Verwaltungsgericht Hamburg Gerichtsbescheid, 15. März 2017 - 19 A 3945/16

15.03.2017

Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 27.07.2016 - soweit dieser entgegensteht - verpflichtet, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens.

Der Gerichtsbescheid ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Gerichtsbescheids vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages leistet.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft durch die Beklagte.

2

Der am … 1989 geborene Kläger ist nach den Feststellungen der Beklagten eritreischer Staatsangehöriger. Er stellte am 28.04.2016 einen Asylantrag.

3

Mit Bescheid vom 27.07.2016 erkannte die Beklagte dem Kläger den subsidiären Schutzstatus zu und lehnte den Asylantrag im Übrigen ab. Die Ablehnung begründete sie im Wesentlichen damit, dass der Kläger keine individuellen Verfolgungsgründe geltend gemacht habe.

4

Gegen den Bescheid hat der Kläger am 16.08.2016 Klage beim Verwaltungsgericht Hamburg erhoben und beantragt sinngemäß,

5

die Beklagte unter teilweiser Aufhebung ihres Bescheides vom 27.07.2016 zu verpflichten, ihm die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

6

Die Beklagte beantragt,

7

die Klage abzuweisen.

8

Sie bezieht sich zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid.

9

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Asylakte sowie der beigezogenen Ausländerakte Bezug genommen, die dem Gericht sämtlich zum Zeitpunkt der Entscheidung vorlagen.

Entscheidungsgründe

I.

10

Die Entscheidung ergeht im Einverständnis der Beteiligten durch die Berichterstatterin anstelle der Kammer, § 87a Abs. 2, 3 VwGO.

II.

11

Das Gericht entscheidet gemäß § 84 Abs. 1 VwGO durch Gerichtsbescheid, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten sachlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher gehört worden.

III.

12

Die zulässige Klage ist begründet.

13

1. Die Verpflichtungsklage ist zulässig. Sie ist insbesondere nicht verfristet. Die Beklagte hat nicht nachgewiesen, dass der angefochtene Bescheid dem Kläger vor dem 02.08.2016 zugegangen ist, so dass die am 16.08.2016 eingereichte Klage innerhalb der Klagefrist des § 74 Abs. 1 AsylG anhängig gemacht wurde.

14

2. Die Klage hat auch in der Sache Erfolg. Der Bescheid vom 27.07.2016 ist rechtswidrig, soweit er die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ablehnt und den Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt (§ 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO). Der Kläger hat zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Gerichtsbescheids (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylG) einen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

15

Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft richtet sich nach § 3 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 AsylG. Gemäß § 3 Abs. 4 Satz 1 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, grundsätzlich die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 18. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II, S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftslandes) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will.

16

Das Gericht ist aufgrund der glaubhaften Angaben des Klägers davon überzeugt, dass ihm mit der notwendigen Wahrscheinlichkeit eine Verfolgungshandlung im Sinne des § 3a AsylG durch einen relevanten Akteur im Sinne des § 3c AsylG (dazu a)) aufgrund eines Verfolgungsgrundes im Sinne des § 3b AsylG (dazu b)) droht. Der Kläger kann sich der Verfolgung auch nicht durch eine "reuige" Rückkehr entziehen (dazu c)). Ausschlussgründe bestehen keine (dazu d)).

17

a) Es besteht nach Überzeugung der Berichterstatterin für den Kläger, weil er Eritrea im dienstpflichtigen Alter verlassen hat und/oder mit dem Eintritt der Dienstpflicht nicht nach Eritrea zurückgekehrt ist, eine beachtliche Wahrscheinlichkeit, bei einer Rückkehr nach Eritrea durch die dortigen staatlichen Stellen verfolgt zu werden (so auch VG Hamburg, GB v. 26.10.2016, 4 A 1646/16, juris; VG Schwerin, Urt. v. 8.7.2016, 15 A 190/15 As, juris; VG Frankfurt, GB v. 4.2.2015, 8 K 2300/14.F.A, juris).

18

An der eritreischen Staatsangehörigkeit des Klägers, von der auch die Beklagte ausgeht, bestehen nach dem Inhalt der Anhörungsniederschrift und dem sonstigen Akteninhalt keine Zweifel.

19

Als Verfolgungshandlungen gelten gemäß § 3a AsylG solche Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl. 1952 II S. 685, 953) - Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) - keine Abweichung zulässig ist, darunter das Verbot der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung und das Verbot der Zwangsarbeit.

20

Für die Frage der Verfolgungswahrscheinlichkeit im Falle der Rückkehr bzw. Einreise in den Heimatstaat kann zu Gunsten der Beklagten von der Geltung des Maßstabs der beachtlichen Wahrscheinlichkeit ausgegangen werden. Dieser setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen (BVerwG, Urt. v. 20.2.2013, 10 C 23/12, BVerwGE 146, 67, juris Rn. 32). Dabei ist eine "qualifizierende" Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 1.6.2011, 10 C 25/10, BVerwGE 140, 22, 33, juris Rn. 24; Urt. v. 5.11.1991, 9 C 118/90, BVerwGE 89, 162, 169 f.).

21

Das Gericht geht - gemessen an diesem Maßstab - aufgrund der aktuellen Lage, die sich aus den nachfolgend genannten Erkenntnismitteln ergibt, davon aus, dass einem Rückkehrer, dem das Umgehen der nationalen Dienstpflicht vorgeworfen werden kann, die Gefahr von Verfolgungshandlungen im Sinne des § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3a AsylG droht.

22

Der Kläger hat zu erwarten, dass im Falle seiner Rückkehr nach Eritrea die dortigen Behörden gegen ihn aufgrund der Umgehung der nationalen Dienstpflicht außergerichtlich und willkürlich eine Haftstrafe unter prekären Haftbedingungen vollstrecken werden, welche eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung i.S.d. Art. 3 EMRK darstellt.

23

Der Kläger wird mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit als Deserteur bzw. Nationaldienstverweigerer behandelt werden. Für den Kläger besteht die Pflicht zur Ableistung des Nationaldienstes (dazu (1)). Desertion und Dienstverweigerung werden mit unmenschlicher und erniedrigender Behandlung geahndet. Die Verfolgung als Deserteur bzw. Dienstverweigerer droht allen Personen, die Eritrea im dienstpflichtigen Alter verlassen haben oder nach Eintritt der Dienstpflicht unfreiwillig wieder einreisen (dazu (2)). Bei der drohenden Bestrafung handelt es sich nicht um einen Vorgang, der vom Anwendungsbereich des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge ausgeschlossen wäre (dazu (3)).

24

(1) Der 27-jährige Kläger ist derzeit nach der eritreischen Praxis nationaldienstpflichtig.

25

Nach der eritreischen Proclamation on National Service von 1995 sind alle eritreischen Staatsangehörigen gleich welchen Geschlechts im Alter zwischen 18 und 50 Jahren verpflichtet, einen 18-monatigen Nationaldienst zu absolvieren. Dieser beinhaltet eine sechsmonatige militärische Ausbildung und einen sich an diese anschließenden zwölfmonatigen aktiven Dienst im Militär oder in (zivilen) Entwicklungsarbeiten. Die Dienstdauer kann im Fall eines Krieges oder einer allgemeinen Mobilmachung über diese Zeitdauer hinaus verlängert werden. In der Praxis und wegen der von der eritreischen Regierung proklamierten "no war no peace"-Situation im Verhältnis zu Äthiopien ist der Nationaldienst allerdings zeitlich unbefristet und dauert meist mehrere Jahre (durchschnittlich fünf bis zehn, häufig auch länger), wobei einerseits Frauen deutlich früher als Männer entlassen werden, andererseits eine Entlassung aus dem militärischen Teil des Nationaldienstes kaum vorkommt (Schweizer Staatssekretariat für Migration, Focus Eritrea. Update Nationaldienst und illegale Ausreise, 22.6.2016 (SEM 2016), S. 45 ff. m.w.N.; European Asylum Support Office, EASO-Bericht über Herkunftsländer-Informationen, Länderfokus Eritrea, Mai 2015 (EASO 2015), S. 40 m.w.N.; s.a. Human Rights Council, Report of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 9.5.2016, A/HRC/32/47 (HRC 2016), S. 7).

26

In der Praxis werden Eritreer im Alter von ca. 16 bis ca. 50 Jahren als dienstpflichtig behandelt, allerdings werden teilweise auch jüngere Eritreer rekrutiert. Maßgeblich ist dabei nicht das tatsächliche Alter, sondern häufig das Aussehen (EASO 2015, S. 37, 40 m.w.N.; Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH), Eritrea: Rekrutierung von Minderjährigen. Auskunft. 21.1.2015, S. 2 ff. m.w.N.).

27

Die Behörden teilen die Rekruten entweder für eine zivile oder für eine militärische Verwendung ein, ohne dass letztere darauf Einfluss hätten. Ein legales vorzeitiges Verlassen des Nationaldienstes ist nur in Ausnahmefällen möglich (SEM 2016, S. 50 m.w.N.). Nationaldienstleistende verdienen monatlich 500 Nakfa (entspricht ca. 22 USD), was zur Sicherung des Lebensunterhalts zu gering ist. Nach einer jüngst von der Regierung angekündigten Lohnreform sollen die Löhne der zivilen Komponente erheblich steigen; an Anhaltspunkten, dass dies bereits umgesetzt wurde, fehlt es aber (SEM 2016, S. 52 f. m.w.N.).

28

(2) Dem Kläger droht, weil er Eritrea im dienstpflichtigen Alter verlassen hat und/oder sich seiner Dienstpflicht durch seinen Aufenthalt in Deutschland aktiv entzieht, eine Haftstrafe von ungewisser Länge und unter den oben geschilderten unmenschlichen und erniedrigenden Bedingungen.

29

Deserteuren bzw. Dienstverweigerern, die das Land verlassen haben, drohen Haftstrafen, welche außergerichtlich - häufig von den Militärvorgesetzten - verhängt werden und deren Dauer willkürlich festgesetzt wird (Bericht des Auswärtigen Amts über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea, Stand: November 2016, verfügbar über die Asyldokumentation des Gerichts (AA 11/2016), S. 16 f.). Die Haftdauer beträgt in der Regel zwischen sechs Monaten und zwei Jahren (vgl. SEM 2016, S. 28 m.w.N.; Amnesty International, Eritrea: Just Deserters: Why Indefinite National Service in Eritrea Has Created a Generation of Refugees, 2.12.2015, S. 9, 44; Refugee Board of Canada, Eritrea: Situation of People Returning to the Country After They Either Spent Time Abroad, Claimed Refugee Status, or Were Seeking Asylum (September 2014-June 2015), 18.11.2015).

30

In den Haftanstalten kommt es zu Folter, die Haft erfolgt teilweise ohne Kontakt zur Außenwelt und ohne Benachrichtigung der Angehörigen ("incommunicado", vgl. EASO 2015, S. 42 u. 47 m.w.N.; AA 11/2016, S. 15, 17).

31

Bei der Haft in Eritrea handelt es sich um eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung (mit diesem Ergebnis auch HRC 2016, S. 8). Die Haftbedingungen sind prekär; im Bericht des European Asylum Support Office (EASO 2015, S. 46 f.) heißt es dazu unter sorgfältiger Analyse des Quellenmaterials:

32

- "Einige Haftanstalten sind unterirdisch oder befinden sich in Schiffscontainern. In diesen kann es aufgrund des Klimas in Eritrea extrem heiß werden.
- Die Zellen sind oft derart überfüllt, dass sich die Häftlinge nur abwechselnd oder gar nicht hinlegen können.
- Die hygienischen Bedingungen sind schlecht. In manchen Gefängnissen gibt es anstelle einer Toilette nur ein Loch im Boden oder einen Kübel. Hofgang wird oft nicht erlaubt. Es gibt kaum medizinische Versorgung.
- Die Essensrationen sind klein und wenig nahrhaft, der Zugang zu Trinkwasser eingeschränkt.
- Teils werden die Häftlinge misshandelt oder gefoltert (…) und zu Zwangsarbeit eingesetzt.
- Angehörige haben häufig keinen Zugang zu den Häftlingen.
- Frauen werden üblicherweise getrennt von Männern untergebracht. Dennoch gibt es Berichte über sexuellen Missbrauch und Vergewaltigung z.B. durch Wächter.
- Aufgrund dieser schwierigen Umstände kommt es Berichten zufolge immer wieder zu Todesfällen in Haft."

33

Das Gericht geht aufgrund der Berichtslage davon aus, dass die dargestellte Verfolgung als Deserteur bzw. Dienstverweigerer nicht nur Personen betrifft, die sich aus dem aktiven Dienst entfernt haben oder zu einer erfolgten Einberufung nicht erschienen sind, sondern dass als Dienstverweigerer auch solche Personen bestraft werden, die Eritrea im oder kurz vor dem - nach dem Aussehen der Person bestimmten - dienstpflichtigen Alter verlassen haben (so auch VG Saarland, Urt. v. 17.1.2017, 3 K 2357/16, juris mit Verweis auf VG Saarland, Urt. v. 22.1.2015, 3 K 403/14, juris.) oder sich ihrer Dienstpflicht durch einen Aufenthalt im Ausland dauerhaft entziehen (a.A. VG Hamburg, Urteil v. 6.12.2016, 4 A 5515/16).

34

Zwar sind Fälle, in denen tatsächlich eine Rückführung von Eritreern stattgefunden hat, selten, und gestatten die eritreischen Behörden Menschenrechtsbeobachtern keinen Zugang, sodass die Quellenlage eingeschränkt ist (vgl. SEM 2016, S. 5 f.). Die vorliegenden Berichte belegen aber, dass mit Personen, die das Land trotz ihrer grundsätzlich bestehenden Dienstpflicht verlassen haben, wie mit Deserteuren umgegangen wird (so im Ergebnis auch SEM 2016, S. 5 f. sowie UK Upper Tribunal (Immigration and Asylum Chamber), Urt. v. 7.10.2016, MST and Others, CG [2016] (IAC), Rn. 431).

35

Die Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea (HRC 2016, S. 25) berichtet von 313 Eritreern, die 2016 zwangsweise aus dem Sudan rückgeführt wurden. Alle Betroffenen wurden inhaftiert, auch jene, die vor ihrer Ausreise noch nicht zum Nationaldienst herangezogen worden waren. Auch das European Asylum Support Office weist unter Bezugnahme auf die eritreischen Gesetze darauf hin, dass alle Personen, welche sich im dienstpflichtigen Alter außerhalb Eritreas aufhalten, ohne ihre Dienstpflicht erfüllt zu haben, als Wehrdienstverweigerer angesehen werden (EASO, Country of Origin Report Eri-trea, November 2016 (EASO 2016), S. 29). Dem dürfte auch die eritreische Praxis entsprechen. Die - gesetzlich nicht vorgesehene - Reueerklärung (vgl. dazu nachstehend c)) sieht als strafbares Verhalten an, "den Nationaldienst nicht erfüllt" zu haben ("I regret having committed an offence by not completing the national service"). Das Staatssekretariat für Migration der Schweiz (SEM 2016, S. 44) kommt vor diesem Hintergrund zu folgendem Schluss: "Personen im dienstpflichtigen Alter, welche den Dienst noch nicht angetreten haben oder dem Aufgebot keine Folge geleistet haben, sehen die Behörden als Dienstverweigerer an. Sie werden wohl für einige Monate inhaftiert und anschließend militärisch ausgebildet." Dies entspricht ersichtlich auch dem Kenntnisstand des Auswärtigen Amtes, das davon ausgeht, dass eritreische Behörden "das Umgehen der nationalen Dienstpflicht" als Delikt ansehen, das zur Verhängung von Haftstrafen führen kann (AA 11/2016, S. 17).

36

Diese Einschätzung wird auch nicht durch den Bericht des Klägers in seiner Anhörung widerlegt, dass er nach seiner Abschiebung aus Saudi-Arabien eine Woche in Eritrea gelebt habe und ihm dort nichts wiederfahren sei, da seine Eltern die 2%-Steuer gezahlt hätten. Der Kläger hat sich nämlich nur eine Woche in Eritrea aufgehalten. Aufgrund der Kürze des Aufenthalts lässt sich nicht ausschließen, dass es zu den oben geschilderten Maßnahmen durch die eritreische Regierung gekommen wäre, wenn der Kläger im Land geblieben wäre.

37

(3) Bei der drohenden Bestrafung handelt es sich nicht um einen Vorgang, der vom Anwendungsbereich des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge gemäß § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG ausgeschlossen ist (in diese Richtung aber VG Ansbach, Urt. v. 26.9.2016, AN 3 K 16.30584, juris; VG Augsburg, Urt. v. 11.8.2016, Au 1 K 16.30744, juris; VG Potsdam, Urt. v. 17.2.2016, VG 6 K 1995/15.A, juris Rn. 17; VG München, Urt. v. 31.5.2016, M 12 K 16.30787, juris Rn. 26). Diese Bestimmung sieht vor, dass die Bestrafung für die Verweigerung des Militärdienstes dann eine Verfolgungshandlung darstellt, wenn diese in einem Konflikt erfolgt und der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen. Daraus kann aber nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass die Bestrafung, die dienstpflichtige Eritreer zu erwarten haben, wegen ihrer Anknüpfung an einen Militärdienst keinen Flüchtlingsschutz rechtfertigen kann.

38

Denn die Prüfung der Flüchtlingseigenschaft darf im Zusammenhang mit Militärdienst nicht ausschließlich anhand des Regelbeispiels des § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG erfolgen. Vielmehr ist diese auch unter Berücksichtigung der anderen Regelbeispiele durchzuführen, insbesondere ist zu prüfen, ob die drohende Bestrafung unverhältnismäßig oder diskriminierend ist. Ob dies der Fall ist, ist danach zu beurteilen, welche Rechte verletzt werden und auf welche Art und Weise dies geschieht. Der Zweck des Regelbeispiels ist folglich nicht ein Ausschluss von Fällen, die nicht die Voraussetzungen des § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG erfüllen. Das Regelbeispiel indiziert lediglich, dass im Falle der Bestrafung für Verweigerung eines Militärdienstes, der die dort genannten Voraussetzungen erfüllt, von einer Verfolgungshandlung auszugehen ist, ohne eine Aussage über andere Fälle von Verfolgung im Zusammenhang mit Militärdienstverweigerung zu treffen (s. zum Ganzen Marx, AsylVfG, 8. Auflage 2014, § 3a Rn. 35-37 m.w.N.).

39

Vorliegend ist folglich zu berücksichtigen, dass die Bestrafung für die Flucht vor dem Nationaldienst weit über das Maß des Angemessenen hinausgeht und ihrerseits eine unmenschliche und erniedrigende Behandlung darstellt (s.o., b)) und dass gemäß § 3a Abs. 2 Nr. 3 AsylG unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung als Verfolgung i.S.d. § 3 AsylG anzusehen ist. Hinzu kommt, dass es sich bei dem eritreischen Nationaldienst nicht um einen gewöhnlichen Militärdienst und damit nicht um einen solchen im Sinne des § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG handelt, sondern um einen zeitlich unbefristeten Arbeitsdienst unter menschenrechtswidrigen Bedingungen (s.a. oben, a)), welcher als Zwangsarbeit zu qualifizieren ist. Die Commission of Inquiry on Human Rights in Eri-trea führt dazu zutreffend aus, dass obligatorischer Militär- bzw. Nationaldienst zwar nicht zwangsläufig eine Menschenrechtsverletzung sei, sich der eritreische Nationaldienst jedoch von dem Militärdienst anderer Staaten durch die unbegrenzte und willkürliche Dauer, die die gesetzlich vorgesehene Dauer von 18 Monaten regelmäßig um mehr als ein Jahrzehnt überschreite, durch die Heranziehung der Dienstpflichtigen in Form von Zwangsarbeit für ein weites Spektrum an wirtschaftlichen Tätigkeiten und durch die Begehung von Vergewaltigung und Folter in den Militärlagern sowie das Vorhandensein weiterer häufig unmenschlicher Bedingungen unterscheide (HRC 2016, S. 8).

40

b) Diese Verfolgungshandlung erfolgt nach den Erkenntnissen des Gerichts aus Gründen der politischen Überzeugung. Dabei ist es gemäß § 3b Abs. 2 AsylG unerheblich, ob der Asylsuchende tatsächlich die politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.

41

Personen, die Eritrea im dienstpflichtigen Alter verlassen haben und/oder sich im dienstpflichtigen Alter im Ausland aufhalten, ohne den Nationaldienst bereits abgeleistet zu haben, droht Verfolgung deswegen, weil sie mit der Dienstverweigerung bzw. Desertion eine Straftat begangen haben, die eine Haft unter den oben ausgeführten unmenschlichen Bedingungen zur Folge hat. Dass es sich dabei um eine Verfolgung aufgrund der politischen Überzeugung handelt, ergibt sich für das Gericht aus dem ideologischen Stellenwert, den der Nationaldienst als "Schule der Nation" (vgl. EASO 2016, S. 13) im eritreischen Staat einnimmt. Zweck das Nationaldienstes ist gemäß der Nationaldienst-Proklamation von 1995 u.a. "den Mut, die Entschlossenheit und das Heldentum, das unser Volk in den letzten dreißig Jahren gezeigt hat, zu erhalten und den künftigen Generationen weiterzugeben; eine Generation zu schaffen, die Arbeit und Disziplin liebt und am Wiederaufbau der Nation teilnehmen und dienen will; das Gefühl der nationalen Einheit in unserem Volk zu stärken um subnationale Gefühle zu eliminieren" (vgl. den Text der Proklamation bei EASO 2015, S. 32). Wer sich dem Nationaldienst entzieht, wird folglich als politischer Gegner des Regimes betrachtet (SEM 2016, S. 21; HRC 2016, S. 13 ("Verrat"); VG Saarland, Urt. v. 17.1.2017, 3 K 2357/16, juris; VG Darmstadt, Urt. v. 6.10.2015, 4 K 1658/14.DA.A, juris, Rn. 28; VG Minden, Urt. v. 13.11.2014, 10 K 2815/13.A, juris, Rn. 43-45; ebenso das österreichische Bundesverwaltungsgericht, Entsch. v. 24.5.2016, BVwG W226 2120345-1, abrufbar unter rdb.manz.at; UK Upper Tribunal, Urt. v. 7.10.2016, a.a.O., Rn. 431; in diese Richtung auch VG Frankfurt, GB v. 4.2.2015, 8 K 2300/14.F.A, juris, UA S. 4; a.A. VG Ansbach, Urt. v. 26.9.2016, AN 3 K 16.30584, juris.; VG Augsburg, Urt. v. 11.8.2016, Au 1 K 16.30744, juris; VG Braunschweig, Urt. v. 7.7.2015, 7 A 368/14, juris). Dafür spricht auch die Härte, mit der der eritreische Staat - ggf. auch noch Jahre nach den Vergehen - gegen Deserteure und Dienstverweigerer vorgeht, sowie die Tatsache, dass für Desertion regelmäßig auch Verwandte der Betroffenen zur Rechenschaft gezogen werden (vgl. EASO 2015, S. 41 und den vom VG Darmstadt, a.a.O., juris, Rn. 28, entschiedenen Sachverhalt).

42

c) Der Kläger kann sich der Verfolgung auch nicht durch eine "reuige" Rückkehr entziehen.

43

Zwar soll es nach Auskunft der eritreischen Behörden möglich sein, freiwillig straffrei nach Eritrea zurückzukehren, wenn der Status des Rückkehrers vorher mit den eritreischen Behörden geregelt wird. Dies bedeutet, dass der Rückkehrer eine Diaspora- oder Aufbausteuer von 2% des Jahreseinkommens bezahlt und ein Reueschreiben mit folgendem Wortlaut unterzeichnet: "Ich bestätige, dass ich eine Straftat begangen habe, indem ich den Nationaldienst nicht erfüllt habe, und bin bereit, angemessene Bestrafung zur gegebenen Zeit anzunehmen" (SEM 2016, S. 33). Gegen einen wirksamen Schutz vor Verfolgung spricht bereits der Wortlaut des Reueschreibens, der eine Bestrafung in Aussicht stellt. Zwar scheint die Praxis der Straffreiheit im Hinblick auf im Exil lebende Eritreer, die Eritrea für vorübergehende Reisen aufsuchen, derzeit angewandt zu werden (SEM 2016, S. 43). Jedoch scheint es keine rechtliche Grundlage für diese Praxis zu geben (vgl. SEM 2016, S. 29). Vor dem Hintergrund einer sich auch in der Vergangenheit immer wieder ändernden Praxis der eritreischen Behörden bestehen durchgreifende Zweifel daran, dass die Zahlung der Diasporasteuer und die Unterzeichnung des Reueschreibens mit hinreichender Sicherheit vor Bestrafung schützen (so auch UK Upper Tribunal, Urt. v. 7.10.2016, Rn. 431; Immigration and Refugee Board of Canada, a.a.O.; SEM 2016, S. 43; SFH, Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse v. 15.8.2016 zu Eritrea: Rückkehr), zumal nicht davon auszugehen ist, dass Asylsuchende in Deutschland rechtzeitig vor ihrer zwangsweisen Rückkehr ihren Status regeln können.

44

d) Gründe, die zum Ausschluss der Flüchtlingseigenschaft führen (vgl. § 3 Abs. 2 bis 4 AsylG), sind nicht ersichtlich.

45

Akteure, die Schutz bieten könnten (§ 3d AsylG), sind nicht gegeben; eine inländische Fluchtalternative (§ 3e AsylG) besteht ebenfalls nicht.

IV.

46

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylG, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.

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(1) Schutz vor Verfolgung kann nur geboten werden 1. vom Staat oder2. von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen,sofern sie willens und in d

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 87a


(1) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht,1.über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens;2.bei Zurücknahme der Klage, Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch oder Anerkenntnis des Anspruchs, auc

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 74 Klagefrist, Zurückweisung verspäteten Vorbringens, Verhandlung durch den abgelehnten Richter


(1) Die Klage gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz muss innerhalb von zwei Wochen nach Zustellung der Entscheidung erhoben werden; ist der Antrag nach § 80 Absatz 5 der Verwaltungsgerichtsordnung innerhalb einer Woche zu stellen (§ 34a Absatz 2 Sa

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Verwaltungsgericht Hamburg Gerichtsbescheid, 15. März 2017 - 19 A 3945/16 zitiert oder wird zitiert von 5 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Hamburg Gerichtsbescheid, 15. März 2017 - 19 A 3945/16 zitiert 5 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Verwaltungsgericht Ansbach Urteil, 26. Sept. 2016 - AN 3 K 16.30584

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Tenor 1. Die Klage wird abgewiesen. 2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Tatbestand Der nach eigenen Angaben im Jahr ... geborene Kläger ist eritreischer

Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 11. Aug. 2016 - Au 1 K 16.30744

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Verwaltungsgericht München Urteil, 31. Mai 2016 - M 12 K 16.30787

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Verwaltungsgericht Hamburg Gerichtsbescheid, 26. Okt. 2016 - 4 A 1646/16

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Tenor Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 16. Dezember 2015 – soweit dieser entgegensteht – verpflichtet, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen. Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die Beklagte trägt die auß

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 01. Juni 2011 - 10 C 25/10

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Tatbestand 1 Der Kläger, ein 1960 geborener algerischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung.

Referenzen

(1) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht,

1.
über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens;
2.
bei Zurücknahme der Klage, Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch oder Anerkenntnis des Anspruchs, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
3.
bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe;
4.
über den Streitwert;
5.
über Kosten;
6.
über die Beiladung.

(2) Im Einverständnis der Beteiligten kann der Vorsitzende auch sonst anstelle der Kammer oder des Senats entscheiden.

(3) Ist ein Berichterstatter bestellt, so entscheidet dieser anstelle des Vorsitzenden.

(1) Das Gericht kann ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid entscheiden, wenn die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher zu hören. Die Vorschriften über Urteile gelten entsprechend.

(2) Die Beteiligten können innerhalb eines Monats nach Zustellung des Gerichtsbescheids,

1.
Berufung einlegen, wenn sie zugelassen worden ist (§ 124a),
2.
Zulassung der Berufung oder mündliche Verhandlung beantragen; wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt,
3.
Revision einlegen, wenn sie zugelassen worden ist,
4.
Nichtzulassungsbeschwerde einlegen oder mündliche Verhandlung beantragen, wenn die Revision nicht zugelassen worden ist; wird von beiden Rechtsbehelfen Gebrauch gemacht, findet mündliche Verhandlung statt,
5.
mündliche Verhandlung beantragen, wenn ein Rechtsmittel nicht gegeben ist.

(3) Der Gerichtsbescheid wirkt als Urteil; wird rechtzeitig mündliche Verhandlung beantragt, gilt er als nicht ergangen.

(4) Wird mündliche Verhandlung beantragt, kann das Gericht in dem Urteil von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Gerichtsbescheides folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die

1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder
2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.

(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:

1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,
2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,
3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen,
6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.

Die Verfolgung kann ausgehen von

1.
dem Staat,
2.
Parteien oder Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen, oder
3.
nichtstaatlichen Akteuren, sofern die in den Nummern 1 und 2 genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, im Sinne des § 3d Schutz vor Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht.

(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen:

1.
der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe;
2.
der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind;
3.
der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird;
4.
eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn
a)
die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und
b)
die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird;
als eine bestimmte soziale Gruppe kann auch eine Gruppe gelten, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet; Handlungen, die nach deutschem Recht als strafbar gelten, fallen nicht darunter; eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann auch vorliegen, wenn sie allein an das Geschlecht oder die geschlechtliche Identität anknüpft;
5.
unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.

(2) Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.

Tenor

Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 16. Dezember 2015 – soweit dieser entgegensteht – verpflichtet, der Klägerin die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben. Die Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens.

Der Gerichtsbescheid ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Beklagte kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des aufgrund des Gerichtsbescheids vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Klägerin vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils vollstreckbaren Betrages leistet.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft durch die Beklagte.

2

Die am … 1996 geborene Klägerin ist eritreische Staatsangehörige. Nach eigenen Angaben verließ sie Eritrea im Juli 2014 auf dem Landweg und gelangte über Äthiopien, Sudan, Libyen und Italien schließlich im November 2014 nach Deutschland, wo sie am 14. November 2014 einen Asylantrag stellte.

3

Bei ihrer Anhörung durch die Beklagte am 10.Februar 2015 gab die Klägerin an, ihre Mutter sei zum Militär gegangen und habe sie im Alter von drei Jahren bei ihren Nachbarn zurückgelassen. Dort habe sie im Haushalt gearbeitet und sich um die Tiere gekümmert. Als Nachbarsjungen erzählt hätten, dass das Militär kommen würde, um junge Leute für den Militärdienst mitzunehmen, sei sie mit den Nachbarsjungen zusammen geflohen. Die Grenze zu Äthiopien hätten sie bei Dunkelheit überquert, um nicht entdeckt zu werden. Wenn sie nach Eritrea zurückmüsste, befürchte sie, ins Gefängnis zu kommen. Zudem habe sie psychische Probleme, wegen derer sie beim Arzt gewesen sei und Tabletten verschrieben bekommen habe, welche jedoch nicht geholfen hätten.

4

Mit Bescheid vom 16. Dezember 2015, der Klägerin zugestellt am 4. April 2016, erkannte die Beklagte der Klägerin subsidiären Schutz zu und lehnte den Asylantrag im Übrigen ab. Die Ablehnung begründete sie im Wesentlichen damit, dass die Klägerin zwar glaubhaft vorgetragen habe, dass sie in Eritrea aufgewachsen sei. Es sei auch zutreffend, dass nach eritreischem Recht Personen, die sich dem aktiven Wehrdienst bzw. der allgemeinen Dienstpflicht entziehen, von Strafe bedroht seien. Eritreer, die das Heimatland verlassen, bevor sie von den Behörden aufgefordert worden sind, sich wegen der Registrierung zum Nationaldienst bei den entsprechenden Behörden zu melden bzw. die noch nicht ihren Einberufungsbefehl erhalten haben, erfüllten diesen Tatbestand jedoch nicht, gälten deshalb auch nicht als Wehrflüchtige und müssten auch keine asyl- oder flüchtlingsschutzrelevanten Maßnahmen befürchten. Allein die mögliche Einberufung zum Nationaldienst stelle mangels eines Anknüpfungsmerkmals i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1, § 3b AsylG keine flüchtlingsrelevante Maßnahme dar.

5

Gegen den Bescheid hat die Klägerin am 13. April 2016 Klage erhoben; eine Klagebegründung hat sie nicht eingereicht.

6

Die Klägerin beantragt,

7

die Beklagte unter teilweiser Aufhebung ihres Bescheides vom 16. Dezember 2015 zu verpflichten festzustellen, dass für die Klägerin die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft vorliegen.

8

Die Beklagte beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Sie bezieht sich zur Begründung auf den angefochtenen Bescheid.

11

Ergänzend wird auf den Inhalt der Akte und der Asylakte Bezug genommen.

12

Das Gericht hat der Klägerin mit Beschluss vom 28. September 2016 unter ausführlicher Darstellung der Rechtsauffassung und der verwendeten Erkenntnisquellen Prozesskostenhilfe bewilligt, sodann den Beteiligten mitgeteilt, dass es eine Entscheidung durch Gerichtsbescheid erwäge, und ihnen Gelegenheit gegeben ihren Vortrag in sachlicher und rechtlicher Hinsicht zu ergänzen.

Entscheidungsgründe

I.

13

Das Gericht entscheidet gemäß § 84 VwGO durch Gerichtsbescheid, weil die Sache keine besonderen Schwierigkeiten sachlicher oder rechtlicher Art aufweist und der Sachverhalt geklärt ist. Die Beteiligten sind vorher gehört worden.

II.

14

Die zulässige Verpflichtungsklage hat auch in der Sache Erfolg. Der Bescheid vom 28. September 2015 ist, soweit er die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ablehnt, rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1, Abs. 5 Satz 1 VwGO). Die Klägerin hat zum maßgeblichen Zeitpunkt des Erlasses des Gerichtsbescheids (§ 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG) einen Anspruch auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft.

15

Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft richtet sich nach § 3 Abs. 4 Satz 1 i.V.m. Abs. 1 AsylG. Gemäß § 3 Abs. 4 Satz 1 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, grundsätzlich die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Nach § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 18. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II, S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftslandes) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will. Als Verfolgungshandlungen gelten gem. § 3a AsylG solche Handlungen, die auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Art. 15 Abs. 2 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl. 1952 II S. 685, 953) – Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) – keine Abweichung zulässig ist, darunter das Verbot der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigenden Behandlung und das Verbot der Zwangsarbeit.

16

Für die Frage der Verfolgungswahrscheinlichkeit im Falle der Rückkehr in den Heimatstaat ist der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen. Dies setzt voraus, dass bei einer zusammenfassenden Würdigung des zur Prüfung gestellten Lebenssachverhalts die für eine Verfolgung sprechenden Umstände ein größeres Gewicht besitzen und deshalb gegenüber den dagegen sprechenden Tatsachen überwiegen (BVerwG, Urt. v. 20.2.2013, 10 C 23/12, juris Rn. 32). Dabei ist eine "qualifizierende" Betrachtungsweise im Sinne einer Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung anzulegen. Es kommt darauf an, ob in Anbetracht dieser Umstände bei einem vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen Furcht vor Verfolgung hervorgerufen werden kann (vgl. BVerwG, Urt. v. 1. 6.2011, 10 C 25/10, BVerwGE 140, 22, 33, juris Rn. 24; Urt. v. 5.11.1991, 9 C 118/90, BVerwGE 89, 162, 169 f.).

17

Bei einer Vorverfolgung greift insoweit die Beweiserleichterung nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (im Folgenden: Qualifikationsrichtlinie) (so zur früheren Fassung der Qualifikationsrichtlinie BVerwG, Urt. v. 24.11.2009, 10 C 24.08, Rn. 21; Urt. v. 5.5.2009, 10 C 21/08, Rn. 25; OVG NRW, Urt. v. 14.12.2010, 19 A 2999/06.A, Rn. 50; Urt. v. 17.8.2010, 8 A 4063/06.A, Rn. 35 und 41 m. w. N.; – alle in juris). Nach dieser Bestimmung ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass er erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird.

18

Die oben genannten Maßstäbe zugrunde gelegt, besteht nach Überzeugung der Kammer für die Klägerin aufgrund der Tatsache, dass sie als Eritreerin im dienstpflichtigen Alter Eritrea illegal verlassen hat, eine beachtliche Verfolgungswahrscheinlichkeit im Sinne des § 3 AsylG bei einer Rückkehr nach Eritrea (so auch VG Schwerin, Urt. v. 8.7.2016, 15 A 190/15 As, juris; VG Frankfurt, GB v. 4.2.2015, 8 K 2300/14.F.A, juris).

19

Die Klägerin, an deren eritreischer Staatsangehörigkeit keine Zweifel bestehen, hat schlüssig vorgetragen, sie habe Eritrea im Juli 2014 im Alter von 17 Jahren heimlich auf dem Landweg verlassen, als Jugendliche aus ihrem Dorf für den Nationaldienst rekrutiert werden sollten.

20

Die Klägerin kann sich damit zwar nicht auf die Beweiserleichterung wegen Vorverfolgung berufen. Die Kammer geht aufgrund der aktuellen Lage, die sich aus den im Nachfolgenden genannten Erkenntnismitteln ergibt, aber davon aus, dass in Eritrea für alle Personen, die Eritrea illegal – d.h. insbesondere ohne ein (im Regelfall nur schwer zu erhaltendes) Ausreisevisum (vgl. European Asylum Support Office (EASO), EASO-Bericht über Herkunftsländer-Informationen, Länderfokus Eritrea, Mai 2015, abrufbar unter https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/afrika/eri/ERI-ber-easo-d.pdf, S. 53) – verlassen haben, obwohl sie sich im nationaldienstpflichtigen Alter befanden, mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit die Gefahr von Verfolgungshandlungen i.S.d. § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3a AsylG aus einem in § 3 Abs. 1 Nr. 1 i.V.m. § 3b AsylG genannten Verfolgungsgrund gegeben ist.

21

Die Klägerin hat zu erwarten, dass im Falle ihrer Rückkehr nach Eritrea gegen sie von den eritreischen Behörden außergerichtlich und willkürlich eine Haftstrafe unter prekären Haftbedingungen vollstreckt wird, welche eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung darstellt (dazu 1)). Diese Verfolgungshandlung erfolgt nach den Erkenntnissen der Kammer aus Gründen der politischen Überzeugung (dazu 2)). Die Klägerin kann sich der Verfolgung auch nicht durch eine „reuige“ Rückkehr entziehen (dazu 3)). Ausschlussgründe bestehen keine (dazu 4)). Im Einzelnen:

22

1) Die Klägerin hat im Falle ihrer Rückkehr mit einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung i.S.d. Art. 3 EMRK zu rechnen, da sie mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit als Deserteurin bzw. Nationaldienstverweigerin behandelt werden wird. Für die Klägerin besteht die Pflicht zur Ableistung des Nationaldienstes (dazu a)). Desertion und Dienstverweigerung werden mit unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung geahndet (dazu b)). Die Verfolgung als Deserteur bzw. Dienstverweigerer betrifft alle Personen, die im dienstpflichtigen Alter Eritrea illegal verlassen (dazu c)). Bei der drohenden Bestrafung handelt es sich nicht um einen Vorgang, der vom Anwendungsbereich des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge ausgeschlossen wäre (dazu d)).

23

a) Nach der eritreischen Proclamation on National Service von 1995 sind alle eritreischen Staatsangehörigen gleich welchen Geschlechts im Alter zwischen 18 und 50 Jahren verpflichtet, einen 18-monatigen Nationaldienst zu absolvieren. Dieser beinhaltet eine sechsmonatige militärische Ausbildung und einen sich an diese anschließenden zwölfmonatigen aktiven Dienst im Militär oder in (zivilen) Entwicklungsarbeiten. Die Dienstdauer kann im Fall eines Krieges oder einer allgemeinen Mobilmachung über diese Zeitdauer hinaus verlängert werden (Schweizer Staatssekretariat für Migration (SEM), Focus Eritrea. Update Nationaldienst und illegale Ausreise, 22. Juni 2016, abrufbar unter https://www.sem.admin.ch/dam/data/sem/internationales/herkunftslaender/afrika/eri/ERI-ber-easo-update-nationaldienst-d.pdf, S. 45 m.w.Nachw.). In der Praxis und wegen der von der eritreischen Regierung proklamierten „no war no peace“-Situation im Verhältnis zu Äthiopien ist der Nationaldienst zeitlich unbefristet und dauert meist mehrere Jahre (durchschnittlich fünf bis zehn, häufig auch länger), wobei einerseits Frauen deutlich früher als Männer entlassen werden, andererseits eine Entlassung aus dem militärischen Teil des Nationaldienstes kaum vorkommt (SEM, a.a.O., S. 50 und 49 m.w.Nachw.; EASO, a.a.O., S. 40 m.w.Nachw.; s.a. Human Rights Council (HRC), Report of the Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea, 9. Mai 2016, A/HRC/32/47, abrufbar unter http://www.ohchr.org/EN/HRBodies/HRC/CoIEritrea/Pages/2016ReportCoIEritrea.asp, S. 7). In der Praxis werden Eritreer im Alter von ca. 16 bis ca. 50 Jahren als dienstpflichtig behandelt, allerdings werden teilweise auch jüngere Eritreer rekrutiert (EASO, a.a.O., S. 37 und 40 m.w.Nachw.; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Eritrea: Rekrutierung von Minderjährigen. Auskunft. 21. Januar 2015, abrufbar unter https://www.fluechtlingshilfe.ch/assets/herkunftslaender/afrika/eritrea/150121-eri-rekrutierung.pdf, S. 2ff m.w.Nachw.).

24

Die Behörden teilen die Rekruten entweder für eine zivile oder für eine militärische Verwendung ein, ohne dass letztere darauf Einfluss hätten. Ein legales Verlassen des Nationaldienstes ist nur in Ausnahmefällen möglich (SEM, a.a.O., S. 50 m.w.Nachw.). Nationaldienstleistende verdienen monatlich 500 Nakfa (entspricht ca. 22 USD), was zum Lebensunterhalt zu gering ist. Nach einer jüngst von der Regierung angekündigten Lohnreform sollen die Löhne der zivilen Komponente erheblich steigen; an Anhaltspunkten, dass dies bereits umgesetzt wurde, fehlt es aber (SEM, a.a.O., S. 52f m.w.Nachw.).

25

b) Illegal ausgereisten Deserteuren bzw. Dienstverweigerern drohen Haftstrafen, welche außergerichtlich – häufig von den Militärvorgesetzten – verhängt werden und deren Dauer willkürlich festgesetzt wird. Die Haftdauer beträgt in der Regel zwischen sechs Monaten und zwei Jahren (vgl. SEM, a.a.O., S. 28 m.w.Nachw.; Amnesty International, Eritrea: Just Deserters: Why Indefinite National Service in Eritrea Has Created a Generation of Refugees, 2.12.2015, abrufbar unter https://www.amnesty.org/download/Documents/AFR6429302015ENGLISH.PDF, S. 9, 44). In den Haftanstalten kommt es zu Folter, die Haft erfolgt teilweise incommunicado (EASO, a.a.O., S. 42 u. 47 m.w.Nachw.; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea, Stand: August 2015, verfügbar über die Asyldokumentation des Gerichts). Bei der Haft handelt es sich um unmenschliche oder erniedrigende Behandlung (mit diesem Ergebnis auch HRC, a.a.O., 2016, S. 7). Die Haftbedingungen sind prekär, im Bericht des European Asylum Support Office (EASO, a.a.O., S. 46f) heißt es dazu unter sorgfältiger Analyse des Quellenmaterials:

26

- „Einige Haftanstalten sind unterirdisch oder befinden sich in Schiffscontainern. In diesen kann es aufgrund des Klimas in Eritrea extrem heiß werden.
- Die Zellen sind oft derart überfüllt, dass sich die Häftlinge nur abwechselnd oder gar nicht hinlegen können.
- Die hygienischen Bedingungen sind schlecht. In manchen Gefängnissen gibt es anstelle einer Toilette nur ein Loch im Boden oder einen Kübel. Hofgang wird oft nicht erlaubt. Es gibt kaum medizinische Versorgung.
- Die Essensrationen sind klein und wenig nahrhaft, der Zugang zu Trinkwasser eingeschränkt.
- Teils werden die Häftlinge misshandelt oder gefoltert (…) und zu Zwangsarbeit eingesetzt.
- Angehörige haben häufig keinen Zugang zu den Häftlingen.
- Frauen werden üblicherweise getrennt von Männern untergebracht. Dennoch gibt es Berichte über sexuellen Missbrauch und Vergewaltigung z.B. durch Wächter.
- Aufgrund dieser schwierigen Umstände kommt es Berichten zufolge immer wieder zu Todesfällen in Haft.“

27

c) Die Kammer geht aufgrund der Berichtslage davon aus, dass die dargestellte Verfolgung als Deserteur bzw. Dienstverweigerer nicht nur Personen betrifft, die sich aus dem aktiven Dienst entfernt haben oder zu einer erfolgten Einberufung nicht erschienen sind, sondern dass als Dienstverweigerer auch solche Personen bestraft werden, die Eritrea im dienstpflichtigen Alter illegal verlassen haben.

28

Zwar sind Fälle, in denen tatsächlich eine Rückführung von Eritreern stattgefunden hat, selten, und gestatten die eritreischen Behörden Menschenrechtsbeobachtern keinen Zugang, sodass die Quellenlage eingeschränkt ist (vgl. SEM, a.a.O., S. 5f). Die vorliegenden Berichte belegen aber, dass mit Personen, die das Land illegal trotz ihrer grundsätzlich bestehenden Dienstpflicht verlassen haben, wie mit Deserteuren umgegangen wird (so im Ergebnis auch SEM, a.a.O., S. 5f).

29

So berichtet die Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea (HRC, a.a.O., S. 25) von 313 Eritreern, die 2016 zwangsweise aus dem Sudan rückgeführt wurden. Alle Betroffenen wurden inhaftiert, auch jene, die vor ihrer Ausreise noch nicht zum Nationaldienst herangezogen worden waren. Auch das European Asylum Support Office geht davon aus, dass alle Personen im dienstpflichtigen Alter, welche Eritrea illegal verlassen haben, bei ihrer Rückkehr als Wehrdienstverweigerer angesehen werden (EASO, a.a.O., S. 43 mit Verweis auf einen Bericht des UNHCR von 2011). Das Staatssekretariat für Migration der Schweiz (SEM, a.a.O., S. 44), kommt vor diesem Hintergrund zu folgendem Schluss: „Personen im dienstpflichtigen Alter, welche den Dienst noch nicht angetreten haben oder dem Aufgebot keine Folge geleistet haben, sehen die Behörden als Dienstverweigerer an. Sie werden wohl für einige Monate inhaftiert und anschließend militärisch ausgebildet.“

30

Ebenso heißt es im Lagebericht des Auswärtigen Amtes, (a.a.O., S. 15), dass, wenn einem Rückkehrer die (bloße) illegale Ausreise vorgeworfen wird, davon auszugehen ist, dass der Rückkehrer sich deswegen zu verantworten hat, was von einer bloßen Belehrung bis zur Haftstrafe führen könne. Dabei werden zwei Fälle von Rückkehrern angeführt, welche nach ihrer illegalen Ausreise in Haft genommen wurden, wobei in einem Fall der aktive Militärdienst bereits abgeleistet worden war.

31

Die Feststellungen decken sich auch mit der Einschätzung des Immigration and Refugee Board of Canada, welches in einem Bericht von 2015 mit Verweis auf Expertenmeinungen ausführt, dass (allgemein) dienstpflichtige Eritreer, die Eritrea nach der Einführung des Nationaldienstes 2002 verlassen haben, mit ihrer Inhaftierung zu rechnen haben (Refugee Board of Canada, Eritrea: Situation of People Returning to the Country After They Either Spent Time Abroad, Claimed Refugee Status, or Were Seeking Asylum (September 2014-June 2015), 18. November 2015, abrufbar unter http://www.refworld.org/publisher,IRBC,,ERI,577b6d024,0.html).

32

d) Bei der drohenden Bestrafung handelt es sich nicht um einen Vorgang, der vom Anwendungsbereich des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge gem. § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG ausgeschlossen wäre (in diese Richtung aber VG Ansbach, Urt. v. 26.9.2016, AN 3 K 16.30584, juris; VG Augsburg, Urt. v. 11.8.2016, Au 1 K 16.30744, juris VG Potsdam, Urt. v. 17.2.2016, VG 6 K 1995/15.A, juris Rn. 16; VG Osnabrück, Urt. v. 18.8.2015, 5 A 465/16, juris; VG München, Urt. v. 31.5.2016, M 12 K 16.30787, juris Rn. 26). Denn zwar sieht § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG vor, dass die Bestrafung für die Verweigerung des Militärdienstes dann eine Verfolgungshandlung darstellt, wenn diese in einem Konflikt erfolgt und der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen. Daraus kann aber nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass die Bestrafung, die dienstpflichtige Eritreer zu erwarten haben, wegen ihrer Anknüpfung an einen Militärdienst keinen Flüchtlingsschutz rechtfertigen kann.

33

Denn die Prüfung der Flüchtlingseigenschaft darf im Zusammenhang mit Militärdienst nicht ausschließlich anhand des Regelbeispiels des § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG erfolgen. Vielmehr ist diese auch unter Berücksichtigung der anderen Regelbeispiele durchzuführen, insbesondere ist zu prüfen, ob die drohende Bestrafung unverhältnismäßig oder diskriminierend ist. Ob dies der Fall ist, ist danach zu beurteilen, welche Rechte verletzt werden und auf welche Art und Weise dies geschieht. Der Zweck des Regelbeispiels ist folglich nicht ein Ausschluss von Fällen, die nicht die Voraussetzungen des § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG erfüllen. Das Regelbeispiel indiziert lediglich, dass im Falle der Bestrafung für Verweigerung eines Militärdienstes, der die dort genannten Voraussetzungen erfüllt, von einer Verfolgungshandlung auszugehen ist, ohne eine Aussage über andere Fälle von Verfolgung im Zusammenhang mit Militärdienstverweigerung zu treffen (s. zum Ganzen Marx, AsylVfG, Kommentar zum Asylverfahrensgesetz, 8. Auflage 2014, § 3a Rn. 35-36 m.w.Nachw.).

34

Vorliegend ist folglich zu berücksichtigen, dass die Bestrafung für die Flucht vor dem Nationaldienst weit über das Maß des Angemessenen hinausgeht und ihrerseits eine unmenschliche bzw. erniedrigende Behandlung darstellt (s.o., b)), und dass gem. § 3a Abs. 2 Nr. 3 AsylG unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung als Verfolgung i.S.d. § 3 AsylG anzusehen ist. Hinzu kommt, dass es sich bei dem eritreischen Nationaldienst nicht um einen gewöhnlichen Militärdienst handelt, sondern um einen zeitlich unbefristeten Arbeitsdienst unter menschenrechtswidrigen Bedingungen (s.a. oben, a)), welcher als Zwangsarbeit zu qualifizieren ist. Die Commission of Inquiry on Human Rights in Eritrea führt dazu zutreffend aus, dass obligatorischer Militär- bzw. Nationaldienst zwar nicht zwangsläufig eine Menschenrechtsverletzung sei, sich der eritreische Nationaldienst jedoch von dem Militärdienst anderer Staaten unterscheide durch die unbegrenzte und willkürliche Dauer, die die gesetzlich vorgesehene Dauer von 18 Monaten regelmäßig um mehr als ein Jahrzehnt überschreite, durch die Heranziehung der Dienstpflichtigen in Form von Zwangsarbeit für ein weites Spektrum an wirtschaftlichen Tätigkeiten und durch die Begehung von Vergewaltigung und Folter in den Militärlagern sowie das Vorhandensein weiterer häufig unmenschlicher Bedingungen (HRC, a.a.O., S. 7).

35

2) Die Inhaftierung erfolgt aus Gründen der politischen Überzeugung. Dabei ist es gem. § 3b Abs. 2 AsylG unerheblich, ob der Asylsuchende tatsächlich die politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.

36

Personen, die Eritrea im dienstpflichtigen Alter illegal verlassen haben, droht Verfolgung nominell deswegen, weil sie mit der Dienstverweigerung eine Straftat begangen haben. Dass es sich dabei um eine Verfolgung aufgrund der politischen Überzeugung handelt, ergibt sich für die Kammer aber aus dem ideologischen Stellenwert, den der Nationaldienst als „Schule der Nation“ (vgl. EASO, a.a.O., S. 32) im eritreischen Staat einnimmt. Zweck das Nationaldienstes ist gemäß der Nationaldienst-Proklamation von 1995 u.a. „den Mut, die Entschlossenheit und das Heldentum, das unser Volk in den letzten dreißig Jahren gezeigt hat, zu erhalten und den künftigen Generationen weiterzugeben; eine Generation zu schaffen, die Arbeit und Disziplin liebt und am Wiederaufbau der Nation teilnehmen und dienen will; … das Gefühl der nationalen Einheit in unserem Volk zu stärken um sub-nationale Gefühle zu eliminieren“ (vgl. den Text der Proklamation bei EASO, a.a.O., S. 32). Wer sich dem Nationaldienst entzieht, wird folglich als politischer Gegner des Regimes betrachtet (HRC, a.a.O., S. 13 („Verrat“); VG Darmstadt, Urt. v. 6.10.2015, juris, Rn. 28; VG Minden, Urt. v. 13.11.2014, juris-Rn. 43-45; ebenso das österreichische Bundesverwaltungsgericht, Entsch. v. 24.5.2016, BVwG W226 2120345-1, abrufbar unter rdb.manz.at; in diese Richtung auch VG Frankfurt, GB v. 4.2.2015, 8 K 2300/14.F.A, juris, UA S. 4; a.A. VG Ansbach, Urt. v. 26.9.2016, a.a.O.; VG Augsburg, Urt. v. 11.8.2016, a.a.O.; VG Braunschweig, Urt. v. 7.7.2015, 7 A 368/14, juris). Dafür spricht die Härte, mit der der eritreische Staat – ggf. auch noch Jahre nach den Vergehen – gegen Deserteure und Dienstverweigerer vorgeht, sowie die Tatsache, dass für Desertion regelmäßig auch Verwandte der Betroffenen zur Rechenschaft gezogen werden (vgl. EASO, a.a.O., S. 43 und den von VG Darmstadt, a.a.O., juris, Rn. 28, entschiedenen Sachverhalt).

37

3) Die Klägerin kann sich der Verfolgung auch nicht durch eine „reuige“ Rückkehr entziehen.

38

Zwar soll es nach Auskunft der eritreischen Behörden möglich sein, freiwillig straffrei nach Eritrea zurückzukehren, wenn der Status des Rückkehrers vorher mit den eritreischen Behörden geregelt wird. Dies bedeutet, dass der Rückkehrer eine Diaspora- oder Aufbausteuer von 2% des Jahreseinkommens bezahlt und ein Reueschreiben mit folgendem Wortlaut unterzeichnet: „Ich bestätige, dass ich eine Straftat begangen habe, indem ich den Nationaldienst nicht erfüllt habe, und bin bereit, angemessene Bestrafung zur gegebenen Zeit anzunehmen“ (SEM, a.a.O., S. 33). Gegen einen wirksamen Schutz vor Verfolgung spricht bereits der Wortlaut des Reueschreibens, der eine Bestrafung in Aussicht stellt. Zwar scheint die Praxis der Straffreiheit im Hinblick auf im Exil lebende Eritreer, die Eritrea für vorübergehende Reisen aufsuchen, derzeit angewandt zu werden (SEM, a.a.O., S. 43). Jedoch scheint es keine rechtliche Grundlage für diese Praxis zu geben (vgl. SEM, a.a.O., S. 29). Vor dem Hintergrund einer sich auch in der Vergangenheit immer wieder ändernden Praxis der eritreischen Behörden bestehen durchgreifende Zweifel daran, dass die Zahlung der Diasporasteuer und die Unterzeichnung des Reueschreibens mit hinreichender Sicherheit vor Bestrafung schützen (so auch Immigration and Refugee Board of Canada, a.a.O.; SEM, a.a.O., S. 43; Schweizerische Flüchtlingshilfe (SFH), Schnellrecherche der SFH-Länderanalyse vom 15. August 2016 zu Eritrea: Rückkehr, abrufbar unter https://www.fluechtlingshilfe.ch/assets/herkunftslaender/afrika/eritrea/160815-eri-rueckkehr.pdf), zumal nicht davon auszugehen ist, dass Asylsuchende in Deutschland rechtzeitig vor ihrer Rückkehr ihren Status regeln können.

39

4) Gründe, die zum Ausschluss der Flüchtlingseigenschaft führen (vgl. § 3 Abs. 2 bis 4 AsylG), sind nicht ersichtlich; eine inländische Fluchtalternative (§ 3e AsylG) besteht ebenfalls nicht.

III.

40

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83 b AsylG, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.

(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die

1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder
2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.

(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:

1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,
2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,
3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen,
6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein 1960 geborener algerischer Staatsangehöriger, wendet sich gegen den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung.

2

Er stellte im Oktober 1992 einen Asylantrag. Nachdem er unbekannt verzogen war, lehnte das Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge - jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) - den Antrag mit Bescheid vom 8. November 1993 als offensichtlich unbegründet ab. Einen weiteren Asylantrag unter einem Aliasnamen lehnte das Bundesamt mit Bescheid vom 24. September 1993 ab.

3

Im November 1994 wurde der Kläger von den französischen Behörden wegen des Verdachts der Vorbereitung terroristischer Aktionen in Algerien festgenommen. Das Tribunal de Grande Instance de Paris verurteilte ihn am 22. Januar 1999 u.a. wegen Mitgliedschaft in einer kriminellen Vereinigung zu einer Gefängnisstrafe von acht Jahren.

4

Nachdem der Kläger im März 2001 aus französischer Haft entlassen worden war, stellte er im Juli 2001 in Deutschland einen Asylfolgeantrag, den er auf die überregionale Berichterstattung über den Strafprozess in Frankreich und die daraus resultierende Verfolgungsgefahr in Algerien stützte. Er gab an, nie für eine terroristische Vereinigung aktiv gewesen zu sein; der Prozess in Frankreich sei eine Farce gewesen. Mit Bescheid vom 15. Oktober 2002 lehnte das Bundesamt die Anerkennung als Asylberechtigter ab, stellte jedoch das Vorliegen der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG hinsichtlich Algeriens fest. Angesichts der Berichterstattung über den Strafprozess müsse davon ausgegangen werden, dass der algerische Auslandsgeheimdienst den Prozess beobachtet habe und der Kläger in das Blickfeld algerischer Behörden geraten sei. Bei einer Rückkehr nach Algerien bestehe deshalb die beachtliche Gefahr von Folter und Haft.

5

Mit Bescheid vom 1. Juni 2005 nahm das Bundesamt den Anerkennungsbescheid vom 15. Oktober 2002 mit Wirkung für die Zukunft zurück. Die Feststellung sei von Anfang an fehlerhaft gewesen, da das Vorliegen der Ausnahmetatbestände in § 51 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 und Satz 2 Alt. 3 AuslG verkannt worden sei. Angesichts der rechtskräftigen Verurteilung in Frankreich stehe fest, dass der Kläger eine Gefahr für die Allgemeinheit darstelle. Das Verwaltungsgericht hat den Rücknahmebescheid mit rechtskräftigem Urteil vom 27. Oktober 2006 aufgehoben, da das Bundesamt die Jahresfrist des § 48 Abs. 4 VwVfG versäumt habe.

6

Mit Schreiben vom 10. Juli 2007 leitete das Bundesamt ein Widerrufsverfahren ein, in dessen Verlauf der Kläger bestritt, dass sich die Verhältnisse in Algerien entscheidungserheblich geändert hätten. Mit Bescheid vom 21. Dezember 2007 widerrief das Bundesamt die mit Bescheid vom 15. Oktober 2002 getroffene Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG. Darüber hinaus stellte es fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG sowie Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen. Durch die im September 2005 per Referendum angenommene "Charta für Frieden und nationale Aussöhnung" sowie die zu deren Umsetzung erlassenen Vorschriften habe Algerien weitgehende Straferlasse für Mitglieder islamistischer Terrorgruppen eingeführt. Die Amnestieregelungen würden konsequent und großzügig umgesetzt und fänden auch nach Ablauf des vorgesehenen Stichtags weiter Anwendung. Der Kläger habe daher im Falle seiner Rückkehr nach Algerien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politisch motivierte Verfolgung zu befürchten.

7

Das Verwaltungsgericht hat den Bescheid durch Urteil vom 20. Mai 2008 aufgehoben, da dem Widerruf bereits die Rechtskraft des Urteils vom 27. Oktober 2006 entgegenstehe. Der angefochtene Widerruf erweise sich im Ergebnis als eine die Rücknahme vom 1. Juni 2005 ersetzende Entscheidung.

8

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Urteil vom 15. Dezember 2009 die Berufung der Beklagten zurückgewiesen. Zwar stehe die Rechtskraft des die Rücknahme aufhebenden Urteils dem Widerruf nicht entgegen, denn die Streitgegenstände dieser beiden Verwaltungsakte seien nicht identisch. Dennoch erweise sich die Entscheidung des Verwaltungsgerichts im Ergebnis als richtig, da die Voraussetzungen für den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung nicht vorlägen. Dieser sei gemäß § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG nur möglich, wenn der Betroffene wegen zwischenzeitlicher Veränderungen im Heimatstaat vor künftiger Verfolgung hinreichend sicher sei. Das sei beim Kläger nicht der Fall. Er falle nicht unter die Stichtagsregelung der Amnestieregelung; ob die Anwendungspraxis auch den Fall des Klägers erfasse, sei unsicher. Angesichts der weiterhin bestehenden Repressionsstrukturen seien ausreichende Anhaltspunkte für eine allgemeine Liberalisierung in Algerien nicht vorhanden.

9

Zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Revision rügt die Beklagte, das Berufungsgericht sei zu Unrecht von dem abgesenkten Wahrscheinlichkeitsmaßstab ausgegangen. Unter Geltung der Qualifikationsrichtlinie würde selbst ein Vorverfolgter nur durch die widerlegbare Verfolgungsvermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie privilegiert. Auch nach der Rechtsprechung des EuGH sei beim Widerruf eines nicht Vorverfolgten der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen.

10

Der Kläger verteidigt das Berufungsurteil aus den Gründen der Ausgangsentscheidung. Darüber hinaus macht er geltend, dass einem anerkannten Flüchtling aufgrund seines Aufenthalts in der Bundesrepublik und des Vertrauens auf seinen gefestigten Status ein größerer Schutz zu gewähren sei als einem Asylbewerber bei der Entscheidung über seine Anerkennung.

Entscheidungsgründe

11

Die Revision der Beklagten ist zulässig und begründet, denn das Berufungsurteil beruht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Zwar hat das Berufungsgericht den Widerrufsbescheid zu Recht sachlich geprüft und nicht bereits wegen des aus der Rechtskraft folgenden Wiederholungsverbots aufgehoben (1.). Es hat aber der Verfolgungsprognose, die es bei Prüfung der Voraussetzungen für den Widerruf der Flüchtlingsanerkennung gestellt hat, einen unzutreffenden Wahrscheinlichkeitsmaßstab zugrunde gelegt (2.). Mangels der für eine abschließende Entscheidung notwendigen tatsächlichen Feststellungen kann der Senat in der Sache weder in positiver noch in negativer Hinsicht selbst entscheiden. Die Sache ist daher an den Verwaltungsgerichtshof zur anderweitigen Verhandlung und Entscheidung zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).

12

1. Dem Erlass des streitgegenständlichen Widerrufsbescheids steht nicht entgegen, dass die zuvor verfügte Rücknahme der Flüchtlingsanerkennung im Vorprozess rechtskräftig aufgehoben worden ist. Nach § 121 Nr. 1 VwGO binden rechtskräftige Urteile die Beteiligten und ihre Rechtsnachfolger, soweit über den Streitgegenstand entschieden worden ist. Soweit der personelle und sachliche Umfang der Rechtskraft reicht, ist die im Vorprozess unterlegene Behörde bei unveränderter Sach- und Rechtslage daran gehindert, einen neuen Verwaltungsakt aus den vom Gericht missbilligten Gründen zu erlassen (vgl. Urteile vom 8. Dezember 1992 - BVerwG 1 C 12.92 - BVerwGE 91, 256 <257 f.> = Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 63 und vom 28. Januar 2010 - BVerwG 4 C 6.08 - Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 99). Das Wiederholungsverbot erfasst aber nur inhaltsgleiche Verwaltungsakte, d.h. die Regelung desselben Sachverhalts durch Anordnung der gleichen Rechtsfolge (Urteil vom 30. August 1962 - BVerwG 1 C 161.58 - BVerwGE 14, 359 <362> = Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 4 und Beschluss vom 15. März 1968 - BVerwG 7 C 183.65 - BVerwGE 29, 210 <213 f.>).

13

In Anwendung dieser Kriterien erweisen sich Rücknahme einer Flüchtlingsanerkennung wegen Nichtbeachtung zwingender Ausschlussgründe und deren Widerruf wegen Wegfalls der sie begründenden Umstände nicht als inhaltsgleich. Zwar erfolgte die Rücknahme im Fall des Klägers nur mit Wirkung für die Zukunft, so dass die beiden Verwaltungsakte auf dieselbe Rechtsfolge gerichtet waren (vgl. aus einer anderen Perspektive Urteil vom 24. November 1998 - BVerwG 9 C 53.97 - BVerwGE 108, 30 <35>). Aber die den beiden Aufhebungsakten zugrunde liegenden rechtlichen Voraussetzungen und die hierbei zu berücksichtigenden Tatsachen unterscheiden sich: Während die Rücknahme auf einer anderen rechtlichen Beurteilung eines vergangenen Sachverhalts beruht, stützt sich der Widerruf nach § 73 Abs. 1 AsylVfG auf eine nach der Anerkennung eingetretene Sachverhaltsänderung. Daher greift das Wiederholungsverbot im vorliegenden Fall nicht.

14

2. Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des angefochtenen Widerrufs ist § 73 AsylVfG in der seit dem Inkrafttreten des Gesetzes zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) - Richtlinienumsetzungsgesetz - am 28. August 2007 geltenden Fassung (Bekanntmachung der Neufassung des Asylverfahrensgesetzes vom 2. September 2008, BGBl I S. 1798). Nach § 73 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft unverzüglich zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Dies ist gemäß § 73 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG insbesondere der Fall, wenn der Ausländer nach Wegfall der Umstände, die zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft geführt haben, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Staates in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt.

15

Mit § 73 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG hat der Gesetzgeber die unionsrechtlichen Vorgaben aus Art. 11 Abs. 1 Buchst. e und f der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl EU Nr. L 304 vom 30. September 2004 S. 12; berichtigt ABl EU Nr. L 204 vom 5. August 2005 S. 24) über das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft nach Wegfall der die Anerkennung begründenden Umstände umgesetzt. Daher sind die Widerrufsvoraussetzungen in § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylVfG unionsrechtskonform im Sinne der entsprechenden Bestimmungen der Richtlinie auszulegen, die sich ihrerseits an Art. 1 C Nr. 5 und 6 der Genfer Flüchtlingskonvention - GFK - orientieren. Dies gilt auch für Fälle, in denen die zugrunde liegenden Schutzanträge - wie hier - vor dem Inkrafttreten der Richtlinie gestellt worden sind (vgl. Urteil vom 24. Februar 2011 - BVerwG 10 C 3.10 - juris Rn. 9; zur Veröffentlichung in der Sammlung BVerwGE vorgesehen).

16

Der angefochtene Bescheid erweist sich nicht deshalb als rechtswidrig, weil das Bundesamt bei seiner Widerrufsentscheidung kein Ermessen ausgeübt hat. Durch die klarstellende Neuregelung in § 73 Abs. 7 AsylVfG ist geklärt, dass in den Fällen, in denen - wie vorliegend - die Entscheidung über die Flüchtlingsanerkennung vor dem 1. Januar 2005 unanfechtbar geworden ist, die Prüfung nach § 73 Abs. 2a Satz 1 AsylVfG spätestens bis zum 31. Dezember 2008 zu erfolgen hat. Damit hat der Gesetzgeber eine Übergangsregelung für vor dem 1. Januar 2005 unanfechtbar gewordene Altanerkennungen getroffen und festgelegt, bis wann diese auf einen Widerruf oder eine Rücknahme zu überprüfen sind. Daraus folgt, dass es vor einer solchen Prüfung und Verneinung der Widerrufs- und Rücknahmevoraussetzungen in dem seit dem 1. Januar 2005 vorgeschriebenen Verfahren (Negativentscheidung) keiner Ermessensentscheidung bedarf (Urteil vom 25. November 2008 - BVerwG 10 C 53.07 - Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 31 Rn. 13 ff.).

17

Das Berufungsurteil ist aber hinsichtlich der materiellen Widerrufsvoraussetzungen und speziell mit Blick auf den der Verfolgungsprognose zugrunde gelegten Wahrscheinlichkeitsmaßstab nicht mit § 73 Abs. 1 Satz 1 und 2 AsylVfG zu vereinbaren, der im Lichte der Richtlinie 2004/83/EG auszulegen ist. Nach Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie ist ein Drittstaatsangehöriger nicht mehr Flüchtling, wenn er nach Wegfall der Umstände, aufgrund derer er als Flüchtling anerkannt worden ist, es nicht mehr ablehnen kann, den Schutz des Landes in Anspruch zu nehmen, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt. Bei der Prüfung dieses Erlöschensgrundes haben die Mitgliedstaaten zu untersuchen, ob die Veränderung der Umstände erheblich und nicht nur vorübergehend ist, so dass die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung nicht länger als begründet angesehen werden kann (Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie). Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie regelt die Beweislastverteilung dahingehend, dass der Mitgliedstaat - unbeschadet der Pflicht des Flüchtlings, gemäß Art. 4 Abs. 1 der Richtlinie alle maßgeblichen Tatsachen offenzulegen und alle maßgeblichen, ihm zur Verfügung stehenden Unterlagen vorzulegen - in jedem Einzelfall nachweist, dass die betreffende Person nicht länger Flüchtling ist oder es nie gewesen ist.

18

a) Diese unionsrechtlichen Vorgaben hat der Gerichtshof der Europäischen Union in seinem Urteil vom 2. März 2010 (Rs. C-175/08 u.a., Abdulla u.a. - NVwZ 2010, 505) dahingehend konkretisiert, dass der in Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie angesprochene "Schutz des Landes" sich nur auf den bis dahin fehlenden Schutz vor den in der Richtlinie aufgeführten Verfolgungshandlungen bezieht (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 67, 76, 78 f.). Dazu hat der Gerichtshof darauf hingewiesen, dass sich die Beendigung der Flüchtlingseigenschaft wegen Veränderungen im Herkunftsland grundsätzlich spiegelbildlich zur Anerkennung verhält. Art. 11 Abs. 1 Buchst. e der Richtlinie 2004/83/EG sieht - ebenso wie Art. 1 C Nr. 5 GFK - vor, dass die Flüchtlingseigenschaft erlischt, wenn die Umstände, aufgrund derer sie zuerkannt wurde, weggefallen sind, wenn also die Voraussetzungen für die Anerkennung als Flüchtling nicht mehr vorliegen (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 65). Nach Art. 2 Buchst. c der Richtlinie ist Flüchtling, wer sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe, außerhalb des Landes seiner Staatsangehörigkeit befindet, und den Schutz dieses Landes nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will. Ändern sich die der Anerkennung zugrunde liegenden Umstände und erscheint die ursprüngliche Furcht vor Verfolgung im Sinne des Art. 2 Buchst. c der Richtlinie 2004/83/EG deshalb nicht mehr als begründet, kann der Betreffende es nicht mehr ablehnen, den Schutz seines Herkunftslands in Anspruch zu nehmen (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 66), soweit er auch nicht aus anderen Gründen Furcht vor "Verfolgung" im Sinne des Art. 2 Buchst. c der Richtlinie haben muss (ebd. Rn. 76). Die Umstände, die zur Zuerkennung oder umgekehrt zum Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft führen, stehen sich mithin in symmetrischer Weise gegenüber (so EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 68).

19

Mit Blick auf die Maßstäbe für das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft gemäß Art. 11 Abs. 1 Buchst. e und Abs. 2 der Richtlinie hat der Gerichtshof ausgeführt, dass die Veränderung der Umstände erheblich und nicht nur vorübergehend sein muss, so dass die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung nicht länger als begründet angesehen werden kann (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 72). Dafür muss feststehen, dass die Faktoren, die die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung begründeten und zur Flüchtlingsanerkennung führten, beseitigt sind und diese Beseitigung als dauerhaft angesehen werden kann (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 73).

20

aa) Eine erhebliche Veränderung der verfolgungsbegründenden Umstände setzt voraus, dass sich die tatsächlichen Verhältnisse im Herkunftsland mit Blick auf die Faktoren, aus denen die zur Flüchtlingsanerkennung führende Verfolgungsgefahr hergeleitet worden ist, deutlich und wesentlich geändert haben. In der vergleichenden Betrachtung der Umstände im Zeitpunkt der Flüchtlingsanerkennung und der für den Widerruf gemäß § 77 Abs. 1 AsylVfG maßgeblichen Sachlage muss sich durch neue Tatsachen eine signifikant und entscheidungserheblich veränderte Grundlage für die Verfolgungsprognose ergeben. Die Neubeurteilung einer im Kern unveränderten Sachlage reicht nicht aus, denn reiner Zeitablauf bewirkt für sich genommen keine Sachlagenänderung. Allerdings sind wegen der Zeit- und Faktizitätsbedingtheit einer asylrechtlichen Gefahrenprognose Fallkonstellationen denkbar, in denen der Ablauf einer längeren Zeitspanne ohne besondere Ereignisse im Verfolgerstaat im Zusammenhang mit anderen Faktoren eine vergleichsweise höhere Bedeutung als in anderen Rechtsgebieten zukommt (vgl. Urteile vom 19. September 2000 - BVerwG 9 C 12.00 - BVerwGE 112, 80 <84> und vom 18. September 2001 - BVerwG 1 C 7.01 - BVerwGE 115, 118 <124 f.>).

21

Wegen der Symmetrie der Maßstäbe für die Anerkennung und das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft kann seit Umsetzung der in Art. 11 und Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG enthaltenen unionsrechtlichen Vorgaben an der bisherigen, unterschiedliche Prognosemaßstäbe heranziehenden Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 73 AsylVfG nicht festgehalten werden. Danach setzte der Widerruf der Flüchtlingsanerkennung voraus, dass sich die zum Zeitpunkt der Anerkennung maßgeblichen Verhältnisse nachträglich so verändert haben, dass bei einer Rückkehr des Ausländers in seinen Herkunftsstaat eine Wiederholung der für die Flucht maßgeblichen Verfolgungsmaßnahmen auf absehbare Zeit mit hinreichender Sicherheit ausgeschlossen ist (Urteile vom 1. November 2005 - BVerwG 1 C 21.04 - BVerwGE 124, 277 <281> und vom 12. Juni 2007 - BVerwG 10 C 24.07 - Buchholz 402.25 § 73 AsylVfG Nr. 28 Rn. 18; so auch das Berufungsgericht in der angefochtenen Entscheidung). Dieser gegenüber der beachtlichen Wahrscheinlichkeit abgesenkte Maßstab ist in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zum Asylgrundrecht für Fälle der Vorverfolgung entwickelt worden. Er wurde dann auf den Flüchtlingsschutz übertragen und hat schließlich Eingang in die Widerrufsvoraussetzungen gefunden, soweit nicht eine gänzlich neue oder andersartige Verfolgung geltend gemacht wird, die in keinem inneren Zusammenhang mehr mit der früheren steht (Urteil vom 18. Juli 2006 - BVerwG 1 C 15.05 - BVerwGE 126, 243 Rn. 26).

22

Dieses materiellrechtliche Konzept unterschiedlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe für die Verfolgungsprognose ist der Richtlinie 2004/83/EG fremd. Sie verfolgt vielmehr bei einheitlichem Prognosemaßstab für die Begründung und das Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft einen beweisrechtlichen Ansatz, wie er bei der Nachweispflicht der Mitgliedstaaten nach Art. 14 Abs. 2 und der tatsächlichen Verfolgungsvermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie zum Ausdruck kommt (Urteile vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 - BVerwGE 136, 377 Rn. 20 ff. und vom 7. September 2010 - BVerwG 10 C 11.09 - juris Rn. 15). Das ergibt sich neben dem Wortlaut der zuletzt genannten Vorschrift auch aus der Entstehungsgeschichte, denn die Bundesrepublik Deutschland konnte sich mit ihrem Vorschlag, zwischen den unterschiedlichen Prognosemaßstäben der beachtlichen Wahrscheinlichkeit und der hinreichenden Sicherheit zu differenzieren, nicht durchsetzen (vgl. die Beratungsergebnisse der Gruppe "Asyl" vom 25. September 2002, Ratsdokument 12199/02 S. 8 f.). Demzufolge gilt unionsrechtlich beim Flüchtlingsschutz für die Verfolgungsprognose ein einheitlicher Wahrscheinlichkeitsmaßstab, auch wenn der Antragsteller bereits Vorverfolgung erlitten hat. Dieser in dem Tatbestandsmerkmal "... aus der begründeten Furcht vor Verfolgung ..." des Art. 2 Buchst. c der Richtlinie enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Er stellt bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr ab ("real risk"; vgl. nur EGMR, Große Kammer, Urteil vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi - NVwZ 2008, 1330 ); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (Urteil vom 18. April 1996 - BVerwG 9 C 77.95 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG 1990 Nr. 4; Beschluss vom 7. Februar 2008 - BVerwG 10 C 33.07 - ZAR 2008, 192 ; Urteil vom 27. April 2010 a.a.O. Rn. 22).

23

Aus der konstruktiven Spiegelbildlichkeit von Anerkennungs- und Erlöschensprüfung, in der die gleiche Frage des Vorliegens einer begründeten Furcht vor Verfolgung im Sinne des Art. 9 i.V.m. Art. 10 der Richtlinie zu beurteilen ist, ergibt sich, dass sich der Maßstab der Erheblichkeit für die Veränderung der Umstände danach bestimmt, ob noch eine beachtliche Wahrscheinlichkeit einer Verfolgung besteht (vgl. EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 84 ff., 98 f.). Die Richtlinie kennt nur diesen einen Wahrscheinlichkeitsmaßstab zur Beurteilung der Verfolgungsgefahr unabhängig davon, in welchem Stadium - Zuerkennen oder Erlöschen der Flüchtlingseigenschaft - diese geprüft wird. Es spricht viel dafür, dass die Mitgliedstaaten hiervon in Widerrufsverfahren nicht nach Art. 3 der Richtlinie zugunsten des Betroffenen abweichen können. Denn die zwingenden Erlöschensgründe dürften zu den Kernregelungen zählen, die in allen Mitgliedstaaten einheitlich auszulegen sind, um das von der Richtlinie 2004/83/EG geschaffene System nicht zu beeinträchtigen (vgl. EuGH, Urteil vom 9. November 2010 - Rs. C-57/09 und C-101/09, B und D - NVwZ 2011, 285 Rn. 120 zu den Ausschlussgründen). Das kann aber hier dahinstehen, da keine Anhaltspunkte dafür ersichtlich sind, dass der deutsche Gesetzgeber mit dem Richtlinienumsetzungsgesetz vom 19. August 2007 bei der Flüchtlingsanerkennung an den oben dargelegten unterschiedlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstäben des nationalen Rechts festhalten wollte. Vielmehr belegt der neu eingefügte § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG, demzufolge für die Feststellung einer Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG u.a. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie ergänzend anzuwenden ist, dass der Gesetzgeber sich den beweisrechtlichen Ansatz der Richtlinie zu eigen gemacht hat.

24

bb) Des Weiteren darf die Veränderung der der Flüchtlingsanerkennung zugrunde liegenden Umstände nach Art. 11 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG nicht nur vorübergehender Natur sein. Vielmehr muss festgestellt werden, dass die Faktoren, die die Furcht des Flüchtlings vor Verfolgung begründen und zur Flüchtlingsanerkennung geführt haben, als dauerhaft beseitigt angesehen werden können (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 72 ff.). Für den nach Art. 14 Abs. 2 der Richtlinie dem Mitgliedstaat obliegenden Nachweis, dass eine Person nicht länger Flüchtling ist, reicht nicht aus, dass im maßgeblichen Zeitpunkt kurzzeitig keine begründete Furcht vor Verfolgung (mehr) besteht. Die erforderliche dauerhafte Veränderung verlangt dem Mitgliedstaat vielmehr den Nachweis der tatsächlichen Grundlagen für die Prognose ab, dass sich die Veränderung der Umstände als stabil erweist, d.h. dass der Wegfall der verfolgungsbegründenden Faktoren auf absehbare Zeit anhält. Der Senat hat in einem Fall, in dem ein verfolgendes Regime gestürzt worden ist (Irak), bereits entschieden, dass eine Veränderung in der Regel nur dann als dauerhaft angesehen werden kann, wenn im Herkunftsland ein Staat oder ein sonstiger Schutzakteur im Sinne des Art. 7 der Richtlinie 2004/83/EG vorhanden ist, der geeignete Schritte eingeleitet hat, um die der Anerkennung zugrunde liegende Verfolgung zu verhindern (Urteil vom 24. Februar 2011 a.a.O. Rn. 17). Denn der Widerruf der Flüchtlingseigenschaft ist nur gerechtfertigt, wenn dem Betroffenen im Herkunftsstaat nachhaltiger Schutz geboten wird, nicht (erneut) mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Verfolgungsmaßnahmen ausgesetzt zu werden. So wie die Wahrscheinlichkeitsbeurteilung im Rahmen der Verfolgungsprognose eine "qualifizierende" Betrachtungsweise im Sinne der Gewichtung und Abwägung aller festgestellten Umstände und ihrer Bedeutung aus der Sicht eines vernünftig denkenden, besonnenen Menschen in der Lage des Betroffenen nicht zuletzt unter Einbeziehung der Schwere des befürchteten Eingriffs verlangt und damit dem Gesichtspunkt der Zumutbarkeit Rechnung trägt (Urteil vom 5. November 1991 - BVerwG 9 C 118.90 - BVerwGE 89, 162 <169 f.>; Beschluss vom 7. Februar 2008 a.a.O. juris Rn. 37), gilt dies auch für das Kriterium der Dauerhaftigkeit. Je größer das Risiko einer auch unterhalb der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit verbleibenden Verfolgung ist, desto nachhaltiger muss die Stabilität der Veränderung der Verhältnisse sein und prognostiziert werden können. Sind - wie hier - Veränderungen innerhalb eines fortbestehenden Regimes zu beurteilen, die zum Wegfall der Flüchtlingseigenschaft führen sollen, sind an deren Dauerhaftigkeit ebenfalls hohe Anforderungen zu stellen. Unionsrecht gebietet, dass die Beurteilung der Größe der Gefahr von Verfolgung mit Wachsamkeit und Vorsicht vorzunehmen ist, da Fragen der Integrität der menschlichen Person und der individuellen Freiheiten betroffen sind, die zu den Grundwerten der Europäischen Union gehören (EuGH, Urteil vom 2. März 2010 a.a.O. Rn. 90). Eine Garantie der Kontinuität veränderter politischer Verhältnisse auf unabsehbare Zeit kann indes nicht verlangt werden.

25

b) Das Berufungsgericht hat vorliegend bei seiner Verfolgungsprognose den Maßstab der hinreichenden Sicherheit zugrunde gelegt. Damit hat es § 73 Abs. 1 Satz 2 AsylVfG verletzt; auf dieser Verletzung beruht die Berufungsentscheidung. Da das Berufungsgericht seine tatsächlichen Feststellungen unter einem - wie dargelegt - rechtlich unzutreffenden Maßstab getroffen hat, ist das Berufungsurteil aufzuheben und die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO). Denn es ist Aufgabe des Berufungsgerichts als Tatsacheninstanz, die Verhältnisse im Herkunftsland auf der Grundlage einer Gesamtschau zu würdigen und mit Blick auf die Umstände, die der Flüchtlingsanerkennung des Betroffenen zugrunde lagen, eine Gefahrenprognose unter Auseinandersetzung mit der Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte zu erstellen.

(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die

1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder
2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.

(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:

1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,
2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,
3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen,
6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

Der nach eigenen Angaben im Jahr ... geborene Kläger ist eritreischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben im Zeitraum März/April 2014 in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 28. November 2014 einen auf die Flüchtlingsanerkennung beschränkten Asylantrag.

In seiner Anhörung vor dem Bundesamt für ... am 28. April 2016 erklärte er, er gehöre der Volksgruppe der Tigrinya an und habe keine Dokumente, weil er in Eritrea minderjährig gewesen sei. Er habe im Dezember 2012 sein Heimatland verlassen und sei im März oder April 2014 nach Deutschland eingereist. Er sei von Eritrea aus zunächst nach Äthiopien gegangen, sei danach in den Sudan und nach Libyen weiter gereist. Anschließend habe er sich für ca. drei Wochen in Italien aufgehalten, von wo aus er mit dem Bus über Österreich nach Deutschland gefahren sei. Das Geld für die Reise habe er von verschiedenen Leuten geliehen. Seine Eltern lebten in Eritrea, dort in .... Auch lebten dort noch Halbbrüder und Halbschwestern sowie die gesamte Großfamilie. Er sei bis zur 8. Klasse zur Schule gegangen und habe danach nicht gearbeitet. In Eritrea habe das Militär ihn zum Wehrdienst einziehen wollen. Das Militär sei zu diesem Zweck in die Schule gekommen. Er sei von der Schule aus gewarnt worden, dass das Militär nach ihm suche. Er hätte bereits zuvor versucht, Eritrea illegal zu verlassen und sei dann zwei Tage in Haft gewesen. Nachdem seine Oma dem Militär den Schülerausweis gezeigt habe, sei er frei gekommen. Er befürchte, wegen seiner Weigerung vor dem Nationaldienst und wegen der illegalen Ausreise eine Haftstrafe. Danach werde er unbegrenzt zum Militärdienst müssen.

Der Kläger lebt in der Jugendhilfeeinrichtung ... in .... Als Berufsbetreuerin ist ..., ... bestellt mit Bestallungsurkunde vom 21. Mai 2014, Amtsgericht ....

Mit Bescheid vom 18. Mai 2016, der der Betreuerin des Klägers gegen Postzustellungsurkunde am 21. Mai 2016 zugestellt wurde, wurde dem Kläger der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt (Ziffer 1), im Übrigen wurde der Asylantrag abgelehnt (Ziffer 2).

Aufgrund des ermittelten Sachverhalts sei davon auszugehen, dass dem Kläger in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG drohe. Darüber hinaus lägen die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vor. Aus dem Sachvortrag des Klägers sei weder eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungshandlung noch ein flüchtlingsrechtlich relevantes Anknüpfungsmerkmal ersichtlich. Der Kläger sei keiner konkreten, individuellen Bedrohungssituation ausgesetzt gewesen. Auch konkrete, individuelle Vorfälle gegen ihn selbst habe es nicht gegeben. Allein die Tatsache, dass ihn das Militär zum Wehrdienst einziehen wolle, reiche nicht aus, um als individuell relevanter Verfolgungstatbestand gewertet zu werden.

Von Feststellungen zu Abschiebungsverboten werde gemäß § 31 Abs. 3 Satz 2 AsylG abgesehen.

Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten, der am 25. Mai 2016 beim Verwaltungsgericht Ansbach einging, ließ der Kläger Klage gegen den Bescheid des Bundesamts erheben. Hinsichtlich der Fluchtgründe und bezüglich der begründeten Furcht vor Verfolgung solle durch Parteieinvernahme des Klägers Beweis erhoben werden.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung der Ziffer 2 des Bescheides vom 18. Mai 2016 zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Mit Schriftsatz vom 3. Juni 2016 beantragte die Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Mit Beschluss vom 16. August 2016 wurde die Verwaltungsstreitsache auf die Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Prozess- und Behördenakten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 1 AufenthG, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der streitgegenständliche Bescheid erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling i. S. d. Abkommens über die Rechtstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung, wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

Ergänzend hierzu bestimmt § 3 a AsylG die Verfolgungshandlungen, § 3 b AsylG die Verfolgungsgründe, § 3 c AsylG die Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann, § 3 d AsylG die Akteure, die Schutz bieten können und § 3 e AsylG den internen Schutz.

§ 3 a Abs. 3 AsylG regelt ausdrücklich, dass zwischen den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. den in § 3 b AsylG genannten Verfolgungsgründen und den in § 3 a Abs. 1 und Abs. 2 AsylG als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen muss. Ausschlussgründe, wonach ein Ausländer nicht Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, sind in § 3 Abs. 2 und 3 AsylG geregelt.

Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 des AufenthG.

Unter Würdigung dieser Voraussetzungen steht bei Zugrundelegung der verfahrensgegenständlichen Erkenntnisquellen zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) zur Überzeugung des Gerichts fest, dass dem Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Äthiopien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit dem Schutzbereich des § 3 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 1 AufenthG unterfallende Gefährdungen drohen.

Der Kläger macht geltend, er gehöre zu der sozialen Gruppe der vom Nationaldienst Betroffenen und habe außerdem mit der Entziehung vom Wehrdienst gezeigt, dass er nicht regimetreu sei, weshalb ihm bei Rückkehr nach Eritrea eine regierungskritische Haltung unterstellt werde und ihm deshalb Verfolgungshandlungen seitens der Staatsgewalt drohten.

1. Die bloße Heranziehung zum Nationaldienst stellt schon deshalb keine flüchtlingsschutzrelevante Verfolgung dar, weil die Heranziehung zum Militärdienst ausweislich der Regelung in § 3 a Abs. 2 Nr. 5 AsylG flüchtlingsschutzrechtlich schon grundsätzlich nicht dem Schutzversprechen unterfällt (vgl. hierzu VG München, U. v. 13.7.2016 - M 12 K 16.31184 -, juris).

Relevanz im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG kann die Einberufung zum Wehrdienst nur dann haben, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen. Hierfür bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte, auch wenn der Konflikt mit Äthiopien fortbesteht (Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea, Stand August 2015, vom 14. Dezember 2015 I. 1. Seite 7 (Lagebericht)).

Die dem Kläger wegen seiner Entziehung vom Militärdienst in Eritrea drohende strafrechtliche Verfolgung bzw. die ihm bei Desertion möglicherweise drohende Exekution durch staatliche Stellen (Lagebericht a. a. O., „shoot to kill“-Weisung, II. 1. 1.7. S. 12) wurde bereits vom Bundesamt für ... als „ernsthafter Schaden“ im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 AsylG eingestuft und führte zur Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 2 AufenthG.

2. Die Heranziehung zum Militärdienst in Eritrea knüpft entgegen der Auffassung des Klägervertreters nicht an Persönlichkeitsmerkmale des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG an. Vielmehr trifft diese Verpflichtung alle Staatsangehörigen gleichermaßen (Lagebericht a. a. O. II. 1. 1.6 S. 10). Der Kläger gehört damit nicht zu einer sozialen Gruppe im Sinn des §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3 b Abs. 1 Nr. 4 AsylG, an deren Zugehörigkeit in Eritrea staatliche Verfolgungshandlungen anknüpfen können.

3. Aus den zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ergeben sich keinerlei Hinweise darauf, dass der eritreische Staat einer Person, die sich dem Wehrdienst entzieht, eine politische Überzeugung im Sinne einer regimekritische Haltung unterstellt, an die Verfolgungshandlungen im Sinne der §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3 b Abs. 1 Nr. 5 AsylG anknüpfen. Der Schwerpunkt der eritreischen Behörden liegt bei Wehrdienstentziehung nach den vorliegenden Erkenntnisquellen auf der strafrechtlichen Ahndung (Lagebericht a. a. O. IV 2. S. 17/18).

4. Die bloße Asylantragstellung in Deutschland begründet ebenfalls nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgungsgefahr für den Kläger in Eritrea (Lagebericht a. a. O. IV 2. S. 17)

Im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen, § 77 Abs. 2 AsylG.

Demnach war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO.

Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83 b AsylG.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach

Hausanschrift:

Promenade 24 - 28, 91522 Ansbach, oder

Postfachanschrift:

Postfach 616, 91511 Ansbach,

zu beantragen.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Berufung kann nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Urteil von einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.

Beschluss:

Der Gegenstandswert beträgt 5.000,00 EUR, § 30 Abs. 1 Satz 1 RVG

Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.

Beschluss:

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung war abzulehnen.

Die Klage hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 166 VwGO i. V. m. §§ 114 ff. ZPO. Zur Begründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Flüchtlingsanerkennung.

Der nicht durch amtliche Dokumente seines Heimatlandes ausgewiesene Kläger ist nach eigenen Angaben am ... 1997 geboren und eritreischer Staatsangehöriger. Er beantragte am 19. März 2015 durch seinen damaligen Vormund beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend: Bundesamt) die Anerkennung als Asylberechtigter. Mit Bescheid vom 18. Juni 2015 wurde er der Stadt ... zugewiesen.

Zu seinen Fluchtgründen gab der Kläger am 8. Januar 2016 in einer schriftlichen Anhörung durch das Bundesamt an, er sei aus seinem Heimatland ausgereist, weil dort die Menschenrechte ständig verletzt würden. Ihm würde vorgeschrieben, welchen Beruf er erlernen könne. Er habe für sich keine Perspektive gesehen. Er werde zum Militär eingezogen und wolle nicht als Soldat enden. Der Nationaldienst sei in Eritrea lebenslang. Aus dem aktiven Nationaldienst sei er nicht geflohen. Wenn er nach Eritrea zurückkehren würde, würde er ohne weitere Fragen ins Gefängnis kommen.

Am 27. April 2016 wurde der Kläger durch das Bundesamt persönlich angehört. Er führte aus, er habe bis zu seiner Ausreise gemeinsam mit seinen Eltern und seinen fünf Brüdern in ..., im Stadtteil ..., gewohnt. Einen Personalausweis habe er nie besessen, seinen Schülerausweis habe er auf der Flucht verloren. Er habe in den Jahren 2013, 2014 oder 2015 sein Heimatland verlassen und sei nach Deutschland gekommen. Er habe die Schule bis zur 8. Klasse besucht und ohne Abschluss verlassen. Ihm persönlich sei in Eritrea nichts passiert. Aber sein Vater sei 30 Jahre lang Soldat gewesen. Auch sein Bruder sei beim Militär gewesen. Dieser sei ins Gefängnis gekommen, weil er ohne Erlaubnis zu Hause gewesen sei. Er habe viele Bekannte und Freunde, die im Nationaldienst dienen müssten. Er wolle nicht zum Militär, deswegen habe er Eritrea verlassen. Er befürchte wegen seiner illegalen Ausreise eine Haftstrafe und die Einziehung zum Militärdienst.

Mit Bescheid vom 6. Mai 2016 erkannte das Bundesamt dem Kläger subsidiären Schutz zu (Ziffer 1) und lehnte den Asylantrag um Übrigen ab (Ziffer 2). Zur Begründung wird ausgeführt, dass aufgrund des ermittelten Sachverhalts davon auszugehen sei, dass dem Kläger in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG drohe. Der Kläger sei aber kein Flüchtling im Sinne von § 3 AsylG. Eine nähere Begründung in Bezug auf das persönliche Vorbringen des Klägers erfolgte nicht. Der Bescheid wurde am 25. Mai 2016 mittels Postzustellungsurkunde zugestellt. In einem Aktenvermerk wurde festgehalten, es sei davon auszugehen, dass dem Kläger wegen seiner illegalen Ausreise in seinem Heimatland eine Haftstrafe drohe. Da nach den Erkenntnissen die Haftbedingungen in Eritrea unmenschlich seien, lägen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG vor.

Am 8. Juni 2016 erhob der Kläger Klage und beantragt zuletzt,

den Bescheid der Beklagten vom 6. Mai 2016 hinsichtlich Ziffer 2 aufzuheben und die Beklagten zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Der Bescheid enthalte lediglich allgemeine Ausführungen hinsichtlich der Ablehnung der Flüchtlingseigenschaft, nicht jedoch konkrete Angaben, weshalb dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt werden könne. Der Kläger habe sich dem Wehrdienst entzogen. Unter Hinweis auf ein die Flüchtlingseigenschaft gewährendes Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 13. November 2014 wird geltend gemacht, dass aus der Verwirklichung eines Straftatbestandes auf eine Regimegegnerschaft geschlossen werde. Die strafrechtliche Sanktion würde nicht nur der Ahndung kriminellen Unrechts, sondern der Bekämpfung von politischen Gegnern dienen.

Dem Kläger wurde mit Beschluss vom 27. Juni 2016 Prozesskostenhilfe gewährt und die Streitsache der Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.

Die Beklagte übersandte am 20. Juni 2016 die Behördenakte, stellte jedoch keinen Antrag.

Mit Schreiben vom 29. Juli 2016 erklärte sich der Kläger mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden. Die Beklagte hat mit allgemeiner Prozesserklärung vom 25. Februar 2016 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte.

Gründe

1. Über die Klage konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, weil die Parteien mit Schreiben vom 29. Juli 2016 bzw. mit Generalerklärung vom 25. Februar 2016 hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).

2. Die zulässige, insbesondere fristrecht erhobene Klage (vgl. § 74 Abs. 1 Hs. 2 AsylG), ist unbegründet.

a) Gegenstand der Klage ist ausschließlich die Frage, ob die illegale Ausreise aus Eritrea und die Entziehung vor der Ableistung des Wehr- oder Nationaldienstes eine politische Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG darstellt. Dem Kläger wurde mit Bescheid vom 6. Mai 2016 nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG subsidiärer Schutz gewährt. Die Klage richtet sich ausschließlich gegen die Ablehnung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne von § 3 Abs. 1 Asyl. Der Bescheid der Beklagten ist jedoch rechtmäßig, soweit dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 AsylG nicht zuerkannt wurde (§ 113 Abs. 1 VwGO).

b) Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ein Ausländer ist - unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Vorgaben - Flüchtling, wenn seine Furcht begründet ist, dass er in seinem Herkunftsland wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung Verfolgungshandlungen im Sinne von § 3 a AsylG ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 - juris). Von einer Verfolgung kann nur dann ausgegangen werden, wenn dem Einzelnen in Anknüpfung an die genannten Merkmale gezielt Rechtsverletzungen zugefügt werden, die wegen ihrer Intensität den Betroffenen dazu zwingen, in begründeter Furcht vor einer ausweglosen Lage sein Heimatland zu verlassen und im Ausland Schutz zu suchen. An einer gezielten Rechtsverletzung fehlt es aber regelmäßig bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Herkunftsland zu erleiden hat, etwa infolge von Naturkatastrophen, Arbeitslosigkeit, einer schlechten wirtschaftlichen Lage oder infolge allgemeiner Auswirkungen von Unruhen, Revolution und Kriegen (vgl. OVG NRW, U.v. 28.3.2014 - 13 A 1305/13.A - juris). Auch eine kriminelle Verfolgung muss an ein in § 3 AsylG genanntes Merkmal anknüpfen, um als politische Verfolgung gelten zu können. Eine Verfolgung i. S. des § 3 AsylG kann nach § 3c Nr. 3 AsylG auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern der Staat oder ihn beherrschende Parteien oder Organisationen einschließlich internationale Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten.

Dabei ist nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 (ABl EU Nr. L 337 S. 9 ff; im Folgenden: RL 2011/95/EU) die Tatsache, dass der Ausländer bereits verfolgt oder von Verfolgung unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, wenn nicht stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass er neuerlich von derartiger Verfolgung bedroht ist. Hat der Asylbewerber seinen Heimatstaat jedoch unverfolgt verlassen, so kann sein Asylantrag nur Erfolg haben, wenn ihm aufgrund von Nachfluchttatbeständen politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Droht diese Gefahr nur in einem Teil seines Heimatstaates, so kann der Betroffene auf Gebiete verwiesen werden, in denen er vor politischer Verfolgung hinreichend sicher ist, es sei denn, es drohen dort andere nach den oben dargelegten Grundsätzen unzumutbare Nachteile und Gefahren (BVerfG, B.v. 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 - BVerfGE 80, S. 345 f.).

c) Gemessen an diesen Maßstäben droht dem Kläger bei einer Rückkehr nach Eritrea keine Verfolgung im Sinne von § 3 AsylG.

aa) Der Kläger trägt vor, Eritrea verlassen zu haben, weil er nicht bereit sei, den (zeitlich unbeschränkten) Nationaldienst abzuleisten. Er könne seinen Beruf nicht frei wählen und ausüben und sehe in Eritrea keine Perspektive. Bevor er zum Nationaldienst einberufen werde, sei er geflohen. Diese Fluchtgründe sind jedoch nicht geeignet, eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG zu begründen.

bb) Maßstab für die flüchtlingsschutzrechtliche Beurteilung der vom Kläger geltend gemachten Fluchtgründe ist, ob mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von einer Verfolgungsgefahr für den Kläger in seinem Herkunftsland (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 AsylG) Eritrea in Anknüpfung an die geschützten Persönlichkeitsmerkmale Rasse, Religion, Nationalität, politische Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) auszugehen ist.

(1) Die Einberufung in den Nationalen Dienst (Militärdienst einschließlich nationaler Dienstverpflichtung) durch den eritreischen Staat stellt keinen im Rahmen der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG beachtlichen Verfolgungsgrund dar.

Die Verpflichtung zum Nationaldienst als solchen stellt deshalb keine flüchtlingsschutzrechtlich relevante Verfolgung dar, weil die Heranziehung zum Militärdienst ausweislich der Regelung in § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG flüchtlingsschutzrechtlich schon grundsätzlich nicht dem Schutzversprechen unterfällt. Denn nach dieser Vorschrift stellt die Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes nur dann eine relevante Verfolgungshandlung dar, wenn der Militärdienst im Rahmen eines Konflikts zu leisten ist und der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen (Kriegsverbrechen, schwere nichtpolitische Straftaten, Zuwiderhandlungen gegen die Grundsätze der Vereinten Nationen).

Diese Voraussetzungen liegen jedoch hier nicht vor. Eine in Eritrea drohende Bestrafung wegen Wehrpflicht-/Kriegsdienstverweigerung durch eine illegale Ausreise ergeht nicht in Zusammenhang mit einem Konflikt i. S. v. § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG. Denn Eritrea befindet sich derzeit in keinem Konflikt im Sinne dieser Norm - sei es mit anderen Staaten (internationaler Konflikt), sei es mit aufständischen innerstaatlichen Gruppen (innerstaatlicher Konflikt). Kriegerische Auseinandersetzungen mit den Nachbarstaaten Äthiopien, Dschibuti und Sudan bestehen nach der vorliegenden Erkenntnislage zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht. Im Übrigen trifft der eritreische Nationaldienst alle Staatsangehörigen ohne Ansehen der Persönlichkeitsmerkmale des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG gleichermaßen.

(2) Der Kläger macht weiterhin geltend, er könne seinen Beruf nicht frei wählen und ausüben. Er sehe in Eritrea keine Perspektive. Auch diese Fluchtgründe stehen in keinem Zusammenhang mit den in § 3 Abs. 1 AsylG genannten Verfolgungsgründen, die eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951 rechtfertigen könnten. Denn die vom Kläger zum Anlass der Flucht genommene Perspektivlosigkeit knüpft nicht an die in § 3 Abs. 1 AsylG geschützten Persönlichkeitsmerkmale Rasse, Religion, Nationalität, politische Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe an.

(3) Soweit der Kläger geltend macht, er werde im Falle einer Wiedereinreise nach Eritrea wegen seiner illegalen Ausreise und der Flucht vor dem Nationaldienst ohne Aussicht auf ein rechtsstaatliches Verfahren verhaftet, so begründet dieses, wie das Bundesamt zu Recht festgestellt hat, einen Anspruch auf subsidiären Schutz im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, nicht jedoch die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG.

Für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist es nach § 3 b Abs. 2 AsylG zwar unerheblich, ob die Furcht des Betroffenen vor Verfolgung begründet ist, weil er tatsächlich die Merkmale besitzt, die zur Verfolgung führen, sofern der Verfolger dem Betroffenen diese Merkmale tatsächlich zuschreibt. Allein die Tatsache, dass der Kläger illegal ausgereist ist, um sich dem Nationaldienst zu entziehen, führt nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln jedoch nicht dazu, dass ihm vom eritreischen Staat eine politische Gegnerschaft zugeschrieben wird, die zum Anlass von Verfolgungsmaßnahmen genommen wird. In Eritrea gibt es kein Recht, den Wehr- oder Nationaldienst zu verweigern. Wer sich diesen Diensten entzieht, wird mit Umerziehungslageraufenthalten oder mit Gefängnis bestraft. So werden Personen, die versuchen, dem Wehr- und Nationaldienst zu entgehen, bei dem (illegalen) Ausreiseversuch verhaftet. Die Anzahl der Wehrdienstverweigerer und der Fahnenflüchtigen ist steigend (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea vom 14. Dezember 2015 (Stand: August 2015), S. 12). Sofern Personen bei der Entziehung vom Wehrdienst behilflich waren, droht auch ihnen Strafverfolgung (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea vom 14. Dezember 2015 (Stand: August 2015), S. 11). Diese Maßnahmen begründen in Zusammenhang mit den in Eritrea unmenschlichen Haftbedingungen zwar einen Anspruch auf subsidiären Schutz im Sinne vom § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Ein generelles Anknüpfen an einen nach § 3 b AsylG relevanten Verfolgungsgrund kann darin jedoch nicht gesehen werden. Denn insoweit handelt es sich um eine Strafverfolgung nach den allgemein in Eritrea geltenden Strafvorschriften, die jeden Eritreer gleichermaßen trifft. Die Strafvorschriften knüpfen nicht an eine bestimmte politische Haltung oder bestimmte Persönlichkeitsmerkmale an, sondern an den Umstand, dass sich die Betroffenen dem Wehr- oder Nationaldienst entzogen haben. Hinweise darauf, dass allein aus dem Umstand der illegalen Ausreise auf eine politische Gegnerschaft geschlossen wird, die zu einer im Vergleich zu den ohnehin geltenden Strafvorschriften verschärften strafrechtlichen Ahndung führen, sieht das Gericht aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel nicht. Misshandlungen, Folter und Willkür treffen weite Kreise der Bevölkerung. Rechtsstaatliche Verhältnisse und eine militärische oder zivile Rechtsordnung sind nicht vorhanden. Verhaftungen ohne Haftbefehl und ohne Angabe von Gründen sind üblich (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea vom 14. Dezember 2015 (Stand: August 2015), S. 11).

Nach Auffassung des Gerichts besitzt daher die strafrechtliche Ahndung des Wehrdienstentzugs ohne Hinzutreten weiterer Umstände keinen politischen Sanktionscharakter. Gemäß der Proklamation 82/1995 muss ein Deserteur eine Strafe von 3.000 Birr bezahlen und/oder eine zweijährige Haftstrafe verbüßen. Falls er nach der Desertion das Land verlässt, beträgt die Haftstrafe fünf Jahre. Deserteure verlieren außerdem das Recht auf Arbeit und Landbesitz (EASO-Bericht über Herkunftsländer-Informationen, Länderfokus Eritrea, Mai 2015, S. 42). Aufgrund des politischen bzw. ideologischen Charakters des Nationaldiensts wurde die Desertion oder Wehrdienstverweigerung einigen Quellen zufolge von den Behörden als Ausdruck politischer Opposition bzw. Verrat an der Nation aufgefasst, doch beziehen sich diese Quellen auf Ereignisse, die aus den Jahren 2008 und 2009 stammen. Die Erkenntnisse zur Behandlung rückgeführter Eritreer beruhen in erster Linie auf Erfahrungen mit Rückführungen von abgewiesenen Asylsuchenden, die zwischen 2002 und 2008 zurückgeführt worden waren. Seither gibt es keine neueren empirischen Erkenntnisse. Dem oben genannten EASO-Bericht ist zu entnehmen, dass die meisten Quellen darin übereinstimmen, dass Bestrafungen außergerichtlich und nicht gemäß den oben aufgeführten Gesetzesartikeln und damit willkürlich erfolgen. Einige von Dänemark und Norwegen im Rahmen von Fact Finding Missions Ende 2014 und Anfang 2015 in Eritrea kontaktierte Gesprächspartner seien aber der Ansicht, dass Deserteure und Wehrdienstverweigerer mittlerweile nur noch für einige Wochen oder Monate inhaftiert und danach wieder in den Nationaldienst überführt würden. Mehrere 2013 und 2014 von Norwegen, den Niederlanden und Dänemark konsultierten Eritrea-Experten hielten aber Befragungen, Bestrafungen und Misshandlungen im Fall einer Rückkehr weiterhin für möglich. Die eritreische Führung habe mittlerweile gegenüber ausländischen Delegationen mehrfach verlauten lassen, dass Rückkehrer nicht bestraft würden, sofern sie keine Straftaten begangen hätten (EASO-Bericht über Herkunftsländer-Informationen, Länderfokus Eritrea, Mai 2015, S. 41). Unter Auswertung der Erkenntnismittel kommt das Gericht daher zur Überzeugung, dass bei illegaler Ausreise und Flucht vor dem National- bzw. Wehrdienst die im Falle einer Rückkehr drohende Bestrafung, Befragung und Misshandlung die Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG erfordert, hierin jedoch nicht generell eine politische Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG zu sehen ist. Soweit einzelne Gerichte dennoch die Voraussetzungen für die Gewährung der Flüchtlingseigenschaft für gegeben sahen, bezogen sie sich auf Erkenntnismittel aus den Jahren 2009/2010 (VG Frankfurt, U.v. 12.8.2013 - 8 K 2202/13.F.A. - juris Rn. 15f; VG Minden, U.v. 13.11.2014 - 10 K 2815/13.A - juris Rn. 50). Die aktuellen Erkenntnisse aus den Jahren 2015 und 2016 (EASO-Bericht über Herkunftsländer-Informationen, Länderfokus Eritrea, Mai 2015; U.S. Department of State vom 13.4.2016, Human Rights Report: Eritrea 2015, Bureau of Democracy, Human Rights and Labor; Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 21.1.2015, Eritrea: Rekrutierung von Minderjährigen - alle genannten Quellen im Internet abrufbar; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea vom 14. Dezember 2015 (Stand: August 2015)) bestätigen der eritreischen Regierung schwere Menschenrechtsverletzungen, lassen aber nicht den Schluss auf eine grundsätzlich politisch motivierte Verfolgung im Falle der illegalen Ausreise und der Verweigerung des National- oder Wehrdienstes zu. Dass die Praxis der Bestrafung wegen illegaler Ausreise und Wehrdienstentzug aufgrund der in Eritrea herrschenden Willkürherrschaft ohne unabhängiges Justizwesen, mit willkürlichen Inhaftierungen, körperlichen Misshandlungen, Folter und Inhaftierung unter menschenunwürdigen Bedingungen massiv elementare Rechtsgrundsätze und Menschenrechte verletzt, steht außer Zweifel. Dieser Umstand führte auch zur Gewährung subsidiären Schutzes im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG.

3. Weil dem Kläger in seinem Herkunftsland (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 AsylG) Eritrea somit keine Verfolgung in Anknüpfung an die geschützten Persönlichkeitsmerkmale Rasse, Religion, Nationalität, politische Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) droht, ist die Klage auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist mit der Kostenfolge des § 154 VwGO abzuweisen.

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht die Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Der - nach eigenen Angaben - am ... geborene Kläger mit eritreischer Staatsangehörigkeit reiste - wieder nach eigenen Angaben - am 29. September 2014 (Bl. 21 der Behördenakte - BA) ins Bundesgebiet ein und beantragte am 21. Oktober 2014 Asyl (Bl.3 BA).

Der Kläger trug zur Begründung bei der Anhörung des Bundesamtes im Wesentlichen vor: Er habe nicht in Eritrea, sondern 26 Jahre lang in Äthiopien gelebt. Sein Vater sei Eritreer. Er habe Äthiopien im Juni 2014 verlassen, er habe dort noch Geschwister. Zu seinen Verfolgungsgründen trug er im Wesentlichen vor, sein Vater sei vor 20 Jahren nach Eritrea abgeschoben worden. Es seien immer wieder Leute ins Haus gekommen und „hätten Papiere gewollt, die der Vater gehabt habe“. Die Familie des Klägers habe ein kleines Geschäft gehabt. Die Mutter habe unterschreiben müssen, dass sie „die Fabrik“ freiwillig hergebe. Auch derm Vater sei ein Grundstück weggenommen worden. Dies sei vor 18 Jahren gewesen. Vor 19 Jahren sei der Kläger von den „Kriminellen“ gefragt worden, „welche Personen mit dem Vater in dem Verein waren“. Vor zwei Jahren sei der Kläger von der äthiopischen Regierung aufgefordert worden, seine Familie, Freunde und Bekannte auszuspionieren. Das habe er nicht machen wollen. Dann seien „staatliche Personen“ zu ihm gekommen, hätten ihn telefonisch belästigt, ihn geschlagen und „auf die Strasse gezogen“. Er sei einen Tag im Gefängnis gewesen. Bei Rückkehr nach Eritrea befürchte er, Militärdienst leisten zu müssen. Bei Rückkehr nach Äthiopien fürchte er Gefängnis und Folter.

Mit Bescheid vom 3. März 2016 erkannte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zu (Nr. 1) erkannte den subsidiären Schutzstatus nicht zu (Nr. 2) und stellte fest, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen (Nr. 3). Die Abschiebung nach Eritrea wurde angedroht (Nr. 4), das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot wurde auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung befristet (Nr. 5; Bl. 80 ff. BA).

Der Bescheid wurde dem Kläger mit Schreiben vom 6. April 2016 zugesandt (Bl. 93 BA).

Am ... April 2016 hat die Prozessbevollmächtigte des Klägers beim Bayerischen Verwaltungsgericht München Klage erhoben mit dem Antrag,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides des vom 3. März 2016, zugestellt am 8. April 2016, zu verpflichten, festzustellen, dass dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird, hilfsweise festzustellen, dass der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt wird, weiterhin hilfsweise festzustellen, dass Abschiebungsverbote gem. § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorliegen.

Die Klage wurde im Wesentlichen wie folgt begründet: Der Kläger müsste bei Rückkehr nach Eritrea Wehrdienst leisten. Er würde zum Militärdienst einberufen werden und könnte sich dem nicht straflos entziehen. Dass er bislang nicht einberufen worden sei, liege daran, dass er im Ausland gewesen sei. Durch seine Flucht und die Weigerung, nach Eritrea zurückzukehren, habe er zum Ausdruck gebracht, dass er seinen Wehrdienst nicht erbringen wolle. Die Ablehnung der Ableistung des nationalen Dienstes werde seitens der eritreischen Behörden nicht nur als Wehrdienstdelikt, sondern auch als Ablehnung der staatlichen Ordnung Eritreas und damit als Ausdruck politischer Opposition angesehen (VG Frankfurt/Main, U.v. 12. 8. 2013 - 8 K 2202/13 sowie vom 14. 2. 2011 - 8 K 4878/10; VG Wiesbaden, U.v. 13. 8. 2008 - 5 K 450/08). Die kritische Haltung des Klägers gegenüber dem eritreischen Regime werde noch deutlicher sichtbar durch die Stellung eines Asylantrags. Dass der Kläger in einem anderen Land Schutz sucht, werde vom eritreischen Regime als oppositionelle Handlung bewertet werden. Personen, die sich dem Wehrdienst entziehen, würden bestraft. Die Dauer der Inhaftierung liege im Ermessen des befehlhabenden Offiziers. Die Haftbedingungen seien unmenschlich hart. Auf den Schriftsatz vom 3. Mai 2016 wird verwiesen.

Die Beklagte beantragt mit Schreiben vom 28. April 2016,

die Klage abzuweisen.

Mit Beschluss vom 12. Mai 2016 wurde der Rechtsstreit zur Entscheidung auf den Einzelrichter übertragen.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der vorgelegten Behördenakte verwiesen.

Gründe

Verfahrensgegenstand ist die Frage, ob der Bescheid des Bundesamtes vom 3. März 2016 rechtswidrig und deshalb aufzuheben ist und ob der Kläger einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft, hilfsweise des subsidiären Schutzstatus, weiterhin hilfsweise auf Feststellung von Abschiebungsverboten gem. gem. § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG und auf Verkürzung der Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots hat.

Über den Rechtsstreit konnte aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 31. Mai 2016 entschieden werden, obwohl außer des Klägers und seiner Prozessbevollmächtigten keiner der Beteiligten erschienen ist. Denn in der Ladung zur mündlichen Verhandlung wurde darauf hingewiesen, dass auch im Fall des Nichterscheinens der Beteiligten verhandelt und entschieden werden könne (§ 102 Abs. 2 VwGO). Die Klagepartei und die Beklagte sind form- und fristgerecht geladen worden.

Der Kläger hat weder einen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 AsylG noch liegen bei ihm Gründe für die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 AsylG oder nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 AufenthG vor.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 AsylG.

Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ein Ausländer ist nach § 3 Abs. 1 AsylG Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl, 1953 II S.559, 560-Genfer Flüchtlingskonvention), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb seines Herkunftslandes befindet. Eine Verfolgung kann dabei gem. § 3c AsylG ausgehen von einem Staat, Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebietes beherrschen oder von nichtstaatlichen Akteuren, sofern die zuvor genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, im Sinne des § 3d AsylG Schutz vor der Verfolgung zu bieten, und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht. Weiter darf für den Ausländer keine innerstaatliche Fluchtalternative bestehen, § 3e AsylG.

Maßgeblich ist, ob der Asylsuchende bei Rückkehr in sein Heimatland der Gefahr politischer Verfolgung ausgesetzt wäre, wobei auf den Sachstand im Zeitpunkt der letzten gerichtlichen Tatsachenentscheidung abzustellen ist, § 77 Abs. 1 AsylG. Hat der Ausländer sein Heimatland bzw. den Staat des gewöhnlichen Aufenthalts auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung verlassen, besteht Anspruch auf Verfolgungsschutz bereits dann, wenn er bei Rückkehr vor erneuter Verfolgung nicht hinreichend sicher sein kann (herabgestufter Prognosemaßstab). Ist der Ausländer hingegen unverfolgt ausgereist, hat er einen Anspruch auf Schutz nur, wenn ihm aufgrund asylrechtlich beachtlicher Nachfluchttatbestände mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit politische Verfolgung droht (gewöhnlicher Prognosemaßstab).

Das Gericht muss - für einen Erfolg des Antrags - die volle Überzeugung von der Wahrheit des vom Asylsuchenden behaupteten individuellen Schicksals und hinsichtlich der zu treffenden Prognose, dass dieses die Gefahr politischer Verfolgung begründet, erlangen. Angesichts des sachtypischen Beweisnotstandes, in dem sich Asylsuchende insbesondere hinsichtlich asylbegründender Vorgänge im Verfolgerland befinden, kommt dabei dem persönlichen Vorbringen des Asylsuchenden und dessen Würdigung für die Überzeugungsbildung eine gesteigerte Bedeutung zu (BVerwG, Urt. vom 16.04.1985, Buchholz 402.25 § 1 AsylG Nr. 32). Demgemäß setzt ein Asylanspruch bzw. die Feststellung der Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 AsylG voraus, dass der Asylsuchende den Sachverhalt, der seine Verfolgungsfurcht begründen soll, schlüssig darlegt. Dabei obliegt es ihm, unter genauer Angabe von Einzelheiten und gegebenenfalls unter Ausräumung von Widersprüchen und Unstimmigkeiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, der geeignet ist, das Asylbegehren lückenlos zu tragen (BVerwG, Urt. vom 08.05.1984, Buchholz § 108 VwGO Nr. 147).

An der Glaubhaftmachung von Verfolgungsgründen fehlt es in der Regel, wenn der Asylsuchende im Laufe des Verfahrens unterschiedliche Angaben macht und sein Vorbringen nicht auflösbare Widersprüche enthält, wenn seine Darstellung nach der Lebenserfahrung oder aufgrund der Kenntnis entsprechender vergleichbarer Geschehensabläufe unglaubhaft erscheint, sowie auch dann, wenn er sein Asylvorbringen im Laufe des Asylverfahrens steigert, insbesondere wenn er Tatsachen, die er für sein Asylbegehren als maßgeblich bezeichnet, ohne vernünftige Erklärung erst sehr spät in das Verfahren einführt (vgl. BVerfG, Beschluss vom 29.11.1990, InfAuslR 1991, 94, 95; BVerwG, Urteil vom 30.10.1990, Buchholz 402.25 § 1 AsylG Nr. 135; Beschluss vom 21.07.1989, Buchholz a. a. O., Nr. 113).

In Anwendung dieser Grundsätze ist dem Kläger keine Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 AsylG zuzuerkennen. Es lässt sich nicht feststellen, dass der Kläger vor seiner Ausreise aus Äthiopien oder im Falle einer Rückkehr nach Eritrea landesweit von religiöser oder politischer Verfolgung betroffen war bzw. bedroht sein würde.

Das Vorbringen des Klägers betreffend seinen Vater, der vor 20 Jahren nach Eritrea abgeschoben worden sein soll und anschließend Leute ins Haus gekommen sein sollen, die „Papiere des Vaters gewollt hätten“, ist schon deshalb irrelevant, weil der Kläger nicht nach Äthiopien abgeschoben werden soll, sondern nach Eritrea. Im Übrigen waren diese Ereignisse nicht kausal für die 20 Jahre spätere Ausreise des Klägers und Sippenhaft ist auch nicht das Instrument staatlichen Handelns in Äthiopien (BayVGH, B.v. 17.12.2004 - 9 ZB 04.30483 - juris).

Das Vorbringen des Klägers, er hätte in Äthiopien als Spitzel angeheuert werden sollen, weshalb er ausgereist sei, ist schon deshalb irrelevant, weil der Kläger nicht nach Äthiopien, sondern nach Eritrea ausreisen soll. Im Übrigen ist der Vortrag auch unglaubwürdig. In der mündlichen Verhandlung konnte der Kläger nicht vortragen, welche Informationen er für wen hätte ausspionieren sollen. Angeblich habe er von vornherein gesagt, „er mache das nicht“. Beim Bundesamt hat der Kläger vorgetragen, es seien „staatliche Personen zu ihm gekommen, die ihn telefonisch belästigt hätten, ihn geschlagen und auf die Strasse gezogen hätten“. Auch hier hat er nicht vorgetragen, welche konkreten Informationen er hätte ausforschen sollen. Schon deshalb ist das Vorbringen unsubstantiiert und damit unglaubwürdig. Der Kläger hat auch nicht ansatzweise darlegen können, an welchen Informationen, die der Kläger hätte beschaffen können, die äthiopische Regierung Interesse gehabt hat.

Auch das Vorbringen betreffend den Wehrdienst des Klägers führt nicht dazu, dass die Beklagte zu verpflichten wäre, dem Kläger Flüchtlingseigenschaft gem. § 3 AsylG zuzuerkennen. Dem Kläger droht in Eritrea, dem Land seiner behaupteten Staatsangehörigkeit (Herkunftsland) nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit landesweit eine Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG. Dabei kann dahingestellt bleiben, ob der Kläger seine eritreische Staatsangehörigkeit glaubhaft gemacht hat. Nur unter dieser Voraussetzung kann er den Flüchtlingsstatus in Bezug auf eine ihm in Eritrea drohende flüchtlingsschutzrechtlich relevante Verfolgungsgefahr beanspruchen.

Dabei ist unter Zugrundelegung des eigenen Vorbringens des Klägers davon auszugehen, dass er nicht vorverfolgt aus Eritrea ausgereist ist, da er in Awasa in Äthiopien geboren ist (Bl. 21 BA). Hinsichtlich der jetzt anzunehmenden Verfolgungsgefahr ist nicht etwa danach zu fragen, ob stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass der Kläger erneut von einer Verfolgung oder einem ernsthaften Schaden bedroht wird (Art. 4 Abs. 4 Richtlinie 2011/95/EU (Qualifikationsrichtlinie)). Denn der Kläger hat nichts dazu vorgebracht und es erschließt sich auch nicht sonst, dass er bis heute in Eritrea jemals relevante Verfolgungshandlungen erlitten oder unmittelbar zu gewärtigen gehabt hätte. Maßstab für die flüchtlingsschutzrechtliche Beurteilung der vom Kläger geltend gemachten Verfolgungsgefahr ist daher, ob mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von einer Verfolgungsgefahr für den Kläger in dem von ihm behaupteten Herkunftsland (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 AsylG) Eritrea in Anknüpfung an die geschützten Persönlichkeitsmerkmale (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) auszugehen ist.

Eine solche Verfolgungsgefahr in Eritrea vermag das Gericht wegen des Nationalen Dienstes (Militärdienst einschließlich nationaler Dienstverpflichtung) nicht zu erkennen. In diesem Zusammenhang stellt die bloße Heranziehung zum Nationaldienst als solchen deshalb keine flüchtlingsschutzrechtlich relevante Verfolgung dar, weil die Heranziehung zum Militärdienst ausweislich der Regelung in § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG flüchtlingsschutzrechtlich schon grundsätzlich nicht dem Schutzversprechen unterfällt. Denn diese Vorschrift definiert Verfolgungshandlungen im Zusammenhang mit einer Verweigerung des Militärdienstes nur in einem Konflikt als relevante Verfolgungshandlungen, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen (Kriegsverbrechen; schwere nichtpolitische Straftaten, Zuwiderhandlungen gegen die Grundsätze der Vereinten Nationen). Im Übrigen trifft der eritreische Nationaldienst alle Staatsangehörigen ohne Ansehen der Persönlichkeitsmerkmale des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG gleichermaßen.

Der Zuerkennung des Flüchtlingsstatus´ steht im vorliegenden Fall weiter entgegen, dass keine substantiellen Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass die eritreische Regierung auch Personen verfolgt, die sich - wie der Kläger - dem Nationalen Dienst lediglich dadurch (bisher) entzogen haben, dass sie sich im wehrpflichtigen Alter (ab dem 18. Lebensjahr) nicht in Eritrea befunden haben. Vielmehr ist davon auszugehen, dass solche Personen im Falle einer Einreise nach Eritrea mit einer Einberufung zum Nationalen Dienst zu rechnen haben, also anders als Deserteure, Fahnenflüchtlinge oder Wehrdienstverweigerer nicht mit Inhaftierung, Folter, unmenschlicher Behandlung und/oder sonstigen Repressalien seitens des eritreischen Staates rechnen müssen. Selbst eine ggf. drohende Strafverfolgung wegen Wehrpflicht-/Kriegsdienstverweigerung durch eine illegale Ausreise wäre gem. § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG nur dann flüchtlingsschutzrechtlich relevant, wenn sie entweder zielgerichtet gegenüber bestimmten Personen eingesetzt würde, die durch die Maßnahmen in einem der in § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG genannten flüchtlingsschutzrechtlich relevanten Persönlichkeitsmerkmale getroffen werden sollen, oder wenn sie wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt erginge, in welchem der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen (Treiber in GK-AufenthG, Band 3, § 60 AufenthG Rn. 167 ff., Stand April 2011 m. w. N. aus der Rspr.). § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG bezieht sich - in Umsetzung von Art. 9 Abs. 2 lit. e der Qualifikationsrichtlinie - also auf einen „Konflikt“. Eine Kriegsdienstverweigerung, die - aus welchen Gründen auch immer - außerhalb eines solchen Konfliktes stattfindet, kann demnach nicht in den Anwendungsbereich der Vorschrift fallen (EuGH, U.v. 26. 2. 2015 - Rs. C-472/13 zur unionsrechtlichen Vorgängernorm des Art. 9 Abs. 2 lit. e Richtlinie 2004/83/EG - juris).

Hiernach würde selbst eine in Eritrea ggf. drohende Bestrafung wegen Umgehung der Wehrpflicht durch eine illegale Ausreise, die ggf. mit inhumanen Umständen der Strafvollstreckung verbunden sein könnte, keine flüchtlingsschutzrechtlich relevante Verfolgung darstellen. Dies gilt auf der Ebene des Flüchtlingsschutzes erst recht für den vorliegenden Fall einer Umgehung der Wehrpflicht durch bloßen „Nicht-Aufenthalt“ in Eritrea im wehrpflichtigen Alter (VG Münster, U.v. 22.7.2015 - 9 K 3488/13.A - juris).

Eine in Eritrea drohende Strafverfolgung wegen Wehrpflicht-/Kriegsdienstverweigerung durch eine illegale Ausreise ist vorliegend schon deshalb nicht beachtlich wahrscheinlich, weil der Kläger in Äthiopien geboren wurde und nicht aus Eritrea ausgereist ist. Die Flucht des Klägers aus Äthiopien und seine Weigerung, nach Eritrea zurückzukehren, löst ebenso wenig eine Zuerkennung des Flüchtlingsstatus aus. Denn dieses Verhalten steht nicht im Zusammenhang mit einem Konflikt im Sinne von § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG. Eritrea befindet sich derzeit (§ 77 Abs. 1 Satz 1 1. Halbsatz AsylG) in keinem Konflikt im Sinne der Vorschrift - sei es mit anderen Staaten (internationaler Konflikt), sei es mit aufständischen innerstaatlichen Gruppen (innerstaatlicher Konflikt). Kriegerische Auseinandersetzungen mit den Nachbarstaaten Äthiopien, Dschibuti und Sudan finden zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht statt.

Die bloße Asylantragsstellung in Deutschland begründet ebenfalls nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgungsgefahr für den Kläger in Eritrea (Auswärtiges Amt, Lagebericht Eritrea, 14. Dezember 2015, S. 17). Die gegenteilige Mutmaßung der Prozessbevollmächtigten ist irrelevant.

Dem Kläger kann weiterhin der subsidiäre Schutzstatus gem. § 4 Abs. 1 AsylG nicht zuerkannt werden. Ihm droht in Eritrea, dem Land seiner behaupteten Staatsangehörigkeit, nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit landesweit ein ernsthafter Schaden im Sinne von § 4 Abs. 1 AsylG.

Die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) steht beim Kläger nicht zu befürchten; soweit es um Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung des Klägers geht (§ 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG), so wurde bei der Prüfung der Flüchtlingseigenschaft bereits ausgeführt, dass nach der auf die Erkenntnislage gestützten Überzeugung des Gerichts davon auszugehen ist, dass Personen, die sich dem Nationalen Dienst lediglich dadurch entzogen haben, dass sie im wehrpflichtigen Alter niemals in Eritrea waren, im Falle einer Ausreise nach Eritrea nur mit einer Einberufung zum Nationalen Dienst, nicht aber mit Inhaftierung, Folter, unmenschlicher Behandlung und/oder Repressalien seitens des eritreischen Staates rechnen müssen. Es kann auch nicht verkannt werden, dass es außer den in verschiedenen Auskünften geschilderten, nicht aber an konkreten nachvollziehbaren Fällen festgemachten Übergriffen im Zusammenhang mit dem Nationaldienst vorkommt, dass Wehrpflichtige nach Ableistung des 18-monatigen Militärdienstes nicht nur aus dem Militär, sondern auch aus dem „national service“ entlassen werden (Auswärtiges Amt, Lagebericht, a. a. O., S. 11). In den Nationaldienst werden vor allem Personen mit speziellen Fähigkeiten, höherer Ausbildung oder Privilegien eingeteilt und die eritreische Regierung hat angekündigt, ab Herbst 2014 keine Dienstpflichtigen mehr in den zivilen Nationaldienst eintreten zu lassen (VG Potsdam, U.v. 17.2.2016 - 6 K 1995/15.A unter Berufung auf den EASO-Bericht vom Mai 2015, 3.6). Schließlich gibt es in Eritrea derzeit keinen internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikt (§ 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG).

Ein Abschiebungsverbot gem. § 60 Abs. 5 AufenthG liegt nicht vor.

Der Kläger kann keinen Abschiebungsschutz gem. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wegen der harten Existenzbedingungen in Eritrea beanspruchen. Dies wäre nur dann der Fall, wenn er bei seiner Rückkehr einer extremen Gefahrenlage dergestalt ausgesetzt wäre, dass er im Falle der Abschiebung dorthin gleichsam „sehenden Auges“ dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert sein würde (vgl. BVerwG vom 12.7.2001,InfAuslR 2002,52/55). Davon ist jedoch nicht auszugehen. Die Grundversorgung der Bevölkerung mit Nahrungsmitteln ist in Eritrea nicht in allen Landesteilen und zu jeder Zeit gesichert. Die Existenzbedingungen in Eritrea, einem der ärmsten Länder der Welt, sind für große Teile insbesondere der Landbevölkerung äußerst hart und, bei Ernteausfällen, potentiell lebensbedrohend. Die Regierung ist bemüht, die Versorgung mit Nahrungsmitteln durch Rationalisierung sicherzustellen (Auswärtiges Amt, Lagebericht, a. a. O., Seite 16).

Die Klage hat auch gegen die im angefochtenen Bescheid ausgesprochene Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbotes auf 30 Monate keinen Erfolg. Die Beklagte war nach § 11 Abs. 2 Satz 3 i. V. m. § 75 Nr. 12 AufenthG zur Entscheidung über die Befristung des gesetzlichen Einreise- und Aufenthaltsverbots (§ 11 Abs. 1 AufenthG) berufen. Die Entscheidung, das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot auf 30 Monate ab dem Tag der Abschiebung zu befristen, ist auch ermessensfehlerfrei innerhalb der von § 11 Abs. 3 Satz 2 und 3 AufenthG aufgezeigten gesetzlichen Grenzen getroffen worden. Das Vorliegen besonderer Umstände ist vom Kläger weder vorgetragen noch ersichtlich. Die in der Mitte des von § 11 Abs. 3 Satz 2 AufenthG aufgezeigten Rahmens vorgenommene Befristung auf 30 Monate begegnet keinen Bedenken.

Die nach Maßgabe des § 34 Abs. 1 und des § 36 Abs. 1 AsylVfG erlassene Abschiebungsandrohung ist nicht zu beanstanden. Der Kläger besitzt keine Aufenthaltsgenehmigung und ist auch nicht als Asylberechtigter anerkannt.

Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit ergibt sich aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die

1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder
2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.

(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:

1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,
2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,
3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen,
6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Als Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 gelten Handlungen, die

1.
auf Grund ihrer Art oder Wiederholung so gravierend sind, dass sie eine schwerwiegende Verletzung der grundlegenden Menschenrechte darstellen, insbesondere der Rechte, von denen nach Artikel 15 Absatz 2 der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685, 953) keine Abweichung zulässig ist, oder
2.
in einer Kumulierung unterschiedlicher Maßnahmen, einschließlich einer Verletzung der Menschenrechte, bestehen, die so gravierend ist, dass eine Person davon in ähnlicher wie der in Nummer 1 beschriebenen Weise betroffen ist.

(2) Als Verfolgung im Sinne des Absatzes 1 können unter anderem die folgenden Handlungen gelten:

1.
die Anwendung physischer oder psychischer Gewalt, einschließlich sexueller Gewalt,
2.
gesetzliche, administrative, polizeiliche oder justizielle Maßnahmen, die als solche diskriminierend sind oder in diskriminierender Weise angewandt werden,
3.
unverhältnismäßige oder diskriminierende Strafverfolgung oder Bestrafung,
4.
Verweigerung gerichtlichen Rechtsschutzes mit dem Ergebnis einer unverhältnismäßigen oder diskriminierenden Bestrafung,
5.
Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes in einem Konflikt, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Absatz 2 fallen,
6.
Handlungen, die an die Geschlechtszugehörigkeit anknüpfen oder gegen Kinder gerichtet sind.

(3) Zwischen den in § 3 Absatz 1 Nummer 1 in Verbindung mit den in § 3b genannten Verfolgungsgründen und den in den Absätzen 1 und 2 als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen muss eine Verknüpfung bestehen.

(1) Bei der Prüfung der Verfolgungsgründe nach § 3 Absatz 1 Nummer 1 ist Folgendes zu berücksichtigen:

1.
der Begriff der Rasse umfasst insbesondere die Aspekte Hautfarbe, Herkunft und Zugehörigkeit zu einer bestimmten ethnischen Gruppe;
2.
der Begriff der Religion umfasst insbesondere theistische, nichttheistische und atheistische Glaubensüberzeugungen, die Teilnahme oder Nichtteilnahme an religiösen Riten im privaten oder öffentlichen Bereich, allein oder in Gemeinschaft mit anderen, sonstige religiöse Betätigungen oder Meinungsäußerungen und Verhaltensweisen Einzelner oder einer Gemeinschaft, die sich auf eine religiöse Überzeugung stützen oder nach dieser vorgeschrieben sind;
3.
der Begriff der Nationalität beschränkt sich nicht auf die Staatsangehörigkeit oder das Fehlen einer solchen, sondern bezeichnet insbesondere auch die Zugehörigkeit zu einer Gruppe, die durch ihre kulturelle, ethnische oder sprachliche Identität, gemeinsame geografische oder politische Herkunft oder ihre Verwandtschaft mit der Bevölkerung eines anderen Staates bestimmt wird;
4.
eine Gruppe gilt insbesondere als eine bestimmte soziale Gruppe, wenn
a)
die Mitglieder dieser Gruppe angeborene Merkmale oder einen gemeinsamen Hintergrund, der nicht verändert werden kann, gemein haben oder Merkmale oder eine Glaubensüberzeugung teilen, die so bedeutsam für die Identität oder das Gewissen sind, dass der Betreffende nicht gezwungen werden sollte, auf sie zu verzichten, und
b)
die Gruppe in dem betreffenden Land eine deutlich abgegrenzte Identität hat, da sie von der sie umgebenden Gesellschaft als andersartig betrachtet wird;
als eine bestimmte soziale Gruppe kann auch eine Gruppe gelten, die sich auf das gemeinsame Merkmal der sexuellen Orientierung gründet; Handlungen, die nach deutschem Recht als strafbar gelten, fallen nicht darunter; eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe kann auch vorliegen, wenn sie allein an das Geschlecht oder die geschlechtliche Identität anknüpft;
5.
unter dem Begriff der politischen Überzeugung ist insbesondere zu verstehen, dass der Ausländer in einer Angelegenheit, die die in § 3c genannten potenziellen Verfolger sowie deren Politiken oder Verfahren betrifft, eine Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung vertritt, wobei es unerheblich ist, ob er auf Grund dieser Meinung, Grundhaltung oder Überzeugung tätig geworden ist.

(2) Bei der Bewertung der Frage, ob die Furcht eines Ausländers vor Verfolgung begründet ist, ist es unerheblich, ob er tatsächlich die Merkmale der Rasse oder die religiösen, nationalen, sozialen oder politischen Merkmale aufweist, die zur Verfolgung führen, sofern ihm diese Merkmale von seinem Verfolger zugeschrieben werden.

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Tatbestand

Der nach eigenen Angaben im Jahr ... geborene Kläger ist eritreischer Staatsangehöriger. Er reiste nach eigenen Angaben im Zeitraum März/April 2014 in das Gebiet der Bundesrepublik Deutschland ein und stellte am 28. November 2014 einen auf die Flüchtlingsanerkennung beschränkten Asylantrag.

In seiner Anhörung vor dem Bundesamt für ... am 28. April 2016 erklärte er, er gehöre der Volksgruppe der Tigrinya an und habe keine Dokumente, weil er in Eritrea minderjährig gewesen sei. Er habe im Dezember 2012 sein Heimatland verlassen und sei im März oder April 2014 nach Deutschland eingereist. Er sei von Eritrea aus zunächst nach Äthiopien gegangen, sei danach in den Sudan und nach Libyen weiter gereist. Anschließend habe er sich für ca. drei Wochen in Italien aufgehalten, von wo aus er mit dem Bus über Österreich nach Deutschland gefahren sei. Das Geld für die Reise habe er von verschiedenen Leuten geliehen. Seine Eltern lebten in Eritrea, dort in .... Auch lebten dort noch Halbbrüder und Halbschwestern sowie die gesamte Großfamilie. Er sei bis zur 8. Klasse zur Schule gegangen und habe danach nicht gearbeitet. In Eritrea habe das Militär ihn zum Wehrdienst einziehen wollen. Das Militär sei zu diesem Zweck in die Schule gekommen. Er sei von der Schule aus gewarnt worden, dass das Militär nach ihm suche. Er hätte bereits zuvor versucht, Eritrea illegal zu verlassen und sei dann zwei Tage in Haft gewesen. Nachdem seine Oma dem Militär den Schülerausweis gezeigt habe, sei er frei gekommen. Er befürchte, wegen seiner Weigerung vor dem Nationaldienst und wegen der illegalen Ausreise eine Haftstrafe. Danach werde er unbegrenzt zum Militärdienst müssen.

Der Kläger lebt in der Jugendhilfeeinrichtung ... in .... Als Berufsbetreuerin ist ..., ... bestellt mit Bestallungsurkunde vom 21. Mai 2014, Amtsgericht ....

Mit Bescheid vom 18. Mai 2016, der der Betreuerin des Klägers gegen Postzustellungsurkunde am 21. Mai 2016 zugestellt wurde, wurde dem Kläger der subsidiäre Schutzstatus zuerkannt (Ziffer 1), im Übrigen wurde der Asylantrag abgelehnt (Ziffer 2).

Aufgrund des ermittelten Sachverhalts sei davon auszugehen, dass dem Kläger in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG drohe. Darüber hinaus lägen die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vor. Aus dem Sachvortrag des Klägers sei weder eine flüchtlingsrechtlich relevante Verfolgungshandlung noch ein flüchtlingsrechtlich relevantes Anknüpfungsmerkmal ersichtlich. Der Kläger sei keiner konkreten, individuellen Bedrohungssituation ausgesetzt gewesen. Auch konkrete, individuelle Vorfälle gegen ihn selbst habe es nicht gegeben. Allein die Tatsache, dass ihn das Militär zum Wehrdienst einziehen wolle, reiche nicht aus, um als individuell relevanter Verfolgungstatbestand gewertet zu werden.

Von Feststellungen zu Abschiebungsverboten werde gemäß § 31 Abs. 3 Satz 2 AsylG abgesehen.

Mit Schriftsatz seines Prozessbevollmächtigten, der am 25. Mai 2016 beim Verwaltungsgericht Ansbach einging, ließ der Kläger Klage gegen den Bescheid des Bundesamts erheben. Hinsichtlich der Fluchtgründe und bezüglich der begründeten Furcht vor Verfolgung solle durch Parteieinvernahme des Klägers Beweis erhoben werden.

Der Kläger beantragt,

die Beklagte unter Aufhebung der Ziffer 2 des Bescheides vom 18. Mai 2016 zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Mit Schriftsatz vom 3. Juni 2016 beantragte die Beklagte,

die Klage abzuweisen.

Mit Beschluss vom 16. August 2016 wurde die Verwaltungsstreitsache auf die Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der beigezogenen Prozess- und Behördenakten sowie auf die Niederschrift über die mündliche Verhandlung Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 1 AufenthG, § 113 Abs. 5 Satz 1 VwGO. Der streitgegenständliche Bescheid erweist sich als rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten, § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO.

Gemäß § 3 Abs. 1 AsylG ist ein Ausländer Flüchtling i. S. d. Abkommens über die Rechtstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich aus begründeter Furcht vor Verfolgung, wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischer Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will, oder in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

Ergänzend hierzu bestimmt § 3 a AsylG die Verfolgungshandlungen, § 3 b AsylG die Verfolgungsgründe, § 3 c AsylG die Akteure, von denen Verfolgung ausgehen kann, § 3 d AsylG die Akteure, die Schutz bieten können und § 3 e AsylG den internen Schutz.

§ 3 a Abs. 3 AsylG regelt ausdrücklich, dass zwischen den in § 3 Abs. 1 Nr. 1 i. V. m. den in § 3 b AsylG genannten Verfolgungsgründen und den in § 3 a Abs. 1 und Abs. 2 AsylG als Verfolgung eingestuften Handlungen oder dem Fehlen von Schutz vor solchen Handlungen eine Verknüpfung bestehen muss. Ausschlussgründe, wonach ein Ausländer nicht Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, sind in § 3 Abs. 2 und 3 AsylG geregelt.

Gemäß § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Abs. 8 Satz 1 des AufenthG.

Unter Würdigung dieser Voraussetzungen steht bei Zugrundelegung der verfahrensgegenständlichen Erkenntnisquellen zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung (§ 77 Abs. 1 AsylG) zur Überzeugung des Gerichts fest, dass dem Kläger im Falle seiner Rückkehr nach Äthiopien nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit dem Schutzbereich des § 3 Abs. 1 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 1 AufenthG unterfallende Gefährdungen drohen.

Der Kläger macht geltend, er gehöre zu der sozialen Gruppe der vom Nationaldienst Betroffenen und habe außerdem mit der Entziehung vom Wehrdienst gezeigt, dass er nicht regimetreu sei, weshalb ihm bei Rückkehr nach Eritrea eine regierungskritische Haltung unterstellt werde und ihm deshalb Verfolgungshandlungen seitens der Staatsgewalt drohten.

1. Die bloße Heranziehung zum Nationaldienst stellt schon deshalb keine flüchtlingsschutzrelevante Verfolgung dar, weil die Heranziehung zum Militärdienst ausweislich der Regelung in § 3 a Abs. 2 Nr. 5 AsylG flüchtlingsschutzrechtlich schon grundsätzlich nicht dem Schutzversprechen unterfällt (vgl. hierzu VG München, U. v. 13.7.2016 - M 12 K 16.31184 -, juris).

Relevanz im Sinne des § 3 Abs. 1 AsylG kann die Einberufung zum Wehrdienst nur dann haben, wenn der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen. Hierfür bestehen vorliegend keine Anhaltspunkte, auch wenn der Konflikt mit Äthiopien fortbesteht (Bericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea, Stand August 2015, vom 14. Dezember 2015 I. 1. Seite 7 (Lagebericht)).

Die dem Kläger wegen seiner Entziehung vom Militärdienst in Eritrea drohende strafrechtliche Verfolgung bzw. die ihm bei Desertion möglicherweise drohende Exekution durch staatliche Stellen (Lagebericht a. a. O., „shoot to kill“-Weisung, II. 1. 1.7. S. 12) wurde bereits vom Bundesamt für ... als „ernsthafter Schaden“ im Sinne des § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 AsylG eingestuft und führte zur Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 60 Abs. 2 AufenthG.

2. Die Heranziehung zum Militärdienst in Eritrea knüpft entgegen der Auffassung des Klägervertreters nicht an Persönlichkeitsmerkmale des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG an. Vielmehr trifft diese Verpflichtung alle Staatsangehörigen gleichermaßen (Lagebericht a. a. O. II. 1. 1.6 S. 10). Der Kläger gehört damit nicht zu einer sozialen Gruppe im Sinn des §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3 b Abs. 1 Nr. 4 AsylG, an deren Zugehörigkeit in Eritrea staatliche Verfolgungshandlungen anknüpfen können.

3. Aus den zur Verfügung stehenden Erkenntnisquellen ergeben sich keinerlei Hinweise darauf, dass der eritreische Staat einer Person, die sich dem Wehrdienst entzieht, eine politische Überzeugung im Sinne einer regimekritische Haltung unterstellt, an die Verfolgungshandlungen im Sinne der §§ 3 Abs. 1 Nr. 1, 3 b Abs. 1 Nr. 5 AsylG anknüpfen. Der Schwerpunkt der eritreischen Behörden liegt bei Wehrdienstentziehung nach den vorliegenden Erkenntnisquellen auf der strafrechtlichen Ahndung (Lagebericht a. a. O. IV 2. S. 17/18).

4. Die bloße Asylantragstellung in Deutschland begründet ebenfalls nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine Verfolgungsgefahr für den Kläger in Eritrea (Lagebericht a. a. O. IV 2. S. 17)

Im Übrigen wird zur Vermeidung von Wiederholungen auf die zutreffenden Ausführungen im angefochtenen Bescheid verwiesen, § 77 Abs. 2 AsylG.

Demnach war die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 161 Abs. 1, 154 Abs. 1 VwGO.

Die Gerichtskostenfreiheit ergibt sich aus § 83 b AsylG.

Rechtsmittelbelehrung

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils schriftlich beim Bayerischen Verwaltungsgericht Ansbach

Hausanschrift:

Promenade 24 - 28, 91522 Ansbach, oder

Postfachanschrift:

Postfach 616, 91511 Ansbach,

zu beantragen.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind Rechtsanwälte oder Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz mit Befähigung zum Richteramt oder die in § 67 Abs. 2 Satz 2 Nrn. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen.

Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. In dem Antrag sind die Gründe, aus denen die Berufung zuzulassen ist, darzulegen. Die Berufung kann nur zugelassen werden, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder das Urteil von einer Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder ein in § 138 der Verwaltungsgerichtsordnung bezeichneter Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt.

Beschluss:

Der Gegenstandswert beträgt 5.000,00 EUR, § 30 Abs. 1 Satz 1 RVG

Dieser Beschluss ist gemäß § 80 AsylG unanfechtbar.

Beschluss:

Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Anwaltsbeiordnung war abzulehnen.

Die Klage hat keine hinreichende Aussicht auf Erfolg, § 166 VwGO i. V. m. §§ 114 ff. ZPO. Zur Begründung wird auf die Entscheidungsgründe Bezug genommen.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylG.

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.

Tatbestand

Der Kläger begehrt mit seiner Klage die Flüchtlingsanerkennung.

Der nicht durch amtliche Dokumente seines Heimatlandes ausgewiesene Kläger ist nach eigenen Angaben am ... 1997 geboren und eritreischer Staatsangehöriger. Er beantragte am 19. März 2015 durch seinen damaligen Vormund beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (nachfolgend: Bundesamt) die Anerkennung als Asylberechtigter. Mit Bescheid vom 18. Juni 2015 wurde er der Stadt ... zugewiesen.

Zu seinen Fluchtgründen gab der Kläger am 8. Januar 2016 in einer schriftlichen Anhörung durch das Bundesamt an, er sei aus seinem Heimatland ausgereist, weil dort die Menschenrechte ständig verletzt würden. Ihm würde vorgeschrieben, welchen Beruf er erlernen könne. Er habe für sich keine Perspektive gesehen. Er werde zum Militär eingezogen und wolle nicht als Soldat enden. Der Nationaldienst sei in Eritrea lebenslang. Aus dem aktiven Nationaldienst sei er nicht geflohen. Wenn er nach Eritrea zurückkehren würde, würde er ohne weitere Fragen ins Gefängnis kommen.

Am 27. April 2016 wurde der Kläger durch das Bundesamt persönlich angehört. Er führte aus, er habe bis zu seiner Ausreise gemeinsam mit seinen Eltern und seinen fünf Brüdern in ..., im Stadtteil ..., gewohnt. Einen Personalausweis habe er nie besessen, seinen Schülerausweis habe er auf der Flucht verloren. Er habe in den Jahren 2013, 2014 oder 2015 sein Heimatland verlassen und sei nach Deutschland gekommen. Er habe die Schule bis zur 8. Klasse besucht und ohne Abschluss verlassen. Ihm persönlich sei in Eritrea nichts passiert. Aber sein Vater sei 30 Jahre lang Soldat gewesen. Auch sein Bruder sei beim Militär gewesen. Dieser sei ins Gefängnis gekommen, weil er ohne Erlaubnis zu Hause gewesen sei. Er habe viele Bekannte und Freunde, die im Nationaldienst dienen müssten. Er wolle nicht zum Militär, deswegen habe er Eritrea verlassen. Er befürchte wegen seiner illegalen Ausreise eine Haftstrafe und die Einziehung zum Militärdienst.

Mit Bescheid vom 6. Mai 2016 erkannte das Bundesamt dem Kläger subsidiären Schutz zu (Ziffer 1) und lehnte den Asylantrag um Übrigen ab (Ziffer 2). Zur Begründung wird ausgeführt, dass aufgrund des ermittelten Sachverhalts davon auszugehen sei, dass dem Kläger in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG drohe. Der Kläger sei aber kein Flüchtling im Sinne von § 3 AsylG. Eine nähere Begründung in Bezug auf das persönliche Vorbringen des Klägers erfolgte nicht. Der Bescheid wurde am 25. Mai 2016 mittels Postzustellungsurkunde zugestellt. In einem Aktenvermerk wurde festgehalten, es sei davon auszugehen, dass dem Kläger wegen seiner illegalen Ausreise in seinem Heimatland eine Haftstrafe drohe. Da nach den Erkenntnissen die Haftbedingungen in Eritrea unmenschlich seien, lägen die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG vor.

Am 8. Juni 2016 erhob der Kläger Klage und beantragt zuletzt,

den Bescheid der Beklagten vom 6. Mai 2016 hinsichtlich Ziffer 2 aufzuheben und die Beklagten zu verpflichten, dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen.

Der Bescheid enthalte lediglich allgemeine Ausführungen hinsichtlich der Ablehnung der Flüchtlingseigenschaft, nicht jedoch konkrete Angaben, weshalb dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt werden könne. Der Kläger habe sich dem Wehrdienst entzogen. Unter Hinweis auf ein die Flüchtlingseigenschaft gewährendes Urteil des Verwaltungsgerichts Minden vom 13. November 2014 wird geltend gemacht, dass aus der Verwirklichung eines Straftatbestandes auf eine Regimegegnerschaft geschlossen werde. Die strafrechtliche Sanktion würde nicht nur der Ahndung kriminellen Unrechts, sondern der Bekämpfung von politischen Gegnern dienen.

Dem Kläger wurde mit Beschluss vom 27. Juni 2016 Prozesskostenhilfe gewährt und die Streitsache der Einzelrichterin zur Entscheidung übertragen.

Die Beklagte übersandte am 20. Juni 2016 die Behördenakte, stellte jedoch keinen Antrag.

Mit Schreiben vom 29. Juli 2016 erklärte sich der Kläger mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden. Die Beklagte hat mit allgemeiner Prozesserklärung vom 25. Februar 2016 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung erklärt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Gerichts- und die vorgelegte Behördenakte.

Gründe

1. Über die Klage konnte ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, weil die Parteien mit Schreiben vom 29. Juli 2016 bzw. mit Generalerklärung vom 25. Februar 2016 hierzu ihr Einverständnis erklärt haben (§ 101 Abs. 2 VwGO).

2. Die zulässige, insbesondere fristrecht erhobene Klage (vgl. § 74 Abs. 1 Hs. 2 AsylG), ist unbegründet.

a) Gegenstand der Klage ist ausschließlich die Frage, ob die illegale Ausreise aus Eritrea und die Entziehung vor der Ableistung des Wehr- oder Nationaldienstes eine politische Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG darstellt. Dem Kläger wurde mit Bescheid vom 6. Mai 2016 nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG subsidiärer Schutz gewährt. Die Klage richtet sich ausschließlich gegen die Ablehnung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne von § 3 Abs. 1 Asyl. Der Bescheid der Beklagten ist jedoch rechtmäßig, soweit dem Kläger die Flüchtlingseigenschaft im Sinne des § 3 AsylG nicht zuerkannt wurde (§ 113 Abs. 1 VwGO).

b) Nach § 3 Abs. 4 AsylG wird einem Ausländer, der Flüchtling nach § 3 Abs. 1 AsylG ist, die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt. Ein Ausländer ist - unter Berücksichtigung der unionsrechtlichen Vorgaben - Flüchtling, wenn seine Furcht begründet ist, dass er in seinem Herkunftsland wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung Verfolgungshandlungen im Sinne von § 3 a AsylG ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, U.v. 20.2.2013 - 10 C 23.12 - juris). Von einer Verfolgung kann nur dann ausgegangen werden, wenn dem Einzelnen in Anknüpfung an die genannten Merkmale gezielt Rechtsverletzungen zugefügt werden, die wegen ihrer Intensität den Betroffenen dazu zwingen, in begründeter Furcht vor einer ausweglosen Lage sein Heimatland zu verlassen und im Ausland Schutz zu suchen. An einer gezielten Rechtsverletzung fehlt es aber regelmäßig bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Herkunftsland zu erleiden hat, etwa infolge von Naturkatastrophen, Arbeitslosigkeit, einer schlechten wirtschaftlichen Lage oder infolge allgemeiner Auswirkungen von Unruhen, Revolution und Kriegen (vgl. OVG NRW, U.v. 28.3.2014 - 13 A 1305/13.A - juris). Auch eine kriminelle Verfolgung muss an ein in § 3 AsylG genanntes Merkmal anknüpfen, um als politische Verfolgung gelten zu können. Eine Verfolgung i. S. des § 3 AsylG kann nach § 3c Nr. 3 AsylG auch von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern der Staat oder ihn beherrschende Parteien oder Organisationen einschließlich internationale Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten.

Dabei ist nach Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 (ABl EU Nr. L 337 S. 9 ff; im Folgenden: RL 2011/95/EU) die Tatsache, dass der Ausländer bereits verfolgt oder von Verfolgung unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass seine Furcht vor Verfolgung begründet ist, wenn nicht stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass er neuerlich von derartiger Verfolgung bedroht ist. Hat der Asylbewerber seinen Heimatstaat jedoch unverfolgt verlassen, so kann sein Asylantrag nur Erfolg haben, wenn ihm aufgrund von Nachfluchttatbeständen politische Verfolgung mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit droht. Droht diese Gefahr nur in einem Teil seines Heimatstaates, so kann der Betroffene auf Gebiete verwiesen werden, in denen er vor politischer Verfolgung hinreichend sicher ist, es sei denn, es drohen dort andere nach den oben dargelegten Grundsätzen unzumutbare Nachteile und Gefahren (BVerfG, B.v. 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 - BVerfGE 80, S. 345 f.).

c) Gemessen an diesen Maßstäben droht dem Kläger bei einer Rückkehr nach Eritrea keine Verfolgung im Sinne von § 3 AsylG.

aa) Der Kläger trägt vor, Eritrea verlassen zu haben, weil er nicht bereit sei, den (zeitlich unbeschränkten) Nationaldienst abzuleisten. Er könne seinen Beruf nicht frei wählen und ausüben und sehe in Eritrea keine Perspektive. Bevor er zum Nationaldienst einberufen werde, sei er geflohen. Diese Fluchtgründe sind jedoch nicht geeignet, eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG zu begründen.

bb) Maßstab für die flüchtlingsschutzrechtliche Beurteilung der vom Kläger geltend gemachten Fluchtgründe ist, ob mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von einer Verfolgungsgefahr für den Kläger in seinem Herkunftsland (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 AsylG) Eritrea in Anknüpfung an die geschützten Persönlichkeitsmerkmale Rasse, Religion, Nationalität, politische Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) auszugehen ist.

(1) Die Einberufung in den Nationalen Dienst (Militärdienst einschließlich nationaler Dienstverpflichtung) durch den eritreischen Staat stellt keinen im Rahmen der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne von § 3 Abs. 1 AsylG beachtlichen Verfolgungsgrund dar.

Die Verpflichtung zum Nationaldienst als solchen stellt deshalb keine flüchtlingsschutzrechtlich relevante Verfolgung dar, weil die Heranziehung zum Militärdienst ausweislich der Regelung in § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG flüchtlingsschutzrechtlich schon grundsätzlich nicht dem Schutzversprechen unterfällt. Denn nach dieser Vorschrift stellt die Strafverfolgung oder Bestrafung wegen Verweigerung des Militärdienstes nur dann eine relevante Verfolgungshandlung dar, wenn der Militärdienst im Rahmen eines Konflikts zu leisten ist und der Militärdienst Verbrechen oder Handlungen umfassen würde, die unter die Ausschlussklauseln des § 3 Abs. 2 AsylG fallen (Kriegsverbrechen, schwere nichtpolitische Straftaten, Zuwiderhandlungen gegen die Grundsätze der Vereinten Nationen).

Diese Voraussetzungen liegen jedoch hier nicht vor. Eine in Eritrea drohende Bestrafung wegen Wehrpflicht-/Kriegsdienstverweigerung durch eine illegale Ausreise ergeht nicht in Zusammenhang mit einem Konflikt i. S. v. § 3a Abs. 2 Nr. 5 AsylG. Denn Eritrea befindet sich derzeit in keinem Konflikt im Sinne dieser Norm - sei es mit anderen Staaten (internationaler Konflikt), sei es mit aufständischen innerstaatlichen Gruppen (innerstaatlicher Konflikt). Kriegerische Auseinandersetzungen mit den Nachbarstaaten Äthiopien, Dschibuti und Sudan bestehen nach der vorliegenden Erkenntnislage zum gegenwärtigen Zeitpunkt nicht. Im Übrigen trifft der eritreische Nationaldienst alle Staatsangehörigen ohne Ansehen der Persönlichkeitsmerkmale des § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG gleichermaßen.

(2) Der Kläger macht weiterhin geltend, er könne seinen Beruf nicht frei wählen und ausüben. Er sehe in Eritrea keine Perspektive. Auch diese Fluchtgründe stehen in keinem Zusammenhang mit den in § 3 Abs. 1 AsylG genannten Verfolgungsgründen, die eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention vom 28. Juli 1951 rechtfertigen könnten. Denn die vom Kläger zum Anlass der Flucht genommene Perspektivlosigkeit knüpft nicht an die in § 3 Abs. 1 AsylG geschützten Persönlichkeitsmerkmale Rasse, Religion, Nationalität, politische Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe an.

(3) Soweit der Kläger geltend macht, er werde im Falle einer Wiedereinreise nach Eritrea wegen seiner illegalen Ausreise und der Flucht vor dem Nationaldienst ohne Aussicht auf ein rechtsstaatliches Verfahren verhaftet, so begründet dieses, wie das Bundesamt zu Recht festgestellt hat, einen Anspruch auf subsidiären Schutz im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG, nicht jedoch die Flüchtlingseigenschaft nach § 3 Abs. 1 AsylG.

Für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist es nach § 3 b Abs. 2 AsylG zwar unerheblich, ob die Furcht des Betroffenen vor Verfolgung begründet ist, weil er tatsächlich die Merkmale besitzt, die zur Verfolgung führen, sofern der Verfolger dem Betroffenen diese Merkmale tatsächlich zuschreibt. Allein die Tatsache, dass der Kläger illegal ausgereist ist, um sich dem Nationaldienst zu entziehen, führt nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnismitteln jedoch nicht dazu, dass ihm vom eritreischen Staat eine politische Gegnerschaft zugeschrieben wird, die zum Anlass von Verfolgungsmaßnahmen genommen wird. In Eritrea gibt es kein Recht, den Wehr- oder Nationaldienst zu verweigern. Wer sich diesen Diensten entzieht, wird mit Umerziehungslageraufenthalten oder mit Gefängnis bestraft. So werden Personen, die versuchen, dem Wehr- und Nationaldienst zu entgehen, bei dem (illegalen) Ausreiseversuch verhaftet. Die Anzahl der Wehrdienstverweigerer und der Fahnenflüchtigen ist steigend (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea vom 14. Dezember 2015 (Stand: August 2015), S. 12). Sofern Personen bei der Entziehung vom Wehrdienst behilflich waren, droht auch ihnen Strafverfolgung (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea vom 14. Dezember 2015 (Stand: August 2015), S. 11). Diese Maßnahmen begründen in Zusammenhang mit den in Eritrea unmenschlichen Haftbedingungen zwar einen Anspruch auf subsidiären Schutz im Sinne vom § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG. Ein generelles Anknüpfen an einen nach § 3 b AsylG relevanten Verfolgungsgrund kann darin jedoch nicht gesehen werden. Denn insoweit handelt es sich um eine Strafverfolgung nach den allgemein in Eritrea geltenden Strafvorschriften, die jeden Eritreer gleichermaßen trifft. Die Strafvorschriften knüpfen nicht an eine bestimmte politische Haltung oder bestimmte Persönlichkeitsmerkmale an, sondern an den Umstand, dass sich die Betroffenen dem Wehr- oder Nationaldienst entzogen haben. Hinweise darauf, dass allein aus dem Umstand der illegalen Ausreise auf eine politische Gegnerschaft geschlossen wird, die zu einer im Vergleich zu den ohnehin geltenden Strafvorschriften verschärften strafrechtlichen Ahndung führen, sieht das Gericht aufgrund der ihm zur Verfügung stehenden Erkenntnismittel nicht. Misshandlungen, Folter und Willkür treffen weite Kreise der Bevölkerung. Rechtsstaatliche Verhältnisse und eine militärische oder zivile Rechtsordnung sind nicht vorhanden. Verhaftungen ohne Haftbefehl und ohne Angabe von Gründen sind üblich (Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea vom 14. Dezember 2015 (Stand: August 2015), S. 11).

Nach Auffassung des Gerichts besitzt daher die strafrechtliche Ahndung des Wehrdienstentzugs ohne Hinzutreten weiterer Umstände keinen politischen Sanktionscharakter. Gemäß der Proklamation 82/1995 muss ein Deserteur eine Strafe von 3.000 Birr bezahlen und/oder eine zweijährige Haftstrafe verbüßen. Falls er nach der Desertion das Land verlässt, beträgt die Haftstrafe fünf Jahre. Deserteure verlieren außerdem das Recht auf Arbeit und Landbesitz (EASO-Bericht über Herkunftsländer-Informationen, Länderfokus Eritrea, Mai 2015, S. 42). Aufgrund des politischen bzw. ideologischen Charakters des Nationaldiensts wurde die Desertion oder Wehrdienstverweigerung einigen Quellen zufolge von den Behörden als Ausdruck politischer Opposition bzw. Verrat an der Nation aufgefasst, doch beziehen sich diese Quellen auf Ereignisse, die aus den Jahren 2008 und 2009 stammen. Die Erkenntnisse zur Behandlung rückgeführter Eritreer beruhen in erster Linie auf Erfahrungen mit Rückführungen von abgewiesenen Asylsuchenden, die zwischen 2002 und 2008 zurückgeführt worden waren. Seither gibt es keine neueren empirischen Erkenntnisse. Dem oben genannten EASO-Bericht ist zu entnehmen, dass die meisten Quellen darin übereinstimmen, dass Bestrafungen außergerichtlich und nicht gemäß den oben aufgeführten Gesetzesartikeln und damit willkürlich erfolgen. Einige von Dänemark und Norwegen im Rahmen von Fact Finding Missions Ende 2014 und Anfang 2015 in Eritrea kontaktierte Gesprächspartner seien aber der Ansicht, dass Deserteure und Wehrdienstverweigerer mittlerweile nur noch für einige Wochen oder Monate inhaftiert und danach wieder in den Nationaldienst überführt würden. Mehrere 2013 und 2014 von Norwegen, den Niederlanden und Dänemark konsultierten Eritrea-Experten hielten aber Befragungen, Bestrafungen und Misshandlungen im Fall einer Rückkehr weiterhin für möglich. Die eritreische Führung habe mittlerweile gegenüber ausländischen Delegationen mehrfach verlauten lassen, dass Rückkehrer nicht bestraft würden, sofern sie keine Straftaten begangen hätten (EASO-Bericht über Herkunftsländer-Informationen, Länderfokus Eritrea, Mai 2015, S. 41). Unter Auswertung der Erkenntnismittel kommt das Gericht daher zur Überzeugung, dass bei illegaler Ausreise und Flucht vor dem National- bzw. Wehrdienst die im Falle einer Rückkehr drohende Bestrafung, Befragung und Misshandlung die Gewährung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG erfordert, hierin jedoch nicht generell eine politische Verfolgung im Sinne von § 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG zu sehen ist. Soweit einzelne Gerichte dennoch die Voraussetzungen für die Gewährung der Flüchtlingseigenschaft für gegeben sahen, bezogen sie sich auf Erkenntnismittel aus den Jahren 2009/2010 (VG Frankfurt, U.v. 12.8.2013 - 8 K 2202/13.F.A. - juris Rn. 15f; VG Minden, U.v. 13.11.2014 - 10 K 2815/13.A - juris Rn. 50). Die aktuellen Erkenntnisse aus den Jahren 2015 und 2016 (EASO-Bericht über Herkunftsländer-Informationen, Länderfokus Eritrea, Mai 2015; U.S. Department of State vom 13.4.2016, Human Rights Report: Eritrea 2015, Bureau of Democracy, Human Rights and Labor; Schweizerische Flüchtlingshilfe vom 21.1.2015, Eritrea: Rekrutierung von Minderjährigen - alle genannten Quellen im Internet abrufbar; Auswärtiges Amt, Bericht über die asyl- und abschieberelevante Lage in Eritrea vom 14. Dezember 2015 (Stand: August 2015)) bestätigen der eritreischen Regierung schwere Menschenrechtsverletzungen, lassen aber nicht den Schluss auf eine grundsätzlich politisch motivierte Verfolgung im Falle der illegalen Ausreise und der Verweigerung des National- oder Wehrdienstes zu. Dass die Praxis der Bestrafung wegen illegaler Ausreise und Wehrdienstentzug aufgrund der in Eritrea herrschenden Willkürherrschaft ohne unabhängiges Justizwesen, mit willkürlichen Inhaftierungen, körperlichen Misshandlungen, Folter und Inhaftierung unter menschenunwürdigen Bedingungen massiv elementare Rechtsgrundsätze und Menschenrechte verletzt, steht außer Zweifel. Dieser Umstand führte auch zur Gewährung subsidiären Schutzes im Sinne von § 4 Abs. 1 Nr. 2 AsylG.

3. Weil dem Kläger in seinem Herkunftsland (§ 3 Abs. 1 Nr. 2 AsylG) Eritrea somit keine Verfolgung in Anknüpfung an die geschützten Persönlichkeitsmerkmale Rasse, Religion, Nationalität, politische Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 AsylG) droht, ist die Klage auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist mit der Kostenfolge des § 154 VwGO abzuweisen.

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) Schutz vor Verfolgung kann nur geboten werden

1.
vom Staat oder
2.
von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen,
sofern sie willens und in der Lage sind, Schutz gemäß Absatz 2 zu bieten.

(2) Der Schutz vor Verfolgung muss wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die in Absatz 1 genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat.

(3) Bei der Beurteilung der Frage, ob eine internationale Organisation einen Staat oder einen wesentlichen Teil seines Staatsgebiets beherrscht und den in Absatz 2 genannten Schutz bietet, sind etwaige in einschlägigen Rechtsakten der Europäischen Union aufgestellte Leitlinien heranzuziehen.

(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er

1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und
2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.