Satz wörtlich von Schiessl übernommen worden ist; an beidem fehlt es (Fallgruppe F). Satz 3 zeigt hingegen keinen Zitierfehler, die Wiedergabe des Gesetzeswortlauts (§ 77 Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 AktG) bedarf keiner Autorennennung (Fallgruppe A).

134

(3) Auf S. 9 Abs. 4 Satz 3 der Dissertation begegnet kein Zitierfehler (Fallgruppe B). Eine Autorennennung ist erforderlich, da die wiedergegebene Gesetzesauslegung eine Analyseleistung darstellt. Die Kennzeichnung der Wörtlichkeit ist mangels Originalität der Formulierungen nicht zu erwarten. Eine Autorennennung am rechten Ort ist vorhanden. Der Kläger nennt in der zur Textstelle gehörenden Fußnote 31 die Kommentatoren Hefermehl und Mertens als Urheber der Gesetzesauslegung.

135

(4) Ebenso kein Zitierfehler findet sich auf S. 10 Abs. 2 der Dissertation (Fallgruppe B). Einer Autorennennung bedarf es, da eine Transferleistung (Bedeutung der besonderen Stellung des Arbeitsdirektors im Hinblick auf eine herausgehobene Stellung des Finanzvorstands) wiedergegeben wird. Eine wörtliche Übernahme liegt insoweit nicht vor, als „Etwas anderes gilt“ von „eine Ausnahme besteht“ abweicht. Die Autorennennung ist vorhanden. Der Kläger hat in der zugehörigen Fußnote 32 den Bundesgerichtshof und den Kommentator Hüffer als Vertreter der Rechtsauffassung genannt. Der Kläger war nicht gezwungen, zusätzlich auch den Aufsatzautor Schiessl zu nennen, selbst dann, wenn er erst durch die Lektüre des Aufsatzes auf die Auffassung des Bundesgerichtshofs und Hüffers aufmerksam geworden wäre.

136

(5) Auf S. 13 Abs. 2 Satz 2 der Dissertation fehlt es hingegen an der Nennung des Autors Schönbrod und an der besonderen Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme (Fallgruppe F). Diese waren, anders als bei der vorvorgenannten Textstelle (s.o. (3)), aufgrund der Originalität der Formulierung von Schönbrod geboten. Dem Gebot ist nicht Genüge getan. In der zur Textstelle gehörenden Fußnote 49 werden Mayer/Gabele, Mielke und Scheffler als Autoren genannt. Es wird nicht deutlich, dass eine wörtliche Übernahme von Schönbrod vorliegt.

137

(6) Ebenso verhält es sich im Ergebnis auf S. 14 Abs. 1 Satz 3 der Dissertation (Fallgruppe F). In der Fußnote 57 wird lediglich „[z]um Einfluß der Unternehmensorganisation auf die Besteuerung“ auf Raupach verwiesen. Eine Nennung Schönbrods als Urheber des gedanklichen Inhalts und auch der Formulierung fehlt insoweit. Aufgrund des Satzbeginns „Darüber hinaus“ wird für den Leser nicht ersichtlich, dass auch der nunmehr vorgestellte, weiterführende gedankliche Inhalt von Schönbrod stammt und nicht vom Doktoranden.

138

(7) Demgegenüber ist kein Zitierfehler auf S. 16 Abs. 1 Satz 1 der Dissertation gegeben (Fallgruppe A). Bereits einer Autorennennung bedarf es nicht. Selbst wenn der Kläger den Inhalt von Schiessl hätte übernehmen wollen, ist ihm dies mit der gewählten, leicht modifizierten Formulierung nicht gelungen. Denn während nach Schiessl die „Gesamtverantwortung eine immanente Schranke jeder Geschäftsverteilung“ bildet, d.h. eine Geschäftsverteilung möglich ist, aber nur im Rahmen der zu wahrenden Gesamtverantwortung, bildet die Gesamtverantwortung ausweislich der Dissertation eine „immanente Schranke gegen jede Form von Geschäftsverteilung“, was so gelesen werden könnte, dass jede Form von Geschäftsverteilung ausgeschlossen wäre.

139

(8) Sowohl an der erforderlichen Nennung des Autors Schiessl als auch an der erforderlichen besonderen Kennzeichnung der wörtlichen Übernahmen fehlt es auf S. 17 Abs. 2 Sätze 1 bis 3 der Dissertation (Fallgruppe F). Marginale Veränderungen bei der Übernahme (z.B. „Besonderes Interesse im divisionalisierten Unternehmen“ statt „Im divisionalisierten Unternehmen“) deuten auf planvolles Vorgehen des Klägers hin, machen eine besondere Kennzeichnung wörtlicher Übernahmen aber nicht entbehrlich. Eine hinreichende Autorennennung kann in der zu dem nachfolgenden Satz angebrachten Fußnote 71 nicht gesehen werden. Denn in der Fußnote 71 wird nicht deutlich gemacht, dass die gesamten vorstehenden Sätze über die Möglichkeit, dem Arbeitsdirektor unter Ausschluss des Spartenleiters Kompetenzen zuzuweisen, von Schiessl stammen, sondern es wird eine Entscheidung des Bundesgerichtshofs zitiert, dass umgekehrt der Arbeitsdirektor eine Verteilung der Geschäfte nach sachlichen, organisatorischen oder regionalen Gesichtspunkten hinnehmen müsse, und mitgeteilt, dass Mertens und Schiessl der Rechtsprechung zugestimmt hätten.

140

(9) Desgleichen leidet S. 18 Abs. 1 Satz 1 der Dissertation an einem Zitierfehler (Fallgruppe F). Eine Autorennennung und eine besondere Kennzeichnung sind erforderlich wegen der Übernahme des Inhalts und der wörtlichen Übernahme von Formulierungen von Schiessl. Eine Autorennennung fehlt am rechten Ort, der Quellennachweis erfolgt an einer im Text vorgelagerten Stelle, die für den Leser eine Zuordnung zu der in Rede stehenden Textstelle nicht ermöglicht. Der vorausgehende Satz (am Ende von S. 17 Abs. 2 der Dissertation), bei dem in der Fußnote 71 Schiessl genannt wird, schließt einen ganzen Absatz ab, so dass für den Leser weder ersichtlich noch wenigstens angedeutet wird, dass Inhalt und Formulierung auch auf S. 18 Abs. 1 Satz 1 der Dissertation von Schiessl stammen.

141

(10) Dies setzt sich fort auf S. 18 Abs. 3 Satz 1 der Dissertation (Fallgruppe F). Einer Autorennennung unter besonderer Kennzeichnung bedarf es wegen der wörtlichen Übernahme eines Satzes. Die besondere Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme konnte nicht zugunsten der besseren Lesbarkeit unterbleiben. Hätte der Doktorand ohne eine besondere Kennzeichnung auskommen wollen, so hätte er eine eigenständige Formulierungsleistung erbringen müssen. Bereits an einer Nennung des Autors fehlt es am rechten Ort. Die Fußnoten 82, 83, 86 und 87 sind einer Textpassage S. 19 Abs. 4 der Dissertation zuzuordnen und nicht der hier in Rede stehenden Textstelle auf S. 18 Abs. 3 Satz 1 der Dissertation.

142

(11) Anderes gilt für S. 18 Abs. 3 Satz 4 der Dissertation (Fallgruppe A). Eine Nennung des Autors Schiessl ist entbehrlich, zumindest ist ihr Fehlen unter Anlegung eines großzügigen Maßstabs nicht geeignet, einen Vorwurf wissenschaftlicher Unredlichkeit mitzutragen. Die im Vergleich zu Schiessl in der Dissertation wortgleiche Formulierung „nachgeordnet“ ist nicht hinreichend originell, auch der gedankliche Inhalt hinsichtlich einer „Spartenleitung“ ist so naheliegend, dass er keinen Quellennachweis gebietet.

143

(12) Ein Zitierfehler begegnet dem Leser hingegen wiederum auf S. 18 Abs. 3 Sätze 5 und 6 der Dissertation (Fallgruppe F). Aus den gleichen Gründen wie bei der vorvorgenannten Textstelle (s.o. (10)) bedurfte es einer Nennung des Autors Schiessl, an der es am rechten Ort fehlt, und einer besonderen Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme. Die Rezeptionsleistung Schiessls, der die Primärquellen zusammenfasst, wird als Eigenleistung ausgegeben. Die Umstellung von Satzteilen deutet auf eine Verschleierungsabsicht des Klägers hin.

144

(13) Ein Zitierfehler, allerdings nur im Hinblick auf die erforderliche besondere Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme, findet sich auf S. 19 Abs. 4 Satz 3 der Dissertation (Fallgruppe E). In den dieser Textstelle zugeordneten Fußnoten 84 und 85 werden keine Quellen ausgewiesen. Es wird nicht deutlich, dass eine wörtliche Übernahme von Teilsätzen des Autors Schiessl unter marginaler Umstellung erfolgt.

145

(14) An der erforderlichen Nennung des Autors Schiessl unter besonderer Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme fehlt es auf S. 20 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der Dissertation (Fallgruppe F). Inhalt und Formulierung stammen von Schiessl. Die Nennung von Schiessl neben Semler in der Fußnote 92 zu S. 20 Abs. 2 Satz 3 der Dissertation gibt keinen Hinweis auf eine inhaltliche Übernahme sowie auf eine wörtliche Übernahme ganzer Sätze auf S. 20 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der Dissertation.

146

(15) Gleiches gilt bezüglich S. 20 Abs. 2 Sätze 1 und 2 der Dissertation (Fallgruppe F). Eine Autorennennung fehlt am rechten Ort. Die Fußnote 91 zu S. 20 Abs. 2 Satz 1 der Dissertation gibt keine Quelle an. Die Nennung von Schiessl neben Semler in der Fußnote 92 zu S. 20 Abs. 2 Satz 3 der Dissertation gibt keinen Hinweis auf eine inhaltliche Übernahme sowie auf eine wörtliche Übernahme ganzer Sätze in S. 20 Abs. 2 Sätze 1 und 2 der Dissertation.

147

(16) Ebenso fehlen die erforderliche Autorennennung und die erforderliche besondere Kennzeichnung auf S. 20 Abs. 3 Sätze 1 und 2 der Dissertation (Fallgruppe F). Die Formulierungen sind an Schiessl angelehnt und teils satzweise wörtlich mit geringfügigen Änderungen (z.B. „selbst wenn“ statt „auch wenn“) übernommen. Nach der Art einer Kollage erscheint der Einschub des vom Doktoranden selbst stammenden ersten Teils von Satz 2. Ein Fundstellennachweis zum nachfolgenden Satz in der Fußnote 93 zu S. 21 Abs. 1 Satz 1 der Dissertation unter Angabe mehrerer Autoren ist bei einer wörtlichen Übernahme ganzer Sätze nicht hinreichend, da ein Leser einen solchen Fundstellennachweis nicht der vorhergehenden Textstelle zuordnen kann.

148

(17) Der Urheber Schönbrod hätte auf S. 23 Abs. 1 Sätze 1 und 2 der Dissertation genannt und die wörtliche Übernahme besonders gekennzeichnet werden müssen (Fallgruppe F). Es genügt nicht, dass zum vorausgehenden Satz Schönbrod genannt wurde. Die zu dem vorausgehenden Satz angebrachte Fußnote 103 gehört zu dem abgeschlossenen Absatz 5 auf S. 24 der Dissertation. In den Fußnoten 104 („Dazu… Gabele, … Poensgen“), 105 („Dazu … v. Winckler“) sowie 106 („dazu Eisenführ“) zu S. 23 Abs. 1 der Dissertation wird nicht angegeben, dass Inhalt und Formulierungsfragmente von Schönbrod stammen.

149

(18) Ebenso verhält es sich auf S. 23 Abs. 3 Sätze 1 bis 4 der Dissertation (Fallgruppe F). Die Nennung Schönbrods als Urheber war nicht deshalb entbehrlich, weil Schönbrod selbst Primärquellen benannt hatte. Denn die Argumentationsstruktur und die Formulierungen stammen vom Urheber der Sekundärquelle Schönbrod. In der Fußnote 109 („Zur Matrixorganisation im einzelnen Erbslöh…“) wird die wörtliche Quelle Schönbrod nicht genannt. Auch in der hinter dem letzten Satz (schon auf S. 24) angegebenen Fußnote 110 wird die Quelle nicht genannt. Die Fußnote 108 zum letzten Satz von S. 23 Abs. 2 der Dissertation nennt Schönbrod, dieses Zitat befindet sich aber vor der Überschrift des hier in Betracht genommenen Abschnitts „Matrixorganisation“.

150

(19) Keinen Zitierfehler lässt S. 24 Abs. 3 Satz 2 der Dissertation erkennen (Fallgruppe B). Es bedarf einer Nennung des Autors. Allerdings folgt dies nicht bereits aus der Verwendung der (auch von A. gebrauchten) Formulierung „Anschlussfrage“, da die Formulierung nicht hinreichend originell ist. Doch bedarf der Gedanke, dass die zwingenden Grenzen des § 76 AktG (der die Leitung der Aktiengesellschaft betrifft) betroffen sind, eines Quellennachweises. Unter Anlegung eines großzügigen Maßstabs ist eine Autorennennung am rechten Ort (noch hinreichend) vorhanden. Die Quelle A. wird zwar erst in der Fußnote 111 zu S. 24 Abs. 4 Satz 1 der Dissertation genannt als Vertreter der Auffassung, es handele sich bei der Vorschrift um „eine Kompetenzvorschrift mit zuständigkeitsausschließender Wirkung gegenüber Aufsichtsrat und Hauptversammlung“. Damit ist aber implizit die Fragestellung nach den zwingenden Grenzen des § 76 AktG aufgeworfen, so dass ein Quellennachweis für den gedanklichen Inhalt von S. 24 Abs. 3 Satz 2 der Dissertation vorliegt.

151

(20) Ein Zitierfehler zu bejahen ist wiederum hinsichtlich S. 26 Abs. 5 Sätze 1 und 2 der Dissertation (Fallgruppe F). Die Rezeptionsleistung von A. als Urheber der Sekundärquelle wird im Kern wortgleich ohne Nennung des Urhebers übernommen. Nur die Urheber der Primärquellen Mertens und Hefermehl sind in der zugehörigen Fußnote 118 benannt. Der Fehler liegt mithin darin, dass eine Arbeit an Primärquellen suggeriert wird, obwohl lediglich eine Sekundärquelle wiedergegeben wird.

152

(21) Ein Zitierfehler begegnet dem Leser auch auf S. 28 Abs. 3 Satz 4 der Dissertation (Fallgruppe E). Unter Anlegung eines großzügigen Maßstabs wird zwar die Nennung des Autors A. in der Fußnote 130 zu dem weiterführenden nachfolgenden Satz für ausreichend erachtet. Es fehlt aber an der besonderen Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme.

153

(22) Sowohl an der erforderlichen Autorennennung als auch an der besonderen Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme fehlt es auf S. 29 Abs. 3 Satz 1 der Dissertation (Fallgruppe F). Dies gilt aus den entsprechenden Gründen wie bei der vorvorgenannten Textstelle (s.o. (20)). Die Rezeptionsleistung stammt in Inhalt und Formulierung von A. als Urheber der Sekundärquelle. Die Fußnote 135 nennt lediglich die Autoren der Primärquellen Hefermehl, Theisen und Henn.

154

(23) Auf S. 30 Abs. 4 Satz 3 der Dissertation fehlt es an der Nennung des Urhebers Scheffler, von dem die Formulierung wörtlich übernommen worden ist (Fallgruppe F). Die geringe Originalität des Inhalts macht wegen der Wörtlichkeit der Übernahme eines ganzen Satzes eine Autorennennung nicht entbehrlich.

155

(24) Entsprechend hätte auf S. 32 Abs. 2 Sätze 2 und 3 der Dissertation der Urheber Scheffler, von dem Formulierung und Inhalt stammen, unter besonderer Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme genannt werden müssen (Fallgruppe F). Die einzelnen Teilsätze stammen wörtlich von Scheffler, die Satzübergänge sind marginal verändert. Es fehlt schon an einer Autorennennung am rechten Ort. Nicht ausreichend ist, dass die Fußnote 142 zum einleitenden Satz 1 Semler und Scheffler nennt. Denn die Sätze 2 und Satz 3 erläutern entgegen dem klägerischen Vortrag nicht lediglich Satz 1, sondern schränken ihn ein, wie das Wort „aber“ in Satz 2 anzeigt.

156

(25) Auch auf S. 32 Abs. 2 Satz 3 Halbs. 2 der Dissertation liegt der Zitierfehler darin, dass bereits der Autor Scheffler, von dem eine wörtliche Übernahme erfolgt, ungenannt bleibt (Fallgruppe F). Es gilt das Gleiche wie bei der vorstehenden Textstelle (s.o. (24)).

157

(26) Ein Zitierfehler ist auf S. 32 Abs. 7 Satz 4 der Dissertation insoweit festzustellen, als zwar der Urheber genannt wird, aber eine besondere Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme fehlt (Fallgruppe E). Der Urheber Götz wird – neben anderen Autoren – zwar nicht in der Fußnote 145 zu dem auf S. 33 endenden Satz, aber doch in der Fußnote 144 zu S. 32 Abs. 7 Satz 2 der Dissertation genannt. Unter Anlegung eines großzügigen Maßstabs ist dies noch eine Autorennennung am rechten Ort. Jedoch hätte die wörtliche Übernahme von Götz besonderer Kennzeichnung bedurft.

158

(27) Demgegenüber ist ein Zitierfehler auf S. 34 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2 der Dissertation deshalb zu verneinen, weil es bereits keiner Autorennennung bedurfte (Fallgruppe A). Die übernommenen Formulierungen „problematische Ämterhäufung“ und „Höchstzahlreduktion“ sind nicht hinreichend originell, um eine Autorennennung unter besonderer Kennzeichnung allein wegen der Wortwahl zu verlangen. Der Inhalt der Textstelle der Dissertation ist vom Inhalt der Textstelle der Quelle Götz verschieden. Denn in der Dissertation wird die Frage lediglich aufgeworfen, ob eine Höchstzahlreduktion von Aufsichtsratsmandaten geeignet ist, dem Problem der Ämterhäufung zu begegnen. Bei Götz wird diese Frage hingegen beantwortet.

159

(28) Einen Zitierfehler begründet auf S. 35 Abs. 3 Satz 1 der Dissertation, dass es sowohl an der erforderlichen Autorennennung, als auch an der besonderen Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme fehlt (Fallgruppe F). Die Formulierung „Konzentrierung der Führungskontrolle auf den Aufsichtsrat“ stammt einschließlich der semantisch falschen Präposition („auf den“ statt „bei dem“) von A.. Eine Autorennennung fehlt am rechten Ort. A. wird erst in der Fußnote 160 zu S. 35 Abs. 3 Satz 3 der Dissertation genannt, aber nur als Urheber für eine weitergehende Überlegung, dass neben dem Aufsichtsrat dem Vorstand selbst eine Kontrollfunktion obliege („Grundlegend für die Anerkennung einer Selbstkontrolle des Vorstands A.…“). Dass bereits der Inhalt der Prämisse auf S. 35 Abs. 3 Satz 1 der Dissertation, die Konzentrierung der Führungskontrolle beim Aufsichtsrat sei falsch, von A. stammt, wird nicht deutlich gemacht. Der Zitierfehler wiegt hier besonders schwer, weil eine Schlussfolgerung zu Unrecht als Eigenleistung präsentiert wird.

160

(29) Gleichfalls ist ein Zitierfehler auf S. 36 Abs. 1 der Dissertation gegeben (Fallgruppe F). Die wörtliche Formulierung und der Inhalt stammen von A., was kenntlich zu machen war. An einer Autorennennung und einer besonderen Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme fehlt es am rechten Ort. Da auf S. 36 Abs. 1 der Dissertation ein neuer Textabschnitt mit eigener Überschrift beginnt, genügt es insbesondere nicht, dass A. zuvor, beispielsweise in der Fußnote 160 zu S. 35 Abs. 3 Satz 3 der Dissertation genannt wird.

161

(30) Ein Zitierfehler mangels Kennzeichnung wörtlicher Übernahmen tritt auf S. 37 Abs. 2 Sätze 4 bis 6 der Dissertation auf (Fallgruppe E). Die Formulierungen in S. 37 Abs. 2 Satz 5 der Dissertation „einzelnes Aufsichtsratsmitglied“, „zeitliche und berufliche Begrenzung der Mandatsausübung“, „gleichsam an der Kontrollzentrale des Unternehmens mitzuwirken“ stammen wörtlich von A. ebenso wie – nach Satzumstellung – diejenigen in S. 37 Abs. 2 Satz 6 der Dissertation. Wenngleich es an einer besonderen Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme fehlt, ist zumindest eine Autorennennung vorhanden. Die Quelle A. wird in der Fußnote 166 zu S. 37 Abs. 2 Satz 7 der Dissertation für den gedanklichen Inhalt, nämlich die Auffassung genannt, dass die „primäre Kontrollzuständigkeit“ beim Vorstand selbst läge. Diese Auffassung geht noch über die auf S. 37 Abs. 2 Sätze 4 bis 6 der Dissertation wiedergegebene Auffassung hinaus. Ein Quellennachweis für S. 37 Abs. 2 Satz 7 der Dissertation genügt deshalb auch im Hinblick auf die Inhalte der S. 37 Sätze 4 bis 6 der Dissertation.

162

(31) Auf S. 38 Abs. 1 Satz 3 der Dissertation liegt der Zitierfehler darin begründet, dass es sowohl an der erforderlichen Nennung des Autors Scheffler als auch an der erforderlichen besonderen Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme fehlt (Fallgruppe F). Die Übernahme von Fremdleistungen wird dem Leser nicht dadurch deutlich gemacht, dass in der Fußnote 168 zum vorausgegangenen Satz 2 Scheffler (neben A. und Mertens) genannt wird. Diese Autorennennung ist auch nicht deshalb für Satz 3 hinreichend, weil dieser mit dem Wort „Dazu“ eingeleitet wird und damit einen neuen Aspekt behandelt. Während S. 38 Abs. 1 Satz 2 der Dissertation lediglich die Aussage enthält, dass der Vorstand sich so zu organisieren habe, dass er seiner Kontrollverantwortung optimal gerecht werde, gibt S. 38 Abs. 1 Satz 3 der Dissertation die Aussage wieder, was der Vorstand „Dazu“ sicherstellen müsse.

163

(32) Ebenso verhält es sich auf S. 38 Abs. 3 Satz 1 der Dissertation (Fallgruppe F). An der Textstelle heißt es: „Eine wirksame Überwachung durch den Vorstand setzt voraus, daß unter den Vorstandsmitgliedern und zwischen dem Vorstand und dem übrigen Management offen und effizient kommuniziert wird, so daß der Vorstand rechtzeitig und ausreichend alle notwendigen Informationen erhält.“. Die Textstelle entspricht unter marginalen Änderungen wörtlich der Quelle: „Eine wirksame Überwachung durch die Geschäftsführung setzt voraus, daß zwischen Geschäftsführung und dem übrigen Management offen und effizient kommuniziert wird, so daß die Geschäftsführung rechtzeitig und ausreichend alle notwendigen Informationen erhält.“ Inhaltlich unerheblich ist, ob der Vorstand der Aktiengesellschaft unter dieser Bezeichnung oder gemäß seiner Funktion als Geschäftsführung angesprochen wird. Der Autor Scheffler bleibt ungenannt, die wörtliche Übernahme bleibt ungekennzeichnet.

164

(33) Die Autorennennung am rechten Ort und die besondere Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme vom Autor A. fehlen auf S. 40 Abs. 2 Sätze 2 und 3 der Dissertation (Fallgruppe F). In der Fußnote 181 zu Satz 3 wird keine Quelle genannt. In der vorausgehenden Fußnote 180 zu S. 40 Abs. 1 Satz 2 der Dissertation wird nur ein Autor Mertens genannt. Der Versuch des Klägers, einen Bezug zu den Quellennachweisen von A. in der Fußnote 176-179 herzustellen, geht fehl. Es genügt nicht der pauschale Hinweis, dass es in diesem Abschnitt durchgängig um das Interventionsrecht gehe. Das Erfordernis von Einzelnachweisen für einzelne Fragmente fremden Gedankenguts wird etwa dadurch bestätigt, dass in der Dissertation in den Fußnoten 176-179 A. mehrfach genannt wird.

165

(34) Ohne Zitierfehler ist S. 41 Abs. 2 Satz 1 der Dissertation (Fallgruppe A). Eine Autorennennung ist entbehrlich. Die sich auch bei Schiessl findende Formulierung ist ebenso wie der Inhalt nicht so originell, dass Schiessl notwendig zu zitieren wäre. So wird beispielsweise auch von Spindler (in Münchener Kommentar zum Aktiengesetz, 4. Aufl. 2014, § 77 Rn. 56) ohne Zitat von Schiessl ausgeführt: „Zur Wahrnehmung der Überwachungspflicht steht allen Vorstandsmitgliedern ein Informationsanspruch über Angelegenheiten aus anderen Ressorts zu.“

166

(35) Auf S. 47 Abs. 2 Sätze 1 f. der Dissertation zeigt sich ein Zitierfehler (Fallgruppe E). Neben anderen wird zwar der Autor Götz in der Fußnote 224 zu Satz 2 genannt, doch wird die wörtliche Übernahme von Formulierungen (z.B. „sachgerechte Überwachung ohne zuverlässige Informationsversorgung nicht möglich“, „Planungs-, Kontroll- und Informationssystemen sowie deren Implementierung“) nicht als solche ausgewiesen.

167

(36) Einen gleichartigen Zitierfehler zeigt S. 48 Abs. 4 Sätze 1 bis 3 der Dissertation (Fallgruppe E). Die erforderliche Autorennennung kann unter Anlegung eines großzügigen Maßstabs in der Fußnote 229 zu S. 48 Abs. 3 Satz 4 der Dissertation gesehen werden. Besonders zu kennzeichnen war jedoch, dass die Formulierungen (z.B. „[m]it der bloßen Analyse der eingetretenen und festgestellten Abweichungen […] noch nichts bewirkt“) von Semler stammen. Marginale Änderungen („verfolgt werden müssen“ statt „müssen verfolgt werden“) deuten auf einen Täuschungsvorsatz hin.

168

(37) Sowohl die erforderliche Autorennennung als auch die erforderliche besondere Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme fehlen auf S. 52 Abs. 3 Satz 3 der Dissertation (Fallgruppe F). Der Inhalt und wörtlich die Formulierung „die Revisionsabteilungen dynamisch auszurichten, um eine zeitnahe prüferische Orientierung an den Schwerpunkten der unternehmerischen Problemstellungen im Ordnungsbereich sicherzustellen“ stammen von Freiling. Es genügt nicht, dass in anderen Absätzen des Abschnitts oder benachbarter Abschnitte auf den Urheber Freiling verwiesen wird. Freiling ist in der Fußnote 245 zu S. 52 Abs. 2 der Dissertation für ein uneingeschränktes Informations- und Einsichtsrecht der „Revision“ genannt, nicht für die zweckmäßige „dynamische Ausrichtung“ der „Revisionsabteilungen“. Der Leser vermag auch die Autorennennung Freilings neben anderen Autoren in Quellennachweisen, die zu späteren Textabschnitten gehören (Fußnoten 246 zu S. 52 Abs. 4 der Dissertation und 247 zu S. 52 Abs. 5 der Dissertation), nicht der Textstelle S. 52 Abs. 3 Satz 3 der Dissertation zuzuordnen.

169

(38) Ebenso verhält es sich auf S. 52 Abs. 5 Satz 2 der Dissertation (Fallgruppe F). Eine Autorennennung unter besonderer Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme ist erforderlich. Der Inhalt und die Formulierungen stammen von Götz. Eine Autorennennung fehlt am rechten Ort. Der Urheber Götz wird in der Fußnote 247 (neben Scheffler, Mertens und Freiling) zu S. 52 Abs. 5 Satz 1 der Dissertation dafür genannt, was zur „Gesamtverantwortung“ gehöre. Die Satzumstellung mit dem einleitenden Wort „Ferner“ auf S. 52 Abs. 5 Satz 2 der Dissertation suggeriert aber, dass hier ein neuer Inhalt dargestellt wird, der nicht mehr von der voranstehenden Fußnote gedeckt ist.

170

(39) Auch auf S. 56 Abs. 9 Satz 1 der Dissertation fehlen die Autorennennung und die besondere Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme (Fallgruppe F). Die Formulierung und der Inhalt stammen von Scheffler. Die Nennung Schefflers neben Meyer-Landrut und Semler in der Fußnote 266 zu S. 56 Abs. 8 Satz 2 der Dissertation zu den Rechtsquellen, anhand derer der Aufsichtsrat eine Prüfung der Rechtmäßigkeit der Geschäftsführung des Vorstands vornimmt, lässt nicht erkennen, dass Scheffler auch der Autor der auf S. 56 Abs. 9 Satz 1 der Dissertation wiedergegebenen Überlegungen zur Prüfung der Wirtschaftlichkeit der Geschäftsführung ist. Die Fußnote 267 zu S. 56 Abs. 9 Satz 5 der Dissertation nennt nur Semler und macht nicht deutlich, dass der Inhalt des S. 56 Abs. 9 Satz 1 der Dissertation nicht vom Kläger stammt, denn die dazwischenliegenden Sätze werden mit „Allerdings“ und „Vielmehr“ eingeleitet, legen mithin die Annahme neuer gedanklicher Inhalte nahe.

171

(40) Kein Zitierfehler ist in der mangelnden Nennung des Autors der Sekundärquelle Götz auf S. 63 Abs. 3 Satz 1 der Dissertation zu sehen (Fallgruppe B). Die Nennung eines Autors ist für eine Auswahl an Vertretern der Literaturauffassung erforderlich, nicht aber für die Formulierungsarbeit durch Götz, die anders als etwa im Falle einer früheren Textstelle (s.o. (22)) gering erscheint. Eine Autorennennung am rechten Ort ist vorhanden. In der zum Satzbeginn „Eine Ansicht in der Literatur“ angebrachten Fußnote 295 werden Hueck, Hölters, Rowedder und Wiedemann als Vertreter der Literaturauffassung genannt. Der Kläger war nicht gezwungen, zusätzlich auch den Aufsatzautor Götz zu nennen, selbst dann, wenn er erst durch die Lektüre des Aufsatzes von Götz auf die anderen Autoren aufmerksam geworden wäre.

172

(41) Im Ergebnis ebenso wenig begegnet dem Leser ein Zitierfehler der hier in Rede stehenden Art auf S. 64 Abs. 3 Satz 1 der Dissertation (Fallgruppe B). Die Übernahme einer Fremdleistung ist kenntlich gemacht, wenn auch der falsche Urheber genannt sein mag. Denn statt Wiedermann mag richtigerweise Götz in der Fußnote 303 zu S. 64 Abs. 3 Satz 1 der Dissertation als Autor zu benennen gewesen sein. Der verwendete Modus Konjunktiv I deutet auf die Wiedergabe einer fremden These hin und lässt es als nicht zwingend erscheinen, die Wörtlichkeit des Zitats eindeutiger zu kennzeichnen.

173

(42) Hingegen fehlt es sowohl an der erforderlichen Autorennennung als auch der erforderlichen besonderen Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme auf S. 65 Abs. 3 Sätze 1 und 2 der Dissertation (Fallgruppe F). Der erste Satz ist vollständig wörtlich von Götz übernommen. Der zweite Satz entspricht unter Umstellung der in ihm enthaltenen Klimax der Quelle Götz. Während es bei Götz heißt: „Das Spektrum reicht von umfassenden Zustimmungsvorbehalten, die entweder durch Satzung oder Aufsichtsratsbeschuß oder auf beiden Wegen eingeführt worden sind, bis hin zu einem vollständigen Verzicht auf eine Mitwirkung des Aufsichtsrats an den Geschäften des Vorstands“, heißt es in der Dissertation: „Das Spektrum reicht vom vollständigen Verzicht auf jede Inanspruchnahme dieser Befugnis über wenige Details bis hin zu recht umfangreichen Zustimmungskatalogen, die entweder durch Satzung oder Aufsichtsratsbeschluß oder auf beiden Wegen eingeführt worden sind.“ Eine Autorennennung fehlt am rechten Ort. In der Fußnote 307 zum ersten Satz werden Gerum/Steinmann/Fees sowie Vogel als Urheber benannt. In der Fußnote 308 zum zweiten Satz werden nur Quellen zur „Problematik, ob Aufsichtsräte, die ihre Überwachungsaufgaben ohne Zustimmungsvorbehalte ausüben, ihre Sorgfaltspflicht vernachlässigen“, genannt.

174

(43) Auf S. 67 Abs. 2 Satz 2 der Dissertation ist die allein erforderliche Autorennennung vorhanden (Fallgruppe B). Wiedergegeben ist zunächst der damalige Gesetzesstand (§§ 76 Abs. 1, 111 Abs. 4 Satz 2, 90 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 AktG). Die Nennung eines Autors war zwar erforderlich für den Umkehrschluss aus dem Gesetzeswortlaut, welche Zustimmungsvorbehalte mit dem Gesetz unvereinbar sind. Doch ist dieser Umkehrschluss bereits auf S. 67 Abs. 2 Satz 1 der Dissertation angedacht, wo es heißt, die Grenzen zulässiger Zustimmungsvorbehalte ergäben sich „aus § 76 Abs. 1 AktG i.V.m. dem Zusammenwirken der §§ 111 Abs. 4 S. 2, 90 Abs. 1 Nr. 4, 90 Abs. 2 Nr. 4 AktG“ und wo für diese Rechtsauffassung, neben anderen Autoren, auch Götz genannt wird. Die sich sowohl in der Dissertation als auch bei Götz findende Formulierung, dass „solche Zustimmungsvorbehalte unvereinbar sind“, ist nicht so originell, dass sie allein einen hervorgehobenen Beleg des Autors Götz erfordert hätte.

175

(44) Sowohl die erforderliche Autorennennung als auch die erforderliche besondere Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme fehlen auf S. 75 Abs. 7 Satz 2 der Dissertation (Fallgruppe F). Von Peltzer stammt der Satz: „Es erscheint jedoch fraglich, ob nicht in der Rechtswirklichkeit – und vielleicht schon gewohnheitsrechtlich verfestigt – in vielen Fällen eine Verlagerung auf andere Entscheidungsträger stattgefunden hat“. Dieser Satz wird – bis auf den Einschub – wörtlich übernommen. Der wiedergegebene gedankliche Inhalt an sich mag keine hohe Originalität haben, jedoch ist bei einer wörtlichen Übernahme die Nennung des Autors unter besonderer Kennzeichnung erforderlich. An beidem fehlt es hier.

176

(45) Ebenso verhält es sich auf S. 75 Abs. 4 Satz 2 der Dissertation (Fallgruppe F). Der Hauptteil dieses Satzes lautet: „ob nicht in der Rechtswirklichkeit in vielen Fällen eine Verlagerung auf andere Entscheidungsträger stattgefunden hat“. Er übernimmt wörtlich zwei Fragmente des Satzes von Peltzer. Die marginale Veränderung in der Einleitung „Es erscheint jedoch fraglich“ gegenüber „Es fragt sich indessen“ macht eine Nennung des Autors und eine besondere Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme nicht entbehrlich, woran es jeweils fehlt.

177

(46) Auf S. 76 Abs. 3 der Dissertation tritt eine wörtliche Übernahme eines Satzes von A. auf, ohne dass an dieser Stelle auch nur der Autor genannt ist (Fallgruppe F). Es genügt entgegen der Annahme des Klägers nicht, dass der „fragliche Aufsatz […] in diesem Zusammenhang an mehreren Stellen angegeben“ werde. Die Nennung von A. in den Fußnoten 348-350 zu verschiedenen Textstellen auf S. 76 Abs. 1 und 2 der Dissertation ist nicht hinreichend. Denn mit der Textstelle S. 76 Abs. 3 der Dissertation beginnt ein neuer Abschnitt unter neuer Überschrift „Die rechtliche Verantwortung für das Bestellungsverfahren“. Nach dem auf S. 76 Abs. 3 der Dissertation wörtlich wiedergegebenen Gedanken A. ist es „[h]insichtlich der Frage nach der rechtlichen Verantwortung für das Bestellungsverfahren von entscheidender Bedeutung, ob diese faktische Entscheidungsbeteiligung des Vorstands […] Ausdruck seiner rechtlichen Verantwortung […] oder lediglich eine rechtlich irrelevante Hilfeleistung ist.“ Diese Alternativen werden nicht aufgezeigt an den Textstellen S. 77 Abs. 1 Satz 4 der Dissertation und S. 77 Abs. 1 Satz 6 der Dissertation, welchen die Fußnoten 351-352 zugeordnet sind, in denen (u.a.) A. als Urheber genannt wird.

178

(47) Ebenso bedurfte es einer Autorennennung und einer besonderen Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme auf S. 77 Abs. 3 Satz 3 der Dissertation (Fallgruppe F). Formulierung und Inhalt stammen von Götz. Bei Götz heißt es: „Die Personalkompetenz des Aufsichtsrats fordert sein Tätigwerden bereits weit im Vorfeld einer eintretenden Vorstandsvakanz. In der Dissertation wird übernommen: „Somit erfordert die Personalkompetenz des Aufsichtsrats sein Tätigwerden bereits weit im Vorfeld einer eintretenden Vorstandsvakanz.“ Es fehlt bereits an einer Autorennennung am rechten Ort. Der Urheber Götz wird in der Fußnote 355 zu S. 77 Abs. 3 Satz 2 der Dissertation benannt, aber nur für den Gedanken, dass es mittelfristiger Nachfolgeplanungen bedürfe. Die Verwendung des Wortes „Somit“ deutet auf eine Schlussfolgerung hin, die erst recht hätte als Fremdleistung ausgewiesen werden müssen.

179

(48) Die allein erforderliche Autorennennung noch hinreichend vorhanden ist demgegenüber auf S. 79 Abs. 3 Satz 1 bis S. 80 Abs. 1 Satz 1 der Dissertation (Fallgruppe B). Einen Quellennachweis erfordern nicht schon die Formulierungen, die fragmentsweise von A. stammen, aber anders als bei der vorgenannten Textstelle (s.o. (47)) wenig originell sind. Einen Quellennachweis erfordert, dass die gedanklichen Inhalte von A. stammen. Für den gedanklichen Inhalt wird in der Fußnote 369 zu S. 80 Abs. 1 Satz 2 der Dissertation A. als Quelle genannt. Eine Zuordnung zu den Inhalten der in Rede stehenden Textstelle ist dem Leser möglich, da S. 80 Abs. 1 Satz 2 der Dissertation eine Konkretisierung („im erstgenannten Fall“, „im letztgenannten Fall“) des an der in Rede stehenden Textstelle eingeführten Gegensatzpaars („Auf der einen Seite“, „auf der anderen Seite“) enthält.

180

(49) Ein Zitierfehler, da zwar die erforderliche Autorennennung erfolgt, aber ohne die erforderliche besondere Kennzeichnung, begegnet dem Leser demgegenüber auf S. 80 Abs. 1 Satz 3 der Dissertation (Fallgruppe E). Die Satzfragmente „gilt auch […] für die vorzeitige Beendigung der Vorstandstätigkeit […], dürfen die anderen Vorstandsmitglieder nicht abwarten, bis der Aufsichtsrat die notwendigen Konsequenzen zieht, sondern müssen von sich aus initiativ werden, damit […] sein Amt zur Verfügung stellt bzw. abberufen wird.“ stammen wörtlich von A.. Dass der Inhalt von A. herrührt, geht zwar aus der Fußnote 370 zu S. 80 Abs. 1 Satz 6 der Dissertation („Deshalb wären rechtliche Vorgaben über das normative Gewicht des jeweiligen Entscheidungsträgers verfehlt.“) hervor, denn das Wort „Deshalb“ bewirkt eine Klammerung zu der vorstehenden Textstelle. Nicht offen gelegt ist aber die Wörtlichkeit der Übernahme. Geringfügige Änderungen („Gleiches gilt“ statt „Das gilt auch“) deuten auf Täuschungsvorsatz hin.

181

(50) Sowohl die erforderliche Autorennennung als auch die erforderliche besondere Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme der Zwischenergebnisse von A. fehlen wiederum auf S. 80 Abs. 1 Satz 1 der Dissertation (Fallgruppe F). Es handelt sich um eine Schlussfolgerung aus den vorstehenden Abschnitten, weshalb gerade eine erneute Benennung der Quelle nicht entbehrlich war, um nicht den falschen Eindruck einer Eigenleistung zu erwecken.

182

(51) Ohne Zitierfehler ist S. 81 Abs. 1 Satz 7 der Dissertation (Fallgruppe A). Formulierung und Inhalt, dass die für die Zukunft als Nachfolger im Vorstand ausgewählten Personen „stets adäquat und anspruchsgerecht beschäftigt werden“ müssen, sind von so geringer Originalität, dass das Fehlen einer Autorennennung unter Anlegung eines großzügigen Maßstabs als vertretbar erscheint.

183

(52) Einen Zitierfehler begründet in der Fußnote 396 zu S. 87 der Dissertation, dass A. als Urheber der Sekundärquelle nicht genannt wird (Fallgruppe D). Eine Autorennennung ist erforderlich wegen des Inhalts (Rezeptionsleistung von A.). Die Formulierung („Beispielhaft sei […] verwiesen“) erfordert hingegen keinen besonderen Quellennachweis. Eine Autorennennung fehlt am rechten Ort. Die Fußnoten 394 und 397 geben eine Quelle nur für den jeweiligen Inhalt des Textkorpus an, nicht für den Inhalt der Fußnote 396.

184

(53) Auf S. 132 Abs. 3 Sätze 1 und 2 der Dissertation fehlen die Nennung des Autors Mertens und die besondere Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme beider Sätze (Fallgruppe F). Entgegen dem klägerischen Vortrag war eine Autorennennung nicht entbehrlich. Die beiden Sätze beschreiben konzentriert und prägnant die Leitungsverantwortung des Vorstands einer andere Unternehmen beherrschenden Aktiengesellschaft und enthalten die Schlussfolgerung einer „(Ober-)Leitung der Konzernunternehmen“.

185

(54) Entsprechend fehlen in der Fußnote 612 zu S. 132 der Dissertation Nachweise des Urhebers Scheffler und der wörtlichen Übernahme des vollständigen Satzes (Fallgruppe F). An einer Autorennennung fehlt es entgegen dem klägerischen Vortrag. Die Fußnoten 611 und 613 geben eine Quelle nur für den jeweiligen Inhalt des Textkorpus an, nicht für den Inhalt der Fußnote 612.

186

(55) Auf S. 179 Abs. 5 Satz 2 der Dissertation fehlen ebenso die Autorennennung und die besondere Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme (Fallgruppe F). Gerade weil es sich gemäß der Überschrift auf S. 179 um die Zusammenfassung der Dissertation handelt, war eine – vom Leser gerade an dieser Stelle nicht zu erwartende – Fremdleistung als solche auszuweisen. Auf eine Nennung des Autors Götz konnte nicht verzichtet werden. Die wörtliche Übernahme der charakteristischen Formulierung „daß ein leistungsfähiges internes Überwachungssystem besteht, welches alle relevanten Vorgänge erfasst“ erfordert eine besondere Kennzeichnung.

187

(56) Die S. 115 Abs. 7 Satz 1 der Dissertation zeigt einen Zitierfehler gleicher Art (Fallgruppe F). Inhalte und Formulierungen stammen von Scheffler. Eine Autorennennung fehlt am rechten Ort. Der Leser vermag den Quellennachweis in der Fußnote 539 zu S. 115 Abs. 2 Satz 2 der Dissertation nicht der in Rede stehenden Textstelle zuzuordnen. Denn aus der Satzeinleitung „Aus diesen Überlegungen ist abzuleiten“ folgt, dass der in S. 115 Abs. 3 Satz 1 zum Ausdruck gebrachte Gedanke über den Inhalt des S. 115 Abs. 2 Satz 2 hinausgeht und eine weiterführende Schlussfolgerung enthält.

188

(57) Schließlich ist auf S. 180 Abs. 6 Satz 3 der Dissertation ein Zitierfehler gegeben (Fallgruppe D). Der Leser durfte erwarten, dass unter der Überschrift „Zusammenfassung“ keine fremden Untersuchungsergebnisse präsentiert werden, ohne die hier von Bezzenberger übernommene inhaltliche Fremdleistung als solche auszuweisen. Die übernommene Formulierung ist nicht originell genug, um über die Autorennennung hinaus eine besondere Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme zu gebieten.

189

cc. Die Täuschung ist nicht unerheblich. Die Bagatellgrenze ist, unabhängig davon, wo genau sie verläuft, jedenfalls überschritten. Dahinstehen kann, ob die Bagatellgrenze allein absolut zu bestimmen ist und bereits bei wenigen, nicht geringfügigen Zitierfehlern überschritten ist, oder ob dies erst dann der Fall ist, wenn auch relativ ein in Bezug auf die Prüfungsleistung als Ganzes nicht unverhältnismäßiges Ausmaß an Zitierfehlern erreicht ist, bei denen die betroffene Textstelle für den Leser zu Unrecht den Anschein einer Eigenleistung erweckt. Denn auch in relativer Betrachtung stehen die nicht zu beanstandenden Textstellen nicht außer Verhältnis zu den in absoluten Zahlen nicht wenigen Textstellen der vom Kläger vorgelegten Dissertation, die eine Eigenleistung vortäuschen.

190

Wie im Bescheid vom 25. Juni 2012, S. 17, dargelegt, ist jedenfalls kein vereinzelt auftretendes und versehentliches unsauberes Arbeiten bzw. Zitieren im Sinne von bagatellhaften, handwerklichen Flüchtigkeitsfehlern oder ein Fehlverhalten in inhaltlich irrelevanten, hinsichtlich der Thematik der Arbeit allenfalls randständigen Teilen der Dissertation gegeben. Denn den in der Dissertation redlich erbrachten Eigenleistungen steht nach den obigen Feststellungen (s.o. bb.) eine große und auch im Verhältnis dazu nicht zu vernachlässigende Anzahl von Fällen entgegen, in denen eine Fremdleistung nicht hinreichend als solche ausgewiesen und damit für den Leser zu Unrecht der Eindruck einer Eigenleistung erweckt worden ist. Die in einer Vielzahl auftretenden Zitierfehler, die einen Verstoß gegen die wissenschaftliche Redlichkeit begründen, überschreiten jedwede Bagatellgrenze bei Weitem. Während von den untersuchten 57 Textstellen zwölf (und eine weitere teilweise) keinen Zitierfehler aufweisen, weil entweder bereits eine Autorennennung entbehrlich ist (Fallgruppe A) oder die allein erforderliche Autorennennung vorhanden ist (Fallgruppe B), zeigen sich an allen übrigen der untersuchten Textstellen Zitierfehler. An zwei Textstellen fehlt es an der erforderlichen Autorennennung (Fallgruppe D) und an sieben weiteren Textstellen an der erforderlichen besonderen Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme (Fallgruppe E). An allen übrigen 35 Textstellen (und einer weiteren Textstelle teilweise) fehlt es sogar an beidem, sowohl an der erforderlichen Autorennennung als auch an der erforderlichen besonderen Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme (Fallgruppe F).

191

Die Bagatellgrenze ist sowohl in absoluter als auch in relativer Hinsicht selbst dann überschritten, wenn zugunsten des Klägers angenommen würde, dass keine weiteren, als die vorstehenden (s.o. bb. (1) bis (57)) untersuchten Textstellen Zitierfehler aufweisen. Nicht untersucht worden sind insbesondere die von der Beklagten im angefochtenen Bescheid in Anlage 3 angeführten 71 Textstellen, in denen nach ihrer Auffassung nicht kenntlich gemacht ist, welche Teile des Textes auf seinen eigenen Erkenntnissen und Gedanken beruhen und welche Teile des Textes eine bloße Wiedergabe fremder Erkenntnisse und Gedanken darstellen.

192

Das Gericht verkennt dabei nicht, dass der Kläger in der vorgelegten Dissertation in einem nicht kleinen Umfang Quellennachweise angebracht hat. Die 180 Seiten des Textkorpus enthalten 818 Fußnoten, die – zugeordnet zu einzelnen Textstellen – oftmals ein oder mehrere Autoren von übernommenen Fremdleistungen nennen. Die Vielzahl der festgestellten Zitierfehler, bei denen Fremdleistungen mangelhaft als solche ausgewiesen sind, überschreitet gleichwohl die Schwelle der Erheblichkeit deutlich.

193

Dahinstehen kann, ob der Kläger, wie er vorprozessual in seiner Stellungnahme vom 13. Januar 2012 vorgebracht hat, in seiner Dissertation als Eigenleistung eine herausragende Stellung des Finanzvorstands anerkannt hat. Denn die Dissertationsleistung ist im Rahmen dieses Verfahrens nicht zu würdigen; es ist auch unerheblich, ob die Leistung – die Zitierfehler hinweggedacht – noch für eine selbständige wissenschaftliche Arbeit ausgereicht hätte (VGH Mannheim, Beschl. v. 13.10.2008, 9 S 494/08, juris Rn. 8).

194

dd. Die Täuschung hat bei den maßgeblichen Adressaten einen Irrtum hervorgerufen, auf dem wiederum die Verleihung des Doktorgrads beruht.

195

Ein durch die Täuschungshandlung hervorgerufener Irrtum liegt bereits dann vor, wenn nur einzelne Amtswalter, die an der Entscheidung maßgeblich beteiligt waren, irregeführt worden sind (VG Regensburg, Urt. v. 31.7.2014, RO 9 K 13.1442, juris Rn. 47). Diese Voraussetzung ist erfüllt. Die Verleihung des Doktorgrads durch Aushändigung oder Zustellung einer vom Sprecher des damaligen Fachbereichs Rechtswissenschaft I gemäß § 18 Abs. 1 Satz 1 PromO 1972 unter dem 28. Januar 1998 unterzeichneten Urkunde setzte ein Bestehen des Kolloquiums gemäß § 16 Abs. 1 Satz 1 PromO 1972 vor dem aus drei Prüfern bestehenden Ausschuss gemäß § 13 Abs. 2 PromO 1972 voraus. Die Durchführung des Kolloquiums erforderte nach § 13 Abs. 1 PromO 1972, dass die Dissertation endgültig mindestens als „genügend“ bewertet wurde. Die Bewertung der vom Kläger vorgelegten Dissertation durch den nach § 11 PromO 1972 gebildeten Dissertationsausschuss entsprach gemäß § 10 Abs. 3 PromO 1972 der übereinstimmenden Bewertung der beiden zur Beurteilung der Dissertation bestellten Gutachter in ihren gemäß § 10 Abs. 1 i.V.m § 9 PromO 1972 erstellten Voten mit der Note „magna cum laude“. Dabei kann dahinstehen, ob der Betreuer der Dissertation und Erstgutachter Prof. Dr. A. bei Erstattung eines Votums vom 16. Oktober 1997 einem Irrtum unterlag. Denn zumindest das Votum des Zweitgutachters Prof. Dr. B. vom 23. Dezember 1997 beruhte, wie der Zweitgutachter in seiner Stellungnahme vom 1. Dezember 2011 bestätigt hat, auf dem durch die Täuschung hervorgerufenen Irrtum, dass „die gesamte Darstellung inhaltlich und textlich allein vom Verfasser“ stamme, sodass mit Aufdeckung der Täuschung nunmehr die „Grundlage für die Beurteilung“ entfallen ist. Ohne die Bewertung des Zweitgutachters wäre das Kolloquium nicht durchgeführt und dem Kläger folglich der Doktorgrad nicht verliehen worden.

196

Die Ursächlichkeit der vom Kläger begangenen Täuschung für die Verleihung des Doktorgrads schlösse es nicht aus, wenn für eine andere als die vom Kläger vorgelegte Arbeit der Doktorgrad verliehen worden wäre. Denn ausgehend von der Dissertation als Form- und Sinnganzes, kommt es auf die konkrete Identität der vorgelegten Arbeit an (vgl. VGH Mannheim, Urt. v. 19.4.2000, 9 S 2435/99, juris Rn. 25; Urt. v. 18.11.1980, IX 1302/78, ESVGH 31, 54 <57>).

197

ee. Der Kläger hat vorsätzlich gehandelt.

198

Vorsatz ist das Wissen und Wollen des Prüflings hinsichtlich der objektiven Umstände, d.h. der Täuschungshandlung im Promotionsverfahren durch Vorlage einer Fremdleistungen mangelhaft als solche ausweisenden Dissertation (dazu s.o. bb.), der Erheblichkeit der Täuschung (dazu s.o. cc.) und der Ursächlichkeit der Täuschung für die Verleihung des Doktorgrads (dazu s.o. dd.). Ausreichend für eine vorsätzliche Täuschung ist ein bedingter Vorsatz, bei dem die Verwirklichung der objektiven Umstände für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen wird (vgl. OVG Bautzen, Beschl. v. 28.6.1994, 2 S 130/94, SächsVBl 1994, 269, juris ). Die vorsätzliche Täuschung eines Prüflings liegt dann vor, wenn keine andere Erklärung zu finden ist, als die, dass der Prüfling insgeheim den ursprünglichen Text als Schreibvorlage benutzt hat (VGH Mannheim, Urt. v. 18.11.1980, IX 1302/78, ESVGH 31, 54 <55>).

199

Nach diesen Maßstäben hat der Kläger im Promotionsverfahren vorsätzlich getäuscht. Der Kläger hat es für möglich gehalten und billigend in Kauf genommen, dass der Grad eines Doktors der Rechtswissenschaft an ihn aufgrund einer erheblichen Täuschung im Promotionsverfahren verliehen werden würde. Art und Umfang der Übernahme fremder Texte und Gedanken ohne hinreichende Ausweisung lassen keine andere Erklärung zu. Im Einzelnen:

200

In quantitativer Hinsicht kann ein bedingter Täuschungsvorsatz bereits aus der schieren Menge der Verstöße gegen die wissenschaftliche Redlichkeit hergeleitet werden (vgl. VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, 15 K 2271/13, juris Rn. 159). Zitierfehler, die in einer mangelhaften Ausweisung von Fremdleistungen begründet sind, treten an 44 der 57 untersuchten Textstellen (und einer weiteren Textstelle teilweise) auf. Rechnerisch ist auf jeder vierten der insgesamt 180 Druckseiten der Dissertation festzustellen, dass Fremdleistungen mangelhaft ausgewiesen sind.

201

In qualitativer Hinsicht wiegt der vielfache Verstoß gegen die wissenschaftliche Redlichkeit besonders schwer. Die Art der Zitierfehler lässt – ebenso wie vorstehend beschrieben der Umfang der Zitierfehler – auf einen zumindest bedingten Täuschungsvorsatz schließen.

202

Dies folgt zunächst daraus, dass sich die mangelhafte Ausweisung von Fremdleistungen auf alle wesentlichen Teile der vom Kläger vorgelegten Dissertation erstreckt. Die betroffenen Textstellen (s.o. bb.) finden sich, wie im Bescheid vom 25. Juni 2012, S. 18 f., zu Recht hervorgehoben ist, nicht nur und auch nicht weit überwiegend in thematischen Randbereichen der Dissertation, vielmehr erstreckt sich die mangelhafte Ausweisung von Fremdleistungen auf alle wesentlichen Teile der vom Kläger vorgelegten Dissertation: Unter der Abschnittsüberschrift „§ 1 Generalia“ (S. 1-5) findet sich ein Zitierfehler der Fallgruppe F. Der Abschnitt „§ 2 Geschäftsleitung in der Aktiengesellschaft“ (S. 6-89) enthält 30 Textstellen (und eine Textstelle teilweise), die der Fallgruppe F zuzuordnen sind, davon 14 Textstellen in dem Unterabschnitt „D. Grenzen der Geschäftsverteilung“ (S. 24-74), die der Kläger in der Dissertation selbst (S. 3) als „Kernbereich der Arbeit“ ausgewiesen hat. Im Abschnitt „§ 3 …“ (S. 90-156) begegnen dem Leser zwei Zitierfehler der Fallgruppe F. Während in den beiden kürzeren Abschnitten „§ 4 …“ (S. 157-163) und „§ 5 …“ (S. 164-178) keine Zitierfehler festgestellt worden sind, treten in dem die Arbeit abschließenden Abschnitt „§ 6 … (S. 179-180)“, in dem die vom Promovenden gefundenen Ergebnisse der Arbeit zu sammeln waren, wiederum zwei Zitierfehler auf. An beiden Textstellen fehlt es bereits an der Autorennennung, an einer der Textstelle zusätzlich an der besonderen Kennzeichnung einer wörtlichen Übernahme.

203

In qualitativer Hinsicht wiegt der Verstoß ferner deshalb besonders schwer, weil von den 44 festgestellten Zitierfehlern (und einem weiteren teilweisen Zitierfehler), 35 (und ein weiterer teilweise) der Fallgruppe F zuzuordnen sind. Obwohl an den betroffenen Textstellen über den gedanklichen Inhalt hinaus auch die Formulierung wörtlich der Quelle entnommen ist, fehlt es hier nicht nur an der gebotenen besonderen Kennzeichnung der wörtlichen Übernahme, sondern bereits überhaupt an der Nennung des Autors. Der dem Kläger gemacht Vorwurf erschöpft sich mithin nicht darin und besteht auch nicht im Schwerpunkt darin, dass er nicht in hinreichendem Umfang Anführungszeichen gesetzt habe. Vielmehr liegt der Vorwurf darin begründet, dass es bereits an einer Nennung des Urhebers eines zu Unrecht als Eigenleistung dargestellten fremden gedanklichen Inhalts fehlt und zusätzlich dazu die Formulierungen wörtlich übernommen worden sind.

204

Für einen Täuschungsvorsatz spricht weiter, dass sich die Zitierfehler nicht auf den darstellenden Teil der Dissertation beschränken. Auch soweit die Dissertation Schlussfolgerungen enthält oder die Ergebnisse der Arbeit selbst präsentiert werden, sind Fremdleistungen mangelhaft ausgewiesen (s.o. bb. (28), (47), (55) und (57)). Dies wiegt besonders schwer, weil aus Sicht des Lesers der Wert der Dissertation als wissenschaftlicher Arbeit vor allem in den über das Repetitive hinausgehenden Transferleistungen besteht.

205

Hinzu kommt, dass der Verstoß gegen die Grundanforderungen wissenschaftlicher Redlichkeit durch fehlerhafte Zitate jeweils mit bestimmten Indizien einer vorsätzlichen Täuschung einhergeht. Ein Täuschungsvorsatz lässt sich in Anlehnung an die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Münster anhand von vier alternativ zu erfüllenden Kriterien feststellen. Ist eines dieser Kriterien erfüllt, so kann darauf geschlossen werden, dass der Prüfling sich mit dem von ihm abgeschriebenen Text in einer Weise befasst hat, dass von einem bloß leichtfertigen Verstoß gegen das Redlichkeits- und Zitiergebot keine Rede sein kann (VG Münster, Urt. v. 20.2.2009, 10 K 1212/07, juris Rn. 27; vgl. OVG Münster, Beschl. v. 12.8.2010, 14 A 847/09, juris Rn. 23). Das erste Kriterium ist erfüllt, wenn der Prüfling eine Kollage aus Arbeiten fremder Autoren präsentiert. Das zweite Kriterium stellt auf marginale Manipulationen ausgehend vom ursprünglichen Text ab, denn (so VGH Mannheim, Beschl. v. 13.10.2008, 9 S 494/08, juris Rn. 9; vgl. auch VG Frankfurt, Urt. v. 23.5.2007, 12 E 2262/05, juris Rn. 15) die Vorgehensweise der Umstellungen und der Syntaxvariationen belegt eine gezielte Verschleierungsabsicht. Das dritte Kriterium zeigt ein Durchzitieren von Primärquellen ohne Nennung der Sekundärquelle, deren Rezeptionsleistung übernommen wurde, an. Das vierte Kriterium, das einen Täuschungsvorsatz indiziert, ist erfüllt, wenn der Prüfling die Quelle nicht an der in Rede stehenden Textstelle, sondern an anderer Stelle nennt, da dadurch für den Leser im Umkehrschluss der Eindruck bestärkt wird, der Prüfling habe an der erstgenannten Textstelle eine eigene Leistung erbracht.

206

An allen Textstellen, an denen Fremdleistungen mangelhaft ausgewiesen sind, ist zumindest das vierte Kriterium erfüllt, dass die Quelle an anderer Stelle benannt ist (s.o. bb. (1), (2), (5), (6), (8) bis (10), (12) bis (18), (20) bis (26), (28), (29) bis (33), (35) bis (39), (42), (44) bis (47), (49), (50), (52) bis (57)). In mindestens einem Fall ist daneben das erste Kriterium erfüllt, das eine kollageartige Zusammensetzung aus eigenen und fremden Gedanken anzeigt (s.o. bb. (16)). In neun Fällen ist auch das zweite Kriterium erfüllt, da gegenüber der Quelle eine marginale Veränderung, etwa in einzelnen Wörtern oder in den Satzübergängen vorgenommen worden ist (s.o. bb. (8), (12), (13), (16), (24), (30), (36), (38) und (45)). Das dritte Kriterium des Durchzitierens der Primärquelle unter Verschleierung der Rezeptionsleistung der Sekundärquelle ist in mindestens vier Fällen erfüllt (s.o. bb. (12), (20), (22) und (52)).

207

f. Die Rücknahme der Verleihung des Doktorgrads durch den Bescheid vom 25. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2013 genügt auch den auf Rechtsfolgenseite der Befugnisnorm gestellten Anforderungen.

208

Dabei kann dahinstehen, ob § 48 Abs. 1 HmbVwVfG oder § 18 Abs. 2 PromO 2010 als Rechtsgrundlage herangezogen wird (s.o. c.). Ebenso kann dahinstehen, ob § 18 Abs. 2 Satz 2 PromO 2010 zulasten des Prüflings eine gebundene Entscheidung für den Fall vorsieht, dass die Täuschung Leistungen in solchen Teilen der Promotion betrifft, die für die Bewertung der Dissertation oder Disputation oder die Gesamtnote einen wichtigen Stellenwert hatten und ob ein solcher Fall gegeben ist. Denn wenn keine gebundene Entscheidung vorläge, wäre die Ausübung des der Beklagten nach § 18 Abs. 2 Satz 1 PromO 2010 bzw. nach § 48 Abs. 1 HmbVwVfG eingeräumten behördlichen Ermessens nach § 114 Satz 1 VwGO gerichtlich nicht zu beanstanden. Im Einzelnen:

209

Ein der Ausübung von Ermessen etwaig vorgelagerter Fehler bei der Subsumtion unter den Tatbestand der Befugnisnorm kann keinen Ermessensfehler begründen (hierzu unter aa.). Die Beklagte hat in Übereinstimmung mit § 40 HmbVwVfG Ermessen ausgeübt (hierzu unter bb.) und zwar entsprechend dem Zweck der Ermächtigung (hierzu unter cc.) und unter Einhaltung der gesetzlichen Grenzen des Ermessens (hierzu unter dd.).

210

aa. Kein Ermessensfehler folgt daraus, dass die Beklagte die vorsätzliche Täuschung im Promotionsverfahren aus von ihr angenommen Zitierfehlern an allen 57 in Anlage 1 und 2 zum Bescheid vom 25. Juni 2012 genannten Textstellen hergeleitet hat, aber nur an 44 Textstellen (und einer weiteren Textstelle teilweise) das Gericht Zitierfehler festgestellt hat (dazu s.o. e. bb.). Zum einen hat die Beklagte im Ergebnis zutreffend den Tatbestand der eine Rücknahme nach Ermessen eröffnenden Normen für erfüllt angesehen: Die festgestellte Täuschung im Promotionsverfahren erfüllt den Tatbestand des § 18 Abs. 2 Satz 1 PromO 2010 und die aus der Täuschung im Promotionsverfahren folgende Rechtswidrigkeit des Verwaltungsakts, mit dem der Doktorgrad verliehen worden ist, erfüllt den Tatbestand des § 48 Abs. 1 Satz 1 HmbVwVfG (s.o. e.). Zum anderen geht die Subsumtion unter den Tatbestand der ein Rücknahmeermessen eröffnenden Vorschrift der Ausübung von Ermessen voraus, so dass sich aus einer fehlerhaften Subsumtion kein Ermessensfehler herleiten kann. Die Abweichung der festgestellten Fehlerzahl ist nicht derart gravierend, dass die Ausübung von Ermessen zugunsten der Rücknahme dadurch in Frage gestellt würde. Denn es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass der Widerspruchsausschuss eine andere Ermessensentscheidung getroffen hätte, wenn er statt von 57 Zitierfehlern von 44 Verstößen gegen die Grundanforderungen wissenschaftlicher Redlichkeit ausgegangen wäre.

211

bb. Die Entscheidung über die Rücknahme leidet nicht an einem Ermessensausfall. Die Beklagte ist davon ausgegangen, dass ihr bei Vorliegen der tatbestandlichen Voraussetzungen Ermessen darüber zusteht, ob sie den Verwaltungsakt über die Verleihung des Doktorgrads zurücknimmt. Die Beklagte hat im Widerspruchsbescheid das eröffnete Ermessen geprüft und ausgeführt, dass Ermessensfehler nicht erkennbar seien. Unschädlich ist dabei, dass die Beklagte statt der unanwendbaren bundesrechtlichen Vorschrift des § 48 Abs. 1 VwVfG nicht die in Betracht zu ziehende landesrechtliche Parallelvorschrift des § 48 Abs. 1 HmbVwVfG sowie die Satzungsbestimmung des § 18 Abs. 2 PromO 2010 genannt hat. Denn, wie bereits dargestellt, ist der Zweck des Ermessens, welches hinsichtlich der Rücknahme eines rechtswidrigen Verleihungsakts eingeräumt ist, nach beiden in Betracht zu ziehenden Befugnisnormen derselbe wie nach § 48 Abs. 1 VwVfG (s.o. c. cc.).

212

Ferner steht die im Widerspruchsbescheid enthaltene Annahme, wegen der vorliegenden arglistigen Täuschung sei ein sehr eingeschränkter Ermessensspielraum zu Grunde zu legen, weil der Vertrauensschutz eingeschränkt sei, in Übereinstimmung mit der höchstrichterlichen Rechtsprechung. Danach ist die in § 48 Abs. 2 der parallelen Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder getroffene Wertung über die Schutzwürdigkeit des Vertrauens, die sich ihrem Wortlaut nach nur auf die dort genannten Geld- und Sachleistungsverwaltungsakte bezieht, im Rahmen der Ausübung des Rücknahmeermessens zu berücksichtigen (BVerwG, Beschl. v. 20.10.2006, 6 B 67.06, Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 116, juris Rn. 6; OVG Münster, Urt. v. 10.2.2016, 19 A 991/12, juris Rn. 88 ff.). Auf den Bestand eines Verwaltungsaktes darf der Begünstigte gemäß § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 Var. 1 HmbVwVfG insbesondere dann nicht vertrauen, wenn er den Verwaltungsakt durch eine arglistige Täuschung erwirkt hat. Dies ist hier der Fall. Arglist setzt eine bewusste Täuschung voraus (BVerwG, Urt. v. 9.9.2003, 1 C 6/03, BVerwGE 119, 17, juris Rn. 15), wobei bedingter Vorsatz genügt (OVG Bautzen, Beschl. v. 28.6.1994, 2 S 130/94, SächsVBl 1994, 269, juris ). Die Verleihung des Grads des Doktors der Rechtswissenschaft an den Kläger beruht auf der vorsätzlichen Täuschung im Promotionsverfahren (s.o. e.).

213

cc. Die Entscheidung über die Rücknahme leidet ferner nicht an einem Ermessensfehlgebrauch. Die Beklagte hat das Ermessen dem Zweck der Ermächtigung gemäß ausgeübt. Die Beklagte hat im Widerspruchsbescheid vom 30. April 2013 ihre eigene Ermessensbetätigung aufgrund einer Abwägung der widerstreitenden Interessen zu Recht darauf gestützt, dass die Entziehung des Doktorgrads den wissenschaftlichen Ruf des Fachbereichs, der Universität und das Ansehen der Rechtswissenschaft insgesamt schütze und die Übereinstimmung von akademischer Leistung und akademischem Titel ebenso sichere wie das Allgemeininteresse an Titelwahrheit, die Integrität des Promotionsverfahrens und die Chancengleichheit mit anderen Doktoranden. Es besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass der Widerspruchsausschuss bei der Entscheidung über die Rücknahme aus sachfremden Gründen, d.h. willkürlich vorgegangen wäre. Unerheblich für die Ermessensausübung durch den Widerspruchsausschuss ist, aus welchem Anlass der für die Ausgangsentscheidung zuständige Promotionsausschuss das Verfahren über die Rücknahme der Verleihung des Doktorgrads eingeleitet hatte.

214

dd. Die Entscheidung über die Rücknahme leidet schließlich nicht an einer Ermessensüberschreitung. Die Beklagte hat die gesetzlichen Grenzen des Ermessens eingehalten. Die besonderen Einschränkungen des § 48 Abs. 2 bis 4 HmbVwVfG, unter denen gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 HmbVwVfG ein begünstigender Verwaltungsakt nur zurückgenommen werden darf, stehen der Rücknahme des die Verleihung des Doktorgrads vornehmenden Verwaltungsakts nicht entgegen. Dies gilt sowohl für den einfachgesetzlichen Vertrauensschutz nach § 48 Abs. 2 oder 3 HmbVwVfG (hierzu unter (1)) als auch für die Rücknahmefrist nach § 48 Abs. 4 HmbVwVG (hierzu unter ((2)). Die Rücknahme der Promotion ist nach Treu und Glauben auch nicht im Hinblick auf die Vorgänge im Habilitationsverfahren ausgeschlossen (hierzu unter (3)). Die Rücknahme steht ferner mit dem verfassungsrechtlichen Grundsatz der Verhältnismäßigkeit im Einklang (hierzu unter (4)).

215

(1) Der Rücknahme steht auf besonderer einfachgesetzlicher Grundlage kein Vertrauensschutz entgegen.

216

Auch ausgehend von einer Anwendbarkeit des § 48 Abs. 1 HmbVwVfG ist ein Bestandsschutz nach § 48 Abs. 2 HmbVwVfG bereits deshalb nicht zu prüfen, weil der Verwaltungsakt, mit dem der akademische Grad eines Doktors der Rechte verliehen worden ist, nicht – wie diese Vorschrift voraussetzt – eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist. Bei anderen Verwaltungsakten steht schutzwürdiges Vertrauen nicht nach § 48 Abs. 2 HmbVwVfG im Wege des Bestandschutzes einer Rücknahme entgegen, sondern löst lediglich nach § 48 Abs. 3 Satz 1 HmbVwVfG im Wege des Vermögensschutzes eine Entschädigungspflicht aus (vgl. BVerwG, Urt. v. 24.5.2012, 5 C 17/11, BVerwGE 143, 161, juris Rn. 21).

217

Unabhängig davon war das Vertrauen des Klägers in den Bestand des Verwaltungsakts über die Verleihung des Doktorgrads nach dem Maßstab des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 Var. 1 HmbVwVfG nicht schutzwürdig. Denn der Kläger hat diesen Verwaltungsakt durch die im Promotionsverfahren begangene arglistige Täuschung erwirkt (s.o. bb.).

218

(2) Der Rücknahme der am 28. Januar 1998 vollzogenen Verleihung des Doktorgrads durch den Bescheid vom 25. Juni 2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2013 steht die Rücknahmefristbestimmung des § 48 Abs. 4 HmbVwVfG nicht entgegen.

219

Die Bestimmung über die Rücknahmefrist findet nach § 18 Abs. 3 PromO 2010 auf eine Aberkennung und Entziehung der Verleihung des Doktorgrads aufgrund § 18 Abs. 2 PromO 2010 bzw. nach § 1 Abs. 1 HmbVwVfG auf eine Rücknahme aufgrund § 48 Abs. 1 HmbVwVfG Anwendung.

220

Jedoch galt die Rücknahmefrist in Anwendung des § 48 Abs. 4 Satz 2 HmbVwVfG vorliegend nicht. Nach dieser Vorschrift gilt die Fristbestimmung des § 48 Abs. 4 Satz 1 HmbVwVfG insbesondere nicht im Fall des § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 Var. 1 HmbVwVfG, d.h. für die Rücknahme eines durch arglistige Täuschung erwirkten Verwaltungsakts. Dieser Anwendungsausschluss gilt nicht nur für Verwaltungsakte nach § 48 Abs. 2 HmbVwVfG, sondern auch für solche nach § 48 Abs. 3 HmbVwVfG (zu den Parallelvorschriften des Bundes und der Länder: BVerwG, Urt. v. 12.4.2005, 1 C 9/04, BVerwGE 123, 190, juris Rn. 32; Sachs, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 48 Rn. 209 m.w.N.). Dies betrifft insbesondere die Entziehung des Doktorgrads wegen arglistiger Täuschung (zur hessischen Parallelvorschrift: VG Frankfurt, Urt. v. 23.5.2007, 12 E 2262/05, juris Rn. 20). Wie bereits dargestellt, ist eine arglistige Täuschung gegeben, da die Verleihung des Doktorgrads auf der vorsätzlichen Täuschung im Promotionsverfahren beruht (s.o. bb.).

221

Unabhängig davon wäre die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 HmbVwVfG, ihre Geltung unterstellt, beachtet. Nach dieser Vorschrift ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt zulässig, in dem die Behörde von Tatsachen Kenntnis erhält, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen. Der Fristlauf beginnt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung, der sich die Kammer anschließt, erst dann, wenn die Behörde positive Kenntnis von den Tatsachen, die die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtfertigen, erhalten hat. Danach erlangt die Behörde positive Kenntnis, wenn der nach der innerbehördlichen Geschäftsverteilung zur Rücknahme des Verwaltungsakts berufene Amtswalter oder ein sonst innerbehördlich zur rechtlichen Überprüfung des Verwaltungsakts berufener Amtswalter die die Rücknahme des Verwaltungsakts rechtfertigenden Tatsachen feststellt; die Feststellung ist getroffen, sobald diese Tatsachen vollständig, uneingeschränkt und zweifelsfrei ermittelt sind (BVerwG, Beschl. v. 19.1.1984, GrSen 1/84, GrSen 2GrSen 2/84, BVerwGE 70, 356, juris Rn. 22). Zur Herstellung der Entscheidungsreife gehört auch die Anhörung des Betroffenen, vor deren Durchführung die Jahresfrist nicht beginnt (BVerwG, Beschl. v. 4.12.2008, 2 B 60/08, juris Rn. 7). Ausgehend von einer Anhörung des Klägers im Januar 2012 erfolgte die am 28. Juni 2012 zugestellte und nach §§ 43 Abs. 1 Satz 1, 41 Abs. 5 HmbVwVfG gegenüber dem Kläger wirksam gewordene Rücknahme jedenfalls rechtzeitig.

222

(3) Auch unter Berücksichtigung der Vorgänge im Habilitationsverfahren ist die Rücknahme der Promotion nicht nach dem im öffentlichen Recht geltenden allgemeinen Rechtsgrundsatz von Treu und Glauben ausgeschlossen. Die Rücknahme ist weder durch einen Vergleichsvertrag (hierzu unter (a)) noch durch eine Zusicherung (hierzu unter (b)) ausgeschlossen noch steht der Rücknahme das Verbot widersprüchlichen Verhaltens entgegen (hierzu unter (c)).

223

(a) Die im Zusammenhang mit der Sitzung des Habilitationsausschusses am 27. Mai 2009 gefundene „Rettungslösung“ ist kein verbindlicher Vergleichsvertrag des Inhalts, Plagiatsvorwürfe hinsichtlich der Dissertation nicht weiter zu verfolgen. Dabei kann in tatsächlicher Hinsicht der Vortrag des Klägers zu den Inhalten der vor der Sitzung des Habilitationsausschusses am 27. Mai 2009 zwischen dessen Vorsitzenden Prodekan Prof. Dr. D. und dem klägerischen Bevollmächtigten Rechtsanwalt H. durchgeführten Unterredung zugrunde gelegt werden (vgl. klägerischer Schriftsatz v. 20.4.2016, Bl. 141 ff. d.A.). Der Inhalt des Vier-Augen-Gesprächs ergibt sich danach aus den detaillierten Aufzeichnungen und diktierten Protokollen des Rechtsanwalts H.. In rechtlicher Hinsicht trägt die vom Kläger vorgenommene Bewertung der im Habilitationsverfahren gefundenen „Rettungslösung“ jedoch nicht. Im Einzelnen:

224

Fraglich ist bereits, ob im Zusammenhang mit der „Rettungslösung“ ein (öffentlich-rechtlicher Vergleichs-)Vertrag als ein mehrseitiges, durch übereinstimmende Willenserklärungen gemäß § 62 Satz 2 HmbVwVfG i.V.m. §§ 145 ff. BGB konstituiertes Rechtsgeschäft geschlossen worden ist. Als „Rettungslösung“ bezeichnet hat der Habilitationsausschuss in seiner Sitzung vom 8. Juni 2011 den von ihm in seiner Sitzung am 27. Mai 2009 gefassten Beschluss. Ein Beschluss des Habilitationsausschusses ist als einseitiger Innenrechtsakt keine gegenüber einem anderen Rechtsträger abgegebene Willenserklärung mit dem Ziel eines Vertragsabschlusses. Allenfalls könnte im Umfeld der Beschlussfassung vom 27. Mai 2009 zwischen dem durch seinen Bevollmächtigten vertretenen Kläger und dem für die Beklagte handelnden Vorsitzenden des Habilitationsausschusses ein Vertrag geschlossen worden sein, etwa auch in dem durchgeführten Vier-Augen-Gespräch.

225

Einen Vertragsschluss unterstellt, hätte dieser jedenfalls nicht den Verzicht auf eine Rücknahme der Promotion zum Inhalt gehabt. Die Annahme einer Regelung mit „Generalquittungscharakter“ trägt dabei bereits deshalb nicht, weil eine Generalquittung auf den Erlass, den Verzicht oder ein negatives Schuldanerkenntnis in Bezug auf wechselseitige Ansprüche abzielt (vgl. BGH, Urt. v. 13.1.1999, XII ZR 208/96, juris Rn. 17). Dies kam in der Situation vom 27. Mai 2009 insbesondere aus Sicht des Klägers nicht in Betracht. Denn der Kläger wollte ersichtlich nicht auf seinen Prüfungsanspruch auf Durchführung des noch nicht abgeschlossenen Habilitationsverfahrens verzichten. Die etwaig zum Inhalt eines Vertrags gemachte „Rettungslösung“ zielte allein auf die Behebung des sich am 27. Mai 2009 dem Habilitationsausschuss und dem Kläger als Habilitanden stellenden Problems ab. Dieses Problem bestand darin, dass der Zweitgutachter der Habilitationsschrift Prof. Dr. G. in seinem Votum vom 19. Juni 2008 Zitiermängel insoweit festgestellt hatte, dass in der Habilitationsschrift Übernahmen aus der Dissertation nicht hinreichend ausgewiesen waren. Der Habilitationsausschuss selbst hatte die Habilitationsschrift am 14. Januar 2009 für unzureichend erachtet, womit aber noch kein Abschluss des Habilitationsverfahrens zum Nachteil des Klägers verbunden war. Die am 27. Mai 2009 für das Problem der bislang unzureichenden Habilitationsschrift gefundene Lösung zielte – in Übereinstimmung mit dem klägerischen Vortrag – darauf ab, „dass [der Kläger] die Arbeit umarbeiten“ solle, da bei „der Durchsicht der Arbeit [des Klägers] aufgefallen sei, dass Passagen aus Aufsätzen übernommen worden seien, ohne dass dies hinreichend gekennzeichnet worden sei“. Der Habilitationsausschuss behielt sich „eine Neubewertung des überarbeiteten Teils der Arbeit vor“. Mit der „Arbeit“ stand allein die Habilitationsschrift in Rede, auf deren Erörterung vor dem Habilitationsausschuss am 27. Mai 2009 einvernehmlich vorerst verzichtet wurde. In Ausführung dieser Lösung begleiteten Prof. Dr. I. und Prof. Dr. G. die Umarbeitung der Habilitationsschrift durch den Kläger, die schließlich zu positiven Voten der Gutachter im Habilitationsverfahren vom 25. März 2010 sowie 21. April 2010 führte. Zum Zeitpunkt der Sitzung des Habilitationsausschusses am 27. Mai 2009 standen lediglich Zitiermängel der Habilitationsschrift in Bezug auf eine richtige Zitation der Dissertation fest. Demgegenüber bestand aus Sicht des Habilitationsausschusses kein Anlass dazu, über einen Verzicht auf ein Promotionsentziehungsverfahren zu verhandeln.

226

Aus dem substantiierten Vortrag des Klägers zum Inhalt des Vier-Augen-Gesprächs zwischen Prof. Dr. D. und Rechtsanwalt H. ergibt sich bereits nicht, dass auch über gegen die Dissertation erhobene Plagiatsvorwürfe gesprochen worden wäre. Selbst dann, wenn bereits am 27. Mai 2009 im Habilitationsausschuss Bedenken nicht nur gegen die Habilitationsschrift sondern auch gegen die Dissertation erhoben worden sein sollten, standen zu diesem Zeitpunkt noch keine Zitiermängel der Dissertation fest. Insbesondere besteht kein Anhaltspunkt dafür, dass der Habilitationsausschuss sich am 27. Mai 2009 des Problems bewusst war, dass der Kläger im Promotionsverfahren dadurch vorsätzlich getäuscht hatte, dass in der vorgelegten Dissertation an mindestens 44 Textstellen (und einer weiteren Textstelle teilweise) fremde Leistungen zu Unrecht als eigene Leistungen präsentiert wurden (dazu s.o. e.). Soweit Rechtsanwalt H. die Ergebnisse des Vier-Augen-Gesprächs so verstanden hat, „dass vom Kläger erwartet werde, dass er nicht weiter vermeintliche formelle Mängel der Universität geltend mache und sich der neuen Situation widme“ und „[u]mgekehrt […] auch die Universität dem Kläger keine weiteren Steine in den Weg legen“ würde, bestand für diese Einschätzung nur Anlass angesichts des am 27. Mai 2009 ausdrücklich erörterten Problems der bislang unzureichenden Habilitationsschrift. Denn insbesondere der Fortbestand der Promotion war ausweislich der Aufzeichnung von Rechtsanwalt H. und dem Sitzungsprotokoll des Habilitationsausschusses kein Regelungsgegenstand der im Habilitationsverfahren gefundenen „Rettungslösung“.

227

Entgegen der Annahme des Klägers schloss die Einräumung einer Gelegenheit zur Überarbeitung und Verbesserung der Habilitationsschrift auch nicht „begriffsnotwendig“ ein, die Voraussetzungen zur Fertigung einer Habilitation als gegeben zu akzeptieren. Der Fortbestand der Promotion als Zulassungsvoraussetzung zur Habilitation bildete als Vorfrage die Geschäftsgrundlage eines Fortschreitens im Habilitationsverfahren. Doch gehört die Geschäftsgrundlage nicht zum Inhalt eines öffentlich-rechtlichen Vertrags, sondern geht ihm voraus. Die Geschäftsgrundlage wird aus den für die Festsetzung des Vertragsinhalts maßgebenden Verhältnissen i.S.d. § 60 Abs. 1 Satz 1 HmbVwVfG gebildet.

228

Unabhängig davon wäre eine ohne die Mitwirkung des Promotionsausschusses als fakultätsintern zur Entscheidung zuständigem Gremium geschlossene Vereinbarung, die Rücknahme der Promotion zu unterlassen, nach § 59 Abs. 2 Nr. 1 i.V.m. § 44 Abs. 1 HmbVwVfG wegen eines schweren und offensichtlichen Mangels nichtig. Der Habilitationsausschuss oder sein Vorsitzender konnten nicht wirksam auf eine Rücknahme der Promotion verzichten, da die Entscheidung über die Rücknahme dem Promotionsausschuss oblag (dazu s.o. d. bb. (1)).

229

Schließlich wäre ein über den Verzicht auf die Rücknahme der Promotion geschlossener Vertrag mangels Wahrung der durch § 57 HmbVwVfG vorgeschriebenen Schriftform nach § 125 BGB i.V.m. § 59 Abs. 1 HmbVwVfG nichtig.

230

(b) Desgleichen fehlt es an einer nach § 38 Abs. 1 Satz 1 HmbVwVfG wirksamen Zusicherung, einen Verwaltungsakt über die Rücknahme der Promotion nicht zu erlassen.

231

Ein Unterlassen der Rücknahme der Promotion war ebenso wenig Regelungsgegenstand einer einseitig gegebenen Zusicherung wie es zum Regelungsgegenstand eines Vertrags zwischen den Beteiligten gemacht worden ist. Der Habilitationsausschuss hat im Zuge der „Rettungslösung“ keine Regelung über den Fortbestand der Promotion getroffen, sondern den Fortbestand der Promotion als von ihm nicht zu regelnde Geschäftsgrundlage vorausgesetzt (s.o. (a)).

232

Unabhängig davon wäre eine ohne die Mitwirkung des Promotionsausschusses als fakultätsintern zur Entscheidung zuständigem Gremium ausgesprochene Zusicherung, die Promotion nicht zurückzunehmen, nach § 38 Abs. 2 i.V.m. § 44 Abs. 1 HmbVwVfG wegen eines schweren und offensichtlichen Mangels nichtig.

233

Zudem wäre eine Zusicherung mangels Wahrung der vorgeschriebenen Schriftform nach § 38 Abs. 1 Satz 1 HmbVwVfG unwirksam.

234

(c) Die Rücknahme der Verleihung des Doktorgrads steht – unter Berücksichtigung der Vorgänge im Habilitationsverfahren sowie aller anderen Umstände des Einzelfalls – auch mit dem aus Treu und Glauben herzuleitenden Verbot widersprüchlichen Verhaltens im Einklang. Die Befugnis zur Rücknahme ist nicht verwirkt.

235

Die behördliche Befugnis zur Rücknahme eines Verwaltungsaktes ist dann verwirkt, wenn Umstände eintreten, aus denen der die Rechtswidrigkeit kennende Begünstigte berechtigterweise den Schluss ziehen durfte, der Verwaltungsakt werde nicht mehr zurückgenommen, obwohl die Behörde dessen Rücknehmbarkeit erkannt hat, der Begünstigte ferner tatsächlich darauf vertraut hat, dass die Rücknahmebefugnis nicht mehr ausgeübt werde und dieses Vertrauen in einer Weise betätigt hat, dass ihm mit der sodann gleichwohl erfolgten Rücknahme ein unzumutbarer Nachteil entstünde (BVerwG, Urt. v. 20.12.1999, 7 C 42/98, BVerwGE 110, 226, juris Rn. 27).

236

Der für eine Verwirkung der Rücknahmebefugnis vorausgesetzte Vertrauenstatbestand ist mit der im Habilitationsverfahren am 27. Mai 2009 gefundenen „Rettungslösung“ bereits deshalb nicht gesetzt worden, weil die diesbezüglichen Verhandlungen des Klägers mit dem Habilitationsausschuss lediglich ein Voranschreiten im Habilitationsverfahren zum Regelungsgegenstand hatten, nicht aber eine vom Promotionsausschuss zu treffende Entscheidung, ob die Promotion zurückzunehmen war (s.o. (a)). Mangels Vertrauenstatbestands kann in der in Absprache mit dem Habilitationsausschuss durchgeführten Überarbeitung der Habilitationsschrift keine Betätigung des Vertrauens in den Fortbestand der Promotion gesehen werden.

237

Unabhängig davon haben der Habilitationsausschuss oder sein Vorsitzender einen Vertrauenstatbestand zugunsten des Fortbestands der Promotion auch deshalb nicht gesetzt, weil sie für eine Entscheidung über die Rücknahme der Promotion nicht zuständig waren. Die rechtlichen Hindernisse, die einem wirksamen Vergleichsvertrag und einer wirksamen Zusicherung entgegenstehen, dürfen nicht unter Rückgriff auf das Verbot widersprüchlichen Verhaltens umgangen werden. Die Bindung an geschlossene Verträge und gegebene Zusicherungen nach §§ 54 ff., 38 HmbVwVfG ist ein bereichsspezifisch vom Gesetzgeber konkretisierter Ausdruck des Gebots widerspruchsfreien Verhaltens. Hält sich die Behörde nicht an einen nach der Bewertung des Gesetzgebers unwirksamen Vertrag oder nicht an eine nach der Bewertung des Gesetzgebers unwirksame Zusicherung, so verstößt sie grundsätzlich nicht gegen das Verbot widersprüchlichen Verhaltens. Eine sachlich nicht zuständige Stelle kann nur dann den für eine Verwirkung der Rücknahmebefugnis vorausgesetzten Vertrauensstand schaffen, wenn der Betroffene berechtigterweise den Schluss ziehen kann, der handelnden Stelle stehe die Rücknahmebefugnis zu und sie wolle diese nicht ausüben (BVerwG, Urt. v. 20.12.1999, 7 C 42/98, BVerwGE 100, 226, juris Rn. 28; vgl. Urt. v. 12.3.2015, 3 C 6/14, juris Rn. 18).

238

Dem Habilitationsausschuss stand es nicht zu, über die Frage der Rücknahme der Promotion durch Rechtsakt (Vergleichsvertrag oder Zusicherung) zu verfügen (dazu s.o. (a) und (b)). Deshalb kann das Verhalten des Habilitationsausschusses grundsätzlich auch nicht einer späteren Rücknahmeentscheidung des Promotionsausschusses entgegengehalten werden. Der vorbezeichnete Ausnahmefall, in dem eine unzuständige Stelle einen Vertrauenstatbestand setzen kann, ist nach den vorliegenden Umständen nicht gegeben. Die „Rettungslösung“ ist im Habilitationsverfahren am 27. Mai 2009 unter Beteiligung des durch seinen Vorsitzenden geleiteten Habilitationsausschuss einerseits und des durch seinen Bevollmächtigten vertretenen Klägers als Habilitanden andererseits gefunden worden. Objektiv bestand kein Zweifel daran, dass Prof. Dr. D. in seiner ihm in Vertretung des Dekans zukommenden Funktion als Vorsitzender des Habilitationsausschusses handelte und dass der Habilitationsausschuss nicht für Promotionsangelegenheiten zuständig ist und nicht zuständig war. Subjektiv standen für den Kläger keine Hindernisse entgegen, um die unterschiedlichen Gremienzuständigkeiten zu erkennen. Der Kläger ist selbst Jurist. Er hatte 1998 das Promotionsverfahren durchlaufen, 2000 die Befähigung zum Richteramt erworben, war seitdem als Rechtsanwalt tätig und erstrebte seit 2007 die rechtswissenschaftliche Habilitation.

239

Zudem spricht viel dafür, dass ein Vertrauenstatbestand mit der „Rettungslösung“ deshalb nicht verbunden ist, weil nicht verschriftlicht ist, die Promotion nicht zurückzunehmen. Das für die Wirksamkeit eines Rechtsakts (Vergleichsvertrag oder Zusicherung) geltende gesetzliche Schriftformerfordernis (dazu s.o. (a) und (b)) darf grundsätzlich nicht durch einen Rückgriff auf das Verbot widersprüchlichen Verhaltens umgangen werden.

240

Ferner ergibt sich der für eine Verwirkung der Rücknahmebefugnis vorausgesetzte Vertrauenstatbestand auch nicht aus einem Mitverschulden der Beklagten. Der vom Kläger gegen die Rücknahme erhobene Einwand, die Beklagte treffe wegen mangelnder Sorgfalt eine Mitverantwortung und es stelle eine unzulässige Rechtsausübung dar, wenn nach 14 Jahren die Zitierweise in der Dissertation beanstandet werde, dringt nicht durch. Unerheblich ist, dass die Gutachter eine Täuschung nicht bemerkt haben, auch wenn sie möglicherweise nachlässig gehandelt haben (VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, 15 K 2271/13, juris Rn. 196, vgl. VGH München, Urt. v. 4.4.2006, 7 BV 05.388, BayVBl. 2007, 281, juris Rn. 13; VG Karlsruhe, Urt. v. 4.3.2013, 7 K 3335/11, juris Rn. 28). Die Prüfer sind nicht gehalten, die Dissertation bei Abgabe anlasslos auf Verstöße gegen die wissenschaftliche Redlichkeit zu kontrollieren (VG Düsseldorf, Urt. v. 4.3.2013, a.a.O., Rn. 198). Die Verantwortung des Klägers für sein vorsätzliches Handeln wäre durch eine etwaige Fahrlässigkeit auf Seiten der von der Beklagten bestellten Prüfer nicht in Frage gestellt.

241

Schließlich folgt der für eine Verwirkung der Rücknahmebefugnis vorausgesetzte Vertrauenstatbestand nicht aus dem Zeitablauf seit der Verleihung des Doktorgrads. Ein bloßer längerer Zeitablauf seit Verleihung des akademischen Grads, etwa auch von 30 Jahren (VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, 15 K 2271/13, juris Rn. 177), schließt deren Rücknahme nicht aus. Über die Jahresfrist hinaus – die hier einer Rücknahme nicht entgegensteht (s.o. (2)) – gilt nach der Entscheidung des Normgebers für die Rücknahme der Verleihung des Doktorgrads keine absolute Grenze (vgl. VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, a.a.O., Rn. 213 f. m.w.N.). Mangels gesetzlicher Anordnung besteht insbesondere keine Höchstfrist wie nach § 45 Abs. 3 SGB X. Eine zwingend zu beachtende Entziehungsfrist ist nicht verfassungsrechtlich geboten (OVG Münster, Beschl. v. 24.3.2015, 19 A 1111/12, juris Rn. 29 ff.; Urt. v. 10.12.2015, 19 A 254/13, juris Rn. 95 ff.).

242

(4) Die Rücknahme genügt hinsichtlich des Eingriffs in das allgemeine Persönlichkeitsrecht des Klägers aus Art. 1 Abs. 1 i.V.m. Art. 2 Abs. 1 GG und in seine Berufsfreiheit aus Art. 12 Abs. 1 GG dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit. Die Rücknahme der Verleihung des Doktorgrads ist zu einem legitimen Zweck geeignet und erforderlich (hierzu unter (a)) sowie im Verhältnis zu dem Eingriff auch angemessen (hierzu unter (b)).

243

(a) Die Rücknahme der Verleihung des Doktorgrads dient den legitimen Zwecken, das Ansehen der betroffenen Hochschule und das Ansehen der Rechtswissenschaft zu bewahren (s.o. cc.). Sie ist zu diesen Zwecken geeignet und auch erforderlich. Ein milderes, gleich geeignetes Mittel stand nicht zu Gebote. Eine Notenherabsetzung oder eine Nachbesserung kamen als mildere Maßnahmen nicht in Betracht, da sie auch bei einer früheren Entdeckung in der Promotionsordnung nicht vorgesehen gewesen wären. Da von der konkreten Identität der vorgelegten Arbeit auszugehen ist (s.o. e. dd.), bleibt ohne Bedeutung, ob für eine andere Arbeit, als die tatsächlich vorgelegte Dissertation der Doktorgrad ggf. mit einer schlechteren Note verliehen hätte werden können. Entgegen der Annahme des Klägers können die Mängel der vorgelegten Dissertation nicht im Rahmen einer Neueinreichung oder einer Sammeldissertation geheilt werden, da diese nicht Gegenstand des abgeschlossenen Promotionsverfahrens gewesen sind.

244

(b) Die Rücknahme ist im Verhältnis zum Eingriff in Rechte und Interessen des Klägers auch angemessen. Im Rahmen der Ausübung des Rücknahmeermessens ist das öffentliche Interesse an der Herstellung des gesetzmäßigen Zustandes mit dem Interesse des Betroffenen an der Aufrechterhaltung des Verwaltungsaktes abzuwägen; das Prinzip der Gesetzmäßigkeit der Verwaltung und der Grundsatz der Rechtssicherheit sind dabei grundsätzlich gleichwertig, sofern dem anzuwendenden Fachrecht nicht ausnahmsweise eine andere Wertung zu entnehmen ist (BVerwG, Urt. v. 24.5.2012, 5 C 17/11, BVerwGE 143, juris Rn. 27). Danach durfte vorliegend die Beklagte dem öffentlichen Interesse den Vorrang vor dem Interesse des Klägers am Fortbestand der Promotion einräumen, die durch vorsätzliche Täuschung erwirkt hatte. Im Einzelnen:

245

In die Abwägung sind die bei der Entziehung eines Doktorgrades für den Betroffenen verbundenen beruflichen Erschwernisse einzustellen, die als vorhersehbare und in Kauf genommene Nebenfolgen den Schutzbereich der durch Art. 12 Abs. 1 GG gewährleisteten Berufsfreiheit berühren. Die Entziehung des Doktorgrads lässt die mehrjährige Arbeit an der Dissertation hinfällig werden und kann zu beruflichen Erschwernissen führen. Diese Beeinträchtigungen mögen im Fall des Klägers ihre konkrete Ausprägung in den vom Kläger aufgezeigten Folgen für seine Tätigkeit als Rechtsanwalt und Geschäftsführer einer Interessenvereinigung mit sich bringen. Im Fall des Klägers kommt hinzu, dass mit der Aberkennung des Doktorgrads eine zwingende Zulassungsvoraussetzung zu der angestrebten Habilitation entfällt. Diese Folge ist aber ohne weiteres hinzunehmen, da eine unter Verstoß gegen die Grundanforderungen wissenschaftlicher Redlichkeit erschlichene Promotion keine schutzwürdige Grundlage einer weiteren wissenschaftlichen Laufbahn bildet.

246

Entgegen der Auffassung des Klägers lässt sich aus den entstandenen Indiskretionen und aus der von ihm geltend gemachten „öffentlichen Vorverurteilung“ nicht herleiten, dass die Entziehung des Doktorgrads unzulässig wäre. Der Kläger kann nicht beanspruchen, dass die Beklagte die Rücknahme der Promotion unterließe, denn eine Rechtsverletzung durch in der Vergangenheit aufgetretene Indiskretionen könnte dadurch nicht rückgängig gemacht werden, dass die durch vorsätzliche Täuschung erwirkte Promotion unangetastet bliebe.

247

Rechtlich nicht erheblich für die Verhältnismäßigkeit des Eingriffs ist eine zwischenzeitlich aufgetretene und der Beklagten erst nach der letzten Behördenentscheidung bekannt gewordene Erkrankung des Klägers.

248

Das öffentliche Interesse an der Rücknahme der durch arglistige Täuschung erwirkten Promotion muss gegenüber dem privaten Interesse des Klägers an deren Fortbestand nicht zurückstehen. Die Rücknahme dient dazu, das Ansehen der Hochschule und der Rechtswissenschaft zu sichern. Die wissenschaftliche Redlichkeit ist ein zum Schutz der Funktionsfähigkeit des Wissenschaftsprozesses überragend wichtiges und verfassungsrechtlich in Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verankertes Gemeinschaftsgut (VG Düsseldorf, Urt. v. 20.3.2014, 15 K 2271/13, juris Rn. 167 f. im Anlehnung an BVerwG, Urt. v. 31.7.2013, 6 C 9/12, BVerwGE 147, 292, Rn. 31). Die Rücknahme eines § 48 Abs. 3 HmbVwVfG unterfallenden Verwaltungsaktes kann zwar ausnahmsweise unzulässig sein, wenn dem Betroffenen durch die Rücknahme ein immaterieller, nicht durch eine materielle Entschädigung auszugleichender Schaden entsteht (Sachs, in Stelkens/Bonk/Sachs, VwVfG, 8. Aufl. 2014, § 48 Rn. 181 ff.). Doch ist die § 48 Abs. 2 der parallelen Verwaltungsverfahrensgesetze des Bundes und der Länder getroffene Wertung über die Schutzwürdigkeit des Vertrauens ist im Rahmen der Ausübung des Rücknahmeermessens zu berücksichtigen (BVerwG, Beschl. v. 20.10.2006, 6 B 67.06, Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 116, juris Rn. 6; OVG Münster, Urt. v. 10.2.2016, 19 A 991/12, juris Rn. 88 ff.). Es ist nicht zu beanstanden, dass eine Universität vorsätzliche Täuschungen im Promotionsverfahren konsequent unterbindet und dem wissenschaftlichen Ruf sowie dem Ansehen der Rechtswissenschaft insgesamt den Vorrang vor negativen Folgen für den Promovenden einräumt (VGH München, Urt. v. 4.4.2006, 7 BV 05.388, BayVBl. 2007, 281, juris Rn. 13; vgl. VGH Mannheim, Beschl. v. 13.10.2008, 9 S 494/08, NVwZ-RR 2009, 285 Rn. 10).

249

2. Soweit der Kläger den Regelungsgehalt unter Ziffer 2 des Bescheidtenors anficht, ist die Klage demgegenüber nach § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO begründet. Denn in diesem Umfang ist der Bescheid vom 25. Juni 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 30. April 2013 objektiv rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen subjektiven Rechten.

250

Dabei kann dahinstehen, ob für die Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Rückforderung von Urkunden maßgeblich auf den Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung oder auf den Schluss der mündlichen Verhandlung abzustellen ist. Denn die tatbestandlichen Voraussetzungen der einschlägigen Befugnisnorm § 52 Satz 1 HmbVwVfG (i.V.m. § 18 Abs. 3 PromO 2010) waren zu keinem Zeitpunkt gegeben. Nach dieser Vorschrift kann die Behörde die auf Grund eines Verwaltungsaktes erteilten Urkunden oder Sachen, die zum Nachweis der Rechte aus dem Verwaltungsakt oder zu deren Ausübung bestimmt sind, dann zurückfordern, wenn der Verwaltungsakt unanfechtbar widerrufen oder zurückgenommen oder seine Wirksamkeit aus einem anderen Grund nicht oder nicht mehr gegeben ist. Der Verwaltungsakt, mit dem unter dem 28. Januar 1998 dem Kläger der Doktorgrad verliehen worden ist, war und ist noch nicht unanfechtbar widerrufen oder zurückgenommen. Auch ist dieser Verwaltungsakt deshalb noch als wirksam zu behandeln, weil die gemäß § 43 Abs. 2 HmbVwVfG zur Beendigung der Wirksamkeit führende Rücknahme mit aufschiebender Wirkung angefochten ist. Die aufschiebende Wirkung der Anfechtungsklage im Umfang von Ziffer 1 des Bescheidtenors endet gemäß § 80b Abs. 1 Satz 1 VwGO erst mit der Unanfechtbarkeit oder drei Monate nach Ablauf der gesetzlichen Begründungsfrist des Rechtsmittels gegen die insoweit klageabweisende gerichtliche Entscheidung.

II.

251

Die Kostenentscheidung beruht auf § 155 Abs. 1 Satz 3 VwGO. Gegenüber dem Teilobsiegen der Beklagten hinsichtlich der Rücknahme der Promotion (dazu s.o. I. 1.) tritt ausgehend vom vorrangigen Interesse des Klägers an dem Erhalt des ihm verliehenen akademischen Grads das Teilobsiegen des Klägers hinsichtlich der Rückforderung der Promotionsurkunde (dazu s.o. I. 2.) als unbedeutend und nicht streitwerterhöhend zurück. Der Ausspruch zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. § 709 Sätze 1 und 2 ZPO.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des jeweils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht das beklagte Land vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.


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Tenor

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 04. Oktober 2007 - 8 K 1384/05 - wird abgelehnt.

Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.

Der Streitwert des Zulassungsverfahrens wird auf 15.000,-- EUR festgesetzt.

Gründe

 
Der zulässige Antrag des Klägers ist unbegründet. Ein hinreichender Grund zur Zulassung der Berufung im Sinne des § 124 Abs. 2 VwGO ist nicht dargelegt worden (vgl. § 124a Abs. 4 Satz 4 VwGO).
1. Ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des angefochtenen Urteils bestehen nicht, dieses ist vielmehr im Ergebnis zutreffend und überzeugend begründet.
a) Rechtsgrundlage für die von der Beklagten mit Verfügung vom 21.07.2004 ausgesprochene Entziehung des Doktorgrades ist - nachdem § 24 der Promotionsordnung eine eigenständige Regelung nicht enthält - § 48 Abs. 1 Satz 1 LVwVfG. Zwar ist in § 35 Abs. 7 des Gesetzes über die Hochschulen und Berufsakademien in Baden-Württemberg - LHG - vom 1. Januar 2005, das bei Erlass des Widerspruchsbescheides vom 02.08.2005 bereits in Kraft getreten war (vgl. Art. 28 des Zweiten Gesetzes zur Änderung hochschulrechtlicher Vorschriften vom 01.01.2005, GBl. S. 1), eine spezialgesetzliche Regelung für die Entziehung akademischer Grade für den Fall enthalten, in dem sich der Inhaber durch sein späteres Verhalten der Führung des Grades als unwürdig erwiesen hat. Diese Regelung schließt den Rückgriff auf die allgemeinen Rücknahmevorschriften in anderen Fallkonstellationen jedoch nicht aus, wie sich bereits aus der ausdrücklichen Formulierung „unbeschadet der §§ 48 und 49 LVwVfG“ ergibt (vgl. auch Senatsurteil vom 19.04.2000 - 9 S 2435/99 - sowie Bay.VGH, Urteil vom 04.04.2006 - 7 BV 05.388 -, BayVBl 2007, 281). Die Entziehung des Doktorgrades ist in Baden-Württemberg auch nicht vom Anwendungsbereich des Verwaltungsverfahrensgesetzes ausgenommen (vgl. § 2 Abs. 4 Satz 2 LVwVfG).
b) Voraussetzung für die Rücknahme des dem Kläger verliehenen Doktorgrades ist demnach, dass diese rechtswidrig erfolgte. Dies ist von der Beklagten und vom Verwaltungsgericht zutreffend bejaht worden.
Entgegen der mit eidesstattlicher Versicherung vom 28.07.1997 abgegebenen Erklärung, „wörtliche Zitate als solche gekennzeichnet“ zu haben, hat der Kläger komplette Passagen aus dem Werk anderer Autoren in seine Dissertation übernommen, ohne dies zu kennzeichnen oder offen zu legen. Er hat die Gutachter damit über die Tatsache getäuscht, dass die vorgelegte Dissertation insoweit nicht auf einer selbständigen wissenschaftlichen Arbeit beruht. Dies stellt gemäß § 38 Abs. 2 Satz 1 LHG aber das wesensbestimmende Grundsatzmerkmal einer Dissertation und damit die wissenschaftlichen Mindeststandards im Sinne des § 8 der Promotionsordnung dar (vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 20.10.2006 - 6 B 67/06 -).
Der Plagiatsvorwurf trifft den Kläger auch nicht nur vereinzelt oder im Sinne einer unsachgemäßen Handhabung der Zitierweise; vielmehr lassen die von der Beklagten im Wege der Stichprobenprüfung aufgefundenen Stellen den Schluss zu, dass der Kläger fremde Passagen wiederholt und planmäßig als eigenständige wissenschaftliche Arbeit ausgewiesen hat. Eine systematische und planmäßige Übernahme fremden Gedankenguts ergibt sich bereits daraus, dass sich die Plagiate an mehreren Stellen der Dissertation auffinden lassen und verschiedene Fremdautoren betreffen. Die von der Beklagten aufgezeigten Übernahmen aus den Werken von S., W. und N. ... weisen die Gemeinsamkeit auf, dass komplette Passagen wortwörtlich übernommen worden sind, ohne dass dies in ausreichender Weise kenntlich gemacht worden wäre. Für einen Großteil der Passagen ist eine zutreffende Quellenangabe gar nicht erfolgt. Doch auch soweit in einzelnen der Passagen ein Hinweis auf die Originalstelle erfolgt ist, genügt dieser nicht, um den Plagiatsvorwurf entfallen zu lassen. Vielmehr kann auch diesen Nachweisangaben nicht entnommen werden, dass ganze Passagen wörtlich entlehnt worden sind; zumal die vor und nach dem Nachweis liegenden Teile mit eigenständigen Fußnoten versehen sind (die meist wiederum aus dem Originalwerk abgeschrieben wurden). Auch die Art der erfolgten Quellenangabe (vgl. etwa Fußnote 414: „so auch S.“) versucht vielfach den Eindruck zu erwecken, der Kläger habe eigenständige Argumentationserwägungen angestellt, anstatt durch Anführungszeichen oder jedenfalls in anderer Weise erkennbar zu machen, dass es sich um die bloße Wiedergabe der bereits erbrachten gedanklichen Leistung eines Anderen handelt. Auch soweit sich in den von der Beklagten benannten Plagiatspassagen Hinweise auf die Originalstellen finden lassen, beseitigen diese den Übernahmevorwurf daher nicht.
Bei den - im Übrigen nicht auf einem systematischen Abgleich, sondern nur auf Stichproben beruhenden - Übernahmepassagen handelt es sich auch nicht um bloße Bagatellverstöße. Dies ergibt sich einerseits bereits aus der Tatsache, dass die vermeintlich eigenständige Leistung im Erstgutachten ausdrücklich angesprochen und gewürdigt worden ist („… Probleme, für die Herr E. guten Blick zeigt“). Auch in quantitativer Hinsicht kann die Übernahme aber nicht als völlig unbedeutend eingestuft werden, weil sie sich insgesamt jedenfalls auf mehrere Seiten erstreckt und vom Kläger wiederholt und in Bezug auf verschiedene Autoren eingesetzt worden ist.
Entgegen der mit dem Zulassungsantrag vorgetragenen Auffassung kommt es dabei nicht darauf an, ob dem Kläger für die eingereichte Dissertation ohne die beanstandeten Stellen oder bei jeweils wörtlicher Zitierung der Doktorgrad noch verliehen worden wäre. Derartig hypothetische Erwägungen im Sinne einer Art geltungserhaltenden Reduktion finden nicht statt. Es ist für die Ursächlichkeit der vom Kläger begangenen Täuschung nicht von Bedeutung, ob ihm für eine andere Arbeit, als er sie tatsächlich vorgelegt hat, der Doktorgrad verliehen worden wäre (vgl. Senatsurteil vom 18.11.1980 - IX 1302/78 -, ESVGH 31, 54). Maßgeblich ist vielmehr allein die vorgelegte Arbeit, mit der der Kläger gerade nicht den Beweis erbracht hat, dass er im Stande ist, zu rechtswissenschaftlichen Problemen selbständig und kritisch Stellung zu nehmen (vgl. § 8 Abs. 1 der Promotionsordnung). Zu den Grundanforderungen wissenschaftlichen Arbeitens gehört aber gerade, dass der Beitrag auf eigenständigen Erwägungen beruht und nicht bloß Passagen aus dem Werk eines anderen Autors übernimmt. Der Senat hat daher bereits klargestellt, dass nur eine unter Offenlegung aller verwendeten Quellen und Hilfsmittel erbrachte wissenschaftliche Leistung den Anforderungen an eine eigenständige Dissertation genügt. Die wörtliche oder sinngemäße Übernahme von Textpassagen aus fremden Werken ohne hinreichende Kennzeichnung verstößt daher gegen die Grundsätze des wissenschaftlichen Arbeitens und schließt damit die Annahme einer Arbeit als Dissertation im Regelfall aus (vgl. Senatsurteil vom 18.11.1980 - IX 1302/78 -, ESVGH 31, 54; Bay.VGH, Urteil vom 04.04.2006 - 7 BV 05.388 -, BayVBl. 2007, 281).
c) Die wörtliche Wiederholung der Vorlagetexte einschließlich der sprachlichen Eigentümlichkeiten und Formulierungen lässt auch keinen anderen Schluss zu, als dass der Kläger die Passagen unmittelbar abgeschrieben hat. Jedenfalls soweit ein Verweis auf die Fundstelle ganz unterblieben ist, liegt daher unzweifelhaft eine Täuschung über die Urheberschaft der Gedanken vor. Gleiches gilt indes auch, soweit kleinere Änderungen - insbesondere in Form von Umgruppierungen wiederum fast wörtlich übernommener Passagen - vorgenommen worden sind. Auch insoweit ist die Gedankenführung nicht eigenständig entwickelt und darüber getäuscht worden, dass die wissenschaftliche Leistung von einem Anderen stammt (vgl. Senatsurteil vom 18.11.1980 - IX 1302/78 -, ESVGH 31, 54). Die Vorgehensweise der Umstellungen und der Syntaxvariationen belegt im Übrigen die gezielte Verschleierungsabsicht des Klägers (vgl. auch VG Frankfurt, Urteil vom 23.05.2007 - 12 E 2262/05 -).
10 
Ermessensfehler der Beklagten sind trotz der erheblichen Belastung für den Kläger nicht ersichtlich. Es ist nicht zu beanstanden, dass die Beklagte das öffentliche Interesse am Ansehen und dem wissenschaftlichen Ruf der den Doktorgrad verleihenden Universität höher bewertet hat als die beruflichen und sozialen Folgen für den Kläger (vgl. BVerwG, Beschluss vom 20.10.2006 - 6 B 67/06 -, Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 116). Die Entziehung des Doktorgrades erweist sich auch nicht als unverhältnismäßig, weil die Vorgehensweise des Klägers einen Verstoß gegen die wesensprägenden Grundsatzmerkmale wissenschaftlichen Arbeitens enthält und sich die Übernahme fremder Passagen nicht auf einzelne Gedanken, sondern ganze Sinneinheiten bezieht (vgl. VG Frankfurt, Urteil vom 23.05.2007 - 12 E 2262/05 -).
11 
Die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 Satz 1 LVwVfG findet wegen der vom Kläger begangenen arglistigen Täuschung gemäß § 48 Abs. 4 Satz 2 i.V.m. § 48 Abs. 2 Satz 3 Nr. 1 LVwVfG keine Anwendung (vgl. Senatsurteil vom 19.04.2000 - 9 S 2435/99 -), sodass es auf die Frage, wann der Beklagten alle für die Rücknahmeentscheidung erheblichen Tatsachen vollständig bekannt waren (vgl. hierzu BVerwG, Beschluss vom 21.12.2006 - 6 B 102/06 -) nicht ankommt.
12 
2. Auch die übrigen, in Anspruch genommenen Zulassungsgründe sind nicht gegeben.
13 
Eine grundsätzlich bedeutsame Rechtsfrage ist bereits nicht hinreichend dargelegt (vgl. BVerwG, Beschluss vom 19.08.1997 - 7 B 261/97 -, NJW 1997, 3328). Im Übrigen sind die rechtlichen Maßstäbe, soweit sie zur Entscheidung des vorliegenden Falls erforderlich sind, durch die zitierte Senatsrechtsprechung (Senatsurteile vom 18.11.1980 - IX 1302/78 - sowie vom 19.04.2000 - 9 S 2435/99 -) bereits geklärt.
14 
Besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten im Hinblick auf die Voraussetzungen für ein arglistiges Verhalten sind weder ausreichend dargelegt noch gegeben. Vielmehr ist offenkundig, dass die unzutreffende Erklärung des Klägers, wörtliche Zitate als solche gekennzeichnet zu haben, als bewusste Irreführung darauf gerichtet war, die Annahme der vorgelegten Arbeit als Dissertation zu erreichen.
15 
Die vorgetragene Divergenz zum Urteil des Senats vom 19.04.2000 - 9 S 2435/99 - liegt schon deshalb nicht vor, weil weder der Verwaltungsgerichtshof noch das Verwaltungsgericht die behaupteten Rechtssätze aufgestellt haben. Der Sache nach verkennt die Rüge überdies, dass die vom Verwaltungsgerichtshof ausgesprochene Nichtanwendung des § 48 Abs. 2 Satz 1 LVwVfG in der benannten Entscheidung auf das Vorliegen des § 48 Abs. 3 LVwVfG zurückging. Das Verwaltungsgericht dagegen hat auf die arglistige Täuschung nur im Zusammenhang mit § 48 Abs. 4 Satz 2 LVwVfG Bezug genommen, was im Übrigen auch der Verfahrensweise im benannten Senatsurteil entspricht. Auch hinsichtlich des Plagiatsumfangs hat der Zulassungsantrag eine Divergenz nicht hinreichend aufgezeigt: insoweit fehlt es bereits an der Darstellung eines Rechtssatzes in der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs.
16 
3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Die Festsetzung des Streitwerts für das Zulassungsverfahren beruht auf §§ 47 Abs. 3 i.V.m. Abs. 1 Satz 1, 52 Abs. 1 GKG i.V.m. Nr. 18.6 des Streitwertkatalogs der Verwaltungsgerichtsbarkeit 2004.
17 
Dieser Beschluss ist gemäß § 152 Abs. 1 VwGO nicht mit Rechtsmitteln anfechtbar.

(1) Wegen Versuchs wird nicht bestraft, wer freiwillig die weitere Ausführung der Tat aufgibt oder deren Vollendung verhindert. Wird die Tat ohne Zutun des Zurücktretenden nicht vollendet, so wird er straflos, wenn er sich freiwillig und ernsthaft bemüht, die Vollendung zu verhindern.

(2) Sind an der Tat mehrere beteiligt, so wird wegen Versuchs nicht bestraft, wer freiwillig die Vollendung verhindert. Jedoch genügt zu seiner Straflosigkeit sein freiwilliges und ernsthaftes Bemühen, die Vollendung der Tat zu verhindern, wenn sie ohne sein Zutun nicht vollendet oder unabhängig von seinem früheren Tatbeitrag begangen wird.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.