Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 15. Mai 2017 - Au 5 K 17.31212

bei uns veröffentlicht am15.05.2017

Gericht

Verwaltungsgericht Augsburg

Tenor

I. Die Klage wird abgewiesen.

II. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

III. Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

Der Kläger wendet sich mit seiner Klage gegen den Widerruf eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 Aufenthaltsgesetz (AufenthG), sowie die weitere Feststellung, dass ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG nicht vorliegt.

Der am ... 1990 in ... (Afghanistan) geborene Kläger ist afghanischer Staatsangehöriger mit Volkszugehörigkeit der Tadschiken und sunnitischem Glauben.

Mit Bescheid vom 2. Februar 2010 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) die Anträge des Klägers auf Anerkennung als Asylberechtigter ab (Nr. 1 des Bescheids). Es stellte des Weiteren fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Nr. 2) und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 des Aufenthaltsgesetzes (Nr. 3) nicht vorlägen. Es führte u.a. zur Begründung aus, der Vortrag des Klägers sei vor allem in Zusammenschau mit dem Vorbringen seines Bruders nicht glaubhaft. Der Antragsteller habe Verwandte in Afghanistan. Es sei davon auszugehen, dass er bei Rückkehr in sein Heimatland in sein Elternhaus zurückkehren könne. Das zum Leben notwendige Existenzminimum sei insofern gesichert.

Mit rechtskräftigem Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 9. Juni 2010 (Az. Au 6 K 10.30026) wurde der vorbezeichnete Bescheid in Nrn. 3 und 4 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, für den Kläger ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG festzustellen. Auf die Gründe dieser Entscheidung wird verwiesen.

Die Ablehnung des Klägers als Asylberechtigter wurde bestandskräftig.

Auf Grund der gerichtlichen Verpflichtung wurde für den Kläger mit bestandskräftig gewordenem Bescheid des Bundesamtes vom 31. Januar 2011 ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG für Afghanistan ausgesprochen.

Dieses wurde mit Bescheid des Bundesamtes vom 20. Februar 2017 widerrufen (Nr. 1. des Bescheids). In Nr. 2. des Bescheids wurde bestimmt, dass im Falle des Klägers ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG nicht vorliegt.

In den Gründen ist u.a. ausgeführt, dass die seit dem 3. Februar 2011 unanfechtbare Entscheidung im Wesentlichen auf der Annahme beruht habe, dass der minderjährige Kläger mangels familiärer Bindungen in Afghanistan keine Existenzmöglichkeit habe. Mit Verfügung vom 21. Dezember 2016 sei ein Widerrufsverfahren eingeleitet worden. Die Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG lägen nicht mehr vor. Die Sachlage habe sich seit der Entscheidung vom 31. Januar 2011 zwischenzeitlich geändert. Die Gesamtschau der vorliegenden Informationen gebe hinsichtlich der Versorgungslage ein differenziertes Bild. Einerseits profitiere gerade Kabul vom Wiederaufbau und den Versorgungsleistungen durch die internationale Gemeinschaft, andererseits stehe die Stadt durch die enorm hohe Zahl von Rückkehrern vor dem Problem adäquater Versorgung. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes sei die Grundversorgung für große Teile der Bevölkerung eine tägliche Herausforderung. Obwohl durchaus positive Tendenzen festzustellen seien, sei die Wirtschaftslage weiterhin schwierig und Afghanistan bleibe eines der ärmsten Länder der Welt. Selbst wenn Rückkehrer aus dem westlich geprägten Ausland immer noch auf Schwierigkeiten stoßen würden, würde der Kläger nicht in eine ausweglose Lage geraten. Bei gesunden und arbeitsfähigen jungen Männern sei grundsätzlich davon auszugehen, dass interne Schutzmöglichkeiten zumindest in Kabul bestünden. Der Kläger sei volljährig und ledig. Jungen alleinstehenden und arbeitsfähigen männlichen afghanischen Staatsangehörigen drohe bei einer Rückkehr in die Hauptstadt Kabul auch dann keine extreme Gefahrensituation mehr, wenn der Rückkehrer beruflich nicht besonders qualifiziert sei und weder über nennenswertes Vermögen noch über Rückhalt und Unterstützung durch Familie oder Bekannte verfüge. In tatsächlicher Hinsicht sei zu erwarten, dass Rückkehrer aus dieser Personengruppe durch Gelegenheitsarbeiten ein eigenes Existenzminimum erwirtschaften könnten. Die Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom Juni 2010 beruhe maßgeblich darauf, dass der Kläger zum damaligen Zeitpunkt noch minderjährig gewesen sei und dass er in seinem Heimatland Afghanistan über keine Verwandten mehr verfüge. Das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 AufenthG liege ebenfalls nicht vor. Die Abschiebung trotz schlechter humanitärer Verhältnisse könne nur in sehr außergewöhnlichen Einzelfällen als unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu bewerten sein und die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG in Verbindung mit Art. 3 Europäische Menschenrechtskonvention (EMRK) erfüllen. Die derzeitigen humanitären Bedingungen in Afghanistan führten nicht zu der Annahme, dass bei einer Abschiebung des Klägers eine Verletzung des Art. 3 EMRK vorliege. Die hierfür vom Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) geforderten hohen Anforderungen an den Gefahrenmaßstab seien nicht erfüllt. Individuelle gefahrerhöhende Umstände habe der Kläger nicht vorgetragen und seien auch sonst nicht ersichtlich.

Auf den weiteren Inhalt des Bescheides des Bundesamtes vom 20. Februar 2017 wird ergänzend verwiesen.

Der Kläger hat gegen den vorbezeichneten Bescheid mit Schriftsatz vom 6. März 2017 Klage zum Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg erhoben und beantragt,

Der Bescheid vom 20. Februar 2017 - Gz.: ... - wird aufgehoben.

Zur Begründung der Klage ist mit Schriftsatz vom 22. März 2017 ausgeführt, dass die Beklagte verkannt habe, dass die Rechtskraft eines zur Anerkennung als Asylberechtigter und zur Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft verpflichteten verwaltungsgerichtlichen Urteil bzw. eines Urteils, welches ein Abschiebeverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG feststelle, einer Widerrufsentscheidung nach § 73 Abs. 1 AsylG entgegenstehe, wenn sich die zur Zeit des Urteils maßgebliche Sach- oder Rechtslage nachträglich nicht entscheidungserheblich verändert habe. Beim Kläger lägen die sachlichen und rechtlichen Voraussetzungen nach § 3 AsylG vor. Jedenfalls lägen die Voraussetzungen nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor. Der Kläger habe auf Grund des Verhaltens seiner Familienangehörigen und deren Verfolgungsschicksal wenigstens einen Anspruch auf Feststellung eines nationalen Abschiebungsverbotes nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG hinsichtlich seines Herkunftslandes. Einer Entscheidung über das Vorliegen der Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 AufenthG bedürfe es deshalb nicht mehr. Für die Bestimmung der Gefahr in § 60 Abs. 7 AufenthG gelte der Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit, d.h. die drohende Rechtsgutverletzung dürfe nicht nur im Bereich des Möglichen liegen, sondern müsse mit überwiegender Wahrscheinlichkeit zu erwarten sein. Eine Abschiebung des Klägers in den Irak (richtigerweise Afghanistan) würde für diesen zum gegenwärtigen Zeitpunkt eine erhebliche konkrete Lebensgefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG mit sich bringen.

Auf den weiteren Vortrag im Klagebegründungsschriftsatz vom 22. März 2017 wird verwiesen.

Die Beklagte hat dem Gericht die einschlägige Verfahrensakte vorgelegt; ein Antrag wurde nicht gestellt.

Mit Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 30. März 2017 wurde der Rechtsstreit dem Einzelrichter zur Entscheidung übertragen.

Am 15. Mai 2017 fand die mündliche Verhandlung statt. Für den Hergang der Sitzung, in der der Kläger informatorisch angehört wurde, wird auf die hierüber gefertigte Niederschrift verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und auf die von der Beklagten vorgelegte Verfahrensakte Bezug genommen.

Gründe

Der Einzelrichter (§ 76 Abs. 1 AsylG) konnte über die Klage des Klägers entscheiden, ohne dass ein Vertreter der Beklagten an der mündlichen Verhandlung vom 15. Mai 2017 teilgenommen hat. Auf den Umstand, dass beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann, wurden die Beteiligten ausweislich der Ladung ausdrücklich hingewiesen (§ 102 Abs. 2 Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).

Die zulässige Klage bleibt in der Sache ohne Erfolg. Gegenstand des Verfahrens ist das Begehren des Klägers auf Aufhebung des auf § 73c Abs. 2 Asylgesetz - AsylG gestützten Widerrufsbescheides der Beklagten. Dieses Begehren ist begründet, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen für den Widerruf nicht erfüllt sind. Nach § 73c Abs. 2 AsylG setzt der Widerruf eines nach nationalem Recht gewährten Abschiebungsschutzes voraus, dass die Voraussetzungen für das ursprünglich zuerkannte Abschiebungsverbot - hier auf der Grundlage des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG - nachträglich entfallen sind und auch nicht aus anderen Gründen Abschiebungsschutz zu gewähren ist. Dabei sind alle Rechtsgrundlagen für den nationalen Abschiebungsschutz in die Prüfung einzubeziehen.

Nach § 73c Abs. 2 AsylG ist die Entscheidung, ob die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen, zwingend zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen hierfür nicht mehr vorliegen. Aufgrund der in § 73c Abs. 3 AsylG erklärten entsprechenden Anwendung von § 73 Abs. 3 AsylG, ist im Widerrufsfalle auch darüber zu entscheiden, ob die Voraussetzungen für die Gewährung subsidiären Schutzes oder die Voraussetzungen des § 60 Abs. 5 oder 7 AufenthG vorliegen.

Dem erklärten Widerruf nach § 73c Abs. 2 AsylG steht die einjährige Ausschlussfrist des § 49 Abs. 2 Satz 2 Verwaltungsverfahrensgesetz (VwVfG) i.V.m. § 48 Abs. 4 Satz 1 VwVfG nicht entgegen. Denn diese Frist findet für das Widerrufsverfahren nach § 73c Abs. 2 AsylG keine Anwendung. Dies ergibt sich aus der Systematik sowie dem Sinn und Zweck der in den §§ 73 bis 73c AsylG getroffenen gesetzlichen Regelungen. § 73c Abs. 2 AsylG, der der Beklagten ohne jede zeitliche Einschränkung den Widerruf der Feststellungen aus § 60 Abs. 5 bzw. 7 AufenthG eröffnet, stellt eine abschließende spezialgesetzliche Regelung dar, die eine Anwendung der Jahresfrist nach § 49 Abs. 2 Satz 2 VwVfG i.V.m. § 48 Abs. 4 VwVfG ausschließt (vgl. HessVGH, U.v. 30.1.2014 - 8 A 119/12.A - juris Rn. 28). Anders als die Regelung in § 73 Abs. 2a AsylG, sieht § 73c Abs. 2 AsylG keinen zeitlichen Rahmen für den Widerruf vor. Es wäre ein Wertungswiderspruch, wenn die Asyl- und Flüchtlingsanerkennung innerhalb der ersten drei Jahre nach ihrer Unanfechtbarkeit unter leichteren formellen Voraussetzungen, nämlich ohne Beachtung der Jahresfrist, widerrufen werden könnte, als eine Gewährung von sonstigem, nachrangigem Abschiebungsschutz (vgl. HessVGH, U.v. 30.1.2014, a.a.O.). Der Widerruf von auf der Grundlage des § 60 Abs. 5 und 7 AufenthG gewährtem Abschiebungsschutz kann deshalb auch nach Ablauf eines Jahres nach Kenntnis der Beklagten von den Widerrufsgründen in zulässiger Weise erfolgen (OVG NRW, B.v. 15.10.2010 - 13 A 1639/10.A - juris Rn. 16).

Der mit Bescheid vom 20. Februar 2017 verfügte Widerruf der Voraussetzungen eines nationalen Abschiebungsverbotes begegnet keinen rechtlichen Bedenken. § 73c Abs. 2 AsylG verlangt für den Widerruf eines Abschiebungshindernisses eine beachtliche Veränderung der tatsächlichen Verhältnisse. Durch neue Tatsachen muss sich eine andere Grundlage für die Gefahrenprognose bei dem jeweiligen Abschiebungsverbot ergeben. Maßgeblich zur Beurteilung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 73c Abs. 2 AsylG ist dabei die Rechtslage zum Zeitpunkt des Erlasses des Widerrufsbescheides (vgl. BVerwG, B.v. 25.11.2008 - BVerwGE 10 C 46.07 - Buchholz 451.902 Europäisches Ausländer- und Asylrecht Nr. 24 Rn. 15).

Zu diesem Zeitpunkt liegen die Voraussetzungen für eine Weitergewährung nationalen Abschiebungsschutzes auf der Grundlage des § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG nicht weiter vor.

Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (EMRK) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG sind die Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG kann die oberste Landesbehörde anordnen, dass die Abschiebung für längstens sechs Monate ausgesetzt wird. Eine solche Abschiebestoppanordnung besteht für die Personengruppe, der der Kläger angehört, nicht.

Das Gericht vermag ein fortgeltendes Abschiebungsverbot für den Kläger nicht zu erkennen.

Es ist weiter der Auffassung, dass die allgemeine Gefahr in Afghanistan sich für den Kläger nicht derart zu einer extremen Gefahr verdichtet hat, dass eine entsprechende Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG geboten ist. Die von der höchstrichterlichen Rechtsprechung hierfür aufgestellten Voraussetzungen sind nicht erfüllt (vgl. BayVGH, B.v. 11.12.2013 - 13A ZB 13.30119 u.a. - juris; VGH Baden-Württemberg, U.v. 27.4.2012 - A 11 S 3079/11 - juris). Wann allgemeine Gefahren von Verfassungswegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer reinen quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssten jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Dies setzt voraus, dass der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann. So besteht eine extreme Gefahrenlage dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen und sicheren Hungertod nach erfolgter Abschiebung ausgeliefert werden würde (vgl. BVerwG, U.v. 29.6.2010 - 10 C 10.09 - BVerwGE 137, 226).

In Übereinstimmung mit der ständigen Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs (z.B. B.v. 19.2.2014 - 13A ZB 14.30022 - juris) geht das Gericht davon aus, dass derzeit für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende, alleinstehende, männliche arbeitsfähige afghanische Staatsangehörige, zu denen auch der Kläger zu rechnen ist, in Afghanistan nicht von einer extremen Gefahrenlage auszugehen ist, die zu einem Abschiebungsverbot in entsprechender Anwendung von § 60 Abs. 7 AufenthG führt. Zwar gestaltet sich die allgemeine Versorgungslage in Afghanistan nach wie vor schwierig. Trotz dieser kritischen Versorgungslage muss aber nicht jeder Rückkehrer aus Europa generell im unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit den Tod oder schwerste Gesundheitsschäden bei einer Rückführung erleiden. In der Gesamtschau der ins Verfahren eingeführten aktuellen Auskünfte ist nicht davon auszugehen, dass jeder Rückkehrer aus Europa generell in unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit den Tod oder schwerste Gesundheitsschäden bei einer Rückführung nach Kabul erleiden müsste (vgl. BayVGH, U.v. 20.1.2012 - 13a B 11.30425 - juris Rn. 32 ff.). Nur für besonders schutzwürdige Rückkehrer wie alte oder behandlungsbedürftig kranke Personen, alleinstehende Frauen mit und ohne Kinder, Familien und Personen, die aufgrund persönlicher Merkmale zusätzlicher Diskriminierung unterliegen oder die über keinen aufnahmebereiten Familienverbund verfügen, lässt sich eine extreme Gefahrenlage begründen. Für junge und arbeitsfähige Männer ohne erhebliche gesundheitliche Einschränkungen, besteht die Möglichkeit, sich eine neue Existenz in Kabul oder einer anderen größeren Stadt aufzubauen (stRspr. des BayVGH, beispielsweise U.v. 15.3.2012 - 13a B 11.30439 - juris Rn. 25). Dass der Kläger zwischenzeitlich verheiratet ist, führt zu keinem rechtlich anderen Ergebnis, da sich die Ehefrau des Klägers derzeit lediglich aufgrund eines Visums in der Bundesrepublik Deutschland aufhält. Vor diesem Hintergrund ist es dem Kläger durchaus zumutbar, bei einer Rückkehr nach Afghanistan, dort die eheliche Gemeinschaft mit seiner Ehefrau fortzuführen.

Der Kläger ist inzwischen volljährig und hat keine gesundheitlichen Einschränkungen im Verfahren geltend gemacht.

Da der Kläger darüber hinaus bereits 27 Jahre alt ist, begegnet es auch keinen rechtlichen Bedenken, dass dieser nach seinen Ausführungen im Verfahren wohl über keinen aufnahmebereiten Familienverbund in Afghanistan bzw. in ... (mehr) verfügt. Zu berücksichtigen bleibt, dass der Kläger bereits während seiner Schulzeit in Afghanistan berufliche Praxis in der Tätigkeit eines Autolackierers gesammelt hat. Auch in der Bundesrepublik Deutschland sei der Kläger seit 2013 in einer Autolackiererei fest angestellt. Aufgrund dieser beruflichen Erfahrung in Afghanistan bzw. zumindest in der Bundesrepublik Deutschland ist davon auszugehen, dass der Kläger sein Existenzminimum bei einer Rückkehr nach Afghanistan durchaus sicherstellen kann.

Im Übrigen verweist das Gericht auf mögliche Rückkehr- und Starthilfen für freiwillige Rückkehrer nach Afghanistan nach dem REAG/GARP-Programm. Darüber hinaus werden Leistungen nach dem Reintegrationsprogramm „ERIN“ gewährt (vgl. Auskünfte der Regierung von Schwaben vom 17. August 2016 und des Bundesamtes vom 12. August 2016 an das Verwaltungsgericht Augsburg).

Sonstige gefahrerhöhende Umstände für den Kläger vermag das Gericht nicht zu erkennen.

Dem Kläger steht aber auch im maßgeblichen Zeitpunkt kein Anspruch auf Zuerkennung subsidiären Schutzes auf der Grundlage von § 73c Abs. 3 i.V.m. § 73 Abs. 3 AsylG und § 4 AsylG zu.

Gemäß § 4 Abs. 1 Satz 1 AsylG ist ein Ausländer subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden geht dabei die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG), Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG) oder eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts (§ 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG). nach § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG gelten dabei die §§ 3c - e AsylG entsprechend. Bei der Prüfung, ob dem Ausländer ein ernsthafter Schaden droht, ist - wie bei der Beurteilung der Flüchtlingseigenschaft - der asylrechtliche Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anzulegen (BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 5/09 - BVerwGE 136, 377 ff.).

Die Gefahr der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe i.S.d. § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 AsylG hat der Kläger bereits nicht geltend gemacht. Die Voraussetzungen für die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 AsylG liegen nicht vor, weil der Kläger jedenfalls auf internen Schutz nach § 3e AsylG zurückgreifen kann.

Nach § 3e Abs. 1 AsylG i.V.m. § 4 Abs. 3 Satz 1 AsylG wird einem Ausländer subsidiärer Schutz nicht zuerkannt, wenn er in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d AsylG hat und sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt. Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen des § 3e Abs. 1 AsylG erfüllt, sind gemäß § 3e Abs. 2 Satz 1 AsylG die im sicheren Teil des Herkunftslandes vorhandenen allgemeinen Gegebenheiten sowie die persönlichen Umstände des Klägers zum Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung zu berücksichtigen. Dieser Zumutbarkeitsmaßstab geht über das Fehlen einer im Rahmen des § 60 Abs. 7 Satz 1 und 2 AufenthG beachtlichen existenziellen Notlage hinaus (BVerwG, U.v. 31.1.2013 - 10 C 15.12 - juris Rn. 20; U.v. 29.5.2008 - 10 C 11/07 - juris Rn. 35). Die Beurteilung erfordert dabei eine Einzelfallprüfung (vgl. BayVGH, B.v. 11.12.2013 - 13A ZB 13.30185 - juris Rn. 5). Dabei sind die individuellen Besonderheiten wie Sprache, Bildung, persönliche Fähigkeiten, vorangegangene Aufenthalte des Klägers in dem in Betracht kommenden Landesteil, örtliche und familiäre Bindungen, Geschlecht, Alter, ziviler Status, Lebenserfahrung, soziale Einrichtungen, gesundheitliche Versorgung und verfügbares Vermögen zu berücksichtigen. Entscheidend dafür, ob eine inländische Fluchtalternative als zumutbar angesehen werden kann, ist dabei insbesondere auch die Frage, ob an dem verfolgungssicher Ort das wirtschaftliche Existenzminimum des Asylsuchenden gewährleistet ist. Dies in der Regel anzunehmen, wenn der Asylsuchende durch eigene Arbeit oder Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu seinem Lebensunterhalt unbedingt Notwendige erlangen kann. Nicht mehr zumutbar ist die Fluchtalternative demgegenüber dann, wenn der Asylsuchende an dem verfolgungssicheren Ort bei der gebotenen grundsätzlich generalisierenden Betrachtungsweise auf Dauer ein Leben zu erwarten hat, das zu Hunger, Verelendung und schließlich zum Tode führt, oder wenn er dort nichts anderes zu erwarten als ein Dahinvegetieren am Rande des Existenzminimums (vgl. VG Gelsenkirchen, U.v. 22.8.2013 - 5A K 156/11.A - juris Rn. 38).

Gemessen an diesen Grundsätzen geht das Gericht davon aus, dass für den Kläger eine inländische Fluchtalternative besteht.

Das Gericht ist davon überzeugt, dass sich der Kläger in Afghanistan für ihn zumutbar auch außerhalb seiner Heimatstadt an einem Ort niederlassen kann, an dem er verfolgungssicher ist. Für den Kläger als jungen gesunden Mann dürfte es in einer größeren afghanischen Stadt auch abseits seiner Herkunftsprovinz möglich sein, sich ein Existenzminimum zu sichern. Diese Einschätzung entspricht auch der aktuellen Auskunftslage. Nach Angaben des Auswärtigen Amtes bieten größere Städte aufgrund ihrer Anonymität eher Schutz als kleinere Städte oder Dorfgemeinschaften (Lagebericht des Auswärtigen Amtes über die asyl- und abschiebungsrelevante Lage in der islamischen Republik Afghanistan vom 19.10.2016, Stand: September 2016 - im Folgenden: Lagebericht - S.18). Eine schützende Anonymität bieten nach Auffassung des Gerichts daher insbesondere die Städte Kabul, Herat oder Kandahar. Dort könnte sich der erwerbsfähige Kläger niederlassen, ohne der ernsthaften Gefahr einer Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt zu sein. Überdies stammt der Kläger selbst aus .... Der Kläger ist, soweit ersichtlich, gesund und mit einem Alter von jetzt 27 Jahren in der Lage, auf dem hart umkämpften afghanischen Arbeitsmarkt eine Arbeit zu finden, von der er leben kann. Für eine zumutbare Rückkehr in eine größere Stadt in Afghanistan spricht auch, dass der Kläger nach seinem eigenen Vortrag kinderlos ist.

Der Kläger hat aber auch keinen Anspruch auf die Zuerkennung subsidiären Schutzes auf der Grundlage von § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG, wonach von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen ist, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Die Voraussetzungen hierfür liegen nicht vor, weil dem Kläger bei einer Rückkehr nach Afghanistan aufgrund der dortigen Situation keinen erheblichen individuellen Gefahren aufgrund willkürlicher Gewalt landesweit drohen. Insoweit folgt das Gericht den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Bescheides (§ 77 Abs. 2 AsylG).

Hieran vermögen auch die Anmerkungen des UNHCR zur Situation in Afghanistan auf Anfrage des Deutschen Bundesministeriums des Innern vom Dezember 2016 nichts zu ändern. Stellungnahme und Einschätzung von Organisationen wie UNHCR und Pro Asyl beruhen auf von diesen Organisationen selbst angelegten Maßstäben, die nicht den von der Rechtsprechung gestellten Anforderungen an die Annahme eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts entsprechen.

An dieser Rechtsprechung hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof auch im Nachgang der angeführten Stellungnahme des UNHCR vom Dezember 2016 mehrfach festgehalten. Auf die Entscheidungen vom 8. Februar 2017 (BayVGH, B.v. 8.2.2017 - 13a ZB 17.30016 - juris Rn. 7) und vom 25. Januar 2017 (BayVGH, B.v. 25.1.2017 - 13a ZB 16.30374 - juris Rn. 11) wird verwiesen. Ungeachtet neuer Erkenntnismittel ist der Bayerische Verwaltungsgerichtshof gerade nicht zu einer Neubewertung der Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Nr. 3 AsylG hinsichtlich eines landesweit existierenden innerstaatlich bewaffneten Konflikts in Afghanistan gelangt.

Nach allem erweist sich die Klage zwar als zulässig, aber unbegründet. Sie war daher mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Als im Verfahren unterlegen hat der Kläger die Kosten des Verfahrens zu tragen. Die Gerichtskostenfreiheit folgt aus § 83b AsylG. Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit der Kostenentscheidung beruht auf § 167 Abs. 2 VwGO.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 15. Mai 2017 - Au 5 K 17.31212

Urteilsbesprechung schreiben

0 Urteilsbesprechungen zu Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 15. Mai 2017 - Au 5 K 17.31212

Referenzen - Gesetze

Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 15. Mai 2017 - Au 5 K 17.31212 zitiert 20 §§.

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 167


(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Gesetz


Aufenthaltsgesetz - AufenthG

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 4 Subsidiärer Schutz


(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt: 1. die Verhängung oder Vollstreckung der To

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3 Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft


(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich1.aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 83b Gerichtskosten, Gegenstandswert


Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 77 Entscheidung des Gerichts


(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefä

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60a Vorübergehende Aussetzung der Abschiebung (Duldung)


(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 102


(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende di

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 48 Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes


(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erhebliche

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3e Interner Schutz


(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er 1. in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und2. sicher und legal in diesen Landesteil r

Verwaltungsverfahrensgesetz - VwVfG | § 49 Widerruf eines rechtmäßigen Verwaltungsaktes


(1) Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 3d Akteure, die Schutz bieten können


(1) Schutz vor Verfolgung kann nur geboten werden 1. vom Staat oder2. von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen,sofern sie willens und in d

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 76 Einzelrichter


(1) Die Kammer soll in der Regel in Streitigkeiten nach diesem Gesetz den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn nicht die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist od

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 73 Widerrufs- und Rücknahmegründe


(1) Die Anerkennung als Asylberechtigter oder die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft ist zu widerrufen, wenn die Voraussetzungen für sie nicht mehr vorliegen. Dies ist insbesondere der Fall, wenn der Ausländer1.sich freiwillig erneut dem Schutz d

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 73c Ausländische Anerkennung als Flüchtling


(1) Ist bei einem Ausländer, der von einem ausländischen Staat als Flüchtling im Sinne des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt worden ist, die Verantwortung für die Ausstellung des Reiseausweises auf die Bundesrepublik Deutsch

Referenzen - Urteile

Urteil einreichen

Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 15. Mai 2017 - Au 5 K 17.31212 zitiert oder wird zitiert von 4 Urteil(en).

Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 15. Mai 2017 - Au 5 K 17.31212 zitiert 4 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 08. Feb. 2017 - 13a ZB 17.30016

bei uns veröffentlicht am 08.02.2017

Tenor I. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt. II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. III. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhobe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 25. Jan. 2017 - 13a ZB 16.30374

bei uns veröffentlicht am 25.01.2017

Tenor I. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt. II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt. III. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhobe

Verwaltungsgerichtshof Baden-Württemberg Urteil, 27. Apr. 2012 - A 11 S 3079/11

bei uns veröffentlicht am 27.04.2012

Tenor Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 16. September 2011 - A 8 K 744/10 - geändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.Der Kläger trägt die Kosten des gesamten - gerichtskostenfreien - Verfahrens

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 27. Apr. 2010 - 10 C 5/09

bei uns veröffentlicht am 27.04.2010

Tatbestand 1 Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit, begehrt Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG.

Referenzen

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Ausländer ist Flüchtling im Sinne des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559, 560), wenn er sich

1.
aus begründeter Furcht vor Verfolgung wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, politischen Überzeugung oder Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe
2.
außerhalb des Landes (Herkunftsland) befindet,
a)
dessen Staatsangehörigkeit er besitzt und dessen Schutz er nicht in Anspruch nehmen kann oder wegen dieser Furcht nicht in Anspruch nehmen will oder
b)
in dem er als Staatenloser seinen vorherigen gewöhnlichen Aufenthalt hatte und in das er nicht zurückkehren kann oder wegen dieser Furcht nicht zurückkehren will.

(2) Ein Ausländer ist nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn aus schwerwiegenden Gründen die Annahme gerechtfertigt ist, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen hat im Sinne der internationalen Vertragswerke, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen zu treffen,
2.
vor seiner Aufnahme als Flüchtling eine schwere nichtpolitische Straftat außerhalb des Bundesgebiets begangen hat, insbesondere eine grausame Handlung, auch wenn mit ihr vorgeblich politische Ziele verfolgt wurden, oder
3.
den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwidergehandelt hat.
Satz 1 gilt auch für Ausländer, die andere zu den darin genannten Straftaten oder Handlungen angestiftet oder sich in sonstiger Weise daran beteiligt haben.

(3) Ein Ausländer ist auch nicht Flüchtling nach Absatz 1, wenn er

1.
den Schutz oder Beistand einer Organisation oder einer Einrichtung der Vereinten Nationen mit Ausnahme des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge nach Artikel 1 Abschnitt D des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge genießt oder
2.
von den zuständigen Behörden des Staates, in dem er seinen Aufenthalt genommen hat, als Person anerkannt wird, welche die Rechte und Pflichten, die mit dem Besitz der Staatsangehörigkeit dieses Staates verknüpft sind, beziehungsweise gleichwertige Rechte und Pflichten hat.
Wird der Schutz oder Beistand nach Satz 1 Nummer 1 nicht länger gewährt, ohne dass die Lage des Betroffenen gemäß den einschlägigen Resolutionen der Generalversammlung der Vereinten Nationen endgültig erklärt worden ist, sind die Absätze 1 und 2 anwendbar.

(4) Einem Ausländer, der Flüchtling nach Absatz 1 ist, wird die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt, es sei denn, er erfüllt die Voraussetzungen des § 60 Absatz 8 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes oder das Bundesamt hat nach § 60 Absatz 8 Satz 3 des Aufenthaltsgesetzes von der Anwendung des § 60 Absatz 1 des Aufenthaltsgesetzes abgesehen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Kammer soll in der Regel in Streitigkeiten nach diesem Gesetz den Rechtsstreit einem ihrer Mitglieder als Einzelrichter zur Entscheidung übertragen, wenn nicht die Sache besondere Schwierigkeiten tatsächlicher oder rechtlicher Art aufweist oder die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat.

(2) Der Rechtsstreit darf dem Einzelrichter nicht übertragen werden, wenn bereits vor der Kammer mündlich verhandelt worden ist, es sei denn, dass inzwischen ein Vorbehalts-, Teil- oder Zwischenurteil ergangen ist.

(3) Der Einzelrichter kann nach Anhörung der Beteiligten den Rechtsstreit auf die Kammer zurückübertragen, wenn sich aus einer wesentlichen Änderung der Prozesslage ergibt, dass die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Eine erneute Übertragung auf den Einzelrichter ist ausgeschlossen.

(4) In Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes entscheidet ein Mitglied der Kammer als Einzelrichter. Der Einzelrichter überträgt den Rechtsstreit auf die Kammer, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat oder wenn er von der Rechtsprechung der Kammer abweichen will.

(5) Ein Richter auf Probe darf in den ersten sechs Monaten nach seiner Ernennung nicht Einzelrichter sein.

(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.

(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.

(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.

(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(1) Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist.

(2) Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt darf, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden,

1.
wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist;
2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat;
3.
wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
4.
wenn die Behörde auf Grund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, soweit der Begünstigte von der Vergünstigung noch keinen Gebrauch gemacht oder auf Grund des Verwaltungsaktes noch keine Leistungen empfangen hat, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
5.
um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.
§ 48 Abs. 4 gilt entsprechend.

(3) Ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden,

1.
wenn die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird;
2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat.
§ 48 Abs. 4 gilt entsprechend.

(4) Der widerrufene Verwaltungsakt wird mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam, wenn die Behörde keinen anderen Zeitpunkt bestimmt.

(5) Über den Widerruf entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zu widerrufende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(6) Wird ein begünstigender Verwaltungsakt in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 3 bis 5 widerrufen, so hat die Behörde den Betroffenen auf Antrag für den Vermögensnachteil zu entschädigen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen schutzwürdig ist. § 48 Abs. 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend. Für Streitigkeiten über die Entschädigung ist der ordentliche Rechtsweg gegeben.

(1) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden. Ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), darf nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 zurückgenommen werden.

(2) Ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte gewährte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, wenn er

1.
den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat;
2.
den Verwaltungsakt durch Angaben erwirkt hat, die in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig waren;
3.
die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte.
In den Fällen des Satzes 3 wird der Verwaltungsakt in der Regel mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen.

(3) Wird ein rechtswidriger Verwaltungsakt, der nicht unter Absatz 2 fällt, zurückgenommen, so hat die Behörde dem Betroffenen auf Antrag den Vermögensnachteil auszugleichen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse schutzwürdig ist. Absatz 2 Satz 3 ist anzuwenden. Der Vermögensnachteil ist jedoch nicht über den Betrag des Interesses hinaus zu ersetzen, das der Betroffene an dem Bestand des Verwaltungsaktes hat. Der auszugleichende Vermögensnachteil wird durch die Behörde festgesetzt. Der Anspruch kann nur innerhalb eines Jahres geltend gemacht werden; die Frist beginnt, sobald die Behörde den Betroffenen auf sie hingewiesen hat.

(4) Erhält die Behörde von Tatsachen Kenntnis, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen Verwaltungsaktes rechtfertigen, so ist die Rücknahme nur innerhalb eines Jahres seit dem Zeitpunkt der Kenntnisnahme zulässig. Dies gilt nicht im Falle des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 1.

(5) Über die Rücknahme entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zurückzunehmende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die oberste Landesbehörde kann aus völkerrechtlichen oder humanitären Gründen oder zur Wahrung politischer Interessen der Bundesrepublik Deutschland anordnen, dass die Abschiebung von Ausländern aus bestimmten Staaten oder von in sonstiger Weise bestimmten Ausländergruppen allgemein oder in bestimmte Staaten für längstens drei Monate ausgesetzt wird. Für einen Zeitraum von länger als sechs Monaten gilt § 23 Abs. 1.

(2) Die Abschiebung eines Ausländers ist auszusetzen, solange die Abschiebung aus tatsächlichen oder rechtlichen Gründen unmöglich ist und keine Aufenthaltserlaubnis erteilt wird. Die Abschiebung eines Ausländers ist auch auszusetzen, wenn seine vorübergehende Anwesenheit im Bundesgebiet für ein Strafverfahren wegen eines Verbrechens von der Staatsanwaltschaft oder dem Strafgericht für sachgerecht erachtet wird, weil ohne seine Angaben die Erforschung des Sachverhalts erschwert wäre. Einem Ausländer kann eine Duldung erteilt werden, wenn dringende humanitäre oder persönliche Gründe oder erhebliche öffentliche Interessen seine vorübergehende weitere Anwesenheit im Bundesgebiet erfordern. Soweit die Beurkundung der Anerkennung einer Vaterschaft oder der Zustimmung der Mutter für die Durchführung eines Verfahrens nach § 85a ausgesetzt wird, wird die Abschiebung des ausländischen Anerkennenden, der ausländischen Mutter oder des ausländischen Kindes ausgesetzt, solange das Verfahren nach § 85a nicht durch vollziehbare Entscheidung abgeschlossen ist.

(2a) Die Abschiebung eines Ausländers wird für eine Woche ausgesetzt, wenn seine Zurückschiebung oder Abschiebung gescheitert ist, Abschiebungshaft nicht angeordnet wird und die Bundesrepublik Deutschland auf Grund einer Rechtsvorschrift, insbesondere des Artikels 6 Abs. 1 der Richtlinie 2003/110/EG des Rates vom 25. November 2003 über die Unterstützung bei der Durchbeförderung im Rahmen von Rückführungsmaßnahmen auf dem Luftweg (ABl. EU Nr. L 321 S. 26), zu seiner Rückübernahme verpflichtet ist. Die Aussetzung darf nicht nach Satz 1 verlängert werden. Die Einreise des Ausländers ist zuzulassen.

(2b) Solange ein Ausländer, der eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25a Absatz 1 besitzt, minderjährig ist, soll die Abschiebung seiner Eltern oder eines allein personensorgeberechtigten Elternteils sowie der minderjährigen Kinder, die mit den Eltern oder dem allein personensorgeberechtigten Elternteil in familiärer Lebensgemeinschaft leben, ausgesetzt werden.

(2c) Es wird vermutet, dass der Abschiebung gesundheitliche Gründe nicht entgegenstehen. Der Ausländer muss eine Erkrankung, die die Abschiebung beeinträchtigen kann, durch eine qualifizierte ärztliche Bescheinigung glaubhaft machen. Diese ärztliche Bescheinigung soll insbesondere die tatsächlichen Umstände, auf deren Grundlage eine fachliche Beurteilung erfolgt ist, die Methode der Tatsachenerhebung, die fachlich-medizinische Beurteilung des Krankheitsbildes (Diagnose), den Schweregrad der Erkrankung, den lateinischen Namen oder die Klassifizierung der Erkrankung nach ICD 10 sowie die Folgen, die sich nach ärztlicher Beurteilung aus der krankheitsbedingten Situation voraussichtlich ergeben, enthalten. Zur Behandlung der Erkrankung erforderliche Medikamente müssen mit der Angabe ihrer Wirkstoffe und diese mit ihrer international gebräuchlichen Bezeichnung aufgeführt sein.

(2d) Der Ausländer ist verpflichtet, der zuständigen Behörde die ärztliche Bescheinigung nach Absatz 2c unverzüglich vorzulegen. Verletzt der Ausländer die Pflicht zur unverzüglichen Vorlage einer solchen ärztlichen Bescheinigung, darf die zuständige Behörde das Vorbringen des Ausländers zu seiner Erkrankung nicht berücksichtigen, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Einholung einer solchen Bescheinigung gehindert oder es liegen anderweitig tatsächliche Anhaltspunkte für das Vorliegen einer lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankung, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würde, vor. Legt der Ausländer eine Bescheinigung vor und ordnet die Behörde daraufhin eine ärztliche Untersuchung an, ist die Behörde berechtigt, die vorgetragene Erkrankung nicht zu berücksichtigen, wenn der Ausländer der Anordnung ohne zureichenden Grund nicht Folge leistet. Der Ausländer ist auf die Verpflichtungen und auf die Rechtsfolgen einer Verletzung dieser Verpflichtungen nach diesem Absatz hinzuweisen.

(3) Die Ausreisepflicht eines Ausländers, dessen Abschiebung ausgesetzt ist, bleibt unberührt.

(4) Über die Aussetzung der Abschiebung ist dem Ausländer eine Bescheinigung auszustellen.

(5) Die Aussetzung der Abschiebung erlischt mit der Ausreise des Ausländers. Sie wird widerrufen, wenn die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe entfallen. Der Ausländer wird unverzüglich nach dem Erlöschen ohne erneute Androhung und Fristsetzung abgeschoben, es sei denn, die Aussetzung wird erneuert. Ist die Abschiebung länger als ein Jahr ausgesetzt, ist die durch Widerruf vorgesehene Abschiebung mindestens einen Monat vorher anzukündigen; die Ankündigung ist zu wiederholen, wenn die Aussetzung für mehr als ein Jahr erneuert wurde. Satz 4 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer die der Abschiebung entgegenstehenden Gründe durch vorsätzlich falsche Angaben oder durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit selbst herbeiführt oder zumutbare Anforderungen an die Mitwirkung bei der Beseitigung von Ausreisehindernissen nicht erfüllt.

(6) Einem Ausländer, der eine Duldung besitzt, darf die Ausübung einer Erwerbstätigkeit nicht erlaubt werden, wenn

1.
er sich in das Inland begeben hat, um Leistungen nach dem Asylbewerberleistungsgesetz zu erlangen,
2.
aufenthaltsbeendende Maßnahmen bei ihm aus Gründen, die er selbst zu vertreten hat, nicht vollzogen werden können oder
3.
er Staatsangehöriger eines sicheren Herkunftsstaates nach § 29a des Asylgesetzes ist und sein nach dem 31. August 2015 gestellter Asylantrag abgelehnt oder zurückgenommen wurde, es sei denn, die Rücknahme erfolgte auf Grund einer Beratung nach § 24 Absatz 1 des Asylgesetzes beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge, oder ein Asylantrag nicht gestellt wurde.
Zu vertreten hat ein Ausländer die Gründe nach Satz 1 Nummer 2 insbesondere, wenn er das Abschiebungshindernis durch eigene Täuschung über seine Identität oder Staatsangehörigkeit oder durch eigene falsche Angaben selbst herbeiführt. Satz 1 Nummer 3 gilt bei unbegleiteten minderjährigen Ausländern nicht für die Rücknahme des Asylantrags oder den Verzicht auf die Antragstellung, wenn die Rücknahme oder der Verzicht auf das Stellen eines Asylantrags im Interesse des Kindeswohls erfolgte. Abweichend von den Sätzen 1 bis 3 ist einem Ausländer, der als Asylberechtigter anerkannt ist, der im Bundesgebiet die Rechtsstellung eines ausländischen Flüchtlings oder eines subsidiär Schutzberechtigten genießt, die Erwerbstätigkeit erlaubt.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 16. September 2011 - A 8 K 744/10 - geändert. Die Klage wird insgesamt abgewiesen.

Der Kläger trägt die Kosten des gesamten - gerichtskostenfreien - Verfahrens.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

Der Kläger, ein am 01.08.1986 in Helmand geborener afghanischer Staatsangehöriger schiitischen Glaubens vom Volk der Hazara, reiste am im Februar 2009 auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein. Am 05.03.009 stellte er einen Asylantrag mit der Begründung, mit der Tochter seines Onkels zusammen gewesen zu sein. Diese sei schwanger geworden, was eine Schande sei. Aus Angst vor seinem Onkel sei er zunächst mit ihr nach Kabul und dann weiter zu seiner Schwester in den Iran gegangen. Im Iran sei er zum Christentum konvertiert.
Die Beklagte lehnte den Asylantrag des Klägers mit Bescheid des Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt) vom 17.03.2010 ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen für die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nicht vorliegen sowie auch Abschiebungshindernisse nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht gegeben sind und drohte ihm die Abschiebung nach Afghanistan an.
Am 29.03.2010 erhob der Kläger hiergegen beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage. In der mündlichen Verhandlung nahm er die Klage bezüglich der Asylanerkennung zurück und trug u.a. ergänzend vor, seine Lebensgefährtin lebe derzeit bei seiner Schwester im Iran. Der Übertritt zum Christentum schon im Iran entspreche nicht der Wahrheit. Inzwischen habe er jedoch hier in Deutschland seit zwei Jahren zu einer Christin Kontakt und sei Christ geworden. Wegen seiner Arbeit bei einer Fast-Food-Kette gehe er derzeit aber nur an den Wochenenden zum Beten. In Kabul habe er keine Verwandten. Ohnehin seien alle seine Verwandten wegen des Krieges in den Iran oder nach Pakistan gegangen. Seit einem Jahr hätten sie sich in alle Länder zerstreut. Sein Onkel, vor dem er nach wie vor Angst habe, sei aber wohl noch in Helmand, wie ihm seine Lebensgefährtin gesagt habe.
Das Verwaltungsgericht hat die Klage hinsichtlich des Asylbegehrens eingestellt, die Beklagte unter diesbezüglicher Aufhebung des Bundesamtsbescheids vom 17.03.2010 zur Feststellung eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG hinsichtlich Afghanistans verpflichtet und die Klage im Übrigen abgewiesen. Zur Begründung des Urteils vom 16.09.2011 - A 8 K 744/10 - hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Verfolgungsgeschichte des Klägers und seine Konversion zum Christentum seien nicht glaubhaft, weswegen die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG ausscheide. Er habe allenfalls ein gewisses Interesse für das Christentum dargelegt. Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 oder Abs. 3 Satz 1 AufenthG seien nicht gegeben. Dem Kläger stehe hingegen ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG zu, weil in seiner Heimatprovinz Helmand ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt herrsche, wie das Verwaltungsgericht Ansbach mit Urteil vom 03.03.2011 (AN 11 K 10.30515) überzeugend dargelegt habe. Der Kläger könne auch nicht auf internen Schutz außerhalb der Provinz Helmand verwiesen werden, weil dort nach Überzeugung des Gerichts keine Familienangehörigen lebten. Auch in Kabul aber sei das Existenzminimum des Klägers nach der Erkenntnismittellage derzeit nicht gesichert.
Mit ihrer vom erkennenden Gerichtshof mit Beschluss vom 17.11.2011 - A 11 S 2877/11 - zugelassenen Berufung macht die Beklagte im Wesentlichen geltend, die Gewährung eines unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG scheide aus. Da bezogen auf die ca. 821.800 Einwohner der Provinz Helmand im Jahr 2010 nur 0,34 % getötete Zivilisten zu verzeichnen und nur 0,87 % der Zivilisten von Übergriffen betroffen gewesen seien, 2009 sogar nur 0,73 % der Zivilisten, fehle es schon an der erforderlichen Gefahrendichte. Auch bestehe jedenfalls in Kabul eine zumutbare innerstaatliche Fluchtalternative. Ein nationaler Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG sei im Falle des Klägers ebenfalls nicht gegeben.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 16. September 2011 - A 8 K 744/10 - zu ändern und die Klage insgesamt abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen, hilfsweise die Beklagte unter diesbezüglicher Aufhebung des Bescheids des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 17.03.2010 zu verpflichten festzustellen, dass ein nationales Abschiebungsverbot (§ 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG) hinsichtlich Afghanistans gegeben ist.
10 
Er ergänzt im Wesentlichen, es herrsche in ganz Afghanistan ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Hervorzuheben seien die zahlreichen Anschläge. Bei einer Rückkehr in seine Heimat wäre er den dortigen Risiken schutzlos ausgeliefert. Auch Kabul scheide deshalb als innerstaatliche Fluchtalternative aus, denn er verfüge dort über keinen Rückhalt durch Familienangehörige. Des Weiteren läge auch deshalb eine extreme Gefahrenlage im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vor, weil 2011 ein Jahr der Dürre gewesen sei und der Kläger der Volksgruppe der Hazara angehöre, die gerade in Kabul einen besonders schweren Stand hätten.
11 
Der Senat hat den Kläger in der Berufungsverhandlung am 27.04.2012 informatorisch angehört. Dabei betonte er, heute in ganz Afghanistan, auch in seiner Heimatprovinz Helmand, keinerlei aufnahmebereite Verwandte und Bekannte und dort auch keine Existenzgrundlage mehr zu haben. Nach Helmand werde er schon wegen des weiterhin dort lebenden Onkels, dessen Tochter er geschwängert und vor dem er bis heute Angst habe, sowie der besonderen Diskriminierung seiner Volksgruppe in dieser Region, bei einer Rückkehr nach Afghanistan ganz sicher nicht mehr gehen. Auf die Konversion zum Christentum beziehe er sich nicht mehr; das habe sich gewissermaßen erledigt. Bezüglich der Frage der erforderlichen Gefährdungsdichte müsse der Europäische Gerichtshof gefragt werden, ob der Maßstab des Bundesverwaltungsgerichts im Urteil vom 27.02.2010 - 10 C 4.09 - mit Art. 15 lit. c QRL vereinbar sei.
12 
Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus den Gerichtsakten sowie den Verfahrensakten des Bundesamts. Dem Senat liegen des Weiteren die Akte des Verwaltungsgerichts Karlsruhe in dem Verfahren A 8 K 744/10 sowie die Erkenntnisquellen, die den Beteiligten mit der Ladung zur mündlichen Verhandlung bzw. in der mündlichen Verhandlung mitgeteilt worden sind, vor. Die beigezogenen Akten und Erkenntnisquellen waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe

 
13 
Die zulässige, insbesondere rechtzeitig unter Stellung eines Antrags und unter Bezugnahme auf die ausführliche Begründung des Zulassungsantrags begründete Berufung (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 18.07.2006 - 1 C 15.05 -NVwZ 2006, 1420 m.w.N.) der Beklagten hat Erfolg. Der Senat geht davon aus, dass der Kläger die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (- Aufenthaltsgesetz -) in der Fassung der Änderungen durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der EU vom 19.08.2007 (- 1. Richtlinienumsetzungsgesetz -, in Kraft seit 28.08.2007, BGBl I 1970) sowie das Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der EU und zur Anpassung nationaler Rechtvorschriften an den EU-Visakodex vom 22.11.2011 (- 2. Richtlinienumsetzungsgesetz -, in Kraft seit 26.11.2011, BGBl I 2258) nicht beanspruchen kann. Dem Kläger steht in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) weder ein unionsrechtlich begründeter noch im Übrigen ein nationaler Abschiebungsschutz zu.
14 
I. Da die Berufung nur insoweit zugelassen wurde, ist Gegenstand des Berufungsverfahrens zunächst das Verpflichtungsbegehren des Klägers auf Gewährung subsidiären unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG (entsprechend den Voraussetzungen für den subsidiären Schutz in Art. 15 der sog. Qualifikations-Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes; ABlEU Nr. L 304 S. 12; ber. ABlEU vom 05.08.2005 Nr. L 204 S. 24, neugefasst mit Umsetzungsfrist bis 21.12.2013 als Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011, ABlEU vom 20.12.2011 Nr. L 337 S. 9; - QRL -). Nur hilfsweise ist Gegenstand des Berufungsverfahrens der nationale Abschiebungsschutz, d.h. die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 einschließlich Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung (BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 - 10 C 43.07 - juris Rn. 11). Sowohl der (weitergehende) unionsrechtlich begründete Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG als auch der nationale Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 und 3 AufenthG bilden jeweils einen einheitlichen, in sich nicht weiter teilbaren Streitgegenstand (BVerwG, Urteil vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 - juris Rn. 11). In dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der erneuten mündlichen Verhandlung vor dem Senat (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) besteht zu Gunsten des Klägers hinsichtlich Afghanistans jedoch weder ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG noch nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 einschließlich Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung.
15 
II. Unionsrechtlich begründeter Abschiebungsschutz ist im Falle des Klägers derzeit nicht gegeben.
16 
1. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG ist nicht erkennbar.
17 
a) Nach dieser Norm darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Unter „Folter“ ist in Anlehnung an die Definition von Art. 1 des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (BGBl. 1990 II S. 247, BGBl. 1993 II S. 715) eine Behandlung zu verstehen, die einer Person vorsätzlich schwere Schmerzen oder Leiden körperlicher oder geistig-seelischer Art zufügt, um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erzwingen, sie oder einen Dritten zu bestrafen, einzuschüchtern oder zu nötigen oder mit diskriminierender Absicht zu verfolgen. Wann eine „unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung“ vorliegt, hängt nach der insoweit vor allem maßgebenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom Einzelfall ab. Eine Schlechtbehandlung einschließlich Bestrafung muss jedenfalls ein Minimum an Schwere erreichen, um in den mit § 60 Abs. 2 AufenthG und Art. 15 lit. b QRL insoweit identischen Schutzbereich von Art. 3 EMRK zu fallen. Die Bewertung dieses Minimums ist nach Natur der Sache relativ. Kriterien hierfür sind abzuleiten aus allen Umständen des Einzelfalles, wie etwa der Art der Behandlung oder Bestrafung und dem Zusammenhang, in dem sie erfolgte, der Art und Weise ihrer Vollstreckung, ihrer zeitlichen Dauer, ihrer physischen und geistigen Wirkungen, sowie gegebenenfalls abgestellt auf Geschlecht, Alter bzw. Gesundheitszustand des Opfers. Abstrakt formuliert sind unter einer menschenrechtswidrigen Schlechtbehandlung Maßnahmen zu verstehen, mit denen unter Missachtung der Menschenwürde absichtlich schwere psychische oder physische Leiden zugefügt werden und mit denen nach Art und Ausmaß besonders schwer und krass gegen Menschenrechte verstoßen wird (Renner/Bergmann, AuslR, 9. Aufl. 2011, § 60 AufenthG Rn. 34 f., m.w.N.). Im Rahmen der Prüfung, ob eine konkrete Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung besteht, ist der asylrechtliche Prognosemaßstab der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“ anzulegen, wobei allerdings das Element der Konkretheit der Gefahr das zusätzliche Erfordernis einer einzelfallbezogenen, individuell bestimmten und erheblichen Gefährdungssituation kennzeichnet (ausführlich: Senatsurteil vom 06.03.2011 - 11 S 3070/11 - juris; BVerwG, Beschluss vom 10.04.2008 - 10 B 28.08 - juris Rn. 6; Urteil vom 14.12.1993 - 9 C 45.92 - juris Rn. 10 f.).
18 
b) Im Falle des Klägers gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, es bestünde für ihn bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit im dargelegten Sinne die konkrete Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung (vgl. zum Urteil des EGMR vom 21.01.2011 - Nr. 30696/09 - das Senatsurteil vom 06.03.2012 - A 11 S 3177/11 - juris).
19 
2. Ebenso ist kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 3 AufenthG erkennbar, wonach ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden darf, wenn ihn dieser Staat wegen einer Straftat sucht und dort aufgrund konkreter und ernsthafter Anhaltspunkte die Gefahr der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe besteht (ausführlich: Renner/Bergmann, AuslR, 9. Aufl. 2011, § 60 AufenthG Rn. 39 ff., m.w.N.). Hierzu fehlen im Falle des Klägers jegliche Anhaltspunkte.
20 
3. Nach Auffassung des Senats liegt derzeit auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG vor. Hiernach ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist.
21 
a) Diese Bestimmung entspricht nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts trotz geringfügig abweichender Formulierungen den Vorgaben des Art. 15 lit. c QRL und ist in diesem Sinne auszulegen (BVerwG, Urteil vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 - juris Rn. 14). Nach Art. 15 lit. c QRL gilt als ernsthafter Schaden „eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts“.
22 
(1) Bei der Frage, ob ein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt vorliegt, sind hiernach die vier Genfer Konventionen zum humanitären Völkerrecht von 1949 und insbesondere das Zusatzprotokoll II von 1977 (BGBl 1990 II S. 1637; - ZP II -) zu berücksichtigen. Das ZP II definiert in Art. 1 Nr. 1 den Begriff des nicht internationalen bewaffneten Konflikts wie folgt: „Dieses Protokoll, das den den Genfer Abkommen vom 12.08.1949 gemeinsamen Art. 3 weiterentwickelt und ergänzt, ohne die bestehenden Voraussetzungen für seine Anwendung zu ändern, findet auf alle bewaffneten Konflikte Anwendung, die von Art. 1 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vorn 12.08.1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte (Protokoll I) nicht erfasst sind und die im Hoheitsgebiet einer Hohen Vertragspartei zwischen deren Streitkräften und abtrünnigen Streitkräften oder anderen organisierten bewaffneten Gruppen stattfinden, die unter einer verantwortlichen Führung eine solche Kontrolle über einen Teil des Hoheitsgebiets der Hohen Vertragspartei ausüben, dass sie anhaltende, koordinierte Kampfhandlungen durchführen und dieses Protokoll anzuwenden vermögen.“ In seinem Art. 2 grenzt das ZP II sodann von Fällen bloßer "innerer Unruhen und Spannungen" ab, die nicht unter diesen Begriff fallen. Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne des humanitären Völkerrechts liegt demnach jedenfalls dann vor, wenn der Konflikt die Kriterien des Art. 1 Nr. 1 ZP II erfüllt. Er liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn die Ausschlusstatbestände des Art. 1 Nr. 2 ZP II erfüllt sind, es sich also nur um innere Unruhen und Spannungen handelt wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen, die nicht als bewaffnete Konflikte gelten. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 lit. c QRL nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss hierfür aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen. Typische Beispiele sind Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe. Der völkerrechtliche Begriff des "bewaffneten Konflikts" wurde gewählt, um klarzustellen, dass nur Auseinandersetzungen von einer bestimmten Größenordnung an in den Regelungsbereich der Vorschrift fallen. Dennoch setzt ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt nicht zwingend einen so hohen Organisationsgrad und eine solche Kontrolle der Konfliktparteien über einen Teil des Staatsgebiets voraus, wie sie für die Erfüllung der Verpflichtungen nach den Genfer Konventionen von 1949 erforderlich sind. Ohnehin findet die Orientierung an den Kriterien des humanitären Völkerrechts ihre Grenze jedenfalls dort, wo ihr der Zweck der Schutzgewährung für in Drittstaaten Zuflucht Suchende nach Art. 15 lit. c QRL widerspricht. Weitere Anhaltspunkte für die Auslegung des Begriffs des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts können sich aus dem Völkerstrafrecht ergeben, insbesondere aus der Rechtsprechung der Internationalen Strafgerichtshöfe. Hiernach dürfte kriminelle Gewalt bei der Feststellung, ob ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt vorliegt, jedenfalls dann keine Berücksichtigung finden, wenn sie nicht von einer der Konfliktparteien begangen wird (ausführlich: BVerwG, Urteile vom 24.06.2008 - 10 C 43.07 - juris Rn. 19 ff. und vom 27.04.2010 - 10 C 4.09 -juris Rn. 23).
23 
(2) Bezüglich der Frage, ob ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt vorliegt, ist zunächst das gesamte Staatsgebiet in den Blick zu nehmen. Besteht ein bewaffneter Konflikt jedoch nicht landesweit, kommt eine individuelle Bedrohung in Betracht, wenn sich der Konflikt auf die Herkunftsregion des Ausländers erstreckt, in der er zuletzt gelebt hat bzw. in die er typischerweise zurückkehren kann und voraussichtlich auch wird, d.h. auf seinen "tatsächlichen Zielort" bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat (EuGH, Urteil vom 17.02.2009, Rs. C-465/07 Rn. 40). Auf einen bewaffneten Konflikt außerhalb der Herkunftsregion des Ausländers kann es hingegen nur ausnahmsweise ankommen. In diesem Fall muss der Betreffende stichhaltige Gründe dafür vorbringen, dass für ihn eine Rückkehr in seine Herkunftsregion ausscheidet und nur eine Rückkehr gerade in die Gefahrenzone in Betracht kommt (BVerwG, Urteil vom 14.07.2009 - 10 C 9.08 - juris Rn. 17).
24 
(3) Konnte ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt zumindest im tatsächlichen Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat festgestellt werden, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts weiter zu fragen, ob ihm dort infolgedessen auch eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib und Leben infolge willkürlicher Gewalt droht. Hierfür sind Feststellungen über das Niveau willkürlicher Gewalt bzw. zu der sogenannten Gefahrendichte erforderlich, d.h. (1.) eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen und (2.) der Akte willkürlicher Gewalt, die von den Konfliktparteien gegen Leib und Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie (3.) eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung. Hierzu gehört auch die Würdigung der medizinischen Versorgungslage in dem jeweiligen Gebiet, von deren Qualität und Erreichbarkeit die Schwere eingetretener körperlicher Verletzungen mit Blick auf die den Opfern dauerhaft verbleibenden Verletzungsfolgen abhängen kann. Im Übrigen können die für die Feststellung einer Gruppenverfolgung im Bereich des Flüchtlingsrechts entwickelten Kriterien entsprechend herangezogen werden. In jedem Fall setzt § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG für die Annahme einer erheblichen individuellen Gefahr voraus, dass dem Betroffenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein Schaden an den Rechtsgütern Leib oder Leben droht. Gemäß § 60 Abs. 11 AufenthG gilt auch für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG u.a. die Beweisregel des Art. 4 Abs. 4 QRL (ausführlich: BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 4.09 - juris Rn. 32 ff.; vgl. auch Dolk, Asylmagazin 12/2011, 418 ff., m.w.N.).
25 
(4) Bei der Prüfung, ob dem Ausländer zumindest im tatsächlichen Zielort aufgrund eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib und Leben droht, sind gegebenenfalls gefahrerhöhende persönliche Umstände zu berücksichtigen. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich. Liegen hingegen gefahrerhöhende persönliche Umstände vor, genügt auch ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt. Zu diesen gefahrerhöhenden Umständen gehören in erster Linie solche persönlichen Umstände, die den Antragsteller von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen - z.B. als Arzt oder Journalist - gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Dazu können aber nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts auch solche persönlichen Umstände gerechnet werden, aufgrund derer der Antragsteller als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte - etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit - ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht schon eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt. Auch im Fall gefahrerhöhender persönlicher Umstände muss aber ein hohes Niveau willkürlicher Gewalt bzw. eine hohe Gefahrendichte für die Zivilbevölkerung in dem fraglichen Gebiet festgestellt werden. Allein das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts und die Feststellung eines gefahrerhöhenden Umstandes in der Person des Antragstellers reichen hierfür nicht aus. Allerdings kann eine Individualisierung der allgemeinen Gefahr auch dann, wenn individuelle gefahrerhöhende Umstände fehlen, ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre (BVerwG, Urteil vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 - juris Rn. 18 ff.).
26 
(5) Schließlich darf für den Ausländer keine Möglichkeit internen Schutzes gemäß § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 8 QRL bestehen. Nach Art. 8 Abs. 1 QRL können die Mitgliedstaaten bei der Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz feststellen, dass ein Antragsteller keinen internationalen Schutz benötigt, sofern in einem Teil des Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung bzw. keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht und von dem Antragsteller vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil aufhält. Nach Absatz 2 der Norm berücksichtigen die Mitgliedstaaten bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Antragstellers zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag. Nach Absatz 3 der Norm kann Absatz 1 kann auch dann angewandt werden, wenn praktische Hindernisse für eine Rückkehr in das Herkunftsland bestehen. Zur Frage, wann von dem Ausländer „vernünftigerweise erwartet werden kann“, dass er sich in dem verfolgungsfreien Landesteil aufhält, verweist das Bundesverwaltungsgericht auf die Begründung zum Regierungsentwurf des Richtlinienumsetzungsgesetzes (BT-Drs. 16/5065 S. 185). Hier wird ausgeführt, dass dies dann der Fall sei, wenn der Ausländer am Zufluchtsort eine ausreichende Lebensgrundlage vorfinde, d.h. dort das Existenzminimum gewährleistet sei. Ausdrücklich offen gelassen wurde, welche darüber hinausgehenden wirtschaftlichen und sozialen Standards erfüllt sein müssen. Allerdings spreche einiges dafür, dass die gemäß Art. 8 Abs. 2 QRL zu berücksichtigenden allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftslandes - oberhalb der Schwelle des Existenzminimums - auch den Zumutbarkeitsmaßstab prägen (BVerwG, Urteil vom 29.05.2008 - 10 C 11.07 - juris Rn. 32/35). Dem schließt sich der Senat an, denn hierfür spricht im Übrigen auch der Umstand, dass andernfalls der richtlinienkonforme Ausschluss der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG für die Fälle des Art. 15 lit. c QRL über die an den internen Schutz gestellten Anforderungen unterlaufen würde (Hess. VGH, Urteil vom 25.08.2011 - 8 A 1657/10.A - juris Rn. 91). Nach diesen Grundsätzen bietet ein verfolgungssicherer Ort erwerbsfähigen Personen eine wirtschaftliche Lebensgrundlage etwa dann, wenn sie dort, sei es durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem angemessenen Lebensunterhalt Erforderliche erlangen können. Zu den danach zumutbaren Arbeiten gehören auch Tätigkeiten, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise in der Landwirtschaft oder auf dem Bausektor, ausgeübt werden können. Nicht zumutbar sind hingegen jedenfalls die entgeltliche Erwerbstätigkeit für eine kriminelle Organisation, die in der fortgesetzten Begehung von oder Teilnahme an Verbrechen besteht. Ein verfolgungssicherer Ort, an dem selbst das Existenzminimum nur durch derartiges kriminelles Handeln erlangt werden kann, kann keine innerstaatliche Fluchtalternative sein. Bei der Prüfung des internen Schutzes muss mithin insbesondere gefragt werden, ob der Betreffende seine Existenz am Ort der Fluchtalternative auch ohne förmliche Gewährung eines Aufenthaltsrechts und ohne Inanspruchnahme staatlicher Sozialleistungen in zumutbarer Weise - etwa im Rahmen eines Familienverbandes - und ohne ein Leben in der Illegalität, das ihn jederzeit der Gefahr polizeilicher Kontrollen und der strafrechtlichen Sanktionierung aussetzt, angemessen sichern kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 01.02.2007 - 1 C 24.06 - juris Rn. 11 f.).
27 
b) Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts kann der Senat nicht erkennen, dass im Falle des Klägers derzeit die dargestellten Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG vorliegen würden. Der Senat ist vielmehr auf der Grundlage der insoweit weitgehend übereinstimmenden aktuellen Erkenntnisquellen davon überzeugt, dass in dem "tatsächlichen Zielort" bei einer Rückkehr des Klägers, d.h. in Kabul, schon kein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne von Art. 15 lit. c QRL (mehr) gegeben ist. Aus diesem Grund scheidet die angeregte Vorlage des Falles an den Europäischen Gerichtshof hier von vorneherein aus. Der Kläger hat wiederholt und glaubhaft vorgetragen, dass er in seiner Heimatregion Helmand keinerlei aufnahmebereite Bekannte oder Verwandte und dort auch keine Existenzgrundlage mehr habe. Zudem habe er Angst vor dem weiterhin dort lebenden Onkel, dessen Tochter er geschwängert habe, sowie vor Diskriminierungen, denen seine Volksgruppe dort in besonderem Maße ausgesetzt sei. Da der Kläger mithin keinesfalls nach Helmand zurückkehren will bzw. wird, muss hier insoweit auch nicht auf die Herkunftsregion Helmand, sondern das derzeit einzig mögliche Abschiebungsziel Kabul (Lagebericht AA vom 10.01.2012, S. 29 f.) abgestellt werden. Denn Art. 15 lit. c QRL entfaltet nach Auffassung des Senats keinen Abschiebungsschutz bezüglich fiktiver oder theoretisch möglicher Zielorte, sondern hinsichtlich des aller Wahrscheinlichkeit nach tatsächlich zu erwartenden Zielortes des Ausländers im Falle einer Rückkehr in seine Heimat. Die Sicherheitslage in Kabul wird aber, abgesehen von einigen spektakulären Anschlägen, die sich jedoch, wie zuletzt die Anschlagsserie im April 2012 wieder gezeigt hat, im Wesentlichen gegen „prominente Ziele“ wie den Präsidentenpalast, militärische Einrichtungen oder Botschaften gerichtet haben, relativ einheitlich als stabil und weiterhin deutlich ruhiger als noch etwa vor zwei Jahren bewertet. Vor der von dem Kläger zitierten Anschlagsserie bzw. der Anschlagserie im April 2012 hat es offenbar sogar eine praktisch anschlagsfreie Zeit von fast 18 Monaten gegeben (Lagebericht AA vom 10.01.2012, S. 12; Kermani, Die Zeit vom 05.01.2012, 11 f.; Asylmagazin 12/2011, 418; SZ vom 16.04.2012). Der Senat vermag deshalb insbesondere der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Gießen (Urteil vom 20.06.2011 - 2 K 499/11.GI.A - www.asyl.net) nicht zu folgen, die in der Begründung vor allem auf die Konfliktgebiete im Süden bzw. Osten Afghanistans Bezug nimmt, und daher hinsichtlich des Leitsatzes, in ganz Afghanistan herrsche ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt, zu wenig regional differenziert. Im dortigen Fall ging es im Übrigen, wenig vergleichbar, um einen alleinstehenden Jugendlichen im Alter von 15 Jahren aus der doch recht anders gelagerten Herkunftsregion Wardak. Bezüglich Kabuls selbst hebt das Verwaltungsgericht im Wesentlichen auf fünf Anschläge zwischen Januar und Mai 2011 ab. Insoweit handelt es sich aber um Fälle "innerer Unruhen und Spannungen" im Sinne von Art. 2 des ZP II, die gerade nicht unter den Begriff des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts zu subsumieren sind. In Übereinstimmung hiermit hat auch der Hessische Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass in Kabul, trotz gegebener Übergriffe, kein bewaffneter Konflikt von solcher Dichte herrscht, dass darauf § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG angewandt werden könnte. Jedenfalls resultiere hieraus für Rückkehrer keine erhebliche individuelle Gefahr für Leib und Leben infolge willkürlicher Gewalt (Urteil vom 16.06.2011 - 8 A 2011/10.A - juris). Der Senat kommt zum gegenwärtigen Zeitpunkt und für die Situation des Klägers zu derselben Einschätzung.
28 
III. Im Falle des Klägers liegt auch der somit hilfsweise zu prüfende nationale Abschiebungsschutz derzeit nicht vor. Zu seinen Gunsten besteht kein Abschiebungsverbot hinsichtlich Afghanistans gemäß des einheitlichen Streitgegenstands nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 einschließlich Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung.
29 
1. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (- EMRK -, BGBl 1952 II 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Über diese Norm werden die Schutzregeln der EMRK in innerstaatliches Recht inkorporiert. Sowohl aus Systematik als auch Entstehungsgeschichte folgt jedoch, dass es insoweit nur um zielstaatsbezogenen Abschiebungsschutz geht. Inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse, abgeleitet etwa aus Art. 8 EMRK, ziehen hingegen regelmäßig nur eine Duldung gemäß § 60 a Abs. 2 AufenthG nach sich. Bezüglich Art. 3 EMRK ist zudem die weitergehende und „unionsrechtlich aufgeladene“ Schutznorm des § 60 Abs. 2 AufenthG vorrangig, d.h. im vorliegenden Falle nicht zu prüfen (vgl. zu § 60 Abs. 5: Renner/Bergmann, AuslR, 9. Aufl. 2011, § 60 AufenthG Rn. 45 ff., m.w.N.). Ob im Rahmen des § 60 Abs. 5 AufenthG auch nach Umsetzung der Qualifikationsrichtlinie 2004/83/EG alle Gefährdungen grundsätzlich irrelevant sind, die von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen (so noch BVerwG, Urteil vom 15.04.1997 - 9 C 38.96 - zur Vorgängernorm des § 53 Abs. 4 AuslG, juris Rn. 10), kann vorliegend dahingestellt bleiben. Es ist nicht ersichtlich, welches Menschenrecht der EMRK im konkreten Fall des Klägers ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG begründen könnte.
30 
2. Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn für ihn dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Allerdings sind Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG bei Abschiebestopp-Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Denn hinsichtlich des Schutzes vor allgemeinen Gefahren im Zielstaat soll Raum sein für ausländerpolitische Entscheidungen, was die Anwendbarkeit von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG insoweit grundsätzlich sperrt und zwar selbst dann, wenn diese Gefahren den einzelnen Ausländer zugleich in konkreter und individualisierbarer Weise betreffen (BVerwG, Urteil vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 - BVerwGE 99, 324). Aus diesem Normzweck folgt weiter, dass sich die „Allgemeinheit“ der Gefahr nicht danach bestimmt, ob diese sich auf die Bevölkerung oder bestimmte Bevölkerungsgruppen gleichartig auswirkt, wie das bei Hungersnöten, Seuchen, Bürgerkriegswirren oder Naturkatastrophen der Fall sein kann. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG kann vielmehr auch bei eher diffusen Gefährdungslagen greifen, etwa dann, wenn Gefahren für Leib und Leben aus den allgemein schlechten Lebensverhältnissen (soziale und wirtschaftliche Missstände) im Zielstaat hergeleitet werden. Denn soweit es um den Schutz vor den einer Vielzahl von Personen im Zielstaat drohenden typischen Gefahren solcher Missstände wie etwa Lebensmittelknappheit, Obdachlosigkeit oder gesundheitliche Gefährdungen geht, ist die Notwendigkeit einer politischen Leitentscheidung in gleicher Weise gegeben (BVerwG, Urteil vom 12.07.2001 - 1 C 5.01 - BVerwGE 115, 1). Für die Personengruppe, der der Kläger angehört, besteht eine solche politische Abschiebestopp-Anordnung gemäß § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG in Baden-Württemberg derzeit nicht (mehr), seit mit Schreiben des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 15.04.2005 (geändert am 01.08.2005, vgl. 21. Fortschreibung vom 23.01.2009, Az.: 4-13-AFG/8) in Umsetzung entsprechender Beschlüsse der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder bezüglich der Rückführung afghanischer Staatsangehöriger entschieden wurde, dass „volljährige, allein stehende männliche afghanische Staatsangehörige, die sich zum Zeitpunkt der Beschlussfassung am 24. Juni 2005 noch keine sechs Jahre im Bundesgebiet aufgehalten haben, mit Vorrang zurückzuführen sind“. Im konkreten Einzelfall des Klägers greift die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG auch unter Berücksichtigung von Verfassungsrecht.
31 
a) Die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG greift aufgrund der Schutzwirkungen der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nur dann ausnahmsweise nicht, wenn der Ausländer im Zielstaat landesweit einer extrem zugespitzten allgemeinen Gefahr dergestalt ausgesetzt wäre, dass er „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert“ würde (st. Rspr. des BVerwG, s. Urteile vom 29.09.2011 - 10 C 24.10 - juris Rn. 20, vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 - BVerwGE 99, 324 und vom 19.11.1996 - 1 C 6.95 - BVerwGE 102, 249 zur Vorgängerregelung in § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG). Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassung wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar ist (BVerwG, Urteil vom 29.09.2011 - 10 C 24.10 - juris Rn. 20). Das Vorliegen der Voraussetzungen ist im Wege einer Gesamtgefahrenschau zu ermitteln (BVerwG, Beschluss vom 23.03.1999 - 9 B 866.98 - juris Rn. 7).
32 
b) Im Fall einer allgemein schlechten Versorgungslage sind Besonderheiten zu berücksichtigen. Denn hieraus resultierende Gefährdungen entspringen keinem zielgerichteten Handeln, sondern treffen die Bevölkerung gleichsam schicksalhaft. Sie wirken sich nicht gleichartig und in jeder Hinsicht zwangsläufig aus und setzen sich aus einer Vielzahl verschiedener Risikofaktoren zusammen, denen der Einzelne in ganz unterschiedlicher Weise ausgesetzt ist und denen er gegebenenfalls auch ausweichen kann. Intensität, Konkretheit und zeitliche Nähe der Gefahr können deshalb auch nicht generell, sondern nur unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände beurteilt werden (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.11.2002 - A 6 S 967/01 - juris Rn. 48 ff.). Um dem Erfordernis des unmittelbaren - zeitlichen - Zusammenhangs zwischen Abschiebung und drohender Rechtsgutverletzung zu entsprechen, kann hinsichtlich einer allgemein schlechten Versorgungslage eine extreme Gefahrensituation zudem nur dann angenommen werden, wenn der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann. Mit dem Begriff „alsbald“ ist dabei einerseits kein nur in unbestimmter zeitlicher Ferne liegender Termin gemeint (BVerwG, Urteil vom 27.04.1998 - 9 C 13.97 - juris Rn. 8). Andererseits setzt die Annahme einer extremen allgemeinen Gefahrenlage nicht voraus, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Ankunft im Abschiebezielstaat, eintreten. Eine extreme Gefahrenlage besteht auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert sein würde (BVerwG, Urteil vom 29.06.2010 - 10 C 10.09 - juris Rn. 15).
33 
c) Diese Voraussetzungen sind im Falle des Klägers heute jedenfalls nicht mehr gegeben. In Übereinstimmung mit anderen Obergerichten (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 06.05.2008 - 6 A 10749/07 - AuAS 2008, 188; Hess. VGH, Urteil vom 26.11.2009 - 8 A 1862/07.A - NVwZ-RR 2010, 331) hatte der Senat mit Urteil vom 14.05.2009 - A 11 S 610/08 - (DVBl 2009, 1327) entschieden, dass für Ausländer aus der Personengruppe der beruflich nicht besonders qualifizierten afghanischen männlichen Staatsangehörigen, die in ihrer Heimat ohne Rückhalt und Unterstützung durch Familie oder Bekannte sind und dort weder über Grundbesitz noch über nennenswerte Ersparnisse verfügen, aufgrund der katastrophalen Versorgungslage bei einer Abschiebung nach Kabul eine extreme Gefahrensituation im dargelegten Sinne bestehe. Das Bundesverwaltungsgericht hat (auch) diese Entscheidung mit Urteil vom 08.09.2011 - 10 C 16.10 - (juris) aufgehoben. Insbesondere die Feststellungen zum Vorliegen einer extremen Gefahr im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan verletzten Bundesrecht und würden einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht standhalten, denn die Entscheidung sei insbesondere hinsichtlich der festgestellten drohenden Mangelernährung und den damit verbundenen gesundheitlichen Risiken auf eine zu schmale Tatsachengrundlage gestützt. Das Bundesverwaltungsgericht betont: „‘Hunger‘ führt nicht zwangsläufig zum Tod, 'gesundheitliche Risiken' führen nicht notwendigerweise zu schwersten Gesundheitsschäden.“ Damit verfehle das Berufungsgericht den Begriff der Extremgefahr (so im Urteil vom 29.09.2011 - 10 C 23.10 - juris Rn. 24 bzgl. einer Parallelentscheidung des Hess.VGH). Bei der erneuten Befassung mit der Sache sei der Senat gehalten, sich auch mit der gegenteiligen Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte (insbesondere: Bay.VGH, Urteil vom 03.02.2011 - 13a B 10.30394 - juris) auseinanderzusetzen.
34 
Es sei dahingestellt, ob ein Obergericht revisionsrechtlich dazu verpflichtet werden kann, sich mit der abweichenden Einschätzung anderer Obergerichte auseinanderzusetzen (kritisch: Hess.VGH, Urteil vom 25.08.2011 - 8 A 1657/10.A - juris Rn. 77). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof vertritt jedenfalls in dem zur besonderen Beachtung benannten Urteil die Auffassung, dass für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende alleinstehende männliche arbeitsfähige afghanische Staatsangehörige angesichts der aktuellen Auskunftslage im Allgemeinen derzeit nicht von einer extremen Gefahrenlage auszugehen sei, die zu einem Abschiebungsverbot in entsprechender Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde. Zwar sei zweifellos von einer äußerst schlechten Versorgungslage in Afghanistan auszugehen. Im Wege einer Gesamtgefahrenschau sei jedoch nicht anzunehmen, dass dort alsbald der sichere Tod drohe oder schwerste Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten wären. Bei der Wirtschaftslage bzw. den ökonomischen Rahmenbedingungen würden durchaus positive Tendenzen gesehen. Es sei mit einem realen jährlichen Wirtschaftswachstum zwischen 6 und 8 % zu rechnen. Auch hätten bessere Ernten zu einer Verbesserung der Gesamtversorgungslage geführt. Zwar sei die Versorgung mit Wohnraum zu angemessenen Preisen in den Städten nach wie vor schwierig. Das Ministerium für Flüchtlinge und Rückkehrer bemühe sich jedoch um eine Ansiedlung der Flüchtlinge in Neubausiedlungen. Wenn es heiße, dass der Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser und Gesundheitsversorgung häufig nur sehr eingeschränkt möglich sei, bedeute dies andererseits, dass jedenfalls der Tod oder schwerste Gesundheitsgefährdungen alsbald nach der Rückkehr nicht zu befürchten seien. Dies ergebe sich auch aus dem Afghanistan Report 2010 von amnesty international, wonach Tausende von Vertriebenen in Behelfslagern lebten, wo sie nur begrenzten Zugang zu Lebensmitteln und Trinkwasser, Gesundheitsversorgung und Bildung erhalten würden. Eine Mindestversorgung sei damit aber gegeben. Auch sei eine hinreichende zeitliche Nähe („alsbald“) zwischen Rückkehr und lebensbedrohlichem Zustand aufgrund von Mangelernährung, unzureichenden Wohnverhältnissen und schwieriger Arbeitssuche nicht ersichtlich. Insgesamt sei davon auszugehen, dass ein 25-jähriger lediger und gesunder Afghane, der mangels familiärer Bindungen keine Unterhaltslasten trage, auch ohne nennenswertes Vermögen und ohne abgeschlossene Berufsausbildung im Falle einer Abschiebung nach Kabul dort in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen zu erzielen, damit ein Leben am Rande des Existenzminimums zu finanzieren und sich allmählich wieder in die afghanische Gesellschaft zu integrieren.
35 
Dies entspricht im Wesentlichen der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (vgl. Beschluss vom 26.10.2010 - 20 A 964/10.A -; Urteil vom 19.06.2008 - 20 A 4676/06.A - beide juris). Das Oberverwaltungsgericht vermochte dem Aspekt, dass positive Feststellungen zu den Modalitäten der Beschaffung des Lebensnotwendigen nicht zu treffen seien, kein entscheidendes Gewicht zu geben vor dem Umstand, dass die zahlreich vorliegenden Berichte für eine extreme Verelendung nichts hergeben würden, obwohl angesichts der hohen Rückkehrerzahlen aus den Nachbarländern und der Binnenfluchtbewegungen nicht davon ausgegangen werden könne, dass es an jeglichem Potential für Vergleichsfälle fehle (Urteil vom 19.06.2008, juris Rn. 80).
36 
Der Senat schließt sich der Rechtsprechung der zitierten Gerichte nunmehr an, weil auch er eine gewisse Verbesserung der allgemeinen Versorgungslage in Kabul erkennen kann, die nach den strengen Maßstäben des Bundesverwaltungsgerichts im Rahmen einer wertenden Gesamtschau der Annahme einer alsbald nach der Abschiebung eintretenden Extremgefahr für gesunde ledige afghanische Männer auch ohne Vermögen oder lokale Familien- bzw. Stammesstrukturen entgegenstehen.
37 
Dem zentralen Argument des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen, dass Fälle extremer Verelendung von Rückkehrern dokumentiert sein müssten, vermag der Senat keine aussagekräftigen Erkenntnisquellen entgegen zu setzen; es lässt sich nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand nicht widerlegen. Insbesondere sind Erkenntnisquellen, die den Hungertod von Rückkehrern in Kabul dokumentieren, auch dem Senat nicht bekannt (ebenso: UNHCR vom 11.11.2011, 10 f.). Und in der Tat sind seit 2002 vor allem mit Hilfe des UNHCR insgesamt rund vier Millionen Flüchtlinge nach Afghanistan zurückgekehrt, wenn auch davon nur ca. 15.000 aus anderen Ländern als Pakistan und dem Iran (Gietmann, Asylmagazin 12/2011, 413, m.w.N.). Infolgedessen gehört Kabul heute zu den Städten mit dem weltweit stärksten Bevölkerungswachstum. Betrug die Einwohnerzahl 2001 noch rund 1,5 Millionen, wurde sie von der Stadtverwaltung im Juni 2010 auf über 5 Millionen geschätzt. Der Bevölkerungsanteil der Rückkehrer und Binnenvertriebenen wird auf 70 % geschätzt (Yoshimura, Asylmagazin 12/2011, 408, m.w.N.).
38 
Allerdings sind sämtliche Informationen, die der Senat über die Situation in der Stadt finden kann, durchaus ambivalent. Einerseits heißt es, 23 % der Bevölkerung lebten dort unterhalb der Armutsgrenze. Insgesamt seien die Lebenshaltungskosten in Kabul im Laufe der vergangenen Jahre um 30 bis 50 % gestiegen. Bewohner seien auch beim Erwerb zahlreicher, selbst legaler Güter des Alltags gezwungen, Bestechungsgelder zu bezahlen. Die Kriminalität und Gefahr, Opfer von Überfällen zu werden, sei hoch (Landinfo 2011, Part II, 17). Kabul würde einer Stadt im permanenten Ausnahmezustand ähneln (Dr. Danesch vom 07.10.2010, Logar, 3). Nur 55,9 % der Haushalte verfügten über Zugang zu sauberem Wasser. Zahlreiche Brunnen im Stadtgebiet seien aufgrund der steigenden Inanspruchnahme ausgetrocknet bzw. erschöpft (ai vom 29.09.2009, 2). Bezahlbarer Strom liege für ärmere Kabuler Familien außerhalb der finanziellen Möglichkeiten. Die Arbeitslosenrate in Kabul werde auf bis zu 50 % geschätzt. Infolge des Mangels an bezahlbarem Wohnraum würden sich zahllose Menschen gezwungen sehen, in prekären Unterkünften wie Lehmhütten, Zelten oder alten beschädigten Gebäuden zu hausen. Die Bewohner dieser „informellen Siedlungen“ würden außerhalb des sozialen Sicherheitsnetzes leben und ihren Lebensunterhalt durch Betteln, den Verkauf von Müll und andere gering bezahlte Tätigkeiten bestreiten müssen. Über Nacht entstünden neue Armenviertel und Slums, in denen es weder Kanalisation noch Müllentsorgung und kaum sauberes Wasser, Elektrizität oder medizinische Hilfe gebe. Die Zahl derer, die auf der Flucht vor Krieg, Rechtlosigkeit, Willkürherrschaft und Armut in die Städte strömten, vergrößere sich tagtäglich. Besonders dramatisch nehme deshalb gerade in Kabul die Zahl von Obdachlosen und Drogenabhängigen zu. Ohnehin befinde sich Afghanistan auf dem Weg in einen Drogenstaat. 2011 sei erneut ein Dürrejahr gewesen und vor allem im Norden, dem friedlichen Teil des Landes, herrsche Hunger. Zusammenfassend sei eine Rückkehr nach Kabul ohne schützende Familien- oder Stammesstrukturen schlicht unzumutbar (vgl. ai vom 20.12.2010; Asylmagazin 12/2011, 408-414, m.w.N.).
39 
Andererseits wird berichtet, gerade in Kabul existiere eine rege Bautätigkeit. In den vergangenen Jahren seien zahlreiche Immobilienprojekte in Angriff genommen worden. In Folge dessen gebe es nunmehr vor allem im Bausektor, wenn auch schlecht bezahlte Tageslohnarbeit. Viele Stadtteile Kabuls würden seit 2009 zwischenzeitlich 24 Stunden am Tag mit Strom versorgt. Seit kurzem boome in einigen Städten wie Kabul und Masar-i-Scharif der Handel. Geschäfte würden über Nacht eröffnet und man habe mittlerweile ein großes, kaum einen Wunsch offenlassendes Warenangebot. Die Lage sei nicht gut, aber sie sei besser geworden. Jedenfalls im Stadtzentrum sei auch die Armut nicht mehr so offensichtlich. Es gebe nicht mehr überall bettelnde Frauen in Burkas und keine Banden von Kindern, die sich an Klebstoff berauschten. Dafür hätten unzählige Kebab-Stände eröffnet. Überhaupt gebe es deutlich zahlreichere Geschäfte als noch vor wenigen Jahren und sogar eine Müllabfuhr sowie ein Mindestmaß an Ordnung bzw. überhaupt wieder so etwas wie ein Stadtleben. Auch die Sicherheitslage in Kabul sei, abgesehen von einigen spektakulären Anschlägen, unverändert stabil und weiterhin deutlich ruhiger als noch vor zwei Jahren (vgl. Lagebericht AA vom 10.01.2012; Kermani, Die Zeit vom 05.01.2012, 11 ff; Asylmagazin 12/2011, 408-414, m.w.N.; SZ vom 16.04.2012).
40 
Vor diesem Hintergrund kann heute - trotz der ambivalenten Erkenntnisquellen - aufgrund der hohen Hürden des Bundesverwaltungsgerichts für die Annahme einer extremen allgemeinen Gefahrenlage für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende alleinstehende männliche arbeitsfähige afghanische Staatsangehörige eine solche Extremgefahr nicht mehr begründet werden. Anders als noch 2009 sieht auch der Senat keine hinreichenden Anhaltspunkte mehr dafür, dass bei dieser Personengruppe im Falle der Abschiebung alsbald der Tod oder schwerste gesundheitliche Beeinträchtigungen zu erwarten wären. Die Einschätzung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, es sei vielmehr zu erwarten, dass Rückkehrer in Kabul durch Gelegenheitsarbeiten „ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten“, trifft heute auch nach Überzeugung des Senats zu. Zwar dürfte aufgrund der schlechten Gesamtsituation ohne schützende Familien- oder Stammesstrukturen in der Tat eine Rückkehr nach Kabul selbst für gesunde alleinstehende Männer unter humanitären Gesichtspunkten kaum zumutbar sein. Diese Zumutbarkeit ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedoch kein zentraler Maßstab für die Bestimmung einer extremen Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
41 
Im Falle des Klägers sind schließlich auch keine hinreichenden individuellen Faktoren gegeben, die ausnahmsweise eine extreme Gefahrenlage begründen könnten.
42 
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 83 b AsylVfG.
43 
IV. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung im Hinblick auf die Frage des Abstellens auf die Heimatregion oder aber den „tatsächlichen Zielort“ im Rahmen von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG zugelassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

Gründe

 
13 
Die zulässige, insbesondere rechtzeitig unter Stellung eines Antrags und unter Bezugnahme auf die ausführliche Begründung des Zulassungsantrags begründete Berufung (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 18.07.2006 - 1 C 15.05 -NVwZ 2006, 1420 m.w.N.) der Beklagten hat Erfolg. Der Senat geht davon aus, dass der Kläger die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 des Gesetzes über den Aufenthalt, die Erwerbstätigkeit und die Integration von Ausländern im Bundesgebiet (- Aufenthaltsgesetz -) in der Fassung der Änderungen durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der EU vom 19.08.2007 (- 1. Richtlinienumsetzungsgesetz -, in Kraft seit 28.08.2007, BGBl I 1970) sowie das Gesetz zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der EU und zur Anpassung nationaler Rechtvorschriften an den EU-Visakodex vom 22.11.2011 (- 2. Richtlinienumsetzungsgesetz -, in Kraft seit 26.11.2011, BGBl I 2258) nicht beanspruchen kann. Dem Kläger steht in dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung vor dem Senat (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) weder ein unionsrechtlich begründeter noch im Übrigen ein nationaler Abschiebungsschutz zu.
14 
I. Da die Berufung nur insoweit zugelassen wurde, ist Gegenstand des Berufungsverfahrens zunächst das Verpflichtungsbegehren des Klägers auf Gewährung subsidiären unionsrechtlichen Abschiebungsschutzes nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG (entsprechend den Voraussetzungen für den subsidiären Schutz in Art. 15 der sog. Qualifikations-Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes; ABlEU Nr. L 304 S. 12; ber. ABlEU vom 05.08.2005 Nr. L 204 S. 24, neugefasst mit Umsetzungsfrist bis 21.12.2013 als Richtlinie 2011/95/EU vom 13.12.2011, ABlEU vom 20.12.2011 Nr. L 337 S. 9; - QRL -). Nur hilfsweise ist Gegenstand des Berufungsverfahrens der nationale Abschiebungsschutz, d.h. die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 einschließlich Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung (BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 - 10 C 43.07 - juris Rn. 11). Sowohl der (weitergehende) unionsrechtlich begründete Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG als auch der nationale Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 und 3 AufenthG bilden jeweils einen einheitlichen, in sich nicht weiter teilbaren Streitgegenstand (BVerwG, Urteil vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 - juris Rn. 11). In dem für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage maßgeblichen Zeitpunkt der erneuten mündlichen Verhandlung vor dem Senat (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) besteht zu Gunsten des Klägers hinsichtlich Afghanistans jedoch weder ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG noch nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 einschließlich Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung.
15 
II. Unionsrechtlich begründeter Abschiebungsschutz ist im Falle des Klägers derzeit nicht gegeben.
16 
1. Ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 2 AufenthG ist nicht erkennbar.
17 
a) Nach dieser Norm darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Unter „Folter“ ist in Anlehnung an die Definition von Art. 1 des Übereinkommens der Vereinten Nationen gegen Folter und andere grausame, unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Strafe (BGBl. 1990 II S. 247, BGBl. 1993 II S. 715) eine Behandlung zu verstehen, die einer Person vorsätzlich schwere Schmerzen oder Leiden körperlicher oder geistig-seelischer Art zufügt, um von ihr oder einem Dritten eine Aussage oder ein Geständnis zu erzwingen, sie oder einen Dritten zu bestrafen, einzuschüchtern oder zu nötigen oder mit diskriminierender Absicht zu verfolgen. Wann eine „unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung“ vorliegt, hängt nach der insoweit vor allem maßgebenden Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte vom Einzelfall ab. Eine Schlechtbehandlung einschließlich Bestrafung muss jedenfalls ein Minimum an Schwere erreichen, um in den mit § 60 Abs. 2 AufenthG und Art. 15 lit. b QRL insoweit identischen Schutzbereich von Art. 3 EMRK zu fallen. Die Bewertung dieses Minimums ist nach Natur der Sache relativ. Kriterien hierfür sind abzuleiten aus allen Umständen des Einzelfalles, wie etwa der Art der Behandlung oder Bestrafung und dem Zusammenhang, in dem sie erfolgte, der Art und Weise ihrer Vollstreckung, ihrer zeitlichen Dauer, ihrer physischen und geistigen Wirkungen, sowie gegebenenfalls abgestellt auf Geschlecht, Alter bzw. Gesundheitszustand des Opfers. Abstrakt formuliert sind unter einer menschenrechtswidrigen Schlechtbehandlung Maßnahmen zu verstehen, mit denen unter Missachtung der Menschenwürde absichtlich schwere psychische oder physische Leiden zugefügt werden und mit denen nach Art und Ausmaß besonders schwer und krass gegen Menschenrechte verstoßen wird (Renner/Bergmann, AuslR, 9. Aufl. 2011, § 60 AufenthG Rn. 34 f., m.w.N.). Im Rahmen der Prüfung, ob eine konkrete Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung besteht, ist der asylrechtliche Prognosemaßstab der „beachtlichen Wahrscheinlichkeit“ anzulegen, wobei allerdings das Element der Konkretheit der Gefahr das zusätzliche Erfordernis einer einzelfallbezogenen, individuell bestimmten und erheblichen Gefährdungssituation kennzeichnet (ausführlich: Senatsurteil vom 06.03.2011 - 11 S 3070/11 - juris; BVerwG, Beschluss vom 10.04.2008 - 10 B 28.08 - juris Rn. 6; Urteil vom 14.12.1993 - 9 C 45.92 - juris Rn. 10 f.).
18 
b) Im Falle des Klägers gibt es keine hinreichenden Anhaltspunkte für die Annahme, es bestünde für ihn bei einer Rückkehr nach Afghanistan mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit im dargelegten Sinne die konkrete Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung (vgl. zum Urteil des EGMR vom 21.01.2011 - Nr. 30696/09 - das Senatsurteil vom 06.03.2012 - A 11 S 3177/11 - juris).
19 
2. Ebenso ist kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 3 AufenthG erkennbar, wonach ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden darf, wenn ihn dieser Staat wegen einer Straftat sucht und dort aufgrund konkreter und ernsthafter Anhaltspunkte die Gefahr der Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe besteht (ausführlich: Renner/Bergmann, AuslR, 9. Aufl. 2011, § 60 AufenthG Rn. 39 ff., m.w.N.). Hierzu fehlen im Falle des Klägers jegliche Anhaltspunkte.
20 
3. Nach Auffassung des Senats liegt derzeit auch kein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG vor. Hiernach ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist.
21 
a) Diese Bestimmung entspricht nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts trotz geringfügig abweichender Formulierungen den Vorgaben des Art. 15 lit. c QRL und ist in diesem Sinne auszulegen (BVerwG, Urteil vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 - juris Rn. 14). Nach Art. 15 lit. c QRL gilt als ernsthafter Schaden „eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts“.
22 
(1) Bei der Frage, ob ein internationaler oder innerstaatlicher bewaffneter Konflikt vorliegt, sind hiernach die vier Genfer Konventionen zum humanitären Völkerrecht von 1949 und insbesondere das Zusatzprotokoll II von 1977 (BGBl 1990 II S. 1637; - ZP II -) zu berücksichtigen. Das ZP II definiert in Art. 1 Nr. 1 den Begriff des nicht internationalen bewaffneten Konflikts wie folgt: „Dieses Protokoll, das den den Genfer Abkommen vom 12.08.1949 gemeinsamen Art. 3 weiterentwickelt und ergänzt, ohne die bestehenden Voraussetzungen für seine Anwendung zu ändern, findet auf alle bewaffneten Konflikte Anwendung, die von Art. 1 des Zusatzprotokolls zu den Genfer Abkommen vorn 12.08.1949 über den Schutz der Opfer internationaler bewaffneter Konflikte (Protokoll I) nicht erfasst sind und die im Hoheitsgebiet einer Hohen Vertragspartei zwischen deren Streitkräften und abtrünnigen Streitkräften oder anderen organisierten bewaffneten Gruppen stattfinden, die unter einer verantwortlichen Führung eine solche Kontrolle über einen Teil des Hoheitsgebiets der Hohen Vertragspartei ausüben, dass sie anhaltende, koordinierte Kampfhandlungen durchführen und dieses Protokoll anzuwenden vermögen.“ In seinem Art. 2 grenzt das ZP II sodann von Fällen bloßer "innerer Unruhen und Spannungen" ab, die nicht unter diesen Begriff fallen. Ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne des humanitären Völkerrechts liegt demnach jedenfalls dann vor, wenn der Konflikt die Kriterien des Art. 1 Nr. 1 ZP II erfüllt. Er liegt jedenfalls dann nicht vor, wenn die Ausschlusstatbestände des Art. 1 Nr. 2 ZP II erfüllt sind, es sich also nur um innere Unruhen und Spannungen handelt wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und andere ähnliche Handlungen, die nicht als bewaffnete Konflikte gelten. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 lit. c QRL nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss hierfür aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen. Typische Beispiele sind Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe. Der völkerrechtliche Begriff des "bewaffneten Konflikts" wurde gewählt, um klarzustellen, dass nur Auseinandersetzungen von einer bestimmten Größenordnung an in den Regelungsbereich der Vorschrift fallen. Dennoch setzt ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt nicht zwingend einen so hohen Organisationsgrad und eine solche Kontrolle der Konfliktparteien über einen Teil des Staatsgebiets voraus, wie sie für die Erfüllung der Verpflichtungen nach den Genfer Konventionen von 1949 erforderlich sind. Ohnehin findet die Orientierung an den Kriterien des humanitären Völkerrechts ihre Grenze jedenfalls dort, wo ihr der Zweck der Schutzgewährung für in Drittstaaten Zuflucht Suchende nach Art. 15 lit. c QRL widerspricht. Weitere Anhaltspunkte für die Auslegung des Begriffs des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts können sich aus dem Völkerstrafrecht ergeben, insbesondere aus der Rechtsprechung der Internationalen Strafgerichtshöfe. Hiernach dürfte kriminelle Gewalt bei der Feststellung, ob ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt vorliegt, jedenfalls dann keine Berücksichtigung finden, wenn sie nicht von einer der Konfliktparteien begangen wird (ausführlich: BVerwG, Urteile vom 24.06.2008 - 10 C 43.07 - juris Rn. 19 ff. und vom 27.04.2010 - 10 C 4.09 -juris Rn. 23).
23 
(2) Bezüglich der Frage, ob ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt vorliegt, ist zunächst das gesamte Staatsgebiet in den Blick zu nehmen. Besteht ein bewaffneter Konflikt jedoch nicht landesweit, kommt eine individuelle Bedrohung in Betracht, wenn sich der Konflikt auf die Herkunftsregion des Ausländers erstreckt, in der er zuletzt gelebt hat bzw. in die er typischerweise zurückkehren kann und voraussichtlich auch wird, d.h. auf seinen "tatsächlichen Zielort" bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat (EuGH, Urteil vom 17.02.2009, Rs. C-465/07 Rn. 40). Auf einen bewaffneten Konflikt außerhalb der Herkunftsregion des Ausländers kann es hingegen nur ausnahmsweise ankommen. In diesem Fall muss der Betreffende stichhaltige Gründe dafür vorbringen, dass für ihn eine Rückkehr in seine Herkunftsregion ausscheidet und nur eine Rückkehr gerade in die Gefahrenzone in Betracht kommt (BVerwG, Urteil vom 14.07.2009 - 10 C 9.08 - juris Rn. 17).
24 
(3) Konnte ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt zumindest im tatsächlichen Zielort des Ausländers bei einer Rückkehr in seinen Herkunftsstaat festgestellt werden, ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts weiter zu fragen, ob ihm dort infolgedessen auch eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib und Leben infolge willkürlicher Gewalt droht. Hierfür sind Feststellungen über das Niveau willkürlicher Gewalt bzw. zu der sogenannten Gefahrendichte erforderlich, d.h. (1.) eine jedenfalls annäherungsweise quantitative Ermittlung der Gesamtzahl der in dem betreffenden Gebiet lebenden Zivilpersonen und (2.) der Akte willkürlicher Gewalt, die von den Konfliktparteien gegen Leib und Leben von Zivilpersonen in diesem Gebiet verübt werden, sowie (3.) eine wertende Gesamtbetrachtung mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung. Hierzu gehört auch die Würdigung der medizinischen Versorgungslage in dem jeweiligen Gebiet, von deren Qualität und Erreichbarkeit die Schwere eingetretener körperlicher Verletzungen mit Blick auf die den Opfern dauerhaft verbleibenden Verletzungsfolgen abhängen kann. Im Übrigen können die für die Feststellung einer Gruppenverfolgung im Bereich des Flüchtlingsrechts entwickelten Kriterien entsprechend herangezogen werden. In jedem Fall setzt § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG für die Annahme einer erheblichen individuellen Gefahr voraus, dass dem Betroffenen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit ein Schaden an den Rechtsgütern Leib oder Leben droht. Gemäß § 60 Abs. 11 AufenthG gilt auch für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG u.a. die Beweisregel des Art. 4 Abs. 4 QRL (ausführlich: BVerwG, Urteil vom 27.04.2010 - 10 C 4.09 - juris Rn. 32 ff.; vgl. auch Dolk, Asylmagazin 12/2011, 418 ff., m.w.N.).
25 
(4) Bei der Prüfung, ob dem Ausländer zumindest im tatsächlichen Zielort aufgrund eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib und Leben droht, sind gegebenenfalls gefahrerhöhende persönliche Umstände zu berücksichtigen. Liegen keine gefahrerhöhenden persönlichen Umstände vor, ist ein besonders hohes Niveau willkürlicher Gewalt erforderlich. Liegen hingegen gefahrerhöhende persönliche Umstände vor, genügt auch ein geringeres Niveau willkürlicher Gewalt. Zu diesen gefahrerhöhenden Umständen gehören in erster Linie solche persönlichen Umstände, die den Antragsteller von der allgemeinen, ungezielten Gewalt stärker betroffen erscheinen lassen, etwa weil er von Berufs wegen - z.B. als Arzt oder Journalist - gezwungen ist, sich nahe der Gefahrenquelle aufzuhalten. Dazu können aber nach Auffassung des Bundesverwaltungsgerichts auch solche persönlichen Umstände gerechnet werden, aufgrund derer der Antragsteller als Zivilperson zusätzlich der Gefahr gezielter Gewaltakte - etwa wegen seiner religiösen oder ethnischen Zugehörigkeit - ausgesetzt ist, sofern deswegen nicht schon eine Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft in Betracht kommt. Auch im Fall gefahrerhöhender persönlicher Umstände muss aber ein hohes Niveau willkürlicher Gewalt bzw. eine hohe Gefahrendichte für die Zivilbevölkerung in dem fraglichen Gebiet festgestellt werden. Allein das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts und die Feststellung eines gefahrerhöhenden Umstandes in der Person des Antragstellers reichen hierfür nicht aus. Allerdings kann eine Individualisierung der allgemeinen Gefahr auch dann, wenn individuelle gefahrerhöhende Umstände fehlen, ausnahmsweise bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre (BVerwG, Urteil vom 17.11.2011 - 10 C 13.10 - juris Rn. 18 ff.).
26 
(5) Schließlich darf für den Ausländer keine Möglichkeit internen Schutzes gemäß § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 8 QRL bestehen. Nach Art. 8 Abs. 1 QRL können die Mitgliedstaaten bei der Prüfung des Antrags auf internationalen Schutz feststellen, dass ein Antragsteller keinen internationalen Schutz benötigt, sofern in einem Teil des Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung bzw. keine tatsächliche Gefahr, einen ernsthaften Schaden zu erleiden, besteht und von dem Antragsteller vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich in diesem Landesteil aufhält. Nach Absatz 2 der Norm berücksichtigen die Mitgliedstaaten bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Antragstellers zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag. Nach Absatz 3 der Norm kann Absatz 1 kann auch dann angewandt werden, wenn praktische Hindernisse für eine Rückkehr in das Herkunftsland bestehen. Zur Frage, wann von dem Ausländer „vernünftigerweise erwartet werden kann“, dass er sich in dem verfolgungsfreien Landesteil aufhält, verweist das Bundesverwaltungsgericht auf die Begründung zum Regierungsentwurf des Richtlinienumsetzungsgesetzes (BT-Drs. 16/5065 S. 185). Hier wird ausgeführt, dass dies dann der Fall sei, wenn der Ausländer am Zufluchtsort eine ausreichende Lebensgrundlage vorfinde, d.h. dort das Existenzminimum gewährleistet sei. Ausdrücklich offen gelassen wurde, welche darüber hinausgehenden wirtschaftlichen und sozialen Standards erfüllt sein müssen. Allerdings spreche einiges dafür, dass die gemäß Art. 8 Abs. 2 QRL zu berücksichtigenden allgemeinen Gegebenheiten des Herkunftslandes - oberhalb der Schwelle des Existenzminimums - auch den Zumutbarkeitsmaßstab prägen (BVerwG, Urteil vom 29.05.2008 - 10 C 11.07 - juris Rn. 32/35). Dem schließt sich der Senat an, denn hierfür spricht im Übrigen auch der Umstand, dass andernfalls der richtlinienkonforme Ausschluss der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG für die Fälle des Art. 15 lit. c QRL über die an den internen Schutz gestellten Anforderungen unterlaufen würde (Hess. VGH, Urteil vom 25.08.2011 - 8 A 1657/10.A - juris Rn. 91). Nach diesen Grundsätzen bietet ein verfolgungssicherer Ort erwerbsfähigen Personen eine wirtschaftliche Lebensgrundlage etwa dann, wenn sie dort, sei es durch eigene, notfalls auch wenig attraktive und ihrer Vorbildung nicht entsprechende Arbeit, die grundsätzlich zumutbar ist, oder durch Zuwendungen von dritter Seite jedenfalls nach Überwindung von Anfangsschwierigkeiten das zu ihrem angemessenen Lebensunterhalt Erforderliche erlangen können. Zu den danach zumutbaren Arbeiten gehören auch Tätigkeiten, für die es keine Nachfrage auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt gibt, die nicht überkommenen Berufsbildern entsprechen, etwa weil sie keinerlei besondere Fähigkeiten erfordern, und die nur zeitweise, etwa zur Deckung eines kurzfristigen Bedarfs, beispielsweise in der Landwirtschaft oder auf dem Bausektor, ausgeübt werden können. Nicht zumutbar sind hingegen jedenfalls die entgeltliche Erwerbstätigkeit für eine kriminelle Organisation, die in der fortgesetzten Begehung von oder Teilnahme an Verbrechen besteht. Ein verfolgungssicherer Ort, an dem selbst das Existenzminimum nur durch derartiges kriminelles Handeln erlangt werden kann, kann keine innerstaatliche Fluchtalternative sein. Bei der Prüfung des internen Schutzes muss mithin insbesondere gefragt werden, ob der Betreffende seine Existenz am Ort der Fluchtalternative auch ohne förmliche Gewährung eines Aufenthaltsrechts und ohne Inanspruchnahme staatlicher Sozialleistungen in zumutbarer Weise - etwa im Rahmen eines Familienverbandes - und ohne ein Leben in der Illegalität, das ihn jederzeit der Gefahr polizeilicher Kontrollen und der strafrechtlichen Sanktionierung aussetzt, angemessen sichern kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 01.02.2007 - 1 C 24.06 - juris Rn. 11 f.).
27 
b) Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts kann der Senat nicht erkennen, dass im Falle des Klägers derzeit die dargestellten Voraussetzungen für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG vorliegen würden. Der Senat ist vielmehr auf der Grundlage der insoweit weitgehend übereinstimmenden aktuellen Erkenntnisquellen davon überzeugt, dass in dem "tatsächlichen Zielort" bei einer Rückkehr des Klägers, d.h. in Kabul, schon kein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt im Sinne von Art. 15 lit. c QRL (mehr) gegeben ist. Aus diesem Grund scheidet die angeregte Vorlage des Falles an den Europäischen Gerichtshof hier von vorneherein aus. Der Kläger hat wiederholt und glaubhaft vorgetragen, dass er in seiner Heimatregion Helmand keinerlei aufnahmebereite Bekannte oder Verwandte und dort auch keine Existenzgrundlage mehr habe. Zudem habe er Angst vor dem weiterhin dort lebenden Onkel, dessen Tochter er geschwängert habe, sowie vor Diskriminierungen, denen seine Volksgruppe dort in besonderem Maße ausgesetzt sei. Da der Kläger mithin keinesfalls nach Helmand zurückkehren will bzw. wird, muss hier insoweit auch nicht auf die Herkunftsregion Helmand, sondern das derzeit einzig mögliche Abschiebungsziel Kabul (Lagebericht AA vom 10.01.2012, S. 29 f.) abgestellt werden. Denn Art. 15 lit. c QRL entfaltet nach Auffassung des Senats keinen Abschiebungsschutz bezüglich fiktiver oder theoretisch möglicher Zielorte, sondern hinsichtlich des aller Wahrscheinlichkeit nach tatsächlich zu erwartenden Zielortes des Ausländers im Falle einer Rückkehr in seine Heimat. Die Sicherheitslage in Kabul wird aber, abgesehen von einigen spektakulären Anschlägen, die sich jedoch, wie zuletzt die Anschlagsserie im April 2012 wieder gezeigt hat, im Wesentlichen gegen „prominente Ziele“ wie den Präsidentenpalast, militärische Einrichtungen oder Botschaften gerichtet haben, relativ einheitlich als stabil und weiterhin deutlich ruhiger als noch etwa vor zwei Jahren bewertet. Vor der von dem Kläger zitierten Anschlagsserie bzw. der Anschlagserie im April 2012 hat es offenbar sogar eine praktisch anschlagsfreie Zeit von fast 18 Monaten gegeben (Lagebericht AA vom 10.01.2012, S. 12; Kermani, Die Zeit vom 05.01.2012, 11 f.; Asylmagazin 12/2011, 418; SZ vom 16.04.2012). Der Senat vermag deshalb insbesondere der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichts Gießen (Urteil vom 20.06.2011 - 2 K 499/11.GI.A - www.asyl.net) nicht zu folgen, die in der Begründung vor allem auf die Konfliktgebiete im Süden bzw. Osten Afghanistans Bezug nimmt, und daher hinsichtlich des Leitsatzes, in ganz Afghanistan herrsche ein innerstaatlicher bewaffneter Konflikt, zu wenig regional differenziert. Im dortigen Fall ging es im Übrigen, wenig vergleichbar, um einen alleinstehenden Jugendlichen im Alter von 15 Jahren aus der doch recht anders gelagerten Herkunftsregion Wardak. Bezüglich Kabuls selbst hebt das Verwaltungsgericht im Wesentlichen auf fünf Anschläge zwischen Januar und Mai 2011 ab. Insoweit handelt es sich aber um Fälle "innerer Unruhen und Spannungen" im Sinne von Art. 2 des ZP II, die gerade nicht unter den Begriff des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts zu subsumieren sind. In Übereinstimmung hiermit hat auch der Hessische Verwaltungsgerichtshof entschieden, dass in Kabul, trotz gegebener Übergriffe, kein bewaffneter Konflikt von solcher Dichte herrscht, dass darauf § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG angewandt werden könnte. Jedenfalls resultiere hieraus für Rückkehrer keine erhebliche individuelle Gefahr für Leib und Leben infolge willkürlicher Gewalt (Urteil vom 16.06.2011 - 8 A 2011/10.A - juris). Der Senat kommt zum gegenwärtigen Zeitpunkt und für die Situation des Klägers zu derselben Einschätzung.
28 
III. Im Falle des Klägers liegt auch der somit hilfsweise zu prüfende nationale Abschiebungsschutz derzeit nicht vor. Zu seinen Gunsten besteht kein Abschiebungsverbot hinsichtlich Afghanistans gemäß des einheitlichen Streitgegenstands nach § 60 Abs. 5 oder 7 Satz 1 einschließlich Abs. 7 Satz 1 und 3 AufenthG in verfassungskonformer Anwendung.
29 
1. Nach § 60 Abs. 5 AufenthG darf ein Ausländer nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (- EMRK -, BGBl 1952 II 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist. Über diese Norm werden die Schutzregeln der EMRK in innerstaatliches Recht inkorporiert. Sowohl aus Systematik als auch Entstehungsgeschichte folgt jedoch, dass es insoweit nur um zielstaatsbezogenen Abschiebungsschutz geht. Inlandsbezogene Vollstreckungshindernisse, abgeleitet etwa aus Art. 8 EMRK, ziehen hingegen regelmäßig nur eine Duldung gemäß § 60 a Abs. 2 AufenthG nach sich. Bezüglich Art. 3 EMRK ist zudem die weitergehende und „unionsrechtlich aufgeladene“ Schutznorm des § 60 Abs. 2 AufenthG vorrangig, d.h. im vorliegenden Falle nicht zu prüfen (vgl. zu § 60 Abs. 5: Renner/Bergmann, AuslR, 9. Aufl. 2011, § 60 AufenthG Rn. 45 ff., m.w.N.). Ob im Rahmen des § 60 Abs. 5 AufenthG auch nach Umsetzung der Qualifikationsrichtlinie 2004/83/EG alle Gefährdungen grundsätzlich irrelevant sind, die von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen (so noch BVerwG, Urteil vom 15.04.1997 - 9 C 38.96 - zur Vorgängernorm des § 53 Abs. 4 AuslG, juris Rn. 10), kann vorliegend dahingestellt bleiben. Es ist nicht ersichtlich, welches Menschenrecht der EMRK im konkreten Fall des Klägers ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG begründen könnte.
30 
2. Nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kann von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn für ihn dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Allerdings sind Gefahren, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, nach § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG bei Abschiebestopp-Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG zu berücksichtigen. Denn hinsichtlich des Schutzes vor allgemeinen Gefahren im Zielstaat soll Raum sein für ausländerpolitische Entscheidungen, was die Anwendbarkeit von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG insoweit grundsätzlich sperrt und zwar selbst dann, wenn diese Gefahren den einzelnen Ausländer zugleich in konkreter und individualisierbarer Weise betreffen (BVerwG, Urteil vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 - BVerwGE 99, 324). Aus diesem Normzweck folgt weiter, dass sich die „Allgemeinheit“ der Gefahr nicht danach bestimmt, ob diese sich auf die Bevölkerung oder bestimmte Bevölkerungsgruppen gleichartig auswirkt, wie das bei Hungersnöten, Seuchen, Bürgerkriegswirren oder Naturkatastrophen der Fall sein kann. § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG kann vielmehr auch bei eher diffusen Gefährdungslagen greifen, etwa dann, wenn Gefahren für Leib und Leben aus den allgemein schlechten Lebensverhältnissen (soziale und wirtschaftliche Missstände) im Zielstaat hergeleitet werden. Denn soweit es um den Schutz vor den einer Vielzahl von Personen im Zielstaat drohenden typischen Gefahren solcher Missstände wie etwa Lebensmittelknappheit, Obdachlosigkeit oder gesundheitliche Gefährdungen geht, ist die Notwendigkeit einer politischen Leitentscheidung in gleicher Weise gegeben (BVerwG, Urteil vom 12.07.2001 - 1 C 5.01 - BVerwGE 115, 1). Für die Personengruppe, der der Kläger angehört, besteht eine solche politische Abschiebestopp-Anordnung gemäß § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG in Baden-Württemberg derzeit nicht (mehr), seit mit Schreiben des Innenministeriums Baden-Württemberg vom 15.04.2005 (geändert am 01.08.2005, vgl. 21. Fortschreibung vom 23.01.2009, Az.: 4-13-AFG/8) in Umsetzung entsprechender Beschlüsse der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder bezüglich der Rückführung afghanischer Staatsangehöriger entschieden wurde, dass „volljährige, allein stehende männliche afghanische Staatsangehörige, die sich zum Zeitpunkt der Beschlussfassung am 24. Juni 2005 noch keine sechs Jahre im Bundesgebiet aufgehalten haben, mit Vorrang zurückzuführen sind“. Im konkreten Einzelfall des Klägers greift die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG auch unter Berücksichtigung von Verfassungsrecht.
31 
a) Die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG greift aufgrund der Schutzwirkungen der Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nur dann ausnahmsweise nicht, wenn der Ausländer im Zielstaat landesweit einer extrem zugespitzten allgemeinen Gefahr dergestalt ausgesetzt wäre, dass er „gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert“ würde (st. Rspr. des BVerwG, s. Urteile vom 29.09.2011 - 10 C 24.10 - juris Rn. 20, vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 - BVerwGE 99, 324 und vom 19.11.1996 - 1 C 6.95 - BVerwGE 102, 249 zur Vorgängerregelung in § 53 Abs. 6 Satz 2 AuslG). Wann danach allgemeine Gefahren von Verfassung wegen zu einem Abschiebungsverbot führen, hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls ab und entzieht sich einer rein quantitativen oder statistischen Betrachtung. Die drohenden Gefahren müssen jedoch nach Art, Ausmaß und Intensität von einem solchen Gewicht sein, dass sich daraus bei objektiver Betrachtung für den Ausländer die begründete Furcht ableiten lässt, selbst in erheblicher Weise ein Opfer der extremen allgemeinen Gefahrenlage zu werden. Bezüglich der Wahrscheinlichkeit des Eintritts der drohenden Gefahren ist von einem im Vergleich zum Prognosemaßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit erhöhten Maßstab auszugehen. Diese Gefahren müssen dem Ausländer daher mit hoher Wahrscheinlichkeit drohen. Dieser Wahrscheinlichkeitsgrad markiert die Grenze, ab der seine Abschiebung in den Heimatstaat verfassungsrechtlich unzumutbar ist (BVerwG, Urteil vom 29.09.2011 - 10 C 24.10 - juris Rn. 20). Das Vorliegen der Voraussetzungen ist im Wege einer Gesamtgefahrenschau zu ermitteln (BVerwG, Beschluss vom 23.03.1999 - 9 B 866.98 - juris Rn. 7).
32 
b) Im Fall einer allgemein schlechten Versorgungslage sind Besonderheiten zu berücksichtigen. Denn hieraus resultierende Gefährdungen entspringen keinem zielgerichteten Handeln, sondern treffen die Bevölkerung gleichsam schicksalhaft. Sie wirken sich nicht gleichartig und in jeder Hinsicht zwangsläufig aus und setzen sich aus einer Vielzahl verschiedener Risikofaktoren zusammen, denen der Einzelne in ganz unterschiedlicher Weise ausgesetzt ist und denen er gegebenenfalls auch ausweichen kann. Intensität, Konkretheit und zeitliche Nähe der Gefahr können deshalb auch nicht generell, sondern nur unter Berücksichtigung aller Einzelfallumstände beurteilt werden (VGH Bad.-Württ., Urteil vom 13.11.2002 - A 6 S 967/01 - juris Rn. 48 ff.). Um dem Erfordernis des unmittelbaren - zeitlichen - Zusammenhangs zwischen Abschiebung und drohender Rechtsgutverletzung zu entsprechen, kann hinsichtlich einer allgemein schlechten Versorgungslage eine extreme Gefahrensituation zudem nur dann angenommen werden, wenn der Ausländer mit hoher Wahrscheinlichkeit alsbald nach seiner Rückkehr in sein Heimatland in eine lebensgefährliche Situation gerät, aus der er sich weder allein noch mit erreichbarer Hilfe anderer befreien kann. Mit dem Begriff „alsbald“ ist dabei einerseits kein nur in unbestimmter zeitlicher Ferne liegender Termin gemeint (BVerwG, Urteil vom 27.04.1998 - 9 C 13.97 - juris Rn. 8). Andererseits setzt die Annahme einer extremen allgemeinen Gefahrenlage nicht voraus, dass im Falle der Abschiebung der Tod oder schwerste Verletzungen sofort, gewissermaßen noch am Tag der Ankunft im Abschiebezielstaat, eintreten. Eine extreme Gefahrenlage besteht auch dann, wenn der Ausländer mangels jeglicher Lebensgrundlage dem baldigen sicheren Hungertod ausgeliefert sein würde (BVerwG, Urteil vom 29.06.2010 - 10 C 10.09 - juris Rn. 15).
33 
c) Diese Voraussetzungen sind im Falle des Klägers heute jedenfalls nicht mehr gegeben. In Übereinstimmung mit anderen Obergerichten (vgl. OVG Rheinland-Pfalz, Urteil vom 06.05.2008 - 6 A 10749/07 - AuAS 2008, 188; Hess. VGH, Urteil vom 26.11.2009 - 8 A 1862/07.A - NVwZ-RR 2010, 331) hatte der Senat mit Urteil vom 14.05.2009 - A 11 S 610/08 - (DVBl 2009, 1327) entschieden, dass für Ausländer aus der Personengruppe der beruflich nicht besonders qualifizierten afghanischen männlichen Staatsangehörigen, die in ihrer Heimat ohne Rückhalt und Unterstützung durch Familie oder Bekannte sind und dort weder über Grundbesitz noch über nennenswerte Ersparnisse verfügen, aufgrund der katastrophalen Versorgungslage bei einer Abschiebung nach Kabul eine extreme Gefahrensituation im dargelegten Sinne bestehe. Das Bundesverwaltungsgericht hat (auch) diese Entscheidung mit Urteil vom 08.09.2011 - 10 C 16.10 - (juris) aufgehoben. Insbesondere die Feststellungen zum Vorliegen einer extremen Gefahr im Falle einer Rückkehr nach Afghanistan verletzten Bundesrecht und würden einer revisionsrechtlichen Prüfung nicht standhalten, denn die Entscheidung sei insbesondere hinsichtlich der festgestellten drohenden Mangelernährung und den damit verbundenen gesundheitlichen Risiken auf eine zu schmale Tatsachengrundlage gestützt. Das Bundesverwaltungsgericht betont: „‘Hunger‘ führt nicht zwangsläufig zum Tod, 'gesundheitliche Risiken' führen nicht notwendigerweise zu schwersten Gesundheitsschäden.“ Damit verfehle das Berufungsgericht den Begriff der Extremgefahr (so im Urteil vom 29.09.2011 - 10 C 23.10 - juris Rn. 24 bzgl. einer Parallelentscheidung des Hess.VGH). Bei der erneuten Befassung mit der Sache sei der Senat gehalten, sich auch mit der gegenteiligen Rechtsprechung anderer Oberverwaltungsgerichte (insbesondere: Bay.VGH, Urteil vom 03.02.2011 - 13a B 10.30394 - juris) auseinanderzusetzen.
34 
Es sei dahingestellt, ob ein Obergericht revisionsrechtlich dazu verpflichtet werden kann, sich mit der abweichenden Einschätzung anderer Obergerichte auseinanderzusetzen (kritisch: Hess.VGH, Urteil vom 25.08.2011 - 8 A 1657/10.A - juris Rn. 77). Der Bayerische Verwaltungsgerichtshof vertritt jedenfalls in dem zur besonderen Beachtung benannten Urteil die Auffassung, dass für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende alleinstehende männliche arbeitsfähige afghanische Staatsangehörige angesichts der aktuellen Auskunftslage im Allgemeinen derzeit nicht von einer extremen Gefahrenlage auszugehen sei, die zu einem Abschiebungsverbot in entsprechender Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde. Zwar sei zweifellos von einer äußerst schlechten Versorgungslage in Afghanistan auszugehen. Im Wege einer Gesamtgefahrenschau sei jedoch nicht anzunehmen, dass dort alsbald der sichere Tod drohe oder schwerste Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten wären. Bei der Wirtschaftslage bzw. den ökonomischen Rahmenbedingungen würden durchaus positive Tendenzen gesehen. Es sei mit einem realen jährlichen Wirtschaftswachstum zwischen 6 und 8 % zu rechnen. Auch hätten bessere Ernten zu einer Verbesserung der Gesamtversorgungslage geführt. Zwar sei die Versorgung mit Wohnraum zu angemessenen Preisen in den Städten nach wie vor schwierig. Das Ministerium für Flüchtlinge und Rückkehrer bemühe sich jedoch um eine Ansiedlung der Flüchtlinge in Neubausiedlungen. Wenn es heiße, dass der Zugang für Rückkehrer zu Arbeit, Wasser und Gesundheitsversorgung häufig nur sehr eingeschränkt möglich sei, bedeute dies andererseits, dass jedenfalls der Tod oder schwerste Gesundheitsgefährdungen alsbald nach der Rückkehr nicht zu befürchten seien. Dies ergebe sich auch aus dem Afghanistan Report 2010 von amnesty international, wonach Tausende von Vertriebenen in Behelfslagern lebten, wo sie nur begrenzten Zugang zu Lebensmitteln und Trinkwasser, Gesundheitsversorgung und Bildung erhalten würden. Eine Mindestversorgung sei damit aber gegeben. Auch sei eine hinreichende zeitliche Nähe („alsbald“) zwischen Rückkehr und lebensbedrohlichem Zustand aufgrund von Mangelernährung, unzureichenden Wohnverhältnissen und schwieriger Arbeitssuche nicht ersichtlich. Insgesamt sei davon auszugehen, dass ein 25-jähriger lediger und gesunder Afghane, der mangels familiärer Bindungen keine Unterhaltslasten trage, auch ohne nennenswertes Vermögen und ohne abgeschlossene Berufsausbildung im Falle einer Abschiebung nach Kabul dort in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten ein kümmerliches Einkommen zu erzielen, damit ein Leben am Rande des Existenzminimums zu finanzieren und sich allmählich wieder in die afghanische Gesellschaft zu integrieren.
35 
Dies entspricht im Wesentlichen der Rechtsprechung des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen (vgl. Beschluss vom 26.10.2010 - 20 A 964/10.A -; Urteil vom 19.06.2008 - 20 A 4676/06.A - beide juris). Das Oberverwaltungsgericht vermochte dem Aspekt, dass positive Feststellungen zu den Modalitäten der Beschaffung des Lebensnotwendigen nicht zu treffen seien, kein entscheidendes Gewicht zu geben vor dem Umstand, dass die zahlreich vorliegenden Berichte für eine extreme Verelendung nichts hergeben würden, obwohl angesichts der hohen Rückkehrerzahlen aus den Nachbarländern und der Binnenfluchtbewegungen nicht davon ausgegangen werden könne, dass es an jeglichem Potential für Vergleichsfälle fehle (Urteil vom 19.06.2008, juris Rn. 80).
36 
Der Senat schließt sich der Rechtsprechung der zitierten Gerichte nunmehr an, weil auch er eine gewisse Verbesserung der allgemeinen Versorgungslage in Kabul erkennen kann, die nach den strengen Maßstäben des Bundesverwaltungsgerichts im Rahmen einer wertenden Gesamtschau der Annahme einer alsbald nach der Abschiebung eintretenden Extremgefahr für gesunde ledige afghanische Männer auch ohne Vermögen oder lokale Familien- bzw. Stammesstrukturen entgegenstehen.
37 
Dem zentralen Argument des Oberverwaltungsgerichts Nordrhein-Westfalen, dass Fälle extremer Verelendung von Rückkehrern dokumentiert sein müssten, vermag der Senat keine aussagekräftigen Erkenntnisquellen entgegen zu setzen; es lässt sich nach dem gegenwärtigen Erkenntnisstand nicht widerlegen. Insbesondere sind Erkenntnisquellen, die den Hungertod von Rückkehrern in Kabul dokumentieren, auch dem Senat nicht bekannt (ebenso: UNHCR vom 11.11.2011, 10 f.). Und in der Tat sind seit 2002 vor allem mit Hilfe des UNHCR insgesamt rund vier Millionen Flüchtlinge nach Afghanistan zurückgekehrt, wenn auch davon nur ca. 15.000 aus anderen Ländern als Pakistan und dem Iran (Gietmann, Asylmagazin 12/2011, 413, m.w.N.). Infolgedessen gehört Kabul heute zu den Städten mit dem weltweit stärksten Bevölkerungswachstum. Betrug die Einwohnerzahl 2001 noch rund 1,5 Millionen, wurde sie von der Stadtverwaltung im Juni 2010 auf über 5 Millionen geschätzt. Der Bevölkerungsanteil der Rückkehrer und Binnenvertriebenen wird auf 70 % geschätzt (Yoshimura, Asylmagazin 12/2011, 408, m.w.N.).
38 
Allerdings sind sämtliche Informationen, die der Senat über die Situation in der Stadt finden kann, durchaus ambivalent. Einerseits heißt es, 23 % der Bevölkerung lebten dort unterhalb der Armutsgrenze. Insgesamt seien die Lebenshaltungskosten in Kabul im Laufe der vergangenen Jahre um 30 bis 50 % gestiegen. Bewohner seien auch beim Erwerb zahlreicher, selbst legaler Güter des Alltags gezwungen, Bestechungsgelder zu bezahlen. Die Kriminalität und Gefahr, Opfer von Überfällen zu werden, sei hoch (Landinfo 2011, Part II, 17). Kabul würde einer Stadt im permanenten Ausnahmezustand ähneln (Dr. Danesch vom 07.10.2010, Logar, 3). Nur 55,9 % der Haushalte verfügten über Zugang zu sauberem Wasser. Zahlreiche Brunnen im Stadtgebiet seien aufgrund der steigenden Inanspruchnahme ausgetrocknet bzw. erschöpft (ai vom 29.09.2009, 2). Bezahlbarer Strom liege für ärmere Kabuler Familien außerhalb der finanziellen Möglichkeiten. Die Arbeitslosenrate in Kabul werde auf bis zu 50 % geschätzt. Infolge des Mangels an bezahlbarem Wohnraum würden sich zahllose Menschen gezwungen sehen, in prekären Unterkünften wie Lehmhütten, Zelten oder alten beschädigten Gebäuden zu hausen. Die Bewohner dieser „informellen Siedlungen“ würden außerhalb des sozialen Sicherheitsnetzes leben und ihren Lebensunterhalt durch Betteln, den Verkauf von Müll und andere gering bezahlte Tätigkeiten bestreiten müssen. Über Nacht entstünden neue Armenviertel und Slums, in denen es weder Kanalisation noch Müllentsorgung und kaum sauberes Wasser, Elektrizität oder medizinische Hilfe gebe. Die Zahl derer, die auf der Flucht vor Krieg, Rechtlosigkeit, Willkürherrschaft und Armut in die Städte strömten, vergrößere sich tagtäglich. Besonders dramatisch nehme deshalb gerade in Kabul die Zahl von Obdachlosen und Drogenabhängigen zu. Ohnehin befinde sich Afghanistan auf dem Weg in einen Drogenstaat. 2011 sei erneut ein Dürrejahr gewesen und vor allem im Norden, dem friedlichen Teil des Landes, herrsche Hunger. Zusammenfassend sei eine Rückkehr nach Kabul ohne schützende Familien- oder Stammesstrukturen schlicht unzumutbar (vgl. ai vom 20.12.2010; Asylmagazin 12/2011, 408-414, m.w.N.).
39 
Andererseits wird berichtet, gerade in Kabul existiere eine rege Bautätigkeit. In den vergangenen Jahren seien zahlreiche Immobilienprojekte in Angriff genommen worden. In Folge dessen gebe es nunmehr vor allem im Bausektor, wenn auch schlecht bezahlte Tageslohnarbeit. Viele Stadtteile Kabuls würden seit 2009 zwischenzeitlich 24 Stunden am Tag mit Strom versorgt. Seit kurzem boome in einigen Städten wie Kabul und Masar-i-Scharif der Handel. Geschäfte würden über Nacht eröffnet und man habe mittlerweile ein großes, kaum einen Wunsch offenlassendes Warenangebot. Die Lage sei nicht gut, aber sie sei besser geworden. Jedenfalls im Stadtzentrum sei auch die Armut nicht mehr so offensichtlich. Es gebe nicht mehr überall bettelnde Frauen in Burkas und keine Banden von Kindern, die sich an Klebstoff berauschten. Dafür hätten unzählige Kebab-Stände eröffnet. Überhaupt gebe es deutlich zahlreichere Geschäfte als noch vor wenigen Jahren und sogar eine Müllabfuhr sowie ein Mindestmaß an Ordnung bzw. überhaupt wieder so etwas wie ein Stadtleben. Auch die Sicherheitslage in Kabul sei, abgesehen von einigen spektakulären Anschlägen, unverändert stabil und weiterhin deutlich ruhiger als noch vor zwei Jahren (vgl. Lagebericht AA vom 10.01.2012; Kermani, Die Zeit vom 05.01.2012, 11 ff; Asylmagazin 12/2011, 408-414, m.w.N.; SZ vom 16.04.2012).
40 
Vor diesem Hintergrund kann heute - trotz der ambivalenten Erkenntnisquellen - aufgrund der hohen Hürden des Bundesverwaltungsgerichts für die Annahme einer extremen allgemeinen Gefahrenlage für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende alleinstehende männliche arbeitsfähige afghanische Staatsangehörige eine solche Extremgefahr nicht mehr begründet werden. Anders als noch 2009 sieht auch der Senat keine hinreichenden Anhaltspunkte mehr dafür, dass bei dieser Personengruppe im Falle der Abschiebung alsbald der Tod oder schwerste gesundheitliche Beeinträchtigungen zu erwarten wären. Die Einschätzung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, es sei vielmehr zu erwarten, dass Rückkehrer in Kabul durch Gelegenheitsarbeiten „ein kümmerliches Einkommen erzielen und damit ein Leben am Rande des Existenzminimums finanzieren könnten“, trifft heute auch nach Überzeugung des Senats zu. Zwar dürfte aufgrund der schlechten Gesamtsituation ohne schützende Familien- oder Stammesstrukturen in der Tat eine Rückkehr nach Kabul selbst für gesunde alleinstehende Männer unter humanitären Gesichtspunkten kaum zumutbar sein. Diese Zumutbarkeit ist nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts jedoch kein zentraler Maßstab für die Bestimmung einer extremen Gefahrenlage im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.
41 
Im Falle des Klägers sind schließlich auch keine hinreichenden individuellen Faktoren gegeben, die ausnahmsweise eine extreme Gefahrenlage begründen könnten.
42 
III. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO und § 83 b AsylVfG.
43 
IV. Die Revision wird wegen grundsätzlicher Bedeutung im Hinblick auf die Frage des Abstellens auf die Heimatregion oder aber den „tatsächlichen Zielort“ im Rahmen von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG zugelassen (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO).

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

Tatbestand

1

Der Kläger, ein türkischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit, begehrt Abschiebungsschutz gemäß § 60 Abs. 2, 3 oder 7 Satz 2 AufenthG.

2

Der 1972 geborene Kläger wurde im November 2004 in M. aufgegriffen und beantragte daraufhin Asyl. Zur Begründung gab der Kläger an, er habe sich am bewaffneten Kampf der PKK beteiligt. Im Juni 1991 sei er festgenommen und einen Monat lang von türkischen Sicherheitskräften unter Folter verhört worden. Nach seiner Verurteilung zu zwölfeinhalb Jahren Haft sei er bis Dezember 2000 weiter im Gefängnis gewesen und dann vorzeitig aus der Haft entlassen worden. Anschließend habe er sich erneut der PKK angeschlossen. Später habe er an deren politischer Linie gezweifelt und sich im Juli 2004 von der PKK getrennt. In der Türkei sei sein Leben trotz des Reuegesetzes gefährdet gewesen, da er keinen Wehrdienst abgeleistet und deswegen gesucht worden sei. Zudem hätten die Sicherheitskräfte erfahren, dass er sich nach seiner Entlassung aus der Haft wieder der PKK angeschlossen habe.

3

Der Kläger hat dem Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (nunmehr: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge - Bundesamt) unter anderem die Kopie eines Urteils des Staatssicherheitsgerichts D. vom 24. Januar 1992 übergeben, wonach er u.a. wegen "Mitgliedschaft in der illegalen Organisation PKK" gemäß § 168/2 tStGB zu einer Haftstrafe von 12 Jahren und 6 Monaten verurteilt worden ist. Das Auswärtige Amt bestätigte die Echtheit der Urkunden und teilte mit, dass nach dem Kläger in der Türkei wegen Mitgliedschaft in der PKK gefahndet werde. Sein Bruder habe ausgesagt, dass der Kläger sich nach der Entlassung aus der Strafhaft wieder der PKK angeschlossen habe. Außerdem sei bekannt, dass er sich in einem Ausbildungscamp im Iran aufgehalten habe. Würde er wegen Mitgliedschaft in der PKK zu einer Haftstrafe verurteilt, würde zusätzlich die auf Bewährung ausgesetzte Reststrafe vollstreckt werden.

4

Mit Bescheid vom 28. Juli 2005 lehnte das Bundesamt den Asylantrag des Klägers als offensichtlich unbegründet ab, stellte fest, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG offensichtlich nicht und Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG nicht vorliegen, und drohte dem Kläger für den Fall nicht fristgerechter Ausreise die Abschiebung in die Türkei an. Der Asylantrag sei gemäß § 30 Abs. 4 AsylVfG offensichtlich unbegründet, da der Kläger eine schwere nichtpolitische Straftat begangen und den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen zuwider gehandelt habe. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG lägen nicht vor.

5

Im Klageverfahren hat der Kläger seinen Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter nicht weiter verfolgt. Mit Urteil vom 22. November 2005 hat das Verwaltungsgericht die Beklagte zur Flüchtlingsanerkennung des Klägers verpflichtet. Im Berufungsverfahren hat das Bayerische Landesamt für Verfassungsschutz mitgeteilt, der Kläger sei im Bundesgebiet für die Nachfolgeorganisation der PKK, den KONGRA-GEL aktiv und habe im Januar 2005 an einer Aktivistenversammlung in N. teilgenommen. Er habe im Jahr 2006 als Leiter des KONGRA-GEL in Offenbach fungiert und ab diesem Zeitpunkt eine Kontrollfunktion innerhalb des KONGRA-GEL in A. ausgeübt. Der Kläger hat das bestritten.

6

Mit Urteil vom 21. Oktober 2008 hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Klage abgewiesen. Das Berufungsgericht ist davon ausgegangen, dass der Kläger nach Rückkehr in die Türkei gemäß § 314 Abs. 2 tStGB 2005 zu einer langjährigen Freiheitsstrafe verurteilt und die Aussetzung der Vollstreckung des Strafrests widerrufen würde. Auch wenn dies politische Verfolgung darstellen sollte, stünde § 3 Abs. 2 AsylVfG der Flüchtlingsanerkennung entgegen. Die terroristischen Taten der PKK seien als Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit anzusehen, stellten schwere nichtpolitische Straftaten dar und stünden in Widerspruch zu den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen. Der Kläger habe sich daran zumindest "in sonstiger Weise" beteiligt. Selbst wenn für das Vorliegen von Ausschlussgründen gemäß § 3 Abs. 2 AsylVfG von dem Ausländer weiterhin eine Gefahr ausgehen müsse, sei das beim Kläger der Fall. Denn er habe sich weder äußerlich von der PKK abgewandt noch innerlich von seiner früheren Verstrickung in den Terror gelöst. Dahinstehen könne, ob § 3 Abs. 2 AsylVfG eine Verhältnismäßigkeitsprüfung voraussetze, denn der Ausschluss von der Flüchtlingsanerkennung bedeute keine unbillige Härte für den Kläger.

7

Abschiebungshindernisse lägen nicht vor. Die Todesstrafe sei in der Türkei vollständig abgeschafft. Wegen der dem Kläger in der Türkei drohenden langjährigen Haftstrafe sei ausgeschlossen, dass er im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG einer erheblichen individuellen Gefahr ausgesetzt sei. Ein Abschiebungsverbot ergebe sich auch nicht aus § 60 Abs. 2 AufenthG und § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK. Zwar greife zugunsten des Klägers, der im Anschluss an seine Festnahme im Juni 1991 Folter erlitten habe, die Beweiserleichterung des § 60 Abs. 11 AufenthG i.V.m. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG. Dennoch sprächen aufgrund der Angaben des Auswärtigen Amtes sowie türkischer Menschenrechtsorganisationen stichhaltige Gründe dagegen, dass er bis zum Abschluss des Strafverfahrens Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung zu befürchten habe. Misshandlungen durch türkische Sicherheitskräfte lägen ganz überwiegend Fälle zugrunde, in denen sich der Betroffene nicht offiziell in Gewahrsam befunden habe; das wäre beim Kläger jedoch der Fall. Angesichts bereits vorhandener Beweise bestünde auch keine Notwendigkeit, durch Folter ein Geständnis zu erzwingen. Schließlich lebten in seiner Heimat zahlreiche Personen, die sich seiner annehmen und ihm bereits bei seiner Ankunft anwaltlichen Beistand verschaffen könnten. Zudem würden die PKK oder andere prokurdische Organisationen das Schicksal des Klägers verfolgen und etwaige Übergriffe auf seine Person publik machen. Ein Schutz durch "Herstellen von Öffentlichkeit" lasse sich zwar nicht während der gesamten Dauer der Strafhaft gewährleisten. Aber auch für diese Zeitspanne sprächen stichhaltige Gründe dagegen, dass der Kläger, der in einem Gefängnis des Typs F untergebracht würde, Folter oder unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlungen ausgesetzt sein würde, die irreparable körperliche oder seelische Folgen nach sich ziehen könnten. Dahinstehen könne, ob das auch für unter dieser Schwelle liegende Maßnahmen gelte, denn derartige Umstände stünden einer Abschiebung des Klägers in die Türkei als Unterzeichnerstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention nicht entgegen. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu Art. 3 EMRK stehe bei einer Abschiebung in einen Signatarstaat dessen eigene Verantwortung für die Einhaltung der Konventionsrechte im Vordergrund. Eine Mitverantwortung des abschiebenden Landes bestehe nur, wenn dem Ausländer nach seiner Abschiebung Folter oder sonstige schwere und irreparable Misshandlungen drohten und effektiver Rechtsschutz - auch durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte - nicht rechtzeitig zu erreichen sei. Diese Voraussetzungen lägen angesichts der Verhältnisse in der Türkei nicht vor. Da sich Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG an Art. 3 EMRK orientiere, beanspruchten diese Grundsätze auch im Rahmen des § 60 Abs. 2 AufenthG Geltung. Stünden im Herkunftsland ausreichende und effektive Möglichkeiten zur Abwehr drohender Gefahren zur Verfügung, benötige der Betreffende keinen internationalen Schutz. Auch § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG greife nicht. Der Verwaltungsgerichtshof hat die Revision - beschränkt auf das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses nach § 60 Abs. 2 AufenthG - zugelassen.

8

Mit der Revision rügt der Kläger vor allem eine Verletzung des § 60 Abs. 2 AufenthG. Das Berufungsgericht habe im Rahmen seiner Beweiswürdigung die Quellen selektiv ausgewertet und zu Lasten des Klägers ohne Aufklärung unterstellt, dass seine Familie einen Rechtsanwalt besorgen könne und die Nachfolgeorganisationen der PKK für ihn Öffentlichkeitsarbeit machen würden. Angesichts der umfassenden Geltung des Art. 3 EMRK reiche die Erkenntnislage nicht aus, um ein Abschiebungshindernis auszuschließen. Insofern werde auch eine Gehörsverletzung gerügt, denn wenn das Gericht zu erkennen gegeben hätte, dass es aus tatsächlichen Gründen für den Kläger keine Gefahr einer Misshandlung sehe, hätte der Kläger dazu weiter vorgetragen und Beweisanträge gestellt. Schließlich sei die Auslegung der in Art. 17 der Richtlinie 2004/83/EG enthaltenen Ausschlussgründe ungeklärt.

9

Innerhalb der bis einschließlich 4. Juni 2009 verlängerten Revisionsbegründungsfrist ist der Begründungsschriftsatz nicht vollständig per Fax eingegangen. Die Bevollmächtigte des Klägers hat Wiedereinsetzung beantragt und zur Begründung Probleme bei der Faxübertragung geltend gemacht.

10

Die Beklagte verteidigt das angefochtene Urteil. Die tatsächlichen Feststellungen und Bewertungen des Berufungsgerichts seien einer Überprüfung durch das Revisionsgericht entzogen. Nicht ersichtlich sei, warum der Kläger angesichts der tatsächlichen Würdigung des Berufungsgerichts nicht den Schutz seines Heimatlandes durch Anrufung türkischer Gerichte bzw. eine Individualbeschwerde zum Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte in Anspruch nehmen könne.

Entscheidungsgründe

11

Die zulässige Revision hat Erfolg. Der Verwaltungsgerichtshof hat Bundesrecht verletzt (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO), da er bei der Prüfung des in § 60 Abs. 2 AufenthG enthaltenen Abschiebungsverbots diejenigen erniedrigenden Behandlungsmaßnahmen übergangen hat, die keine irreparablen oder sonst schweren körperlichen und seelischen Folgen hinterlassen. Der Senat kann über das geltend gemachte Abschiebungsverbot mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts weder in positiver noch in negativer Hinsicht abschließend selbst entscheiden. Daher ist die Sache gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen.

12

1. Die Revision ist zulässig. Wegen der Versäumung der Revisionsbegründungsfrist ist dem Kläger Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nach § 60 Abs. 1 VwGO zu gewähren, da seine Prozessbevollmächtigte ohne Verschulden verhindert war, die Revisionsbegründungsfrist einzuhalten. Diese durfte nach mehreren nur teilweise erfolgreichen Versuchen einer Faxübertragung infolge der fernmündlich erteilten unrichtigen Auskunft des Gerichtspförtners, es seien alle Seiten angekommen, davon ausgehen, dass der Revisionsbegründungsschriftsatz innerhalb der Frist vollständig eingegangen sei.

13

2. Gegenstand des Revisionsverfahrens sind die unionsrechtlich vorgezeichneten Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG. Die vom Berufungsgericht ausgesprochene Beschränkung der Revisionszulassung auf das Vorliegen eines Abschiebungshindernisses gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG erweist sich als unwirksam. Denn der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG (entsprechend den Voraussetzungen für den subsidiären Schutz in Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29. April 2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes - ABl EU Nr. L 304 S. 12; ber. ABl EU vom 5. August 2005 Nr. L 204 S. 24) bildet nach dem dafür maßgeblichen materiellen Recht einen einheitlichen Streitgegenstand bzw. selbständigen Streitgegenstandsteil (Urteil vom 24. Juni 2008 - BVerwG 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198 ). Die Revisionszulassung kann daher nicht wirksam auf einzelne materielle Anspruchsgrundlagen dieses einheitlichen prozessualen Anspruchs beschränkt werden (vgl. Urteil vom 1. April 1976 - BVerwG 2 C 39.73 - BVerwGE 50, 292 <295>; BGH, Urteil vom 21. September 2006 - I ZR 2/04 - NJW-RR 2007, 182 <183>).

14

Für die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens, das auf Feststellung der Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG zielt, ist gemäß § 77 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung der Berufungsinstanz am 15. Oktober 2008 abzustellen. Deshalb sind die Bestimmungen des Aufenthaltsgesetzes in der Fassung der Bekanntmachung vom 25. Februar 2008 (BGBl I S. 162) von Bedeutung, die - soweit hier einschlägig - auch derzeit noch unverändert gelten und die Rechtsänderungen durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19. August 2007 (BGBl I S. 1970) - Richtlinienumsetzungsgesetz - berücksichtigen.

15

3. Gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem für ihn die konkrete Gefahr besteht, der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung unterworfen zu werden. Mit diesem durch das Richtlinienumsetzungsgesetz ergänzten Abschiebungsverbot, das bereits in § 53 Abs. 1 AuslG 1990 und § 53 Abs. 4 AuslG 1990 i.V.m. Art. 3 der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten vom 4. November 1950 (BGBl 1952 II S. 685 - EMRK) enthalten war, wird Art. 15 Buchst. b der Richtlinie 2004/83/EG umgesetzt. Die Europäische Kommission hat sich bei der Formulierung dieser Richtlinienbestimmung an Art. 3 EMRK orientiert und in diesem Zusammenhang ausdrücklich auf die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte Bezug genommen (Vorschlag der Kommission für eine Richtlinie des Rates über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen und Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen vom 12. September 2001 KOM(2001) 510 endgültig S. 6, 30).

16

Die Vorschriften zum subsidiären Schutz sind im Aufenthaltsgesetz insoweit "überschießend" umgesetzt worden, als die in Art. 15 der Richtlinie 2004/83/EG enthaltenen Varianten des ernsthaften Schadens in § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG als absolute Abschiebungsverbote ausgestaltet worden sind. Denn die in Art. 17 dieser Richtlinie vorgesehenen Ausschlussgründe greifen nach nationalem Recht gemäß § 25 Abs. 3 Satz 2 AufenthG erst auf einer nachgelagerten Ebene als Versagungsgründe für die Erteilung einer Aufenthaltserlaubnis. Daher kommt es entgegen der Annahme der Revision auf die Interpretation der Ausschlussgründe gemäß Art. 17 der Richtlinie im vorliegenden Fall nicht an.

17

Bei der Auslegung des § 60 Abs. 2 AufenthG ist der während des Revisionsverfahrens in Kraft getretene Art. 19 Abs. 2 der Grundrechte-Charta (ABl EU 2010 Nr. C 83 S. 389 - GR-Charta) als verbindlicher Teil des primären Unionsrechts (Art. 6 Abs. 1 EUV) zu berücksichtigen. Danach darf niemand in einen Staat abgeschoben oder ausgewiesen oder an einen Staat ausgeliefert werden, in dem für sie oder ihn das ernsthafte Risiko der Todesstrafe, der Folter oder einer anderen unmenschlichen oder erniedrigenden Strafe oder Behandlung besteht. Die Vorschrift gilt nach Art. 51 Abs. 1 GR-Charta für die Organe, Einrichtungen und sonstigen Stellen der Union unter Wahrung des Subsidiaritätsprinzips und für die Mitgliedstaaten ausschließlich bei der Durchführung des Rechts der Union. Nach den gemäß Art. 52 Abs. 7 GR-Charta bei ihrer Auslegung gebührend zu berücksichtigenden Erläuterungen (ABl EU 2007 Nr. C 303 S. 17 = EuGRZ 2008, 92) wird durch diese Bestimmung die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK in Auslieferungs-, Ausweisungs- und Abschiebungsfällen übernommen.

18

a) Der Verwaltungsgerichtshof ist bei der Prüfung des § 60 Abs. 2 AufenthG in revisionsgerichtlich nicht zu beanstandender Weise davon ausgegangen, dass der Kläger vor seiner Ausreise in der Türkei gefoltert worden ist. Dennoch hat das Berufungsgericht seiner Prognose den Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit und nicht den sog. herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab hinreichender Sicherheit zugrunde gelegt. Es hat aber zugunsten des Klägers die in Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG enthaltene Beweiserleichterung angewendet (UA Rn. 90). Das hält revisionsgerichtlicher Nachprüfung stand.

19

Gemäß § 60 Abs. 11 AufenthG gilt für die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 AufenthG u.a. Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG. Danach ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist, bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird.

20

Diese Vorschrift greift sowohl bei der Entscheidung über die Zuerkennung von Flüchtlingsschutz für einen Vorverfolgten (bzw. von Verfolgung unmittelbar Bedrohten) als auch bei der Prüfung der Gewährung subsidiären Schutzes zugunsten desjenigen, der bereits einen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. davon unmittelbar bedroht war. In beiden Varianten des internationalen Schutzes privilegiert sie den von ihr erfassten Personenkreis durch eine Beweiserleichterung, nicht aber durch einen herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstab, wie er in der deutschen asylrechtlichen Rechtsprechung entwickelt worden ist. Das ergibt sich neben dem Wortlaut auch aus der Entstehungsgeschichte des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG. Denn die Bundesrepublik Deutschland konnte sich mit ihrem Vorschlag, zwischen den unterschiedlichen Prognosemaßstäben der beachtlichen Wahrscheinlichkeit und der hinreichenden Sicherheit zu differenzieren, nicht durchsetzen (vgl. die Beratungsergebnisse der Gruppe "Asyl" vom 25. September 2002, Ratsdokument 12199/02 S. 8 f.). Die Vorschrift begründet für die von ihr begünstigten Antragsteller eine widerlegbare tatsächliche Vermutung dafür, dass sie erneut von einer solchen Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht sind.

21

Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG ist Ausdruck des auch der bisherigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts zum Asylgrundrecht zugrunde liegenden Gedankens, die Zumutbarkeit der Rückkehr danach differenzierend zu beurteilen, ob der Antragsteller bereits verfolgt worden ist oder nicht (grundlegend BVerfG, Beschluss vom 2. Juli 1980 - 1 BvR 147, 181, 182/80 - BVerfGE 54, 341 <360 f.>; dem folgend Urteil vom 31. März 1981 - BVerwG 9 C 237.80 - Buchholz 402.24 § 28 AuslG Nr. 27; stRspr). Die Nachweiserleichterung, die einen inneren Zusammenhang zwischen erlittener Vorverfolgung und befürchteter erneuter Verfolgung voraussetzt (Urteil vom 18. Februar 1997 - BVerwG 9 C 9.96 - BVerwGE 104, 97 <101 ff.>), beruht zum einen auf der tatsächlichen Erfahrung, dass sich Verfolgung nicht selten und Pogrome sogar typischerweise in gleicher oder ähnlicher Form wiederholen (Urteil vom 27. April 1982 - BVerwG 9 C 308.81 - BVerwGE 65, 250 <252>). Zum anderen widerspricht es dem humanitären Charakter des Asyls, demjenigen, der das Schicksal der Verfolgung bereits erlitten hat, wegen der meist schweren und bleibenden - auch seelischen - Folgen das Risiko einer Wiederholung aufzubürden (Urteil vom 18. Februar 1997 - BVerwG 9 C 9.96 - a.a.O. S. 99). Diese zum Asylgrundrecht entwickelte Rechtsprechung (zusammenfassend Urteile vom 25. September 1984 - BVerwG 9 C 17.84 - BVerwGE 70, 169 <170 f.> und vom 5. November 1991 - BVerwG 9 C 118.90 - BVerwGE 89, 162 <169 f.>) wurde auf den Flüchtlingsschutz (Abschiebungsschutz aus politischen Gründen) gemäß § 51 Abs. 1 AuslG 1990 (Urteil vom 3. November 1992 - BVerwG 9 C 21.92 - BVerwGE 91, 150 <154 f.>), nicht jedoch auf die Abschiebungsverbote des § 53 AuslG 1990 übertragen (vgl. Urteile vom 17. Oktober 1995 - BVerwG 9 C 9.95 - BVerwGE 99, 324 <330> zu § 53 Abs. 6 AuslG und vom 4. Juni 1996 - BVerwG 9 C 134.95 - InfAuslR 1996, 289 zu § 53 Abs. 4 AuslG i.V.m. Art. 3 EMRK).

22

Die Richtlinie 2004/83/EG modifiziert diese Nachweiserleichterung in Art. 4 Abs. 4: Zum einen wird ihr Anwendungsbereich über den Flüchtlingsschutz hinaus auf alle Tatbestände des unionsrechtlich geregelten subsidiären Schutzes ausgeweitet. Sie erfasst demzufolge auch das im vorliegenden Fall zu prüfende Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 2 AufenthG. Zum anderen bleibt der der Prognose zugrunde zu legende Wahrscheinlichkeitsmaßstab unverändert, auch wenn der Antragsteller bereits Vorverfolgung oder einen ernsthaften Schaden im Sinne des Art. 15 der Richtlinie erlitten hat (vgl. EuGH, Urteil vom 2. März 2010 - Rs. C-175/08 u.a., Abdulla - Rn. 84 ff. zum Widerruf der Flüchtlingsanerkennung). Der in dem Tatbestandsmerkmal "... tatsächlich Gefahr liefe ..." des Art. 2 Buchst. e der Richtlinie enthaltene Wahrscheinlichkeitsmaßstab orientiert sich an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte. Dieser stellt bei der Prüfung des Art. 3 EMRK auf die tatsächliche Gefahr ab ("real risk"; vgl. nur EGMR, Große Kammer, Urteil vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi - NVwZ 2008, 1330 ); das entspricht dem Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (Urteil vom 18. April 1996 - BVerwG 9 C 77.95 - Buchholz 402.240 § 53 AuslG 1990 Nr. 4; Beschluss vom 7. Februar 2008 - BVerwG 10 C 33.07 - ZAR 2008, 192 stRspr).

23

Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG privilegiert den Vorverfolgten bzw. Geschädigten auf andere Weise: Wer bereits Verfolgung bzw. einen ernsthaften Schaden erlitten hat, für den streitet die tatsächliche Vermutung, dass sich frühere Handlungen und Bedrohungen bei einer Rückkehr in das Herkunftsland wiederholen werden. Die Vorschrift misst den in der Vergangenheit liegenden Umständen Beweiskraft für ihre Wiederholung in der Zukunft bei (vgl. EuGH, Urteil vom 2. März 2010 - Rs. C-175/08 u.a., Abdulla - Rn. 92 ff.). Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadensstiftenden Umstände bei Rückkehr in sein Herkunftsland erneut realisieren werden. Es gelten nicht die strengen Maßstäbe, die bei fehlender Vorverfolgung anzulegen sind (EGMR, Große Kammer, Urteil vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi - a.a.O. Rn. 128 m.w.N.). Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit solcher Verfolgung bzw. des Eintritts eines solchen Schadens entkräften. Diese Beurteilung obliegt tatrichterlicher Würdigung im Rahmen freier Beweiswürdigung. Die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG kann im Einzelfall selbst dann widerlegt sein, wenn nach herkömmlicher Betrachtung keine hinreichende Sicherheit im Sinne des herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstabes bestünde. Dieser Maßstab hat bei der Prüfung der Flüchtlingsanerkennung und des subsidiären Schutzes keine Bedeutung (mehr).

24

b) Das Berufungsgericht hat bei der Prüfung, ob stichhaltige Gründe dagegen sprechen, dass der Kläger während der Strafhaft erniedrigenden Behandlungen ausgesetzt sein wird, den Maßstab des § 60 Abs. 2 AufenthG auf diejenigen tatbestandsmäßigen Verhaltensweisen verengt, die irreparable körperliche oder seelische Folgen nach sich ziehen können, zur Verursachung bleibender Schäden geeignet oder aus sonstigen Gründen als gravierend anzusehen sind (UA Rn. 106). Erniedrigende Behandlungsmaßnahmen im Sinne des Art. 3 EMRK, die keine irreparablen oder sonst schweren Folgen hinterlassen, hat es bei der Prognoseerstellung ausdrücklich nicht geprüft (UA Rn. 111). Insoweit hat der Verwaltungsgerichtshof die eigene Verantwortung der Türkei als Signatarstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention betont und daraus gefolgert, dass sich der Kläger darauf verweisen lassen müsse, seine Rechte gegen diese Arten von Konventionsverletzungen in der Türkei und von der Türkei aus selbst zu verfolgen (UA Rn. 112). Diese Annahme verletzt Bundesrecht.

25

Die Auslegung des § 60 Abs. 2 AufenthG hat sich nach den unionsrechtlichen Vorgaben - wie oben bereits ausgeführt - an der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK zu orientieren. Dieser betont in seinen Entscheidungen zur Verantwortlichkeit eines Vertragsstaates für die mittelbaren Folgen einer Abschiebung, wenn dem Betroffenen im Zielstaat Folter oder eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht, immer wieder den absoluten und ausnahmslosen Schutz des Art. 3 EMRK (EGMR, Urteile vom 7. Juli 1989 - Nr. 1/1989/161/217, Soering - NJW 1990, 2183 ; vom 15. November 1996 - Nr. 70/1995/576/662, Chahal - NVwZ 1997, 1093 und vom 28. Februar 2008 - Nr. 37201/06, Saadi - a.a.O. ). Damit erweist es sich als unvereinbar, den Schutzbereich des Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG zu verengen, und bei einer Abschiebung in einen Signatarstaat der Konvention erniedrigende Behandlungsmaßnahmen von vornherein auszunehmen, die keine irreparablen oder sonst schweren Folgen hinterlassen. Sonst käme Rechtsschutz durch türkische Gerichte oder den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte zu spät und könnte eine bereits eingetretene Rechtsverletzung nicht ungeschehen machen. Das Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 2 AufenthG gilt mithin uneingeschränkt auch bei der Abschiebung in einen Signatarstaat der Europäischen Menschenrechtskonvention.

26

Der Verwaltungsgerichtshof beruft sich für seine Auffassung zu Unrecht auf die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts zu § 53 Abs. 4 AuslG 1990 (nunmehr: § 60 Abs. 5 AufenthG) i.V.m. Art. 3 EMRK. Der damals für die Feststellung von Abschiebungshindernissen durch das Bundesamt zuständige 1. Senat des Bundesverwaltungsgerichts hat entschieden, dass eine Mitverantwortung des abschiebenden Vertragsstaates, den menschenrechtlichen Mindeststandard in einem anderen Signatarstaat als Zielstaat der Abschiebung zu wahren, nur dann besteht, wenn dem Ausländer nach seiner Abschiebung Folter oder sonstige schwere und irreparable Misshandlungen drohen und effektiver Rechtsschutz - auch durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte - nicht oder nicht rechtzeitig zu erreichen ist (Urteil vom 7. Dezember 2004 - BVerwG 1 C 14.04 - BVerwGE 122, 271 <277>). Dieser Rechtssatz schränkt jedoch nicht den Schutzbereich des Art. 3 EMRK ein. Vielmehr werden - insbesondere mit Blick auf die von dem damaligen Kläger angeführten Haftbedingungen in der Türkei - nur Maßnahmen erfasst, die erst durch Zeitablauf oder Wiederholung in den Tatbestand einer erniedrigenden Behandlung und damit den Schutzbereich des Art. 3 EMRK hineinwachsen. Nur in derartigen Fällen kann der Betroffene auf Rechtsschutz im Abschiebezielstaat oder durch den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte verwiesen werden.

27

4. Das Berufungsgericht hat die Abschiebungsverbote des § 60 Abs. 3 und Abs. 7 Satz 2 AufenthG geprüft und aus tatsächlichen Gründen abgelehnt (UA Rn. 86 f.). Dagegen bestehen aus revisionsgerichtlicher Sicht keine Bedenken.

28

5. Der Senat kann über das geltend gemachte Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 2 AufenthG mangels hinreichender Tatsachenfeststellungen des Berufungsgerichts weder zugunsten noch zulasten des Klägers abschließend entscheiden. Die Sache ist daher gemäß § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Berufungsgericht zurückzuverweisen. Damit bedarf es keiner Entscheidung über die Gehörsrüge. Der Senat bemerkt aber dazu, dass der Verwaltungsgerichtshof nicht gegen das Verbot einer Überraschungsentscheidung verstoßen hat. Denn grundsätzlich ist ein Gericht nicht verpflichtet, die abschließende Sachverhalts- und Beweiswürdigung vorab mit den Beteiligten zu erörtern (Beschlüsse vom 21. Januar 2000 - BVerwG 9 B 614.99 - Buchholz 310 § 130a VwGO Nr. 46 und vom 26. November 2001 - BVerwG 1 B 347.01 - Buchholz 310 § 86 Abs. 3 VwGO Nr. 52; stRspr). Etwas anderes gilt nur dann, wenn es einen bis dahin nicht erörterten rechtlichen oder tatsächlichen Gesichtspunkt zur Grundlage seiner Entscheidung macht und damit dem Rechtsstreit eine Wendung gibt, mit der die Beteiligten nach dem bisherigen Verlauf des Verfahrens nicht zu rechnen brauchten (vgl. Urteil vom 10. April 1991 - BVerwG 8 C 106.89 - Buchholz 310 § 108 VwGO Nr. 235). Dafür ist im vorliegenden Fall nichts ersichtlich, da der Kläger selbst in der Berufungsbegründung zur Gefahr der Folter in der Türkei vorgetragen hatte.

29

Der Verwaltungsgerichtshof wird in dem neuen Berufungsverfahren die Prognose, ob die konkrete Gefahr besteht, dass der Kläger in der Türkei der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung unterworfen wird, auf aktueller tatsächlicher Grundlage erneut stellen müssen. Dabei besteht auch Gelegenheit, dem Vorbringen des Klägers weiter nachzugehen, dass die ihn belastende Aussage seines Bruders die Gefahr von Folter nicht ausschließe. Bei der gebotenen Gesamtwürdigung aller Umstände im Rahmen der tatsächlichen Feststellung, ob die Vermutung des Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie 2004/83/EG widerlegt ist, kann das Berufungsgericht auch der Tatsache Bedeutung beimessen, dass die Türkei als Abschiebezielstaat ein Vertragsstaat der Konvention ist, der sich verpflichtet hat, die darin garantierten Rechte und Grundsätze zu achten. Die Berücksichtigung dieses Umstands im Rahmen der Prognose entspricht ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte zu Art. 3 EMRK (Entscheidungen vom 7. Oktober 2004 - Nr. 33743/03, Dragan - NVwZ 2005, 1043 <1045> und vom 15. Dezember 2009 - Nr. 43212/05, Kaplan - ) und ist durch Art. 7 Abs. 2 der Richtlinie 2004/83/EG mit dem darin enthaltenen Kriterium ausreichender Schutzgewährleistung abgedeckt.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er

1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und
2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) Schutz vor Verfolgung kann nur geboten werden

1.
vom Staat oder
2.
von Parteien oder Organisationen einschließlich internationaler Organisationen, die den Staat oder einen wesentlichen Teil des Staatsgebiets beherrschen,
sofern sie willens und in der Lage sind, Schutz gemäß Absatz 2 zu bieten.

(2) Der Schutz vor Verfolgung muss wirksam und darf nicht nur vorübergehender Art sein. Generell ist ein solcher Schutz gewährleistet, wenn die in Absatz 1 genannten Akteure geeignete Schritte einleiten, um die Verfolgung zu verhindern, beispielsweise durch wirksame Rechtsvorschriften zur Ermittlung, Strafverfolgung und Ahndung von Handlungen, die eine Verfolgung darstellen, und wenn der Ausländer Zugang zu diesem Schutz hat.

(3) Bei der Beurteilung der Frage, ob eine internationale Organisation einen Staat oder einen wesentlichen Teil seines Staatsgebiets beherrscht und den in Absatz 2 genannten Schutz bietet, sind etwaige in einschlägigen Rechtsakten der Europäischen Union aufgestellte Leitlinien heranzuziehen.

(1) Dem Ausländer wird die Flüchtlingseigenschaft nicht zuerkannt, wenn er

1.
in einem Teil seines Herkunftslandes keine begründete Furcht vor Verfolgung oder Zugang zu Schutz vor Verfolgung nach § 3d hat und
2.
sicher und legal in diesen Landesteil reisen kann, dort aufgenommen wird und vernünftigerweise erwartet werden kann, dass er sich dort niederlässt.

(2) Bei der Prüfung der Frage, ob ein Teil des Herkunftslandes die Voraussetzungen nach Absatz 1 erfüllt, sind die dortigen allgemeinen Gegebenheiten und die persönlichen Umstände des Ausländers gemäß Artikel 4 der Richtlinie 2011/95/EU zum Zeitpunkt der Entscheidung über den Antrag zu berücksichtigen. Zu diesem Zweck sind genaue und aktuelle Informationen aus relevanten Quellen, wie etwa Informationen des Hohen Kommissars der Vereinten Nationen für Flüchtlinge oder des Europäischen Unterstützungsbüros für Asylfragen, einzuholen.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Streitigkeiten nach diesem Gesetz stellt das Gericht auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung ab; ergeht die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung, ist der Zeitpunkt maßgebend, in dem die Entscheidung gefällt wird. § 74 Absatz 2 Satz 2 bleibt unberührt.

(2) Das Gericht kann außer in den Fällen des § 38 Absatz 1 und des § 73b Absatz 7 bei Klagen gegen Entscheidungen nach diesem Gesetz im schriftlichen Verfahren durch Urteil entscheiden, wenn der Ausländer anwaltlich vertreten ist. Auf Antrag eines Beteiligten muss mündlich verhandelt werden. Hierauf sind die Beteiligten von dem Gericht hinzuweisen.

(3) Das Gericht sieht von einer weiteren Darstellung des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe ab, soweit es den Feststellungen und der Begründung des angefochtenen Verwaltungsaktes folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt oder soweit die Beteiligten übereinstimmend darauf verzichten.

(4) Wird während des Verfahrens der streitgegenständliche Verwaltungsakt, mit dem ein Asylantrag als unzulässig abgelehnt wurde, durch eine Ablehnung als unbegründet oder offensichtlich unbegründet ersetzt, so wird der neue Verwaltungsakt Gegenstand des Verfahrens. Das Bundesamt übersendet dem Gericht, bei dem das Verfahren anhängig ist, eine Abschrift des neuen Verwaltungsakts. Nimmt der Kläger die Klage daraufhin unverzüglich zurück, trägt das Bundesamt die Kosten des Verfahrens. Unterliegt der Kläger ganz oder teilweise, entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen.

Tenor

I. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

III. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, da der Zulassungsantrag aus nachstehenden Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 28. November 2016 ist unbegründet, weil die Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG nicht vorliegen.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36).

Der Kläger hält für klärungsbedürftig, ob „in Nangarhar, der Heimatprovinz …, seit Beginn des Jahres 2016 ein bewaffneter Konflikt im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG herrscht und praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betreffenden Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung für Leib und Leben ausgesetzt ist“ und „dass für (alleinstehende) männliche afghanische Staatsangehörige keine interne Schutzalternative besteht, insbesondere auch nicht in der Hauptstadt Kabul.“ Die Lage in Afghanistan habe sich seit 2015 drastisch verschlechtert. Die Anzahl der Anschläge habe sich signifikant erhöht. Es komme zu einer Vielzahl von Menschenrechtsverletzungen. Aus zahlreichen, im Einzelnen aufgeführten Berichten u.a. der Schweizerischen Flüchtlingshilfe, des Auswärtigen Amts, von UNAMA, Pro Asyl und anderen Medien ergebe sich ein massiver Anstieg der Gewalt. Dabei sei Kabul in besonderer Weise betroffen. Auch gebe es keinen funktionierenden Staat, der Schutz leisten könne.

Das Verwaltungsgericht hat zu § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG (der § 60 Abs. 7 Satz 2 AsylVfG a.F. entsprechenden Norm) ausgeführt, dem Kläger drohe bei einer Rückkehr nach Afghanistan keine ernsthafte individuelle Gefahr im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts und insoweit auf den angefochtenen Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 23. August 2016 verwiesen (UA S. 15). Dieses hat für keine der afghanischen Provinzen einen Gefährdungsgrad angenommen, der die Feststellung einer erheblichen individuellen Gefahr rechtfertigen würde. Es hat dabei auch auf die Opferzahlen Bezug genommen. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG hat das Verwaltungsgericht ebenfalls verneint (UA S. 15 ff.). Für den Kläger ergebe sich keine extreme allgemeine Gefahrenlage.

Dies entspricht der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, der hinsichtlich der Provinz Nangarhar, der Herkunftsregion des Klägers, eine kritische Gefahrendichte verneint hat (B.v. 19.12.2014 - 13a ZB 14.30065 - juris; U.v. 22.3.2013 - 13a B 12.30044 - juris zu § 60 Abs. 7 Satz 2 AsylVfG a.F.). Auch hinsichtlich § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist geklärt, dass für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende afghanische Staatsangehörige angesichts der aktuellen Auskunftslage im Allgemeinen derzeit nicht von einer extremen Gefahrenlage auszugehen ist, die zu einem Abschiebungsverbot in entsprechender Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde (BayVGH, B.v. 4.1.2017 - 13a ZB 16.30600 - juris; U.v. 12.2.2015 - 13a B 14.30309 - juris; U.v. 30.1.2014 - 13a B 13.30279 - juris).

Die klägerischen Ausführungen zur Verschlechterung der Sicherheitslage bieten keinen Anlass, im Rahmen eines Berufungsverfahrens in eine erneute Risikobewertung einzutreten. Sie betreffen zunächst Afghanistan allgemein, ohne auf die Provinz Nangarhar einzugehen. Auch entsprechen sie nicht den Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Frage, wann eine erhebliche individuelle Gefährdung anzunehmen sein kann (s. BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 4.09 - BVerwGE 136, 360). Aus den vom Kläger nicht genannten, aber vom Verwaltungsgericht herangezogenen UNHCR-Richtlinien vom 19. April 2016, wonach sich die Sicherheitslage verschlechtert habe, ergibt sich ebenfalls nichts anderes. Vor dem Hintergrund anhaltender Besorgnis in Bezug auf die Sicherheitslage werden dort Empfehlungen für den Schutzbedarf ausgesprochen und verschiedene Risikoprofile aufgezeigt, ohne dass neuere Daten genannt würden, die die bisherige Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs in Frage stellen könnten. Die dortige Bewertung beruht zudem auf den vom UNHCR selbst angelegten Maßstäben. Des Weiteren sind auch nach dessen Auffassung alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter in der Lage, ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semi-urbanen Umgebungen zu leben (S. 10). Die im Zulassungsantrag angeführten Publikationen der Schweizerischen Flüchtlingshilfe und anderen Organisationen bewerten ebenfalls nur die Sicherheitslage nach eigenen Maßstäben, ohne andere Ausgangsdaten zu nennen, die darauf schließen ließen, dass die vom Verwaltungsgericht und vom Verwaltungsgerichtshof zugrunde gelegten Erkenntnisse zwischenzeitlich unrichtig oder überholt wären. Schließlich geben auch die Materialien des Auswärtigen Amts zu Afghanistan keinen Anlass zu einer Neubewertung der bekanntlich angespannten Sicherheitslage.

Soweit der Kläger die ergangenen Entscheidungen zur Gefahrendichte kritisiert, ist festzustellen, dass bereits nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine wertende Gesamtbetrachtung Gegenstand der zu prüfenden Voraussetzungen ist (vgl. BVerwG, U.v. 17.11.2011 - 10 C 13.10 - NVwZ 2012, 454 Rn. 23; U.v. 27.4.2010 a.a.O. Rn. 33). Danach bedarf es neben der quantitativen Ermittlung des Risikos, in der Rückkehrprovinz verletzt oder getötet zu werden, auch einer wertenden Gesamtbetrachtung des statistischen Materials mit Blick auf die Anzahl der Opfer und die Schwere der Schädigungen (Todesfälle und Verletzungen) bei der Zivilbevölkerung (BVerwG, U.v. 17.11.2011 a.a.O. Rn. 23; U.v. 27.4.2010 a.a.O. Rn. 33). Zu dieser wertenden Betrachtung gehört jedenfalls auch die Würdigung der medizinischen Versorgungslage in dem jeweiligen Gebiet, von deren Qualität und Erreichbarkeit die Schwere eingetretener körperlicher Verletzungen mit Blick auf die den Opfern dauerhaft verbleibenden Verletzungsfolgen abhängen kann. Ist allerdings die Höhe des quantitativ festgestellten Risikos eines dem Kläger drohenden Schadens weit von der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit entfernt, vermag sich das Unterbleiben einer wertenden Gesamtbetrachtung im Ergebnis nicht auszuwirken (BVerwG, U.v. 17.11.2011 a.a.O. Rn. 23). Allerdings betont das Bundesverwaltungsgericht, dass die wertende Gesamtbetrachtung erst auf der Grundlage der quantitativen Ermittlung der Gefahrendichte möglich ist (BVerwG, U.v. 13.2.2014 - 10 C 6.13 - NVwZ-RR 2014, 487 Rn. 24).

Der weiteren Frage, ob in Afghanistan Schutzalternativen bestehen, kommt bereits deshalb keine grundsätzliche Bedeutung zu, weil sie einer allgemeinen Klärung nicht zugänglich ist. Ihre Beantwortung hängt wesentlich von den Umständen des Einzelfalls, insbesondere den individuellen Verhältnisse des Klägers ab.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.

Tenor

I. Der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.

II. Der Antrag auf Zulassung der Berufung wird abgelehnt.

III. Der Kläger hat die Kosten des Verfahrens zu tragen. Gerichtskosten werden nicht erhoben.

Gründe

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe, da der Zulassungsantrag aus nachstehenden Gründen keine hinreichende Aussicht auf Erfolg hat (§ 166 VwGO i.V.m. § 114 ZPO).

Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 30. August 2016 ist unbegründet, weil die Voraussetzungen des § 78 Abs. 3 Nr. 1 AsylG nicht vorliegen.

Die Rechtssache hat keine grundsätzliche Bedeutung. Dieser Zulassungsgrund setzt voraus, dass die im Zulassungsantrag dargelegte konkrete Rechts- oder Tatsachenfrage für die Entscheidung des Verwaltungsgerichts von Bedeutung war, ihre Klärung im Berufungsverfahren zu erwarten und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zur Weiterentwicklung des Rechts geboten ist und ihr eine über den Einzelfall hinausgehende Bedeutung zukommt (vgl. Happ in Eyermann, VwGO, 14. Aufl. 2014, § 124 Rn. 36).

Der Kläger hält für klärungsbedürftig, „ob für Angehörige der Zivilbevölkerung allein schon durch die Anwesenheit in A1 aufgrund des Vorliegens eines innerstaatlichen bewaffneten Konflikts eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben gemäß § 4 Nr. 3 AsylG i.V.m. Art. 15c der RL 2004/83/EG, hilfsweise nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 S. 1 AufenthG, anzunehmen ist und auch Kabul keine interne Schutzmöglichkeit darstellt“.

Die Lage in A1 habe sich seit 2015 drastisch verschlechtert und seien aktuell die Opferzahlen 2015/2016 höher als 2009, weshalb die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs an die aktuellen Gegebenheiten angepasst werden müsse.

Das Verwaltungsgericht hat zu § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG ausgeführt, dem Kläger drohe bei einer Rückkehr nach A1 keine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen Konflikts (UA S. 8). Die Frage, ob die in Afghanistan oder Teilen von Afghanistan stattfindenden gewalttätigen Auseinandersetzungen nach Intensität und Größenordnung als vereinzelt auftretende Gewalttaten oder als anhaltende Kampfhandlungen zu qualifizieren seien, könne dahinstehen, weil nach der Überzeugung des Gerichts der Kläger keiner erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben ausgesetzt wäre (UA S. 9). Denn es fehle vorliegend an einer Verdichtung allgemeiner Gefahren, die weitere Voraussetzung für die Zuerkennung subsidiären Schutzes nach § 4 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AsylG sei. Nach den dem Gericht vorliegenden Erkenntnissen erreiche in der Heimatprovinz des Klägers, Kabul, der einen innerstaatlichen bewaffneten Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt kein so hohes Niveau, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dieser Region einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre. Individuelle gefahrerhöhende Umstände habe der Kläger nicht vorgetragen. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 Satz 1 AufenthG lägen ebenfalls nicht vor (UA S. 9). Für den Kläger ergebe sich in Kabul weder aus seiner Volkszugehörigkeit noch hinsichtlich der allgemeinen Sicherheitslage eine extreme allgemeine Gefahrenlage. Unter Heranziehung der Rechtsprechung des erkennenden Senats und des Lageberichte des Auswärtigen Amts vom 6. November 2015, vom 31. März 2014 und vom 4. Juni 2013 kommt das Verwaltungsgericht zu dem Ergebnis, das Risiko, in K. durch Anschläge Schaden an Leib oder Leben zu erleiden, sei weit unterhalb der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit (UA S. 6 f.) und könne der volljährige, arbeitsfähige und mit den Lebensverhältnissen in A1 vertraute Kläger in Kabul seinen Lebensunterhalt sicherstellen (UA S. 7 f. und 9 f.).

Die Frage betreffend das Vorliegen eines bewaffneten Konflikts kann nicht zur Zulassung der Berufung führen, weil es hierauf nicht entscheidungserheblich ankam. Vielmehr hat das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Urteil ausdrücklich dahinstehen lassen, ob die gewalttätigen Auseinandersetzungen in A1 oder Teilen hiervon als innerstaatlicher bewaffneter Konflikt zu qualifizieren sind.

Auch die Frage zu K. als „interne Schutzmöglichkeit“, gemeint sein dürfte damit, ob Kabul als interner Schutz im Sinn von § 3e AsylG in Betracht kommt, vermag keine grundsätzliche Bedeutung zu begründen, da es für die Zumutbarkeit nach § 3e AsylG auf die jeweiligen Umstände des Einzelfalls und die individuellen Verhältnisse des Klägers ankommt und die Frage damit einer allgemeinen Klärung nicht zugänglich ist. Hinzu kommt, dass diese Frage im Hinblick darauf, dass die Herkunftsregion des Klägers K. ist und er vor seiner Ausreise zuletzt in der Provinz K. gelebt hat (Akte des Bundesamts Bl. 30 und 31), auch wenn das Verwaltungsgericht zusätzlich auf K. als Fluchtalternative abgestellt hat (UA S. 6 f.), in einem Berufungsverfahren nicht entscheidungserheblich wäre und damit ebenfalls nicht zur Zulassung der Berufung führen kann. Damit scheidet mangels Entscheidungserheblichkeit auch eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof nach Art. 267 AEUV hinsichtlich der Auslegung des Begriffs „niederlässt“ in Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. 2011 L 337/9) im Unterschied zur vorhergehenden Fassung „aufhält“ in Art. 8 Abs. 1 der Richtlinie 2004/83/EG aus.

Die weiter aufgeworfene Frage, ob praktisch jede Zivilperson in A1 bzw. K. einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt sei, hat das Verwaltungsgericht verneint. Individuelle gefahrerhöhende Umstände, die zu einer Verdichtung der allgemeinen Gefahren in der Person des Klägers führen könnten, habe dieser nicht vorgetragen. Hierbei ist das Verwaltungsgericht unter Heranziehung aktueller Lageberichte zu der Erkenntnis gelangt, dass das Risiko, durch Anschläge Schaden zu erleiden, in der Herkunftsregion des Klägers, K., weit unterhalb der Schwelle der beachtlichen Wahrscheinlichkeit liege (siehe hierzu BayVGH, B.v. 30.7.2015 - 13a ZB 15.30031 - juris; BayVGH, U.v. 1.2.2013 - 13a B 12.30045 - juris; U.v. 8.11.2012 - 13a B 11.30391 - juris).

Dem ist der Kläger nicht substantiiert entgegengetreten. Er wendet vielmehr pauschal ein, dass sich die Lage in A1 seit dem Jahr 2015 wieder extrem verschlechtert habe und somit die Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs den aktuellen Gegebenheiten angepasst werden müsste. Hierzu wurde aus dem Jahresbericht der United Nations Assistance Mission in A1 (UNAMA) für das Jahr 2015, aus zahlreichen Presseartikeln und den UNHCR-Richtlinien zur Feststellung des Internationalen Schutzbedarfs A1 Asylsuchender vom 19. April 2016 zitiert. Auch wird eine Reisewarnung des Auswärtigen Amts mit Stand vom 7. Juli 2016 angeführt sowie auf Berichte der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 22. Juli 2014 und vom 13. September 2015, auf eine Stellungnahme der International NGO Safety Organisation (INSO) und den Amnesty Report 2016 A1 von Amnesty International verwiesen.

Diese allgemeinen Ausführungen zur Verschlechterung der Sicherheitslage bieten keinen Anlass, im Rahmen eines Berufungsverfahrens in eine erneute Risikobewertung einzutreten. Der Verwaltungsgerichtshof geht daher weiterhin davon aus, dass in A1 für alleinstehende männliche Staatsangehörige keine extreme Gefahrenlage besteht (zuletzt B.v. 4.1.2017 - 13a ZB 16.30600 - juris). So werden in den UNHCR-Richtlinien vom 19. April 2016, wonach sich die Sicherheitslage verschlechtert habe, vor dem Hintergrund anhaltender Besorgnis in Bezug auf die Sicherheitslage Empfehlungen für den Schutzbedarf ausgesprochen und verschiedene Risikoprofile aufgezeigt, ohne dass neuere Daten genannt würden, die die bisherige Einschätzung des Verwaltungsgerichtshofs in Frage stellen könnten. Auch beruht die dortige Bewertung auf den vom UNHCR selbst angelegten Maßstäben, die sich nicht mit den Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts an einen bewaffneten Konflikt und eine erhebliche individuelle Gefährdung (s. BVerwG, U.v. 27.4.2010 - 10 C 4.09 - BVerwGE 136, 360) decken. Des Weiteren sind auch nach dessen Auffassung alleinstehende, leistungsfähige Männer und verheiratete Paare im berufsfähigen Alter in der Lage, ohne Unterstützung von Familie und Gemeinschaft in urbanen und semi-urbanen Umgebungen zu leben (S. 10). Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der im Zulassungsantrag angeführten Publikation der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 13. September 2015 (A1: Update, Die aktuelle Sicherheitslage) sowie den genannten Presseberichten. Dort wird ebenfalls nur die Sicherheitslage nach eigenen Maßstäben bewertet. Andere Ausgangsdaten, die darauf hindeuten, dass die vom Verwaltungsgericht und vom Verwaltungsgerichtshof zugrunde gelegten Erkenntnisse zwischenzeitlich unrichtig oder überholt wären, sind dort ebenfalls nicht genannt. Schließlich geben auch die Reisewarnungen des Auswärtigen Amts zu A1 keinen Anlass zu einer Neubewertung der bekanntlich angespannten Sicherheitslage. Gemäß der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts kommt der vom Auswärtigen Amt ausgesprochenen Reisewarnung eine Indizwirkung nicht zu. Nach dem Wortlaut der Reisewarnung und den Grundsätzen für den Erlass einer solchen sei auszuschließen, dass die hierfür maßgebenden rechtlichen Maßstäbe zur Bewertung der Verfolgungs- bzw. Sicherheitslage und damit auch der aktuellen sicherheitsrelevanten Ereignisse mit den vorliegend anzuwendenden identisch seien (BVerwG, B.v. 27.6.2013 - 10 B 11.13 - juris; die hiergegen erhobene Verfassungsbeschwerde wurde nicht zur Entscheidung angenommen, BVerfG, B.v. 14.10.2015 - 2 BvR 1626/13).

Hinsichtlich § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist in der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs zudem geklärt, dass für aus dem europäischen Ausland zurückkehrende afghanische Staatsangehörige angesichts der aktuellen Auskunftslage im Allgemeinen derzeit nicht von einer extremen Gefahrenlage auszugehen ist, die zu einem Abschiebungsverbot in entsprechender Anwendung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG führen würde (BayVGH, U.v. 12.2.2015 - 13a B 14.30309 - juris; U.v. 30.1.2014 - 13a B 13.30279 - juris; U.v. 24.10.2013 - 13a B 13.30031 - juris = KommunalPraxisBY 2014, 62 - LS; U.v. 20.1.2012 - 13a B 11.30425 - juris; U.v. 8.12.2011 - 13a B 11.30276 - EzAR-NF 69 Nr. 11 = AuAS 2012, 35 -LS-). Der Verwaltungsgerichtshof geht davon aus, dass ein arbeitsfähiger, gesunder Mann regelmäßig auch ohne nennenswertes Vermögen im Fall einer zwangsweisen Rückführung in sein Heimatland A1 in der Lage wäre, durch Gelegenheitsarbeiten in seiner Heimatregion oder in K. ein kleines Einkommen zu erzielen und damit wenigstens ein Leben am Rande des Existenzminimums zu bestreiten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO, § 83b AsylG.

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in Streitigkeiten nach diesem Gesetz nicht erhoben.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.