Verwaltungsgericht Greifswald Urteil, 14. Okt. 2015 - 6 A 1139/12
Tenor
Soweit die Klage zurückgenommen worden ist, wird das Verfahren eingestellt. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist im Kostenpunkt vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der Kostenschuld abwenden, falls die Beklagte nicht vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten um die rückwirkende Gewährung einer altersdiskriminierungsfreien Besoldung.
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Die Klägerin ist Beamtin im Dienste der Beklagten. Mit Schreiben vom 21.12.2011 machte sie im Umfang der nicht verjährten Besoldungsansprüche ihre Besoldung aus der höchsten Altersstufe ihrer Besoldungsgruppe ab dem 01.01.2008 geltend. Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 18.07.2012 als unbegründet zurück
- 3
Die Klägerin hat unter dem Datum des 20.08.2012 Klage erhoben und verfolgt den bereits mit dem Widerspruch vom 21.12.2011 geltend gemachten Anspruch weiter. Nach einer teilweisen Rücknahme der Klage in der mündlichen Verhandlung am 14.10.2015
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beantragt die Klägerin nunmehr,
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die Beklagte unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 18.07.2012 zu verurteilen, an sie zum Ausgleich für die durch ihre besoldungsrechtliche Einstufung nach dem Lebensalter erlittene Benachteiligung wegen des Lebensalters eine angemessene Entschädigung für die Zeit vom 01.01.2008 bis 30.06.2009 zu zahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
- 8
Die Kammer hat den Rechtsstreit mit Beschluss vom 31. August 2015 gemäß § 6 Abs. 1 VwGO zur Entscheidung auf den Berichterstatter als Einzelrichter übertragen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge der Beklagten sowie auf das Protokoll über die mündliche Verhandlung vom 14.10.2015 ergänzend Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Soweit die Klägerin ihre Klage zurückgenommen hat, war das Verfahren einzustellen (§ 92 Abs. 3 VwGO).
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Die statthafte Leistungsklage hat im Übrigen keinen Erfolg. Die Klägerin hat gegen die Beklagte keinen Anspruch auf eine Entschädigung für den Zeitraum vom 01.01.2008 bis zum 30.06.2009 wegen der bis dahin erfolgten altersdiskriminierenden Besoldung.
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Das Bundesverwaltungsgericht hat zwar auf der Grundlage und in Übernahme der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 19.06.2014 - C-501/12 [ECLI:EU:C: 2014:2005], Specht - NVwZ 2014, 1294) bereits entschieden, dass die Besoldung der Beamten der Besoldungsordnung A nach den §§ 27, 28 BBesG a.F. Beamte unmittelbar aufgrund ihres Lebensalters benachteiligt hat (BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 - 2 C 6.13 -, juris, Rn. 19). Dies gilt für die unter das Bundesbesoldungsgesetz (BBesG) fallenden Beamten der Beklagten bis zum Inkrafttreten des Bundesbesoldungsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 19. Juni 2009 (BGBl. I S. 1434) am 01.07.2009, mit dem eine Umstellung der Besoldung von Lebens- auf Erfahrungsaltersstufen vorgenommen wurde. Eine Einstufung der betroffenen Beamten in eine höhere oder gar in die höchste Dienstaltersstufe ihrer Besoldungsgruppe zum Ausgleich dieser ungerechtfertigten Diskriminierung ist jedoch ausgeschlossen (vgl. BVerwG, Urteil vom 30.10.2014, a. a. O., juris, Rn. 19 ff).
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Die erkennende Kammer folgt dieser Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. VG Greifswald, Urteile vom 02.07.2015, Az.: 6 A 1117/12 und 6 A 831/12 zur Rechtslage im Anwendungsbereich des BBesG).
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Ebenso wenig steht der Klägerin Schadensersatz zu. Ein solcher Anspruch folgt weder aus der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27.11. 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf noch aus dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch. Auch ein verschuldensabhängiger Anspruch auf Schadensersatz aus § 15 Abs. 1 i. V. m. § 24 Nr. 1 AGG scheidet für den Zeitraum bis zum 08.09.2011 aus (BVerwG, Urteil vom 30.10.2014, a. a. O., juris, Rn. 25 ff., 43).
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Schließlich steht der Klägerin auch ein Anspruch auf Entschädigungszahlung nach § 15 Abs. 2 i.V.m. § 24 Nr. 1 AGG nicht zu. Nach dieser Vorschrift kann der oder die Beschäftigte wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Ein solcher Anspruch scheitert hier daran, dass die Klägerin die gesetzliche Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG von zwei Monaten zur schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs nach § 15 Abs. 2 AGG nicht gewahrt hat. Die Frist beginnt nach § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG mit dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene von der Benachteiligung Kenntnis erlangt. Ist eine Rechtslage unsicher und unklar, beginnt die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG mit der objektiven Klärung der Rechtslage durch eine höchstrichterliche Entscheidung (BVerwG, Urteil vom 30.10.2014, a. a. O., juris, Rn. 51 ff. sowie Urteil vom 20.05.2015 – 2 A 9/13 –, juris, Rn. 14). Die entscheidungserhebliche Rechtslage ist hier durch die Verkündung des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union in Sachen Hennigs und Mai am 8. September 2011 (C-297/10 und C-298/10 [ECLI:EU:C:2011:560]) geklärt worden. In diesem Urteil ist den Mitgliedstaaten der Bedeutungsgehalt von Art. 2 Abs. 2 und Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG in Bezug auf ein mit den §§ 27 und 28 BBesG a.F. vergleichbares Entlohnungssystem verdeutlicht worden (EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 a.a.O. Rn. 104). Der Widerspruch der Klägerin vom 21.12.2011, mit dem sie ihren Anspruch auf Bemessung ihres Grundgehalts nach der höchsten Stufe ihrer Besoldungsgruppe gegenüber der Beklagten geltend gemacht hatte, begründet den Antrag ausdrücklich unter Bezugnahme auf das Urteil des Gerichtshofs der Europäischen Union in Sachen Hennigs und Mai vom 8. September 2011. Die an dieses Urteil anknüpfende Zwei-Monats-Frist gemäß § 15 Abs. 4 AGG lief am 8. November 2011 ab. Die Klägerin hatte ihren Anspruch erstmals am 21.12.2011 und damit nicht fristgerecht geltend gemacht.
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Das Bundesverwaltungsgericht hat im Urteil vom 30.10.2014 (2 C 6.13) sowie in weiteren Parallelentscheidungen vom 30.10.2014 (C 36.13, 2 C 38.13 und 2 C 39.13) entschieden, dass es für die für den Fristbeginn maßgebliche Kenntnis auf die Verkündung des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 8. September 2011 ankommt. Die Kammer folgt dieser Rechtsprechung (VG Greifswald, Urteile vom 02.07.2015, a. a. O.; vgl. auch VG München, Urteil vom 22.09.2015 – M 5 K 15.1896; VG Bremen, Urteile vom 25.08.2015 – 6 K 274/14 u.a.; VG Köln, Urteil vom 29.07.2015 – 3 K 3407/13; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 28.07.2015 – 12 K 3414/12; VG Osnabrück, Urteil vom 22.07.2015 – 3 A 78/12; VG Aachen, Urteil vom 16.07.2015 – 1 K 1237/13 und VG Trier, Urteil vom 03.03.2015 – 1 K 2015/14.TR, jeweils juris). Danach hat der Beschäftigte grundsätzlich Kenntnis von der Benachteiligung, wenn er die anspruchsbegründenden Tatsachen kennt. Dass er aus diesen Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht, ist nicht erforderlich. Von diesem Grundsatz ist eine Ausnahme für den Fall einer unsicheren und zweifelhaften Rechtslage geboten. Der Lauf der Ausschlussfrist beginnt dann zu dem Zeitpunkt, ab dem die Erhebung einer Klage für den Betroffenen zumutbar ist, d.h. die Klage hinreichend aussichtsreich, wenn auch nicht risikolos ist. Danach ist in diesen Fällen die objektive Klärung der Rechtslage durch höchstrichterliche Entscheidungen maßgeblich (BVerwG, Urteil vom 30.10.2014, a.a.O. unter Hinweis auf Urteile des BAG und des BGH zu dem gleich behandelten Fall des Beginns der Verjährung nach § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB, juris, Rn. 51). Der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes, wonach die insgesamt unklare Rechtslage in Bezug auf die Maßgeblichkeit der Richtlinie für die Gruppe der Beamten nicht bereits durch die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 08.09.2011, sondern erst durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 19.06.2014 geklärt worden sei (vgl. OVG des Saarlandes, Urteil vom 06.08.2015 – 1 A 290/14, juris), folgt die Kammer nicht. Die in der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelte Abweichung von dem in § 15 Abs. 4 AGG bzw. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB festgeschriebenen Grundsatz, nach dem es für den Beginn des Fristenlaufs ausschließlich auf die Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen, nicht jedoch auf die Kenntnis der Rechtslage ankommt, hat Ausnahmecharakter und ist deshalb eng auszulegen. Wenn dem Gläubiger eines Anspruchs bei Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen unabhängig von der Kenntnis der Rechtslage vom Gesetz grundsätzlich abverlangt wird, den Anspruch binnen einer bestimmten Frist geltend zu machen und damit auch ein bestimmtes Prozessrisiko auferlegt wird, dann kann die Ausnahmeregelung den Gläubiger bei einer unklaren Rechtslage nicht insoweit besser stellen, als dieser solange mit der Geltendmachung seines Anspruchs zuwarten kann, bis diese ohne jedes Prozessrisiko möglich ist. Von einer „Klärung der Rechtslage“ im Sinne der Ausnahmeregelung ist deshalb bereits dann auszugehen, wenn es für einen verständigen Gläubiger trotz eines verbleibenden Prozessrisikos zumutbar erscheint, den Anspruch geltend zu machen, d.h. die Klage hinreichend aussichtsreich, wenn auch nicht risikolos ist. Eine so verstandene Klärung der Rechtslage war aber bereits mit der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 08.09.2011 erreicht, weil – ungeachtet teilweiser abweichender Auffassungen in verwaltungsgerichtlichen Entscheidungen – ab diesem Zeitpunkt jedenfalls einiges dafür sprach, dass die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs vom 08.09.2011 auch für mit tarifvertraglich geregelten Entlohnungssystemen vergleichbare Besoldungssysteme Geltung beanspruchen würde.
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Dem Bundesverwaltungsgericht ist auch in der Auffassung zu folgen, dass unter dem Blickwinkel dieser Klärung bereits auf die Verkündung des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union vom 8. September 2011 abzustellen ist, denn entscheidend ist nicht die Kenntnis des Betroffenen aufgrund einer Veröffentlichung, sondern die Klärung der Rechtslage. Von daher ist es für den Fristbeginn wegen ungeklärter Rechtslage, die den Fristbeginn des § 15 Abs. 2 AGG deswegen hinausschiebt, grundsätzlich ohne Bedeutung, wann die Entscheidung, die die Rechtslage geklärt hat, veröffentlicht worden ist.
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Doch selbst wenn man auf die Veröffentlichung des Urteils abstellen wollte, wäre der Anspruch von der Klägerin verfristet geltend gemacht worden. Hierfür wäre nicht auf die Veröffentlichung in irgendeiner – gar noch bestimmten – Fachzeitschrift abzustellen, sondern auf die Verlautbarung in irgendeiner öffentlich zugänglichen Quelle, namentlich dem Internet. Insoweit verhält es sich so, dass der Volltext der Urteile des Gerichtshofs der Europäischen Union am Tag der Verkündung auf der Curia-Website veröffentlicht wird (vgl. hierzu Pressemitteilung des Gerichtshof der Europäischen Union Nr. 86/11 vom 8. September 2011). Von daher kann auch für die Möglichkeit der Kenntnisnahme auf den Tag der Urteilsverkündung abgestellt werden.
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Dass nur Veröffentlichungen in papierner Form, insbesondere in Fachzeitschriften, vor allem der NJW, für die Kenntnisnahme durch jedermann in Betracht kommen, lässt sich dem Urteil des BGH vom 23.09.2008 (XI ZR 262/07, NJW-RR 2009, 547) nicht entnehmen. Vielmehr weist der BGH in dieser Entscheidung darauf hin, dass es auf die Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis der Kläger von der Klärung der Rechtslage nicht ankommt und die Klageerhebung ab objektiver Klärung der Rechtslage zumutbar ist. Soweit sich der BGH auf die „Veröffentlichung dieser Entscheidungen in der NJW als der auflagenstärksten juristischen Fachzeitschrift“ bezieht, kann hieraus allenfalls abgeleitet werden, dass der BGH eine Veröffentlichung der klärenden Entscheidung in irgendeiner Weise für erforderlich hält, etwa weil auch für den gewissenhaften Gläubiger die Unzumutbarkeit für die Geltendmachung seines Anspruchs erst mit der Möglichkeit der Kenntniserlangung von der Klärung der Rechtslage entfallen soll. Hierfür aber ist die Veröffentlichung durch das Gericht im Internet besser geeignet als diejenige in einer juristischen Fachzeitschrift.
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Das Bundesverfassungsgericht hat die Verfassungsbeschwerden, die sich gegen die Bestimmung des Beginns der Frist des § 15 Abs. 4 AGG in den Parallelentscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.10.2012 - 2 C 36.13, 2 C 38.13 und 2 C 39.13 - gerichtet hatten, mit Beschlüssen vom 30.06.2015 nicht zur Entscheidung angenommen (BVerfG, 2 BvR 756/15, 2 BvR 757/15 und 2 BvR 758/15).
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Die Kostenentscheidung folgt aus §§ 92 Abs. 3, 154 Abs. 1 VwGO.
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Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
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Eine Zulassung der Berufung kam weder nach § 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO (grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache), noch nach § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO (Abweichung von obergerichtlicher Rechtsprechung) in Betracht. Die Rechtslage ist mit den Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts vom 30.10.2014 (2 C 6.13 u.a.) geklärt. Eine Abweichung von der Entscheidung des OVG des Saarlandes vom 06.08.2015 (1 A 290/14) rechtfertigt die Zulassung der Berufung nicht, weil das OVG des Saarlandes nicht das nächsthöhere Gericht des Rechtszuges ist und nicht unter § 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO fällt.
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Referenzen - Gesetze
Zivilprozessordnung - ZPO | § 708 Vorläufige Vollstreckbarkeit ohne Sicherheitsleistung
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 124
Bürgerliches Gesetzbuch - BGB | § 199 Beginn der regelmäßigen Verjährungsfrist und Verjährungshöchstfristen
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 92
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 15 Entschädigung und Schadensersatz
Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 6
Bundesbesoldungsgesetz - BBesG | § 27 Bemessung des Grundgehaltes
Bundesbesoldungsgesetz - BBesG | § 28 Berücksichtigungsfähige Zeiten
Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz - AGG | § 24 Sonderregelung für öffentlich-rechtliche Dienstverhältnisse
Referenzen - Urteile
Urteil einreichenVerwaltungsgericht Greifswald Urteil, 14. Okt. 2015 - 6 A 1139/12 zitiert oder wird zitiert von 8 Urteil(en).
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Verwaltungsgericht Halle Urteil, 14. Apr. 2016 - 5 A 38/15
(1) Die Kammer soll in der Regel den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn
- 1.
die Sache keine besonderen Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist und - 2.
die Rechtssache keine grundsätzliche Bedeutung hat.
(2) Der Rechtsstreit darf dem Einzelrichter nicht übertragen werden, wenn bereits vor der Kammer mündlich verhandelt worden ist, es sei denn, daß inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.
(3) Der Einzelrichter kann nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit auf die Kammer zurückübertragen, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozeßlage ergibt, daß die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.
(4) Beschlüsse nach den Absätzen 1 und 3 sind unanfechtbar. Auf eine unterlassene Übertragung kann ein Rechtsbehelf nicht gestützt werden.
(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.
(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.
(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.
(1) Das Grundgehalt wird, soweit nicht gesetzlich etwas Anderes bestimmt ist, nach Stufen bemessen. Dabei erfolgt der Aufstieg in eine nächsthöhere Stufe nach bestimmten Dienstzeiten, in denen anforderungsgerechte Leistungen erbracht wurden (Erfahrungszeiten).
(2) Mit der ersten Ernennung mit Anspruch auf Dienstbezüge im Anwendungsbereich dieses Gesetzes wird ein Grundgehalt der Stufe 1 festgesetzt, soweit nicht Erfahrungszeiten nach § 28 Absatz 1 bis 3 anerkannt werden. Die Stufe wird mit Wirkung vom Ersten des Monats festgesetzt, in dem die Ernennung wirksam wird. Die Stufenfestsetzung ist dem Beamten oder Soldaten schriftlich mitzuteilen. Die Sätze 1 bis 3 gelten entsprechend für
- 1.
die Versetzung, die Übernahme und den Übertritt in den Dienst des Bundes, - 2.
den Wechsel aus einem Amt der Bundesbesoldungsordnungen B, R, W oder C in ein Amt der Bundesbesoldungsordnung A sowie - 3.
die Einstellung eines ehemaligen Beamten, Richters, Berufssoldaten oder Soldaten auf Zeit in ein Amt der Bundesbesoldungsordnung A.
(3) Das Grundgehalt steigt nach Erfahrungszeiten von zwei Jahren in der Stufe 1, von jeweils drei Jahren in den Stufen 2 bis 4 und von jeweils vier Jahren in den Stufen 5 bis 7. Abweichend von Satz 1 beträgt die Erfahrungszeit in den Stufen 5 bis 7 bei Beamten in den Laufbahnen des einfachen Dienstes und bei Soldaten in den Laufbahnen der Mannschaften jeweils drei Jahre. Zeiten ohne Anspruch auf Dienstbezüge verzögern den Aufstieg um diese Zeiten, soweit in § 28 Absatz 5 nicht etwas Anderes bestimmt ist. Die Zeiten sind auf volle Monate abzurunden.
(4) Wird festgestellt, dass die Leistungen des Beamten oder Soldaten nicht den mit dem Amt verbundenen Anforderungen entsprechen, verbleibt er in seiner bisherigen Stufe des Grundgehaltes. Die Feststellung nach Satz 1 erfolgt auf der Grundlage einer geeigneten Leistungseinschätzung. Ist die Leistungseinschätzung älter als zwölf Monate, ist ergänzend eine aktuelle Leistungseinschätzung zu erstellen. Für die Feststellung nach Satz 1 können nur Leistungen berücksichtigt werden, auf die vor der Feststellung hingewiesen wurde.
(5) Wird auf der Grundlage einer weiteren Leistungseinschätzung festgestellt, dass die Leistungen des Beamten oder Soldaten wieder den mit dem Amt verbundenen Anforderungen entsprechen, erfolgt der Aufstieg in die nächsthöhere Stufe am ersten Tag des Monats, in dem diese Feststellung erfolgt. Wird in der Folgezeit festgestellt, dass der Beamte oder Soldat Leistungen erbringt, die die mit dem Amt verbundenen Anforderungen erheblich übersteigen, gilt der von dieser Feststellung erfasste Zeitraum nicht nur als laufende Erfahrungszeit, sondern wird zusätzlich so angerechnet, dass er für die Zukunft die Wirkung eines früheren Verbleibens in der Stufe entsprechend mindert oder aufhebt. Die für diese Anrechnung zu berücksichtigenden Zeiten sind auf volle Monate abzurunden. Maßgebender Zeitpunkt ist der Erste des Monats, in dem die entsprechende Feststellung erfolgt.
(6) Bei dauerhaft herausragenden Leistungen kann Beamten und Soldaten der Bundesbesoldungsordnung A für den Zeitraum bis zum Erreichen der nächsten Stufe das Grundgehalt der nächsthöheren Stufe gezahlt werden (Leistungsstufe). Die Zahl der in einem Kalenderjahr bei einem Dienstherrn vergebenen Leistungsstufen darf 15 Prozent der Zahl der bei dem Dienstherrn vorhandenen Beamten und Soldaten der Bundesbesoldungsordnung A, die das Endgrundgehalt noch nicht erreicht haben, nicht übersteigen. Die Bundesregierung wird ermächtigt, nähere Regelungen durch Rechtsverordnung zu treffen. In der Rechtsverordnung kann zugelassen werden, dass bei Dienstherren mit weniger als sieben Beamten im Sinne des Satzes 2 in jedem Kalenderjahr einem Beamten die Leistungsstufe gewährt wird.
(7) Die Entscheidung nach den Absätzen 4 bis 6 trifft die zuständige oberste Dienstbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle. Sie ist dem Beamten oder Soldaten schriftlich mitzuteilen. Widerspruch, Beschwerde nach der Wehrbeschwerdeordnung und Anfechtungsklage haben keine aufschiebende Wirkung.
(8) In der Probezeit nach § 11 Absatz 1 des Bundesbeamtengesetzes erfolgt das Aufsteigen in den Stufen entsprechend den in Absatz 3 genannten Zeiträumen.
(9) Der Beamte oder Soldat verbleibt in seiner bisherigen Stufe, solange er vorläufig des Dienstes enthoben ist. Führt ein Disziplinarverfahren nicht zur Entfernung aus dem Dienst oder endet das Dienstverhältnis nicht durch Entlassung auf Antrag des Beamten oder Soldaten oder infolge strafgerichtlicher Verurteilung, regelt sich das Aufsteigen im Zeitraum seiner vorläufigen Dienstenthebung nach Absatz 3.
(1) Beamten und Soldaten werden bei der ersten Stufenfestsetzung als Erfahrungszeiten im Sinne des § 27 Absatz 2 anerkannt:
- 1.
Zeiten einer gleichwertigen hauptberuflichen Tätigkeit außerhalb eines Soldatenverhältnisses, die für Beamte nicht Voraussetzung für den Erwerb der Laufbahnbefähigung oder für Soldaten nicht Voraussetzung für die Einstellung mit einem Dienstgrad einer Besoldungsgruppe bis A 13 sind, - 2.
Zeiten als Berufssoldat oder Soldat auf Zeit, - 3.
Zeiten von mindestens vier Monaten und insgesamt höchstens zwei Jahren, in denen Wehrdienst, soweit er nicht unter Nummer 2 fällt, Zivildienst, Bundesfreiwilligendienst, Entwicklungsdienst oder ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr geleistet wurde, - 4.
Verfolgungszeiten nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz, soweit eine Erwerbstätigkeit, die einem Dienst bei einem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn (§ 29) entspricht, nicht ausgeübt werden konnte.
- 1.
Zeiten einer Kinderbetreuung von bis zu drei Jahren für jedes Kind (Kinderbetreuungszeiten), - 2.
Zeiten der tatsächlichen Pflege von Eltern, Schwiegereltern, Ehegatten, Geschwistern oder Kindern, die nach ärztlichem Gutachten pflegebedürftig sind, von bis zu drei Jahren für jeden dieser Angehörigen (Pflegezeiten).
(2) Beamten können weitere hauptberufliche Zeiten, die nicht Voraussetzung für den Erwerb der Laufbahnbefähigung sind, ganz oder teilweise anerkannt werden, soweit diese für die Verwendung förderlich sind. Wird für die Einstellung ein mit einem Master abgeschlossenes Hochschulstudium oder ein gleichwertiger Abschluss vorausgesetzt, sind Beamten dafür zwei Jahre als Erfahrungszeit anzuerkennen. Zusätzliche Qualifikationen, die nicht im Rahmen von hauptberuflichen Zeiten erworben wurden, können Beamten in besonderen Einzelfällen, insbesondere zur Deckung des Personalbedarfs, mit bis zu drei Jahren als Erfahrungszeit im Sinne des § 27 Absatz 3 anerkannt werden. Die Entscheidungen nach den Sätzen 1 und 3 trifft die oberste Dienstbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.
(3) Werden Soldaten auf Grund ihrer beruflichen Qualifikation mit einem höheren Dienstgrad eingestellt, können entsprechend den jeweiligen Einstellungsvoraussetzungen als Erfahrungszeiten anerkannt werden:
- 1.
in der Laufbahngruppe der Unteroffiziere für die Einstellung mit einem Dienstgrad einer Besoldungsgruppe bis A 7 höchstens vier Jahre und - 2.
in der Laufbahngruppe der Offiziere für die Einstellung mit einem Dienstgrad einer Besoldungsgruppe bis A 13 höchstens sechs Jahre.
(4) Derselbe Zeitraum kann nur einmal anerkannt werden. Die Zeiten nach den Absätzen 1 bis 3 sind zu addieren und danach auf volle Monate aufzurunden.
(5) Abweichend von § 27 Absatz 3 Satz 3 wird der Aufstieg in den Stufen durch folgende Zeiten nicht verzögert:
- 1.
Kinderbetreuungs- und Pflegezeiten nach Absatz 1 Satz 4, - 2.
Zeiten einer Beurlaubung ohne Dienstbezüge, die nach gesetzlichen Bestimmungen dienstlichen Interessen dient; dies gilt auch, wenn durch die oberste Dienstbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle schriftlich oder elektronisch anerkannt ist, dass der Urlaub dienstlichen Interessen oder öffentlichen Belangen dient, - 3.
Zeiten, die nach dem Arbeitsplatzschutzgesetz nicht zu dienstlichen Nachteilen führen dürfen, - 4.
Zeiten einer Eignungsübung nach dem Eignungsübungsgesetz und - 5.
Zeiten, die in einem kommunalen Wahlbeamtenverhältnis erbracht wurden.
(6) Zeiten, die nach § 28 Absatz 3 Nummer 1 oder 2 des Bundesbesoldungsgesetzes in der bis zum 30. Juni 2009 geltenden Fassung berücksichtigt wurden, werden auf die Zeiten nach Absatz 5 Nummer 1 angerechnet.
Die Vorschriften dieses Gesetzes gelten unter Berücksichtigung ihrer besonderen Rechtsstellung entsprechend für
- 1.
Beamtinnen und Beamte des Bundes, der Länder, der Gemeinden, der Gemeindeverbände sowie der sonstigen der Aufsicht des Bundes oder eines Landes unterstehenden Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts, - 2.
Richterinnen und Richter des Bundes und der Länder, - 3.
Zivildienstleistende sowie anerkannte Kriegsdienstverweigerer, soweit ihre Heranziehung zum Zivildienst betroffen ist.
(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.
(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.
(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.
(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.
(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.
Tenor
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Soweit die Klage zurückgenommen wurde, wird das Verfahren eingestellt.
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Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
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Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Tatbestand
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I
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Der Kläger beansprucht eine Besoldung nach der höchsten Stufe seiner Besoldungsgruppe, weil er meint, die besoldungsrechtliche Einstufung nach dem Lebensalter benachteilige ihn wegen seines Lebensalters.
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Der 1980 geborene Kläger steht als Regierungsobersekretär (Besoldungsgruppe A 7 BBesO) im Dienst der Beklagten. Ab Januar 2008 wurde er nach der Dienstaltersstufe 4 besoldet. Mit am 5. Januar 2012 bei der Behörde eingegangenem Schreiben vom 29. Dezember 2011 beantragte der Kläger unter Hinweis darauf, das Besoldungsrecht wirke altersdiskriminierend, die "rückwirkende Bemessung (seines) Grundgehalts nach der Stufe 12" für die Zeit ab Januar 2008 bis Juni 2009. Diesen Antrag legte die Behörde als Widerspruch aus, den sie mit Widerspruchsbescheid vom 24. August 2012 als unbegründet zurückwies.
- 3
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Den dagegen von dem nunmehr anwaltlich vertretenen Kläger am 13. August 2013 erneut erhobenen Widerspruch sowie seinen darin enthaltenen weiteren Antrag, ihm auch ab dem 1. Juli 2009 fortlaufend ein Grundgehalt nach der höchsten Besoldungsstufe der Besoldungsgruppe A 7 BBesO zu zahlen, wies die Behörde mit Widerspruchsbescheid vom 4. September 2013 abermals als unbegründet zurück. Ein Anspruch auf Neuberechnung der Besoldung und auf eine darauf gestützte Nachzahlung bestehe nicht. Weder verstoße das Bundesbesoldungsgesetz gegen das in der Richtlinie 2000/78/EG normierte Verbot der Altersdiskriminierung noch sei der erhobene Anspruch zeitnah geltend gemacht worden.
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Am 1. Oktober 2013 hat der Kläger Klage erhoben, zu deren Begründung er vorträgt, die Beamtenbesoldung nach Besoldungsstufen in Anknüpfung an das Lebensalter verstoße gegen das Verbot der Altersdiskriminierung und die Voraussetzungen für Schadenersatz aufgrund des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs lägen vor.
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Nachdem der Kläger seine zunächst auf den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 1. Oktober 2013 erstreckte Zahlungsklage für die Zeit ab dem 1. Juli 2009 und die Feststellungsklage zurückgenommen hat, beantragt er zuletzt sinngemäß,
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den Beklagten unter Aufhebung der Widerspruchsbescheide vom 24. August 2012 und vom 4. September 2013 zu verurteilen, dem Kläger für den Zeitraum vom 1. Januar 2008 bis zum 30. Juni 2009 einen Betrag in Höhe von 4 747,90 € brutto nebst 5 % Zinsen über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit nachzuzahlen.
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Die Beklagte beantragt,
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die Klage abzuweisen.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten sowie auf die dem Senat vorliegende Behördenakte verwiesen.
Entscheidungsgründe
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II
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Der Senat entscheidet über die Klage im Einverständnis der Verfahrensbeteiligten ohne mündliche Verhandlung (§ 101 Abs. 2 VwGO).
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Soweit der Kläger die Klage zurückgenommen hat, ist das Verfahren nach § 92 Abs. 3 VwGO einzustellen. Im Übrigen ist die Klage, für die der Senat nach § 50 Abs. 1 Nr. 4 VwGO erst- und letztinstanzlich zuständig ist, unbegründet. Der Kläger hat gegen die Beklagte für den Zeitraum von Januar 2008 bis Juni 2009 weder einen Anspruch auf höhere Besoldung noch auf Schadensersatz oder auf eine Entschädigung.
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Der Kläger hat keinen Anspruch auf die beantragten zusätzlichen Besoldungsleistungen aus der höchsten Stufe (Stufe 12) seiner Besoldungsgruppe (A 7 BBesO) für den Zeitraum 1. Januar 2008 bis 30. Juni 2009. Der Senat hat zwar auf der Grundlage und in Übernahme der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 - C-501/12 [ECLI:EU:C:2014:2005], Specht - NVwZ 2014, 1294) bereits entschieden, dass die Besoldung der Beamten der Besoldungsordnung A nach den §§ 27, 28 BBesG a.F. Beamte unmittelbar aufgrund ihres Lebensalters benachteiligt. Eine Einstufung der betroffenen Beamten in eine höhere oder gar in die höchste Dienstaltersstufe ihrer Besoldungsgruppe zum Ausgleich dieser ungerechtfertigten Diskriminierung ist jedoch ausgeschlossen. Da von der Diskriminierung potenziell sämtliche Beamte erfasst sind, besteht kein gültiges Bezugssystem, das als Grundlage herangezogen werden kann. Ein besoldungsrechtlicher Anspruch des betreffenden Beamten besteht daher nicht (vgl. im Einzelnen BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - 2 C 6.13 - ZBR 2015, 160 Rn. 13 ff., 18 ff.).
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Ebenso wenig steht dem Kläger Schadensersatz zu. Ein solcher Anspruch folgt weder aus der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf noch aus dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch (BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - 2 C 6.13 - ZBR 2015, 160, Rn. 25 ff.).
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Auch ein Anspruch auf Entschädigungszahlung nach § 15 Abs. 2 i.V.m. § 24 Nr. 1 AGG steht dem Kläger nicht zu. Ein solcher Anspruch scheitert hier daran, dass der Kläger die gesetzliche Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG von zwei Monaten zur schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs nach § 15 Abs. 2 AGG nicht gewahrt hat. Die Frist beginnt nach § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG mit dem Zeitpunkt, in dem der Betroffene von der Benachteiligung Kenntnis erlangt. Ist eine Rechtslage unsicher und unklar, beginnt die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG mit der objektiven Klärung der Rechtslage durch eine höchstrichterliche Entscheidung (BVerwG, Urteil des Senats vom 30. Oktober 2014 - 2 C 6.13 - Rn. 51 ff.).
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Die entscheidungserhebliche Rechtslage ist hier durch die Verkündung des Urteils des Gerichtshofs der Europäischen Union in Sachen Hennigs und Mai am 8. September 2011 (C-297/10 und C-298/10 [ECLI:EU:C:2011:560]) geklärt worden. Denn in diesem Urteil ist den Mitgliedstaaten der Bedeutungsgehalt von Art. 2 Abs. 2 und Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG in Bezug auf ein mit den §§ 27 und 28 BBesG a.F. vergleichbares Besoldungssystem verdeutlicht worden (EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 a.a.O. Rn. 104). Das Schreiben des Klägers vom 29. Dezember 2011, mit dem er seinen Anspruch auf Bemessung seines Grundgehalts nach der höchsten Stufe seiner Besoldungsgruppe gegenüber der Beklagten geltend gemacht hat, begründet den Antrag ausdrücklich unter Bezugnahme auf das Urteil des EuGH in Sachen Hennigs und Mai vom 8. September 2011. Die an dieses Urteil anknüpfende Zwei-Monats-Frist gemäß § 15 Abs. 4 AGG lief am 8. November 2011 ab. Damit hat der Kläger den Anspruch nicht fristgerecht geltend gemacht.
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Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.
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Beschluss
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vom 20. Mai 2015
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Der Wert des Streitgegenstands wird gemäß § 52 Abs. 1 und Abs. 3 GKG bis zum Zeitpunkt der teilweisen Klagerücknahme auf 29 214,58 € und für die Zeit danach auf 4 747,90 € festgesetzt.
(1) Das Grundgehalt wird, soweit nicht gesetzlich etwas Anderes bestimmt ist, nach Stufen bemessen. Dabei erfolgt der Aufstieg in eine nächsthöhere Stufe nach bestimmten Dienstzeiten, in denen anforderungsgerechte Leistungen erbracht wurden (Erfahrungszeiten).
(2) Mit der ersten Ernennung mit Anspruch auf Dienstbezüge im Anwendungsbereich dieses Gesetzes wird ein Grundgehalt der Stufe 1 festgesetzt, soweit nicht Erfahrungszeiten nach § 28 Absatz 1 bis 3 anerkannt werden. Die Stufe wird mit Wirkung vom Ersten des Monats festgesetzt, in dem die Ernennung wirksam wird. Die Stufenfestsetzung ist dem Beamten oder Soldaten schriftlich mitzuteilen. Die Sätze 1 bis 3 gelten entsprechend für
- 1.
die Versetzung, die Übernahme und den Übertritt in den Dienst des Bundes, - 2.
den Wechsel aus einem Amt der Bundesbesoldungsordnungen B, R, W oder C in ein Amt der Bundesbesoldungsordnung A sowie - 3.
die Einstellung eines ehemaligen Beamten, Richters, Berufssoldaten oder Soldaten auf Zeit in ein Amt der Bundesbesoldungsordnung A.
(3) Das Grundgehalt steigt nach Erfahrungszeiten von zwei Jahren in der Stufe 1, von jeweils drei Jahren in den Stufen 2 bis 4 und von jeweils vier Jahren in den Stufen 5 bis 7. Abweichend von Satz 1 beträgt die Erfahrungszeit in den Stufen 5 bis 7 bei Beamten in den Laufbahnen des einfachen Dienstes und bei Soldaten in den Laufbahnen der Mannschaften jeweils drei Jahre. Zeiten ohne Anspruch auf Dienstbezüge verzögern den Aufstieg um diese Zeiten, soweit in § 28 Absatz 5 nicht etwas Anderes bestimmt ist. Die Zeiten sind auf volle Monate abzurunden.
(4) Wird festgestellt, dass die Leistungen des Beamten oder Soldaten nicht den mit dem Amt verbundenen Anforderungen entsprechen, verbleibt er in seiner bisherigen Stufe des Grundgehaltes. Die Feststellung nach Satz 1 erfolgt auf der Grundlage einer geeigneten Leistungseinschätzung. Ist die Leistungseinschätzung älter als zwölf Monate, ist ergänzend eine aktuelle Leistungseinschätzung zu erstellen. Für die Feststellung nach Satz 1 können nur Leistungen berücksichtigt werden, auf die vor der Feststellung hingewiesen wurde.
(5) Wird auf der Grundlage einer weiteren Leistungseinschätzung festgestellt, dass die Leistungen des Beamten oder Soldaten wieder den mit dem Amt verbundenen Anforderungen entsprechen, erfolgt der Aufstieg in die nächsthöhere Stufe am ersten Tag des Monats, in dem diese Feststellung erfolgt. Wird in der Folgezeit festgestellt, dass der Beamte oder Soldat Leistungen erbringt, die die mit dem Amt verbundenen Anforderungen erheblich übersteigen, gilt der von dieser Feststellung erfasste Zeitraum nicht nur als laufende Erfahrungszeit, sondern wird zusätzlich so angerechnet, dass er für die Zukunft die Wirkung eines früheren Verbleibens in der Stufe entsprechend mindert oder aufhebt. Die für diese Anrechnung zu berücksichtigenden Zeiten sind auf volle Monate abzurunden. Maßgebender Zeitpunkt ist der Erste des Monats, in dem die entsprechende Feststellung erfolgt.
(6) Bei dauerhaft herausragenden Leistungen kann Beamten und Soldaten der Bundesbesoldungsordnung A für den Zeitraum bis zum Erreichen der nächsten Stufe das Grundgehalt der nächsthöheren Stufe gezahlt werden (Leistungsstufe). Die Zahl der in einem Kalenderjahr bei einem Dienstherrn vergebenen Leistungsstufen darf 15 Prozent der Zahl der bei dem Dienstherrn vorhandenen Beamten und Soldaten der Bundesbesoldungsordnung A, die das Endgrundgehalt noch nicht erreicht haben, nicht übersteigen. Die Bundesregierung wird ermächtigt, nähere Regelungen durch Rechtsverordnung zu treffen. In der Rechtsverordnung kann zugelassen werden, dass bei Dienstherren mit weniger als sieben Beamten im Sinne des Satzes 2 in jedem Kalenderjahr einem Beamten die Leistungsstufe gewährt wird.
(7) Die Entscheidung nach den Absätzen 4 bis 6 trifft die zuständige oberste Dienstbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle. Sie ist dem Beamten oder Soldaten schriftlich mitzuteilen. Widerspruch, Beschwerde nach der Wehrbeschwerdeordnung und Anfechtungsklage haben keine aufschiebende Wirkung.
(8) In der Probezeit nach § 11 Absatz 1 des Bundesbeamtengesetzes erfolgt das Aufsteigen in den Stufen entsprechend den in Absatz 3 genannten Zeiträumen.
(9) Der Beamte oder Soldat verbleibt in seiner bisherigen Stufe, solange er vorläufig des Dienstes enthoben ist. Führt ein Disziplinarverfahren nicht zur Entfernung aus dem Dienst oder endet das Dienstverhältnis nicht durch Entlassung auf Antrag des Beamten oder Soldaten oder infolge strafgerichtlicher Verurteilung, regelt sich das Aufsteigen im Zeitraum seiner vorläufigen Dienstenthebung nach Absatz 3.
(1) Beamten und Soldaten werden bei der ersten Stufenfestsetzung als Erfahrungszeiten im Sinne des § 27 Absatz 2 anerkannt:
- 1.
Zeiten einer gleichwertigen hauptberuflichen Tätigkeit außerhalb eines Soldatenverhältnisses, die für Beamte nicht Voraussetzung für den Erwerb der Laufbahnbefähigung oder für Soldaten nicht Voraussetzung für die Einstellung mit einem Dienstgrad einer Besoldungsgruppe bis A 13 sind, - 2.
Zeiten als Berufssoldat oder Soldat auf Zeit, - 3.
Zeiten von mindestens vier Monaten und insgesamt höchstens zwei Jahren, in denen Wehrdienst, soweit er nicht unter Nummer 2 fällt, Zivildienst, Bundesfreiwilligendienst, Entwicklungsdienst oder ein freiwilliges soziales oder ökologisches Jahr geleistet wurde, - 4.
Verfolgungszeiten nach dem Beruflichen Rehabilitierungsgesetz, soweit eine Erwerbstätigkeit, die einem Dienst bei einem öffentlich-rechtlichen Dienstherrn (§ 29) entspricht, nicht ausgeübt werden konnte.
- 1.
Zeiten einer Kinderbetreuung von bis zu drei Jahren für jedes Kind (Kinderbetreuungszeiten), - 2.
Zeiten der tatsächlichen Pflege von Eltern, Schwiegereltern, Ehegatten, Geschwistern oder Kindern, die nach ärztlichem Gutachten pflegebedürftig sind, von bis zu drei Jahren für jeden dieser Angehörigen (Pflegezeiten).
(2) Beamten können weitere hauptberufliche Zeiten, die nicht Voraussetzung für den Erwerb der Laufbahnbefähigung sind, ganz oder teilweise anerkannt werden, soweit diese für die Verwendung förderlich sind. Wird für die Einstellung ein mit einem Master abgeschlossenes Hochschulstudium oder ein gleichwertiger Abschluss vorausgesetzt, sind Beamten dafür zwei Jahre als Erfahrungszeit anzuerkennen. Zusätzliche Qualifikationen, die nicht im Rahmen von hauptberuflichen Zeiten erworben wurden, können Beamten in besonderen Einzelfällen, insbesondere zur Deckung des Personalbedarfs, mit bis zu drei Jahren als Erfahrungszeit im Sinne des § 27 Absatz 3 anerkannt werden. Die Entscheidungen nach den Sätzen 1 und 3 trifft die oberste Dienstbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend.
(3) Werden Soldaten auf Grund ihrer beruflichen Qualifikation mit einem höheren Dienstgrad eingestellt, können entsprechend den jeweiligen Einstellungsvoraussetzungen als Erfahrungszeiten anerkannt werden:
- 1.
in der Laufbahngruppe der Unteroffiziere für die Einstellung mit einem Dienstgrad einer Besoldungsgruppe bis A 7 höchstens vier Jahre und - 2.
in der Laufbahngruppe der Offiziere für die Einstellung mit einem Dienstgrad einer Besoldungsgruppe bis A 13 höchstens sechs Jahre.
(4) Derselbe Zeitraum kann nur einmal anerkannt werden. Die Zeiten nach den Absätzen 1 bis 3 sind zu addieren und danach auf volle Monate aufzurunden.
(5) Abweichend von § 27 Absatz 3 Satz 3 wird der Aufstieg in den Stufen durch folgende Zeiten nicht verzögert:
- 1.
Kinderbetreuungs- und Pflegezeiten nach Absatz 1 Satz 4, - 2.
Zeiten einer Beurlaubung ohne Dienstbezüge, die nach gesetzlichen Bestimmungen dienstlichen Interessen dient; dies gilt auch, wenn durch die oberste Dienstbehörde oder die von ihr bestimmte Stelle schriftlich oder elektronisch anerkannt ist, dass der Urlaub dienstlichen Interessen oder öffentlichen Belangen dient, - 3.
Zeiten, die nach dem Arbeitsplatzschutzgesetz nicht zu dienstlichen Nachteilen führen dürfen, - 4.
Zeiten einer Eignungsübung nach dem Eignungsübungsgesetz und - 5.
Zeiten, die in einem kommunalen Wahlbeamtenverhältnis erbracht wurden.
(6) Zeiten, die nach § 28 Absatz 3 Nummer 1 oder 2 des Bundesbesoldungsgesetzes in der bis zum 30. Juni 2009 geltenden Fassung berücksichtigt wurden, werden auf die Zeiten nach Absatz 5 Nummer 1 angerechnet.
(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.
(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.
(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.
(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.
(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.
Gründe
Bayerisches Verwaltungsgericht München
M 5 K 15.1896
Im Namen des Volkes
Urteil
vom
5. Kammer
Sachgebiets-Nr. 1334
Hauptpunkte: Entschädigungsanspruch; Diskriminierung; Besoldung; Lebensalter; Geltendmachung; Objektive Klärung der Rechtslage; Frist verstrichen
Rechtsquellen:
In der Verwaltungsstreitsache
...
- Kläger -
bevollmächtigt: ...
gegen
Freistaat Bayern,
vertreten durch Landesamt für Finanzen, Dienststelle ...
- Beklagter -
wegen Besoldung - Altersdiskriminierung
erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht München, 5. Kammer, durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgericht ..., den Richter am Verwaltungsgericht ..., die Richterin ..., die ehrenamtliche Richterin ..., den ehrenamtlichen Richter ... ohne mündliche Verhandlung am 22. September 2015 folgendes Urteil:
I.
Die Klage wird abgewiesen.
II.
Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
III.
Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
IV.
Die Berufung wird zugelassen.
Tatbestand:
Der am ... Juli 1959 geborene Kläger steht als Konrektor (Besoldungsgruppe A 13 mit Amtszulage) als Beamter auf Lebenszeit in Diensten des Beklagten.
Nach den Bezügeakten befand er sich im Dezember 2010 in der Dienstaltersstufe 11 der Besoldungsgruppe A 12, ab Januar 2011 in Erfahrungsstufe 10 der Besoldungsgruppe A 13 mit Amtszulage, soweit ersichtlich steht er seit Juli 2013 in Erfahrungsstufe 11 der Besoldungsgruppe.
Mit Schreiben vom ... Dezember 2013, beim Landesamt für Finanzen am ... Dezember 2013 eingegangen, rügte der Kläger die Besoldung als altersdiskriminierend und machte im Wege eines Widerspruchs Ansprüche auf Bezahlung aus der höchsten Stufe der jeweiligen Besoldungsgruppe verjährungshemmend geltend.
Mit Widerspruchsbescheid vom ... April 2015 wies das Landesamt den Widerspruch zurück. Es könne nach der Rechtsprechung allenfalls ein verschuldensunabhängiger Entschädigungsanspruch nach dem Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetz (AGG) in Betracht kommen. Voraussetzung hierfür sei allerdings, dass der Anspruch innerhalb von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht worden sei. Die Ausschlussfrist habe mit Verkündung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) in den Sachen C-297/10 und C-298/10
Mit Schriftsatz vom
I.
Der Widerspruchsbescheid des Landesamtes für Finanzen, Dienststelle ..., vom ... April 2015 wird aufgehoben.
II.
Der Beklagte wird verurteilt, wegen Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG für den Zeitraum... Januar 2010 bis ... Dezember 2010 an den Kläger eine Entschädigung zu bezahlen, deren Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt wird, mindestens jedoch 1200 Euro nebst Zinsen hieraus in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab Rechtshängigkeit der Klage.
Die zweimonatige Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG setze eine positive Kenntnis der anspruchsbegründenden Tatsachen voraus. Das umfasse auch die Kenntnis von der objektiven Klärung der Rechtslage. Der Kläger habe vom Urteil des EuGH
Das Landesamt für Finanzen hat für den Beklagten beantragt,
die Klage abzuweisen.
Nach der Rechtsprechung sei die Klärung der Rechtslage durch das Urteil des EuGH
Der Kläger hat mit Schriftsatz vom 11. Juni 2015, das Landesamt für Finanzen mit Schriftsatz vom 12. Juni 2015 auf mündliche Verhandlung verzichtet.
Bezüglich weiterer Einzelheiten wird auf die Gerichts- und vorgelegten Behördenakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Über die Verwaltungsstreitsache kann ohne mündliche Verhandlung entschieden werden, da sich die Beteiligten mit einer Entscheidung im schriftlichen Verfahren einverstanden erklärt haben (§ 101 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung/VwGO).
1. Die zulässige Leistungsklage ist nicht begründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung nach § 15 Abs. 2 i. V. m. § 24 Nr. 1 AGG wegen Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot nach § 7 Abs. 1 AGG. Der Widerspruchsbescheid vom ... April 2015 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten.
a) Auch wenn ein solcher Anspruch hinsichtlich der Anknüpfung der Besoldung an das Lebensalter bis zum Inkrafttreten des Bayerischen Besoldungsgesetzes am 1. Januar 2011 grundsätzlich möglich sein mag (vgl. BVerwG, U. v. 20.10.2014 - 2 C 6/13 -BVerwGE 150, 234, juris Rn. 15 ff, 45 ff.), hat der Kläger den Anspruch nicht rechtzeitig geltend gemacht. Nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG muss auch ein Anspruch nach § 15 Abs. 2 AGG innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Nach § 15 Abs. 4 Satz 2 Halbsatz 2 AGG beginnt die Frist zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt (der Fall der Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs nach Halbsatz 1 dieser Vorschrift liegt nicht vor).
Der Betroffene hat nach der Rechtsprechung Kenntnis von der Benachteiligung, wenn er die anspruchsbegründenden Tatsachen kennt. Dass er aus diesen Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht, ist nicht erforderlich. Für den Fall einer - hier zunächst anzunehmenden - unsicheren und zweifelhaften Rechtslage ist von diesem Grundsatz eine Ausnahme geboten. Der Lauf der Ausschlussfrist beginnt dann zu dem Zeitpunkt, ab dem die Erhebung einer Klage für den Betroffenen zumutbar ist, d. h. die Klage hinreichend aussichtsreich, wenn auch nicht risikolos ist. In diesen Fällen ist danach die objektive Klärung der Rechtslage durch höchstrichterliche Entscheidungen maßgeblich. Die entscheidungserhebliche Rechtslage ist hier durch die Verkündung des Urteils des EuGH in Sachen „Hennigs“ und „Mai“ am 8. September 2011 (C-297/10
Der Auffassung des Oberverwaltungsgerichts des Saarlandes (U. v. 6.8.2015 - 1 A 290/14 - NVwZ 2014, 1294, juris Rn. 45 ff.), für den Zeitpunkt der entscheidungserheblichen Klärung der Rechtslage auf das Ergehen des Urteils des Europäischen Gerichtshofs vom 19. Juni 2014 (C-501/12
b) Der Kläger hat den Entschädigungsanspruch erst mit Schreiben vom ... Dezember 2013, beim Landesamt für Finanzen am ... Dezember 2013 eingegangen, geltend gemacht. Das liegt mehr als zwei Jahre nach Verkündung des Urteils des EuGH in Sachen „Hennigs“ und „Mai“ am 8. September 2011 und damit weit nach Ablauf der Frist des § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG. Es kann dabei offenbleiben, ob für den Fristbeginn das Datum der Verkündung des Urteils herangezogen wird (somit Fristbeginn am 9.9.2011, 0:00 Uhr: VG Bayreuth, U. v. 14.4.2015 - B 5 K 14.537 - juris Rn. 16). Selbst wenn man für den Beginn des Fristlaufs auf die Veröffentlichung dieses Urteils im Amtsblatt der Europäischen Union abstellen wollte (ABl.EU 2011, Nr. C 311 vom 22.10.2011, S. 12), folgt nichts anderes.
2. Der Kläger hat als unterlegener Beteiligter nach § 154 Abs. 1 VwGO die Kosten des Verfahrens zu tragen. Der Ausspruch der vorläufigen Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 der Zivilprozessordnung/ZPO.
Die Berufung ist nach §§ 124 a Abs. 1 Satz 1, 124 Abs. 2 Nr. 4 VwGO zuzulassen.
Rechtsmittelbelehrung:
Nach §§ 124 und 124a Abs. 1 VwGO kann die Berufung innerhalb eines Monats nach Zustellung dieses Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich eingelegt werden. Die Berufung muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Sie ist spätestens innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieses Urteils zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht zugleich mit der Einlegung der Berufung erfolgt, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof,
Hausanschrift in München: Ludwigstraße 23, 80539 München, oder
Postanschrift in München: Postfach 34 01 48, 80098 München
Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach
einzureichen. Die Berufungsbegründung muss einen bestimmten Antrag enthalten, sowie die im Einzelnen anzuführenden Gründe der Anfechtung (Berufungsgründe).
Über die Berufung entscheidet der Bayerische Verwaltungsgerichtshof.
Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Rechtslehrern mit Befähigung zum Richteramt die in § 67 Abs. 4 Sätze 4 und 7 VwGO sowie in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen und Organisationen.
Beschluss:
Der Streitwert wird auf Euro 1.200,- festgesetzt (§ 52 Abs. 3 Gerichtskostengesetz - GKG -).
Rechtsmittelbelehrung:
Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes Euro 200,- übersteigt oder die Beschwerde zugelassen wurde. Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht München,
Hausanschrift: Bayerstraße 30, 80335 München, oder
Postanschrift: Postfach 20 05 43, 80005 München
schriftlich oder zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.
Der Beschwerdeschrift eines Beteiligten sollen Abschriften für die übrigen Beteiligten beigefügt werden.
Tenor
Das beklagte Land wird verurteilt, an den Kläger 1.700 Euro nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens trägt der Kläger zu 2/3 und das beklagte Land zu 1/3.
Die Berufung wird zugelassen.
1
T a t b e s t a n d
2Der am 00.00.1963 geborene Kläger ist seit dem 01.09.1984 Beamter im Dienst des beklagten Landes. Er bekleidet ein der Besoldungsgruppe A 12 zugeordnetes Statusamt. Sein Besoldungsdienstalter ist auf den 01.05.1984 festgesetzt.
3Mit Schreiben vom 23.11.2012 – bei dem beklagten Land eingegangen am 24.11.2012 – widersprach der Kläger der ihm gewährten Besoldung nach der Stufe 11 und machte die Differenz zur Stufe 12 rückwirkend ab dem 01.01.2009 geltend. Zur Begründung führte er aus, das geltende Besoldungssystem sei altersdiskriminierend und er habe deshalb Anspruch auf Besoldung aus dem Endgrundgehalt.
4Das beklagte Land wies den Widerspruch mit Bescheid vom 13.05.2013 zurück. Es liege keine unzulässige Altersdiskriminierung, sondern eine zulässige Pauschalierung vor. Im Übrigen stünde einem solchen Anspruch für die Jahre 2009 bis 2011 der Grundsatz der zeitnahen Geltendmachung entgegen.
5Der Kläger hat am 28.05.2013 Klage erhoben.
6Er begründet diese mit einem Verstoß gegen europäisches Recht. Die Besoldung nach dem Lebensalter sei eine Altersdiskriminierung, für die keine Rechtfertigung ersichtlich sei. Rechtsfolge dessen sei eine Anpassung nach oben, da nur auf diese Weise der Europarechtsverstoß zu beseitigen sei.
7Der Kläger beantragt,
8das beklagte Land zu verpflichten, unter Aufhebung des Widerspruchsbescheids vom 13.05.2013, dem Kläger ab dem 01.01.2009 das Grundgehalt nach der höchsten Stufe der Besoldungsgruppe A 11 zu gewähren und den sich hieraus ergebenden Nachzahlungsbetrag mit 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu verzinsen.
9Das beklagte Land beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Es verteidigt den angefochtenen Bescheid und ist der Auffassung, dass einem Anspruch aus § 15 AGG jedenfalls die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG im Wege stehe. Diese Ausschlussfrist sei auch auf den unionsrechtlichen Haftungsanspruch anwendbar.
12Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstands wird auf die Gerichtsakte und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge des beklagten Landes Bezug genommen.
13E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
14Die zulässige Klage hat nur in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang Erfolg. Im Übrigen ist sie unbegründet.
15I. Dem Kläger stehen keine Ansprüche für den Zeitraum vor September 2011 zu. Solche Ansprüche folgen weder aus dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch (1.) noch aus § 15 AGG (2.).
161. Das Bestehen eines unionsrechtlichen Haftungsanspruchs scheidet für diesen Zeitraum aus, da kein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen das Recht der Europäischen Union, hier insbesondere die Richtlinie 2000/78/EG, vorliegt. Zwar verstieß die Regelung in §§ 27, 28 BBesG in der Fassung der Bekanntmachung vom 06. 08.2002 gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters in § 2 Abs. 1 und 2 Buchstabe a der Richtlinie 2000/78/EG.
17Vgl. EuGH, Urteil vom 19.06.2014 – C-501/12 u. a. – juris Rz. 38 ff.
18Dieser Verstoß war jedoch vor Verkündung des Urteils des EuGH in der Sache Hennigs und Mai,
19Urteil vom 08.09.2011 – C-560/11 –
20nicht hinreichend qualifiziert. Das Bundesverwaltungsgericht, dem sich die Kammer anschließt, hat hierzu ausgeführt:
21„Ein Verstoß gegen das Unionsrecht ist hinreichend qualifiziert, wenn die einschlägige Rechtsprechung des EuGH offenkundig verkannt wird (EuGH, Urteil vom 25. November 2010 - Rs. C-429/09, Fuß - Slg. 2010, I-12167 Rn. 51 f. m.w.N.; BVerwG, Urteil vom 26. Juli 2012 - BVerwG 2 C 29.11 - BVerwGE 143, 381 Rn. 18). ...
22Die Bestimmung des Zeitpunkts, ab dem der Verstoß gegen das Unionsrecht hinreichend qualifiziert ist, ist Sache des nationalen Gerichts. Es liegen hier aber keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Annahme vor, bereits vor der Verkündung des Urteils des EuGH am 8. September 2011 sei der Verstoß gegen das Unionsrecht hinreichend qualifiziert gewesen. Für die Frage, ob ein Verstoß eines Mitgliedstaates im genannten Sinne bereits hinreichend qualifiziert ist, ist nach der Spruchpraxis des EuGH auch der jeweilige Stand der Rechtsprechung der nationalen Gerichte von Bedeutung (EuGH, Urteil vom 5. März 1996 - Rs. C-46/93 und C-48/93, Brasserie du Pêcheur und Factortame - Slg. 1996, I-1029 Rn. 63). Noch im Jahr 2010 hat das Bundesarbeitsgericht in der Sache Hennigs und Mai in einem Verfahren, das die vergleichbare Bemessung der Grundvergütungen in den einzelnen Vergütungsgruppen nach Lebensaltersstufen betrifft, den EuGH zur Auslegung von Bestimmungen der RL 2000/78/EG angerufen (BAG, Beschluss vom 20. Mai 2010 - 6 AZR 148/09 (A) - BAGE 134, 327). Im Jahr 2010 und auch noch danach haben deutsche Verwaltungsgerichte wiederholt entschieden, das Lebensalter stelle im System der §§ 27 und 28 BBesG a.F. lediglich einen pauschalierenden Berechnungsfaktor dar, sodass es bereits an einer Altersdiskriminierung fehle (z.B. VG Berlin, Urteil vom 24. Juni 2010 - 5 K 17/09 - juris Rn. 16 und VG Lüneburg, Urteil vom 15. Februar 2012 - 1 A 106/10 - juris Rn. 19).“
232. Ansprüche aus § 15 Abs. 1 und 2 AGG scheiden für den Zeitraum vor dem 08.09.2011 schon deshalb aus, da der Kläger die zweimonatige Antragsfrist nach § 15 Abs. 4 AGG versäumt hat. Denn er hat erst am 23.11.2012 den Antrag auf Besoldung aus dem Endgrundgehalt gestellt, der nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch als Antrag auf Schadensersatz nach § 15 Abs. 1 AGG und Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG zu werten ist. Fristbeginn war jedoch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts der Tag nach der Bekanntgabe der Entscheidung Hennings und Mai am 08.09.2011, so dass die Frist schon am 08.11.2011 endete.
24Vgl. BVerwG, Urteil vom 20.05.2015 – 2 A 9/13 – juris Rz. 13.
25II. Dem Kläger steht auch für den Zeitraum von September 2011 bis Dezember 2011 kein Zahlungsanspruch zu. Zwar sind für diesen Zeitraum die Voraussetzungen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs erfüllt (1.). Der Anspruch ist jedoch wegen des Grundsatzes der zeitnahen Geltendmachung ausgeschlossen, da der Kläger den Anspruch nicht innerhalb des Haushaltsjahres geltend gemacht hat (2). Ansprüche aus § 15 Abs. 1 und 2 AGG scheiden aufgrund der Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG aus (3.).
261. Ab dem 08.09.2011 waren die Voraussetzungen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs erfüllt.
27Die fortgeltenden Vorschriften der §§ 27, 28 BBesG verstießen auch in diesem Zeitraum gegen das Verbot der Diskriminierung wegen des Alters in § 2 Abs. 1 und 2 Buchstabe a der Richtlinie 2000/78/EG.
28Der Verstoß war ab Verkündung des Urteils des EuGH Hennings und Mai am 08.09.2011 hinreichend qualifiziert. Denn ab diesem Zeitpunkt war für den Mitgliedstaat auf der Grundlage der Rechtsprechung des EuGH ohne weiteres erkennbar, dass die Vorschriften des Besoldungsrechts gegen die Richtlinie 2000/78/EG verstießen. Zwar erging das Urteil des EuGH zum Recht der Tarifbeschäftigten. Dennoch war mit dieser Entscheidung klargestellt, dass ein sich allein am Lebensalter orientierendes Entlohnungssystem nicht mit Unionsrecht vereinbar war. Der Anwendungsbereich der Richtlinie wird durch Art. 3 Abs. 1 Buchstabe c) dahingehend definiert, dass diese auch für alle Personen in öffentlichen Bereichen gilt, so dass auch insoweit kein vernünftiger Zweifel mehr möglich war,
29vgl. klarstellend EuGH, Urteil vom 19.06.2014 – C-501/12 u. a. – juris Rz. 36.
30Dem steht auch nicht entgegen, dass keine Entscheidung betreffend das Land Nordrhein-Westfalen vorlag. Dies kann für den unionsrechtlichen Haftungsanspruch schon deshalb nicht von Belang sein, da der Mitgliedstaat – die Bundesrepublik Deutschland – aus Sicht des Europarechts als Einheit zu betrachten ist. Dem Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 08.09.2011 ließen sich alle für das Land Nordrhein-Westfalen erheblichen Gesichtspunkte entnehmen.
31Dem Gesetzgeber war nach der Klärung der Rechtsfrage auch nicht noch eine Umsetzungsfrist zur Beseitigung des Unionsrechtsverstoßes einzuräumen,
32so auch VG Aachen, Urteil vom 16.07.2015 – 1 K 1237/13 – Bl. 16; für eine Umsetzungsfrist aber Wonka, DVBl 2015, 79 (82) und wohl auch VG Arnsberg, Urteil vom 29.05.2015 – 13 K 3070/12 – juris Rz. 31.
33Gegen die Annahme einer solchen Umsetzungsfrist spricht insbesondere, dass der unionsrechtliche Haftungsanspruch dem Grunde nach als verschuldensunabhängiger Anspruch ausgestaltet ist. Zwar enthält das Tatbestandsmerkmal des hinreichend qualifizierten Verstoßes auch Elemente, die nach herkömmlicher deutscher Dogmatik als Verschuldensfragen einzuordnen wären
34vgl. EuGH, Urteil vom 05.03.1996 – C 46/93 und 48/93, Brasserie du Pêcheur – Rz. 78.
35Hinreichend qualifiziert ist ein Verstoß gegen das Gemeinschaftsrecht aber nach der eindeutigen Rechtsprechung spätestens ab dem Zeitpunkt, in dem eine Entscheidung des EuGH Klarheit geschaffen hat,
36vgl. EuGH, Urteil vom 05.03.1996 – C 46/93 und 48/93, Brasserie du Pêcheur – Rz. 56.
37Dass auch bei legislativem Unrecht keine weitere Umsetzungsfrist anzunehmen ist, folgt schließlich daraus, dass die nationalen Behörden ab diesem Zeitpunkt europarechtlich verpflichtet sind, das europarechtswidrige Gesetzesrecht unangewendet zu lassen. Es führt nicht zu einer Verneinung des hinreichend qualifizierten Verstoßes, dass dem Landesgesetzgeber bei der Neugestaltung ein Umsetzungsspielraum verblieb. Dies widerspräche dem europarechtlichen Grundsatz des effet utile, da dann der Betroffene auch bei einem auf der Hand liegenden Verstoß gegen Europarecht weiterhin seine Rechte nicht durchsetzen könnte, nur weil dem Mitgliedstaat unterschiedliche Möglichkeiten verbleiben, diesen Mangel zu beheben. Der Mitgliedstaat ist in dieser Situation gehalten, den hinreichend qualifizierten Europarechtsverstoß so schnell wie möglich und gegebenenfalls rückwirkend abzustellen, um nur für den verbleibenden Zeitraum schadensersatzpflichtig zu sein
38Zur Zulässigkeit einer rückwirkenden Änderung nach deutschem Verfassungsrecht vgl. BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 – 2 C 8/13 – Rz. 76 ff.
39Wird der europarechtswidrige Rechtszustand, wie im Land Nordrhein-Westfalen, erst nach 21 Monaten beseitigt, so besteht auch für diesen vollen Zeitraum die Schadensersatzpflicht.
402. Ein Anspruch des Klägers auf Schadensersatz aus dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch scheidet jedoch für den Zeitraum von September 2011 von Dezember 2011 nach Auffassung der Kammer wegen des Grundsatzes der zeitnahen Geltendmachung, der auf den unionsrechtlichen Haftungsanspruch in der vorliegenden Situation Anwendung findet, aus. Denn der Kläger hat einen solchen Anspruch erstmals im Jahr 2012 bei dem beklagten Land geltend gemacht.
41Nach diesem Grundsatz müssen Ansprüche, die über die gesetzlich vorgesehene Besoldung hinausgehen, von den Beamtinnen und Beamten stets zeitnah, mithin spätestens bis zum Ende des laufenden Haushaltsjahres, geltend gemacht werden, damit der Dienstherr sich darauf einstellen kann. Es ist mit dem gegenseitigen Treueverhältnis nicht vereinbar, die gewährte Besoldung über Jahre hinzunehmen und erst im Nachhinein Ansprüche geltend zu machen, die dann aus den Haushaltsmitteln des betreffenden Jahres nicht mehr gedeckt werden könnten
42Vgl. BVerwG, Urteile vom 27. Mai 2010 - 2 C 33/09 -, juris Rn. 14 ff., und vom 28. Juni 2011 - 2 C 40/10 -, juris Rn. 7.
43Dieser Grundsatz lässt sich auch auf die geltend gemachten Ansprüche wegen altersdiskriminierenden Besoldung übertragen. Die Höhe des Anspruchs folgt ebenso wie bei den anerkannten Fallvarianten der zeitnahen Geltendmachung von Ansprüchen nicht aus dem Gesetz.
44Vgl. zu den anerkannten Fallgruppen: BVerfG, Beschlüsse vom 19. Juni 2012 - 2 BvR 1397/09 -, juris, und vom 22. März 1990 - 2 BvL 1/86 -, BVerfGE 81, 363, juris, sowie Urteile vom 14. Februar 2012 - 2 BvL 4/10 -, juris, und vom 13. November 2008 - 2 C 16/07 -, juris Rn. 21; vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 12. Februar 2014 - 3 A 155/09 -, ZBR 2014, 209, juris Rn. 33.
45Zudem kann ein diskriminierter Beamter grundsätzlich nicht erwarten, dass er aus Anlass einer unionsrechtlich gebotenen Besoldungskorrektur ohne eigenes Zutun nachträglich in den Genuss erheblicher Entschädigungszahlungen seines Dienstherrn kommt, die er nicht zeitnah gegenüber seinem Dienstherrn geltend gemacht hat. Das gegenseitige Treueverhältnis macht eine Geltendmachung im laufenden Haushaltsjahr auch insoweit erforderlich. Denn es besteht eine deutliche Parallele zu (nationalrechtlichen) Ausgleichsansprüchen, die nicht im Gesetz geregelt sind und bei denen es einer Geltendmachung i. S. einer Rügeobliegenheit oder Hinweispflicht des Beamten bedarf.
46Vgl. auch BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 70/10 -, juris Rn. 181 f., und vom 13. November 2008 - 2 C 16/07 -, juris Rn. 18; OVG NRW, Urteil vom 12. Februar 2014 - 3 A 155/09 -, a.a.O., juris Rn.35; OVG Sachsen-Anhalt, Urteile vom 11. Dezember 2012 - 1 L 9/12 u.a.-, juris Rn. 181 ff.
47Die Anwendung des Grundsatzes der zeitnahen Geltendmachung im Falle des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs widerspricht auch nicht dem Unionsrecht.
48Art. 9 RL 2000/78/EG regelt nur, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass alle Personen, die sich durch die Nichtanwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in ihren Rechten für verletzt halten, ihre Ansprüche aus der Richtlinie auf dem Gerichts- und/oder Verwaltungsweg geltend machen können. Einzelstaatliche Regelungen über Fristen für die entsprechende Rechtsverfolgung bleiben davon unberührt; das Unionsrecht regelt solche Fristen gerade nicht. Verfahrensmodalitäten zur Geltendmachung von Unionsrechtsverstößen ergeben sich vielmehr aus dem innerstaatlichen Recht, sofern dieses nicht dem Grundsatz der Äquivalenz oder Effizienz widerspricht.
49Vgl. EuGH, Urteile vom 19. Juni 2014 - Rs. C-501/12, Specht -, a.a.O., Rn. 112 ff., und vom 30. Juni 2011 - Rs. C-262/09, Melicke u.a. -, EuZW 2011, 642, juris Rn. 55 ff.
50In der Anwendung des Grundsatzes der zeitnahen Geltendmachung liegt in der vorliegenden Konstellation weder ein Verstoß gegen den Äquivalenzgrundsatz noch eine Verletzung des Effektivitätsgrundsatzes.
51Ein Verstoß gegen den Äquivalenzgrundsatz ist insoweit nicht erkennbar, da der Grundsatz der zeitnahen Geltendmachung auf alle nicht unmittelbar aus dem Gesetz folgenden Besoldungsansprüche angewendet wird. Eine Privilegierung von Ansprüchen, die auf nationalem Recht beruhen, gibt es nicht.
52Auch liegt kein Verstoß gegen den Effektivitätsgrundsatz vor. Dies wäre nur der Fall, wenn die nationalen Verfahrensmodalitäten die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte praktisch unmöglich machen oder jedenfalls übermäßig erschweren. Die Verkündung des Urteils in Sachen Hennigs und Mai erfolgte Anfang September 2011, sodass dem Kläger für die Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen die Besoldung im Jahr 2011 und in den davor liegenden Jahren knappe vier Monate blieben. Berücksichtigt man die Billigung einer zweimonatigen Ausschlussfrist durch den Europäischen Gerichtshof in verschiedenen Rechtssachen mit Bezug zu der Richtlinie 2000/78/EG,
53vgl. EuGH, Urteil vom 8. Juli 2010 - Rs. C-246/09, Bulicke -, a.a.O., juris Rn. 34 ff.; vgl. hierzu auch BAG, Urteil vom 21. Juni 2012 - 8 AZR 188/11 -, a.a.O., juris Rn. 24; vgl. ferner zu einer zweimonatigen Ausschlussfrist im griechischen Arbeitsrecht: EuGH, Beschluss vom 18. Januar 2011 - Rs. C-272/10, Berkizi-Nikolakaki -, Slg. 2011, I-00003, Rn. 61,
54genügt die Möglichkeit einer Geltendmachung innerhalb von ca. vier Monaten dem Effektivitätsgrundsatz.
55Die Heranziehung des Grundsatzes der zeitnahen Geltendmachung ist auch nicht aufgrund einer vorrangigen gesetzlichen Regelung zur fristgerechten Geltendmachung des unionshaftungsrechtlichen Anspruchs ausgeschlossen. Im Gegensatz zu § 15 Abs. 4 AGG für die Ansprüche aus § 15 Abs. 1 und 2 AGG und § 12 Abs. 3 SoldGG für die Ansprüche aus § 12 Abs. 1 und 2 SoldGG ist der unionsrechtliche Haftungsanspruch nicht an eine bestimmte Frist gebunden. Die Frist des § 15 Abs. 4 AGG ist auch nicht auf den unionsrechtlichen Haftungsanspruch anwendbar. Eine direkte Anwendung scheidet schon deshalb aus, weil § 15 Abs. 4 AGG nach dem eindeutigen Wortlaut nur für die Ansprüche nach den Absätzen 1 und 2 gilt.
56§ 15 Abs. 5 AGG stellt zudem klar, dass im Übrigen Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt bleiben. Dies bedeutet nicht, wie das beklagte Land in der mündlichen Verhandlung vorgetragen hat, nur die Klarstellung, dass die Vorschrift nicht nur die Geltendmachung anderer Ansprüche etwa aus Delikt oder Vertragsrecht neben den Ansprüchen des § 15 Abs. 1 und 2 AGG erlaubt. Dagegen spricht schon dies systematische Stellung der Vorschrift. Hätte der Gesetzgeber nur diese Selbstverständlichkeit zum Ausdruck bringen wollen, so hätte er dies in Absatz 3 normieren können. Stattdessen hat der Gesetzgeber in Absatz 5 das Unberührt-bleiben anderer Ansprüche normiert und damit klar gestellt, dass auf Ansprüche aus anderen Anspruchsgrundlagen auch nicht die sehr kurze Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG Anwendung finden soll.
57So auch VG Aachen, Urteil vom 16.07.2015 – 1 K 1237/13; a.A. VG Arnsberg, Urteile vom 29. Mai 2015 - 13 K 3070/12 -, juris Rn. 25 ff., und vom 5. Juni 2015 - 13 K 308/13 -, juris Rn. 21 ff., wonach § 15 Abs. 4 AGG auch auf den unionsrechtlichen Haftungsanspruch Anwendung findet.
58Einer analogen Anwendung des § 15 Abs. 4 AGG steht schließlich auch entgegen, dass Sinn und Zweck der kurzen Geltendmachungsfrist insbesondere darin bestehen, es dem nach § 22 AGG beweisbelasteten Arbeitgeber zu ersparen, Aufzeichnungen, die zu seiner Entlastung dienen könnten, bis zum Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist aufbewahren zu müssen.
59Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 16/1780 S. 38; Weth in: jurisPK-BGB Band 2, 7. Auflage 2014, § 15 AGG Rn. 49; Adomeit/Mohr, AGG Kommentar, 2. Auflage 2011, § 15 Rn. 117; Voigt in: Schleuser/Suckow/Voigt, AGG Kommentar, 3. Auflage 2011, § 15 Rn. 68.
60Dieser Gedanke ist in der vorliegenden Situation, in der es um einen unionsrechtlichen Haftungsanspruch wegen legislativem Unrecht geht, schon im Ansatz nicht übertragbar.
613. Ansprüche nach § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG bestehen für den Zeitraum September bis Dezember 2011 nicht, da der Kläger mit der Geltendmachung im November 2012 wiederum die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG versäumt hat.
62III. Aufgrund der unionsrechtswidrigen Diskriminierung steht dem Kläger ein Anspruch auf Schadenersatz in Höhe von 100,- € monatlich von Januar 2012 bis einschließlich Mai 2013 zu.
63In diesem Zeitraum sind alle Voraussetzungen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs erfüllt. Der Verstoß gegen Europarecht dauerte fort. Der Kläger hat diesen mit der Antragstellung im November 2012 auch zeitnah, innerhalb des laufenden Kalenderjahres geltend gemacht. Einer erneuten Geltendmachung im Laufe des Kalenderjahres 2013 bedurfte es danach nicht mehr,
64vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - 2 C 6/13 -, a.a.O., juris Rn. 54.
65Der Anspruch beläuft sich auf eine Entschädigung in Höhe von 100 Euro monatlich. Eine Berechnung des konkreten materiellen Schadens ist vorliegend nicht möglich, da nicht eindeutig ist, wie sich die Vermögenslage des Klägers ohne die unionsrechtswidrige Diskriminierung gestalten würde, vgl. § 249 Abs. 1 BGB. Ein Ausgleich der Ungleichbehandlung durch Eingruppierung in eine höhere Besoldungsstufe kommt bereits aus Rechtsgründen nicht in Betracht, weil das gesamte Bezugssystem der Anknüpfung an das Lebensalter im fraglichen Zeitraum diskriminierend war, sodass es nicht herangezogen werden kann.
66Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - 2 C 6/13 -, a.a.O., juris Rn. 18 ff.
67Eine grundsätzlich erforderliche, unionsrechtskonforme Auslegung der §§ 27 und 28 BBesG a.F. ist hier nicht möglich. Die diesem Besoldungssystem innewohnende Ungleichbehandlung gilt für jeden Beamten bei seiner erstmaligen Berufung in ein Beamtenverhältnis, sodass die hieraus resultierende unmittelbare Diskriminierung potenziell alle Beamten betrifft. Es existiert damit bereits kein gültiges Bezugssystem, an dem sich die diskriminierungsfreie Behandlung des Klägers orientieren könnte. Folglich kann auch die vom Europäischen Gerichtshof zur Wahrung des Gleichheitssatzes entwickelte Rechtsprechung, nach der bis zur Abhilfe der Ungleichbehandlung den Angehörigen der benachteiligten Gruppe dieselben Vorteile gewährt werden müssen wie denjenigen der privilegierten Gruppe, nicht angewandt werden.
68Vgl. EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 - Rs. C-501/12, Specht -, a.a.O., Rn. 95 ff.
69Eine höhere Einstufung des Klägers innerhalb des Systems der §§ 27 und 28 BBesG a.F. würde zudem zu einer Entwertung der vom Gesetzgeber beabsichtigten Honorierung bereits erworbener Berufserfahrung führen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs darf die tatsächlich abgeleistete Dienstzeit Anknüpfungspunkt einer besoldungsrechtlichen Differenzierung sein. Der Rückgriff auf das Kriterium des Dienstalters ist in der Regel zur Erreichung des legitimen Ziels geeignet, die Berufserfahrung zu honorieren, die den Arbeitnehmer befähigt, seine Arbeit besser zu verrichten.
70Vgl. hierzu EuGH, Urteile vom 19. Juni 2014 - Rs. C-501/12, Specht -, a.a.O., Rn. 48, vom 8. September 2011 - Rs. C-297/10 u.a., Hennings & Mai -, a.a.O., juris Rn. 72 ff. m.w.N., und vom. 3. Oktober 2006 - Rs. C-17/05, Cadman -, Slg. 2006, I-9583, juris Rn. 34 f.; so auch VG Aachen, Urteil vom 16.07.2015 – 1 K 1237/13.
71Mit der Höherstufung eines Beamten innerhalb des Systems der §§ 27 und 28 BBesG a.F. zum Ausgleich der Altersdiskriminierung würden diejenigen Beamten benachteiligt, die diese höhere Stufe unionsrechtlich zulässig aufgrund ihrer Berufserfahrung erlangt haben. Auch eine "modifizierte Anpassung nach oben" dergestalt, dass die altersdiskriminierten Beamten in dieselbe Besoldungsstufe eingeführt werden wie die älteren Beamten, die über eine gleichwertige Berufserfahrung verfügen, ist aus diesem Grund nicht möglich.
72Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - 2 C 6/13 -, a.a.O., juris Rn. 18 ff.;
73Zum einen fehlt es bereits an einem (gültigen) Bezugssystem. Zum anderen würde auch eine solche Herangehensweise die Diskriminierung nicht vollständig und schon gar nicht zeitnah beseitigen. Vielmehr müsste das Gericht im Falle jedes einzelnen Klägers dessen Lebenslauf sowie die Besonderheiten seiner Laufbahn untersuchen und anschließend nach einem vergleichbaren Beamten in derselben oder jedenfalls einer vergleichbaren Laufbahn suchen.
74Auch eine Nachteilsermittlung anhand des neuen Besoldungsrechts,
75vgl. Lingemann, Diskriminierung in Entgeltsystemen - Ende der Anpassung nach oben?, NZA 2014, 827,
76scheidet mangels Praktikabilität aus. Zur Ermittlung der Erfahrungsstufe müssten bei jedem Beamten die konkrete Diensterfahrung sowie etwaige berücksichtigungsfähige Vordienstzeiten ermittelt und mit der Einstufung nach aktueller Rechtslage unter Berücksichtigung des Gesetzes zur Überleitung der vorhandenen Beamten, Richter und Versorgungsempfänger in die neuen Grundgehaltstabellen vom 16. Mai 2013 abgeglichen werden. Eine solche Herangehensweise wäre in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht kaum handhabbar.
77Vgl. EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 - Rs. C-501/12, Specht -, a.a.O., Rn. 53 ff; 94, und vom 8. September 2011 - Rs. C-297/10 u.a., Hennings & Mai -, a.a.O., juris Rn. 87 ff.; VG Aachen, Urteil vom 16.07.2015 – 1 K 1237/13.
78Zudem lässt sich nicht feststellen, dass der klägerische Schaden in der Differenz der Besoldung nach dem alten und dem neuen System besteht. Wenngleich die inzwischen flächendeckende Einführung von Erfahrungsstufen für dieses System spricht, bleibt es reine Spekulation anzunehmen, dass der Landesgesetzgeber dieses System bereits früher eingeführt hätte.
79So auch VG Aachen, Urteil vom 16.07.2015 – 1 K 1237/13; Wonka in DVBl. 2015, 79 (82).
80Allerdings wäre es mit dem Effektivitätsgrundsatz unvereinbar, wenn die Geltendmachung des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs allein am fehlenden bezifferbaren Schaden scheitern würde. Der Effektivitätsgrundsatz verlangt, dass die ergänzend heranzuziehenden Regelungen des nationalen Rechts einen wirksamen Schutz zur Durchsetzung des Unionsrechts gewährleisten. Daher besteht auch die Möglichkeit, einen Unionsrechtsverstoß im Wege einer angemessenen Entschädigungszahlung zu beheben.
81Vgl. EuGH, Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß -, a.a.O., juris Rn. 94; Streinz, a.a.O., Art. 340 Rn. 56; Sachs, GG Kommentar, 6. Auflage 2011, Art. 34 Rn. 52k.
82Gerade diese Sanktion sieht die Regelung des § 15 Abs. 2 AGG bei diskriminierenden Verhaltensweisen eines Arbeitgebers vor. Es bietet sich daher an, den Rechtsgedanken dieser Vorschrift im Falle diskriminierender Gesetzesbestimmungen entsprechend anzuwenden und hinsichtlich der Höhe des Schadenersatzes in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Entschädigung aufgrund altersdiskriminierender Besoldung davon auszugehen, dass ein Schadenersatz in Höhe von 100,- € monatlich eine angemessene Kompensation darstellt.
83So auch VG Aachen, Urteil vom 16.07.2015 – 1 K 1237/13.
84Es bedarf keiner Entscheidung, ob daneben auch ein Anspruch aus § 15 Abs. 1 oder Abs. 2 AGG in Betracht kommt – oder ob ein solcher nach versäumter Ausschlussfrist auch für die Zukunft ausgeschlossen war –, da ein solcher Anspruch nicht auf mehr als die dem Kläger ohnehin zugesprochene Entschädigung von 100 Euro monatlich gerichtet wäre.
85IV. Das ab dem 01.06.2013 in Nordrhein-Westfalen geltende, an Erfahrungsstufen orientierte Besoldungssystem verstößt auch mit den Überleitungsvorschriften nicht gegen das Verbot der Altersdiskriminierung,
86BVerwG, Urteil vom 30.10.2014 – 2 C 6/13 – juris Rz. 72,
87so dass ein Anspruch ab diesem Zeitpunkt ausscheidet.
88Der Zinsanspruch in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2, 187 Abs. 1 BGB in entsprechender Anwendung.
89Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1, § 155 Abs. Satz 1 VwGO.
90Die Zulassung der Berufung beruht auf §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kostenentscheidung vorläufig vollstreckbar. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 vom Hundert des aufgrund des Urteils zu vollstreckenden Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 vom Hundert des zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger rügt die Altersdiskriminierung im Rahmen seiner Besoldung und beansprucht die Besoldung nach der höchsten Stufe des Grundgehalts seiner je-weiligen Besoldungsgruppe ab dem 01. Januar 2009.
3Der am °°. °°° °°°° geborene Kläger steht als Beamter im Dienst der Beklagten. Seine Besoldung richtete sich vom 01. Januar 2009 bis zum 31. Mai 2013 nach den §§ 27, 28 BBesG in der bis zum 31. August 2006 geltenden Fassung vom 06. August 2002 (im Folgenden: BBesG a. F.). Nach diesen Bestimmungen bildete das in Abhängigkeit vom Lebensalter bestimmte Besoldungsdienstalter den An-knüpfungspunkt für die erstmalige Zuordnung zu einer Besoldungsstufe der Tabelle der Grundgehaltssätze. Anschließend stieg das Grundgehalt des Beamten nach der Dienstzeit im Beamtenverhältnis und seiner dort erbrachten Leistung an. Zum 01. Juni 2013 ist als Artikel 1 des Dienstrechtsanpassungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen das Übergeleitete Besoldungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (ÜBesG NRW) in Kraft getreten. § 27 ÜBesG NRW sieht vor, dass mit der erstmaligen Ernennung und dem damit gekoppelten Anspruch auf Dienstbezüge grundsätzlich das Grundgehalt der Stufe 1 festgesetzt wird. Diese Stufe wird unabhängig vom Lebensalter mit Wirkung vom Ersten des Monats festgesetzt, in dem das Beamtenverhältnis begründet wird. Das Grundgehalt steigt bis zur fünften Stufe im Abstand von zwei Jahren, bis zur neunten Stufe im Abstand von drei Jahren und darüber hinaus im Abstand von vier Jahren. § 28 ÜBesG NRW regelt, welche Zeiten bei der ersten Stufenfestsetzung als Erfahrungszeiten anerkannt werden. § 1 Abs. 1 des Gesetzes zur Überleitung der vorhandenen Beamtinnen, Beamten, Richterinnen und Richter, Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger in die neuen Grundgehaltstabellen (BeamtuaGrGTÜG NRW) schreibt für Bestandsbeamte, d. h. Beamte, die wie der Kläger am 31. Mai und am 01. Juni 2013 in einem Beamtenverhältnis standen, eine betragsmäßige Überleitung des Grundgehalts vor. Der Beamte erhält danach ein Grundgehalt in gleicher Höhe wie nach bisherigem Recht. Maßgeblich ist grundsätzlich die Dienstaltersstufe, die nach bisherigem Recht am Tag vor der Überleitung erreicht ist.
4Mit am 16. Mai 2012 bei der Beklagten eingegangenem Schreiben vom 12. Mai 2012 machte der Kläger die Besoldung nach der höchsten Stufe des Grundgehalts seiner jeweiligen Besoldungsgruppe ab dem 01. Januar 2009 geltend. Zur Begründung be-zog er sich auf die Entscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) vom 08. September 2011 – Rs. C-297 u. a. –, der entschieden habe, dass die Fest-setzung einer Gehaltsstufe auf Grund des Lebensalters unzulässig sei. Das Bundes-arbeitsgericht (BAG) habe zudem durch Urteil vom 10. November 2011 – 6 AZR 481/09 – entschieden, dass eine solche Ungerechtigkeit nur durch eine Zahlung der Differenz zur höchsten Altersstufe ausgeglichen werden könne. Diese Grundsätze seien auch auf Beamte zu übertragen.
5Die Beklagte lehnte den Antrag durch Bescheid vom 22. Mai 2012 mit der Begründung ab, dass § 27 Abs. 1 BBesG a. F. nicht an das tatsächliche Lebensalter des Beamten anknüpfe, sondern an das Besoldungsdienstalter, für das das Lebensalter nur einen pauschalierenden Berechnungsfaktor darstelle. Die Honorierung der Berufserfahrung sei als legitimes Ziel der Entgeltpolitik nicht zu beanstanden. Die vom Kläger angeführte Entscheidung des BAG sei auf Beamte nicht übertragbar.
6Den hiergegen erhobenen und nicht weiter begründeten Widerspruch wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 28. Juni 2012 als unbegründet zurück.
7Der Kläger hat am 26. Juli 2012 Klage erhoben.
8Zur Begründung führt er aus, die am Besoldungsdienstalter orientierte Besoldung benachteilige ihn ohne Rechtfertigung wegen seines Alters. Diese Diskriminierung könne allein durch eine Besoldung nach der höchsten Stufe des Grundgehalts seiner jeweiligen Besoldungsgruppe ausgeglichen werden.
9Der Kläger beantragt,
10die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 22. Mai 2012 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 28. Juni 2012 zu verurteilen, dem Kläger rückwirkend ab dem 01. Januar 2009 Grundgehalt nach der höchsten Stufe seiner jeweiligen Besoldungsgruppe nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit und jeweiliger Fälligkeit zu gewähren.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Zur Begründung vertieft sie ihre Ausführungen in den angefochtenen Bescheiden.
14Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie den des beigezogenen Verwaltungsvorgangs der Beklagten Bezug genommen.
15Entscheidungsgründe:
16Die zulässige Klage ist unbegründet.
17Der Kläger hat für den Zeitraum vom 01. Januar 2009 bis zum 31. Mai 2013 (A.) weder einen auf Besoldungsrecht gründenden Anspruch auf (Nach-)Zahlung der Be-soldungsdifferenz, die sich aus seiner zugeordneten Dienstaltersstufe und der höchsten Stufe des Grundgehalts ergibt (I.), noch hat er einen Anspruch auf Ersatz oder Entschädigung aus Rechtsgrundlagen, die aus dem Unionsrecht folgen (II.). Auch für den Zeitraum vom 01. Juni 2013 bestehen keine Zahlungsansprüche des Klägers gegen die Beklagte (B.).
18A.
19Der Kläger hat keinen Anspruch auf Besoldung nach der höchsten Stufe des Grund-gehalts seiner jeweiligen Besoldungsgruppe für die Zeit vom 01. Januar 2009 bis zum 31. Mai 2013.
20I.
21Der Anspruch ergibt sich nicht aus den nachstehenden besoldungsrechtlichen Bestimmungen.
22Grundlage der Besoldung des Klägers im vorgenannten Zeitraum sind §§ 27, 28 BBesG a. F. Nach diesen Bestimmungen bildet das in Abhängigkeit vom Lebensalter bestimmte Besoldungsdienstalter den Anknüpfungspunkt für die erstmalige Zuordnung zu einer Besoldungsstufe der Tabelle der Grundgehaltssätze. Anschließend steigt das Grundgehalt des Beamten nach der Dienstzeit im Beamtenverhältnis und seiner dort erbrachten Leistung an. Danach unterscheidet sich das Grundgehalt, das zwei gleichzeitig ernannte Beamte mit der gleichen oder einer vergleichbaren Berufserfahrung, aber unterschiedlichem Lebensalter erhalten, allein auf Grund ihres Lebensalters zum Zeitpunkt ihrer Ernennung. Dieses Besoldungssystem hat eine Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 und 2 Buchstabe a) der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (ABl. EU L 303 S. 16; im Folgenden: RL 2000/78/EG) zur Folge. Danach liegt eine unmittelbare Diskriminierung vor, wenn eine Person wegen des in Artikel 1 der Richtlinie genannten Grundes des Alters in einer vergleichbaren Situation eine weniger günstige Behandlung erfährt, als eine andere Person erfährt, erfahren hat oder erfahren würde.
23Die Ungleichbehandlung ist nicht nach Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG gerechtfertigt. Nach dieser Bestimmung können die Mitgliedstaaten vorsehen, dass Ungleich-behandlungen wegen des Alters keine Diskriminierung darstellen, sofern sie objektiv und angemessen sind und im Rahmen des nationalen Rechts durch ein legitimes Ziel (…) gerechtfertigt und die Mittel zur Erreichung dieses Ziels angemessen und erforderlich sind. Zwar stellt es ein legitimes Ziel der Entgeltpolitik dar, das Auf-steigen der Besoldung an die im Dienst erworbene Berufserfahrung zu knüpfen. Das System der §§ 27, 28 BBesG a. F. geht aber über das hinaus, was zur Erreichung dieses legitimen Ziels erforderlich ist. Denn die Regelung führt dazu, dass auch ein älterer Beamter ohne jede Berufserfahrung bei seiner erstmaligen Berufung in ein Beamtenverhältnis allein aufgrund seines höheren Lebensalters höher eingestuft wird.
24Vgl. dazu EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 – Rs. C-501/12, Specht –, juris Rn. 50 f.; BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 – 2 C 6/13 –, juris Rn. 15 ff.
25Die insoweit gegebene Ungleichbehandlung führt allerdings nicht dazu, dass dem Kläger der von ihm geltend gemachte Anspruch auf Besoldung nach der höchsten Stufe des Grundgehalts seiner jeweiligen Besoldungsgruppe zusteht. Ein solcher Anspruch käme nur in Betracht, wenn die besoldungsgesetzlichen Bestimmungen einer Auslegung im unionsrechtlichen Sinne zugänglich wären mit der Folge, dass der Widerstreit zwischen nationalem und Unionsrecht ausschließlich durch die Heranziehung der höchsten Stufe des Grundgehalts der Besoldungsgruppe unionsrechtskonform gelöst werden könnte. Eine unionsrechtskonforme Auslegung der §§ 27, 28 BBesG a. F. ist jedoch nicht möglich. Die diesem Besoldungssystem innewohnende Ungleichbehandlung gilt für jeden Beamten bei seiner erstmaligen Berufung in ein Beamtenverhältnis, sodass die hieraus resultierende unmittelbare Diskriminierung potenziell alle Beamten betrifft. Es existiert damit bereits kein gültiges Bezugssystem, an dem sich die diskriminierungsfreie Behandlung des Klägers orientieren könnte.
26Vgl. EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 – Rs. C-501/12, Specht –, a. a. O. Rn. 96.
27Eine höhere Einstufung des Klägers innerhalb des Systems der §§ 27, 28 BBesG a. F. würde zudem zu einer Entwertung der vom Gesetzgeber beabsichtigten Honorierung bereits erworbener Berufserfahrung führen und zugleich diejenigen Beamten benachteiligen, die diese höhere Stufe unionsrechtlich zulässig auf Grund ihrer Berufserfahrung erlangt haben.
28Mangels gültigen Bezugssystems kann auch die vom EuGH zur Wahrung des Gleichheitssatzes entwickelte Rechtsprechung, nach der bis zur Abhilfe der Un-gleichbehandlung den Angehörigen der benachteiligten Gruppe dieselben Vorteile gewährt werden müssen wie denjenigen der privilegierten Gruppe, nicht angewandt werden.
29Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 – 2 C 6/13 –,a. a. O. Rn. 20 f.
30II.
31Ebenso wenig erwächst der bereits näher bezeichnete Anspruch des Klägers für den Zeitraum vom 01. Januar 2009 bis zum 31. Mai 2013 aus der RL 2000/78/EG (1.) sowie aus § 15 Abs. 1 bzw. 2 AGG (2.) und aus dem unionsrechtlichen Haftungs-anspruch (3.).
321.
33Ein Anspruch aus der RL 2000/78/EG scheidet bereits deshalb aus, weil Art. 17 RL 2000/78/EG unmittelbar keinen Anspruch des Klägers auf Zahlung einer Entschädi-gung oder eines Geldbetrages in Höhe des Unterschieds zwischen seiner tat-sächlichen Besoldung und der Besoldung nach der höchsten Stufe des Grundgehalts seiner Besoldungsgruppe gewährt. Nach Art. 17 RL 2000/78/EG legen die Mitglied-staaten die Sanktionen fest, die bei einem Verstoß gegen die einzelstaatlichen Vorschriften zur Anwendung dieser Richtlinie zu verhängen sind, und treffen alle erforderlichen Maßnahmen, um deren Durchführung zu gewährleisten. Dabei müssen die Sanktionen, die auch Schadensersatzleistungen an die Opfer umfassen können, wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein.
34Diese europarechtlichen Vorgaben bedürfen mithin für ihre Wirkkraft der Umsetzung in nationalen Recht, das erst die Grundlage für einen Anspruch sein kann (vgl. Art. 288 Abs. 3 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union [AEUV]). Eine solche Anspruchsgrundlage sind die (nationalen) Haftungsregelungen des § 15 Abs. 1 und 2 AGG, die den europarechtlichen Sanktionsforderungen entsprechen.
35Vgl. BVerwG, Urteile vom 30. Oktober 2014 – 2 C 3/13 –, juris Rn. 33 ff., und vom 25. Juli 2013 – C 12/11 –, jurisRn. 57 ff.
36Da insofern der Haftungsrahmen der vorgenannten Richtlinie durch die Umsetzung in nationales Recht ausgeschöpft ist, bietet sie keinen Raum für eine darüber hinaus gehende Haftung.
372.
38Dem Kläger steht weder ein Schadensersatzanspruch nach § 15 Abs. 1 AGG zu, noch hat er einen Anspruch auf Entschädigung gemäß § 15 Abs. 2 AGG; beide Vor-schriften sind auf den Kläger als Beamten der beklagten Stadt unter Berück-sichtigung seiner besonderen Stellung entsprechend anzuwenden, § 24 Nr. 1 AGG.
39Die Anspruchsgrundlagen streiten nicht zugunsten des Klägers, da er die Aus-schlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG, die mit Art. 9 RL 2000/78/EG vereinbar ist,
40vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 – 2 C 6/13 –,a. a. O. Rn. 48 m. w. N.,
41nicht eingehalten hat. Gemäß Satz 1 dieser Vorschrift muss der Anspruch nach Absatz 1 bzw. 2 innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden. Nach Satz 2 beginnt die Frist zu dem Zeitpunkt, in dem der Kläger von der Benachteiligung Kenntnis erlangt hat. Die Berechnung der Ausschlussfrist erfolgt nach den §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB.
42Vgl. v. Roetteken, Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz, Kommentar, § 15 AGG Rn. 84 m. w. N. (Stand der Kommentierung: Juli 2014).
43Grundsätzlich hat der Beamte Kenntnis von der Benachteiligung, wenn er die anspruchsbegründenden Tatsachen kennt. Dass er aus diesen Tatsachen die zu-treffenden rechtlichen Schlüsse zieht, ist nicht erforderlich. Von diesem Grundsatz ist eine Ausnahme für den Fall einer unsicheren und zweifelhaften Rechtslage geboten. Der Lauf der Ausschlussfrist beginnt dann zu dem Zeitpunkt, ab dem die Erhebung einer Klage für den Betroffenen zumutbar ist, d. h. die Klage hinreichend aussichtsreich, wenn auch nicht risikolos ist. Danach ist in diesen Fällen die objektive Klärung der Rechtslage durch höchstrichterliche Entscheidungen maßgeblich. Die entscheidungserhebliche Rechtslage ist hier durch die Verkündung des Urteils des EuGH in Sachen Hennigs und Mai am 08. September 2011 – Rs. C-297 u. a. – geklärt worden. Es handelt sich dabei um den Zeitpunkt, an dem die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG in Gang gesetzt worden ist.
44Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 – 2 C 6/13 –,a. a. O. Rn. 53 ff. m. w. N.; bestätigt im Urteil vom 20. Mai 2015 – 2 A 9/13 –, juris Rn. 12 f.; dem folgend VG Arnsberg, Urteil vom 29. Mai 2015 – 13 K 3070/12 –, juris Rn. 20 ff.; VG Bayreuth, Urteil vom 14. April 2015 – B 5 K 14.537 –, juris Rn. 16.
45Die Ausschlussfrist begann somit am 09. September 2011 um 0.00 Uhr zu laufen und endete am 08. November 2011 um 24.00 Uhr. Der Kläger hat sich an die Beklagte mit dem hier streitgegenständlichen Begehren erstmalig mit Schreiben vom 12. Mai 2012 gewandt, mithin nach Verstreichen der zweimonatigen Ausschlussfrist. Sein Schreiben lässt erkennen, dass das Urteil des EuGH in Sachen Hennigs und Mai für die Antragstellung maßgeblich war.
46Ein anderer Fristbeginn erschließt sich nicht aus den Verfassungsbeschwerden, die gegen die die vorliegende Rechtslage betreffenden Urteile des Bundesverwal-tungsgerichts mit der Begründung erhoben worden sind, dass diese gegen die Garantie des gesetzlichen Richters nach Art. 101 Abs. 1 Satz 2 GG verstießen. Das Bundesverwaltungsgericht vertrete hinsichtlich des Fristbeginns für die Geltend-machung von Ansprüchen nach dem AGG eine andere Rechtsauffassung als der Bundesgerichtshof in seinem Urteil vom 23. September 2008 – XI ZR 262/07 –, juris Rn. 19. Insoweit sei für den Verjährungsbeginn gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB nicht auf die Verkündung, sondern auf die Veröffentlichung der die unsichere bzw. zweifelhafte Rechtslage klärenden Entscheidung in der Neue(n) Juristischen Wochenschrift (NJW) als der auflagenstärksten juristischen Fachzeitschrift abzustellen. Nach Ansicht der Beschwerdeführer (vor dem Bundesverfassungs-gericht) hätte das Bundesverwaltungsgericht die Frage des Fristbeginns zur Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung dem Gemeinsamen Senat der obersten Gerichtshöfe vorlegen müssen.
47Ausgangspunkt für den Beginn der Ausschlussfrist nach § 15 Abs. 4 AGG ist die übergeordnete Voraussetzung der Zumutbarkeit, den Anspruch schriftlich geltend zu machen. Mit der Verkündung des Urteils des EuGH in Sachen Hennigs und Mai am 08. September 2011 ist die hier entscheidungserhebliche Rechtslage objektiv geklärt worden. Für den Kläger bestand ab diesem Zeitpunkt hinreichend Gelegenheit, von dem vorgenannten Urteil Kenntnis zu erlangen. Ausweislich der von der erkennenden Kammer erbetenen Auskunft des EuGH vom 02. Juni 2015 war der Verhandlungs- und Urteilstermin in den Sachen Hennigs und Mai etwa fünf Wochen zuvor in den Gerichtskalender auf der Webseite Curia eingestellt worden. Die deutsche Fassung des Urteils wurde – so der EuGH – am Tag der Verkündung, d. h. am 08. September 2011, um 10.52 Uhr auf der Webseite Curia eingestellt und ist seitdem dort abrufbar. Es war dem Kläger vor diesem Hintergrund zumutbar, sich des gängigen Informationsmediums des Internets zu bedienen, um aus der originären Quelle des EuGH die für ihn bedeutsamen Erkenntnisse zu seiner Besoldungsrechtslage zu erhalten. Vom Kläger, der sich wegen des seiner Besoldung zugrunde liegenden Besoldungssystems auf Grund seines Alters benachteiligt gesehen hat, konnte verlangt werden, dass er sich hinsichtlich der Klärung der Rechtslage „auf dem Laufenden“ hält. Die erkennende Kammer sieht unter dem Blickwinkel der Zumutbarkeit der Kenntniserlangung nicht, dass das Abwarten auf die Veröffentlichung des Urteils des EuGH in einer juristischen Fachzeitschrift in Zeiten des typischen Gebrauchs moderner Informations-technologien einen substanziellen Mehrwert aufweist, der zu einer Verschiebung des Fristbeginns führt.
48Selbst wenn man entgegen der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts nicht auf die Verkündung des EuGH-Urteils in Sachen Hennigs und Mai, sondern auf dessen Veröffentlichung in einem periodisch erscheinenden Druckerzeugnis abstellt, hat der Kläger die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG nicht gewahrt. Insoweit ist nach Ansicht der erkennenden Kammer jedoch nicht die Veröffentlichung des Urteils in der NJW, sondern diejenige im Amtsblatt der Europäischen Union maßgebend. Als offizielles Veröffentlichungsblatt der Europäischen Union ist das Amtsblatt der Europäischen Union von seiner Funktion her vergleichbar mit dem Bundes-gesetzblatt. Die Veröffentlichung des Urteils des EuGH in Sachen Hennigs und Mai vom 08. September 2011 erfolgte am 22. Oktober 2011 (ABl. EU 2011, Nr. C 311, S. 12 f.), so dass die Ausschlussfrist mit Ablauf des 22. Dezember 2011 verstrichen wäre. Im Übrigen hätte der Kläger die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG auch dann nicht eingehalten, wenn man auf die Veröffentlichung der Entscheidung in der NJW Heft 8/2012 vom 16. Februar 2012 abstellt.
49Ein anderer Zeitpunkt für den Fristbeginn ist schließlich nicht deswegen angezeigt, weil das den §§ 27, 28 BBesG a. F. zugrunde liegende Besoldungssystem durch den nordrhein-westfälischen Gesetzgeber (erst) zum 01. Juni 2013 geändert worden ist. Zwar beginnt die Geltendmachungsfrist des § 15 Abs. 4 AGG bei Dauertatbeständen erst mit der letzten Handlung bzw. mit der Beseitigung des diskriminierenden Zustands. Ein Dauertatbestand ist dann gegeben, wenn fortlaufend neue Tatsachen eintreten, die für eine Benachteiligung von Bedeutung sind. Dagegen liegt ein Dauerzustand nicht vor, wenn die für die Diskriminierung maßgeblichen Vorgänge bereits abgeschlossen sind und lediglich nachwirken.
50Vgl. BAG, Urteil vom 24. September 2009– 8 AZR 705/08 –, juris Rn. 59 f. m. w. N.
51Von letzterem ist für das Besoldungssystem der §§ 27, 28 BBesG a. F. auszugehen. Denn die ursprüngliche diskriminierende Maßnahme bestand in der Festsetzung des Besoldungsdienstalters, das wiederum für die Zuordnung zur Grundgehaltstabelle maßgeblich war. Der weitere Stufenaufstieg des Beamten bestimmte sich demgegenüber nach der Dienstzeit im Beamtenverhältnis und seiner dort erbrachten Leistung und stellte sich daher als bloße Nachwirkung des in Abhängigkeit vom Lebensalter bestimmten Besoldungsdienstalters dar.
52Im Ergebnis ebenso VG Arnsberg, Urteil vom 05. Juni 2015 – 13 K 308/13 –, juris Rn. 18; vgl. auch Ebenhoch-Combs, RiA 2015, 103 (108); a. A. Tiedemann, RiA 2015, 97 (100) mit Hinweis darauf, dass die sich wiederholenden Besol-dungszahlungen jeden Monat eine erneute Ungleichbe-handlung wegen des Alters darstellen und aufgrund des stets gleichen Besoldungsgesetzes erfolgen.
533.
54Auch aus dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch kann der Kläger keinen Anspruch herleiten.
55Es ist bereits zweifelhaft, ob der unionsrechtliche Haftungsanspruch, dessen Voraussetzungen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts für den Zeitraum ab Verkündung des Urteils des EuGH am 08. September 2011 – Rs. C-297/10 u. a., Hennigs und Mai –,
56vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 – 2 C 6/13 –,a. a. O. Rn. 29 f.,
57bis zum 31. Mai 2013 vorliegen, vor dem Hintergrund der ihm nach der Rechtsprechung des EuGH zugedachten Funktion in der vorliegenden Konstellation für den genannten Zeitraum neben den in § 15 Abs. 1 bzw. 2 AGG normativ geregelten Sekundäransprüchen überhaupt noch Anwendung finden kann (a.). Selbst wenn man von einem Nebeneinander der genannten Ansprüche ausgeht, scheitert der unionsrechtliche Haftungsanspruch jedoch ebenso wie die Ansprüche aus § 15 Abs. 1 und 2 an der Versäumung der in § 15 Abs. 4 AGG geregelten Ausschlussfrist (b.).
58a.
59Auf der Ebene des Unionsrechts existiert kein normativer Amtshaftungsanspruch gegen die Mitgliedstaaten für unionsrechtswidriges Handeln. Nach der Recht-sprechung des EuGH handelt es sich indes um einen Grundsatz des Unionsrechts, dass „die Mitgliedstaaten zum Ersatz der Schäden verpflichtet sind, die dem einzelnen durch Verstöße gegen das Gemeinschaftsrecht entstehen, die diesen Staaten zuzurechnen sind.“
60EuGH, Urteil vom 19. November 1991 – Rs. C-6/90, Frankovich –, juris Rn. 37.
61Mit den Entscheidungen in den Rechtssachen Frankovich und Brasserie du pechéur,
62vgl. Urteil vom 05. März 1996 – Rs. C-46/93, C-48/93 –, juris,
63hat der EuGH die Grundlage für eine Haftung der Mitgliedstaaten für Schäden gelegt, die dem Einzelnen durch dem Mitgliedstaat zurechenbare Verstöße gegen das Unionsrecht entstehen.
64Den nationalen Gerichten kommt in diesem Zusammenhang die Aufgabe zu, das Unionsrecht in den jeweiligen Mitgliedstaaten effektiv zur Geltung zu bringen, indem sie die vollen Wirkungen dieser Bestimmungen gewährleisten und die Rechte schützen, die das Unionsrecht dem Einzelnen verleiht. Dieser als effet utile bezeichnete Geltungsanspruch des Unionsrechts wäre beeinträchtigt, wenn ein Verstoß gegen das Unionsrecht durch die Mitgliedstaaten nicht deren Haftung gegenüber dem Einzelnen auslösen würde und dieser auf dem Sekundärrechtsweg nicht Regress nehmen könnte. Die Möglichkeit einer Entschädigung durch den Mitgliedstaat ist nach der Rechtsprechung des EuGH vor allem dann unerlässlich, wenn die volle Wirkung der unionsrechtlichen Bestimmungen davon abhängt, dass der Staat tätig wird, und der Einzelne deshalb im Falle einer Untätigkeit des Staates die ihm durch das Unionsrecht zuerkannten Rechte vor den nationalen Gerichten nicht geltend machen kann.
65Vgl. EuGH, Urteil vom 19. November 1991 – Rs. C-6/90, Frankovich –, a. a. O. Rn. 32 ff.
66Damit legt der EuGH in seiner auf richterlicher Rechtsfortbildung beruhenden Grund-lagenentscheidung für die Entwicklung des seitdem in ständiger Rechtsprechung anerkannten unionsrechtlichen Haftungsanspruchs die gleichen Kriterien zugrunde, wie sie das Bundesverfassungsgericht für eine Rechtsfortbildung im nationalen Recht fordert. Danach besteht Anlass für eine Rechtsfortbildung durch die Judikative insbesondere dort, wo Programme ausgefüllt, Lücken geschlossen, Wertungswidersprüche aufgelöst werden oder besonderen Umständen des Einzelfalls Rechnung getragen wird.
67Vgl. BVerfG, Nichtannahmebeschluss vom 26. September 2011 – 2 BvR 2216/06, 2 BvR 42 BvR 469/07 –, juris Rn. 45.
68Aus diesen Maßgaben folgt, dass auf den unionsrechtlichen Haftungsanspruch immer dann zurückgegriffen kann respektive muss, wenn das nationale Recht keine ausreichenden Regelungen bereit hält, um den (qualifizierten) Verstoß gegen das Unionsrecht zu sanktionieren. Im umgekehrten Fall, d. h. wenn im nationalen Recht eine von dem jeweiligen Gesetzgeber zur Beseitigung des Unionsrechtsverstoßes geschaffene Haftungs- bzw. Sanktionsnorm vorhanden ist, besteht für die Anwendung des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs kein Raum (mehr). Letzteres dürfte hier der Fall sein.
69Das Unionsrecht – hier in Form der RL 2000/78/EG – findet seit dem 18. August 2006 im nationalen Recht seine Entsprechung im Allgemeinen Gleich-behandlungsgesetz. Als zentrale Verbotsnorm regelt § 7 Abs. 1 Hs. 1 AGG in Umsetzung des Art. 2 in Verbindung mit Art. 1 der RL 2000/78/EG, dass Beschäftigte nicht wegen eines in § 1 genannten Grundes, u. a. des Alters, benachteiligt werden dürfen. Zur Absicherung dieses Benachteiligungsverbots hat der nationale Gesetzgeber in § 15 AGG ein Haftungs- bzw. Sanktionsregime eingeführt, welches die Vorgaben der RL 2000/78/EG (insbesondere Art. 9 und 17) in nationales Recht umsetzt.
70Vgl. BVerwG, Urteile vom 30. Oktober 2014 – 2 C 6/13 –, a. a. O. Rn. 23 f., und vom 25. Juli 2013 – 2 C 12/11 –,juris Rn. 57 ff. m. w. N.
71Anknüpfungspunkt sowohl des in § 15 Abs. 1 AGG geregelten Schadens-ersatzanspruchs bzw. des in Abs. 2 dieser Vorschrift normierten Entschädigungs-anspruchs als auch des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs ist im vorliegenden Verfahren die nicht gerechtfertigte, weil nicht erforderliche Diskriminierung des Klägers wegen des Alters durch das Besoldungssystem der §§ 27, 28 BBesG a. F. Daher tritt in den Fällen wie dem vorliegenden bei Verwirklichung des Haftungs-tatbestands des § 15 Abs. 1 bzw. 2 AGG daneben regelmäßig auch die Verwirk-lichung der Voraussetzungen des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs ein, da ihm die gleiche Zielrichtung zukommt. Diesem Zusammenhang entspricht es, wenn das Bundesverwaltungsgericht zu dem Ergebnis gelangt, dass die Voraussetzungen sowohl des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs als auch des Schadens-ersatzanspruchs gemäß § 15 Abs. 1 AGG seit dem Urteil des EuGH vom 08. September 2011 in Sachen Hennigs und Mai und die Voraussetzungen des § 15 Abs. 2 AGG bereits seit dem Inkrafttreten des AGG am 18. August 2006 vorliegen.
72Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 – 2 C 6/13 –,a. a. O. Rn. 25 ff., 31 ff. und 40 ff.
73Im Anwendungsbereich der RL 2000/78/EG – jedenfalls soweit wie hier eine Diskriminierung auf Grund des Alters in Rede steht – sieht das nationale Recht somit ausreichende Vorkehrungen vor, um dem Unionsrecht (mittelbar über die in Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG erlassenen Vorschriften des AGG) zu dem Geltungsvorrang zu verhelfen, der dem Sinn und Zweck des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs entspricht. Vor diesem Hintergrund ist in der vorliegenden Konstellation kein Raum erkennbar für einen Rückgriff auf den ungeschriebenen und vom EuGH für solche Fälle entwickelten unionsrechtlichen Haftungsanspruch, die gerade dadurch gekennzeichnet sind, dass es – anders als in dem hier zu entscheidenden Fall – an entsprechenden nationalen Vorschriften zur Absicherung des Geltungsvorrangs des Unionsrechts mangelt.
74b.
75Selbst wenn man von einem zulässigen Nebeneinander der in § 15 Abs. 1 bzw. 2 AGG geregelten Ansprüche und dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch ausgeht, steht letzterem jedoch die Versäumung der Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG entgegen. Denn diese Vorschrift ist – jedenfalls von ihrem Rechtsgedanken her – auf den unionsrechtlichen Haftungsanspruch in der hier vorliegenden Konstellation übertragbar.
76In diesem Sinne auch VG Arnsberg, Urteil vom 29. Mai 2015 – 13 K 3070/12 –, a. a. O. Rn. 25 ff.; OLG Hamm, Urteil vom 03. Dezember 2014 – I-11 U 6/13, 11 U 6/11 U 6/13 –, juris Rn. 40 ff.; Ebenhoch-Combs, RiA 2015, 103 (107 f.); vgl. auch BAG, Urteil vom 21. Juni 2012 – 8 AZR 188/11 –, juris Rn. 50 f., demzufolge § 15 Abs. 4 AGG auch für deliktische Ansprüche gilt, die auf denselben Lebenssachverhalt gestützt werden.
77Zwar erfasst § 15 Abs. 4 AGG von seinem Wortlaut her nur die Ansprüche nach § 15 Abs. 1 und 2 AGG. Die Übertragung der in dieser Vorschrift geregelten Ausschlussfrist von zwei Monaten auf den unionsrechtlichen Haftungsanspruch ist in der hier streitgegenständlichen Konstellation jedoch insbesondere vor dem Hintergrund der dargelegten Funktion des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs erforderlich und geboten.
78Es entspricht der ständigen Rechtsprechung des EuGH, dass es in Ermangelung entsprechender unionsrechtlicher Bestimmungen Sache der Mitgliedstaaten ist, die Verfahrensmodalitäten festzulegen, die den Schutz der dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen. Dabei dürfen diese Verfahren nicht weniger günstig ausgestaltet sein als bei entsprechenden Klagen, die nur innerstaatliches Recht betreffen (Grundsatz der Äquivalenz), und die Ausübung der durch das Unionsrecht verliehenen Rechte nicht praktisch unmöglich machen oder übermäßig erschweren (Grundsatz der Effektivität).
79Vgl. EuGH, Urteil vom 08. Juli 2010 – Rs. C-246/09, Bulicke –, juris Rn. 25 m. w. N.; Löwisch/Becker,EuZA 2015, 83 (90).
80Die Anwendung der in § 15 Abs. 4 AGG geregelten Ausschlussfrist auf den unionsrechtlichen Haftungsanspruch ist hier geboten, um dessen Reichweite nicht zu überspannen und um die damit einhergehenden Wertungswidersprüche zu vermeiden. Würde man die in § 15 Abs. 4 AGG geregelte Ausschlussfrist nicht auf den unionsrechtlichen Haftungsanspruch erstrecken, würde angesichts der aufgezeigten Parallelität des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs mit den Haftungsnormen des § 15 Abs. 1 bzw. 2 AGG der mit der Ausschlussfrist beabsichtigte Zweck vereitelt werden, nämlich innerhalb einer kurzen Frist Rechtsklarheit und Rechtssicherheit in Bezug auf solche Ansprüche herbeizuführen, die auf den besonderen gesetzlichen Schutz vor Diskriminierung wegen des Alters gegründet werden.
81Der Übertragung der Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG auf den unionsrechtlichen Haftungsanspruch steht auch die Rechtsprechung des EuGH nicht entgegen. Zwar hat der EuGH in seinem Urteil vom 25. November 2010
82– Rs. C-429/09, Fuß –, juris,
83entschieden, dass der auf einem Unionsrechtsverstoß beruhende unionsrechtliche Haftungsanspruch eines Feuerwehrbeamten nicht von einer vorherigen Antrag-stellung abhängig gemacht werden könne; unter Berufung auf diese Entscheidung hat das Bundesverwaltungsgericht ausgeführt, dass der unionsrechtliche Haftungs-anspruch an weitere Voraussetzungen – etwa ein Antragserfordernis – nicht ge-bunden sei und insoweit lediglich den Verjährungsregeln des nationalen Rechts unterliege.
84Vgl. Urteil vom 26. Juli 2012 – 2 C 29/11 –, juris Rn. 25und 41, in Bezug auf die Entschädigung wegen Zuvielarbeit durch Beamte der Feuerwehr; zuletzt bestätigt durch Beschluss vom 01. Juli 2014 – 2 B 39/13 –, juris Rn. 6 ff.
85In seiner Entscheidung zur unionsrechtswidrigen Altersdiskriminierung des den§§ 27, 28 BBesG a. F. zugrunde liegenden Besoldungssystems geht der EuGH,
86vgl. Urteil vom 19. Juni 2014 – Rs. C-501/12, Specht –,a. a. O.,
87auf die Entscheidung in der Rechtssache Fuß aber nicht ein, er führt auf eine entsprechende Anfrage des Verwaltungsgerichts Berlin im Vorabentscheidungs-verfahren (vgl. Art. 267 AEUV) vielmehr aus (a. a. O. Rn. 115), dass das Unionsrecht einer nationalen Vorschrift, nach der ein Beamter – nicht unmittelbar aus einem Gesetz folgende – Ansprüche auf Geldleistungen zeitnah, nämlich vor dem Ende des laufenden Haushaltsjahres, geltend machen müsse, nicht entgegenstehe, wenn diese Vorschrift weder gegen den Äquivalenz- noch gegen den Effektivitätsgrundsatz verstoße. Auch wenn der EuGH die Feststellung, ob der Grundsatz der zeitnahen Geltendmachung mit diesen unionsrechtlichen Vorgaben in Einklang steht, den nationalen Gerichten überlässt, kann den in diesem Zusammenhang gemachten weiteren Ausführungen entnommen werden, dass er hier gegen die Anwendung dieses Grundsatzes, der sich in § 15 Abs. 4 AGG widerspiegelt, keine Bedenken hegt.
88Vgl. EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 – Rs. C-501/12, Specht –, a. a. O. Rn. 113 f.; gegen eine Verallgemeine-rungsfähigkeit der Rechtssache Fuß auch Kathke, in: Schwegman/Summer, Besoldungsrecht des Bundes und der Länder, § 3 BBesG Rn. 64b mit Fn. 164b) (Stand der Kommentierung: September 2012); Wonka, DVBl. 2015,79 (83).
89Im Hinblick auf den vorliegenden und mit der Rechtssache Specht vergleichbaren Sachverhalt steht das Unionsrecht daher der den unionsrechtlichen Haftungs-anspruch in zeitlicher Hinsicht begrenzenden nationalen Vorschrift des § 15 Abs. 4 AGG, der mit dem Äquivalenz- und dem Effektivitätsgrundsatz in Einklang steht,
90vgl. EuGH, Urteil vom 08. Juli 2010 – Rs. C-246/09,Bulicke –, a. a. O. Rn. 32; BVerwG, Urteil vom30. Oktober 2014 – 2 C 6/13 –, a. a. O. Rn. 48; BAG, Urteil vom 21. Juni 2012 – 8 AZR 188/11 –, a. a. O. Rn. 20 ff.,
91nicht entgegen.
92B.
93Für den Zeitraum ab dem 01. Juni 2013 steht dem Kläger ebenfalls kein Anspruch zu. Das ab diesem Zeitpunkt geltende Besoldungsrecht des Landes Nordrhein-Westfalen steht mit den Vorgaben der RL 2000/78/EG in Einklang. Mangels eines Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG in Bezug auf das Alter sind damit auch Ansprüche aus § 15 Abs. 1 bzw. Abs. 2 AGG ausgeschlossen.
94I.
95Wesentliche Bestandteile des zum 01. Juni 2013 in Kraft getretenen Dienstrechtsanpassungsgesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 16. Mai 2013 (GV. NRW. S. 234) sind das Übergeleitete Besoldungsgesetz für das Land Nordrhein-Westfalen (ÜBesG NRW) und das Gesetz zur Überleitung der vorhandenen Beamtinnen, Beamten, Richterinnen, Richter, Versorgungsempfängerinnen und Versorgungsempfänger in die neuen Grundgehaltstabellen (BeamtuaGrGTÜG NRW), das die bereits vorhandenen aktiven Beamten und Versorgungsempfänger in die neuen Grundgehaltstabellen überleitet.
96Nach § 27 ÜBesG NRW ist Anknüpfungspunkt für den Besoldungseinstieg und die weitere Entwicklung der Besoldung nicht mehr das vom Lebensalter abhängige Besoldungsdienstalter, sondern die leistungsgerecht absolvierte Dienstzeit.
97Vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung zum Dienstrechtsanpassungsgesetz für das LandNordrhein-Westfalen, LT-Drs. 16/1625, S. 62.
98Mit der erstmaligen Ernennung und dem damit gekoppelten Anspruch auf Dienstbezüge wird grundsätzlich das Grundgehalt der Stufe 1 festgesetzt. Diese Stufe wird unabhängig vom Lebensalter mit Wirkung vom Ersten des Monats festgesetzt, in dem das Beamtenverhältnis begründet wird. Das Grundgehalt steigt bis zur fünften Stufe im Abstand von zwei Jahren, bis zur neunten Stufe im Abstand von drei Jahren und darüber hinaus im Abstand von vier Jahren. § 28 ÜBesG NRW regelt, welche Zeiten bei der ersten Stufenfestsetzung als Erfahrungszeiten anerkannt werden.
99Der so geregelte Aufstieg nach Erfahrungszeiten entspricht den Vorgaben der RL 2000/78/EG, weil diese Regelung nicht an das Lebensalter, sondern an die tatsächliche Berufserfahrung anknüpft.
100Vgl. EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 – Rs. C-501/12, Specht –, a. a. O. Rn. 55 und 69 ff.
101Nach der Rechtsprechung des EuGH darf die tatsächlich abgeleistete Dienstzeit Anknüpfungspunkt einer besoldungsrechtlichen Differenzierung sein. Der Rückgriff auf das Kriterium des Dienstalters ist zur Erreichung des legitimen Ziels geeignet, die Berufserfahrung zu honorieren, die den Arbeitnehmer befähigt, seine Arbeit besser zu verrichten.
102Vgl. EuGH, Urteil vom 03. Oktober 2006 – Rs. C-17/05, Cadman –, juris Rn. 34 ff.
103II.
104Zwar perpetuiert die Überleitungsregelung des § 1 BeamtuaGrGTÜG NRW für Beamte der Besoldungsordnung A, die – wie der Kläger – am 31. Mai und am01. Juni 2013 in einem Beamtenverhältnis standen, die unmittelbare Benachteiligung wegen des Lebensalters. Denn diese Vorschrift knüpft an das Grundgehalt an, das dem Beamten nach dem diskriminierenden System der §§ 27 und 28 BBesG a. F. zustand. Sie ist jedoch zur Wahrung des Besitzstands und zur Vermeidung eines übermäßigen Verwaltungsaufwands für die Regulierung der in der Vergangenheit liegenden Zeiten gerechtfertigt.
105Vgl. EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 – Rs. C-501/12, Specht –, a. a. O. Rn. 64 ff. und 78 ff.
106§ 1 Abs. 1 BeamtuaGrGTÜG NRW schreibt für Bestandsbeamte die bloße betragsmäßige Überleitung des Grundgehalts vor. Der Beamte erhält danach ein Grundgehalt in gleicher Höhe wie nach bisherigem Recht. Maßgeblich ist grundsätzlich die Dienstaltersstufe, die nach bisherigem Recht am Tag vor der Überleitung erreicht ist. Aus Gründen des Vertrauensschutzes schreibt § 1 Abs. 2 BeamtuaGrGTÜG NRW vor, dass in einer entsprechenden Stufe verbrachte Zeiten mit Anspruch auf Dienstbezüge ab dem Monat, in dem der Beamte das 21. Lebensjahr vollendet hat, angerechnet werden. Hierdurch ist gewährleistet, dass der Beamte zum gleichen Zeitpunkt in die nächsthöhere Erfahrungsstufe aufsteigt wie bei Fortgeltung des alten Rechts.
107Vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung zum Dienstrechtsanpassungsgesetz für das LandNordrhein-Westfalen, LT-Drs. 16/1625, S. 69.
108Für den Fall, dass die Neuregelung zu einer Verringerung der Dienstbezüge führt, sieht § 3 Abs. 1 BeamtuaGrGTÜG NRW die Gewährung einer ruhegehaltsfähigen Überleitungszulage zur Wahrung des Besitzstands vor, die sich bei jeder Erhöhung der Dienstbezüge um den Erhöhungsbetrag verringert.
109Die mit dieser Übergangsregelung verbundene Ungleichbehandlung wegen des Lebensalters ist allerdings nach der vorgenannten Rechtsprechung des EuGH gemäß Art. 6 Abs. 1 der RL 2000/78/EG gerechtfertigt. Denn Ziel der Regelung ist es auch, finanzielle Einbußen der Beamten auszuschließen.
110Vgl. Gesetzentwurf der Landesregierung zum Dienstrechtsanpassungsgesetz für das LandNordrhein-Westfalen, LT-Drs. 16/1625, S. 69.
111Die Neuregelung wird damit durch die Prinzipien des Vertrauensschutzes und der Wahrung des am 31. Mai 2013 erreichten Status quo bestimmt. Die Ablösung der bisherigen, am Besoldungsdienstalter orientierten Stufenzuordnung hat auch weder zu Änderungen an der Struktur der Besoldungstabelle der Besoldungsordnung A geführt noch die leistungsbezogenen Elemente des Stufenaufstiegs (Stufenhemmung und Leistungsstufe) substanziell geänderten materiellen Kriterien unterworfen. Die Wahrung des Besitzstands einer Personengruppe ist ein zwingender Grund des Allgemeininteresses, sodass mit dieser Regelung ein legitimes Ziel verfolgt wird.
112Vgl. EuGH, Urteile vom 06. Dezember 2007 – Rs. C-456/05, Kommission/Deutschland –, juris Rn. 63, undvom 08. September 2011 – Rs. C-297/10 und C-298/10, Hennigs und Mai –, a. a. O. Rn. 90.
113Das BeamtuaGrGTÜG NRW geht auch nicht über das zur Erreichung des verfolgten Ziels Erforderliche hinaus. Die mit der Anknüpfung an das bisherige Grundgehalt tatsächlich verbundenen Nachteile sind begrenzt. Infolge der früher maßgeblichen Altersgrenzen für die erstmalige Begründung eines Beamtenverhältnisses im Land Nordrhein-Westfalen war sichergestellt, dass der Unterschied in der Besoldung nicht die Differenz zwischen der ersten und der letzten Stufe einer Besoldungsgruppe erreichen konnte.
114Zwar wäre es auch möglich gewesen, das neue Einstufungssystem im Interesse einer materiellen Beseitigung der Altersdiskriminierung rückwirkend auf sämtliche Bestandsbeamten anzuwenden oder hierfür eine Übergangsregelung zu schaffen, die den bevorzugten Bestandsbeamten die Besoldung in der vorherigen Höhe solange garantiert hätte, bis sie die nach dem neuen Besoldungssystem für die Erreichung einer höheren Besoldungsstufe erforderliche Erfahrung erworben hätten. Die vom Land Nordrhein-Westfalen gewählte Lösung ist nach der Rechtsprechung des EuGH aber in rechtlicher Hinsicht nicht zu beanstanden. Denn die nachträgliche individuelle Feststellung von Vordienstzeiten wäre in Anbetracht der hohen Zahl von Beamten (nach dem im Internet verfügbaren Zahlenmaterial betreut das Landesamt für Besoldung und Versorgung Nordrhein-Westfalen ca. 282.000 Beamtinnen und Beamte; hinzukommen ca. 65.000 Beamte im kommunalen Bereich, deren Besoldung sich ebenfalls nach dem ÜBesG NRW richtet), der Länge des betroffenen Zeitraums, der Verschiedenheit der jeweiligen Laufbahnen und der Schwierigkeiten, die sich bei der Bestimmung der Vordienstzeiten ergeben könnten, übermäßig kompliziert und in erhöhtem Maß fehleranfällig gewesen. Der EuGH hat diese besonderen administrativen Schwierigkeiten hier ausnahmsweise für einen Übergangszeitraum als ausreichend gewichtig angesehen.
115Vgl. Urteil vom 19. Juni 2014 – Rs. C-501/12, Specht –,a. a. O. Rn. 78 ff.; zum Ganzen BVerwG, Urteil vom30. Oktober 2014 – 2 C 6/13 –, a. a. O. Rn. 64 ff. in Bezug auf das zum 01. April 2011 geänderte Besoldungsrecht des Landes Sachsen-Anhalt, sowie Urteil vom 30. Oktober 2014 – 2 C 3/13 –, juris Rn. 63 ff., in Bezug auf das rückwirkend zum 01. September 2006 geänderte Besoldungsrecht des Freistaats Sachsen.
116Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO in Verbindung mit §§ 708 Nr. 11, 711, 709 Satz 2 ZPO.
Tenor
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 1.500,- € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 27. März 2013 zu zahlen. Ferner wird sie verurteilt, an den Kläger weitere 200,- € nebst Zinsen i.H.v. 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz aus 100,- € ab dem 1. April 2013 und aus weiteren 100,- € ab dem 1. Mai 2013 zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Kosten des Verfahrens tragen der Kläger zu zwei Drittel und die Beklagte zu einem Drittel.
Das Urteil ist gegen Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte zuvor Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrags leistet.
Die Berufung wird zugelassen.
1
Tatbestand:
2Die Beteiligten streiten um die Zahlung eines Ausgleichs für altersdiskriminierende Besoldung.
3Der 1978 geborene Kläger ist Städtischer Hauptbrandmeister und steht seit 2003 im Dienst der Beklagten.
4Nachdem die "komba gewerkschaft" durch einen Aushang vom 22. Februar 2012 darauf aufmerksam gemacht hatte, dass angesichts diverser Urteile erhebliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Besoldung nach Altersstufen bestünden, legte der Kläger im Dezember 2012 Widerspruch gegen seine Besoldung ein und beanspruchte die Zahlung der Bezüge aus der höchsten Altersstufe seiner Besoldungsgruppe, zumindest aber eine diskriminierungsfreie Besoldung.
5Mit Widerspruchsbescheid vom 28. Februar 2013, hinsichtlich der Rechtsbehelfsbelehrung korrigiert durch den Widerspruchsbescheid vom 27. März 2013, wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Nach Auskunft des Deutschen Städtetages fehle es an einem Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz, da das Lebensalter lediglich einen pauschalierenden Berechnungsfaktor darstelle, anhand dessen die legitimerweise zu honorierende Berufserfahrung gemessen werde.
6Der Kläger hat am 26. März 2013 Klage erhoben.
7Zur Begründung führt er im Wesentlichen aus, die Besoldung nach Altersstufen sei diskriminierend. Dies folge aus der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts zum Bundesangestelltentarif sowie aus der Rechtsprechung einiger Verwaltungsgerichte, die deren Überlegungen auf das Besoldungssystem übertrugen. Dem Verstoß gegen das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz könne nur durch eine Anpassung der Besoldung an die höchste Altersstufe seiner Besoldungsgruppe begegnet werden.
8In der mündlichen Verhandlung stellt der Kläger klar, dass ihm in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts wegen altersdiskriminierender Besoldung eine Entschädigung in Höhe von 100,- € pro Monat für die Zeit vom 1. Januar 2009 bis einschließlich 31. Mai 2013, mithin für 53 Monate, zustehe.
9Der Kläger beantragt,
10die Beklagte zu verurteilen, an ihn 5.300,- € nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit und jeweiliger Fälligkeit zu zahlen.
11Die Beklagte beantragt,
12die Klage abzuweisen.
13Zur Begründung wiederholt sie ihr Vorbringen aus dem Verwaltungsverfahren.
14Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsvorgänge und der Personalakte Bezug genommen.
15Entscheidungsgründe:
16Die zulässige Klage ist lediglich in dem aus dem Tenor ersichtlichen Umfang begründet, im Übrigen ist sie unbegründet.
17Der Kläger hat für die Jahre 2009 und 2010 keine Schadensersatz- bzw. Entschädigungsansprüche, weil es an einer einschlägigen Anspruchsgrundlage fehlt (1). Die für das Jahr 2011 dem Grunde nach bestehenden Ansprüche hat der Kläger nicht rechtzeitig geltend gemacht (2). Dagegen steht ihm für das Jahr 2012 sowie den Zeitraum bis einschließlich 31. Mai 2013 ein Schadensersatz- bzw. Entschädigungsanspruch zu (3). Für jeden Monat in dem besagten Zeitraum kann der Kläger 100,- € verlangen (4).
18Grundlage der Besoldung des Klägers im vorliegend relevanten Zeitraum waren die §§ 27 und 28 BBesG in der Fassung der Bekanntmachung vom 6. August 2002 (BBesG a.F., BGBl. I S. 3020). Diese Bestimmungen galten nach dem Übergang der Gesetzgebungskompetenzen auf den Landesgesetzgeber zum 1. September 2006 gemäß Art. 125a Abs. 1 Satz 1 Var. 5 GG bis zum Inkrafttreten des Übergeleiteten Besoldungsgesetzes NRW (ÜBesG NRW, GV. NRW. S. 234) am 1. Juni 2013 fort.
19Gemäß §§ 27 und 28 BBesG a.F. bildet das in Abhängigkeit vom Lebensalter bestimmte Besoldungsdienstalter den Anknüpfungspunkt für die erstmalige Zuordnung zu einer Besoldungsstufe der Tabelle der Grundgehaltssätze. Anschließend steigt das Grundgehalt des Beamten nach der Dienstzeit im Beamtenverhältnis und seiner dort erbrachten Leistung an. Danach unterscheidet sich das Grundgehalt, das zwei gleichzeitig ernannte Beamte mit der gleichen oder einer vergleichbaren Berufserfahrung, aber unterschiedlichem Lebensalter erhalten, allein aufgrund ihres Lebensalters zum Zeitpunkt ihrer Ernennung.
20Dieses Besoldungssystem führt zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 und 2 Buchst. a der Richtlinie 2000/78/EG des Rates vom 27. November 2000 zur Festlegung eines allgemeinen Rahmens für die Verwirklichung der Gleichbehandlung in Beschäftigung und Beruf (- RL 2000/78/EG -, ABl. L 303 S. 16).
21Vgl. EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 - Rs. C-501/12, Specht -, NVwZ 2014, 1294, juris Rn. 40 ff.
22Die Richtlinie ist auch für die Besoldungsbedingungen der Beamten der Mitgliedstaaten anwendbar. Die erstmalige Zuordnung des Beamten in eine Besoldungsstufe seiner Besoldungsgruppe knüpft an sein Lebensalter an und führt damit zu einer unmittelbar auf dem Kriterium des Lebensalters beruhenden Ungleichbehandlung, die nicht nach Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG gerechtfertigt ist.
23Zwar stellt es ein legitimes Ziel der Entgeltpolitik dar, das Aufsteigen der Besoldung an die im Dienst erworbene Berufserfahrung zu knüpfen. Allerdings geht das System der §§ 27 und 28 BBesG a.F. über das hinaus, was zur Erreichung dieses legitimen Ziels erforderlich ist. Denn die Regelung führt dazu, dass auch ein älterer Beamter ohne jede Berufserfahrung bei seiner erstmaligen Berufung in ein Beamtenverhältnis allein aufgrund seines höheren Lebensalters höher eingestuft wird, sodass insoweit kein Zusammenhang zwischen Berufserfahrung und Dienstalter besteht.
24Vgl. EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 - Rs. C-501/12, Specht -, a.a.O., juris Rn. 48 ff.; zur vergleichbaren Regelung des BAT: EuGH, Urteil vom 8. September 2011 - Rs. C-297/10 u.a., Hennings & Mai -, EuZW 2011, 883, juris Rn. 72 ff., m.w.N.
25Mit dem Inkrafttreten des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes am 18. August 2006 hat sich an dieser unmittelbar diskriminierenden Wirkung der §§ 27 und 28 BBesG a.F. nichts geändert. Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz diente u.a. der Umsetzung der Richtlinie 2000/78/EG und gilt nach § 24 Nr. 1 AGG unter Berücksichtigung ihrer besonderen Rechtsstellung entsprechend für Beamte.
26Die §§ 27 und 28 BBesG a.F. verstießen seit dem 18. August 2006 zwar gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 AGG, hieraus folgte aber keine gesetzlich angeordnete Unwirksamkeit der Regelungen. § 7 Abs. 2 AGG, wonach Bestimmungen in Vereinbarungen, die gegen das Benachteiligungsverbot verstoßen, unwirksam sind, erfasst lediglich Bestimmungen in Kollektiv- und Individualvereinbarungen sowie einseitige Maßnahmen des Arbeitgebers, nicht aber gesetzliche Regelungen, wie sie hier Streitgegenstand sind.
27Rechtsfolge des Verstoßes der §§ 27 und 28 BBesG a.F. gegen das Benachteiligungsverbot ist vielmehr die Verpflichtung zum Schadensersatz sowie zur Entschädigung nach § 15 Abs. 1 und 2 AGG.
28Vgl. zu diesem Komplex die Urteile des BVerwG vom 30. Oktober 2014 in den Verfahren 2 C 3/13 bis 2 C 11/13, 2 C 32/ 13, 2 C 33/13, 2 C 36/13, 2 C 38/13, 2 C 39/13, 2 C 47/13, im Folgenden zitiert nach dem Urteil in der Sache 2 C 6/13, IÖD 2015, 50, juris Rn. 13 ff., jeweils m.w.N.
29(1) Der Kläger kann gleichwohl für die Jahre 2009 und 2010 keine Ansprüche geltend machen, weil es in diesem Zeitraum an einer einschlägigen Anspruchsgrundlage fehlt.
30(a) Ein Anspruch folgt nicht unmittelbar aus der Gleichbehandlungsrichtlinie. Nach Art. 17 RL 2000/78/EG legen die Mitgliedstaaten die Sanktionen fest, die bei einem Verstoß gegen die einzelstaatlichen Vorschriften zur Anwendung dieser Richtlinie zu verhängen sind, und treffen alle erforderlichen Maßnahmen, um deren Durchführung zu gewährleisten. Dabei müssen die Sanktionen, die auch Schadenersatzleistungen an die Opfer umfassen können, wirksam, verhältnismäßig und abschreckend sein. Diese Vorgaben sind mit § 15 AGG in nationales Recht umgesetzt worden.
31Vgl. BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 - 2 C 12/11 -, BVerwGE 147, 244, juris Rn. 57 f.; OVG NRW, Beschluss vom 5. Juni 2015 - 6 A 455/15 -, nrwe.de Rn. 33.
32Aus der Richtlinie selbst folgt dagegen kein unmittelbarer Anspruch auf Zahlung einer Entschädigung oder eines Geldbetrages.
33(b) Auch aus § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG kann der Kläger für die Jahre 2009 und 2010 keinen Anspruch herleiten.
34Dem Anspruch aus § 15 Abs. 1 AGG steht entgegen, dass insoweit kein zu vertretender Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot vorliegt; zudem sind die Ansprüche aus § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG verfristet geltend gemacht worden.
35(aa) Gemäß § 15 Abs. 1 AGG ist der Arbeitgeber bei einem von ihm zu vertretenden Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. §§ 7 und 15 AGG, die Art. 2 Abs. 1 und Art. 1 sowie Art. 17 RL 2000/78/EG in nationales Recht umsetzen, stellen nicht auf die Form der diskriminierenden Maßnahme des Mitgliedstaates ab. Die Vorgaben der Richtlinie, insbesondere das Verbot der Benachteiligung, gelten umfassend. Sie erfassen die Tätigkeit des privaten Arbeitgebers ebenso wie die Maßnahmen des staatlichen Normgebers. Auch dessen Unterlassen, die für Beschäftigung und Beruf geltenden gesetzlichen Vorschriften an das Benachteiligungsverbot der Richtlinie anzupassen, muss zur Durchsetzung der durch die Richtlinie verliehenen Rechte eine wirksame, verhältnismäßige und abschreckende Sanktion zur Folge haben. Die unionsrechtliche Haftung, deren Konkretisierung Art. 17 für den Anwendungsbereich der Richtlinie 2000/78/EG dient, kennt seit jeher eine Haftung für unterlassene oder unvollständige Umsetzung von Richtlinien,
36vgl. u.a. EuGH, Urteil vom 19. November 1991 - Rs. C-6/90 und C-9/90, Francovich -, Slg. 1991, I-5403, juris,
37und knüpft daher an Maßnahmen oder Unterlassungen der Gesetzgeber an. Gleiches gilt für die nationale Umsetzung in § 15 AGG; auch diese Vorschrift erfasst Maßnahmen des staatlichen Normgebers.
38Die Regelung in § 24 Nr. 1 AGG, wonach die Vorschriften des Gesetzes (nur) unter Berücksichtigung ihrer besonderen Rechtsstellung entsprechend für Beamte gelten, führt nicht dazu, dass wegen des im Besoldungsrecht geltenden strikten Gesetzesvorbehalts (§ 2 Abs. 1 BBesG) die gesetzeskonforme Berechnung der Bezüge der Beamten keinen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 AGG darstellte, sodass Ansprüche nach § 15 AGG ausgeschlossen wären. Zum einen ist der Richtlinie eine solche Einschränkung der Reichweite des Benachteiligungsverbots nicht zu entnehmen. Zum anderen stünde die Richtlinie andernfalls unter dem Vorbehalt, dass die gesetzlichen Vorschriften der Mitgliedstaaten keine anderslautenden Vorgaben regeln. Der Vorrang des Unionsrechts wäre in sein Gegenteil verkehrt. Auch der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs lässt sich nicht entnehmen, dass im Falle der unzureichenden Anpassung des nationalen Rechts an das Unionsrecht allein der unionsrechtliche Haftungsanspruch einschlägig und ein Anspruch aus einer nationalen Haftungsnorm ausgeschlossen wäre. Schließlich ist für die Ansprüche nach § 15 AGG unerheblich, ob und unter welchen Voraussetzungen im innerstaatlichen Recht im Übrigen ein Anspruch eines Betroffenen gegen den Gesetzgeber wegen legislativen Unrechts anerkannt ist.
39Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - 2 C 6/13 -, a.a.O., juris Rn. 37 ff.
40(bb) Nach § 15 Abs. 2 AGG i.V.m. § 24 Nr. 1 AGG kann der Beamte wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Der Anspruch nach § 15 Abs. 2 AGG setzt weder ein Vertretenmüssen noch den Nachweis eines konkreten immateriellen Schadens, d.h. die Feststellung von persönlich belastenden Folgen einer Benachteiligung, voraus. Vielmehr liegt ein solcher Schaden bereits im Falle einer ungerechtfertigten Benachteiligung aus einem der in § 1 AGG genannten Gründe vor, ohne dass insoweit ein Schuldvorwurf gemacht werden muss.
41Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 16/1780 S. 38; BVerwG, Urteil vom 3. März 2011 - 5 C 16/10 -, BVerwGE 139, 135, juris Rn. 14; BAG, Urteil vom 22. Januar 2009 - 8 AZR 906/07 -, BAGE 129, 181, juris Rn. 74 ff.; BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - 2 C 6/13 -, a.a.O., juris Rn. 45.
42Dies entspricht der Funktion, die § 15 Abs. 2 AGG im Sanktionensystem des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes zukommt. Art. 17 RL 2000/78/EG erfordert für jeden Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot eine angemessene und verhältnismäßige Sanktion. Auf diese Weise soll der wirksame Schutz der aus der Richtlinie hergeleiteten Rechte gewährleistet werden.
43(cc) Der nach Vorstehendem grundsätzlich anwendbare § 15 Abs. 1 AGG scheitert für den Zeitraum von 2009 bis 2010 jedoch daran, dass kein schuldhafter Verstoß im Sinne eines Vertretenmüssens vorliegt.
44Hinsichtlich des Vertretenmüssens der Pflichtverletzung im Sinne von § 15 Abs. 1 Satz 2 AGG kann auf die Vorschriften der §§ 276 bis 278 BGB zurückgegriffen werden.
45Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 16/1780 S. 38; BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - 2 C 6/13 -, a.a.O., juris Rn. 42; Thüsing in: Münchener Kommentar BGB, 6. Auflage 2012, § 15 AGG Rn. 25; Bauer/Göpfert/Krieger, AGG Kommentar, 3. Auflage 2011, § 15 Rn. 15 f.
46Gemäß § 276 Abs. 2 BGB handelt derjenige fahrlässig, der die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.
47Bei der rechtlichen Beurteilung, ob die Besoldung nach Altersstufen gegen das allgemeine Benachteiligungsverbot verstößt, kann jedoch für den hier maßgeblichen Zeitraum kein fahrlässiges Verhalten festgestellt werden. Maßgeblich ist, ob die der Maßnahme zugrunde liegende Rechtsauffassung aufgrund sorgfältiger rechtlicher und tatsächlicher Prüfung gewonnen wurde und im Ergebnis vertretbar ist. Eine letztlich vom Gericht als unzutreffend erkannte Rechtsauffassung stellt sich danach als vertretbar dar, wenn die Rechtsfrage nicht einfach zu beurteilen und weder durch die Rechtsprechung geklärt noch im Schrifttum abschließend behandelt worden war.
48Vgl. BVerwG, Urteile vom 25. Februar 2010 - 2 C 22/09 -, BVerwGE 136, 140, juris Rn. 26, m.w.N., und vom 30. Oktober 2014 - 2 C 6/13 -, a.a.O., juris Rn. 42.
49Nach diesen Grundsätzen liegen die Voraussetzungen für eine Verpflichtung der Beklagten zum Schadenersatz nach § 15 Abs. 1 AGG für die Zeit vor dem 8. September 2011 nicht vor. Die entscheidungserhebliche Rechtsfrage der (Un‑)Vereinbarkeit eines mit §§ 27 und 28 BBesG a.F. vergleichbaren Entlohnungssystems mit der Richtlinie 2000/78/EG wurde erst durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 8. September 2011 in Sachen Hennings und Mai (Rs. C-297/10 und C-298/10) geklärt.
50Vgl. EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 - Rs. C-501/12, Specht -, a.a.O., juris Rn. 104 f.; BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - 2 C 6/13 -, a.a.O., juris Rn. 43.
51Bis zur Verkündung dieses Urteils war die Rechtsauffassung, die §§ 27 und 28 BBesG a.F. seien nicht unionsrechtswidrig, jedenfalls vertretbar. Noch in den Jahren 2010 und 2011 haben diverse Verwaltungsgerichte entschieden, es liege bereits keine Altersdiskriminierung vor, weil das Lebensalter im System der §§ 27 und 28 BBesG a.F. lediglich einen pauschalierenden Berechnungsfaktor darstelle.
52Vgl. u.a. VG Berlin, Urteil vom 24. Juni 2010 - 5 K 17/09 -, juris Rn. 16.
53(dd) Im Übrigen sind die Ansprüche nach § 15 Abs. 1 und Abs. 2 AGG für die Jahre 2009 und 2010 durch die Befristung in § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG ausgeschlossen.
54Nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG muss der Anspruch nach Absatz 1 oder 2 innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, sofern keine anderslautenden tarifvertraglichen Regelungen einschlägig sind. Gemäß § 15 Abs. 4 Satz 2 2. Hs. AGG beginnt die Frist zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.
55Die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG ist mit Art. 9 RL 2000/78/EG vereinbar.
56Vgl. EuGH, Urteil vom 8. Juli 2010 - Rs. C-246/09, Bulicke - Slg. 2010, I-7003, juris Rn. 34 ff.; BVerwG, Urteil vom 25. Juli 2013 - 2 C 12/11 -, BVerwGE 147, 244, juris Rn. 59; BAG, Urteil vom 21. Juni 2012 - 8 AZR 188/11 -, BAGE 142, 143, juris Rn. 20 ff.
57Die materiell-rechtliche Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG dient dazu, es dem nach § 22 AGG beweisbelasteten Arbeitgeber zu ersparen, Aufzeichnungen, die zu seiner Entlastung dienen könnten, bis zum Ablauf der dreijährigen Verjährungsfrist aufbewahren zu müssen.
58Vgl. Gesetzentwurf der Bundesregierung, BT-Drucks. 16/1780 S. 38; Weth in: jurisPK-BGB Band 2, 7. Auflage 2014, § 15 AGG Rn. 49; Adomeit/Mohr, AGG Kommentar, 2. Auflage 2011, § 15 Rn. 117; Voigt in: Schleuser/Suckow/Voigt, AGG Kommentar, 3. Auflage 2011, § 15 Rn. 68.
59Grundsätzlich hat ein Beschäftigter Kenntnis von der Benachteiligung, wenn er die anspruchsbegründenden Tatsachen kennt. Dass er aus diesen Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht, ist nicht erforderlich. Von diesem Grundsatz ist jedoch eine Ausnahme für den Fall einer unsicheren und zweifelhaften Rechtslage geboten. Der Lauf der Ausschlussfrist beginnt dann zu dem Zeitpunkt, ab dem die Erhebung einer Klage für den Betroffenen zumutbar ist, d.h. die Klage hinreichend aussichtsreich, wenn auch nicht risikolos ist. Danach ist bei unsicherer Rechtslage die objektive Klärung durch höchstrichterliche Entscheidungen maßgeblich.
60Vgl. auch OVG NRW, Beschluss vom 5. Mai 2015 - 1 A 1737/13 -, nrwe.de Rn. 11; BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29/11 u.a.-, BVerwGE 143, 381, juris Rn. 43, und vom 30. Oktober 2014 - 2 C 6/13 -, a.a.O., juris Rn. 51, jeweils m.w.N.
61Zwar hatte der Kläger mit Beginn seines Dienstverhältnisses Kenntnis von der Besoldung nach Altersstufen und damit von den Tatsachen, die den Anspruch aus § 15 Abs. 1 und 2 AGG begründeten. Vorliegend ist jedoch aufgrund der unklaren rechtlichen Bewertung neben der Kenntnis der Tatsachen die objektive Klärung der Rechtslage durch die höchstrichterliche Rechtsprechung erforderlich gewesen. Diese Klärung erfolgte durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofs in Sachen Hennings und Mai im September 2011.
62Vgl. zum SoldGG: BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - 2 C 36/13 -, DokBer 2015, 137, juris Rn. 16 ff.; zum AGG: BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - 2 C 6/13 -, juris Rn. 41 ff. und Rn. 52 f.; EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 - Rs. C-501/12 u.a. - Specht, juris Rn. 105; VG Bayreuth, Urteil vom 24. März 2015 - B 5 K 12.458 -, juris Rn. 14; a.A. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 20. Februar 2013 - 10 A 11216/12.OVG -, juris, wonach der Zeitpunkt des Inkrafttretens des AGG bzw. SoldGG maßgebend sei.
63Erst in der Rechtssache Hennings und Mai hat der Europäische Gerichtshof zum deutschen Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) entschieden, dass das Verbot der Altersdiskriminierung in Art. 2 und Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG einer tarifvertraglichen Regelung entgegensteht, die die Grundvergütung eines Angestellten bei seiner Einstellung in den öffentlichen Dienst - innerhalb der jeweiligen Vergütungsgruppe - nach dem Lebensalter bemisst. Er hat zugleich ausgesprochen, dass ein solches altersdiskriminierendes Vergütungssystem durch ein auf objektive Kriterien gestütztes Vergütungssystem ersetzt werden kann und dabei für einen begrenzten Übergangszeitraum einige der diskriminierenden Auswirkungen des früheren Vergütungssystems bestehen bleiben können, um Einkommensverluste für die bereits beschäftigten Angestellten beim neuen Vergütungssystem zu vermeiden.
64War die Rechtslage objektiv zum 8. September 2011 geklärt, ist es unerheblich, dass der Aushang der "komba gewerkschaft", mit der auf die entsprechenden Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs und des Bundesarbeitsgerichts sowie des Verwaltungsgerichts Halle aufmerksam gemacht werden sollte, erst im Februar 2012 erfolgte.
65Der Kläger war nach § 15 Abs. 4 AGG gehalten, innerhalb von zwei Monaten nach dem 8. September 2011 seinen Anspruch geltend zu machen. Er hat jedoch erst im Dezember 2012 Widerspruch eingelegt.
66(d) Auch der unionsrechtliche Staatshaftungsanspruch verhilft dem Begehren des Klägers für die Jahre 2009 und 2010 nicht zum Erfolg.
67Der unionsrechtliche Staatshaftungsanspruch ist ein eigenständiges Rechtsinstitut des Unionsrechts als Ausprägung des allgemeinen Grundsatzes der Schadenersatzverpflichtung aus rechtswidriger Handlung bzw. Unterlassen, wie er den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemein ist.
68Vgl. EuGH, Urteil vom 5. März 1996 - Rs. C-46/93 und C-48/93, Brasserie du pêcheur und Factortame -, Slg. 1996, I-1029, juris Rn. 27 ff.
69Er setzt voraus, dass dem Anspruchsteller durch eine hinreichend qualifizierte Verletzung einer individualbegünstigenden Norm des Unionsrechts ein Schaden entstanden ist. Die betreffende Norm des Unionsrechts, Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 RL 2000/78/EG, verleiht dem Einzelnen auch Rechte, die er gegenüber den Mitgliedsstaaten geltend machen kann. Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 RL 2000/78/EG verbietet allgemein und eindeutig jede sachlich nicht gerechtfertigte unmittelbare oder mittelbare Diskriminierung in Beschäftigung und Beruf.
70Vgl. EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 - Rs. C-501/12, Specht -, a.a.O., juris Rn. 101; BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - 2 C 6/13 -, a.a.O., juris Rn. 27.
71Eine solche Diskriminierung jüngerer gegenüber älteren Beamten lag durch die Besoldung nach Altersstufen - wie oben ausgeführt - vor. Bis zur Verkündung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Hennings und Mai am 8. September 2011 stellte diese allerdings keinen hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das Unionsrecht dar.
72Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - 2 C 6/13 -, a.a.O., juris Rn. 29.
73Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs liegt ein hinreichend qualifizierter Verstoß vor, wenn ein Mitgliedstaat die Grenzen, die seinem Ermessen gesetzt sind, offenkundig und erheblich überschritten hat, wobei zu den insoweit zu berücksichtigenden Gesichtspunkten insbesondere das Maß an Klarheit und Genauigkeit der verletzten Vorschrift sowie der Umfang des Ermessensspielraums gehören, den die verletzte Vorschrift den nationalen Behörden belässt. Ein Verstoß gegen das Unionsrecht ist jedenfalls dann hinreichend qualifiziert, wenn die einschlägige Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs offenkundig verkannt wird.
74Vgl. EuGH, Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß -, Slg. 2010, I-12167, juris Rn. 51 f., m.w.N.; vgl. auch BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29/11 u.a.-, a.a.O., juris Rn. 18.
75Auch hier gilt der oben zum Vertretenmüssen im Rahmen des § 15 Abs. 1 AGG ausgeführte Ansatz, dass für den Zeitraum vor der Verkündung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs in Sachen Hennings und Mai kein hinreichend qualifizierter Verstoß anzunehmen ist. Für den Zeitraum vor der Verkündung dieses Urteils hat das Bundesverwaltungsgericht mit Urteil vom 30. Oktober 2014 (2 C 6/13, a.a.O., juris Rn. 30) ausgeführt:
76"Die Bestimmung des Zeitpunkts, ab dem der Verstoß gegen das Unionsrecht hinreichend qualifiziert ist, ist Sache des nationalen Gerichts. Es liegen hier aber keine ausreichenden Anhaltspunkte für die Annahme vor, bereits vor der Verkündung des Urteils des EuGH am 8. September 2011 sei der Verstoß gegen das Unionsrecht hinreichend qualifiziert gewesen. Für die Frage, ob ein Verstoß eines Mitgliedstaates im genannten Sinne bereits hinreichend qualifiziert ist, ist nach der Spruchpraxis des EuGH auch der jeweilige Stand der Rechtsprechung der nationalen Gerichte von Bedeutung (EuGH, Urteil vom 5. März 1996 - Rs. C-46/93 und C-48/93, Brasserie du Pêcheur und Factortame - Slg. 1996, I-1029 Rn. 63). Noch im Jahr 2010 hat das Bundesarbeitsgericht in der Sache Hennigs und Mai in einem Verfahren, das die vergleichbare Bemessung der Grundvergütungen in den einzelnen Vergütungsgruppen nach Lebensaltersstufen betrifft, den EuGH zur Auslegung von Bestimmungen der RL 2000/78/EG angerufen (BAG, Beschluss vom 20. Mai 2010 - 6 AZR 148/09 (A) - BAGE 134, 327). Im Jahr 2010 und auch noch danach haben deutsche Verwaltungsgerichte wiederholt entschieden, das Lebensalter stelle im System der §§ 27 und 28 BBesG a.F. lediglich einen pauschalierenden Berechnungsfaktor dar, sodass es bereits an einer Altersdiskriminierung fehle (z.B. VG Berlin, Urteil vom 24. Juni 2010 - 5 K 17/09 - juris Rn. 16 und VG Lüneburg, Urteil vom 15. Februar 2012 - 1 A 106/10 - juris Rn. 19)".
77(2) Für das Jahr 2011 bestehen zwar dem Grunde nach Ansprüche des Klägers aus § 15 Abs. 1 und 2 AGG sowie aus dem unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch, allerdings hat er auch diese Ansprüche nicht rechtzeitig geltend gemacht.
78(a) Dem Grunde nach kann sich der Kläger für das Jahr 2011 auf § 15 Abs. 1 AGG berufen. Insbesondere lag ab der Verkündung des Urteils des Europäischen Gerichtshofs in Sachen Hennings und Mai auch ein Verschulden des Besoldungsgesetzgebers vor, denn die entscheidungserhebliche Rechtsfrage der Vereinbarkeit eines mit §§ 27 und 28 BBesG a.F. vergleichbaren Entlohnungssystems mit der Richtlinie 2000/78/EG war mit der Entscheidung geklärt worden.
79Aufgrund der nunmehr geklärten Rechtslage und des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts wäre die Beklagte gehalten gewesen, das entgegenstehende nationale Recht nicht (mehr) anzuwenden, auch wenn sie nicht der Besoldungsgesetzgeber, sondern (nur) Dienstherrin des Klägers ist. Ein Träger öffentlicher Gewalt ist auch in seiner Eigenschaft als Dienstherr bzw. öffentlicher Arbeitgeber zur Umsetzung des Unionsrechts verpflichtet.
80Vgl. EuGH, Urteile vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß -, a.a.O., juris Rn. 39 und 85, sowie vom 15. April 2008 - C-268/06, Impact -, Slg. 2008, I-2483, juris Rn. 85.
81Durch die Nichtbeachtung des Anwendungsvorrangs hat die Beklagte qualifiziert das Unionsrecht verletzt.
82Vgl. zur Verletzung des Anwendungsvorrangs durch einen kommunalen Dienstherrn: BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 29/11 u.a.-, a.a.O., juris Rn. 19; VG Düsseldorf, Urteil vom 2. Juli 2014 - 26 K 6183/13 -, juris Rn. 31; zur Passivlegitimation von Kommunen: Callies/Ruffert, EUV/AEUV Kommentar, 4. Auflage 2011, Art. 340 Rn. 44; Bey/Zloch in: Terwiesche, Handbuch des Fachanwalts Verwaltungsrecht, 2. Auflage 2012, Kapitel 41, Rn. 487.
83Dem Kläger ist dadurch unmittelbar kausal ein Schaden entstanden, da er im Vergleich zu lebensälteren Kollegen mit gleicher Berufserfahrung schlechter besoldet wurde.
84Allerdings hat der Kläger auch für das Jahr 2011 die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG von zwei Monaten nicht gewahrt und erst im Dezember 2012 Widerspruch eingelegt.
85(b) Aus demselben Grund folgt aus § 15 Abs. 2 AGG kein Anspruch, obwohl dessen Voraussetzungen - wie oben ausgeführt - vorlagen. Auch diesem Anspruch steht die verfristete Geltendmachung gemäß § 15 Abs. 4 AGG entgegen.
86(c) Der Kläger kann sich für das Jahr 2011 auch nicht auf den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch berufen.
87(aa) Dessen Voraussetzungen, insbesondere der hinreichend qualifizierte Verstoß gegen das Unionsrecht, lagen zwar ab der Verkündung des Urteils in Sachen Hennings und Mai am 8. September 2011 vor, ohne dass es noch einer Umsetzungsfrist für den Gesetzgeber bedurft hätte.
88Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2013 - 2 C 6/13 -, a.a.O., juris Rn. 29 f. und 53; EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 - Rs. C-501/12, Specht -, a.a.O., Rn. 103 ff.; für eine Umsetzungsfrist: Wonka, Das EuGH-Urteil vom 19.06.2014 zur Altersdiskriminierung in der Beamtenbesoldung (Rs. C-501/12 u.a.; Specht) - offen geblieben sind die Rechtsfolgen, DVBl. 2015, 79 (82); VG Arnsberg, Urteile vom 29. Mai 2015 - 13 K 3070/12 -, juris Rn. 31, und vom 5. Juni 2015 - 13 K 308/13 -, juris Rn. 27.
89(bb) Allerdings ist der Anspruch gemäß dem Rechtsgedanken des § 839 Abs. 3 BGB für die Jahre vor der Antragstellung im Jahr 2012 ausgeschlossen.
90Gem. § 839 Abs. 3 BGB tritt die Ersatzpflicht nicht ein, wenn der Verletzte es vorsätzlich oder fahrlässig unterlassen hat, den Schaden durch Gebrauch eines Rechtsmittels abzuwenden. Nicht nur der nationale Amtshaftungsanspruch, sondern auch der unionsrechtliche Staatshaftungsanspruch kann aus Gründen, die in den Regelungen der §§ 254 und 839 Abs. 3 BGB angesprochen sind, gemindert oder ausgeschlossen sein.
91Vgl. BGH, Urteile vom 4. Juni 2009 - III ZR 144/05 -, BGHZ 181, 199, juris Rn. 23, vom 11. September 2008 - III ZR 212/07 -, BGHZ 178, 51, juris Rn. 8, und vom 9. Oktober 2003 - III ZR 342/02, BGHZ 156, 294, juris Rn. 12.
92Die Anwendung der in diesen Regelungen enthaltenen Grundsätze ist nicht deshalb ausgeschlossen, weil der unionsrechtliche Staatshaftungsanspruch nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs nicht von einem Verschulden abhängig gemacht werden darf, das über den hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das Unionsrecht hinausgeht. Es ist Aufgabe der Mitgliedsstaaten, die Folgen eines verursachten Schadens, für den sie nach dem Unionsrecht einzustehen haben, im Rahmen ihres nationalen Haftungsrechts zu beheben. Mangels einer unionsrechtlichen Regelung ist es Sache der nationalen Rechtsordnung, die zuständigen Gerichte zu bestimmen und das Verfahren für die Klagen auszugestalten, die den vollen Schutz der dem Einzelnen aus dem Unionsrecht erwachsenden Rechte gewährleisten sollen. Dabei dürfen die im Schadenersatzrecht der einzelnen Mitgliedstaaten festgelegten Voraussetzungen nicht ungünstiger sein als bei ähnlichen Klagen, die nur nationales Recht betreffen, und nicht so ausgestaltet sein, dass sie die Erlangung einer Entschädigung praktisch unmöglich machten oder übermäßig erschwerten.
93Vgl. EuGH, Urteil vom 19. November 1991 - Rs. C-6/90 und C-9/90, Francovich -, a.a.O., juris Rn. 42 f.
94Soweit es an Gemeinschaftsvorschriften fehlt, ist es Sache der nationalen Rechtsordnung jedes Mitgliedstaats, die Kriterien festzulegen, anhand derer der Umfang der Entschädigung bestimmt werden kann. Auch kann das nationale Gericht bei der Bestimmung des ersatzfähigen Schadens prüfen, ob sich der Geschädigte in angemessener Form um die Verhinderung des Schadenseintritts oder um die Begrenzung des Schadensumfangs bemüht und ob er rechtzeitig von allen ihm zur Verfügung stehenden Rechtsschutzmöglichkeiten Gebrauch gemacht hat. Nach einem allgemeinen, den Rechtsordnungen der Mitgliedstaaten gemeinsamen Grundsatz muss sich der Geschädigte in angemessener Form um die Begrenzung des Schadensumfangs bemühen, wenn er nicht Gefahr laufen will, den Schaden selbst tragen zu müssen.
95Vgl. EuGH, Urteile vom 5. März 1996 - Rs. C-46/93 und C-48/93, Brasserie du pêcheur und Factortame -, Slg. 1996, I-1029, juris Rn. 83 ff., und vom 19. Mai 1992 - Rs. C-104/89 und C-37/90, Mulderer u.a. -, juris Rn. 33; Gellermann in: Streinz, EUV/AEUV Kommentar, 2. Auflage 2012, Art. 340 Rn. 57; Callies/Ruffert, a.a.O., Art. 340 Rn. 74.
96Unionsrecht steht der Anwendung der Regelung des § 839 Abs. 3 BGB jedenfalls dann nicht entgegen, wenn der Gebrauch des Rechtsmittels zumutbar ist. Dabei wird der Begriff des Rechtsmittels nicht im technischen Sinne, sondern sehr weit verstanden. Er umfasst alle Rechtsbehelfe, die sich unmittelbar gegen die schädigende Amtshandlung oder Unterlassung selbst richten und nach der gesetzlichen Ordnung darauf abzielen und geeignet sind, einen Schaden dadurch abzuwenden oder zu mindern, dass das schädigende Verhalten beseitigt oder berichtigt wird. Neben den Klagen im prozessualen Sinne fallen darunter unter anderem Widersprüche gegen Verwaltungsakte, Anträge in vorläufigen Rechtsschutzverfahren oder auch Anträge eines Beamten auf Vornahme einer Beförderung.
97Vgl. hierzu Mayen in Erman, BGB, 14. Auflage 2014, § 839 BGB Rn. 85, m.w.N.; Kramarz in Prütting/Wegen/Weinreich, BGB, 10. Auflage 2015, § 839 Rn. 48.
98Der Kläger hätte gem. § 839 Abs. 3 BGB die Entstehung bzw. Vertiefung des Schadens durch Einlegung des statthaften Rechtsbehelfs - hier eines Widerspruchs - abwenden müssen. Ab der Verkündung des Urteils in Sachen Hennings und Mai am 8. September 2011 war es ihm auch zuzumuten, einen Rechtsbehelf einzulegen, da der Europäische Gerichtshof eine vergleichbare Rechtslage bereits entschieden und dem Kläger damit eine Argumentationsmöglichkeit "an die Hand gegeben" hatte.
99Da die Besoldung aus der Altersstufe der Festsetzung der Besoldungsstufe durch einen Verwaltungsakt folgt und zugunsten des Klägers anzunehmen ist, dass diese nicht mit einer Rechtsbehelfsbelehrung verbunden war, beträgt die Widerspruchsfrist gem. § 70 Abs. 1 und 2 VwGO i.V.m. § 58 Abs. 1 und 2 VwGO grundsätzlich ein Jahr ab Bekanntgabe, hier ab Klärung der Rechtslage durch das Urteil in Sachen Hennings und Mai am 8. September 2011.
100Der Kläger kann sich nicht darauf berufen, erst durch den Aushang der "komba gewerkschaft" im Februar 2012 von diesem Urteil erfahren zu haben. Im Rahmen der Zumutbarkeit nach § 839 Abs. 3 BGB kommt es wie bei der Frage der zumutbaren Kenntnis der Diskriminierung in § 15 Abs. 4 AGG lediglich auf die objektive Klärung der Rechtslage an.
101Gemäß §§ 187 Abs. 1, 188 Abs. 2 BGB endete die Frist zur Einlegung des Widerspruchs mit Ablauf des 8. Septembers 2012. Der Kläger hat allerdings erst im Dezember 2012 Widerspruch eingelegt.
102(cc) Auch unter Heranziehung des Grundsatzes der zeitnahen Geltendmachung besoldungsrechtlicher Ansprüche kommt man nicht dazu, dass der Kläger für die Jahre vor 2012 einen Anspruch hat.
103Nach diesem Grundsatz müssen Ansprüche, die über die gesetzlich vorgesehene Besoldung hinausgehen, von den Beamtinnen und Beamten stets zeitnah, mithin spätestens bis zum Ende des laufenden Haushaltsjahres, geltend gemacht werden, damit der Dienstherr sich darauf einstellen kann. Denn die Alimentation soll einen gegenwärtigen Bedarf decken. Es ist mit dem gegenseitigen Treueverhältnis nicht vereinbar, die gewährte Besoldung über Jahre hinzunehmen und erst im Nachhinein Ansprüche geltend zu machen, die dann aus den Haushaltsmitteln des betreffenden Jahres nicht mehr gedeckt werden könnten
104Vgl. BVerwG, Urteile vom 27. Mai 2010 - 2 C 33/09 -, juris Rn. 14 ff., und vom 28. Juni 2011 - 2 C 40/10 -, juris Rn. 7; VG Regensburg, Urteil vom 17. Oktober 2012 - RO 1 K 12.685 -, juris Rn. 19.
105Dieser Grundsatz lässt sich auch auf die geltend gemachten Ansprüche wegen altersdiskriminierenden Besoldung übertragen. Die Höhe des Anspruchs folgt ebenso wie bei den anerkannten Fallvarianten der zeitnahen Geltendmachung von Ansprüchen nicht aus dem Gesetz.
106Vgl. zu den anerkannten Fällen: BVerfG, Beschlüsse vom 19. Juni 2012 - 2 BvR 1397/09 -, juris, und vom 22. März 1990 - 2 BvL 1/86 -, BVerfGE 81, 363, juris, sowie Urteile vom 14. Februar 2012 - 2 BvL 4/10 -, juris, und vom 13. November 2008 - 2 C 16/07 -, juris Rn. 21; vgl. auch OVG NRW, Urteil vom 12. Februar 2014 - 3 A 155/09 -, ZBR 2014, 209, juris Rn. 33.
107Zudem kann ein diskriminierter Beamter grundsätzlich nicht erwarten, dass er aus Anlass einer unionsrechtlich gebotenen Besoldungskorrektur ohne eigenes Zutun nachträglich in den Genuss der Befriedigung eines womöglich jahrelang zurückliegenden Unterhaltsbedarfs kommt, den er nicht zeitnah gegenüber seinem Dienstherrn geltend gemacht hat. Insoweit besteht eine deutliche Parallele zu (nationalrechtlichen) Ausgleichsansprüchen, die nicht im Gesetz geregelt sind und bei denen es einer Geltendmachung i. S. einer Rügeobliegenheit oder Hinweispflicht des Beamten bedarf.
108Vgl. auch BVerwG, Urteile vom 26. Juli 2012 - 2 C 70/10 -, juris Rn. 181 f., und vom 13. November 2008 - 2 C 16/07 -, juris Rn. 18; OVG NRW, Urteil vom 12. Februar 2014 - 3 A 155/09 -, a.a.O., juris Rn.35; OVG Sachsen-Anhalt, Urteile vom 11. Dezember 2012 - 1 L 9/12 u.a.-, juris Rn. 181 ff.
109Dem steht nicht entgegen, dass der Grundsatz der zeitnahen Geltendmachung nicht zur Anwendung kommt, wenn entsprechende Ansprüche gesetzlich geregelt sind.
110Vgl. zum Ausschluss der Anwendbarkeit: BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - 2 C 36/13 -, juris Rn. 7.
111Der unionsrechtliche Staatshaftungsanspruch als solcher ist gerade nicht gesetzlich geregelt, auch wenn man auf ihn § 893 Abs. 3 BGB anwendet.
112Die Anwendung des Grundsatzes der zeitnahen Geltendmachung im Falle des unionsrechtlichen Haftungsanspruchs widerspricht auch nicht dem Unionsrecht.
113Art. 9 RL 2000/78/EG regelt nur, dass die Mitgliedstaaten sicherstellen, dass alle Personen, die sich durch die Nichtanwendung des Gleichbehandlungsgrundsatzes in ihren Rechten für verletzt halten, ihre Ansprüche aus der Richtlinie auf dem Gerichts- und/oder Verwaltungsweg geltend machen können. Einzelstaatliche Regelungen über Fristen für die entsprechende Rechtsverfolgung bleiben davon unberührt; das Unionsrecht regelt solche Fristen gerade nicht. Verfahrensmodalitäten zur Geltendmachung von Unionsrechtsverstößen ergeben sich vielmehr aus dem innerstaatlichen Recht, sofern dieses nicht dem Grundsatz der Äquivalenz oder Effizienz widerspricht.
114Vgl. EuGH, Urteile vom 19. Juni 2014 - Rs. C-501/12, Specht -, a.a.O., Rn. 112 ff., und vom 30. Juni 2011 - Rs. C-262/09, Melicke u.a. -, EuZW 2011, 642, juris Rn. 55 ff.
115In der Anwendung des Grundsatzes der zeitnahen Geltendmachung liegt in der vorliegenden Konstellation weder ein Verstoß gegen den Äquivalenzgrundsatz noch eine Verletzung des Effektivitätsgrundsatzes.
116Ein Verstoß gegen den Äquivalenzgrundsatz ist insoweit nicht erkennbar, da der Grundsatz der zeitnahen Geltendmachung auf alle nicht unmittelbar aus dem Gesetz folgenden Besoldungsansprüche angewendet wird.
117Eine Privilegierung von Ansprüchen, die auf nationalem Recht beruhen, gibt es nicht.
118Auch liegt kein Verstoß gegen den Effektivitätsgrundsatz vor. Dies wäre nur der Fall, wenn die nationalen Verfahrensmodalitäten die Ausübung der durch die Unionsrechtsordnung verliehenen Rechte praktisch unmöglich machen oder jedenfalls übermäßig erschweren. Die Verkündung des Urteils in Sachen Hennings und Mai erfolgte Anfang September 2011, sodass dem Kläger für die Einlegung eines Rechtsbehelfs gegen die Besoldung im Jahr 2011 und in den davor liegenden Jahren knappe vier Monate blieben. Berücksichtigt man die Billigung einer zweimonatigen Ausschlussfrist durch den Europäischen Gerichtshof in verschiedenen Rechtssachen mit Bezug zu der Richtlinie 2000/78/EG,
119vgl. EuGH, Urteil vom 8. Juli 2010 - Rs. C-246/09, Bulicke -, a.a.O., juris Rn. 34 ff.; vgl. hierzu auch BAG, Urteil vom 21. Juni 2012 - 8 AZR 188/11 -, a.a.O., juris Rn. 24; vgl. ferner zu einer zweimonatigen Ausschlussfrist im griechischen Arbeitsrecht: EuGH, Beschluss vom 18. Januar 2011 - Rs. C-272/10, Berkizi-Nikolakaki -, Slg. 2011, I-00003, Rn. 61,
120genügt die Möglichkeit einer Geltendmachung innerhalb von ca. vier Monaten dem Effektivitätsgrundsatz ohne jeden Zweifel. Dabei ist auch zu berücksichtigen, dass der Kläger seine Ansprüche nicht kurz nach Jahresende 2011, sondern erst zum Jahresende 2012 geltend gemacht hat.
121Vgl. zu den Bedenken des Generalanwalts bei Kenntniserlangung kurz vor Jahresende: Schlussanträge des Generalanwalts Bot vom 28. November 2013 - Rs. C-501/12, Specht - , juris Rn. 118 f.
122Die Heranziehung des Grundsatzes der zeitnahen Geltendmachung ist auch nicht aufgrund einer vorrangigen Regelung zur fristgerechten Geltendmachung des unionshaftungsrechtlichen Anspruchs ausgeschlossen. Im Gegensatz zu § 15 Abs. 4 AGG für die Ansprüche aus § 15 Abs. 1 und 2 AGG und § 12 Abs. 3 SoldGG für die Ansprüche aus § 12 Abs. 1 und 2 SoldGG ist der unionsrechtliche Haftungsanspruch nicht an eine bestimmte Frist gebunden. Aus § 15 Abs. 5 AGG folgt zudem, dass die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG nicht auf den unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruch übertragbar ist. Vielmehr bleiben nach § 15 Abs. 5 AGG Ansprüche aus anderen Rechtsvorschriften unberührt.
123A.A. VG Arnsberg, Urteile vom 29. Mai 2015 - 13 K 3070/12 -, juris Rn. 25 ff., und vom 5. Juni 2015 - 13 K 308/13 -, juris Rn. 21 ff., wonach § 15 Abs. 4 AGG auch auf den unionsrechtlichen Haftungsanspruch Anwendung findet.
124Die den Anspruch einschränkende Vorschrift des § 839 Abs. 3 BGB regelt keine Frist zur Geltendmachung, sondern bestimmt nur eine Pflicht zur Schadensabwendung durch den Gebrauch eines Rechtsmittels. Welches Rechtsmittel indes innerhalb welcher Frist einzulegen ist, bestimmt sich nach dem jeweiligen Fachrecht.
125(3) Der Kläger hat jedoch für das Jahr 2012 bis einschließlich 31. Mai 2013 einen Anspruch auf Schadenersatz aus dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch.
126Die Voraussetzungen des Anspruchs lagen, wie oben ausgeführt, ab dem 8. September 2011 vor. Ab dem Jahr 2012 ist der Anspruch des Klägers auch nicht mehr nach § 839 Abs. 3 BGB ausgeschlossen. Mit seinem Widerspruch, in dem der Kläger die altersdiskriminierende Besoldung rügte, hat er hinreichend deutlich gemacht, dass er den Rechtsverstoß nicht mehr hinnehmen werde. Ausgehend vom Rechtsgedanken des § 839 Abs. 3 BGB und dem Grundsatz der zeitnahen Geltendmachung steht dem Kläger für das gesamte Jahr 2012 und bis zum 31. Mai 2013 - ab 1. Juni 2013 galt die Neuregelung des Besoldungsrechts - ein Schadensersatz- bzw. Entschädigungsanspruch zu. Beiden Rechtsinstituten liegt u.a. der Gedanke zugrunde, dass der Betroffene eine Rechtsverletzung nicht längere Zeit hinnehmen soll, um diese später einmal zu liquidieren, und der Anspruchsgegner in die Lage versetzt werden soll, sich auf die Geltendmachung möglicher Ansprüche einzustellen. Vor diesem Hintergrund ist es sachgerecht, die Widerspruchseinlegung im November 2012 für das gesamte Jahr 2012 genügen zu lassen. Der Kläger hat in dem Haushaltsjahr 2012 seinen Anspruch angezeigt und die Beklagte in die Lage versetzt, entsprechende Dispositionen zu treffen.
127(4) Aufgrund der unionsrechtswidrigen Diskriminierung steht dem Kläger ein Anspruch auf Schadenersatz in Höhe von 100,- € monatlich vom 1. Januar 2012 bis einschließlich 31. Mai 2013 zu.
128Eine Berechnung des konkreten materiellen Schadens ist vorliegend nicht möglich, da nicht eindeutig ist, wie sich die Vermögenslage des Klägers ohne die unionsrechtswidrige Diskriminierung gestalten würde, vgl. § 249 Abs. 1 BGB. Ein Ausgleich der Ungleichbehandlung durch Eingruppierung in eine höhere Besoldungsstufe kommt bereits aus Rechtsgründen nicht in Betracht, weil das gesamte Bezugssystem der Anknüpfung an das Lebensalter im fraglichen Zeitraum diskriminierend war, sodass es nicht herangezogen werden kann.
129Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - 2 C 6/13 -, a.a.O., juris Rn. 18 ff.; VG Bayreuth, Urteil vom 24. März 2015 - B 5 K 12.458 -, juris Rn. 11; VG Bremen, Urteil vom 24. Februar 2015 - 6 K 2257/13 -, juris Rn. 16; a.A. BAG, Urteil vom 10. November 2011 - 6 AZR 148/09 -, BAGE 140, 1, juris Rn. 19 ff., VG Halle (Saale), Urteil vom 28. September 2011 - 5 A 349/09 -, juris Rn. 107 ff; VG Frankfurt, Urteil vom 20. August 2012 - 9 K 8/12.F -, juris Rn. 51; Rothballer, ZESAR 2015, 220 (233 f.).
130Zwar verlangt das Gebot der unionsrechtskonformen Auslegung des nationalen Rechts, dass das nationale Gericht unter Berücksichtigung des gesamten innerstaatlichen Rechts und unter Anwendung der dort anerkannten Auslegungsmethoden alles ihm Mögliche tut, um die volle Wirksamkeit des Unionsrechts zu gewährleisten und zu einem Ergebnis zu gelangen, das mit dem mit der Richtlinie verfolgten Ziel in Einklang steht.
131Vgl. u.a. EuGH, Urteil vom 5. Oktober 2004 - Rs. C-390/01 bis C-403/01, Pfeiffer u.a. -, Slg. 2004, I-8835 Rn. 114.
132Eine entsprechende unionsrechtskonforme Auslegung der §§ 27 und 28 BBesG a.F. ist hier aber nicht möglich. Die diesem Besoldungssystem innewohnende Ungleichbehandlung gilt für jeden Beamten bei seiner erstmaligen Berufung in ein Beamtenverhältnis, sodass die hieraus resultierende unmittelbare Diskriminierung potenziell alle Beamten betrifft. Es existiert damit bereits kein gültiges Bezugssystem, an dem sich die diskriminierungsfreie Behandlung des Klägers orientieren könnte. Folglich kann auch die vom Europäischen Gerichtshof zur Wahrung des Gleichheitssatzes entwickelte Rechtsprechung, nach der bis zur Abhilfe der Ungleichbehandlung den Angehörigen der benachteiligten Gruppe dieselben Vorteile gewährt werden müssen wie denjenigen der privilegierten Gruppe, nicht angewandt werden.
133Vgl. EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 - Rs. C-501/12, Specht -, a.a.O., Rn. 95 ff., unter Ablehnung der Anwendung der in den Rechtssachen Terhoeve (Urteil vom 26. Januar 1999 - Rs. C-18/95 -) und Landtová (Urteil vom 22. Juni 2011 - Rs. 399/99 -) erarbeiteten Rechtsprechung.
134Eine höhere Einstufung des Klägers innerhalb des Systems der §§ 27 und 28 BBesG a.F. würde zudem zu einer Entwertung der vom Gesetzgeber beabsichtigten Honorierung bereits erworbener Berufserfahrung führen. Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs darf die tatsächlich abgeleistete Dienstzeit Anknüpfungspunkt einer besoldungsrechtlichen Differenzierung sein. Der Rückgriff auf das Kriterium des Dienstalters ist in der Regel zur Erreichung des legitimen Ziels geeignet, die Berufserfahrung zu honorieren, die den Arbeitnehmer befähigt, seine Arbeit besser zu verrichten.
135Vgl. hierzu EuGH, Urteile vom 19. Juni 2014 - Rs. C-501/12, Specht -, a.a.O., Rn. 48, vom 8. September 2011 - Rs. C-297/10 u.a., Hennings & Mai -, a.a.O., juris Rn. 72 ff. m.w.N., und vom. 3. Oktober 2006 - Rs. C-17/05, Cadman -, Slg. 2006, I-9583, juris Rn. 34 f.
136Mit der Höherstufung eines Beamten innerhalb des Systems der §§ 27 und 28 BBesG a.F. zum Ausgleich der Altersdiskriminierung würden diejenigen Beamten benachteiligt, die diese höhere Stufe unionsrechtlich zulässig aufgrund ihrer Berufserfahrung erlangt haben. Auch eine "modifizierte Anpassung nach oben" dergestalt, dass die altersdiskriminierten Beamten in dieselbe Besoldungsstufe eingeführt werden wie die älteren Beamten, die über eine gleichwertige Berufserfahrung verfügen, ist aus diesem Grund nicht möglich.
137Vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - 2 C 6/13 -, a.a.O., juris Rn. 18 ff.; a.A.: Schlussanträge des Generalanwalts Bot vom 28. November 2013 - Rs. C-501/12, Specht -, juris Rn. 106 ff.; OVG Sachsen Anhalt, Urteil vom 11. Dezember 2012 - 1 L 9/12 -, LKV 2013, 270, juris Rn. 169 ff.; Sächsisches OVG, Urteil vom 23. April 2013 - 2 A 150/12 -, juris Rn. 47 ff.
138Zum einen fehlt es bereits an einem (gültigen) Bezugssystem. Zum anderen würde auch eine solche Herangehensweise die Diskriminierung nicht vollständig und schon gar nicht zeitnah beseitigen. Vielmehr müsste das Gericht im Falle jedes einzelnen Klägers dessen Lebenslauf sowie die Besonderheiten seiner Laufbahn untersuchen und anschließend nach einem vergleichbaren Beamten in derselben oder jedenfalls einer vergleichbaren Laufbahn suchen.
139Auch eine Nachteilsermittlung anhand des neuen Besoldungsrechts,
140vgl. Lingemann, Diskriminierung in Entgeltsystemen - Ende der Anpassung nach oben?, NZA 2014, 827,
141scheidet mangels Praktikabilität aus. Zur Ermittlung der Erfahrungsstufe müssten bei jedem Beamten die konkrete Diensterfahrung sowie etwaige berücksichtigungsfähige Vordienstzeiten ermittelt und mit der Einstufung nach aktueller Rechtslage unter Berücksichtigung des Gesetzes zur Überleitung der vorhandenen Beamten, Richter und Versorgungsempfänger in die neuen Grundgehaltstabellen vom 16. Mai 2013 abgeglichen werden. Eine solche Herangehensweise wäre in technischer und wirtschaftlicher Hinsicht kaum handhabbar.
142Vgl. EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 - Rs. C-501/12, Specht -, a.a.O., Rn. 53 ff; 94, und vom 8. September 2011 - Rs. C-297/10 u.a., Hennings & Mai -, a.a.O., juris Rn. 87 ff.
143Zudem lässt sich nicht feststellen, dass der klägerische Schaden in der Differenz der Besoldung nach dem alten und dem neuen System besteht. Wenngleich die inzwischen flächendeckende Einführung von Erfahrungsstufen für dieses System spricht, bleibt es reine Spekulation anzunehmen, dass der Landesgesetzgeber dieses System bereits früher eingeführt hätte.
144Vgl. auch Wonka in DVBl. 2015, 79 (82).
145Allerdings wäre es mit dem Effektivitätsgrundsatz unvereinbar, wenn die Geltendmachung des unionsrechtlichen Staatshaftungsanspruchs allein am fehlenden bezifferbaren Schaden scheitern würde. Der Effektivitätsgrundsatz verlangt, dass die ergänzend heranzuziehenden Regelungen des nationalen Rechts einen wirksamen Schutz zur Durchsetzung des Unionsrechts gewährleisten. Daher besteht auch die Möglichkeit, einen Unionsrechtsverstoß im Wege einer angemessenen Entschädigungszahlung zu beheben.
146Vgl. EuGH, Urteil vom 25. November 2010 - C-429/09, Fuß -, a.a.O., juris Rn. 94; Streinz, a.a.O., Art. 340 Rn. 56; Sachs, GG Kommentar, 6. Auflage 2011, Art. 34 Rn. 52k.
147Gerade diese Sanktion sieht die Regelung des § 15 Abs. 2 AGG bei diskriminierenden Verhaltensweisen eines Arbeitgebers vor. Es bietet sich daher an, den Rechtsgedanken dieser Vorschrift im Falle diskriminierender Gesetzesbestimmungen entsprechend anzuwenden und hinsichtlich der Höhe des Schadenersatzes in Anlehnung an die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zur Entschädigung aufgrund altersdiskriminierender Besoldung davon auszugehen, dass ein Schadenersatz in Höhe von 100,- € monatlich eine angemessene Kompensation darstellt.
148Der Kläger war nicht gehalten, seinen Anspruch monatlich geltend zu machen. Wenngleich der Anspruch jeden Monat entsteht, ist es nicht erforderlich, eine monatliche Geltendmachung zu verlangen, da er die Altersdiskriminierung, die sich jeden Monat gleich vollzieht, gerügt und damit die Beklagte auf etwaige Ansprüche hingewiesen hat. Eine monatliche Geltendmachung würde auch keinen Mehrwert bringen. Die Argumentation des Klägers bezieht sich auf einen strukturellen Mangel und müsste aufgrund der unveränderten Sach- und Rechtslage stets gleich lauten, sodass eine andere Entscheidung der Beklagten gegenüber der im Vormonat getroffenen nicht zu erwarten ist.
149Zudem musste er für das Jahr 2013 keinen erneuten Widerspruch einlegen. Die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, nach der ein einmal gestellter Antrag auf höhere Besoldung auch für die folgenden Besoldungsjahre fort gilt,
150vgl. BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 - 2 C 6/13 -, a.a.O., juris Rn. 54,
151ist auf den unionsrechtlichen Haftungsanspruch übertragbar. Das Bundesverwaltungsgericht hat seine Ansicht damit begründet, dass sich die Diskriminierung in der monatlichen Auszahlung der Bezüge manifestiert und bei einer wiederkehrenden Benachteiligung Ansprüche aus § 15 AGG nur einmal geltend gemacht werden müssten. Diese Überlegung trifft auch auf den vorliegenden Anspruch zu, da dieser seine Grundlage ebenfalls in der diskriminierenden Besoldung hat und der Antrag ohne zeitliche Begrenzung in die Zukunft gestellt wurde.
152Der Zinsanspruch in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ergibt sich aus §§ 291, 288 Abs. 1 Satz 2, 187 Abs. 1 BGB in entsprechender Anwendung.
153Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit basiert auf § 167 Abs. 1 VwGO i.V.m. § 709 ZPO.
154Die Zulassung der Berufung beruht auf §§ 124a Abs. 1, 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO.
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Dem Kläger wird nachgelassen die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % der festzusetzenden Kosten abzuwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in gleicher Höhe leistet.
Tatbestand
- 1
Der Kläger begehrt eine rückwirkende Besoldung nach der höchsten Stufe seiner Besoldungsgruppe, hilfsweise die Gewährung von Schadensersatz.
- 2
Der am 16. März 1981 geborene Kläger nahm am 1. März 2006 eine Ausbildung zum Beamten des mittleren Dienstes der Fernmelde- und Elektronischen Aufklärung auf. Seit dem 1. März 2008 ist er als Beamter der Fernmelde- und Elektronischen Aufklärung tätig, zuletzt als Regierungsobersekretär in der Besoldungsgruppe A 7 Besoldungsstufe 5.
- 3
Am 8. Dezember 2009 beantragte er beim Wehrbereichsverwaltungsamt Ost eine amtsangemessene Alimentation, da diese sich von der allgemeinen Einkommensentwicklung abgekoppelt habe. Dieser Antrag wurde mit Bescheid vom 16. Dezember 2009 zurückgewiesen, da nur ein Anspruch auf die gesetzlich vorgesehene Besoldung bestünde.
- 4
Am 23. Dezember 2011 machte der Kläger unter Hinweis auf die Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs in der Rechtssache Hennings und Mai geltend, dass das aktuelle Besoldungsrecht altersdiskriminierend sei und beantragte rückwirkend eine Besoldung nach der höchsten Stufe vom 1. Januar 2008 bis 30. Juni 2009.
- 5
Mit Widerspruchsbescheid vom 10. Mai 2012 wies die Beklagte diesen Antrag unter Verweis darauf zurück, dass die Rechtsprechung des EuGH auf die §§ 27, 28 BBesG a.F. nicht übertragbar sei. Auch das Erfordernis der zeitnahen Geltendmachung von Besoldungsansprüchen stünde entgegen.
- 6
Am 10. Dezember 2013 begehrte der Kläger erneut die Gewährung einer amtsangemessenen diskriminierungsfreien Besoldung.
- 7
Diesen Antrag wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 15. September 2014 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass der Europäische Gerichtshof am 19. Juni 2014 über die europäische Zulässigkeit der früheren, bis Juni 2009 geltenden Besoldung nach dem sog. Besoldungsdienstalter, und der Überleitung vom alten Recht in diese neue Systematik, entschieden habe. Diese Rechtsprechung sei auf den vorliegenden Fall übertragbar. Es sei vor allem auf die Überleitung aller vor dem 1. Juli 2009 im Bund ernannten Besoldungsempfänger in das seit Juli 2009 geltende Besoldungsrecht des Bundes, gegen das sich sein Widerspruch wende, übertragbar. Zwar sei zuzugestehen, dass das bis Juni 2009 geltende Bundesbesoldungsgesetz gegen das Diskriminierungsverbot verstoßen habe und dieser Rechtsverstoß durch die Überleitungsvorschriften in das neue Recht auch grundsätzlich perpetuiert würde. Der EuGH sehe jedoch die dadurch entstandene Ungleichbehandlung als gerechtfertigt und somit europarechtskonform an.
- 8
Der Kläger hat am 12. November 2014 Klage erhoben. Zur Begründung führt er aus, dass er durchgehend seit dem Jahr 2009, soweit nicht der Verjährung unterfallend auch rückwirkend, geltend gemacht habe, dass die ihm gewährte Besoldung unzureichend sei. Er habe dabei ausdrücklich geltend gemacht, dass das Besoldungssystem altersdiskriminierend wirke und ihn daher in seinen Rechten verletze. Um die Wirkung dieser Diskriminierung zu beseitigen, begehre er Nachzahlung der Differenzbeträge zwischen der tatsächlich berücksichtigten Besoldungsstufe und der in der jeweiligen Besoldungsgruppe vorgesehenen höchsten Stufe. Nach der Rechtsprechung des EuGH und des Bundesverwaltungsgerichts sei davon auszugehen, dass die früheren gesetzlichen Besoldungsregelungen, die bei der Ersteinstufung auf das Lebensalter des Beamten abgestellt hatten, eine ungerechtfertigte Benachteiligung wegen des Alters darstellten. Da jedoch aufgrund der Entscheidung des EuGH vom 19. Juni 2014 ein Anspruch auf die geltend gemachte Differenz zur jeweiligen höchsten Besoldungsstufe möglicherweise nicht durchsetzbar sei, begehre er hilfsweise eine angemessene Entschädigung nach § 15 Abs. 2 AGG. Diese Regelung erfasse die Fälle, in denen sich der Verstoß gegen das Verbot der Benachteiligung wegen des Alters nach § 7 Abs. 1 AGG aus der Anwendung der seinerzeit gültigen Regelungen des Bundesbesoldungsgesetzes ergebe. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts werde eine pauschale Entschädigung in Höhe von 100,-- € pro Monat zugestanden. Dies gelte vorliegend auch für ihn. Ihm sei unter Berücksichtigung der Geltendmachung seiner Ansprüche im Dezember 2009 im Umfang der seinerzeit erreichbaren nachträglichen Geltendmachung auf dieser Basis eine Entschädigung zu gewähren.
- 9
Der Kläger beantragt erkennbar,
- 10
die Beklagte unter Aufhebung des Widerspruchsbescheides vom 15. September 2014 zu verurteilen, ihm ab dem 1. März 2008 Grundgehalt der höchsten Stufe der Besoldungsgruppe A7 zu zahlen,
- 11
hilfsweise,
- 12
die Beklagte zu verurteilen, an ihn Schadensersatz zu zahlen, dessen Höhe in das Ermessen des Gerichts gestellt werde.
- 13
Die Beklagte beantragt,
- 14
die Klage abzuweisen.
- 15
Zur Begründung führt sie aus, dass die Rechtmäßigkeit der mit dem Dienstrechtsneuordnungsgesetz vom 1. Juli 2009 erfolgten Überleitung des nunmehr auf Erfahrungsstufen basierenden Besoldungssystems festgestellt sei. Da das BBesG die maßgebliche Grundlage für die Besoldungsansprüche der Beamten bilde, sei es dem Kläger verwehrt, hilfsweise Ansprüche aus dem Gleichbehandlungsgesetz herzuleiten.
- 16
Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus den zu den Gerichtsakten gereichten Schriftsätzen der Beteiligten sowie der Verwaltungsakte der Beklagten. Diese lagen dem Gericht vor und waren Gegenstand der Beratung.
Entscheidungsgründe
- 17
Die Klage ist zulässig, in der Sache jedoch unbegründet. Der Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten. Bezüglich des Hauptantrags (I.) steht dem Kläger für den Zeitraum vom 1. März 2008 bis 30. Juni 2009 kein Anspruch auf eine Nachzahlung der Besoldung in Höhe des Differenzbetrages zwischen seiner und der höchsten Stufe seiner Besoldungsgruppe zu (1.). Ab dem 1. Juli 2009, mit in Kraft treten der §§ 27, 28 BBesG n. F., bestehen ebenfalls keine Zahlungsansprüche (2.). Auch ein Anspruch auf Entschädigung nach dem AGG besteht nicht (II.).
- 18
I. Die Klage ist als Leistungsklage zulässig. Der Bescheidungsantrag war unter Heranziehung der Klagebegründung in einen bezifferbaren Leistungsantrag auf Zahlung des Grundgehalts der höchsten Stufe der Besoldungsgruppe A7 ab dem 1. März 2008 umzudeuten. Dem Kläger steht der geltend gemachte Anspruch jedoch nicht zu.
- 19
1. Zunächst besteht kein Anspruch auf ein Grundgehalt entsprechend der höchsten Stufe der Tabelle der Grundgehaltssätze für die Besoldungsgruppe A 7, da sich aus dem BBesG a.F. auch nicht im Wege einer unionsrechtskonformen Auslegung ein solcher Anspruch ableiten lässt. Dementsprechend besteht auch kein Anspruch auf Nachzahlung der Besoldung für den Zeitraum vom 1. März 2008 bis 30. Juni 2009.
- 20
Grundlage der Besoldung des Klägers, der zum 1. März 2008 in das Beamtenverhältnis auf Probe ernannt wurde, im vorgenannten Zeitraum waren die §§ 27 und 28 BBesG a.F. Nach diesen bildet das in Abhängigkeit vom Lebensalter bestimmte Besoldungsdienstalter den Anknüpfungspunkt für die erstmalige Zuordnung zu einer Besoldungsstufe der Tabelle der Grundgehaltssätze. Nach unbestrittener Auffassung des EuGH führt dieses Besoldungssystem zu einer ungerechtfertigten Ungleichbehandlung im Sinne von Art. 2 Abs. 1 und 2 a) der Richtlinie 2000/78/EG (EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014, Rs. C-501/12, Specht - NVwZ 2014, 1294, Rn. 42 f.).
- 21
Dennoch kommt nach der Rechtsprechung des EuGH (EuGH, Urteil vom 19.06.2014, C-501/12, Celex-Nr. 62012CJ0501, Rn. 96 ff.) und im Anschluss daran des Bundesverwaltungsgerichts eine „modifizierte“ Anwendung der vorhandenen Besoldungsgesetze dergestalt, dass die Besoldung nach der höchsten Besoldungsstufe zu berechnen wäre, nicht in Betracht.
- 22
Nach der Rechtsprechung des EuGH kann die Wahrung des Gleichheitssatzes, wenn das nationale Recht unter Verstoß gegen das Unionsrecht eine unterschiedliche Behandlung mehrerer Personengruppen vorsieht und solange keine Maßnahmen zur Wiederherstellung der Gleichbehandlung erlassen wurden, nur dadurch gewährleistet werden, dass den Angehörigen der benachteiligten Gruppe dieselben Vorteile gewährt werden wie die, in deren Genuss die Angehörigen der privilegierten Gruppe kommen. Die für die Angehörigen der bevorzugten Gruppe geltende Regelung bleibt in diesen Fällen, solange das Unionsrecht nicht richtig durchgeführt ist, das einzig gültige Bezugssystem.
- 23
Diese Lösung kommt jedoch nach der Rechtsprechung des EuGH nur dann zur Anwendung, wenn es ein solches gültiges Bezugssystem gibt. Bei nationalen Rechtsvorschriften wie dem BBesG, in deren Rahmen es nicht möglich ist, eine Kategorie bevorzugter Beamter zu benennen, existiert aber kein solches Bezugssystem. Die §§ 27 und 28 BBesG a. F. gelten nämlich für jeden Beamten bei seiner Einstellung. Die sich daraus ergebenden diskriminierenden Aspekte betreffen potenziell alle Beamten. Das Bezugssystem der §§ 27 und 28 BBesG a.F. wirkte insofern insgesamt diskriminierend und kann daher nicht mehr herangezogen (BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 2014 – 2 C 3.13 – Rn. 18). Eine Einstufung in die höchste Besoldungsgruppe kommt daher nicht in Betracht.
- 24
2. Auch für den Zeitraum ab dem 1. Juli 2009 sind Ansprüche des Klägers ausgeschlossen. Das ab diesem Zeitpunkt für die Besoldung des Klägers maßgebliche Bundesrecht der §§ 27, 28 BBesG n.F. (in der Fassung vom 19. Juni 2009) steht mit den Vorgaben der Richtlinie 2000/78/EG in Einklang. Denn die Ersteinstufung des Beamten orientiert sich nach § 27 BBesG nicht mehr am Lebensalter und der Aufstieg nach Stufen knüpft an die bisher erlangte Berufserfahrung an (sog. Erfahrungsstufen).
- 25
Zwar perpetuiert die Überleitungsregelung in §§ 2, 3 Besoldungsüberleitungsgesetz – BesÜG – die Ungleichbehandlung von Bestandsbeamten, denn diese Vorschrift knüpft an das Grundgehalt an, das dem Beamten nach dem diskriminierenden System der §§ 27 und 28 BBesG a.F. zustand. Sie ist jedoch zur Wahrung des Besitzstands und zur Vermeidung eines übermäßigen Verwaltungsaufwands für die Regulierung der in der Vergangenheit liegenden Zeiten nach der Rechtsprechung des EuGH gerechtfertigt (EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 a.a.O. Rn. 64 ff. und 78 ff.).
- 26
Die Neuzuordnung zu den Stufen des Grundgehalts erfolgt nach § 2 BesÜG bei Beamten der Besoldungsordnung A zu der Stufe, die der Stufe entspricht, die dem Beamten am 1. Juli 2009 zugestanden hätte. Diese Einstufung hängt aber vom Besoldungsdienstalter, d.h. dem Lebensalter des betreffenden Beamten ab und benachteiligt diesen deshalb unmittelbar wegen seines Lebensalters. Ist der Beamte zu einer Stufe des Grundgehalts zugeordnet, bestimmt sich das weitere Aufsteigen nach § 3 BesÜG. Danach beginnt mit der Zuordnung zu einer Stufe des Grundgehaltes der Anlage 1 in der ab 1. Juli 2009 gültigen Fassung die für den Aufstieg maßgebende Erfahrungszeit nach § 27 Abs. 3 und 4 Satz 1 BBesG.
- 27
Die mit dieser Neuzuordnung der Grundgehaltsstufe verbundene Ungleichbehandlung wegen des Lebensalters ist aber nach der Rechtsprechung des EuGH gemäß Art. 6 Abs. 1 der RL 2000/78/EG gerechtfertigt. Die Neuregelung wird durch die Prinzipien des Vertrauensschutzes und der Wahrung des am 1. Juli 2009 erreichten Status quo bestimmt (BT Drucksache 16/7076, S. 97). Denn die Zuordnung zu den Stufen der neuen Grundgehaltstabelle orientiert sich nach § 2 BesÜG an der bis zum 31. Juni 2009 erreichten Stufe. Die Wahrung des Besitzstands einer Personengruppe ist ein zwingender Grund des Allgemeininteresses, sodass mit dieser Regelung ein legitimes Ziel verfolgt wird (EuGH, Urteile vom 6. Dezember 2007 - Rs. C-456/05, Kommission/Deutschland - Slg. 2007, I-10517 Rn. 63 und vom 8. September 2011 - Rs. C- 297/10 und C-298/10, Hennigs und Mai - Slg. 2011, I-7965 Rn. 90). Auch hat der Gesetzgeber durch diese Regelung die Grenzen des Ermessens nicht überschritten, da die nachträgliche individuelle Feststellung von Vordienstzeiten in Anbetracht der hohen Zahl von Beamten, der Länge des betroffenen Zeitraums, der Verschiedenheit der jeweiligen Laufbahnen und der Schwierigkeiten, die sich bei der Bestimmung der Vordienstzeiten ergeben könnten, übermäßig kompliziert und in erhöhtem Maß fehleranfällig gewesen wäre. Der EuGH hat diese besonderen administrativen Schwierigkeiten hier ausnahmsweise für einen Übergangszeitraum als ausreichend gewichtig angesehen (EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 a.a.O. Rn. 78 ff.)
- 28
II. Des Weiteren steht dem Kläger auch kein Entschädigungsanspruch zu. Ein solcher ergibt sich weder aus dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch, noch aus § 15 Abs. 2 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz – AGG -.
- 29
1. Aus dem unionsrechtlichen Haftungsanspruch kann der Kläger für den Zeitraum bis zum 30. Juni 2009 keine Ansprüche herleiten, da es an der Voraussetzung eines qualifizierten Verstoßes gegen Unionsrecht fehlt.
- 30
Der unionsrechtliche Haftungsanspruch setzt voraus, dass die unionsrechtliche Norm, gegen die verstoßen worden ist, die Verleihung von Rechten an den Geschädigten bezweckt, der Verstoß gegen diese Norm hinreichend qualifiziert ist und dass zwischen diesem Verstoß und dem den Geschädigten entstandenen Schaden ein unmittelbarer Kausalzusammenhang besteht (EuGH, Urteil vom 19. Juni 2014 – C-501/12 bis C-506/12, C-540/12 und C-541/12 –, Rn. 99, juris).
- 31
Die erste sowie die dritte Voraussetzung sind hier nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts durch den Verstoß des BBesG a.F. gegen Art. 2 Abs. 1 der RL 2000/78/EG erfüllt. Allerdings fehlt es an einem hinreichend qualifizierten Verstoß gegen das Unionsrecht.
- 32
Ein Verstoß ist hinreichend qualifiziert, wenn die einschlägige Rechtsprechung des EuGH offenkundig verkannt wird. Dementsprechend ist ein hinreichend qualifizierter Verstoß gegen das Unionsrecht für den Zeitraum ab Verkündung des Urteils des EuGH in der Sache Hennings und Mai am 8. September 2011 anzunehmen. In diesem Urteil ist den Mitgliedstaaten der Bedeutungsgehalt von Art. 2 Abs. 2 und Art. 6 Abs. 1 RL 2000/78/EG in Bezug auf ein mit den §§ 27 und 28 BbesG a.F. vergleichbares Besoldungssystem verdeutlicht worden und damit die in der gesetzlichen Regelung enthaltene Ungleichbehandlung bekannt. §§ 27, 28 BBesG wurden jedoch bereits zum 1. Juli 2009 neugefasst und die altersdiskriminierende Regelung beseitigt, so dass es an einem Verstoß gegen das Unionsrecht zu diesem Zeitpunkt fehlt.
- 33
2. Des Weiteren steht dem Kläger auch kein Anspruch auf Entschädigung nach § 15 Abs. 2 i.V.m. § 24 Nr. 1 AGG zu, da der Kläger die Ausschlussfrist des § 15 Abs. 4 AGG nicht gewahrt hat.
- 34
Nach § 15 Abs. 2 i.V.m. § 24 Nr. 1 AGG kann der Beamte wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen.
- 35
Einem solchen Anspruch steht zunächst nicht entgegen, dass die Diskriminierung durch den korrekten Vollzug einer gesetzlichen Regelung eingetreten ist. Das Verbot der Benachteiligung gilt umfassend. Er erfasst die Tätigkeit des privaten Arbeitgebers ebenso wie die Maßnahmen des staatlichen Normgebers. Auch die Regelung in § 24 Nr. 1 AGG, wonach die Vorschriften des Gesetzes unter Berücksichtigung ihrer besonderen Rechtsstellung entsprechend für Beamte gelten, führt nicht dazu, dass wegen des im Besoldungsrecht geltenden strengen Gesetzesvorbehalts (§ 2 Abs. 1 BBesG) die gesetzeskonforme Berechnung der Bezüge der Beamten keinen Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 AGG darstellten. Dies wäre mit dem Vorrang des Unionsrechts nicht vereinbar.
- 36
Ein immaterieller Schaden liegt zudem bereits im Falle einer ungerechtfertigten Benachteiligung aus einem der in § 1 AGG genannte Gründe vor und setzt nicht den Nachweis eines konkreten immateriellen Schadens voraus (BVerwG, Urteil vom 30. Oktober 2014 – 2 C 3.13 -, Rn. 45).
- 37
Allerdings steht dem Kläger aufgrund des Ablaufs der Ausschlussfrist nach § 15 Abs. 4 Satz 1 AGG kein Entschädigungsanspruch zu. § 15 Abs. 4 AGG setzt voraus, dass der Kläger die Frist von zwei Monaten zur schriftlichen Geltendmachung des Anspruchs nach § 15 Abs. 2 AGG eingehalten hat. Sinn und Zweck dieser Frist ist, dass der Arbeitgeber durch den Antrag über etwaige Ansprüche in Kenntnis gesetzt werden und die Möglichkeit erhalten soll, Beweise zu sichern und rechtzeitig Rücklagen zu bilden. Der Arbeitnehmer ist gehalten, die Erfolgsaussichten seiner Ansprüche zügig zu prüfen. Es soll dem Arbeitgeber angesichts der in § 22 AGG geregelten Beweislastverteilung nicht zugemutet werden, Dokumentationen über relevante Sachverhalte bis zum Ablauf der allgemeinen Verjährungsfrist von drei Jahren aufbewahren zu müssen (Gesetzentwurf der Bundesregierung, BTDrucks 16/1780 S. 38).
- 38
Nach § 15 Abs. 4 Satz 2 AGG beginnt die Frist zu dem Zeitpunkt, in dem der Kläger von einer Benachteiligung Kenntnis erlangt hat. Diese Erkenntnis liegt vor, wenn der Kläger die anspruchsbegründenden Tatsachen kennt. Dass er aus diesen Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht, ist nicht erforderlich. Im Fall einer unsicheren und zweifelhaften Rechtslage beginnt der Lauf der Ausschlussfrist zu dem Zeitpunkt, nachdem die Erhebung einer Klage für den Betroffenen zumutbar ist, d.h. die Klage hinreichend aussichtsreich, wenn auch nicht risikolos ist. Danach ist in diesem Falle die objektive Klärung der Rechtslage durch höchstrichterliche Entscheidungen maßgeblich (BGH, Urteil vom 23. September 2008 – XI ZR 262/07; BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 2014 – 2 C 3.13 – Rn. 52).
- 39
Von einer solchen Klärung der Rechtslage geht das Bundesverwaltungsgericht im Falle des altersdiskriminierenden Besoldungsrechts durch die Verkündung des Urteils des EuGH in Sachen Hennings und Mai am 8. September 2011 aus. Aus dem Urteil vom 8. September 2011 ergebe sich, dass ein mit den §§ 27 und 28 BBesG a.F. vergleichbares System zur Entlohnung von Beschäftigten unionsrechtswidrig sei und wegen des Verstoßes gegen das Benachteiligungsverbot Ausgleichsansprüche entstehen könnten (BVerwG, Urteil vom 24. Oktober 2014 – 2 C 3.13 – Rn. 53 f.). Fristbeginn war damit der 8. September 2011 und Fristende gem. § 51 Abs. 1 VwVfG, § 187, 188 Abs. 2 BGB der 8. November 2011.
- 40
Diese Ausschlussfrist hat der Kläger vorliegend jedoch durch seine Geltendmachung jeweils im Dezember 2009, 2011 und 2013 nicht gewahrt. Zunächst reicht der Antrag vom 8. Dezember 2009, in dem der Kläger die nicht verfassungsgemäße Alimentation angegriffen hat, für die Geltendmachung nach § 15 Abs. 4 AGG nicht aus, da § 15 Abs. 4 AGG verlangt, dass der Anspruch nach § 15 Abs. 2 AGG, und damit ein Entschädigungsanspruch aufgrund einer Diskriminierung, geltend gemacht wurde.
- 41
In seinem Antrag hat der Kläger zwar darauf hingewiesen, dass nach seiner Ansicht seine Alimentation den allgemeinen wirtschaftlichen Verhältnissen angepasst werden müsse. Ein Rüge dahingehend, dass das für seine Besoldung maßgebliche Bundesbesoldungsgesetz wegen der Anknüpfung an das Alter mit dem AGG unvereinbar sei, erfolgte jedoch nicht. Ein entsprechender Antrag ergibt sich auch nicht durch Auslegung des Schreibens. Der Dienstherr konnte hier folglich nicht mit der Geltendmachung von Entschädigungsansprüchen rechnen.
- 42
Auch mit Schreiben vom 23. Dezember 2011, zugegangen am 28. Dezember 2011, hat der Kläger die Ausschlussfrist nicht gewahrt. In diesem Schreiben beantragt der Kläger, unter Berufung auf das Urteil des EuGH in Sachen Hennings und Mai, eine Besoldung entsprechend der höchsten Stufe und die rückwirkende Auszahlung der Differenz. Inhaltlich genügt das Schreiben mithin einem Antrag i.S.d. § 15 Abs. 4 AGG. Allerdings hat der Kläger diesen Antrag nicht innerhalb der Ausschlussfrist gestellt, da der Antrag am 28. Dezember 2011 zuging und damit nach Ablauf der Ausschlussfrist am 8. November 2011.
- 43
Gleiches gilt erst recht für den Antrag vom Dezember 2013.
- 44
Die Klage ist daher mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO.
- 46
Beschluss vom 3. März 2015
- 47
Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 14000,- € festgesetzt (§ 52 Abs. 3 GKG).
(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem
- 1.
der Anspruch entstanden ist und - 2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren
- 1.
ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und - 2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.
(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.
(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.
(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.
(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.
(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.
(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.
(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.
(1) Die regelmäßige Verjährungsfrist beginnt, soweit nicht ein anderer Verjährungsbeginn bestimmt ist, mit dem Schluss des Jahres, in dem
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der Anspruch entstanden ist und - 2.
der Gläubiger von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners Kenntnis erlangt oder ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müsste.
(2) Schadensersatzansprüche, die auf der Verletzung des Lebens, des Körpers, der Gesundheit oder der Freiheit beruhen, verjähren ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(3) Sonstige Schadensersatzansprüche verjähren
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ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an und - 2.
ohne Rücksicht auf ihre Entstehung und die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Begehung der Handlung, der Pflichtverletzung oder dem sonstigen, den Schaden auslösenden Ereignis an.
(3a) Ansprüche, die auf einem Erbfall beruhen oder deren Geltendmachung die Kenntnis einer Verfügung von Todes wegen voraussetzt, verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in 30 Jahren von der Entstehung des Anspruchs an.
(4) Andere Ansprüche als die nach den Absätzen 2 bis 3a verjähren ohne Rücksicht auf die Kenntnis oder grob fahrlässige Unkenntnis in zehn Jahren von ihrer Entstehung an.
(5) Geht der Anspruch auf ein Unterlassen, so tritt an die Stelle der Entstehung die Zuwiderhandlung.
(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.
(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.
(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.
(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.
(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.
BUNDESGERICHTSHOF
für Recht erkannt:
Auf die Berufung der Kläger wird das Urteil der 9. Zivilkammer des Landgerichts Mannheim vom 23. August 2006 abgeändert.
Die Beklagte wird, unter Abweisung der weitergehenden Klage, verurteilt, an die Kläger 25.801,93 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2002 zu zahlen.
Die weitergehende Revision der Kläger wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits tragen die Kläger zu 14% und die Beklagte zu 86%.
Von Rechts wegen
Tatbestand:
- 1
- Kläger Die nehmen die beklagte Sparkasse auf Rückabwicklung eines Darlehensvertrages zur Finanzierung einer Immobilienfondsbeteiligung in Anspruch.
- 2
- Kläger, Die ein damals 47-jähriger EDV-Angestellter und seine damals 48 Jahre alte Ehefrau, eine Hausfrau, wollten sich 1995 zum Zweck der Steuerersparnis mit einer Einlage von 52.284 DM an dem geschlossenen Immobilienfonds "N. " (im Folgenden : GbR) beteiligen. Mit notarieller Urkunde vom 20. Juli 1995 boten sie der K. Steuerberatungs GmbH (im Folgenden: Treuhänderin ), die über keine Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz verfügte, den Abschluss eines umfassenden Treuhand- und Geschäftsbesorgungsvertrages mit einer ebensolchen Vollmacht an. Die Treuhänderin nahm das Angebot an und schloss zur Finanzierung des für die Kläger erklärten Beitritts am 25. August 1995 in deren Namen mit der Rechtsvorgängerin der Beklagten (im Folgenden: Beklagte) einen Vertrag über einen Tilgungskredit von 60.000 DM mit 10% Disagio. Bei Abschluss des Darlehensvertrages lagen der Beklagten weder das Original noch eine Ausfertigung der von den Klägern der Treuhänderin erteilten Vollmacht vor. Der Nettokreditbetrag von 54.000 DM (= 27.609,76 €) wurde nach dem Vorbringen der Beklagten auf Anweisung der Treuhänderin auf ein von dieser für die GbR geführtes Treuhandkonto ausgezahlt. Nachdem die Kläger Zahlungen in Höhe von insgesamt 8.645,67 € auf den Darlehensvertrag geleistet hatten, lösten sie das Darlehen am 31. Januar 1998 mit einer Sondertilgung von 25.801,93 € ab.
- 3
- Die erst im Jahre 2006 erhobene Klage auf Rückzahlung der Zinsund Tilgungsleistungen sowie auf Erstattung von vorgerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von insgesamt 35.378,52 € nebst Zinsen ist in den Vorinstanzen erfolglos geblieben. Mit der vom Berufungsgericht zugelassenen Revision verfolgen die Kläger ihren Klageantrag weiter.
Entscheidungsgründe:
- 4
- Die Revision ist teilweise begründet.
I.
- 5
- Das Berufungsgericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt:
- 6
- Anspruch Der auf Erstattung der Sondertilgung in Höhe von 25.801,93 € sei verjährt. Die Verjährung richte sich allerdings - anders als bei den Tilgungsanteilen der auf das Annuitätendarlehen gezahlten Raten - nicht nach § 197 BGB a.F., weil die Sondertilgung eine einmalige Leistung zur Erfüllung der Darlehensrestschuld gewesen sei. Die Forderung sei aber gemäß §§ 195, 199 BGB n.F., Art. 229 § 6 Abs. 1 und 4 EGBGB mit Ablauf des 31. Dezember 2005 verjährt. Die subjektiven Voraussetzungen des Verjährungsbeginns gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB seien im Jahre 2002 erfüllt gewesen. Auch bei nicht fachkundigen Personen wie den Klägern könne von einer Kenntnis oder grob fahrlässigen Unkenntnis der maßgeblichen Umstände bis zum 31. Dezember 2002 ausgegangen werden. Bis dahin habe die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Unwirksamkeit von Darlehensverträgen der vorliegenden Art in weiten Kreisen der Anleger Beachtung gefunden. Im Jahre 2002 hätten Anleger in einer ersten Welle von Gerichtsverfahren Klage auf Rückabwicklung der Anlagegeschäfte erhoben. Die Medien, insbesondere die Tagespresse, hätten 2002 über die neue Rechtsprechung berichtet. Falls die Kläger gleichwohl erst aufgrund anwaltlicher Beratung im Jahre 2005 hiervon Kenntnis erlangt hätten, beruhe ihre vorherige Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit. Nach dem anzulegenden objektivabstrakten Maßstab hätten die Kläger ihre Sorgfaltspflichten verletzt, wenn sie die einschlägigen Zeitungsberichte nicht zur Kenntnis und zum Anlass genommen hätten, sich durch Einholung von Rechtsrat Klarheit über ihre Rückzahlungsansprüche zu verschaffen. Gegenüber der Verjährungseinrede greife der Einwand des Rechtsmissbrauchs nicht durch. Die Beklagte habe zwar mit Schreiben vom 30. April 2004 geltend gemacht , die Treuhandvollmacht sei unter Rechtsscheingesichtspunkten als wirksam zu behandeln. Dieser Einwand gehöre aber nicht zu den anspruchsbegründenden Tatsachen, auf die sich die Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB erstrecken müsse.
- 7
- Kläger Die hätten auch keinen Anspruch auf Erstattung der bis Januar 1998 gezahlten Darlehensraten. Ein darauf gerichteter Bereicherungsanspruch sei gemäß § 197 BGB a.F. verjährt. Ein Schadensersatzanspruch sei nicht gegeben, weil die Kläger weder für die Verletzung eigener Aufklärungspflichten der Beklagten noch für eine arglistige Täuschung des Anlagevermittlers konkrete Tatsachen vorgetragen hätten.
II.
- 8
- Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung in wesentlichen Punkten nicht stand.
- 9
- 1. Der Anspruch der Kläger gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB auf Erstattung der Sondertilgung in Höhe von 25.801,93 € ist entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht verjährt.
- 10
- a) Das Berufungsgericht ist allerdings rechtsfehlerfrei davon ausgegangen , dass bei einer vorzeitigen Ablösung des Darlehenskapitals eines Annuitätendarlehens § 197 BGB a.F. auf den Bereicherungsanspruch des Darlehensnehmers keine Anwendung findet (Senat, Urteil vom 27. Mai 2008 - XI ZR 409/06, WM 2008, 1258, 1259 Tz. 14 f.). Dies gilt auch, soweit in der abschließenden Zahlung vom 31. Januar 1998 Zinsen enthalten gewesen sein sollten (Senat, Urteile vom 4. Dezember 2007 - XI ZR 227/06, WM 2008, 244, 247 Tz. 33, für BGHZ 174, 334 vorgesehen , und vom 27. Mai 2008 - XI ZR 409/06, WM 2008, 1258, 1259 Tz. 13).
- 11
- b) Maßgeblich ist vielmehr, da die Verjährungsfrist gemäß § 195 BGB a.F. am 1. Januar 2002 noch nicht abgelaufen war, gemäß Art. 229 § 6 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 4 Satz 1 EGBGB die Frist gemäß § 195 BGB n.F.. Diese Frist war bei Klageerhebung am 23. Februar 2006 noch nicht abgelaufen, weil sie nicht vor dem 1. Januar 2003 begonnen hat.
- 12
- Vor aa) diesem Zeitpunkt waren zwar die objektiven Voraussetzungen des Verjährungsbeginns gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB erfüllt, weil die Klageforderung mit der Sonderzahlung am 31. Januar 1998 entstanden ist.
- 13
- bb)Rechtsfehlerhaft ist hingegen die Auffassung des Berufungsgerichts , auch die - erforderlichen (Senat BGHZ 171, 1, 7 ff. Tz. 19 ff.) - subjektiven Voraussetzungen gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB hätten vor dem 1. Januar 2003 vorgelegen. Die Kläger haben vor diesem Zeitpunkt von den den Anspruch begründenden Umständen und der Person des Schuldners keine Kenntnis erlangt und auch nicht ohne grobe Fahrlässigkeit erlangen müssen.
- 14
- Ein (1) Gläubiger, der einen Bereicherungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB verfolgt, hat Kenntnis von den den Anspruch begründenden Umständen, wenn er von der Leistung und dem Fehlen des Rechtsgrundes, d.h. von den Tatsachen, aus denen dessen Fehlen folgt, weiß (Senat, Urteil vom 29. Januar 2008 - XI ZR 160/07, WM 2008, 729, 732 Tz. 26, für BGHZ 175, 161 vorgesehen; Staudinger/Peters, BGB Neubearb. 2004 § 199 Rdn. 46). Bei der Beurteilung der Frage, wann der Gläubiger diese Kenntnis besitzt, kann, auch bei Bereicherungsansprüchen (BGH, Beschluss vom 19. März 2008 - III ZR 220/07, WM 2008, 1077, 1078 Tz. 8), weitgehend auf die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zu § 852 Abs. 1 BGB a.F. zurückgegriffen werden (Senat, Urteil vom 3. Juni 2008 - XI ZR 319/06, WM 2008, 1346, 1349 Tz. 27, m.w.Nachw.). Danach muss dem Anspruchsberechtigten die Erhebung einer Feststellungsklage Erfolg versprechend, wenn auch nicht risikolos möglich sein (st.Rspr., vgl. BGH, Urteil vom 14. Oktober 2003 - VI ZR 379/02, NJW 2004, 510; Senat, Urteil vom 3. Juni 2008 - XI ZR 319/06, WM 2008, 1346, 1349 Tz. 27; jeweils m.w.Nachw.). Dazu ist nicht die Kenntnis aller Einzelheiten erforderlich. Es genügt, dass der Anspruchsberechtigte den Sachverhalt, etwa den Schadenshergang, in seinen Grundzügen kennt und weiß, dass der Sachverhalt erhebliche Anhaltspunkte für die Entstehung eines Anspruchs bietet (BGH, Urteil vom 29. Juni 1989 - III ZR 92/87, NJW 1990, 176, 179; MünchKomm/ Grothe, BGB 5. Aufl. § 199 Rdn. 25).
- 15
- (a) Der Verjährungsbeginn setzt gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB ebenso wie gemäß § 852 Abs. 1 BGB a.F. grundsätzlich nur die Kenntnis der den Anspruch begründenden Tatsachen voraus. Hingegen ist es in der Regel nicht erforderlich, dass der Anspruchsberechtigte aus den ihm bekannten Tatsachen die zutreffenden rechtlichen Schlüsse zieht (BGHZ 170, 260, 271 Tz. 28; Senat, Urteil vom 3. Juni 2008 - XI ZR 319/06, WM 2008, 1346, 1349 Tz. 27). Rechtsunkenntnis kann aber im Einzelfall bei unsicherer und zweifelhafter Rechtslage den Verjährungsbeginn hinausschieben (BGHZ 138, 247, 252; 150, 172, 186; 160, 216, 231 f.; BGH, Urteile vom 15. Oktober 1992 - IX ZR 43/92, WM 1993, 251, 259, vom 24. Februar 1994 - III ZR 76/92, WM 1994, 988, 991, vom 17. Oktober 1995 - VI ZR 246/94, WM 1996, 125, 127, vom 25. Februar 1999 - IX ZR 30/98, WM 1999, 974, 975 und Beschluss vom 19. März 2008 - III ZR 220/07, WM 2008, 1077, 1078 Tz. 9). In diesem Fall fehlt es an der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn (BGH, Urteil vom 25. Februar 1999 - IX ZR 30/98, WM 1999, 974, 975).
- 16
- (b) Grob fahrlässige Unkenntnis liegt vor, wenn dem Gläubiger die Kenntnis fehlt, weil er die im Verkehr erforderliche Sorgfalt in ungewöhnlich grobem Maße verletzt und auch ganz nahe liegende Überlegungen nicht angestellt oder das nicht beachtet hat, was jedem hätte einleuchten müssen (vgl. BGH, Urteil vom 13. Dezember 2004 - II ZR 17/03, WM 2005, 382, 384; MünchKomm/Grothe, BGB 5. Aufl. § 199 Rdn. 28; jeweils m.w.Nachw.).
- 17
- (c) Die Feststellung, ob und wann der Gläubiger Kenntnis von bestimmten Umständen hatte oder ob seine Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruhte, unterliegt als Ergebnis tatrichterlicher Würdigung nur einer eingeschränkten Überprüfung durch das Revisionsgericht darauf, ob der Streitstoff umfassend, widerspruchsfrei und ohne Verstoß gegen Denk- und Erfahrungssätze gewürdigt worden ist (Senat, Urteile vom 26. Oktober 2004 - XI ZR 211/03, WM 2005, 27 und vom 3. Juni 2008 - XI ZR 318/06, Urteilsumdruck Tz. 23) und ob der Tatrichter den Begriff der groben Fahrlässigkeit verkannt oder bei der Beurteilung des Grades der Fahrlässigkeit wesentliche Umstände außer Betracht gelassen hat (Senat BGHZ 145, 337, 340 und Urteil vom 15. Februar 2000 - XI ZR 186/99, WM 2000, 812, 813). Die Frage, wann eine für den Beginn der Verjährung hinreichende Kenntnis vorhanden ist, ist allerdings nicht ausschließlich Tatfrage, sondern wird maßgeblich durch den der Beurteilung des Revisionsgerichts unterliegenden Begriff der Zumutbarkeit der Klageerhebung geprägt (BGHZ 122, 317, 326; 138, 247, 253; BGH, Urteil vom 24. Februar 1999 - III ZR 76/92, WM 1994, 988, 991 f.).
- 18
- Nach (2) diesen Grundsätzen waren die subjektiven Voraussetzungen des Verjährungsbeginns gemäß § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB bis zum 31. Dezember 2002 nicht erfüllt.
- 19
- Der (a) Verjährungsbeginn hing allerdings entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts nicht von der Kenntnis bzw. grob fahrlässigen Unkenntnis der Kläger von der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Unwirksamkeit von Treuhändervollmachten der vorliegenden Art ab. Vor dieser Rechtsprechung, d.h. auch im Zeitpunkt der Anspruchsentstehung , war die Rechtslage zwar unsicher und zweifelhaft, so dass die Rechtsunkenntnis der Kläger den Verjährungsbeginn hinausschob. Die Rechtslage wurde aber durch die Urteile des Bundesgerichtshofs vom 28. September 2000 (BGHZ 145, 265), vom 18. September 2001 (XI ZR 321/00, WM 2001, 2113, 2114) und vom 11. Oktober 2001 (III ZR 182/00, WM 2001, 2260, 2261) geklärt. Nach dieser Rechtsprechung sind Geschäftsbesorgungsverträge und Treuhändervollmachten der vorliegenden Art wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz unwirksam, und zwar auch im Zusammenhang mit kreditfinanzierten Immobilienfondsbeteiligungen. Nach der Veröffentlichung dieser Ent- scheidungen in der NJW als der auflagenstärksten juristischen Fachzeitschrift in den Heften vom 4. Januar 2001, 17. Dezember 2001 und 2. Januar 2002 stand die zuvor unklare Rechtslage dem Verjährungsbeginn nicht mehr entgegen. Auf die Kenntnis bzw. grob fahrlässige Unkenntnis der Kläger von der Klärung der Rechtslage kam es hierfür nicht an. An der Zumutbarkeit der Klageerhebung als übergreifender Voraussetzung für den Verjährungsbeginn fehlt es bei unsicherer und zweifelhafter Rechtslage (vgl. BGH, Urteil vom 25. Februar 1999 - IX ZR 30/98, WM 1999, 974, 975) nur bis zur objektiven Klärung der Rechtslage (Palandt/Heinrichs, BGB 67. Aufl. § 199 Rdn. 26). Danach ist die Klageerhebung zumutbar. Die Revisionserwiderung weist zu Recht darauf hin, dass derjenige, der bei zunächst unklarer, aber später geklärter Rechtslage die anspruchsbegründenden tatsächlichen Umstände kennt, wegen fortdauernder Rechtsunkenntnis aber keine verjährungshemmenden Maßnahmen ergreift, nicht anders behandelt werden darf als derjenige, der bei von Anfang an klarer Rechtslage die anspruchsbegründenden tatsächlichen Umstände kennt, wegen Rechtsunkenntnis aber keine Klage erhebt. In diesem Fall wird der Verjährungsbeginn durch die Rechtsunkenntnis auch nicht hinausgeschoben.
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- (b) Die subjektiven Voraussetzungen des § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB waren aber, was das Berufungsgericht verkannt hat und die Revision zu Recht rügt, vor dem 1. Januar 2003 aus einem anderen Grund nicht erfüllt.
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- (aa) Zu den tatsächlichen Umständen, die einen Bereicherungsanspruch gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB begründen, gehören auch die Tatsachen, aus denen das Fehlen eines Rechtsgrundes der Leistung, d.h. die Unwirksamkeit des Vertrages, zu dessen Erfüllung geleistet wurde , folgt. Der Gläubiger eines Bereicherungsanspruchs trägt die volle Darlegungs- und Beweislast für die tatsächlichen Voraussetzungen des Mangels des rechtlichen Grundes (BGHZ 128, 167, 171; 154, 5, 9; BGH, Urteil vom 6. Oktober 1994 - III ZR 165/93, WM 1995, 20, 21, vom 27. September 2002 - V ZR 98/01, WM 2003, 640, 641 und vom 14. Juli 2003 - II ZR 335/00, WM 2004, 225, 226; Senat, Urteil vom 6. Dezember 1994 - XI ZR 19/94, WM 1995, 189, 190). Während der eine vertragliche Leistung fordernde Gläubiger die Wirksamkeit des Vertrages darzulegen und zu beweisen hat, muss der eine erbrachte Leistung zurückfordernde Bereicherungsgläubiger dessen Unwirksamkeit vortragen und unter Beweis stellen (BGH, Urteil vom 18. Juli 2003 - V ZR 431/02, WM 2004, 195, 196; Beschluss vom 10. Oktober 2007 - IV ZR 95/07, NJW-RR 2008, 273 Tz. 3). Macht der Bereicherungsgläubiger, wie im vorliegenden Fall, geltend, der als Rechtsgrund in Betracht kommende Vertrag sei unwirksam, weil er bei dessen Abschluss nicht wirksam vertreten worden sei, hat er die tatsächlichen Voraussetzungen des Fehlens der Vertretungsmacht darzulegen und zu beweisen. Dazu gehört, wie der Senat bereits entschieden hat (Urteil vom 6. Dezember 1994 - XI ZR 19/94, WM 1995, 189, 190), bei einem In-Sich-Geschäft gemäß § 181 BGB das Fehlen einer Zustimmung des Vertretenen. Ebenso sind bei einer Leistungskondiktion die Umstände, die die Unwirksamkeit einer Vollmacht begründen, und das Fehlen der Voraussetzungen einer Rechtsscheinvollmacht gemäß §§ 171 f. BGB anspruchsbegründende Tatsachen , entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts und der Revisionserwiderung nicht etwa rechtshindernde Einwendungen, deren Kenntnis für den Verjährungsbeginn nicht erforderlich wäre (vgl. hierzu BGH, Urteil vom 22. Juni 1993 - VI ZR 190/92, NJW 1993, 2614). Soweit der Senat in seinem Urteil vom 20. April 2004 (XI ZR 164/03, WM 2004, 1227, 1228) eine andere Auffassung vertreten hat, wird daran nicht festgehalten.
- 22
- Von (bb) diesen anspruchsbegründenden Tatsachen haben die Kläger vor dem 1. Januar 2003 keine Kenntnis erlangt; ihre Unkenntnis beruht auch nicht auf grober Fahrlässigkeit.
- 23
- Ihnen war zwar bekannt, dass der Darlehensvertrag durch eine Treuhänderin abgeschlossen worden war und dass deren Vollmacht einen umfassenden Inhalt hatte. Den Feststellungen des Berufungsgerichts und dem Vortrag der für den Verjährungsbeginn darlegungsbelasteten Beklagten ist aber nicht zu entnehmen, dass die Kläger wussten, dass die Treuhänderin keine Erlaubnis nach dem Rechtsberatungsgesetz besaß. Ob ihre Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit beruhte, weil eine Erlaubnis gemäß § 17 Satz 1 RBerV zu veröffentlichen ist und bei dem für ihre Erteilung zuständigen Präsidenten des Landgerichts erfragt werden kann, ist zweifelhaft. Diese Frage bedarf indes keiner abschließenden Entscheidung.
- 24
- Jedenfalls hatten die Kläger vor dem 1. Januar 2003 keine Kenntnis davon, dass der Beklagten bei Abschluss des Darlehensvertrages am 25. August 1995 nicht, wie für eine Rechtsscheinvollmacht gemäß § 171 f. BGB erforderlich, eine Ausfertigung der notariellen Vollmachtsurkunde vom 20. Juli 1995 vorgelegen hat. Eine solche Kenntnis ist vom Berufungsgericht nicht festgestellt und von den Parteien nicht vorgetragen worden. Diese Unkenntnis der Kläger beruhte nicht auf grober Fahrlässigkeit. Zahlreiche Kreditinstitute haben sich bei vergleichbaren Ge- schäften vor Abschluss des Darlehensvertrages regelmäßig eine Ausfertigung der notariellen Urkunde der Treuhändervollmacht vorlegen lassen. Für die Kläger als juristische Laien lag die Nichtvorlage einer Ausfertigung der Vollmachtsurkunde vor Abschluss des Darlehensvertrages vom 25. August 1995 keinesfalls so nahe, dass sie dieser Frage nachgehen mussten. Es ist auch nicht festgestellt oder vorgetragen worden, dass sie auf eine entsprechende Rückfrage bei der Beklagten eine zutreffende Auskunft erhalten hätten. Die Beklagte selbst wirft den Klägern insoweit keine grobe Fahrlässigkeit vor.
- 25
- 2. Einen Anspruch auf Erstattung der bis Januar 1998 gezahlten Darlehensraten hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei als unbegründet angesehen.
- 26
- a) Der darauf gerichtete Bereicherungsanspruch ist, wie auch die Revision nicht in Zweifel zieht, gemäß § 197 BGB a.F. verjährt (BGHZ 112, 352, 354 und Urteile vom 27. Februar 2007 - XI ZR 56/06, WM 2007, 731, 732 Tz. 20 und vom 27. Mai 2008 - XI ZR 409/06, WM 2008, 1258, 1259 Tz. 12).
- 27
- Auch b) einen Schadensersatzanspruch wegen Aufklärungsverschuldens hat das Berufungsgericht rechtsfehlerfrei verneint. Die Revision macht ohne Erfolg geltend, die Fondsinitiatoren bzw. der für sie tätige Vermittler hätten die Kläger über die Fondsbeteiligung arglistig getäuscht. Hierfür fehlt substantiiertes Vorbringen in den Tatsacheninstanzen. Die Kläger haben lediglich behauptet, nach dem ihnen vorgelegten Fondsprospekt habe das Fondsgrundstück für knapp 28 Millionen DM erworben werden sollen, während es tatsächlich nur einen Wert von 8 Millionen DM habe. Es ist bereits sehr zweifelhaft, ob in dieser Prospektangabe die konkludente Behauptung liegt, das Grundstück habe einen Wert von 28 Millionen DM. Jedenfalls ist dem Vortrag der Kläger nicht zu entnehmen, in welchem Zeitpunkt das Grundstück den von ihnen behaupteten Wert gehabt haben soll. In ihren Schriftsätzen ist sowohl vom 2. Oktober 1995 als auch vom 28. Februar 1998 die Rede. Darüber hinaus haben die Kläger eine - auch eine subjektive Komponente umfassende (Senat, Urteil vom 6. November 2007 - XI ZR 322/03, WM 2008, 115, 120 Tz. 49) - arglistige Täuschung nicht substantiiert vorgetragen.
- 28
- die Da Voraussetzungen eines Schadensersatzanspruches nicht erfüllt sind und über den geschuldeten Betrag von 25.801,93 € keine wirksame Mahnung vorliegt, haben die Kläger auch keinen Anspruch auf Erstattung vorgerichtlicher Anwaltskosten.
III.
- 29
- Das Berufungsurteil stellt sich, soweit es rechtsfehlerhaft ist, nur in geringem Umfang aus anderen Gründen als richtig dar (§ 561 ZPO).
- 30
- Der 1. Anspruch der Kläger auf Zinsen aus dem Betrag von 25.801,93 € für die Zeit vor dem 1. Januar 2002 ist verjährt. Dieser Anspruch gemäß § 818 Abs. 1 BGB auf Herausgabe von Nutzungszinsen verjährt als Anspruch auf regelmäßig wiederkehrende Leistungen gemäß § 197 BGB a.F. in vier Jahren (Senat, Urteil vom 15. Februar 2000 - XI ZR 76/99, WM 2000, 811, 812). Diese Frist war für die Zeit bis zum 31. Dezember 2001 abgelaufen, bevor im Jahr 2006 Klage erhoben wurde.
- 31
- Hingegen 2. ist der Anspruch der Kläger gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1, § 818 Abs. 1 BGB auf Rückzahlung der am 31. Januar 1998 geleisteten Schlusszahlung in Höhe von 25.801,93 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2002 begründet.
- 32
- a) Die Beklagte hat diesen Betrag durch Leistung der Kläger ohne rechtlichen Grund erlangt. Der Darlehensvertrag vom 25. August 1995 ist unwirksam, weil die Treuhänderin, die den Vertrag namens der Kläger geschlossen hat, nicht wirksam bevollmächtigt war. Die ihr erteilte Vollmacht ist im Hinblick auf ihre umfassenden Befugnisse wegen Verstoßes gegen das Rechtsberatungsgesetz nichtig (st.Rspr., s. nur Senat, Urteil vom 26. Februar 2008 - XI ZR 74/06, WM 2008, 683, 686 Tz. 26 m.w.Nachw.). Zwischen den Parteien ist unstreitig, dass die Voraussetzungen einer Vertretungsbefugnis gemäß §§ 171 f. BGB und einer Duldungs - oder Anscheinsvollmacht nicht vorliegen.
- 33
- b) Die von den Klägern aufgrund der Fondsbeteiligung erlangten Steuervorteile mindern entgegen der Auffassung der Beklagten den Rückzahlungsanspruch nicht. Anders als die Rückabwicklung eines nach § 1 HWiG widerrufenen Darlehensvertrages, der mit einem finanzierten Fondsanteilserwerb ein verbundenes Geschäft bildet (vgl. hierzu Senat BGHZ 172, 147, 153 ff. Tz. 23 ff.), bei der der Darlehensnehmer die Rückzahlung seiner auf den Darlehensvertrag erbrachten Leistungen Zug-um-Zug gegen Abtretung des Fondsanteils verlangen kann, führt die Unwirksamkeit des Darlehensvertrages wegen des Verstoßes der Treuhändervollmacht gegen das Rechtsberatungsgesetz nicht zu einer Rückabwicklung der kreditfinanzierten Fondsbeteiligung. Da die Kläger, zumindest nach den Grundsätzen über den fehlerhaften Beitritt zu einer Gesellschaft (vgl. BGHZ 153, 214, 221 f.), Gesellschafter der Fonds-GbR sind und bei Erfüllung ihres Rückzahlungsanspruchs gegen die Beklagte bleiben, sind ihnen die aus dieser Kapitalanlage resultierenden Vorteile, d.h. Fondsausschüttungen und Steuervorteile, zu belassen.
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- c) Die Hilfsaufrechnung der Beklagten mit einem Gegenanspruch auf Herausgabe der Darlehensvaluta ist unbegründet. Ein Kreditinstitut, das aufgrund eines wegen Verstoßes gegen Art. 1 § 1 RBerG unwirksamen Darlehensvertrages die Immobilienfondsbeteiligung eines Kapitalanlegers finanziert und die Darlehensvaluta unmittelbar an den als GbR betriebenen Fonds ausgezahlt hat, kann den Kapitalanleger für die Bereicherungsschuld der GbR gemäß § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 2 BGB nicht in entsprechender Anwendung des § 128 HGB persönlich in Anspruch nehmen (Senat, Urteil vom 17. Juni 2008 - XI ZR 112/07, WM 2008, 1356, 1358 f. Tz. 18 ff., für BGHZ vorgesehen).
IV.
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- Das Berufungsurteil war demnach aufzuheben (§ 562 Abs. 1 ZPO), soweit in Höhe von 25.801,93 € nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz seit dem 1. Januar 2002 zum Nachteil der Kläger entschieden worden ist. Da die Sache zur Endentscheidung reif ist, hatte der Senat in der Sache selbst zu entscheiden (§ 563 Abs. 3 ZPO) und die Beklagte unter Abänderung des landgerichtlichen Urteils zur Zahlung dieses Betrages zu verurteilen. Im Übrigen war die Revision zurückzuweisen.
Grüneberg Maihold
Vorinstanzen:
LG Mannheim, Entscheidung vom 23.08.2006 - 9 O 89/06 -
OLG Karlsruhe, Entscheidung vom 17.04.2007 - 17 U 333/06 -
(1) Bei einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot ist der Arbeitgeber verpflichtet, den hierdurch entstandenen Schaden zu ersetzen. Dies gilt nicht, wenn der Arbeitgeber die Pflichtverletzung nicht zu vertreten hat.
(2) Wegen eines Schadens, der nicht Vermögensschaden ist, kann der oder die Beschäftigte eine angemessene Entschädigung in Geld verlangen. Die Entschädigung darf bei einer Nichteinstellung drei Monatsgehälter nicht übersteigen, wenn der oder die Beschäftigte auch bei benachteiligungsfreier Auswahl nicht eingestellt worden wäre.
(3) Der Arbeitgeber ist bei der Anwendung kollektivrechtlicher Vereinbarungen nur dann zur Entschädigung verpflichtet, wenn er vorsätzlich oder grob fahrlässig handelt.
(4) Ein Anspruch nach Absatz 1 oder 2 muss innerhalb einer Frist von zwei Monaten schriftlich geltend gemacht werden, es sei denn, die Tarifvertragsparteien haben etwas anderes vereinbart. Die Frist beginnt im Falle einer Bewerbung oder eines beruflichen Aufstiegs mit dem Zugang der Ablehnung und in den sonstigen Fällen einer Benachteiligung zu dem Zeitpunkt, in dem der oder die Beschäftigte von der Benachteiligung Kenntnis erlangt.
(5) Im Übrigen bleiben Ansprüche gegen den Arbeitgeber, die sich aus anderen Rechtsvorschriften ergeben, unberührt.
(6) Ein Verstoß des Arbeitgebers gegen das Benachteiligungsverbot des § 7 Abs. 1 begründet keinen Anspruch auf Begründung eines Beschäftigungsverhältnisses, Berufsausbildungsverhältnisses oder einen beruflichen Aufstieg, es sei denn, ein solcher ergibt sich aus einem anderen Rechtsgrund.
(1) Der Kläger kann bis zur Rechtskraft des Urteils seine Klage zurücknehmen. Die Zurücknahme nach Stellung der Anträge in der mündlichen Verhandlung setzt die Einwilligung des Beklagten und, wenn ein Vertreter des öffentlichen Interesses an der mündlichen Verhandlung teilgenommen hat, auch seine Einwilligung voraus. Die Einwilligung gilt als erteilt, wenn der Klagerücknahme nicht innerhalb von zwei Wochen seit Zustellung des die Rücknahme enthaltenden Schriftsatzes widersprochen wird; das Gericht hat auf diese Folge hinzuweisen.
(2) Die Klage gilt als zurückgenommen, wenn der Kläger das Verfahren trotz Aufforderung des Gerichts länger als zwei Monate nicht betreibt. Absatz 1 Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Der Kläger ist in der Aufforderung auf die sich aus Satz 1 und § 155 Abs. 2 ergebenden Rechtsfolgen hinzuweisen. Das Gericht stellt durch Beschluß fest, daß die Klage als zurückgenommen gilt.
(3) Ist die Klage zurückgenommen oder gilt sie als zurückgenommen, so stellt das Gericht das Verfahren durch Beschluß ein und spricht die sich nach diesem Gesetz ergebenden Rechtsfolgen der Zurücknahme aus. Der Beschluß ist unanfechtbar.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.