Verwaltungsgericht Düsseldorf Urteil, 15. Apr. 2014 - 2 K 3926/13
Gericht
Tenor
- 1.
Die Klage wird abgewiesen.
- 2.
Die Kosten des Verfahrens werden dem Kläger auferlegt.
- 3.
Das Urteil wird für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung erklärt. Der Kläger darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 Prozent des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 Prozent des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
1
Tatbestand:
2Der Kläger stand im Polizeivollzugsdienst des beklagten Landes und war beim Landrat des Kreises O. tätig.
3Im Jahr 2007 nahm der Kläger 40 Urlaubstage in Anspruch, bevor er am 08.10.2007 dienstunfähig wurde. In den folgenden Jahren konnte er wegen ununterbrochener Krankheit keinen Urlaub mehr nehmen. Mit Ablauf des 31.07.2011 wurde er in den Ruhestand versetzt.
4Unter dem 05.09.2012 beantragte der Kläger beim Beklagten die Abgeltung seines Erholungsurlaubsanspruchs.
5Mit Bescheid vom 21.03.2013 gewährte der Landrat des Kreises O. dem Kläger die Abgeltung von 20 Urlaubstagen für das Jahr 2010 und von 11,66 Urlaubstagen für das Jahr 2011. Hingegen sei der Mindesturlaub für die Jahre 2008 und 2009 am 30.06.2010 bzw. am 30.06.2011 verfallen.
6Der Kläger hat am 22.04.2013 Klage erhoben. Er führt zur Begründung aus: Der Beklagte sei fehlerhaft vom Verfall des Mindesturlaubs für die Jahre 2007 bis 2009 ausgegangen. Da der Abgeltungsanspruch für Beamte erst durch das Urteil des Europäischen Gerichtshofes vom 03.05.2012 – C-337/10 – anerkannt worden sei, könne sein Mindesturlaub nicht vorher verfallen sein.
7Der Kläger beantragt,
8den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Bescheides des Landrats des Kreises O. vom 21.03.2013 zu verpflichten, ihm jeweils 20 Urlaubstage für die Jahre 2007 bis 2009 abzugelten.
9Der Beklagte beantragt,
10die Klage abzuweisen.
11Er hält an der im angegriffenen Bescheid dargelegten Berechnung der abzugeltenden Urlaubstage fest.
12Entscheidungsgründe:
13Das Urteil ergeht im Einverständnis der Beteiligten durch den Berichterstatter (§ 87a Abs. 2 und 3 VwGO).
14Die zulässige Klage ist unbegründet.
15Der Kläger hat keinen Anspruch auf Abgeltung von Mindesturlaub für die Jahre 2007 bis 2009.
16Zunächst besteht ein Anspruch aus § 19a Abs. 1 Satz 1 FrUrlV NRW nicht. Diese Vorschrift sieht die Abgeltung von krankheitsbedingt nicht in Anspruch genommenem Mindesturlaub vor, der bei Beendigung des Beamtenverhältnisses noch nicht verfallen ist. Dabei sind gemäß § 19a Abs. 1 Satz 5 FrUrlV NRW im Urlaubsjahr bereits gewährte Urlaubstage vom Mindesturlaubsanspruch für dieses Jahr in Abzug zu bringen, unerheblich ob diese in Abrechnung von Urlaubsansprüchen auch für andere Jahre genommen wurden.
17Wendet man diese Regelungen auf den Erholungsurlaubsanspruch des Klägers an, so ergibt sich, dass der Mindesturlaub von 20 Tagen für das Jahr 2007 erschöpft ist, da der Kläger in diesem Jahr 40 Urlaubstage erhalten hat, und dass der Mindesturlaub für die Jahre 2008 und 2009 spätestens am 30.06.2010 bzw. am 30.06.2011 und damit vor der Versetzung des Klägers in den Ruhestand verfallen ist.
18Dabei kann offen bleiben, ob sich der Verfall des Mindesturlaubs nach dem aktuell gültigen § 19 Abs. 2 FrUrlV NRW, nach dem bis zum 18.01.2012 gültigen § 8 Abs. 2 Satz 1 EUV NRW oder unmittelbar nach europarechtlichen Vorgaben richtet.
19Vgl. zur maßgeblichen Rechtslage OVG NRW, Beschl. v. 10.03.2014– 6 A 2680/12 –, Rn. 7-12 (zitiert nach juris).
20Gemäß § 19 Abs. 2 FrUrlV NRW verfällt Urlaub, der nicht innerhalb von 15 Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres in Anspruch genommen worden ist. Danach wären der Mindesturlaub für 2008 am 31.03.2010 und der Mindesturlaub für 2009 am 31.03.2011 verfallen. Gemäß § 8 Abs. 2 Satz 1 EUV NRW betrug die Frist neun Monate, so dass der Mindesturlaub für 2008 bereits am 30.09.2009 und der Mindesturlaub für 2009 am 30.09.2010 verfallen wären. Geht man davon aus, dass § 8 Abs. 2 Satz 1 EUV NRW auf den Verfall von Mindesturlaub bei dauerhaft dienstunfähigen Beamten wegen vorrangigen Europarechts nicht anwendbar ist, weil der Übertragungszeitraum die Dauer des Bezugszeitraums unterschreitet,
21vgl. EuGH, Urt. v. 22.11.2011 – C-214/10 –, Rn. 38; Urt. v. 03.05.2012 – C-337/10 –, Rn. 38-43, Tenor 4; anders OVG NRW, Beschl. v. 10.03.2014 – 6 A 2680/12 –,Rn. 13-19 (zitiert nach juris) für den Fall, dass der Beamte die Möglichkeit hatte, seinen Mindesturlaub im Bezugszeitraum zu nehmen,
22so ergäbe sich in Ermangelung einer ausreichend langen deutschen Verfallsregelung aus der unmittelbaren Anwendung des sechsten Erwägungsgrundes der Richtlinie 2003/88/EG in Verbindung mit Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation, dass Mindesturlaub 18 Monate nach dem Ende des Urlaubsjahres verfällt, weil er nach Ablauf dieser Zeit seinen Zweck als Erholungszeit verfehlt.
23BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 – 2 C 10/12 –, Rn. 22 (zitiert nach juris); vgl. EuGH, Urt. v. 22.11.2011 – C-214/10 –, Rn. 28-34, 39-43, der auch darauf hinweist, dass der Dienstherr vor der Gefahr der Ansammlung von zu langen Abwesenheitszeiträumen geschützt werden müsse.
24Danach wären der Mindesturlaub für 2008 am 30.06.2010 und der Mindesturlaub für 2009 am 30.06.2011 verfallen.
25Da § 19a Abs. 1 Satz 1 FrUrlV NRW für den Kläger mithin unter keiner erdenklichen Betrachtungsweise als Anspruchsgrundlage in Betracht kommt, kann offen bleiben, ob diese Vorschrift auf die Abgeltung von Mindesturlaub für die Jahre vor dem Inkrafttreten der Freistellungs- und Urlaubsverordnung NRW am 19.01.2012 überhaupt anwendbar ist.
26Vgl. erneut OVG NRW, Beschl. v. 10.03.2014 – 6 A 2680/12 –, Rn. 7-12 (zitiert nach juris).
27Geht man davon aus, dass das deutsche Recht für die Jahre bis einschließlich 2011 keinen Anspruch auf Abgeltung von Mindesturlaub regelt, dann würde als Rechtsgrundlage unmittelbar Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2003/88/EG eingreifen. Danach hat ein Beamter mit Beginn des Ruhestands einen Anspruch auf eine finanzielle Vergütung für Mindesturlaub, den er nicht genommen hat, weil er aus Krankheitsgründen keinen Dienst geleistet hat.
28EuGH, Urt. v. 03.05.2012 – C-337/10 –, Rn. 27-32, Tenor 2; BVerwG, Urt. v. 31.01.2013 – 2 C 10/12 –, Rn. 9 ff. (zitiert nach juris).
29Allerdings erstreckt sich auch der europarechtliche Abgeltungsanspruch nur auf Urlaub, der bei Beginn des Ruhestands seinen Zweck als Erholungszeit noch hätte erfüllen können.
30EuGH, Urt. v. 03.05.2012 – C-337/10 –, Rn. 39.
31Wie bereits oben ausgeführt, kann der Zweck von Urlaub als Erholungszeit nach dem sechsten Erwägungsgrund der Richtlinie 2003/88/EG in Verbindung mit Art. 9 Abs. 1 des Übereinkommens Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation bei Ablauf von 18 Monaten nach dem Ende des Urlaubsjahres nicht mehr vollständig erreicht werden.
32Deshalb entsteht bei Beginn des Ruhestands insoweit kein Abgeltungsanspruch, als das Ende des betreffenden Urlaubsjahres bereits 18 Monate zurückliegt.
33Vor diesem Hintergrund scheidet auch der unmittelbare europarechtliche Abgeltungsanspruch aus, denn am 01.08.2011 lag das Ende der Jahre 2007 bis 2009 mehr als 18 Monate zurück.
34Dieses Ergebnis hängt nicht von dem Zeitpunkt der maßgeblichen Entscheidungen des Europäischen Gerichtshofs ab, denn es beruht allein auf der Anwendung der Richtlinie 2003/88/EG vom 04.11.2003 und des Übereinkommens Nr. 132 der Internationalen Arbeitsorganisation vom 24.06.1970. Beide Rechtsgrundlagen waren vor den streitigen Urlaubsjahren 2007 bis 2009 in Kraft. Hätte der Europäische Gerichtshof bereits vor 2007 zur Abgeltung von Erholungsurlaub geurteilt, so wäre der Mindesturlaub des Klägers für die Jahre 2007 bis 2009 gleichwohl verfallen, bevor dieser in den Ruhestand versetzt wurde.
35Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.
36Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf § 167 Abs. 1 Satz 1 VwGO in Verbindung mit § 708 Nr. 11, § 711 Sätze 1 und 2 ZPO.
37Die Berufung wird nicht zugelassen, weil die Voraussetzungen des § 124a Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 124 Abs. 2 Nr. 3 oder Nr. 4 VwGO nicht vorliegen.
moreResultsText
Annotations
(1) Der Vorsitzende entscheidet, wenn die Entscheidung im vorbereitenden Verfahren ergeht,
- 1.
über die Aussetzung und das Ruhen des Verfahrens; - 2.
bei Zurücknahme der Klage, Verzicht auf den geltend gemachten Anspruch oder Anerkenntnis des Anspruchs, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe; - 3.
bei Erledigung des Rechtsstreits in der Hauptsache, auch über einen Antrag auf Prozesskostenhilfe; - 4.
über den Streitwert; - 5.
über Kosten; - 6.
über die Beiladung.
(2) Im Einverständnis der Beteiligten kann der Vorsitzende auch sonst anstelle der Kammer oder des Senats entscheiden.
(3) Ist ein Berichterstatter bestellt, so entscheidet dieser anstelle des Vorsitzenden.
Ordnungswidrig im Sinne des § 28 Absatz 1 Nummer 6 Buchstabe b des Allgemeinen Eisenbahngesetzes handelt, wer vorsätzlich oder fahrlässig
- 1.
entgegen § 2 Absatz 3 Satz 1 eine Meldung nicht, nicht richtig, nicht vollständig, nicht in der vorgeschriebenen Weise oder nicht rechtzeitig macht, - 2.
entgegen § 2 Absatz 3 Satz 3 eine Information nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig nachreicht oder nicht auf dem neuesten Stand hält oder - 3.
entgegen § 4 Absatz 2 eine Unfallstelle, eine Unfallspur, ein Fahrzeug, ein Fahrzeugteil oder sonstigen Inhalt eines Fahrzeugs verändert.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.
(1) Gegen Endurteile einschließlich der Teilurteile nach § 110 und gegen Zwischenurteile nach den §§ 109 und 111 steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie von dem Verwaltungsgericht oder dem Oberverwaltungsgericht zugelassen wird.
(2) Die Berufung ist nur zuzulassen,
- 1.
wenn ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen, - 2.
wenn die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist, - 3.
wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 4.
wenn das Urteil von einer Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 5.
wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.