Tatbestand

1

Der im Jahr 2007 geborene Kläger begehrt die Erstattung der Kosten für seine Begleitung auf einer Klassenfahrt nach Grünheide in der Zeit vom 18. bis 21. April 2017.

2

Der Kläger leidet an einer u.a. Autismusspektrumstörung. Er besuchte im Frühjahr 2017 die 3. Klasse der Grundschule … und bekam vom Beklagten ambulante Leistungen der Eingliederungshilfe in Form einer Schulbegleitung über ein Persönliches Budget sowie autismusspezifische Förderung.

3

Unter dem 31. Januar 2017 beantragten die Eltern des Klägers die Übernahme der Kosten einer Begleitung zu der Klassenfahrt nach Grünheide. Die voraussichtlich entstehenden Kosten wurden mit 160,00 Euro beziffert. Begleitperson sollte die Mutter des Klägers sein, die hierfür Urlaub nehmen wollte.

4

Der Beklagte lehnte mit Bescheid vom 14. Februar 2017 die Bewilligung einer Begleitung ab. Der Kläger sei nach § 35a SGB VIII leistungsberechtigt, weswegen ihm bereits ambulante Hilfen, nämlich eine Schulbegleitung über das Persönliche Budget und autismusspezifische Förderung, gewährt würden. Die Beraterkonferenz sei zu der Auffassung gelangt, dass dem Bedarf an Integrationsbegleitung für eine einmalig im Schuljahr stattfindende Schul- oder Klassenfahrt durch die elterliche Einstands- und Beistandspflicht gemäß § 1626 BGB und § 1618a BGB entsprochen werden müsse. Die Schulfahrt sei für die Eltern insoweit planbar, dass sie als elterliche Ressource gut zur Verfügung stehen könnten.

5

Der Kläger hat am 1. März 2017 vor dem Verwaltungsgericht Klage erhoben, zu deren Begründung er vorträgt: Aufgrund seiner Beeinträchtigungen sei er auf ständige Hilfen angewiesen. Veränderungen im Umfeld seien für ihn besonders problematisch. Hinzu kämen Probleme im sozialen Bereich und die eingeschränkte Alltagskompetenz. Aufgrund der Einnahme von Medikamenten verspüre er kein Durst- und Hungergefühl, so dass er zum Essen und Trinken angehalten werden müsse. Auch die Gabe des Medikaments könne nur durch einen Erwachsenen erfolgen. Eine Teilnahme des Klägers an der Klassenfahrt sei nur mit einer Begleitperson möglich, wobei aus versicherungsrechtlichen Gründen eine Teilnahme seines Integrationshelfers ausscheide. Deswegen sei seine Mutter bereit, Urlaub zu nehmen und ihn zu begleiten. Bei der Klassenfahrt handele es sich um eine verpflichtende Veranstaltung, so dass er Anspruch auf Übernahme der Kosten für die Begleitung durch seine Mutter habe. Ohne Begleitung sei ihm eine Teilnahme an der Fahrt nicht möglich. Da die ganze Schule auf Klassenfahrt sei, müsste er zudem eine andere Schule besuchen, was bei seinem Krankheitsbild erhebliche Folgen haben würde.

6

Der Kläger hat an der Klassenfahrt – begleitet durch seine Mutter – teilgenommen. Die entstandenen Kosten beziffert der Kläger auf insgesamt 145,44 Euro wie folgt: 129,60 Euro für Unterkunft und Beschäftigung entsprechend der Rechnung des Kinder- und Jugenderholungszentrums KIEZ Waldpark Grünheide vom 20. April 2017 sowie 15,84 Euro anteilige Fahrtkosten für den genutzten Bus.

7

Der Kläger beantragt,

8

den Beklagten zu verpflichten, ihm die für die Begleitung durch seine Mutter zur Klassenfahrt nach Grünheide in der Zeit vom 18. bis 21. April 2017 entstandenen Kosten in Höhe von 145,44 Euro zu übernehmen.

9

Der Beklagte beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Er vertritt die Auffassung, dass die Mutter des Klägers aus §§ 1626, 1618a BGB auch zu seiner Beaufsichtigung verpflichtet sei und damit auch zur Kostentragung als Mitfahrerin auf der Klassenfahrt.

12

Wegen des weiteren Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakten sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge des Beklagten Bezug genommen. Er war Gegenstand der mündlichen Verhandlung

Entscheidungsgründe

13

Die auf Übernahme der für die Begleitung des Klägers entstandenen Kosten gerichtete Klage ist als Verpflichtungsklage gemäß § 42 Abs. 1 VwGO statthaft und auch sonst zulässig. Gegen den Bescheid des Beklagten vom 14. Februar 2017, mit dem die Bewilligung einer Schulbegleitung abgelehnt wurde, muss der Kläger nicht mehr vorgehen, weil sich dieser mit der Durchführung der Klassenfahrt bzw. durch Zeitablauf erledigt hat.

14

Die Klage ist in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang auch begründet. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch auf Übernahme der Kosten, die durch die Begleitung seiner Mutter bei der Klassenfahrt entstanden sind, zu.

15

Rechtsgrundlage für den Anspruch ist § 36a Abs. 3 Satz 1 SGB VIII. Hiernach ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe, wenn Hilfen abweichend von den Absätzen 1 und 2 vom Leistungsberechtigten selbst beschafft werden, zur Übernahme der erforderlichen Aufwendungen verpflichtet, wenn 1. der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat, 2. die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen und 3. die Deckung des Bedarfs a) bis zu einer Entscheidung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe über die Gewährung der Leistung oder b) bis zu einer Entscheidung über ein Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Leistung keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat. Diese Voraussetzungen des § 36a Abs. 3 SGB VIII sind hier gegeben.

16

Der Kläger hat den Beklagten vor der Selbstbeschaffung über seinen Hilfebedarf informiert und rechtzeitig einen förmlichen Antrag auf Eingliederungshilfe gestellt (§ 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII).

17

Zum Zeitpunkt der Selbstbeschaffung lagen auch die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vor (§ 36a Abs. 3 Satz 1 Nr. 1 SGB VIII). Rechtsgrundlage hierfür ist § 35a Abs. 1 Satz 1 SGB VIII. Hiernach haben Kinder oder Jugendliche Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn 1. ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht und 2. daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist. Von einer seelischen Behinderung bedroht im Sinne dieses Buches sind Kinder oder Jugendliche, bei denen eine Beeinträchtigung ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach fachlicher Erkenntnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist (Satz 2). Die Voraussetzungen für eine Eingliederungshilfe lagen hier vor. Der Kläger leidet aufgrund einer Autismusspektrumstörung an einer seelischen Behinderung, weswegen der Beklagte ihm für den Schullalltag Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII u.a. durch die Bewilligung eines Schulbegleiters gewährte. Davon, dass der Kläger auch für die Klassenfahrt eine Begleitung benötigte und ohne entsprechende Hilfe nicht hätte teilnehmen können, geht auch der Beklagte aus. So heißt es in dem Protokoll über die Fallberatung am 10. Februar 2017, dass der Kläger aufgrund der Autismusdiagnose Unterstützung und Begleitung in für ihn ungewohnten Situationen, die eine Schulfahrt zweifelsohne darstelle, benötige. Zudem spreche die erforderliche Gabe eines Medikaments für eine Begleitung auf der Klassenfahrt.

18

Dem Leistungsträger steht eine Einschätzungsprärogative für die Leistungsgewährung zu, die nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar ist. Bei einer aus fachlichen Gründen abgelehnten Leistung einer selbst beschafften Maßnahme ist zu prüfen, ob das Hilfekonzept verfahrensfehlerfrei zustande gekommen ist, nicht von sachfremden Erwägungen beeinflusst wurde und fachlich vertretbar ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 18. Oktober 2012 - 5 C 21.11 -, RdNr. 31 f.; s.a. OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 14. August 2014 - 3 LB 15/12 -, RdNr. 26 f. jeweils zitiert nach juris). Dies erfasst auch die von der Behörde gegebene Begründung für die Entscheidung, da diese für den Betroffenen nachvollziehbar sein muss und ihn in die Lage versetzen muss, mittels einer Prognose zu entscheiden, ob die Selbstbeschaffung dennoch gerechtfertigt ist (a.a.O.).

19

Hat das Jugendamt nicht rechtzeitig oder nicht in einer den vorgenannten Anforderungen entsprechenden Weise über die begehrte Hilfeleistung entschieden, und müssen an dessen Stelle die Betroffenen eine eigene Entscheidung über die Geeignetheit und Erforderlichkeit einer Maßnahme treffen, hat dies zur Folge, dass die Verwaltungsgerichte nur das Vorhandensein des jugendhilferechtlichen Bedarfs uneingeschränkt zu prüfen, sich hinsichtlich der Geeignetheit und Erforderlichkeit der selbst beschafften Hilfe aber auf eine fachliche Vertretbarkeitskontrolle aus der ex-ante-Betrachtung der Leistungsberechtigten zu beschränken haben. Ist die Entscheidung der Berechtigten in diesem Sinne fachlich vertretbar, kann ihr etwa im Nachhinein nicht mit Erfolg entgegnet werden, das Jugendamt hätte eine andere Hilfe für geeignet gehalten (vgl. BVerwG, a.a.O. RdNr. 43 m.w.N. aus der Lit.).

20

Bei Zugrundelegung dieser Maßstäbe lässt sich nicht feststellen, dass der Beklagte die begehrte Hilfeleistung in nicht zu beanstandender Weise verweigert hat. Insbesondere ist die Begründung der Ablehnungsentscheidung nicht tragfähig. Der Beklagte verweist hier darauf, dass dem Bedarf an Integrationsbegleitung für eine einmalig im Schuljahr stattfindende Schul- oder Klassenfahrt durch die elterliche Einstands- und Beistandspflicht gemäß §§ 1626, 1618a BGB entsprochen werden müsse. Die Schulfahrt sei für die Eltern insoweit planbar, dass sie als elterliche Ressource gut zur Verfügung stehen könnten. Diese Auffassung überdehnt die aus § 1618a BGB ableitbaren familiären Beistandspflichten. Der Kläger kann zur Überzeugung des Gerichts insbesondere nicht darauf verwiesen werden, dass die Begleitung seiner Mutter zu der Klassenfahrt als Erfüllung ihrer aus § 1618a BGB folgenden familiären Beistandspflicht zu werten sei und eine Bewilligung der entsprechenden Hilfe bzw. die nachträgliche Kostenerstattung deswegen nicht in Frage komme.

21

Zur Ermittlung des Bedarfs im Einzelfall gehört grundsätzlich auch die Ermittlung der innerfamiliären Hilfemöglichkeiten, deren Verfügbarkeit den jugendhilferechtlichen Bedarf zu beschränken geeignet ist, womit man zu § 1618a BGB gelangt (vgl. Heinz, Begrenzungen sozialhilferechtlicher Verantwortungen aufgrund familiärer Verantwortlichkeiten in der Eingliederungshilfe, ZFSH/SGB 1015, 413, 419). Nach dieser Vorschrift sind Eltern und Kinder einander Beistand und Rücksicht schuldig. Entstehungsgeschichtlich sollte mit § 1618a BGB ein Leitbild der Eltern-Kind-Beziehung zum Ausdruck gebracht werden (vgl. Nebe, Unterhaltsverbände im Familien- und Sozialrecht, SDSRV Nr. 62 (2012), 29, 42 f. unter Verweis auf die BT-Drs. 8/2788, S. 36, 43). Normcharakter und -funktion dieser Vorschrift werden unterschiedlich beurteilt. Von Bedeutung kann das Leitbild bei der Anwendung und Auslegung von familienrechtlichen Vorschriften sein. Problematischer und im Einzelfall zu betrachten ist die Ableitung von unmittelbar klagbaren Rechten und Pflichten aus dieser Bestimmung (vgl. hierzu OLG Bamberg, Urteil vom 03. Januar 1984 - 5 U 126/83 -, juris m.w.N.; Nebe, a.a.O., S. 42f.; siehe auch v. Sachsen-Gessaphe, in: MünchKomm, BGB, § 1618a RdNr. 2, 8ff. m.w.N.). Insoweit ist jedoch festzuhalten, dass insbesondere im Sozialrecht auch unmittelbare familiäre Verpflichtungen aus § 1618a BGB hergeleitet werden (vgl. hierzu die Darstellung bei Nebe, a.a.O., S. 46 ff.).

22

Aber auch wenn man davon ausgeht, dass familiäre Beistandspflichten einem dem Grunde nach bestehenden jugendhilferechtlichen Eingliederungshilfeanspruch entgegengehalten werden können, stellt sich die Frage nach dem Umfang der entsprechenden elterlichen Verpflichtung gegenüber ihrem behinderten Kind. Beistand bedeutet begrifflich Hilfe und Unterstützung in solchen Lebenslagen, die der Hilfsbedürftige wegen ihrer besonderen Art alleine nicht oder nur schwer meistern kann. Gemeint ist gegenseitige Fürsorge, wie sie in derartigen Lebenslagen in einer intakten Familie auch ohne besondere gesetzliche Vorschrift geübt wird (vgl. OLG Bamberg, a.a.O.). Hiernach dürften sich Hilfen in Notfällen und zur Deckung kurzfristiger Bedarfe eher den Beistandspflichten zurechnen lassen als Dauerverpflichtungen, die kritisch zu sehen sind (vgl. Heinz, ZFSH/SGB 1015, 413, 420). Um jedoch eine Diskriminierung von Familien mit behinderten Kindern zu vermeiden, ist es nach Auffassung des Gerichts geboten, die Pflichtgrenze jedenfalls dort zu ziehen, wo die fragliche Hilfe für das behinderte Kind über das Übliche und Typische in der Erziehung und Betreuung eines nichtbehinderten Kindes hinausgeht (vgl. Nebe, a.a.O., S. 54; s.a. BSG, 29. November 1990 - 2 RU18/90 - und 18. März 1999 - B 3 P 9/98 R -).

23

Hiervon ausgehend darf dem Eingliederungshilfeanspruch des Klägers nicht die elterliche Beistandspflicht entgegengehalten werden. Die Begleitung eines 14jährigen Jugendlichen zu einer mehrtätigen – 4 Werktage dauernden – Klassenfahrt ist eine Hilfe, die über das Übliche und Typische in der Erziehung und Betreuung eines nichtbehinderten Kindes hinausgeht. Insoweit ist nicht nur zu beachten, dass eine solche Fahrt – wie hier – berufstätigen Eltern einen substantiellen Teil an Arbeitskraft und Zeit (vgl. hierzu Staudinger/Coester, BGB, 2015, § 1618a RdNr. 35) abverlangt. Es ist vielmehr auch zu berücksichtigen, dass es nicht um eine Verstärkung der allgemeinen Aufsicht geht, sondern um eine allein der Behinderung des Jugendlichen geschuldete Begleitung geht. Die Vertreter des Beklagten haben in der mündlichen Verhandlung denn auch erklärt, dass sein Jugendamt – nachdem die Bewilligung eines persönlichen Budgets für einen Schulbegleiter aufgegeben wurde und die Finanzierung nunmehr über den jeweiligen Leistungsträger erfolgt – die Kosten eines bewilligten Schulbegleiters auch für Klassenfahrten übernimmt. Wenn der Beklagte aber in diesen Fällen regelmäßig nicht auf eine vorrangige elterliche Beistandspflicht verweist, erscheint es widersprüchlich, auf eine solche zu verweisen, wenn die Übernahme von Kosten für eine elterliche Begleitung beantragt wird.

24

Die Ablehnungsentscheidung erweist sich weiter auch nicht deswegen als richtig, weil der Anspruch des Klägers auf Eingliederungshilfe in Gestalt einer Begleitung zu dem Schüleraustausch wegen des Nachrangs der Jugendhilfe (§ 10 Abs. 1 SGB VIII) und eines Vorrangs der schulischen Leistungsverpflichtung ausscheidet. Denn bei der beantragten Schulbegleitung handelte es sich nicht um eine von der Schule geschuldete Leistung. Die Gewährleistung der Aufsicht ist zwar grundsätzlich Pflicht der Schule, die Begleitung des Klägers zu dem Schüleraustausch war aber keine Unterstützung bei der allgemeinen Aufsicht der Schüler, sondern erfolgte nur, um den Kläger bei seinen behinderungsbedingten Schwierigkeiten zu unterstützen. Die Begleitung diente also der Integration des Klägers und war nicht schulspezifischer Natur.

25

Auch die Art der selbstbeschafften Hilfe lässt sich nicht beanstanden. Es mag Gründe geben, eine behinderungsbedingt erforderliche Begleitung zu einer Klassenfahrt oder einem Schüleraustausch nicht durch einen Elternteil leisten zu lassen. Im Hinblick darauf, dass der Beklagte dem Kläger keine andere – professionelle – Hilfe angeboten hat und eine solche dem Bedürfnis des Klägers nach Unterstützung durch eine vertraute Person entsprechende Hilfe im Hinblick darauf, dass sein Schulbegleiter nach Angaben seiner Eltern aus versicherungsrechtlichen Gründen nicht an der Klassenfahrt teilnehmen konnte, kurzfristig auch nicht realisierbar gewesen wäre, ist die Begleitung durch die Mutter eine vertretbare Lösung zur Deckung des Integrationsbedarfs des Klägers gewesen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht daraus, dass dem Kläger ein Persönliches Budget für die Schulbegleitung gewährt wurde. Denn auf das Budget wurde der Kläger weder verwiesen noch ist davon auszugehen, dass die Begleitung zu Klassenfahrten hierin berücksichtigt wurde, denn im Vorjahr hatte der Beklagte für eine Schulbegleitung des Klägers nach Wernigerode ein gesondertes Budget eingeräumt.

26

Es lagen schließlich die Voraussetzungen des § 36 a Abs. 3 Satz 1 Nr. 3 b) SGB VIII vor. Die Deckung des klägerischen Bedarfs duldete keinen (weiteren) Aufschub bis zu einer Entscheidung über seine Klage gegen die Ablehnung einer Hilfe, die ihm die Teilnahme an der Klassenfahrt ermöglicht hätte. Eine gerichtliche Entscheidung war vor der Klassenfahrt nicht zu erreichen. Es war dem Kläger aus Kostengründen nicht zuzumuten, zusätzlich ein verwaltungsgerichtliches Eilverfahren einzuleiten, dessen Erfolgsaussichten im Hinblick auf die Bereitschaft seiner Mutter, ihm die Hilfe zu leisten, zudem ungewiss waren.

27

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1, 155 Abs. 1 Satz 1, 188 Satz 2, 1. Halbsatz VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.


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Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung


Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:1.Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;2.Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;3.Urteile, dur

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden. (2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist

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(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn 1. ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und2. daher ihre Teilhabe am Leben in d

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(1) Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe trägt die Kosten der Hilfe grundsätzlich nur dann, wenn sie auf der Grundlage seiner Entscheidung nach Maßgabe des Hilfeplans unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts erbracht wird; dies gilt auch in den

Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 1626 Elterliche Sorge, Grundsätze


(1) Die Eltern haben die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge). Die elterliche Sorge umfasst die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge). (2) Bei der Pf

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(1) Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen und der Schulen, werden durch dieses Buch nicht berührt. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach diesem Buch ents

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Eltern und Kinder sind einander Beistand und Rücksicht schuldig.

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Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Urteil, 14. Aug. 2014 - 3 LB 15/12

bei uns veröffentlicht am 14.08.2014

Tenor Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Schleswig- Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 12. April 2012 – Einzelrichter der 15. Kammer – geändert. Der Bescheid des Beklagten vom 02.08.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbes

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(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn

1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und
2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
Von einer seelischen Behinderung bedroht im Sinne dieser Vorschrift sind Kinder oder Jugendliche, bei denen eine Beeinträchtigung ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach fachlicher Erkenntnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. § 27 Absatz 4 gilt entsprechend.

(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme

1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie,
2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder
3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
einzuholen. Die Stellungnahme ist auf der Grundlage der Internationalen Klassifikation der Krankheiten in der vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte herausgegebenen deutschen Fassung zu erstellen. Dabei ist auch darzulegen, ob die Abweichung Krankheitswert hat oder auf einer Krankheit beruht. Enthält die Stellungnahme auch Ausführungen zu Absatz 1 Satz 1 Nummer 2, so sollen diese vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe im Rahmen seiner Entscheidung angemessen berücksichtigt werden. Die Hilfe soll nicht von der Person oder dem Dienst oder der Einrichtung, der die Person angehört, die die Stellungnahme abgibt, erbracht werden.

(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall

1.
in ambulanter Form,
2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen,
3.
durch geeignete Pflegepersonen und
4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.

(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.

(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.

(1) Die Eltern haben die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge). Die elterliche Sorge umfasst die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge).

(2) Bei der Pflege und Erziehung berücksichtigen die Eltern die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln. Sie besprechen mit dem Kind, soweit es nach dessen Entwicklungsstand angezeigt ist, Fragen der elterlichen Sorge und streben Einvernehmen an.

(3) Zum Wohl des Kindes gehört in der Regel der Umgang mit beiden Elternteilen. Gleiches gilt für den Umgang mit anderen Personen, zu denen das Kind Bindungen besitzt, wenn ihre Aufrechterhaltung für seine Entwicklung förderlich ist.

Eltern und Kinder sind einander Beistand und Rücksicht schuldig.

(1) Die Eltern haben die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge). Die elterliche Sorge umfasst die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge).

(2) Bei der Pflege und Erziehung berücksichtigen die Eltern die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln. Sie besprechen mit dem Kind, soweit es nach dessen Entwicklungsstand angezeigt ist, Fragen der elterlichen Sorge und streben Einvernehmen an.

(3) Zum Wohl des Kindes gehört in der Regel der Umgang mit beiden Elternteilen. Gleiches gilt für den Umgang mit anderen Personen, zu denen das Kind Bindungen besitzt, wenn ihre Aufrechterhaltung für seine Entwicklung förderlich ist.

Eltern und Kinder sind einander Beistand und Rücksicht schuldig.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts (Anfechtungsklage) sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts (Verpflichtungsklage) begehrt werden.

(2) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage nur zulässig, wenn der Kläger geltend macht, durch den Verwaltungsakt oder seine Ablehnung oder Unterlassung in seinen Rechten verletzt zu sein.

(1) Der Träger der öffentlichen Jugendhilfe trägt die Kosten der Hilfe grundsätzlich nur dann, wenn sie auf der Grundlage seiner Entscheidung nach Maßgabe des Hilfeplans unter Beachtung des Wunsch- und Wahlrechts erbracht wird; dies gilt auch in den Fällen, in denen Eltern durch das Familiengericht oder Jugendliche und junge Volljährige durch den Jugendrichter zur Inanspruchnahme von Hilfen verpflichtet werden. Die Vorschriften über die Heranziehung zu den Kosten der Hilfe bleiben unberührt.

(2) Abweichend von Absatz 1 soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die niedrigschwellige unmittelbare Inanspruchnahme von ambulanten Hilfen, insbesondere der Erziehungsberatung nach § 28, zulassen. Dazu soll der Träger der öffentlichen Jugendhilfe mit den Leistungserbringern Vereinbarungen schließen, in denen die Voraussetzungen und die Ausgestaltung der Leistungserbringung sowie die Übernahme der Kosten geregelt werden. Dabei finden der nach § 80 Absatz 1 Nummer 2 ermittelte Bedarf, die Planungen zur Sicherstellung des bedarfsgerechten Zusammenwirkens der Angebote von Jugendhilfeleistungen in den Lebens- und Wohnbereichen von jungen Menschen und Familien nach § 80 Absatz 2 Nummer 3 sowie die geplanten Maßnahmen zur Qualitätsgewährleistung der Leistungserbringung nach § 80 Absatz 3 Beachtung.

(3) Werden Hilfen abweichend von den Absätzen 1 und 2 vom Leistungsberechtigten selbst beschafft, so ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zur Übernahme der erforderlichen Aufwendungen nur verpflichtet, wenn

1.
der Leistungsberechtigte den Träger der öffentlichen Jugendhilfe vor der Selbstbeschaffung über den Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt hat,
2.
die Voraussetzungen für die Gewährung der Hilfe vorlagen und
3.
die Deckung des Bedarfs
a)
bis zu einer Entscheidung des Trägers der öffentlichen Jugendhilfe über die Gewährung der Leistung oder
b)
bis zu einer Entscheidung über ein Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Leistung
keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat.
War es dem Leistungsberechtigten unmöglich, den Träger der öffentlichen Jugendhilfe rechtzeitig über den Hilfebedarf in Kenntnis zu setzen, so hat er dies unverzüglich nach Wegfall des Hinderungsgrundes nachzuholen.

(1) Kinder oder Jugendliche haben Anspruch auf Eingliederungshilfe, wenn

1.
ihre seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweicht, und
2.
daher ihre Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist oder eine solche Beeinträchtigung zu erwarten ist.
Von einer seelischen Behinderung bedroht im Sinne dieser Vorschrift sind Kinder oder Jugendliche, bei denen eine Beeinträchtigung ihrer Teilhabe am Leben in der Gesellschaft nach fachlicher Erkenntnis mit hoher Wahrscheinlichkeit zu erwarten ist. § 27 Absatz 4 gilt entsprechend.

(1a) Hinsichtlich der Abweichung der seelischen Gesundheit nach Absatz 1 Satz 1 Nummer 1 hat der Träger der öffentlichen Jugendhilfe die Stellungnahme

1.
eines Arztes für Kinder- und Jugendpsychiatrie und -psychotherapie,
2.
eines Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, eines Psychotherapeuten mit einer Weiterbildung für die Behandlung von Kindern und Jugendlichen oder
3.
eines Arztes oder eines psychologischen Psychotherapeuten, der über besondere Erfahrungen auf dem Gebiet seelischer Störungen bei Kindern und Jugendlichen verfügt,
einzuholen. Die Stellungnahme ist auf der Grundlage der Internationalen Klassifikation der Krankheiten in der vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte herausgegebenen deutschen Fassung zu erstellen. Dabei ist auch darzulegen, ob die Abweichung Krankheitswert hat oder auf einer Krankheit beruht. Enthält die Stellungnahme auch Ausführungen zu Absatz 1 Satz 1 Nummer 2, so sollen diese vom Träger der öffentlichen Jugendhilfe im Rahmen seiner Entscheidung angemessen berücksichtigt werden. Die Hilfe soll nicht von der Person oder dem Dienst oder der Einrichtung, der die Person angehört, die die Stellungnahme abgibt, erbracht werden.

(2) Die Hilfe wird nach dem Bedarf im Einzelfall

1.
in ambulanter Form,
2.
in Tageseinrichtungen für Kinder oder in anderen teilstationären Einrichtungen,
3.
durch geeignete Pflegepersonen und
4.
in Einrichtungen über Tag und Nacht sowie sonstigen Wohnformen geleistet.

(3) Aufgabe und Ziele der Hilfe, die Bestimmung des Personenkreises sowie Art und Form der Leistungen richten sich nach Kapitel 6 des Teils 1 des Neunten Buches sowie § 90 und den Kapiteln 3 bis 6 des Teils 2 des Neunten Buches, soweit diese Bestimmungen auch auf seelisch behinderte oder von einer solchen Behinderung bedrohte Personen Anwendung finden und sich aus diesem Buch nichts anderes ergibt.

(4) Ist gleichzeitig Hilfe zur Erziehung zu leisten, so sollen Einrichtungen, Dienste und Personen in Anspruch genommen werden, die geeignet sind, sowohl die Aufgaben der Eingliederungshilfe zu erfüllen als auch den erzieherischen Bedarf zu decken. Sind heilpädagogische Maßnahmen für Kinder, die noch nicht im schulpflichtigen Alter sind, in Tageseinrichtungen für Kinder zu gewähren und lässt der Hilfebedarf es zu, so sollen Einrichtungen in Anspruch genommen werden, in denen behinderte und nicht behinderte Kinder gemeinsam betreut werden.

Tenor

Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Schleswig- Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 12. April 2012 – Einzelrichter der 15. Kammer – geändert.

Der Bescheid des Beklagten vom 02.08.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.09.2010 wird aufgehoben. Der Beklagte wird verpflichtet, dem Kläger die entstandenen Kosten für eine Schulbegleitung während der Klassenfahrt vom 27.09. bis 01.10.2010 nach Föhr in Höhe von 630,60 € zu erstatten.

Der Beklagte trägt die Kosten des gesamten Verfahrens; Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der erstattungsfähigen Kosten abzuwenden, wenn nicht der Kläger vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der im Jahr 2001 geborene Kläger begehrt die Erstattung der Kosten für die Schulbegleitung auf einer Klassenfahrt vom 27. September bis 01. Oktober 2010 nach Föhr.

2

Der Kläger wurde im Jahr 2007 in die Grundschule A-Stadt eingeschult. Nachdem er schon im Kindergarten eine Frühförderung erhalten hatte, wurde im September 2007 ein Gutachten zur Feststellung des sonderpädagogischen Förderbedarfs erstellt. Es wurde festgestellt, dass ein sonderpädagogischer Förderbedarf bestand, dessen Schwerpunkt in der emotionalen und sozialen Entwicklung lag. Dies bestätigte das amtsärztliche Gutachten vom 10. Oktober 2007. Auf Grund dessen bewilligte der Beklagte dem Kläger mit Bescheid vom 10. Dezember 2007 die Übernahme der Kosten für eine integrative Schulbegleitung durch eine Kraft der Lebenshilfe B-Stadt im Rahmen der Eingliederungshilfe gem. § 35a SGB VIII.

3

Da die Schulbegleitung auch weiterhin erforderlich blieb, gewährte der Beklagte die Begleitung auch in den Folgejahren weiter und weitete sie auf die Hausaufgabenbetreuung aus. Mit dem Hilfeplan vom 02. Juli 2010 wurde beschlossen, die Eigenständigkeit des Klägers zu fördern, indem die gewährten Stunden für die Schulbegleitung reduziert wurden. Dies erfolgte durch den Bescheid vom 06. Juli 2010. (Die Reduzierung der Betreuungsstunden ist inzwischen wieder aufgehoben worden, der Kläger erhält nach wie vor Schulbegleitung und Hausaufgabenbetreuung wie ursprünglich genehmigt.)

4

Mit dem Schreiben vom 15. Juli 2010 beantragten die Eltern des Klägers die Übernahme von Mehrstunden für die Schulbegleitung im Rahmen einer Klassenfahrt nach Föhr vom 27. September bis 01. Oktober 2010. Der Antrag wurde damit begründet, dass es sich um eine schulische Pflichtveranstaltung handele, die dem Kläger in seiner Entwicklung weiterhelfen würde. Allerdings könnten die Eltern die Mehrkosten weder aus eigener Tasche begleichen noch selbst die Klassenfahrt begleiten, da sie noch zwei kleine Kinder und eine kranke Mutter zu betreuen hätten.

5

Der Beklagte lehnte mit dem Bescheid vom 02. August 2010 die Maßnahme ab. Dagegen erhoben die Eltern des Klägers mit dem Schreiben vom 18. August 2010 Widerspruch, den sie damit begründeten, dass der Kläger dadurch von der Teilnahme am Leben der Gesellschaft ausgeschlossen würde, was mit dem Ziel des § 53 SGB XII nicht zu vereinbaren sei. Ohne Begleitung könne er an der Klassenfahrt nicht teilnehmen. Außerdem dürfe nach Art. 3 Abs. 3 GG niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden. Die Schule des Klägers unterstützte den Widerspruch des Klägers mit der Stellungnahme vom 30. August 2010. Sie stellte dar, dass die Klassenfahrt der seelischen Entwicklung des Klägers helfen würde, dass jedoch eine Beaufsichtigung des Klägers durch die Klassenlehrerin, die für 25 Schüler verantwortlich sei, nicht möglich sei und keine weiteren Lehrkräfte entbehrlich seien. Die Schule bat um Bewilligung der Begleitung, „damit auch an der Klassenfahrt teilnehmen könnte“.

6

Die Beklagte wies daraufhin den Widerspruch des Klägers mit dem Widerspruchsbescheid vom 08. September 2010 zurück. Es lägen keine Verhaltens- oder sonstigen Auffälligkeiten bei dem Kläger vor, die eine Teilnahme an der Klassenfahrt ohne Schulbegleitung unmöglich machten. Es sei lediglich ein Problem der Beaufsichtigung, für das vorrangig die Schule verantwortlich sei. Des Weiteren würde der Kläger durch die Begleitperson an der sozialen Integration in der Klassengemeinschaft behindert.

7

Gegen diese Entscheidung erhob der Kläger mit dem Schriftsatz vom 01. Oktober 2010 Klage bei dem Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgericht. Der Kläger habe noch immer Orientierungsschwierigkeiten in der Schule, insbesondere außerhalb des gewohnten Klassenraums. Auch fiele es ihm noch immer schwer, sich alleine an- und auszuziehen. Es sei daher auch seitens der Schule keinesfalls möglich gewesen, den Kläger ohne Begleitung an der Klassenfahrt teilnehmen zu lassen. Auch sei es nicht Aufgabe der Schule gewesen, eine Begleitperson zu organisieren. Mit Bescheid vom 17. Mai 2011 hat das Landesamt für Soziale Dienste das Merkmal „B“ (Berechtigung zur Mitnahme einer Begleitperson) zuerkannt; daraus ergebe sich, dass der Kläger nicht nur jetzt, sondern auch schon im September 2010 auf eine Begleitperson angewiesen (gewesen) sei.

8

Der Kläger hat an der Klassenfahrt teilgenommen und ist selbst für die Kosten der Begleitperson aufgekommen.

9

Der Kläger hat beantragt,

10

den Bescheid des Beklagten vom 02. August 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08. September 2010 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, dem Kläger die entstandenen Kosten für eine Schulbegleitung während der Klassenfahrt vom 27. September bis 01. Oktober 2010 nach Föhr in Höhe von 630,60 zu erstatten.

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Der Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

13

Der Beklagte hat ausgeführt, dass die Entwicklung des Klägers inzwischen so weit fortgeschritten sei, dass die Stunden der Begleitung reduziert werden sollten und er lernen solle, sich Situationen ohne Begleitperson zu stellen. Des Weiteren sei die Schule für die Aufsichtspflicht zuständig, da es keine Verhaltensauffälligkeiten gäbe, die die soziale Teilhabe des Klägers unmöglich machten.

14

Mit Urteil vom 12. April 2012 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Es hat ausgeführt, dass dem Beklagten eine Einschätzungsprärogative zustehe, die gerichtlich nur auf die Verletzung äußerer Grenzen überprüfbar sei. Diese seien nicht verletzt. Insbesondere ginge es bei einer Klassenfahrt nicht um die Vermittlung von Unterrichtsstoff, sondern um den Erwerb sozialer Kompetenzen. Daher sei es gerade in diesem Fall geeignet, die Selbstständigkeit des Klägers zu testen und zu fördern.

15

Des Weiteren sei nicht ersichtlich gewesen, dass eine Schulbegleitung erforderlich gewesen sei, da es sich lediglich um ein Problem der schulischen Aufsichtspflicht handelte. Auch habe die Anwesenheit der Schulbegleitung nicht alle Unwägbarkeiten ausschließen können, da der Kläger trotz Begleitung mit Halbschuhen eine Wattwanderung habe mitmachen müssen und in einen Gezeitenbrunnen gefallen sei. Für die Voraussetzung eines Ersatzanspruches nach § 36 a Abs. 3 SGB VIII fehle es überdies an einem rechtzeitigen Inkenntnissetzen des Beklagten. Die Klassenfahrt sei schon viel früher bekannt gewesen und man hätte auf ein anderes Ausflugsziel hinarbeiten können. Auch hätte stärker auf die Mitwirkung der Mitschüler hingewirkt werden können, die im Rahmen der Inklusion als Mentoren eine altersentsprechende Verantwortung hätten übernehmen können.

16

Hiergegen richtet sich die vom Senat zugelassene Berufung des Klägers. Zu deren Begründung trägt er ergänzend vor, dass der Beklagte rechtzeitig in Kenntnis gesetzt worden sei, da es ihm bereits im August möglich gewesen sei, eine Sachentscheidung zu treffen. Es sei überdies abwegig davon auszugehen, dass die Eltern des Klägers das Ziel der Klassenfahrt hätten beeinflussen können. Auch wären die gleichen Probleme an anderen Orten aufgetreten, da der Kläger sich in neuen Umgebungen nicht zurechtfinde und Hilfe beim Anziehen brauche. Es sei auch unverständlich, dass davon ausgegangen werde, die Anwesenheit der Schulbegleitung müsse jede Unwägbarkeit ausschließen können. Es könne auch 9-jährigen Mitschülern nicht zugemutet werden, sich in dieser verantwortungsvollen Weise um einen behinderten Mitschüler zu kümmern. In der mündlichen Verhandlung haben die Eltern des Klägers betont, dass gerade die Schulbegleitung es ihm ermögliche, an der Klassengemeinschaft teilzuhaben, da diese dafür sorge, dass er rechtzeitig seine Aufgaben erledige und nicht ständig alle anderen auf ihn warten müssten. Die Reduzierung der Stunden für die Begleitperson sei auch wieder aufgehoben worden.

17

Der Kläger beantragt,

18

unter Abänderung des angefochtenen Urteils nach den in erster Instanz gestellten Anträgen des Klägers zu erkennen.

19

Der Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

21

Der Beklagte nimmt Bezug auf sein bisheriges Vorbringen, insbesondere ist er der Auffassung, dass die erwachsene Begleitperson keine geeignete Maßnahme gewesen sei.

22

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die von den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Gerichtsakte 15 B 49/10 sowie die Verwaltungsvorgänge des Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

23

Die zulässige Berufung des Klägers ist begründet. Der ablehnende Bescheid des Beklagten vom 2. August 2010 in Form des Widerspruchsbescheides vom 8. September 2010 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

24

Dem Kläger steht ein Kostenerstattungsanspruch aus § 36a Abs. 3 SGB VIII zu. Danach ist der Träger der öffentlichen Jugendhilfe zum Ersatz der Aufwendungen verpflichtet, wenn der Leistungsberechtigte den Träger öffentlicher Jugendhilfe von dem Hilfebedarf rechtzeitig in Kenntnis gesetzt hat, die Voraussetzungen für die Gewährung von Hilfe vorlagen und die Deckung des Bedarfs bis zu der Entscheidung über das Rechtsmittel nach einer zu Unrecht abgelehnten Leistung keinen zeitlichen Aufschub geduldet hat. Diese Voraussetzungen liegen vor.

25

Die Voraussetzungen für die Gewährung von Hilfe lagen vor. Unstreitig hat der Kläger einen Anspruch auf Eingliederungshilfe nach § 35a SGB VIII, da seine seelische Gesundheit länger als sechs Monate von dem für sein Lebensalter typischen Zustand abweicht und daher seine Teilhabe am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Aus diesem Grund hat er auch seit seiner Einschulung eine Schulbegleitung bewilligt erhalten. Grundlage dafür waren jeweils die Hilfepläne. Mit dem letzten Hilfeplan vom 2. Juli 2010 war eine Reduzierung der Begleitstunden ab dem nächsten Schuljahr beschlossen worden. Diesen Hilfeplan hat der Beklagte seiner Entscheidung über die Ablehnung der Begleitung auf der Klassenfahrt zugrunde gelegt.

26

Das Verwaltungsgericht hat zutreffend darauf hingewiesen, dass dem Leistungsträger eine Einschätzungsprärogative für die Leistungsgewährung zusteht, die nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar ist. Bei einer aus fachlichen Gründen abgelehnten Leistung einer selbst beschafften Maßnahme ist zu prüfen, ob das Hilfekonzept verfahrensfehlerfrei zustande gekommen ist, nicht von sachfremden Erwägungen beeinflusst wurde und fachlich vertretbar ist (BVerwG Urteil vom 18.10.2012, - 5 C 21.11 -, juris). Dies erfasst auch die von der Behörde gegebene Begründung für die Entscheidung, da diese für den Betroffenen nachvollziehbar sein muss und ihn in die Lage versetzen muss, mittels einer Prognose zu entscheiden, ob die Selbstbeschaffung dennoch gerechtfertigt ist.

27

Die Entscheidung des Beklagten hält diesen Anforderungen nicht stand. Insbesondere ist die Begründung unter den in der Vergangenheit festgestellten Gesichtspunkten des Förderbedarfs nicht nachvollziehbar und fachlich nicht vertretbar.

28

Grundsätzlich sind auch Hilfen für besondere Schulveranstaltungen, wie z.B. Klassenfahrten möglich, wenn sie den Zielen der Eingliederungshilfe dienen (vgl. Jans/Happe/Saurbier/Harnach, Kinder- und Jugendhilferecht, Erl. § 35a Rn. 88, Stand: Juli 2013). Dabei muss berücksichtigt werden, dass nach § 10 Abs. 1 SGB VIII der Jugendhilfe Nachrang zu den Leistungsverpflichtungen der Schule zukommt. Die Abgrenzung, ob eine Maßnahme von der Schule oder von dem Jugendhilfeträger zu tragen ist und ob eine Konkurrenz im Sinne des § 10 Abs. 1 SGB VIII vorliegt, kann im Einzelfall problematisch sein, da die Übergänge nicht scharf zu trennen sind.

29

Es bestand in der beantragten Leistung eine andere Zwecksetzung, als die Leistungsverpflichtung der Schule. Zutreffend ist, dass die Stellungnahme der Schule vom 30. August 2010 lediglich von der mangelnden Möglichkeit der Aufsichtsführung ausgeht - allerdings auch davon, dass der Kläger ohne besondere Begleitperson nicht teilnehmen kann. Die Gewährleistung der Aufsicht ist zwar grundsätzlich die Pflicht der Schule, doch müssen die Aspekte berücksichtigt werden, die zu den Aufsichtsschwierigkeiten führen. Der dahinter stehende Grund kann ebenfalls zu der Leistungspflicht des Beklagten führen. Wie sich aus den Hilfeplänen und sonderpädagogischen Gutachten ergibt, steht die Förderung der Orientierung und Bewältigung des alltäglichen Ablaufs im Vordergrund. Dies dient der Integration des Klägers und ist nicht schulspezifischer Natur. Dieser Förderbedarf ist der entscheidende Grund, der die Aufsicht durch die Schule nicht möglich machte.

30

Dem Hilfeplan vom 2. Juli 2010 zu Folge sollte der Kläger nach und nach alleine in diese alltäglichen Situationen entlassen werden, indem sich die Schulbegleitung langsam aus dem Schulalltag zurückzieht. Diese Einschätzung wirkt für sich gesehen fachlich vertretbar und geeignet, die Integration des Klägers zu fördern. Dagegen ist es nicht fachlich vertretbar und nachvollziehbar, den Kläger in eine neue, mehrere Tage andauernde Situation ohne begleitende Hilfe zu lassen. Seit Beginn der Förderung ergibt sich aus den Hilfeplänen und Entwicklungsberichten durchgehend, dass der Kläger Schwierigkeiten damit hat, sich in neuen Situationen und Umgebungen zurechtzufinden und entsprechend zu reagieren. Er braucht lange, um sich an alltäglich wiederkehrende Abläufe zu gewöhnen und sich in diesen zu bewegen und Aufgaben wahrzunehmen. Auch wird wiederkehrend erwähnt, dass der Kläger Schwierigkeiten beim An- und Ausziehen hat und häufig verträumt und abwesend ist. Dadurch verpasst er den Anschluss oder die Möglichkeit einer Situation entsprechend zu reagieren. Des Weiteren hat er noch immer Probleme, sich sozial in das Klassengefüge zu integrieren, da er nicht gleichberechtigt behandelt wird. Daher besteht die Gefahr, dass er geschädigt wird, indem er sich nicht entsprechend zur Wehr setzt. Die Orientierungslosigkeit des Klägers ist insbesondere außerhalb des Klassenraums noch besonders groß, wie sich aus dem sonderpädagogischen Bericht vom 31. Mai 2010 ergibt. Selbst im Hilfeplan vom 2. Juli 2010 wird festgehalten, dass der Kläger gegebenenfalls in Hausschuhen von der Schule nach Hause laufen würde, Schwierigkeiten beim An- und Ausziehen bestehen, die gleichberechtigte Teilhabe am Spiel noch nicht besteht und die Ritualisierung gefördert werden soll. Diese zu fördernden Umstände waren gemäß dem Bericht der Schulbegleiterin der Aufgabenbereich, der von ihr auf der Klassenfahrt tatsächlich zu erbringen war.

31

Auf Grund dieser Tatsachen, die dem Beklagten bekannt waren, erscheint es nicht verständlich und fachlich begründet, den Kläger lediglich an die Aufsichtspflicht der Schule zu verweisen und in dieser Situation die Möglichkeit zu sehen, seine Selbstständigkeit zu trainieren. Bei den festgestellten Tatsachen handelt es sich um keine pädagogischen Aspekte, die zum Aufgabenbereich der Schule gehören. Es handelt sich um Tatsachen, die mit dem alltäglichen Leben zusammenhängen und auf die Behinderung des Klägers zurückzuführen sind. Diese Umstände bewirken, dass der Kläger einer besonderen Berücksichtigung bedarf, die nicht lediglich der allgemeinen schulischen Aufsicht unterfällt. Es handelt sich um individuell und speziell zu beachtende Umstände, die keinen schulspezifischen Zusammenhang haben.

32

Es ist auch nicht nachvollziehbar, den 9-jährigen Mitschülern die Aufsicht als „Mentoren“ zu übertragen. Dies mag für den gewohnten Ablauf in der Schule sinnvoll sein, doch ist 9- jährigen Schülern in einer unbekannten, aufregenden Situation wie einer Klassenfahrt nicht zuzutrauen, dass sie die verantwortungsvolle Übersicht für sich selbst, geschweige denn für einen behinderten Mitschüler selbstständig übernehmen. Dies muss auch unter dem Aspekt berücksichtigt werden, dass die Mitschüler den Kläger laut den Hilfeplänen noch nicht als gleichberechtigt behandeln und die Gefahr einer Schädigung besteht, weil sich der Kläger nicht hinreichend zur Wehr setzt.

33

Des Weiteren erscheint es nicht sinnvoll, den teilweisen Rückzug der Begleitung auf einer Klassenfahrt auszuprobieren. Es ist dem Kläger gerade nicht möglich, auf unbekannte Situationen zu reagieren und sich in fremden Umgebungen zurechtzufinden. Ausweislich des letzten Hilfeplans sollen ritualisierte, wiederkehrende Handlungen geübt werden und sich von diesen Handlungen langsam zurückgezogen werden. In diesem Kontext erscheint es geradezu abwegig, die Selbstständigkeit auf einer fünf-tägigen Klassenfahrt in einer völlig unbekannten Umgebung und mit vollständig unbekannten Abläufen trainieren zu wollen.

34

Auch der Auffassung, die Anwesenheit der Schulbegleitung sei wegen der Wattwanderung in Halbschuhen und des Sturzes in den Gezeitenbrunnen nicht geeignet gewesen, kann nicht gefolgt werden. Selbst durch eine Begleitperson kann nicht jede Unwägbarkeit ausgeschlossen werden. Des Weiteren könnte dem entgegen gehalten werden, dass sich durch die Anwesenheit der Begleitung nur zwei solcher Vorfälle ereignet haben, während ohne die Begleitung weitere Vorfälle wahrscheinlich gewesen wären. Wie dringend die Begleitung erforderlich war, ergibt sich vielmehr aus dem Bericht der Begleiterin von der Fahrt.

35

Dem Beklagten ist der Hilfebedarf auch rechtzeitig bekannt gegeben worden. Dem Träger öffentlicher Jugendhilfe muss der Hilfebedarf so rechtzeitig bekannt gegeben werden, dass er zu pflichtgemäßer Prüfung sowohl der Anspruchsvoraussetzungen als auch möglicher Hilfemaßnahmen in der Lage ist (vgl. Hauck/Noftz/Stähr, Sozialgesetzbuch SGB VIII, § 36a Rn. 26, Stand: Juli 2013; Jans/Happe/Saurbier/Werner, Kinder- und Jugendhilferecht, Erl. § 36a Rn. 35, Stand: Juli 2013). Der formelle Antrag wurde mit dem Schreiben vom 15. Juli 2010 gestellt, jedoch schon im Rahmen des Hilfeplangesprächs auf die bevorstehende Klassenfahrt hingewiesen und der Begleitbedarf geltend gemacht. Bei dem Merkmal des Inkenntnissetzens muss es sich nicht um einen formellen Antrag handeln, es reicht, dass für den Beklagten erkennbar war, dass der Bedarf bestand und die Hilfe geltend gemacht werden soll. Somit wurde der Beklagte fast drei Monate vor der Klassenfahrt von dem Hilfebedarf in Kenntnis gesetzt. Es ist unbeachtlich, dass die Klassenfahrt schon vorher geplant war. Der Beklagte hatte genügend Zeit für eine Entscheidung, was sich auch daraus ergibt, dass er schon am 2. August 2010 zu einer endgültigen Entscheidung gelangte und auch vor Durchführung der Fahrt sogar über den Widerspruch entscheiden konnte. Es war schließlich nicht notwendig umfangreiche Gutachten oder Informationen einzuholen, da ein aktueller Hilfeplan bestand und die Situation des Klägers bekannt war.

36

Der Hinweis des Verwaltungsgerichts, dass die Geltendmachung des Bedarfs verspätet sei, weil bei einer früheren Information des Beklagten die Möglichkeit bestanden hätte, Einfluss auf das Reiseziel zu nehmen, liegt neben der Sache. Abgesehen davon, dass es einzelnen Eltern kaum möglich sein dürfte, auf das Ziel einer Klassenfahrt Einfluss zu nehmen, hätte sich auch bei anderen Reisezielen die gleiche Situation der Hilfebedürftigkeit ergeben.

37

Die Leistung duldete auch keinen zeitlichen Aufschub, so dass die Leistung selbst beschafft werden durfte.

38

Die Kostenentscheidung ergibt sich aus § 154 Abs. 1, § 188 Satz 2 VwGO.

39

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit hinsichtlich der Kosten ergibt sich aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.

40

Gründe, die Revision zuzulassen, liegen nicht vor.


(1) Die Eltern haben die Pflicht und das Recht, für das minderjährige Kind zu sorgen (elterliche Sorge). Die elterliche Sorge umfasst die Sorge für die Person des Kindes (Personensorge) und das Vermögen des Kindes (Vermögenssorge).

(2) Bei der Pflege und Erziehung berücksichtigen die Eltern die wachsende Fähigkeit und das wachsende Bedürfnis des Kindes zu selbständigem verantwortungsbewusstem Handeln. Sie besprechen mit dem Kind, soweit es nach dessen Entwicklungsstand angezeigt ist, Fragen der elterlichen Sorge und streben Einvernehmen an.

(3) Zum Wohl des Kindes gehört in der Regel der Umgang mit beiden Elternteilen. Gleiches gilt für den Umgang mit anderen Personen, zu denen das Kind Bindungen besitzt, wenn ihre Aufrechterhaltung für seine Entwicklung förderlich ist.

Eltern und Kinder sind einander Beistand und Rücksicht schuldig.

(1) Verpflichtungen anderer, insbesondere der Träger anderer Sozialleistungen und der Schulen, werden durch dieses Buch nicht berührt. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach diesem Buch entsprechende Leistungen vorgesehen sind.

(2) Unterhaltspflichtige Personen werden nach Maßgabe der §§ 90 bis 97b an den Kosten für Leistungen und vorläufige Maßnahmen nach diesem Buch beteiligt. Soweit die Zahlung des Kostenbeitrags die Leistungsfähigkeit des Unterhaltspflichtigen mindert oder der Bedarf des jungen Menschen durch Leistungen und vorläufige Maßnahmen nach diesem Buch gedeckt ist, ist dies bei der Berechnung des Unterhalts zu berücksichtigen.

(3) Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem Zweiten Buch vor. Abweichend von Satz 1 gehen Leistungen nach § 3 Absatz 2, den §§ 14 bis 16g, 16k, § 19 Absatz 2 in Verbindung mit § 28 Absatz 6 des Zweiten Buches sowie Leistungen nach § 6b Absatz 2 des Bundeskindergeldgesetzes in Verbindung mit § 28 Absatz 6 des Zweiten Buches den Leistungen nach diesem Buch vor.

(4) Die Leistungen nach diesem Buch gehen Leistungen nach dem Neunten und Zwölften Buch vor. Abweichend von Satz 1 gehen Leistungen nach § 27a Absatz 1 in Verbindung mit § 34 Absatz 6 des Zwölften Buches und Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Neunten Buch für junge Menschen, die körperlich oder geistig behindert oder von einer solchen Behinderung bedroht sind, den Leistungen nach diesem Buch vor. Landesrecht kann regeln, dass Leistungen der Frühförderung für Kinder unabhängig von der Art der Behinderung vorrangig von anderen Leistungsträgern gewährt werden.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.