Gericht

Verwaltungsgericht Augsburg

Gründe

Bayerisches Verwaltungsgericht Augsburg

Aktenzeichen: Au 3 K 15.527

Im Namen des Volkes

Urteil

1. Dezember 2015

3. Kammer

Sachgebiets - Nr. 411

Hauptpunkte: vorbeugende Feststellungsklage; Status einer Fläche; Dauergrünland; Ackerland; Umwandlung („Grünlandumbruch“); Beweislast; Zerstörung der Grasnarbe; Wirtschaftlichkeit; extensive Nutzung; geringer Ernteertrag; Genehmigungspflicht; Stichtag

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

...

- Kläger -

bevollmächtigt: ...

gegen

...

- Beklagter -

wegen Einstufung landwirtschaftlicher Flächen

erlässt das Bayerische Verwaltungsgericht Augsburg, 3. Kammer, durch den Richter am Verwaltungsgericht ... als Vorsitzenden, die Richterin am Verwaltungsgericht ..., den Richter am Verwaltungsgericht ..., den ehrenamtlichen Richter ..., den ehrenamtlichen Richter ... aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 1. Dezember 2015 am 1. Dezember 2015

folgendes

Urteil:

I.

Es wird festgestellt, dass hinsichtlich der Feldstücke ... und ... aus dem Mehrfachantrag 2014 aufgrund einer klägerseitig im Jahr 2014 - vor dem 6. Juni 2014 - durchgeführten Umwandlung nicht mehr Dauergrünland, sondern nunmehr Ackerland gegeben ist.

II.

Der Beklagte hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Beklagte darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Kläger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand:

Der Kläger wendet sich gegen die Nichtanerkennung einer Nutzungsänderung von Dauergrünland zu Ackerland.

1. Der 1983 geborene Kläger betreibt im Nebenerwerb einen landwirtschaftlichen Betrieb in ... (OT ..., insgesamt 41,87 ha). Ausweislich der bei der Landwirtschaftsverwaltung vorliegenden Viehverzeichnisse hat der Kläger im Jahr 2014 - wie bereits im Vorjahr - durchschnittlich ca. 32 weibliche Rinder, ein Kalb sowie 15 Legehennen gehalten.

Mit online eingereichtem Mehrfachantrag vom 20. April 2014 beantragte der Kläger beim Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ... u. a. eine Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten (AGZ). Im Flächen- und Nutzungsnachweis gab er u. a. an, dass die nicht zusammenhängenden Feldstücke

Nr. ... (...; Fl.Nr. ...; 1,51 ha; ...)

Nr. ... (...; Fl.Nr. ...; 0,52 ha; ...)

Nr. ... (...; Fl.Nr. ...; 1,36 ha; ...)

als „Wiesen“ (Code 451 - Dauergrünland) genutzt würden. Das Feldstück Nr. ... (...; Fl.-Nr. ...; 3,26 ha; ...) werde zum Anbau von Sommergerste (Code 132) verwendet.

Zu seinem Mehrfachantrag fand am 28. April 2014 eine telefonische Besprechung des Klägers mit der Landwirtschaftsverwaltung statt.

Mit Schreiben vom 16. September 2014 teilte der Kläger ergänzend mit, dass er die Feldstücke Nr. ... und ... entgegen seiner Angaben im Flächen- und Nutzungsnachweis des Mehrfachantrags 2014 (Code 451 - Dauergrünland bzw. „Wiesen“) umgebrochen und dort Sommergerste (Code 132) angebaut habe. Er habe sich erst Ende April 2014 - nach Abgabe des Mehrfachantrags 2014 - zu dem Umbruch entschlossen, als er nach erneuter Krankheit seines Vaters beschlossen habe, eine weitere Reduzierung der Viehhaltung vorzunehmen, da er diese als Nebenerwerbslandwirt so nicht weiterführen könne. Er habe sodann das Grünland umgebrochen und nachträglich zu seiner eigentlichen Sommergerste auch die Flächen Nr. ... und ... mit Sommergerste angesät, da er kein „Maisbaufreund“ sei. Eine rechtzeitige Ummeldung der Flächen sei zunächst aufgrund von Krankheitsfällen unterblieben und sodann in Vergessenheit geraten. Es wurde um entsprechende Korrektur im Flächen- und Nutzungsnachweis 2014 gebeten. Beigefügt war zum einen ein Lieferschein vom 22. April 2014 über 450 kg Saatgut für Sommergerste (Sorte „Grace“, DE093-013323302) sowie 1.640 kg NPK-Dünger („15/13/13“). Beigefügt war zum anderen die Schlagdokumentation für die Feldstücke ... und ..., die jeweils als Hauptfrucht „S-Gerste“ und als Vorfrucht „Grünland“ auswies und für den 26. April 2014 den Einsatz eines Düngemittels („NPK15-13-13“, 450 kg/ha) sowie für den 13. Mai 2014 die Verwendung von Pflanzenschutzmitteln („Dash, Biathlon, Axial50“) vermerkte.

Am 24. September 2014 und 9. Oktober 2014 fanden sodann Ortseinsichten des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ... statt. Ausweislich der behördlichen Ergebnisvermerke habe der Vater des Klägers in diesem Rahmen erklärt, dass nach einem Silieren des ersten Schnitts im April 2014 ein Umbruch auf den betroffenen Feldstücken durch zweimaliges Grubbern stattgefunden habe. Die Aussaat der Sommergerste sei am 25. April 2014 geschehen; Düngung und Pflanzenschutz seien im April und Mai 2014 erfolgt. Die Sommergerste sei sodann im Juni 2014 geerntet worden. Danach sei das Gerstenstroh abgefahren worden und ein Mulchen der Stoppeln erfolgt; sodann habe noch ein Grubbern und eine Bearbeitung mit der Kreiselegge stattgefunden. Im Rahmen der Ortseinsichten wurde behördlich festgestellt, dass auf den betreffenden Feldstücken eine Lockerung des Oberbodens nur in der obersten Schicht (ca. 5 cm) erkennbar sei. Stroh- und Stoppelreste seien nicht vorhanden; vereinzelt seien kurze Strohreste (kurze Halme) und Auflaufgetreide erkennbar. Aufgrund des späten Zeitpunkts der Meldung könnten die einzelnen Bearbeitungsschritte nicht mehr nachvollzogen werden. Eine mechanische Bearbeitung und der Anbau von Getreide mit teilweiser Beseitigung der Grasnarbe seien deutlich erkennbar. Die ursprüngliche Grasnarbe sei jedoch noch weitgehend - zu 70-80 v. H. bezogen auf die Gesamtfläche - erhalten. Ein Umbruch von Dauergrünland durch vollflächige Zerstörung der Altgrasnarbe könne nicht festgestellt werden; in der Fläche überwiege vielmehr der „Wiesencharakter“. Die betroffenen Flächen würden daher weiterhin als Dauergrünland eingestuft, ein Umbruch könne nicht anerkannt werden.

Mit E-Mail vom 15. Oktober 2014 teilte die Staatliche Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten dem Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ... auf entsprechende Anfrage mit, dass man nach Abstimmung mit dem Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten die durch die örtliche Behörde vorgenommene Einschätzung teile. Sommergerste habe im Jahr 2014 nicht die Hauptfrucht auf den betroffenen Feldstücken dargestellt, da die ursprüngliche Grasnarbe noch zu 70-80 v. H. vorhanden sei.

2. Mit Bescheid des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ... bereits vom 7. Oktober 2014 wurde dem Kläger eine Ausgleichszulage i. H. v. EUR 1.663,56 gewährt. Hierbei wurde behördlich für die Feldstücke ... und ... - wie im ursprünglichen Mehrfachantrag 2014 angegeben - jeweils eine Nutzung als Dauergrünland (Code 451) zugrunde gelegt. So wurden die drei Feldstücke mit einer Fläche von insgesamt 3,39 ha unter „Förderfähige Hauptfutterflächen“ angesetzt (insgesamt: 5,03 ha; Fördersatz „Hauptfutter-Agrarzone“: EUR 110,72/ha) und nicht unter „Sonstige anrechenbare Ackerkulturen“ (insgesamt: 19,99 ha; Fördersatz „Ackerkultur-Agrarzone“: EUR 55,36/ha) berücksichtigt.

Gegen den Bescheid legte der Kläger mit Schreiben vom 5. November 2014 und 18. November 2014 Widerspruch ein. Zur Begründung legte der Kläger u. a. eine Stellungnahme eines landwirtschaftlichen Schätzers des Bayerischen Bauernverbands vom 6. November 2014 vor, der auf Basis einer Ortseinsicht vom 3. November 2014 zu dem Ergebnis gelangte, dass die Flächen als Ackerfläche anzusehen seien. So seien auf den Grundstücken Strohreste von der Ernte festzustellen gewesen; zudem sei eindeutig Ausfallgetreide zu sehen gewesen. Überdies sei eine Behandlung der Flächen mit dem Grubber und der Kreiselegge erkennbar gewesen. Da die Felder bereits vor langer Zeit bearbeitet worden seien, sei naturgemäß der Graswuchs von der Vorfrucht sehr stark ausgeprägt.

Mit Schreiben vom 25. November 2014 teilte das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ... dem Kläger mit, dass es an seiner Bewertung festhalte; die Nachmeldung einer Nutzungsänderung werde nicht anerkannt, es bleibe für das Jahr 2014 bei der Codierung 451 (Dauergrünland). Es sei beabsichtigt, den Widerspruch des Klägers der Staatlichen Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten als Widerspruchsbehörde zur Entscheidung vorzulegen.

Mit Schreiben bereits vom 30. November 2014 wandte sich der Kläger an die Staatliche Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Er gab an, die gegenständlichen Flächen am 25. April 2014 mit dem Grubber aufgelockert und sodann mit der Kreiselegge und Sämaschine gedrillt zu haben. Der enorme Ungräserdruck habe selbst mit der am 13. Mai 2014 erfolgten Unkrautbekämpfung nicht gemindert werden können. Nach der Ernte habe er das Stroh abgefahren. Das Grubbern sei aufgrund des hohen Grünanteils erst nach Abfahren der Flächen mit einem Mulcher möglich gewesen. Danach seien die Flächen mit der Kreiselegge zerkleinert und rückverfestigt worden, um eine erfolgreiche Unkrautbekämpfung vor der Neueinsaat zu erreichen.

Mit Schreiben vom 15. Dezember 2014 legte das Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ... den Widerspruch des Klägers der Staatlichen Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten zur Entscheidung vor. In einer internen Stellungnahme des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ... vom 15. Dezember 2014 hielt die Behörde an ihrer bisherigen Auffassung nebst Begründung grundsätzlich fest. Es sei eine mechanische Bearbeitung der Feldstücke festzustellen; für den Anbau von Sommergerste würde auch das vereinzelte Auffinden von Strohresten und Auflaufgetreide sprechen. Eine Anerkennung einer Umwandlung von Dauergrünland zu Ackerland müsse jedoch aufgrund der fehlenden flächendeckenden Beseitigung der Grasnarbe ausscheiden.

Mit Schreiben vom 2. Februar 2015 teilte die Staatliche Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten dem Kläger mit, dass sein Widerspruch nach Prüfung der Sach- und Rechtslage keine Aussicht auf Erfolg haben werde. Ein Umbruch des Dauergrünlandes könne nicht anerkannt werden, da keine chemische oder mechanische Zerstörung der Altgrasnarbe erfolgt sei. Es wurde Gelegenheit bis zum 4. März 2015 gegeben, den Widerspruch zurückzunehmen oder jedoch nochmals schriftlich Stellung zu nehmen.

Mit Schreiben vom 19. Februar 2015 teilte der Kläger mit, dass der Widerspruch aufrechterhalten werde. Er wies u. a. darauf hin, dass die Grasnarbe zum Zeitpunkt der Aussaat nach Grubbern und Bearbeitung mit der Kreiselegge vollständig zerstört gewesen sei. Durch das wüchsige Wetter im Spätsommer und Herbst hätten jedoch tiefwurzelnde Gräser und Kräuter wieder austreiben und sich bestocken können. Dies habe ein falsches Bild der gegenständlichen Flächen ergeben.

Der Widerspruch des Klägers wurde mit Widerspruchsbescheid der Staatlichen Führungsakademie für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten vom 17. März 2015 zurückgewiesen.

3. Mit seiner am 17. April 2015 erhobenen Klage - die zunächst auf eine Neufestsetzung der Ausgleichszulage unter Anerkennung der gegenständlichen Feldstücke als Ackerland gerichtet war - beantragt der Kläger zuletzt,

festzustellen, dass hinsichtlich der Feldstücke ... und ... aus dem Mehrfachantrag 2014 aufgrund eines klägerseitig im Jahr 2014 - vor dem 6. Juni 2014 - durchgeführten Umbruchs nicht mehr Dauergrünland, sondern nunmehr Ackerland gegeben ist.

Eine (vorbeugende) Feststellungsklage sei vorliegend ausnahmsweise zulässig, da der Kläger ein qualifiziertes Rechtsschutzinteresse geltend machen könne. Es sei dem Kläger nicht zumutbar, auf ein eventuelles behördliches Vorgehen oder nachfolgende Bescheide hinsichtlich der Anerkennung des durchgeführten Umbruchs zu warten und sich bis dahin erheblicher Rechtsunsicherheit auszusetzen. Der Kläger sei dringend darauf angewiesen, schnellstmöglich zu wissen, ob er die streitgegenständlichen Feldstücke in rechtmäßiger Weise als Ackerland bewirtschaften könne. So habe der Beklagte den Kläger zuletzt mit Schreiben vom 27. Oktober 2015 zur Abklärung der Förderfähigkeit um schriftliche Stellungnahme zur Nutzung der gegenständlichen Feldstücke im Jahr 2015 bis zum 4. November 2015 gebeten. Da der Beklagte dem Kläger für den Fall der weiteren Ackernutzung Sanktionen angedroht habe, habe der Kläger im Jahr 2015 bislang von einer Ackernutzung auf den betreffenden Feldstücken abgesehen. Hierdurch erleide der Kläger derzeit nicht unerhebliche wirtschaftliche Einbußen; die Nutzung als Acker für Winterweizen, Wintergerste und Winterraps sei jährlich um einen Betrag von etwa EUR 2.500,- lukrativer als eine bloße Wiesennutzung. Zugleich seien die Feldstücke für den Kläger jedenfalls derzeit auch nicht als Wiese nutzbar, da sich dort im Kern kein Wiesenaufwuchs, sondern überwiegend Unkraut befinde. Aktuell sei daher keinerlei Nutzung möglich und gegeben. Einer Feststellungsklage stehe auch die Subsidiaritätsklausel aus § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO nicht entgegen, da für eine vorrangige (Teil-)Anfechtungs- bzw. Verpflichtungsklage auf Festsetzung einer niedrigeren Ausgleichszulage - nach vorläufiger Einschätzung des Gerichts im richterlichen Hinweis vom 19. August 2015 - kein Rechtsschutzbedürfnis bestehe. Die Feststellungsklage sei auch begründet. Denn der Kläger habe hinsichtlich der Feldstücke 4, 21 und 24 durch im April 2014 erfolgten Umbruch eine rechtmäßige Nutzungsänderung von Dauergrünland (Code 451) zu Ackernutzung (Code 132) vollzogen. Der Umbruch sei vorliegend bereits vor Inkrafttreten der Bekanntmachung des Staatsministeriums für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten über die Genehmigungspflicht für den Umbruch von Dauergrünland am 6. Juni 2014 erfolgt. Die behördliche Annahme, ein Umbruch von Dauergrünland erfordere eine flächendeckende Beseitigung der Grasnarbe, sei rechtlich unzutreffend; eine entsprechende Rechts- oder Verwaltungsvorschrift sei nicht ersichtlich. Bei der Frage, ob ein Umbruch von Dauergrünland in Ackerland vorliegt, sei vielmehr darauf abzustellen, ob nach der Maßnahme noch eine Nutzung des Grundstücks als Dauergrünland in Betracht komme. Dies sei vorliegend zu verneinen. So sei zum Zeitpunkt der Aussaat der Sommergerste im April 2014 die Grasnarbe auf den streitgegenständlichen Grundstücken durch den Kläger vollständig zerstört worden; dies könne der Vater des Klägers bezeugen. Der Aussaatzeitpunkt werde auch durch die Schlagdokumentation gestützt, nach der der Kläger am 13. Mai 2014 als Pflanzenschutzmittel „Dash, Biathlon, Axial 50“ auf den gegenständlichen Flächen ausgebracht habe; die Anwendung von Unkraut- und Gräser-Vernichtungsmitteln mache bei Dauergrünland jedoch keinen Sinn. Jedenfalls bis zur Ernte der Sommergerste (Anfang August 2014) sei - wie vom Beklagten gefordert - die Grasnarbe größtenteils beseitigt und eine parallele Nutzung als „Wiese“ unmöglich gewesen. Die Annahme des Beklagten, es handele sich weiterhin um Dauergrünland, werde auch nicht durch die Ortseinsichten vom 24. September 2014 und 9. Oktober 2014 getragen. Hier übersehe der Beklage bereits, dass es im ersten Umbruchsjahr regelmäßig nach der Ernte zu einem grünlandähnlichen Aufwuchs komme, vor allem bei extensiver Bodenbearbeitung. Auch die vom Beklagten während den behördlichen Ortseinsichten gefertigten Lichtbilder rechtfertigten nicht den Schluss, dass der Wiesencharakter „eindeutig überwiege“. Vielmehr sei auch nach Einschätzung des Beklagten eine (vollumfängliche) mechanische Bearbeitung der Flächen zu erkennen. Die Lichtbilder ließen überdies nicht den Schluss zu, dass die ursprüngliche Grasnarbe noch zu 70 bis 80 v. H. vorhanden sei; denn ein Großteil des auf den Lichtbildern ersichtlichen Grüns sei richtigerweise auf aufgegangene Gerstenpflanzen aus dem Ausfallgetreide zurückzuführen. Auf den vom Kläger selbst Anfang November 2014 gefertigten Lichtbildern sei insoweit gut zu erkennen, dass der Anteil der ursprünglichen Grasnarbe deutlich unter 50 v. H. liege. Auch der vom Kläger beauftragte landwirtschaftliche Schätzer des Bayerischen Bauernverbands habe in seiner Stellungnahme vom 6. November 2014 ausgeführt, dass der vorhandene Graswuchs von der Vorfrucht und aus der Tatsache herrühre, dass die Grundstücke schon vor langer Zeit bearbeitet worden seien; dementsprechend gelange der landwirtschaftliche Schätzer - der als Zeuge angeboten werde - zu dem Ergebnis, dass es sich bei den gegenständlichen Flächen um Acker- und nicht um Wiesenflächen handele. All dies könne auch - soweit erforderlich - durch ein gerichtliches Sachverständigengutachten belegt werden. Letztlich sei ohnehin nicht entscheidend, zu welchem Prozentsatz die ursprüngliche Grasnarbe bei den behördlichen Ortseinsichten im September/Oktober 2014 noch vorhanden gewesen sei; maßgeblich sei vielmehr, welche Hauptnutzung auf den gegenständlichen Flächen im Antragsjahr 2014 vorgeherrscht habe. Vor diesem Hintergrund seien auch aktuelle Ortseinsichten der Landwirtschaftsverwaltung von vornherein irrelevant; naturgemäß habe der Pflanzenbewuchs auf den fraglichen Feldstücken aufgrund der angesichts der Rechtsunsicherheit unterbliebenen Ackerlandnutzung zwischenzeitlich wieder deutlich zugenommen, wenngleich weiterhin ein deutlicher Farbunterschied zu den benachbarten Wiesenflächen bestehe. Nach alledem sei vorliegend die Hauptnutzung im allein maßgeblichen Jahr 2014 der Anbau von Sommergerste gewesen; der Kläger habe insoweit im Jahr 2014 nach Ernte mit eigenen Maschinen schätzungsweise einen Ertrag von 100 dt bzw. 29 dt/ha erzielt. Das betreffende Erntegut sei nicht verkauft worden, da es die erforderlichen Qualitätskriterien nicht erfüllt habe; stattdessen sei es zunächst auf dem Hof des Klägers eingelagert und sodann an die eigenen Tiere verfüttert worden. Die auf dem Feldstück ... geerntete Sommergerste sei hingegen von besserer Qualität gewesen und daher ausweislich eines Gutschriftbelegs vom 27. August 2014 an die ... AG verkauft worden (Anlieferung: 8.8.2014; Menge: ca. 17.000 kg; Proteingehalt: 11,5 v. H.; Erlös: EUR 3.285,60). Der niedrige Proteingehalt belege, dass die verkaufte Sommergerste vom Feldstück ... stamme; denn ein solcher sei auf Umbruchland aufgrund der zu hohen natürlichen Stickstoffversorgung nicht zu erzielen. Der Anbau von Sommergerste im Jahr 2014 auf den Feldstücken ... und ... werde im Kern auch durch den Beklagten nicht bestritten, der jedoch sodann - in sich widersprüchlich - zu dem mit einem Anbau von Sommergerste unvereinbaren Ergebnis gelange, die Hauptnutzung 2014 sei gleichwohl Dauergrünland gewesen.

4. Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Es sei kein anerkennungsfähiger Grünlandumbruch gegeben. Der Kläger selbst habe im ursprünglichen Mehrfachantrag vom 20. April 2014 die maßgebliche Hauptnutzung der gegenständlichen Flächen als „Wiese“ (Code 451) angegeben. Bereits die klägerische Begründung für die - entgegen den Merkblättern zur Mehrfachantragstellung - nicht unverzügliche schriftliche Nachmeldung der Nutzungsänderung überzeuge nicht; ausweislich des Lieferbelegs über das Saatgut für die Sommergerste vom 22. April 2014 sowie den klägerischen Einlassungen hätten der Umbruch und die Aussaat am 25. April 2014 - und damit nur fünf Tage nach Stellung des Mehrfachantrags vom 20. April 2014 - stattgefunden. Bei den behördlichen Ortseinsichten vom 24. September 2014 und 9. Oktober 2014 sei zudem festgestellt worden, dass auf den Flächen die Grünlandnarbe - bezogen auf die Gesamtfläche - noch zu 70 - 80 v. H. erhalten gewesen sei; auf die in diesem Rahmen gefertigten Lichtbilder werde verwiesen. Der Kläger selbst habe hierzu in seinem Schreiben vom 30. November 2014 eingeräumt, dass selbst eine Unkrautbekämpfung am 13. Mai 2014 den enormen Ungräserdruck nicht mindern habe können und dass ein Grubbern erst nach erfolgtem Mulchen der Flächen möglich gewesen sei. Bei dem vorhandenen Bewuchs handele es sich auch - entgegen der Auffassung des Klägers - nicht um aufgegangene Gerstenpflanzen aus dem Ausfallgetreide. Ein Umbruch von Dauergrünland erfordere eine chemische oder mechanische Zerstörung der Altgrasnarbe. Im Fall des Klägers sei jedoch die Grasnarbe weder vor Aussaat der Sommergerste 2014 noch nach der Ernte soweit beseitigt worden, dass eine Ackernutzung nach guter landwirtschaftlicher Praxis möglich sei. Es seien auf den gegenständlichen Feldern - anders als auf den umliegenden Flächen - auch nur vereinzelt Strohreste und Auflaufgetreide festzustellen gewesen. Das vom Kläger angegebene Ertragsniveau von 29 dt/ha bzw. 100 dt insgesamt sei daher nicht nachvollziehbar; es seien insoweit vom Kläger weder eine Erklärung noch ein Nachweis über die Verwendung bzw. den Verkauf des Ernteguts vorgelegt worden. Es überwiege letztlich eindeutig der „Wiesencharakter“ der betroffenen Flächen, so dass die maßgebliche Flächen im Jahr 2014 und auch weiterhin fachlich als Dauergrünland i. S. d. Unionsrechts einzustufen seien. Dieser Status bestehe auf diesen Flächen mindestens seit 2008. Diese Einschätzung habe im Verwaltungs- bzw. Widerspruchsverfahren auch das im Fall des Klägers beteiligte Staatsministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten geteilt. Auch eine Ortseinsicht vom 2. Oktober 2015 durch das Amt für Landwirtschaft und Forsten ... habe dies nochmals bestätigt. Demzufolge sei die Grasnarbe weitestgehend geschlossen, teilweise seien Wiesenverunkrautung und sehr ausgeprägte Trockenschäden vorhanden. Auch der Zustand zweier im Umfeld von Feldstück Nr. ... befindlicher Vergleichsflächen belege die zutreffende Einordnung als Dauergrünland. Aktuell erfolge auf den gegenständlichen Flächen keine Nutzung des Aufwuchses. Ob im Frühjahr 2015 eine Nutzung erfolgt sei, könne nicht mehr eindeutig beantwortet werden. Nach fachlicher Stellungnahme des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ... vom 13. Oktober 2015 sei auch nicht davon auszugehen, dass die gegenständlichen Feldstücke durch den Kläger vor dem 6. Juni 2014 umgebrochen worden seien.

5.Im Mehrfachantrag 2015 des Klägers ist die Nutzung der Feldstücke ... und ... erneut als „Wiese“ (Code 451) angegeben, die Nutzung des Feldstücks ... ist mit „Wintergerste“ (Code 131) ausgewiesen.

6. Die Gerichtsakten und die vorgelegten Verwaltungsakten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Entscheidungsgründe:

Die Klage hat Erfolg.

1. Die zuletzt erhobene (vorbeugende) Feststellungsklage i. S. v. § 43 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist zulässig und begründet.

Maßgeblich für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage ist bei der (vorbeugenden) Feststellungsklage der Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung (vgl. BayVGH, U.v. 27.3.2012 - 22 BV 11.2175 - juris Rn. 44; VG München, U. v. 31.3.2009 - M 16 K 07.4837 - juris Rn. 36).

a) Die (vorbeugende) Feststellungsklage i. S.v. § 43 VwGO ist zulässig.

Eine Feststellung i.R.v. § 43 VwGO kann nicht begehrt werden, soweit ein Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann (Subsidiarität, § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO). Deshalb ist eine Gewährung vorbeugenden Rechtsschutzes gegen drohende künftige Verwaltungsakte in Form einer vorbeugenden Feststellungsklage grundsätzlich unzulässig. Etwas anderes gilt im Lichte von Art. 19 Abs. 4 des Grundgesetzes (GG) ausnahmsweise nur dann, soweit ein Kläger im Einzelfall ein qualifiziertes, auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzinteresse geltend machen kann. Ein solches ist gegeben, wenn der Betroffene nicht in zumutbarer Weise auf den von der Verwaltungsgerichtsordnung als grundsätzlich angemessen und ausreichend angesehenen nachträglichen Rechtsschutz - einschließlich der Verfahren nach §§ 80 und 123 VwGO - gegen die befürchtete Beeinträchtigung verwiesen werden kann. Ein schutzwürdiges anzuerkennendes Interesse für eine vorbeugende Feststellungsklage besteht dann, soweit die Rechtslage nicht geklärt ist mit der Folge, dass der Kläger entweder ein Recht, das ihm seines Erachtens zusteht, nicht ausüben oder er sich der Gefahr aussetzen muss, dass die unerlaubte Tätigkeit mit einer Geldbuße oder einem Strafverfahren geahndet wird. Soweit ein bestimmtes Verhalten eines Bürgers bereits erfolgt und insoweit zwischen ihm und der Behörde streitig ist, ob das Verhalten mit geltendem Recht vereinbar ist, kann zudem eine vorbeugende Feststellungsklage zulässig sein, soweit sie allgemein der Rechtssicherheit dient; denn mit der angestrebten gerichtlichen Feststellung wird der Bürger in die Lage versetzt, sein betriebliches Verhalten hierauf auszurichten - sei es durch Unterlassen oder durch Fortführung des Verhaltens. Überdies ist bei Rechtsverhältnissen, die wiederholt auftreten, deren Bestehen oder Nichtbestehen also nicht nur einmalig von Interesse ist, nachträglicher Rechtsschutz durch die in Betracht kommende Gestaltungs- oder Leistungsklage der Feststellungsklage in Reichweite und Effektivität nicht gleichwertig (vgl. zum Ganzen: BVerwG, B.v. 19.5.2015 - 3 B 6/14 - juris Rn. 14; U.v. 24.10.2013 - 7 C 13/12 - LRE 67, 16 - juris Rn. 41; B.v. 12.6.2008 - 7 B 24/08 - DÖV 2008, 919 - juris Rn. 10 f.; BayVGH, U.v. 24.4.2015 - 3 BV 13.834 - juris Rn. 66; U.v. 5.8.2014 - 10 BV 13.2020 - juris Rn. 20; B.v. 3.12.2013 - 9 ZB 10.2613 - juris Rn. 5; U.v. 28.1.2003 - 24 B 02.322 - BayVBl 2004, 112 - juris Rn. 11; RhPfOVG, U.v. 25.3.2014 - 6 A 10966/13 - IBR 2014, 646 - juris Rn. 22).

Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze ist die vorbeugende Feststellungsklage vorliegend zulässig. Der Kläger hat das hierfür erforderliche qualifizierte Rechtsschutzinteresse insoweit dargetan, als ihm nicht zugemutet werden kann, auf einen nachträglichen Rechtsschutz verwiesen zu werden. Ausweislich des Verwaltungsverfahrens ist zwischen den Beteiligten strittig, ob der Kläger in tatsächlicher Hinsicht vor dem 6. Juni 2014 auf den gegenständlichen Flächen Nr. ... und ... eine Umwandlung von Dauergrünland zu Ackerland vollzogen hat und welche Nutzung dort künftig rechtlich zulässig ist. Die erhobene vorbeugende Feststellungsklage dient somit der Herstellung von Rechtssicherheit und ermöglicht es dem Kläger, nach Klärung der Sach- und Rechtslage sein künftiges betriebliches Verhalten - die Bewirtschaftungsform der gegenständlichen Flächen - entsprechend auszurichten. Auch das Bundesverwaltungsgericht hat in einem landwirtschaftlichen Fall ein berechtigtes Interesse eines Klägers an der Feststellung, dass es sich bei einer Fläche nicht um Dauergrünland handelt, bejaht, wobei dort als Begründung maßgeblich war, dass die Fläche als Ackerland für einen höheren Pachtzins verpachten werden könnte (BVerwG, B.v. 15.11.2012 - 3 C 22/11 - juris Rn. 4 und 20).

b) Die (vorbeugende) Feststellungsklage ist auch begründet.

Grund hierfür ist, dass die streitgegenständlichen Flächen unter Anwendung der maßgeblichen unionsrechtlichen Legaldefinitionen nunmehr als Ackerland und nicht mehr als Dauergrünland zu qualifizieren sind.

aa) Der Begriff „Landwirtschaftliche Fläche“ umfasst gemäß Art. 4 Abs. 1 lit. e der Verordnung (EG) Nr. 1307/2013 vom 17. Dezember 2013 mit Vorschriften über Direktzahlungen an Inhaber landwirtschaftlicher Betriebe im Rahmen von Stützungsregelungen der Gemeinsamen Agrarpolitik und zur Aufhebung der Verordnung (EG) Nr. 637/2008 des Rates und der Verordnung (EG) Nr. 73/2009 des Rates jede Fläche, die als Ackerland, Dauergrünland und Dauerweideland oder mit Dauerkulturen genutzt wird. Eine im Kern inhaltsgleiche Definition enthielt bereits Art. 2 lit. a der Verordnung (EG) Nr. 795/2004 vom 21. April 2004. Dauerkulturen sind nach Art. 4 Abs. 1 lit. g VO (EG) Nr. 1307/2013 nicht in die Fruchtfolge einbezogene Kulturen außer Dauergrünland und Dauerweideland, die für die Dauer von mindestens fünf Jahren auf den Flächen verbleiben und wiederkehrende Erträge liefern, einschließlich Reb- und Baumschulen und Niederwald mit Kurzumtrieb (vgl. bereits die im Kern inhaltsgleiche Vorschrift des Art. 2 lit. c VO (EG) Nr. 795/2004).

Als Ackerland gelten gemäß Art. 4 Abs. 1 lit. f VO (EG) Nr. 1307/2013 für den Anbau landwirtschaftlicher Kulturpflanzen genutzte Flächen oder für den Anbau landwirtschaftlicher Kulturpflanzen verfügbare, aber brachliegende Flächen, einschließlich stillgelegter Flächen gemäß den Art. 22, 23 und 24 der Verordnung (EG) Nr. 1257/1999, dem Art. 39 der Verordnung (EG) Nr. 1698/2005 und dem Art. 28 der Verordnung (EU) Nr. 1305/2013, unabhängig davon, ob sich diese Flächen unter Gewächshäusern oder anderen festen oder beweglichen Abdeckungen befinden oder nicht. Eine im Kern inhaltsgleiche Definition enthielten bereits Art. 2 lit. a der Verordnung (EG) Nr. 1120/2009 vom 29. Oktober 2009 sowie Art. 2 lit. b VO (EG) Nr. 795/2004 i. V. m. Art. 2 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 vom 21. April 2004 (vgl. zum Ganzen: EuGH, U.v. 2.10.2014 - Rs. C-47/13 - juris Rn. 30; VG Augsburg, U.v. 29.7.2008 - Au 3 K 07.1674 - juris Rn. 22).

Nach Art. 4 Abs. 1 lit. h VO (EG) Nr. 1307/2013 gelten hingegen als Dauergrünland Flächen, die durch Einsaat oder auf natürliche Weise (Selbstaussaat) zum Anbau von Gras oder anderen Grünfutterpflanzen genutzt werden und seit mindestens fünf Jahren nicht Bestandteil der Fruchtfolge des landwirtschaftlichen Betriebs sind; es können dort auch andere Pflanzenarten wachsen wie Sträucher und/oder Bäume, die abgeweidet werden können, sofern Gras und andere Grünfutterpflanzen weiterhin vorherrschen; sowie ferner - wenn die Mitgliedstaaten dies beschließen - Flächen, die abgeweidet werden können und einen Teil der etablierten lokalen Praktiken darstellen, wo Gras und andere Grünfutterpflanzen traditionell nicht in Weidegebieten vorherrschen. Eine im Kern inhaltsgleiche Definition enthielten bereits Art. 2 lit. c VO (EG) Nr. 1120/2009 sowie Art. 2 lit. e VO (EG) Nr. 795/2004 i. V. m. Art. 2 Abs. 2 VO (EG) Nr. 796/2004 (vgl. zum Ganzen: BVerwG, B.v. 29.6.2015 - 3 B 46/14 - juris Rn. 8; B.v. 15.11.2012 - 3 C 22/11 - juris Rn. 19; OVG Berlin-Brandenburg, U.v. 16.12.2013 - OVG 3 B 7.13 - juris Rn. 38; VG Augsburg, U.v. 18.6.2010 - Au 3 K 08.807 - juris Rn. 48 f.; EuGH, U.v. 2.10.2014 - Rs. C-47/13 - juris Rn. 30).

Für die (fortdauernde) rechtliche Einstufung als „Dauergrünland“ i. S.v. Art. 4 Abs. 1 lit. h VO (EG) Nr. 1307/2013 ist die tatsächliche Nutzung oder Widmung der betreffenden Flächen maßgeblich; insoweit sind weder ein Wechsel der Grasart noch im Übrigen das angewandte technische Verfahren wie Umpflügen oder Einschlitzen - d. h. ein erfolgter physischer Umbruch als solcher - von Relevanz. Der Begriff der „Fruchtfolge“ im Bereich der Agrarstatistik - vgl. Ziffer 2.01 des Anhangs II der VO (EG) Nr. 1200/2009 - ist aufgrund unterschiedlicher Regelungszwecke auf den Bereich der Direktzahlungen, in dem eine Definition der „Fruchtfolge“ fehlt, grundsätzlich nicht übertragbar; eine die Dauergrünlanddefinition ausschließende Fruchtfolge ist nur dann anzunehmen, wenn eine andere Kulturpflanze als eine Grünfutterpflanze angebaut wird (vgl. zum Ganzen: EuGH, U.v. 2.10.2014 - Rs. C-47/13 - juris Rn. 33/35/39 f.; U.v. 2.7.2015 - Rs. C-422/13 - juris Rn. 36; U.v. 2.7.2015 - Rs. C-684/13 - juris Rn. 56; U.v. 14.10.2010 - Rs. C-61/09 - juris Rn. 37; Generalanwältin Sharpston, Schlussanträge v. 30.4.2014 - Rs. C-47/13 - Rn. 40/43 f./52/66; BVerwG, B.v. 15.11.2012 - 3 C 22/11 - juris Rn. 24 f./27 f.; OVG SH, U.v. 2.6.2015 - 2 LB 20/14 - juris Rn. 42; VG Koblenz, U.v. 17.11.2008 - 4 K 2063/07.KO - juris Rn. 28).

Soweit demgegenüber z. T. vertreten wird, dass als „Umbruch“ von Dauergrünland bereits jede bodenbearbeitende Maßnahme zu qualifizieren sei, die zu einer mechanischen und flächigen Zerstörung der Grasnarbe führt (so etwa Landtag SH, amtliche Gesetzesbegründung zum Dauergrünlanderhaltungsgesetz SH, LT-Drs. SH 18/890 v. 5.6.2013, S. 44), so ist dem mit Blick auf die allein maßgebliche Definition von Dauergrünland in Art. 4 Abs. 1 lit. h VO (EG) Nr. 1307/2013 und die Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs hierzu nicht zu folgen. Für einen „Grünlandumbruch“ muss vielmehr das betreffende Feldstück im Wege des Bestellens mit einer Kulturpflanze Bestandteil der Fruchtfolge des landwirtschaftlichen Betriebs werden (vgl. zum Ganzen: NdsOVG, B.v. 27.10.2015 - 10 LA 39/15 - juris Rn. 2-6; VG Stade, U.v. 15.7.2015 - 6 A 59/14).

Ein geringerer Ernteertrag als bei intensiver Bewirtschaftung steht der Annahme einer landwirtschaftlichen Tätigkeit i. S. v. Art. 4 Abs. 1 lit. c VO (EG) 1307/2013 - und damit der Annahme von Dauergrünland - nicht entgegen; denn der Begriff der landwirtschaftlichen Tätigkeit setzt keinen bestimmten Ertrag oder ihre Wirtschaftlichkeit voraus (vgl. NdsOVG, U.v. 20.12.2011 - 10 LC 174/09 - juris Rn. 54; VG Meiningen, U.v. 15.5.2012 - 2 K 274/10 - juris Rn. 31). Für eine Einstufung als Dauergrünland ist ebenfalls unschädlich, soweit eine tatsächlich landwirtschaftlich genutzte Fläche gleichzeitig auch und ggf. sogar überwiegend anderen Zwecken - etwa der Landschaftspflege oder dem Naturschutz - dient (vgl. EuGH, U.v. 14.10.2010 - C-61/09 - juris; VG Gera, U.v. 31.5.2012 - 5 K 1729/10 Ge - juris Rn. 43).

Da sich das Verhältnis von Dauergrünland zu landwirtschaftlich genutzter Fläche im Freistaat Bayern um mehr als 5 v. H. bezogen auf das Verhältnis im Referenzjahr 2003 i. S.v. Art. 3 Abs. 4 der Verordnung (EG) Nr. 1122/2009 verringert hat, bedarf gemäß § 10 Abs. 1 der Verordnung zur Umsetzung der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik (BayGAPV) seit 6. Juni 2014 jeglicher Umbruch von Dauergrünland der vorherigen Genehmigung durch das örtlich zuständige Amt für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten. Die Genehmigungspflicht besteht u. a. für alle landwirtschaftlichen Betriebsinhaber, die im Jahr 2014 oder 2015 EU-Direktzahlungen, Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten, Bayerisches Kulturlandschaftsprogramm oder Bayerisches Vertragsnaturschutzprogramm beantragen (vgl. zum Ganzen: StMELF, Bek. v. 15.12.2014, Az. Z4-8602-1/34; Bek. v. 3.6.2014, Az. Z4-8602-1/15).

Hinsichtlich der materiellen Beweislast gilt auch im Öffentlichen Recht das sogenannte „Günstigkeitsprinzip“; danach trägt jeder Beteiligte den Rechtsnachteil für eine - trotz Ausschöpfung aller Möglichkeiten der Amtsermittlung verbliebene - Unerweislichkeit der ihm günstigen Tatbestandsmerkmale einer Norm, auf die er sich beruft (vgl. OVG LSA, U.v. 4.6.2014 - 3 L 230/13 - juris Rn. 71). Hieraus folgt, dass die Unerweislichkeit einer Umwandlung von Dauergrünland in Ackerland - oder des Zeitpunkts dieser Umwandlung - grundsätzlich zulasten eines Klägers geht, der diesen für ihn günstigen Sachverhalt unter Abweichung von seinen eigenen Angaben im zuvor eingereichten Mehrfachantrag behauptet.

Den Äußerungen des Amtes für Landwirtschaft als Fachbehörde kommt zudem im verwaltungsgerichtlichen Verfahren besonderes Gewicht zu; eine durch einen Kläger hiergegen ins Feld geführte Stellungnahme von dritter Seite - etwa des Bayerischen Bauernverbands - oder bloße abweichende eigene Auffassungen vermögen die Bewertung durch diese Fachbehörde, die aufgrund ständiger Befassung mit den gegenständlichen Fragen über besondere Sachkunde verfügt, nicht zu entkräften (vgl. BayVGH, U.v. 27.11.2012 - 22 A 09.40034 - juris Rn. 46).

bb) Unter Berücksichtigung obiger Grundsätze ist im vorliegenden Fall davon auszugehen, dass die gegenständlichen Feldstücke Nr. ... und ... des Mehrfachantrags 2014 des Klägers nicht länger als Dauergrünland i. S. v. Art. 4 Abs. 1 lit. h VO (EG) Nr. 1307/2013 zu qualifizieren sind; es ist vielmehr insoweit nunmehr Ackerland i. S. v. Art. 4 Abs. 1 lit. f VO (EG) Nr. 1307/2013 gegeben.

Grund hierfür ist, dass zur Überzeugung des Gerichts feststeht, dass der Kläger auf den gegenständlichen Feldstücken im Jahr 2014 tatsächlich Sommergerste angebaut hat.

Insoweit ist auf die nachvollziehbaren und schlüssigen Angaben des Klägers in der mündlichen Verhandlung vom 1. Dezember 2015 zu verweisen. Der Kläger hat insoweit dargelegt, dass sein Vater im Februar 2014 im Krankenhaus war, anschließend hat er sich in Kur bis 15. April 2014 befunden. Als er aus der Kur kam, hat sich sodann gezeigt, dass er in der Landwirtschaft nicht mehr wesentlich mitarbeiten konnte. Nachdem der Kläger als Nebenerwerbslandwirt der Auffassung war, den Betrieb allein kaum in der bisherigen Form bewirtschaften zu können, hat er sich sodann entschlossen, die tierische Produktion einzustellen und künftig ausschließlich noch Ackerbau zu betreiben. Der Kläger hat sodann den Entschluss gefasst, auf dem gegenständlichen Grünland der Feldstücke Nr. ... und ... nunmehr - wie bereits auf dem Feldstück Nr. ... (..., Aussaat bereits im März 2014 mit eigenem, aus der Vorjahresernte abgezweigtem Saatgut) - Sommergerste anzubauen. Auf den fraglichen Feldstücken hat er zunächst das Gras abgemäht und die Oberfläche mit dem Grubber aufgerissen. Am 25. April 2014 hat er sodann die Sommergerste gesät. In der Folge hat er die Flächen sodann relativ normal bewirtschaftet und diese im ersten Drittel des Monats August 2014 mit eigenen Maschinen abgeerntet, nachdem er auch das weitere mit Sommergerste bepflanzte Feldstück Nr. ... (...) abgeerntet hatte. Der Kläger hat sodann das Stroh abgefahren und wollte die Feldstücke dann noch mit dem Grubber bearbeiten. Wegen des vorhandenen Unkrauts und der Gräser war dies jedoch nicht möglich. Er hat dann den „Wasen“ zusammengeschoben und die Flächen dann noch mit der Kreiselegge bearbeitet und den „Wasen“ eingearbeitet. Er wollte dann die Flächen noch abspritzen, doch ist es dazu wegen der Intervention des Landwirtschaftsamts nicht mehr gekommen. Da die Qualität der geernteten Sommergerste relativ schlecht war, hat der Kläger die Gerste gebrochen und dann an seine Rinder verfüttert. Bis Anfang 2016 strebt der Kläger grundsätzlich den Abbau seines Rinderbestands auf Null an; der exakte Zeitpunkt der Einstellung der Rinderhaltung ist nach seinen Angaben auch eine Frage der jeweiligen Höhe des Fleischpreises.

Dieser klägerische Vortrag wird durch den Akteninhalt im Kern gestützt. Insoweit ist zunächst auf den Lieferschein für 450 kg Saatgut für Sommergerste (Sorte „Grace“) vom 22. April 2014 zu verweisen (Blatt 6 der Verwaltungsakte). Insoweit hat der Kläger plausibel dargelegt, dass er für das Feldstück Nr. ... (...) kein Saatgut ankaufen musste, da er insoweit Teile der dortigen Vorjahresernte zurückbehalten hatte. Für die Feldstücke ... und ... galt dies jedoch nicht, da er erst im April 2014 den Entschluss zum Anbau von Sommergerste auf diesen Flächen gefasst hatte. Auch die auf dem Lieferschein vom 22. April 2014 vermerkten 1.640 kg NPK-Dünger „15-13-13“ stützen die Darstellung des Klägers, da der von ihm vorgelegten Schlagdokumentation für die Feldstücke ... und ... (Blatt 3-5 der Verwaltungsakte) zu entnehmen ist, dass er am 26. April 2014 eben dieses Düngemittel „NPK15-13-13“ in einer entsprechenden Menge von 450 kg/ha (insgesamt mithin 3,39 ha x 450 kg  1.525,5 kg) auf die fraglichen Feldstücke aufgebracht hat. Auch der Stellungnahme des landwirtschaftlichen Schätzers des Bayerischen Bauernverbands vom 6. November 2014 (Blatt 47 der Verwaltungsakte) ist zu entnehmen, dass bei einer Ortseinsicht am 3. November 2014 Strohreste und Ausfallgetreide von der Ernte festzustellen gewesen seien. Auch eine mechanische Bearbeitung mit Grubber und Kreiselegge sei erkennbar gewesen, so dass im Ergebnis Ackerflächen gegeben seien. Dass das Erntegut von den gegenständlichen Feldstücken wohl qualitativ nicht hochwertig gewesen und daher durch den Kläger nicht verkauft, sondern an die eigenen Tiere verfüttert worden ist, erscheint angesichts der - unstreitig - schwierigen Anbauverhältnissen auf den gegenständlichen Flächen (u. a. starke Verunkrautung und Vergrasung) durchaus plausibel; ausweislich der Viehverzeichnisse 2014 und 2015 (Blatt 140 und 156 der Gerichtsakte) verfügte der Kläger im Jahr 2014 auch mit ca. 30 weiblichen Rindern über ausreichend Tiere, an die die geerntete Sommergerste von den Feldstücken ... und ... verfüttert werden konnte. Ein Erntezeitpunkt Anfang August 2014 für die Feldstücke ... und ... erscheint auch plausibel, da dieser in etwa mit dem Datum des 8. August 2014 übereinstimmt, an dem laut Beleg vom 27. August 2014 (Blatt 179-181 der Gerichtsakte) die auf dem Feldstück ... geerntete Sommergerste bei einem landwirtschaftlichen Handelsunternehmen angeliefert worden ist. Dass der Kläger in seinem Mehrfachantrag 2015 die Nutzung der gegenständlichen Flächen ... und ... erneut als Dauergrünland angegeben hat (Blatt 161, 172 und 175 der Gerichtsakte), dürfte hingegen nicht als widersprüchliches Verhalten auszulegen sein, sondern vielmehr seine Ursache in der zum Zeitpunkt der Antragstellung im April 2015 fortbestehenden rechtlichen Unsicherheit über die künftige Einstufung der Flächen finden. Ebenfalls stellt der telefonische Besprechungstermin des Klägers mit der Landwirtschaftsverwaltung am 28. April 2014 (vgl. Blatt 1 und 53 der Verwaltungsakte) - und eine etwaige Nichterwähnung der bereits am 25. April 2014 begonnenen Nutzungsänderungen durch den Kläger in diesem Rahmen - den tatsächlichen Anbau von Sommergerste im Jahr 2014 nicht grundsätzlich in Frage; denn ein diesbezüglicher Gesprächsvermerk findet sich insoweit in den Verwaltungsakten nicht, so dass der Gesprächsinhalt letztlich offen bleibt.

Auch seine für die Aufgabe der Dauergrünlandnutzung auf den gegenständlichen Feldstücken ursächliche Entscheidung, den Rinderbestand aufzugeben, hat der Kläger in der mündlichen Verhandlung hinreichend plausibel unter Bezugnahme auf den Gesundheitszustand seines Vaters dargelegt. Zwar hat der Kläger auf Hinweis des Landwirtschaftsamts eingeräumt, im Jahr 2014 auch noch vier neue Rinder erworben zu haben; grundsätzlich strebt er jedoch weiterhin - abhängig von den Preisen am Fleischmarkt - ein Ende der Rinderhaltung in seinem Betrieb bereits zu Beginn des Jahres 2016 an.

Den grundsätzlichen Anbau von Sommergerste auf den gegenständlichen Feldstücken im Jahr 2014 stellt letztlich auch die Landwirtschaftsverwaltung des Beklagten nicht in Abrede. Bereits im Ergebnisvermerk des Amtes für Landwirtschaft und Forsten ... zur Ortseinsicht vom 9. Oktober 2014 (Blatt 32 der Verwaltungsakte) ist insoweit ausdrücklich ausgeführt, dass eine „mechanische Bearbeitung und der Anbau von Getreide erkennbar [sind]“. Auch dem internen Vorlagevermerk des Amtes für Landwirtschaft und Forsten ... an die Widerspruchsbehörde vom 15. Dezember 2014 (Blatt 66 der Verwaltungsakte) ist zu entnehmen, dass auf „den beantragten Flächen eine mechanische Bearbeitung durchgeführt [wurde]“ und für „den Anbau von Sommergerste … die, wenn auch nur vereinzelt auffindbaren, Strohreste und Auflaufgetreide [sprechen]“. Diese Einschätzungen hat der betreffende Mitarbeiter des Amtes für Landwirtschaft und Forsten ... auf Nachfrage des Gerichts in der mündlichen Verhandlung vom 1. Dezember 2015 auch ausdrücklich aufrechterhalten. Er hat ferner angegeben, einheitlich auf allen Feldstücken vereinzelt Strohreste und vereinzelt gekeimte Gerstenkörner (Ausfallgetreide) festgestellt zu haben.

Der Anbau einer Kulturpflanze - hier Sommergerste - führt jedoch dazu, dass die Definition von Dauergrünland aus Art. 4 Abs. 1 lit. h VO (EG) Nr. 1307/2013 nicht länger gegeben ist. Denn die Nichteinbeziehung in die Fruchtfolge des landwirtschaftlichen Betriebs seit mindestens fünf Jahren als (negatives) Tatbestandsmerkmal der Dauergrünlanddefinition ist nicht länger gegeben. Es handelt sich insoweit vielmehr um für den Anbau landwirtschaftlicher Kulturpflanzen - hier Sommergerste - genutzte Flächen und damit um Ackerland i. S.v. Art. 4 Abs. 1 lit. f VO (EG) Nr. 1307/2013.

Das seitens der Landwirtschaftsverwaltung im Verwaltungs- und Gerichtsverfahren maßgeblich herangezogene Erfordernis einer vollflächigen Zerstörung der Grasnarbe ist hingegen für das Vorliegen einer rechtlichen Umwandlung von Dauergrünland zu Ackerland - wie ausgeführt - nicht von unmittelbarer Relevanz; allein maßgeblich sind insoweit die Legaldefinitionen in Art. 4 Abs. 1 VO (EG) Nr. 1307/2013 (vgl. zum Ganzen: NdsOVG, B.v. 27.10.2015 - 10 LA 39/15 - juris Rn. 2-6; VG Stade, U.v. 15.7.2015 - 6 A 59/14). Der Zustand der Grasnarbe kann insoweit allenfalls ein fachliches Indiz für oder gegen den Anbau einer Kulturpflanze - nicht jedoch ein konstitutives Tatbestandsmerkmal für einen „Grünlandumbruch“ im Rechtssinne - darstellen.

Ebenfalls nicht von Relevanz ist der zwischen den Beteiligten wohl ebenfalls unstrittige Umstand, dass der Kläger den Anbau der Sommergerste im Jahr 2014 - wohl im Kern aufgrund der schwierigen Anbauverhältnisse auf den bisherigen Grünlandflächen - nur sehr extensiv und mit einem vergleichsweise geringen Ernteertrag minderer Qualität betrieben hat. Denn auch Unwirtschaftlichkeit oder ein geringer Ernteertrag stehen - wie ausgeführt - der Annahme einer landwirtschaftlichen Tätigkeit i. S.v. Art. 4 Abs. 1 lit. c VO (EG) 1307/2013 nicht entgegen (vgl. zum Ganzen: NdsOVG, U.v. 20.12.2011 - 10 LC 174/09 - juris Rn. 54; VG Meiningen, U.v. 15.5.2012 - 2 K 274/10 - juris Rn. 31).

Vor dem Hintergrund der grundsätzlichen rechtlichen Irrelevanz von Grasnarbenzustand, Wirtschaftlichkeit und Ertrag für eine Umwandlung von Dauergrünland in Ackerland geht auch der Einwand der Landwirtschaftsverwaltung fehl, dass es sich vorliegend um einen „gescheiterten“ Versuch einer Fruchtfolge gehandelt habe. Insoweit sei nochmals betont, dass allein der Anbau einer Kulturpflanze - etwa Getreide - grundsätzlich bereits eine Fruchtfolge i. S. v. Art. 4 Abs. 1 lit. h VO (EG) Nr. 1307/2013 darstellt; hiervon wären wohl allein von vornherein gänzlich untaugliche Anbauversuche auszunehmen, bei denen insbesondere keine Ernte möglich ist.

cc) Es ist auch davon auszugehen, dass die Umwandlung von Dauergrünland zu Ackerland vorliegend vor dem 6. Juni 2014 - dem Zeitpunkt des Inkrafttretens der diesbezüglichen Genehmigungspflicht im Freistaat Bayern - erfolgt ist.

Denn steht zur Überzeugung des Gerichts fest, dass vorliegend im Jahr 2014 durch den Kläger grundsätzlich ein Anbau von Sommergerste - und damit eine Umwandlung von Dauergrünland zu Ackerland - erfolgt ist (siehe hierzu oben unter Ziffer 1.b.bb), so ist auch davon auszugehen, dass die Sommergerste - wie vom Kläger nachvollziehbar und schlüssig vorgetragen - vor dem 6. Juni 2014 ausgesetzt wurde. Eine Aussaat der Sommergerste erst nach diesem Zeitpunkt würde aus landwirtschaftlicher Sicht fernliegen und nicht sachgerecht sein, da eine Ernte sodann nicht mehr möglich wäre. Dies hat auch der Vertreter des Amtes für Ernährung, Landwirtschaft und Forsten ... in der mündlichen Verhandlung vom 1. Dezember 2015 aus fachlicher Sicht bestätigt.

c) Nach alledem war der (vorbeugenden) Feststellungsklage vollumfänglich stattzugeben.

2. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO).

Rechtsmittelbelehrung:

Gegen dieses Urteil steht den Beteiligten die Berufung zu, wenn sie vom Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zugelassen wird. Die Zulassung der Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des vollständigen Urteils beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg, Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg, schriftlich zu beantragen.

Der Antrag muss das angefochtene Urteil bezeichnen. Innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung des vollständigen Urteils sind die Gründe darzulegen, aus denen die Berufung zuzulassen ist. Die Begründung ist, soweit sie nicht bereits mit dem Antrag vorgelegt worden ist, beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof, Hausanschrift in München: Ludwigstr. 23, 80539 München, oder Postfachanschrift in München: Postfach 34 01 48, München, Hausanschrift in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach einzureichen. Die Berufung ist nur zuzulassen, wenn

1. ernstliche Zweifel an der Richtigkeit des Urteils bestehen,

2. die Rechtssache besondere tatsächliche oder rechtliche Schwierigkeiten aufweist,

3. die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,

4. das Urteil von einer Entscheidung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs, des Bundesverwaltungsgerichts, des gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder

5. wenn ein der Beurteilung des Berufungsgerichts unterliegender Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

Vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof müssen sich die Beteiligten durch einen Prozessbevollmächtigten vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bayerischen Verwaltungsgerichtshof eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind die in § 67 Absatz 2 Satz 1 und Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 VwGO bezeichneten Personen und Organisationen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO genannten Personen vertreten lassen.

Beschluss:

Der Streitwert wird auf EUR 5.000,- festgesetzt.

Gründe:

Die Festsetzung des Streitwerts beruht auf § 52 Abs. 2 des Gerichtskostengesetzes (GKG).

Rechtsmittelbelehrung

Gegen diesen Beschluss steht den Beteiligten die Beschwerde an den Bayerischen Verwaltungsgerichtshof zu, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands 200,- EUR übersteigt oder die Beschwerde zugelassen worden ist.

Die Beschwerde ist innerhalb von sechs Monaten, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat, beim Bayerischen Verwaltungsgericht Augsburg, Hausanschrift: Kornhausgasse 4, 86152 Augsburg, oder Postfachanschrift: Postfach 11 23 43, 86048 Augsburg, schriftlich einzureichen oder zu Protokoll der Geschäftsstelle einzulegen; § 129a der Zivilprozessordnung gilt entsprechend. Der Mitwirkung eines Bevollmächtigten bedarf es hierzu nicht.

Ist der Streitwert später als einen Monat vor Ablauf dieser Frist festgesetzt worden, kann die Beschwerde auch noch innerhalb eines Monats nach Zustellung oder formloser Mitteilung des Festsetzungsbeschlusses eingelegt werden.

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bei uns veröffentlicht am 15.11.2012

Tenor Das Verfahren wird ausgesetzt. Dem Europäischen Gerichtshof wird folgende Frage zur Auslegung der Verordnung (EG) Nr.

Verwaltungsgericht Koblenz Urteil, 17. Nov. 2008 - 4 K 2063/07.KO

bei uns veröffentlicht am 17.11.2008

Tenor Die Klage wird abgewiesen. Die Kosten des Verfahrens, einschließlich der Kosten des Beigeladenen, werden der Klägerin auferlegt. Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Tatbestand 1
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 01. Dez. 2015 - Au 3 K 15.527.

Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 01. Dez. 2015 - Au 3 K 15.527

bei uns veröffentlicht am 01.12.2015

Gründe Bayerisches Verwaltungsgericht Augsburg Aktenzeichen: Au 3 K 15.527 Im Namen des Volkes Urteil 1. Dezember 2015 3. Kammer Sachgebiets - Nr. 411 Hauptpunkte: vorbeugende Feststellungsklage; Status ei

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(1) Durch Klage kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses oder der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat (Feststellungsklage).

(2) Die Feststellung kann nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können. Dies gilt nicht, wenn die Feststellung der Nichtigkeit eines Verwaltungsakts begehrt wird.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Auf Antrag kann das Gericht, auch schon vor Klageerhebung, eine einstweilige Anordnung in bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, daß durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung, vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen, um wesentliche Nachteile abzuwenden oder drohende Gewalt zu verhindern oder aus anderen Gründen nötig erscheint.

(2) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen ist das Gericht der Hauptsache zuständig. Dies ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. § 80 Abs. 8 ist entsprechend anzuwenden.

(3) Für den Erlaß einstweiliger Anordnungen gelten §§ 920, 921, 923, 926, 928 bis 932, 938, 939, 941 und 945 der Zivilprozeßordnung entsprechend.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluß.

(5) Die Vorschriften der Absätze 1 bis 3 gelten nicht für die Fälle der §§ 80 und 80a.

Tatbestand

1

Die Kläger sind Imker; sie wollen geklärt wissen, unter welchen Bedingungen gentechnisch veränderter Mais bei Berücksichtigung ihres Interesses an gentechnikfreiem Honig und als Nahrungsergänzungsmittel verwendetem Pollen angebaut werden darf.

2

Der Beklagte ist Eigentümer von Grundstücken der Gemarkung K., auf denen die Landesanstalt für Landwirtschaft des Beklagten in den Jahren 2005 bis 2008 zu Forschungszwecken gentechnisch veränderten Mais der Linie MON 810 angebaut hat; dieser Mais produziert aufgrund des Gens eines Bodenbakteriums einen Giftstoff, der die Raupen des Maiszünslers, eines Pflanzenschädlings, abtötet. Die Beigeladene zu 3 verfügt über eine vom französischen Landwirtschaftsminister aufgrund einer Entscheidung der Europäischen Kommission erteilte Genehmigung für das Inverkehrbringen dieses Maises. Sie bezieht sich auf Saatgut und auf bestimmte aus Mais hergestellte Lebensmittel wie Maismehl, Maisgrieß und Maisstärke, nicht aber auf Pollen. Mit Bescheid vom 17. April 2009 hat das Bundesamt für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit auf der Grundlage des § 20 Abs. 2 GenTG das Ruhen dieser Genehmigung angeordnet. Die Beigeladene zu 1 ist Inhaberin einer saatgutrechtlichen Sortenzulassung. Die Beigeladene zu 2 ist für den Vertrieb des betreffenden Saatguts in Deutschland zuständig.

3

Der Kläger zu 1 betreibt eine nachhaltige Liebhaber-Imkerei; er stellt Honig für den Eigenbedarf und zum Verkauf her. Bis zum Jahr 2005 produzierte er darüber hinaus Pollen zum Verkauf als Nahrungsergänzungsmittel. Sein Bienenhaus, in dem er zahlreiche Bienenvölker hält, ist ca. 1,5 bis 2 km von den Anbauflächen entfernt. In den Jahren 2005 und 2008 wurden im Pollen und im Honig des Klägers zu 1 Spuren des Maises der Linie MON 810 festgestellt.

4

Die Kläger zu 3 bis 5 sind ebenfalls Liebhaber-Imker in K., deren Bienenhäuser zwischen 1 und 3 km von den Anbauflächen des Beklagten entfernt sind. Der Kläger zu 2 ist im Laufe des Gerichtsverfahrens von K., wo er seine Imkerei betrieben hatte, nach Oberfranken verzogen.

5

Nachdem der Kläger zu 1 sich beim Beklagten erfolglos um Maßnahmen zum Schutze seiner Imkereiprodukte vor Verunreinigungen infolge des Maisanbaus gewandt hatte, erhob er im März 2007 Klage. Mit Urteil vom 30. Mai 2008 stellte das Verwaltungsgericht fest, dass Imkereiprodukte, die nachweislich Bestandteile von Pollen des Maises der Linie MON 810 enthielten, nicht verkehrsfähige Lebensmittel und deswegen wesentlich beeinträchtigt seien. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen: Der Kläger zu 1 habe keinen Anspruch auf Schutzmaßnahmen; es sei ihm zumutbar, die Bienen während der kurzen Zeit der Maisblüte an andere Orte zu verbringen und die entstehenden Aufwendungen dem Beklagten in Rechnung zu stellen.

6

Gegen das Urteil legten alle Beteiligten Berufung ein; die Kläger zu 2 bis 5 sind dem Kläger zu 1 beigetreten.

7

Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Beschluss vom 26. Oktober 2009 dem Gerichtshof der Europäischen Union Fragen zur Auslegung der einschlägigen unionsrechtlichen Vorschriften vorgelegt. Mit Urteil vom 6. September 2011 - Rs. C-442/09, Bablok - Slg. 2011, I-7419, hat der Europäische Gerichtshof entschieden, dass Pollen rechtlich nicht Bestandteil, sondern eine Zutat des Honigs ist. Da sich die gentechnikrechtliche Zulassung des Maises der Linie MON 810 nicht auf den Pollen erstreckt, ist Honig, der solchen Pollen enthält, nicht verkehrsfähig. Daraufhin haben der Beklagte und die Beigeladenen zu 1 und 2 ihre Berufungen zurückgenommen.

8

Mit Urteil vom 27. März 2012 hat der Verwaltungsgerichtshof die Berufungen der Kläger zurückgewiesen. Zur Begründung hat er im Wesentlichen ausgeführt:

Das Rechtsschutzbegehren des Klägers zu 1 sei so zu verstehen, dass er nur noch Schutzmaßnahmen erstrebe, die sich aus der Vorsorgepflicht nach § 16b Abs. 1 GenTG ergäben; Einwände gegen den Bestand der Inverkehrbringensgenehmigung erhebe er nicht mehr. Die vorbeugende Feststellungsklage sei unzulässig, soweit der Kläger zu 1 eine Verpflichtung des Beklagten auf Einschreiten im Falle eines künftigen Anbaus von Mais der Linie MON 810 durch Dritte geltend mache. Insoweit fehle es an einem hinreichend konkretisierten Rechtsverhältnis. Die Klage sei zulässig, soweit sie sich auf einen künftigen Maisanbau zu Forschungszwecken durch den Beklagten beziehe. Es liege ein hinreichend konkretisiertes Rechtsverhältnis vor. Der Kläger zu 1 könne sich auch auf ein qualifiziertes Rechtsschutzinteresse berufen. Bei einem schlicht-hoheitlichen Handeln, das unmittelbar zu einer Rechtsverletzung führe, seien nur geringe Anforderungen an die Darlegung einer Wiederholungsgefahr zu stellen. Nach Angaben des Beklagten gebe es zwar keine Planungen dahingehend, gentechnisch veränderten Mais auf dem Versuchsgut wieder anzubauen. Er habe sich aber den Rechtsstandpunkt des Klägers zu 1 nicht zu eigen gemacht und auch nicht zugesichert, dass weiterhin kein Maisanbau erfolge. Vielmehr wolle er sich alle Optionen offenhalten. Es könne auch nicht mit der nötigen Sicherheit angenommen werden, dass sich im Fall eines neuerlichen Anbaus die rechtlichen Verhältnisse gegenüber dem Zeitpunkt des bereits erfolgten Maisanbaus geändert haben würden.

9

Die Klage des Klägers zu 1 sei unbegründet. Er habe keinen Anspruch auf die Feststellung, dass der Beklagte im Falle eines Anbaus des Maises der Linie MON 810 bei Beachtung der Vorsorgepflicht nach § 16b GenTG einen Mindestabstand von 3 km zum Bienenhaus des Klägers zu 1 einhalten sowie weitere Schutzmaßnahmen ergreifen müsse. Aufgrund der rechtskräftigen Feststellung im Urteil des Verwaltungsgerichts stehe fest, dass eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne von § 16b Abs. 1 Satz 1 GenTG vorliege, soweit die Imkereiprodukte nachweislich Bestandteile von Pollen des gentechnisch veränderten Maises enthielten. Die Anforderungen, die sich deswegen aus der Vorsorgepflicht ergäben, seien einzelfallbezogen sicherzustellen. Abstrakt-generelle Grundsätze für eine insoweit maßgebliche gute fachliche Praxis im Verhältnis zwischen dem Anbauer von gentechnisch verändertem Mais und benachbarten Imkern hätten sich bislang weder in Bezug auf Sicherheitsabstände - abgesehen von einem Mindestabstand zu Bienenstöcken von 500 m - noch in Bezug auf sonstige Vorsorgemaßnahmen gebildet. § 16b GenTG verlange keine Vorkehrungen, die - wie etwa ein Sicherheitsabstand von ca. 10 km - mit absoluter Sicherheit Risiken für die Rechtsgüter des § 1 Nr. 1 und 2 GenTG ausschlössen. Eine Ausbreitung gentechnisch veränderter Organismen (GVO) solle vielmehr durch einen verantwortungsvollen Umgang nur so weit wie möglich vermieden und bei Unvermeidbarkeit auf ein Mindestmaß reduziert werden. Danach müsse der Beklagte keine Sicherheitsabstände einhalten, die über die tatsächlich eingehaltenen Abstände hinausgingen. Aufgrund der Entfernung zwischen den Bienenstöcken und den Maisfeldern, der örtlichen Verhältnisse und der Landschaftsstruktur sei es nicht besonders naheliegend, dass die Bienen des Klägers zu 1 die Maisanbauflächen anflögen. Zwar habe der Kläger zu 1 aufgrund einzelner negativer Beprobungen des Honigs eines Erntejahres keine Gewähr, dass sein Honig insgesamt ohne Eintrag von GVO sei. Im Hinblick auf den gesetzlich festgeschriebenen Koexistenzgedanken müsse der Kläger zu 1 diese Unsicherheit aber hinnehmen und gegebenenfalls mit seinen Bienenvölkern während der Blütezeit des Maises ausweichen oder sich mit Entschädigungsansprüchen begnügen. Das Fehlen einer Zulassung als Lebensmittel gebiete keine andere rechtliche Bewertung. Denn der Koexistenzgedanke gelte auch für Saatgut, das nur als Futtermittel zugelassen sei. Sonstige Vorsorgemaßnahmen seien umso eher erforderlich und zumutbar, je geringer die Entfernung zwischen den Anbauflächen und den Bienenstöcken sei. Auch dürfe der Forschungszweck nicht wesentlich erschwert oder gar völlig vereitelt werden. Hinreichend erprobte verhältnismäßige Vorsorgemaßnahmen seien hier nicht ersichtlich. Soweit der Kläger Ausweichstandorte für seine Bienenstöcke oder hinreichend sichere Analyseverfahren für seine Imkereiprodukte auf Kosten des Beklagten fordere, handele es sich nicht um Vorsorgemaßnahmen am Ort des Anbaus. Solche Maßnahmen könnten zwar einem sinnvollen Interessenausgleich auf freiwilliger Basis zwischen Anbauern und Imkern dienen, sie könnten aber nach derzeitiger Gesetzeslage nicht als Vorsorgepflicht eingefordert werden. Dieses Ergebnis sei auch verfassungsgemäß. Der Kläger zu 1 habe zwar keinen nachbarrechtlichen Abwehranspruch, er habe jedoch einen Ausgleichsanspruch in Geld, wobei Einträge ab der Nachweisgrenze zu einer wesentlichen Beeinträchtigung und zur verschuldensunabhängigen nachbarrechtlichen Haftung führten. Dass der Kläger keinen Kostenersatzanspruch habe, wenn nach Beprobung ein GVO-Eintrag tatsächlich nicht nachgewiesen werde, entspreche allgemeinen Grundsätzen.

10

Ob der Antrag auf Feststellung der Rechtwidrigkeit des bisherigen Anbaus zulässig sei, könne dahinstehen; er sei aus den genannten Gründen jedenfalls unbegründet.

11

Der weitere Feststellungsantrag (Nr. 3 b), dass Herstellung und Verkauf von Imkereiprodukten durch den Kläger zu 1 und die Benutzung seines Bienenhauses durch den Anbau von Mais im Flugradius von 3 km der Bienen wesentlich beeinträchtigt würden, sei unzulässig. Denn er ziele auf die Klärung von Vorfragen eines Entschädigungsanspruches; darin liegt kein feststellungsfähiges Rechtsverhältnis.

12

Der Parteibeitritt der Kläger zu 2 bis 5 sei unzulässig, da die Voraussetzungen einer subjektiven Klageänderung nicht vorlägen. Der Beklagte habe dem Parteibeitritt ausdrücklich widersprochen. Die Klageänderung sei auch nicht sachdienlich. Der Streitstoff würde sich erheblich ausweiten, weil jeweils eine auf den konkreten Einzelfall bezogene Beurteilung der Verhältnisse erforderlich sei. Bei den Klägern zu 2 bis 5 lägen größtenteils andere Sachverhalte vor. Die Bienenstöcke stünden in anderen Entfernungen zu den Anbauflächen. Die Kläger zu 3 bis 5 stellten Honig nur zum Eigenbedarf her. Darüber hinaus hätten sich die Kläger zu 2 bis 5 vor Klageerhebung nie an den Beklagten in seiner Eigenschaft als Anbauer gewandt, so dass es insoweit an einem konkreten streitigen Rechtsverhältnis fehle.

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Mit ihrer vom Verwaltungsgerichtshof zugelassenen Revision, mit der der Antrag Nr. 3 b) nicht mehr weiterverfolgt wird, rügen die Kläger Verfahrensfehler und die Verletzung materiellen Rechts. Zur Begründung tragen sie im Wesentlichen vor: Der Verwaltungsgerichtshof habe hinsichtlich der begehrten Feststellung, dass die Überwachungsbehörden zum Einschreiten verpflichtet gewesen seien, ihre Anträge nicht erschöpfend verbeschieden. Er sei unzutreffend und unter Verstoß gegen seine Hinweispflichten davon ausgegangen, dass sie an ihrem Vortrag nicht mehr festhielten, es liege keine gültige Inverkehrbringensgenehmigung vor. Stattdessen hätte er prüfen müssen, ob die Überwachungsbehörden bei Fehlen einer solchen Genehmigung zum Einschreiten verpflichtet seien. Was den Anbau als solchen angehe, seien die Überwachungsbehörden des Beklagten bei einem Verstoß gegen die Vorsorgepflicht nicht nur zum Einschreiten gegen private Dritte, sondern auch gegenüber anderen Behörden verpflichtet. Auch das habe der Verwaltungsgerichtshof nicht geprüft. Zu Recht habe er im Übrigen ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse wegen der Wiederholungsgefahr bejaht. Bei der vorbeugenden Unterlassungsklage spreche eine Vermutung für die Wiederholungsgefahr. Es komme nicht darauf an, ob die befürchtete Beeinträchtigung in allen Einzelheiten mit der bereits geschehenen identisch sei. Deswegen sei es unbeachtlich, ob genau die gleichen gentechnisch veränderten Pflanzen ohne eine Zulassung für Honig angebaut würden. Die Auslegung der Vorsorgepflicht betreffe auch GVO mit umfassender Zulassung. Im Übrigen werde ungeachtet des neuen Antrags der Beigeladenen die Zulassungslücke beim Mais der Linie MON 810 fortbestehen. Auch eine Änderung der Honig-Richtlinie, die eine Änderung der rechtlichen Beurteilung erfordern könnte, sei nicht wahrscheinlich. Im Übrigen stehe auch der Anbau im Wege einer Freisetzungsgenehmigung zu Versuchszwecken im Raum.

14

Die angefochtene Entscheidung werde der Vorsorgepflicht nach § 16b GenTG nicht gerecht. Danach solle im Sinne der Vorverlagerung des Rechtsgüterschutzes die Ausbreitung von GVO möglichst vermieden werden. Der daraus folgende Abwehranspruch hänge nicht vom Nachweis der Verunreinigung ab. Demgegenüber fordere der Verwaltungsgerichtshof lediglich die Vermeidung besonders naheliegender Beeinträchtigungen. Der Maßstab für die Konkretisierung der guten fachlichen Praxis im Einzelfall sei nicht strenger als für die Konkretisierung durch Rechtsverordnung. Die gesetzliche Vorsorgepflicht sei durch eine gute fachliche Praxis nicht begrenzt, soweit diese bei einer neuen Technik wie hier noch gar nicht vorhanden sei. Eine Orientierung an einer außergesetzlichen Praxis verbiete sich.

15

Hinsichtlich des bisherigen Anbaus könnten sie sich auf ein Feststellungsinteresse wegen der Geltendmachung von Schadensersatzansprüchen für den Mehraufwand, nämlich die Kosten des Abwanderns und Ausweichens zur Vermeidung von Polleneinträgen, berufen.

16

Der Parteibeitritt der Kläger zu 2 bis 5 sei zulässig. Der Verwaltungsgerichtshof habe seinen Spielraum für die Beurteilung der Sachdienlichkeit der Klageänderung überschritten.

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Die Kläger beantragen:

1. Die Urteile des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 30. Mai 2008 und des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs vom 27. März 2012 werden aufgehoben, soweit darin die Klage abgewiesen und die Berufungen zurückgewiesen wurden.

2. Es wird festgestellt, dass der Beklagte seit Inkrafttreten des § 16b GenTG im Falle eines Anbaus von gentechnisch veränderten Organismen (GVO) des Maises MON 810 im Umkreis von mindestens 3 km um Bienenhäuser und -standplätze der Kläger verpflichtet war und ist, geeignete Maßnahmen zu ergreifen, um wesentliche Beeinträchtigungen gemäß § 36a Abs. 1 i.V.m. § 16b Abs. 1 GenTG der für die Verwendung als Lebensmittel vorgesehenen Imkereiprodukte der Kläger zu verhindern; solange für diesen Mais keine Zulassung vorliegt, die die uneingeschränkte Verwendung dieser Imkereiprodukte als Lebensmittel einschließt, müssen die Maßnahmen jegliche Einträge von Pollen dieses Maises in die Imkereiprodukte wirksam ausschließen.

Als geeignete Maßnahmen kommen beispielsweise in Betracht:

a) Maßnahmen gegen das Inverkehrbringen von Saatgut des Maises MON 810 durch die hierfür zuständige Behörde des Beklagten,

b) Unterlassen des Anbaus von genetisch verändertem Mais der Linie MON 810 im Flugkreis der Bienen der Kläger durch die Landesanstalt für Landwirtschaft des Beklagten,

c) Maßnahmen zur Sicherstellung, dass beim Anbau von Mais MON 810 im Flugkreis der Bienen der Kläger kein Pollen dieses Maises von den Bienen aufgenommen und in die Imkereiprodukte der Kläger gelangen kann, z.B. den Mais vor der Blüte zu ernten oder die Pollenfahnen der Maispflanzen während der Blütezeit einzutüten oder mehrfach so abzuschneiden, dass kein Maispollen von den Bienen aufgenommen werden kann,

d) soweit (ergänzend) erforderlich oder hilfsweise: die Durchführung eines Analyseprogramms auf Kosten des Beklagten, wobei das Analyseprogramm geeignet und hinreichend repräsentativ sein muss, um sicherzustellen, dass die von den Klägern erzeugten Imkereiprodukte nachweisbar keine Bestandteile von Pollen des Maises MON 810 enthalten,

e) hilfsweise: im Falle eines künftigen Anbaus die Kläger rechtzeitig, spätestens 3 Monate vor der Aussaat oder Anpflanzung das Grundstück des Anbaus, die Größe der Anbaufläche sowie unverzüglich jede Änderung mitzuteilen und ihnen im Falle einer möglichen Betroffenheit geeignete Ausweichstandorte für ihre Bienen zur Verfügung zu stellen.

Dabei bleibt es im Ermessen des Gerichts, die zum Schutz der Kläger notwendigen Maßnahmen entweder selbst festzulegen oder der pflichtgemäßen Beurteilung des Beklagten unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu überlassen.

Der Antrag schließt ein festzustellen, dass der Beklagte nach Maßgabe der Rechtsauffassung des Gerichts verpflichtet ist, durch seine zuständigen Überwachungsbehörden im Falle eines künftigen Anbaus von MON 810 durch den Beklagten oder Dritte im Flugkreis der Bienen der Kläger entsprechende geeignete Maßnahmen zum Schutz der Kläger zu ergreifen (Verpflichtung zum ordnungsbehördlichen Einschreiten).

18

Der Beklagte beantragt,

die Revisionen zurückzuweisen.

19

Er betont, dass auf dem Versuchsgut in K. derzeit kein Mais der streitgegenständlichen Sorte angebaut werde. Es sei auch - unabhängig von dem derzeitigen Ruhen der Zulassung in Deutschland - nicht geplant, dort in Zukunft solchen Mais anzubauen. Der Fall sei nur rückblickend von Bedeutung. Im Übrigen verteidigt der Beklagte das angefochtene Urteil.

20

Die Beigeladenen beantragen ebenfalls,

die Revisionen zurückzuweisen.

21

Sie nehmen Bezug auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichtshofs und nehmen ergänzend zum Vorsorgeprinzip des § 16b GenTG Stellung.

22

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren. Er weist zum einen darauf hin, dass es fraglich sei, ob die streitgegenständliche Konstellation angesichts der anstehenden Beratungen und Entscheidungen auf EU-Ebene noch einmal relevant werde. Eine eingeschränkte Lebensmittelzulassung wie beim Mais der Linie MON 810 sei ein Sonderfall. Die derzeit anhängigen Anträge auf Zulassung von gentechnisch veränderten Pflanzen für den Anbau richteten sich auf die uneingeschränkte Zulassung als Lebensmittel. Auch die Beigeladene zu 3 habe im März 2012 einen entsprechenden (ergänzenden) Antrag gestellt. Mit einer Entscheidung sei noch im Jahr 2013 zu rechnen. Zum anderen habe die EU-Kommission einen Vorschlag zur Änderung der Honig-Richtlinie vorgelegt. Er ziele darauf ab festzulegen, dass es sich beim Pollen um einen natürlichen Bestandteil von Honig handele, was Auswirkungen auf die Kennzeichnungspflicht habe.

Entscheidungsgründe

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Die zulässigen Revisionen sind nicht begründet und deshalb zurückzuweisen (§ 144 Abs. 2 VwGO). Das Urteil des Verwaltungsgerichtshofs ist von Rechts wegen nicht zu beanstanden. Im Ergebnis zu Recht hat der Verwaltungsgerichtshof die Berufung des Klägers zu 1 gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts, soweit sie Gegenstand des Revisionsverfahrens ist, zurückgewiesen und die von den Klägern zu 2 bis 5 im Berufungsverfahren erhobenen Klagen - durch eine insoweit erstinstanzliche Entscheidung (Urteil vom 7. Februar 1974 - BVerwG 5 C 14.73 - FEVS 23, 7 <9>) - abgewiesen. Die Kläger können die begehrten Feststellungen nicht beanspruchen. Denn die Klagen sind bereits unzulässig. Dies gilt entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichtshofs nicht nur für die Klagen der Kläger zu 2 bis 5, sondern auch für die Klage des Klägers zu 1.

24

Ohne Erfolg wenden sich die Kläger zu 2 bis 5 gegen die Verneinung der Zulässigkeit des im Berufungsrechtszug erklärten Parteibeitritts (1.). Die Unzulässigkeit der Klage des Klägers zu 1 hat das Revisionsgericht von Amts wegen zu berücksichtigen (2.); sie steht einer Überprüfung des angefochtenen Urteils in der Sache entgegen (Urteile vom 27. März 1963 - BVerwG 5 C 96.62 - BVerwGE 16, 23 <25> = Buchholz 310 § 65 VwGO Nr. 1 S. 2, vom 14. Dezember 1978 - BVerwG 5 C 1.78 - BVerwGE 57, 204 <209 f.> = Buchholz 436.36 § 12 BaföG Nr. 6 S. 22 und vom 28. Februar 1985 - BVerwG 2 C 14.84 - BVerwGE 71, 73 <74> = Buchholz 310 § 137 VwGO Nr. 126 S. 10).

25

1. Revisionsgerichtlich ist nicht zu beanstanden, dass der Verwaltungsgerichtshof die subjektive Klageänderung durch den Parteibeitritt der Kläger zu 2 bis 5 nicht als sachdienlich im Sinne von § 91 Abs. 1 i.V.m. § 125 Abs. 1 VwGO angesehen hat. Die Entscheidung, ob eine Klageänderung sachdienlich ist, liegt im Ermessen der darüber entscheidenden Instanz. Das Revisionsgericht hat lediglich zu prüfen, ob das Tatsachengericht den Rechtsbegriff der Sachdienlichkeit verkannt und damit die Grenzen seines Ermessens überschritten hat (vgl. Urteil vom 18. August 2005 - BVerwG 4 C 13.04 - BVerwGE 124, 132 <136> = Buchholz 406.11 § 5 BauGB Nr. 12 Rn. 22). Das ist hier nicht der Fall. Der Verwaltungsgerichtshof hat ausgeführt, dass der Streitstoff durch den Parteibeitritt ausgeweitet werde, da größtenteils andere Sachverhalte in örtlicher und auch in persönlicher Hinsicht gegeben seien. Mit dieser Erwägung bewegt der Verwaltungsgerichtshof sich innerhalb des ihm eingeräumten Entscheidungsspielraums. Auch wenn - was sich von selbst versteht - inhaltliche Berührungspunkte zwischen der Beurteilung von Abwehransprüchen der verschiedenen Kläger bestehen, so kommt es doch nach der insoweit maßgeblichen Sichtweise des Verwaltungsgerichtshofs auf die Umstände des konkreten Einzelfalls an, wobei gerade die Bewertung anhand der örtlichen Gegebenheiten unterschiedlich ausfallen kann.

26

2. Die Klage des Klägers zu 1 ist in dem für das Vorliegen der Sachurteilsvoraussetzungen maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Revisionsgerichts unzulässig.

27

a) Die Zulässigkeitsprüfung ist an den in der Revisionsschrift formulierten Klageanträgen auszurichten. Denn der in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag enthält eine in der Revisionsinstanz gemäß § 142 Abs. 1 VwGO unzulässige Klageänderung.

28

Eine Klageänderung ist die Veränderung des Streitgegenstandes durch Disposition des Klägers. Der Streitgegenstand wird bestimmt durch Klageanspruch und Klagegrund, also durch den geltend gemachten materiellrechtlichen Anspruch und durch den ihm zugrunde liegenden, d.h. zu seiner Begründung vorgetragenen Sachverhalt (stRspr, vgl. etwa Urteile vom 26. Oktober 2006 - BVerwG 10 C 12.05 - Buchholz 424.01 § 44 FlurbG Nr. 83 Rn. 19 und vom 10. Mai 1994 - BVerwG 9 C 501.93 - BVerwGE 96, 24 <25> = Buchholz 310 § 121 VwGO Nr. 68 S. 2). Eine Klageänderung liegt demzufolge grundsätzlich dann vor, wenn der Klageanspruch, der Klagegrund oder beides verändert wird.

29

aa) Mit dem in den Vorinstanzen gestellten und insoweit im Revisionsschriftsatz wiederholten Antrag hat der Kläger Rechtsschutz gegen die Folgen des Anbaus von Mais der Linie MON 810 vor dem Hintergrund des bislang geregelten Zulassungsstatus begehrt. Der Eintrag von Maispollen, der danach von der gentechnikrechtlichen Zulassung als Lebensmittel nicht umfasst ist, führt, wie sich aus dem auf den Vorlagebeschluss des Verwaltungsgerichtshofs ergangenen Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 6. September 2011 - Rs. C-442/09 - Slg. 2011, I-7419 ergibt, zum Verlust der Verkehrsfähigkeit der davon betroffenen Imkereiprodukte.

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Über die darin liegende wesentliche Beeinträchtigung im Sinne von § 16b Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG hinausgehend ist der in der mündlichen Verhandlung gestellte Antrag auch auf die Abwehr wesentlicher Beeinträchtigungen im Sinne von § 16b Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 36a Abs. 1 Nr. 2 und 3 GenTG gerichtet. Diese Modifizierung des Klagebegehrens wird nicht von der Regelung des § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 264 Nr. 2 ZPO erfasst. Danach ist eine Erweiterung des Klageantrags nur dann nicht als Klageänderung anzusehen, wenn der Klagegrund unverändert bleibt. Eine Veränderung des für die rechtliche Bewertung des erweiterten Klageantrags maßgeblichen Sachverhalts ist aber schon deswegen gegeben, weil damit eine vom jetzigen Zustand abweichende, auch auf den Pollen bezogene Zulassung als Lebensmittel vorausgesetzt wird. Damit sind mit beiden neu zur Entscheidung gestellten Varianten wesentlicher Beeinträchtigungen weitere tatsächliche Umstände verbunden, zu denen das Berufungsgericht mangels Entscheidungserheblichkeit für den ursprünglichen Klageantrag noch keine Feststellungen getroffen hat. Auf dieser Grundlage kommt eine revisionsgerichtliche Entscheidung über die Antragserweiterung nicht in Betracht (vgl. Neumann, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl. 2010, § 142 Rn. 3).

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Die wesentliche Beeinträchtigung nach § 36a Abs. 1 Nr. 2 GenTG ist auf die Kennzeichnungspflicht bezogen. Die Erzeugnisse sind als "gentechnisch verändert" bzw. als "aus gentechnisch veränderten Organismen hergestellt" zu kennzeichnen, wenn der Anteil an gentechnisch verändertem Material den Schwellenwert von 0,9 Prozent der einzelnen Lebensmittelzutaten bzw. des Lebensmittels nach § 17b Abs. 3 GenTG bzw. Art. 12 f. der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 22. September 2003 über genetisch veränderte Lebensmittel und Futtermittel (ABl EG Nr. L 268 S. 1) überschreitet. Die Vorsorgepflicht, die auf die Abwehr solcher Beeinträchtigungen zielt, ist demnach nicht am Grundsatz der Nulltoleranz ausgerichtet. Wegen der insoweit anderen rechtlichen Prämissen fehlt es im angefochtenen Berufungsurteil an jeglichen hierauf bezogenen Feststellungen, die zur Konkretisierung der Vorsorgepflicht in dieser Fallkonstellation dienen können.

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Der Schwellenwert ist allerdings unbeachtlich, soweit der Kläger zu 1 auf eine wesentliche Beeinträchtigung im Sinne von § 36a Abs. 1 Nr. 3 GenTG verweist. Danach ist eine wesentliche Beeinträchtigung auch dann gegeben, wenn wegen des Eintrags gentechnisch veränderter Organismen Erzeugnisse nicht mit einer Kennzeichnung in den Verkehr gebracht werden dürfen, die nach den für die Produktionsweise jeweils geltenden Rechtsvorschriften möglich gewesen wäre. Nach § 3a des Gesetzes zur Durchführung der Verordnungen der Europäischen Gemeinschaft oder der Europäischen Union auf dem Gebiet der Gentechnik und über die Kennzeichnung ohne Anwendung gentechnischer Verfahren hergestellter Lebensmittel - EG-Gentechnik-Durchführungsgesetz - (vom 22. Juni 2004, BGBl I S. 1244) darf ein Lebensmittel mit einer Angabe, die auf die Herstellung des Lebensmittels ohne Anwendung gentechnischer Verfahren hindeutet, nur in den Verkehr gebracht oder beworben werden, wenn dabei keine nach Art. 12 und 13 der Verordnung (EG) Nr. 1829/2003 kennzeichnungspflichtigen Lebensmittel und Lebensmittelzutaten verwendet werden, wobei es auf die Ausnahme von der Kennzeichnungsvorschrift wegen Nichterreichens des Schwellenwerts nach Art. 12 Abs. 2 der Verordnung nicht ankommt.

33

Ausweislich der Antragstellung geht der Kläger zu 1 zwar davon aus, dass die Vorsorgepflicht insoweit nicht eine strenge Nulltoleranz anstreben müsse; vielmehr seien bei Beeinträchtigungen im Sinne von § 36a Abs. 1 Nr. 1 GenTG weitergehende Maßnahmen zu ergreifen (Ziffer 2 Satz 1 Halbs. 2 des Antrags). Aber auch dann, wenn die Ausführungen im angefochtenen Berufungsurteil auf einen bei wesentlichen Beeinträchtigungen im Sinne von § 36a Abs. 1 Nr. 3 GenTG gleichermaßen heranzuziehenden rechtlichen Maßstab (der Nulltoleranz) bezogen sein sollten, fehlt es an weiteren tatsächlichen Feststellungen zu den dann vorausgesetzten Vermarktungsmodalitäten. Denn der Kläger zu 1 führt im Schriftsatz vom 23. Oktober 2013 lediglich aus, dass er die Umstellung seiner Produktion so plane, dass er Honig und andere Erzeugnisse in Bioqualität und ohne Gentechnik erzeugen und entsprechend kennzeichnen könne.

34

bb) Zur Begründung der Klage hat der Kläger zu 1 auch auf die Möglichkeit eines Anbaus von gentechnisch verändertem Mais auf der Grundlage einer Freisetzungsgenehmigung zu Versuchszwecken verwiesen. Einen hierauf bezogenen Klageantrag hat er indessen nicht formuliert. Dabei handelte es sich jedenfalls um eine Klageänderung. Denn diese Annahme baut auf einem gänzlich neuen Sachverhalt auf, der, wie § 16 Abs. 1 Nr. 2 GenTG zeigt, ganz neue Überlegungen zu den dann gebotenen Sicherheitsvorkehrungen zum Schutz der benachbarten Landwirtschaft erforderte.

35

cc) Des Weiteren spricht viel dafür, dass auch der in der Revisionsschrift formulierte Antrag bereits unzulässige Klageänderungen enthält.

36

Der Kläger zu 1 begehrt nunmehr unter Ziffer 2 Abs. 4 des Antrags ausdrücklich ein Einschreiten der zuständigen Überwachungsbehörden nicht nur gegen Dritte, sondern auch gegen den Beklagten. Es liegt indessen jedenfalls nicht nahe, dass der Verwaltungsgerichtshof das in der Berufungsinstanz begehrte ordnungsbehördliche Einschreiten gegen Dritte bei sachdienlicher, die spezifische Funktionsweise einer hierarchisch gegliederten Behördenorganisation berücksichtigender Auslegung des Klageantrags im nunmehr eindeutig formulierten Sinne verstehen musste.

37

Soweit der Kläger zu 1 unter Ziffer 2 Abs. 2 Buchst. a des Klageantrags Maßnahmen gegen das Inverkehrbringen von Saatgut des Maises der Linie MON 810 fordert, ist das jedenfalls so zu verstehen, dass der Beklagte von vornherein vom Anbau des Maises absehen müsse, der nach der vom Kläger zu 1 vertretenen Auffassung von einer gentechnikrechtlichen Inverkehrbringensgenehmigung nicht (mehr) gedeckt ist. Vor dem Verwaltungsgerichtshof hat der Kläger zu 1 demgegenüber Maßnahmen "im Falle eines Anbaus" beantragt. Wenn der Verwaltungsgerichtshof sich demnach auf die Prüfung von Schutzmaßnahmen bei erfolgtem Anbau beschränkt hat, erscheint dies als eine jedenfalls gut vertretbare und deswegen für die revisionsgerichtliche Prüfung maßgebliche Auslegung des damals gestellten Antrags.

38

Ob der Kläger zu 1 auch mit diesen Anträgen über das in der Vorinstanz zur Entscheidung gestellte Klagebegehren hinausgeht und die Klage in unzulässiger Weise erweitert, bedarf allerdings keiner abschließenden Entscheidung. Denn die Klage ist jedenfalls aus anderen Gründen insgesamt unzulässig.

39

b) aa) Der Kläger zu 1 möchte in erster Linie für die Zukunft erreichen, dass seine Imkereiprodukte nicht durch Pollen von gentechnisch verändertem Mais verunreinigt werden. Dieses Rechtsschutzbegehren verfolgt er, wie bereits im Berufungsverfahren, mit einer - vorbeugenden - Feststellungsklage. Deren Zulässigkeitsvoraussetzungen liegen nicht vor.

40

(1) Die beantragte Feststellung bezieht sich zwar auf ein feststellungsfähiges konkretes Rechtsverhältnis. Die behaupteten Verpflichtungen des Beklagten als Träger des Versuchsguts, auf dem bereits gentechnisch veränderter Mais angebaut worden ist, gegenüber dem Kläger zu 1 als von Einträgen von GVO betroffenem Imker sind Teil der zwischen ihnen bestehenden nachbarrechtlichen Beziehungen. Dieses Nachbarrechtsverhältnis wird inhaltlich der Sache nach durch die in §§ 906, 1004 BGB i.V.m. §§ 16b, 36a GenTG enthaltenen Regelungen ausgeformt. Es ist, da die Landesanstalt für Landwirtschaft als Forschungs- und Untersuchungsanstalt (§ 2 Abs. 1 Nr. 1 der Verordnung über die Bayerische Landesanstalt für Landwirtschaft - LfLV - vom 12. November 2002, GVBl S. 652) hier nicht fiskalisch, sondern schlicht-hoheitlich handelt, öffentlich-rechtlich eingekleidet (siehe zur Frage des unmittelbaren Anwendungsbereichs des § 36a GenTG BVerfG, Urteil vom 24. November 2010 - 1 BvF 2/05 - BVerfGE 128, 1 <70> = juris Rn. 253). Es fehlt aber an dem in § 43 Abs. 1 VwGO vorausgesetzten berechtigten Interesse an der baldigen Feststellung.

41

Die vorbeugende Feststellungsklage erfordert ein spezielles, auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzinteresse, das dann gegeben ist, wenn der Betroffene nicht in zumutbarer Weise auf den von der Verwaltungsgerichtsordnung als grundsätzlich angemessen und ausreichend angesehenen nachträglichen Rechtsschutz gegen die befürchtete Beeinträchtigung verwiesen werden kann. Inwieweit diese Voraussetzungen hier gegeben sind, kann dahinstehen. Jedenfalls ist die befürchtete Maßnahme, d.h. der nochmalige Anbau des gentechnisch veränderten Maises, nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit zu erwarten. Die erforderliche Wiederholungsgefahr ist zu verneinen.

42

(2) Die rechtlichen Maßstäbe für die Annahme einer Wiederholungsgefahr sind dabei dem der Sache nach geltend gemachten Unterlassungsanspruch zu entnehmen. Der Umstand, dass der Grundsatz der Subsidiarität der Feststellungsklage gegenüber der Leistungsklage (§ 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO) sowohl allgemein im Verhältnis zur Unterlassungsklage als auch bei Klagen gegen juristische Personen des öffentlichen Rechts Einschränkungen erfährt (vgl. Urteile vom 15. Februar 1991 - BVerwG 8 C 85.88 - juris Rn. 11, insoweit in Buchholz 401.0 § 231 AO Nr. 2 nicht abgedruckt, und vom 12. Juli 2000 - BVerwG 7 C 3.00 - BVerwGE 111, 306 <311> = Buchholz 310 § 43 VwGO Nr. 133 S. 12) und das Prozessrecht folglich zwei als gleichwertig erachtete Rechtsschutzmöglichkeiten zur Verfügung stellt, kann eine Abweichung in den entscheidungstragenden rechtlichen Vorgaben nicht rechtfertigen.

43

Ein Unterlassungsanspruch setzt materiellrechtlich voraus, dass die abzuwehrende Rechtsverletzung konkret droht (BGH, Urteil vom 19. März 2013 - VI ZR 93/12 - NJW 2013, 1681 Rn. 31; BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2012 - BVerwG 6 C 9.11 - BVerwGE 141, 329 Rn. 21 = Buchholz 402.41 Allgemeines Polizeirecht Nr. 92 Rn. 21 und vom 15. Dezember 2005 - BVerwG 7 C 20.04 - Buchholz 11 Art. 4 GG Nr. 78 Rn. 34). Die erforderliche Gefahr einer Rechtsverletzung ist dann gegeben, wenn sie greifbar bevorsteht. Hat bereits eine Beeinträchtigung stattgefunden, wird eine Wiederholungsgefahr grundsätzlich vermutet (siehe etwa BGH, Urteil vom 30. Oktober 1998 - V ZR 64/98 - BGHZ 140, 1 Rn. 19 sowie BVerwG, Urteil vom 25. Januar 2012 a.a.O. Rn. 21).

44

Diese Vermutung ist nicht nur dann entkräftet, wenn die Behörde sich den Rechtsstandpunkt des Klägers zu eigen macht (vgl. dazu Urteil vom 25. Januar 2012 a.a.O. Rn. 21). Sie entfällt auch dann, wenn sich die Verhältnisse bereits geändert haben oder eine Veränderung zu erwarten ist, und deswegen noch unsicher ist, ob und wenn ja, unter welchen tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen potentielle Verletzungshandlung ergehen würden (vgl. etwa BGH, Urteil vom 19. März 2013 - VI ZR 93/12 - NJW 2013, 1681 Rn. 34). Davon ist hier auszugehen.

45

(3) Wie bereits im Berufungsverfahren hat der Beklagte im Revisionsverfahren wiederum schriftsätzlich erklärt und in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat bekräftigt, dass ein Anbau von gentechnisch verändertem Mais im Versuchsgut K. nicht geplant sei. Diese Äußerung wäre nur von geringem Gewicht und nicht geeignet, die Annahme einer Wiederholungsgefahr zu erschüttern, wenn sie lediglich als Ausdruck derzeitiger politischer Opportunität zu verstehen wäre, mit der der Beklagte sich, wie der Verwaltungsgerichtshof formuliert, alle Optionen offenhalten wollte. Bei Würdigung des derzeitigen Stands des Regelungsumfeldes kommt ihr eine andere Bedeutung zu; denn sie spiegelt jedenfalls auch Änderungen und Entwicklungen der maßgeblichen Rechtsgrundlagen wieder. Gentechnisch veränderter Mais der streitigen Linie kann derzeit aus Rechtsgründen nicht angebaut werden. Es spricht auch viel dafür, dass bei einem Wegfall dieser Sperre der Umfang der gentechnikrechtlichen Zulassung als Lebensmittel abweichend vom heutigen Rechtszustand geregelt sein wird.

46

Der Anbau von Mais der Linie MON 810 ist zur Zeit wegen der unter Anordnung der sofortigen Vollziehbarkeit erlassenen Ruhensanordnung des Bundesamts für Verbraucherschutz und Lebensmittelsicherheit vom 17. April 2009 nicht zulässig. Diese Anordnung ist zwar wegen der Klage der Beigeladenen nicht bestandskräftig. Nach negativem Abschluss des Eilverfahrens (VG Braunschweig, Beschluss vom 4. Mai 2009 - 2 B 111/09 - ZUR 2009, 446; OVG Lüneburg, Beschluss vom 28. Mai 2009 - 13 ME 76/09 - NuR 2009, 566) ruht aber das Verfahren in der Hauptsache. Eine Absicht der Beigeladenen, das Verfahren wieder aufzurufen, ist deren Prozessbevollmächtigtem nicht bekannt. Seitens der Behörden sind, soweit ersichtlich, keine Änderungen geplant. Sie halten an der Anordnung fest. So hat die Bundeslandwirtschaftsministerin nach der Aufhebung einer entsprechenden Ruhensanordnung französischer Behörden vom 16. März 2012 durch den Conseil d'Etat (Urteil vom 1. August 2013, No. 358103; vorherige Anordnungen aus den Jahren 2007 und 2008 waren vom CE mit Urteil vom 28. November 2011, No. 313605, 312921 im Anschluss an das Urteil des EuGH vom 8. September 2011 - Rs. C-58/10 u.a., Monsanto - Slg. 2011, I-7763, aufgehoben worden) umgehend betont, dass sich an der rechtlichen Bewertung der deutschen Anordnung nichts verändere (Reuters, Agenturmeldung vom 5. August 2013).

47

Die Ruhensanordnung ist mittlerweile Ausdruck eines Moratoriums, das sich ersichtlich an der anstehenden Entscheidung über den von der Beigeladenen - auf der Rechtsgrundlage der Art. 8 Abs. 4, Art. 20 Abs. 4 VO(EG)Nr. 1829/2003 - gestellten Antrag auf Erneuerung der im Anschluss an die Entscheidung der Kommission vom 22. April 1998 (98/294/EG; ABl L 131 S. 32) erteilten Inverkehrbringensgenehmigung ausrichtet. Dieser Antrag ist im Anschluss an das Urteil des Europäischen Gerichtshofs vom 6. September 2011 - Rs. C-442/09, Bablok - (Slg. 2011, I-7419) um einen Antrag auf Erweiterung der Zulassung auf den Maispollen als Lebensmittel ergänzt worden. In beiden Verfahren liegt seit geraumer Zeit eine positive Gefahreneinschätzung durch die EFSA - Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit - vor (vom 6./11. Dezember 2012, EFSA-Q-2012-00711, und vom 6./18. Dezember 2012, EFSA-Q-2012-00408; EFSA Journal 2012;10(12):3017 <98 pp.>; 10(12):3022 <9 pp.>). Auch weitere Verfahrensschritte sind bereits durchlaufen worden. Vor diesem Hintergrund spricht viel dafür, dass den Anträgen stattgegeben wird. Dann erledigt sich die Ruhensanordnung, und zugleich umfasst die erneuerte Inverkehrbringensgenehmigung eine unbeschränkte Zulassung des gentechnisch veränderten Maises MON 810 als Lebensmittel. Ein Anbau unter den bisherigen rechtlichen Verhältnissen ist nicht mehr zu erwarten. Die Wiederholungsgefahr ist demnach zu verneinen mit der Folge, dass die zukunftsgerichtete Feststellungsklage unzulässig ist.

48

bb) Die Klage ist gleichfalls unzulässig, soweit der Kläger zu 1 festgestellt wissen will, dass der Beklagte beim Anbau von gentechnisch verändertem Mais in der Vergangenheit gegen die Vorsorgepflicht verstoßen hat.

49

(1) Ein Feststellungsinteresse leitet der Kläger zu 1 in erster Linie daraus her, dass er den ihm durch den Maisanbau entstandenen Schaden und die dadurch verursachten Aufwendungen gegenüber dem Beklagten gerichtlich geltend machen wolle und die Entscheidung im vorliegenden Rechtsstreit insoweit Präjudizwirkung entfalte. Zur Klärung öffentlich-rechtlicher Vorfragen eines Staatshaftungsprozesses muss der Verwaltungsprozess aber dann nicht fortgeführt werden, wenn der Kläger hieraus deswegen keinen Nutzen ziehen könnte, weil es auf die begehrte Klärung der Rechtmäßigkeit des behördlichen Handelns offenkundig nicht ankommt (vgl. zuletzt Urteil vom 16. Mai 2013 - BVerwG 8 C 14.12 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 284 Rn. 44 m.w.N.).

50

Ein Amtshaftungsanspruch nach Art. 34 Satz 1 GG i.V.m. mit § 839 BGB setzt voraus, dass ein Schaden durch das schuldhaft rechtswidrige Handeln eines Amtsträgers verursacht wurde. Einem Amtswalter ist jedoch auch bei fehlerhafter Rechtsanwendung regelmäßig kein Verschulden im Sinne des § 839 BGB vorzuwerfen, wenn seine Tätigkeit durch ein mit mehreren kundigen Berufsrichtern besetztes Kollegialgericht aufgrund einer nicht nur summarischen Prüfung als objektiv rechtmäßig angesehen worden ist (Urteil vom 17. August 2005 - BVerwG 2 C 37.04 - BVerwGE 124, 99 <105 ff.> = Buchholz 11 Art. 33 Abs. 2 GG Nr. 32 S. 31 f.; Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl. 2013, S. 76 ff. m.w.N.). Eine andere Einschätzung ist nur dann gerechtfertigt, wenn die Entscheidung des Kollegialgerichts von einer schon im Ansatz völlig verfehlten rechtlichen Betrachtung ausgegangen ist. Davon kann aber in Bezug auf die angefochtene Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs, die den Streitstoff gründlich aufgearbeitet hat, nicht die Rede sein.

51

Neben verschuldensabhängigen Ansprüchen verweist der Kläger auch auf verschuldensunabhängige Anspruchsgrundlagen. Er erwähnt neben dem nachbarrechtlichen Ausgleichsanspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB Ansprüche wegen enteignenden bzw. enteignungsgleichen Eingriffs. Auch insoweit ist die Klärung der Frage, welche Anforderungen die Vorsorgepflicht an den Anbau von gentechnisch verändertem Mais stellt, nicht erforderlich.

52

Der verschuldensunabhängige nachbarrechtliche Anspruch aus § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB gewährt dem - hier nach Maßgabe des § 16b GenTG, d.h. bei Einhaltung der guten fachlichen Praxis durch denjenigen, der gentechnisch veränderte Pflanzen anbaut - duldungspflichtigen Nachbarn einen Ausgleich für wesentliche Beeinträchtigungen, die er bei der Nutzung seines Grundstücks erleidet. In der Rechtsprechung ist anerkannt, dass der Imker anspruchsberechtigt ist, wenn die Bienen durch Immissionen auf sein Grundstück zu Schaden kommen (BGH, Urteil vom 28. Februar 1955 - III ZR 136/54 - BGHZ 16, 366 ). Das gleiche muss dann für die Imkereiprodukte gelten. Der Umstand, dass die Pollen als schädigende "ähnliche Einwirkungen" im Sinne von § 906 Abs. 1 Satz 1 BGB nicht durch den Wind, sondern durch die Sammeltätigkeit der Bienen auf das benachbarte Grundstück gelangen, ist unbeachtlich. Denn auch beim Bienenflug, den der Nachbar dulden muss, handelt es sich um ein vergleichbares natürliches Phänomen. Die Vorschrift des § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB ist nach der Rechtsprechung der Zivilgerichte analog auf den Fall der sogenannten faktischen Duldungspflicht anzuwenden. Der Nachbar hat demnach auch dann einen Ausgleichsanspruch, wenn er rechtlich die Beeinträchtigung zwar nicht hinnehmen musste, Abwehrmaßnahmen aber entweder mangels rechtzeitiger Kenntnis der schädlichen Einwirkungen überhaupt nicht möglich waren oder bei Kenntnis nicht durchgesetzt werden konnten (siehe Neutze, AUR 2008, 193 <195>, Wagner, VersR 2007, 1017 <1020> sowie Staudinger/Roth, Neubearb. 2009, § 906 Rn. 66 f. sowie 68 ff., jeweils m.w.N.; in der Begründung des Gesetzentwurfs zu § 36a GenTG wird ebenfalls hierauf verwiesen, BTDrucks 15/3088 S. 30). Werden beide Konstellationen gleichbehandelt, so kommt es auf die Rechtswidrigkeit der Beeinträchtigung nicht an. Über den Umfang des Ausgleichsanspruchs, so etwa über die Frage der Ersatzfähigkeit von Analysekosten (siehe dazu Wagner, VersR 2007, 1017 <1026 f.>), ist dann unabhängig hiervon zu entscheiden.

53

Auch die Berufung auf öffentlich-rechtliche Ersatzleistungen kann ein Feststellungsinteresse nicht begründen. Beim enteignungsgleichen Eingriff handelt es sich um eine verschuldensunabhängige Rechtwidrigkeitshaftung des Staates für unmittelbare Eigentumsbeeinträchtigungen, während der Anspruch aus enteignendem Eingriff dem Ausgleich unzumutbarer, regelmäßig atypischer und unvorhergesehener Nebenfolgen eines an sich rechtmäßigen Eigentumseingriffs dient. Beide einfachgesetzlichen Rechtsinstitute beruhen auf richterlicher Rechtsfortbildung und gründen jeweils im allgemeinen Aufopferungsgedanken.

54

In der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs ist anerkannt, dass es sich beim Anspruch aus enteignendem Eingriff um das öffentlich-rechtliche Gegenstück zum Anspruch nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB handelt (BGH, Urteil vom 11. März 2004 - III ZR 274/03 - BGHZ 158, 263 ). Dann mag es naheliegen, dass im Falle der hier gegebenen typischen nachbarrechtlichen Konstellation bei rechtswidrigem staatlichen Handeln und Fehlen einer Duldungspflicht ein entsprechender Anspruch gleichfalls anerkannt wird, der einen subsidiären Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff verdrängt.

55

Jedenfalls fehlt es aber für einen Anspruch aus enteignungsgleichem Eingriff an einer entschädigungsfähigen Rechtsposition. Der Kläger macht neben den Sachschäden für nachweisbar nicht verkehrsfähigen Honig, der nach § 906 Abs. 2 Satz 2 BGB auf jeden Fall zu entschädigen ist, insbesondere in Gestalt von Analysekosten und Ausweichaufwendungen reine Vermögensschäden geltend. Einen Vermögensschutz gewährt das Rechtsinstitut des enteignungsgleichen Eingriffs nur beim Schutzgut des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb (vgl. dazu Ossenbühl/Cornils, Staatshaftungsrecht, 6. Aufl. 2013, S. 175 ff.; Staudinger/Hager, BGB, 13. Bearb. 1999, § 823 Rn. D 2). Auch wenn der damit gewährleistete Schutz des Unternehmens mittlerweile über den Gewerbebetrieb im handelsrechtlichen Sinn hinausreicht (BGH, Urteil vom 15. Mai 2012 - VI ZR 117/11 - BGHZ 193, 227 Rn. 19; Spindler, in: Bamberger/Roth, BGB, 3. Aufl. 2012, § 823 Rn. 105), muss eine Betätigung, die vom Anwendungsbereich dieses Rechts erfasst wird, nicht nur die Merkmale der Selbstständigkeit, Entgeltlichkeit, Nachhaltigkeit und des Auftretens nach außen erfüllen (Staudinger/Hager, a.a.O., § 823 Rn. D 6), sondern zugleich auf die Erzielung eines Nebenerwerbs gerichtet sein. Nach den Feststellungen des Verwaltungsgerichtshofs betreibt der Kläger zu 1 aber lediglich eine Liebhaber-Imkerei. Der gelegentliche Verkauf von Honig macht daraus kein Unternehmen, das in den Anwendungsbereich des Rechts am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb fällt.

56

(2) Ein Feststellungsinteresse ergibt sich schließlich auch nicht aus der Überlegung, dass sich der nachbarliche Konflikt zwischen verschiedenen landwirtschaftlichen Nutzungen typischerweise kurzfristig erledige und deswegen regelmäßig einer gerichtlichen Überprüfung in einem Hauptsacheverfahren nicht zugeführt werden könne und deswegen die Gewährung von Rechtsschutz durch Art. 19 Abs. 4 GG geboten sei (siehe dazu zuletzt Urteil vom 16. Mai 2013 - BVerwG 8 C 14.12 - Buchholz 11 Art. 12 GG Nr. 284 Rn. 31 ff. m.w.N.). Die Unverträglichkeit von Imkerei und benachbartem Anbau von gentechnisch veränderten Pflanzen - bzw. noch enger gefasst, deren Blüte - zeigt sich zwar jeweils in einem engen zeitlichen Korridor. Dass sie typischerweise jeweils nur auf eine Wachstumsperiode beschränkt ist, in der Rechtsschutz in der Hauptsache in aller Regel nicht zu erreichen sein wird, kann so aber nicht angenommen werden. Denn über den in der Natur der Sache liegenden Umstand, dass das zu bewältigende Sachproblem jeweils periodisch, aber gleichwohl immer wieder, auftritt, hilft in aller Regel die vom Kläger auch erhobene vorbeugende Unterlassungsklage bzw. Feststellungsklage hinweg.

Gründe

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof

3 BV 13.834

Im Namen des Volkes

Urteil

vom 24. April 2015

(VG Augsburg, Entscheidung vom 20. Dezember 2012, Az.: Au 2 K 11.632)

3. Senat

Sachgebietsschlüssel: 1330

Hauptpunkte:

Beamtenrecht, Professor, Hochschullehrer, Organisation des Arbeitsschutzes an einer Universität, Übertragung der Verantwortlichkeit des Dienstherrn für den Arbeitsschutz an Beamten (hier: Lehrstuhlinhaber) mittels einer Weisung, Anforderungen an die Beauftragung „fachkundiger Personen“, Wissenschaftsfreiheit, Fürsorgepflicht, Vorbeugende Feststellungsklage

Rechtsquellen:

In der Verwaltungsstreitsache

...

gegen

...

vertreten durch: Landesanwaltschaft ..., L-str. ..., M.,

- Beklagter -

wegen Übertragung der Dienstherrnpflichten im Bereich des Arbeitsschutzes;

hier: Berufung der Kläger gegen das Urteil des Bayerischen Verwaltungsgerichts Augsburg vom 20. Dezember 2012,

erlässt der Bayerische Verwaltungsgerichtshof, 3. Senat, durch den Vorsitzenden Richter am Verwaltungsgerichtshof Läpple, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Vicinus, die Richterin am Verwaltungsgerichtshof Dr. Weizendörfer aufgrund mündlicher Verhandlung vom 22. April 2015 am 24. April 2015

folgendes Urteil:

I.

Die Berufung wird zurückgewiesen.

II.

Die Kläger haben die Kosten des Berufungsverfahrens jeweils zur Hälfte zu tragen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Kläger können jeweils die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der Beklagte vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

IV.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger zu 1) ist (der derzeitige) Dekan der Juristischen Fakultät der Universität A.

Der Kläger zu 2) ist Professor für Bürgerliches Recht und Zivilverfahrensrecht, Römisches Recht und Europäische Rechtsgeschichte ebenfalls an der Universität A.

Die Universität A. übertrug dem Kläger zu 2) in seiner damaligen Funktion als Dekan der juristischen Fakultät mit Schreiben vom 8. April 2009 die dem Dienstherrn hinsichtlich des Arbeitsschutzes und der Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren obliegende Pflichten, wobei der Aufgabenbereich an die Nachfolgerin/den Nachfolger im Amt übergeben werden sollte. Nach dem Ausscheiden des Klägers zu 2) aus seiner Funktion als Dekan wurde weder die Übertragung gegenüber den Amtsnachfolgern wiederholt, noch der Aufgabenbereich durch den Kläger zu 2) an seinen unmittelbaren Amtsnachfolger übergeben. Hinsichtlich des Klägers zu 1) wurde seitens des Dienstherrn nunmehr eine Übertragung (formlos) angekündigt, ohne dass der konkrete Umfang der Übertragung feststünde.

Mit Schreiben vom 9. April 2009 erging an den Kläger zu 2) in seiner Funktion als Lehrstuhlinhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht und Zivilverfahrensrecht, Römisches Recht und Europäische Rechtsgeschichte eine weitere Verfügung, mit der ihm „im Sinne einer klaren Zuständigkeitsverteilung, die alle Bereiche der Universität in Fragen der Sicherheit abdeckt, […] die dem Dienstherrn hinsichtlich des Arbeitsschutzes und der Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren obliegende Pflichten“ übertragen worden sind. Die beigefügte „Bestätigung der Übertragung von Dienstherrenpflichten“ umfasste die Übertragung der der Universität hinsichtlich der Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und altersbedingten Gesundheitsgefahren obliegenden Pflichten, in eigener Verantwortung

Einrichtungen zu schaffen und zu erhalten,

Anweisungen zu geben und sonstige Maßnahmen zu treffen,

eine wirksame Erste Hilfe sicherzustellen und

arbeitsmedizinische Untersuchungen oder sonstige arbeitsmedizinische Maßnahmen

zu veranlassen.

Dazu gehörten ausweislich des Formblatts insbesondere:

die Ermittlung und Prüfung von Gefahrenlagen

die Feststellung ggf. erforderlicher Schutzmaßnahmen

die Erstellung von Betriebsanweisungen

die Durchführung von Unterweisungen

Ermittlung der verwendeten Stoffe und Prüfung, ob es sich dabei um Gefahrstoffe handelt, falls ja Ersatzstoffprüfung

ordnungsgemäße Kennzeichnung, Aufbewahrung und Lagerung von Gefahrstoffen

Prüfung, ob arbeitsmedizinische Vorsorgeaufwendungen erforderlich sind

bei möglicher Überschreitung von Grenzwerten, Veranlassung von Messungen

Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen des Brandschutzes und ggf. Strahlenschutzes.

Ebenfalls beigefügt war ein „Erhebungsbogen der Universität A. für Büro- und Bildschirmarbeitsplätze“. Die Übertragung der Pflichten hat der Kläger zu 2) nicht bestätigt.

Mit Schreiben vom 18. Februar 2010 hat der Kläger zu 2) beim Präsidenten der Universität A. remonstriert und beantragt, die Übertragung aufzuheben. Die Wahrnehmung von Dienstherrenpflichten im Bereich der Arbeitssicherheit zähle nicht zu seinem Amt als Universitätsprofessor. Er sehe sich auch außerstande, solche Aufgaben ohne zugehörige Personal- und Sachausstattung verantwortlich zu versehen. Es sei ausgeschlossen, dass er die komplexen Aufgaben in sachangemessener Weise neben den vielfältigen Belastungen und Anforderungen aus Forschung, Lehre und akademischer Selbstverwaltung kompetent wahrnehmen könne. Wegen der notwendigen Bindung von Kapazitäten werde die Möglichkeit zur freien Entfaltung in Forschung und Lehre ausgehöhlt.

Der Präsident der Universität A. lehnte den Antrag mit Schreiben vom 10. Mai 2010 ab. Es fände keine Übertragung zusätzlicher Pflichten statt. Die mit der Führungs- und Vorgesetzteneigenschaft verbundene Aufsichtspflicht beinhalte auch, die Erfüllung der Regelungen der Arbeitssicherheit durch die nachgeordneten Stellen zu beaufsichtigen und für ihre Einhaltung Sorge zu tragen. Der Sicherheitsingenieur der Universität könne die Aufgabenübertragung nicht überflüssig machen, da er keine Vorgesetzteneigenschaft besitze. Er solle vielmehr beratend, unterstützend und kontrollierend tätig werden. Dem Schreiben war u. a. die Anlage „Gefährdungsbeurteilung gemäß § 5 Arbeitsschutzgesetz - Durchführungsanleitung“ beigefügt. Diese enthält Ermittlungs- und Bewertungsbögen, die der Dokumentation der Gefährdungsbeurteilung dienen, u. a. auch den „Erhebungsbogen der Universität A. für Büro- und Bildschirmarbeitsplätze“.

Am 2. Mai 2011 erhoben der Kläger zu 2) und dessen Nachfolger im Amt des Dekans der Juristischen Fakultät, der Kläger zu 1), Klage gegen den Freistaat Bayern. Hinsichtlich der Person des Klägers zu 1) wurde mit Schreiben vom 31. Januar 2012, vom 31. Oktober 2013 und vom 24. Februar 2015 jeweils Klägerwechsel vorgenommen (jeweils amtierender Dekan/Dekanin).

Die Kläger beantragten,

festzustellen, dass die Übertragung von Arbeitgeberpflichten in der Arbeitssicherheit auf den Vorvorgänger des Klägers zu 1) im Amte durch den Bescheid vom 8. April 2009 rechtswidrig war,

festzustellen, dass die Übertragung von Arbeitgeberpflichten in der Arbeitssicherheit vom 8. April 2009 dem Kläger zu 1) gegenüber keine Bindungswirkung entfaltet,

den Beklagten zu verpflichten, die Verfügung gegen den Kläger zu 2) vom 9. April 2009 zurückzunehmen,

hilfsweise, festzustellen, dass die Übertragung von Arbeitgeberpflichten in der Arbeitssicherheit auf den Kläger zu 2) durch den Bescheid vom 9. April 2009 rechtswidrig ist.

Die Übertragung der arbeitsschutzrechtlichen Dienstherrnpflichten sei auf Grundlage des § 13 Abs. 2 ArbSchG erfolgt. Dessen tatbestandliche Voraussetzungen lägen jedoch nicht vor. Nach § 13 Abs. 2 ArbSchG könnten die arbeitsschutzrechtlichen Pflichten nur fachkundigen Personen übertragen werden. Die Kläger besäßen jedoch nicht die fachliche Qualifikation hinsichtlich der erforderlichen theoretischen Kenntnisse und praktischen Fähigkeiten, um die einschlägigen Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften einzuhalten. Eine „Vermittlung“ der Fachkunde durch den Sicherheitsbeauftragten der Universität genüge nicht. Auch wenn ein Lehrstuhlinhaber als Vorgesetzter dazu verpflichtet sei, keine arbeitsschutzwidrigen Weisungen zu erteilen, so könne daraus nicht abgeleitet werden, dass er allein aufgrund seiner Stellung auch dazu verpflichtet sei, für die Einhaltung des Arbeitsschutzes aktiv Sorge zu tragen. Die Übertragung löse zusätzliche rechtliche Bindungen (Verantwortlichkeit nach § 9 Abs. 2 OWiG, strafrechtliche Garantenpflichten) aus und verstoße damit gegen die beamtenrechtliche Fürsorgepflicht des Dienstherrn, da er gehalten sei, seine Beamten vor Haftungsrisiken zu bewahren.

Auch das Ermessen hinsichtlich der Übertragung sei falsch ausgeübt worden. Offenbar sei die Universität A. davon ausgegangen, eine Übertragung der Dienstherrnpflichten habe zwingend zu erfolgen, so dass ein Ermessensausfall vorliege. Vernünftige Gründe gegen die Übertragung, wie der Aspekt der Fürsorgepflicht oder der Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit der Verwaltung, seien einseitig zurückgestellt worden, was eine Ermessensunterschreitung darstelle. Auch aus der dem Gesetz zugrundeliegenden Richtlinie 89/391/EWG seien Ermessensgesichtspunkte abzuleiten, die nicht in die Ermessensentscheidung eingeflossen seien, wie z. B. die Frage, ob der Lehrstuhlinhaber die Aufsichtspflicht über eine gefahrgeneigte Organisationseinheit oder - wie im Fall der Juristischen Fakultät - nur über Bildschirmarbeitsplätze habe.

Die Maßnahme verstoße außerdem gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit, da es unter diesem Gesichtspunkt fehlerhaft sei, statt einer zentralen Schulung viele einzelne Fortbildungsveranstaltungen für die Lehrstuhlinhaber zu organisieren.

Im Übrigen sei die Maßnahme unverhältnismäßig, da die zeitliche Mehrbelastung der Kläger auf Kosten ihrer Aufgaben in Forschung und Lehre gehe. Die dezentrale Arbeitsschutzstruktur sei wegen der Belastung einer Vielzahl von Personen mit inhaltlich gleichen Pflichten weder erforderlich noch infolge der hohen Ressourcenbindung durch zum Teil banale Tätigkeiten verhältnismäßig im engeren Sinne.

Der Beklagte beantragte mit Schreiben vom 4. Juli 2011,

die Klage abzuweisen.

Mit der angegriffenen Maßnahme habe der Beklagte keine flächendeckende Abwälzung von Unfallverhütungsmaßnahmen auf die Lehrstuhlinhaber und Professoren vorgenommen, sondern ein ausdifferenziertes System an Verantwortlichkeiten geschaffen. Er habe Gruppen gebildet, denen ein abgegrenzter Aufgabenbereich mit entsprechenden persönlichen und sächlichen Ressourcen und - je nach Einzelfall - eigenständigen Entscheidungsbefugnissen eingeräumt worden sei. So sei im Bereich der Wissenschaft eine Gruppe der Professoren und Professorinnen, eine Gruppe der Lehrstuhlinhaber und Lehrstuhlinhaberinnen, eine Gruppe der Leiter und Leiterinnen von Instituten und sonstigen wissenschaftlichen Einrichtungen sowie eine Gruppe der Dekane und Dekaninnen gebildet worden. Innerhalb dieser Gruppen habe der Beklagte weiter differenziert zwischen Mitgliedern einer Gruppe, bei denen aufgrund des Aufgabenbereichs ein höheres Gefährdungspotential vorliege und solchen, in deren Bereich lediglich Bildschirmarbeitsplätze vorkämen.

Die Verpflichtung zur Wahrnehmung von Arbeitsschutzaufgaben und zur Tragung der Verantwortung ergebe sich bei den Klägern aus dem jeweils zugrunde liegenden Dienstverhältnis. Aus der Funktion eines Vorgesetzten lasse sich nämlich auch die Pflicht ableiten, dafür Sorge zu tragen, dass die unter seiner oder ihrer Leitung stehenden Arbeiten unter Beachtung der Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften ausgeführt werden.

An der Fachkunde der Kläger bestehe kein Zweifel. Welcher Maßstab für die Annahme der Fachkunde anzulegen sei, hänge von der zu erwartenden Leistung ab. Fachkundig sei, wer über ausreichende Kenntnisse verfüge, um die erforderlichen Leistungen ordnungsgemäß erbringen zu können. An die Kläger seien folglich geringere Anforderungen zu stellen als an Lehrstuhlinhaber im Bereich der Naturwissenschaften. Bei dem Erwerb der Qualifikation eines Professors seien die Kläger mit den entsprechenden arbeitsschutzrechtlichen Anforderungen konfrontiert gewesen, für deren Einhaltung nun die Verantwortung übernommen werden solle.

Eine andere Organisation der arbeitsschutzrechtlichen Verantwortung erscheine untunlich, da wesentliche Voraussetzung für die eigene Verantwortlichkeit eines Beauftragten die Ausübung der Weisungsbefugnis anstelle des Dienstherrn sei. Eine Übertragung der Verantwortung an eine bestimmte Person wäre zwangsläufig mit der Einräumung von Weisungsbefugnissen gegenüber den Professoren und Dekanen verbunden.

Ermessensfehler seien dem Beklagten nicht unterlaufen. Die Übertragung habe sich an dem fachlich-wissenschaftlichen Aufgabenbereich und den übertragenen Entscheidungsbefugnissen orientiert. Eine Pflicht zur Erfüllung zusätzlicher sachlicher Aufgaben sei mit der Übertragung genauso wenig verbunden wie neue Entscheidungsbefugnisse. Es sei nicht davon ausgegangen worden, der Dienstherr sei verpflichtet, die Verantwortung zu übertragen.

Auch ein Verstoß gegen den Grundsatz der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sei nicht gegeben, da die vom Beklagten gewählte Organisation die Aufgabenerfüllung am ehesten sicherstelle.

Mit Urteil vom 20. Dezember 2012 hat das Verwaltungsgericht die Klagen abgewiesen.

Die Übertragung von Dienstherrenpflichten habe nicht deklaratorischen, sondern konstitutiven Charakter. Nach § 3 ArbSchG sei grundsätzlich der Arbeitgeber für den Arbeitsschutz zuständig, hier nach § 2 Abs. 3 ArbSchG der Beklagte. Nach § 13 Abs. 1 Nr. 4 ArbSchG seien neben dem Arbeitgeber Personen, die mit der Leitung eines Unternehmens oder eines Betriebs beauftragt sind, im Rahmen der ihnen übertragenen Aufgaben und Befugnisse für die Einhaltung der sich auf dem Arbeitsschutzgesetz ergebenden Pflichten verantwortlich. Auf der Grundlage dieser Vorschrift lasse sich jedoch eine kraft Gesetzes bestehende Verantwortlichkeit eines Dekans für die Beachtung der arbeitsschutzrechtlichen Pflichten nicht begründen. Auch eine freiwillige Übernahme der arbeitsschutzrechtlichen Pflichten sei nicht gegeben.

Es lägen jedoch die Voraussetzungen für die konstitutive Übertragung der Pflichten des Dienstherrn im Arbeitsschutz für die Juristische Fakultät auf die Kläger vor. Nach § 13 Abs. 2 ArbSchG könne der Dienstherr zuverlässige und fachkundige Personen schriftlich damit beauftragen, ihm obliegende Aufgaben nach dem Arbeitsschutzgesetz in eigener Verantwortung wahrzunehmen. Die Kläger seien sowohl zuverlässig als auch fachkundig. Ausweislich der von der Universität A. durchgeführten Gefährdungsbeurteilung betreffe die Übertragung ausschließlich Bildschirmarbeitsplätze, die keinerlei besonderes Gefährdungspotential aufwiesen. In diesen Fällen sei ein Minimum an Fachkunde erforderlich, aber auch ausreichend. Die Gesundheitsgefahren, die von einem Büroarbeitsplatz ausgingen, seien im Wesentlichen vergleichbar mit denen in privaten Wohnräumen. Anders als in z. B. Laboratorien oder Sporthallen fänden sich an Bildschirmarbeitsplätzen nur technische Geräte (z. B. PC, Bildschirm, Drucker, Telefon) und Möbel (z. B. Tisch, Stuhl, Schrank), die so alltäglich und gängig seien, dass unterstellt werden könne, dass nach allgemeiner Lebenserfahrung von ihnen keine für erfahrene Beamte unbeherrschbare Gefahren ausgingen. Zu den Aufgaben des Verantwortlichen gehörten die Anzeige und gegebenenfalls Beseitigung von erkannten Gefahrenlagen und die Überwachung der Einhaltung der Arbeitsschutzvorschriften durch die Mitarbeiter. Von ihm werde also nicht etwa erwartet, technische Geräte auf ihre Sicherheit hin eigenhändig zu überprüfen oder selbst den optimalen Rettungsweg zu bestimmen, sondern lediglich dafür zu sorgen, dass die Überprüfung technischer Geräte regelmäßig stattfindet und dass die Mitarbeiter die ausgeschilderten Fluchtwege kennen. Zur Erfüllung dieser Aufgaben, die hauptsächlich im Bereich der Organisation und Überwachung angesiedelt seien, sei kein besonderes Spezialwissen notwendig. Da letztlich keinerlei Anhaltspunkte dafür erkennbar seien, dass dem Kläger die für diese Aufgabenerfüllung notwendigen Kenntnisse und Berufserfahrung fehlen könnten, sei davon auszugehen, dass bei ihm die erforderliche Fachkunde für den Arbeitsschutz bei Bildschirmarbeitsplätzen vorläge. Auch im Übrigen leide die Übertragung an keinen rechtlichen Fehlern, da dem Dienstherrn insoweit ein weiter Organisationspielraum zustehe. Die Übertragung widerspreche auch nicht der Fürsorgepflicht des Dienstherrn, weil sie den betroffenen Beamten möglicherweise zusätzliche Haftungsrisiken überbürde. Primär bezwecke die Übertragung eine Erweiterung des Adressatenkreises zur Erleichterung behördlicher Überwachungsmaßnahmen und Vollzugsanordnungen, mit der Folge, dass Vorschriften und Anweisungen einfacher und schneller eingehalten und durchgeführt werden können. Insofern - also bezogen auf die öffentlich-rechtliche Verantwortlichkeit - stelle die Übertragung keinen Eingriff in subjektiv-öffentliche Rechte des weisungsverpflichteten Professors dar. Die Übertragung sei zwar in der Lage eine ordnungswidrigkeitenrechtliche bzw. strafrechtliche Haftung auszulösen. Dies führe allerdings nicht dazu, dass die Übertragung unter Fürsorgegesichtspunkten unzulässig wäre. Zu beachten sei nämlich, dass der Dienstherr auch eine Fürsorgepflicht gegenüber den anderen Arbeitnehmern und andern Beamten habe und durch die Übertragung ein effektiver Arbeitsschutz gewährleistet sei. Schließlich könne nicht außer Betracht bleiben, dass die straf- und bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit fahrlässiges oder vorsätzliches Handeln voraussetze. Es komme somit nicht etwa zu einem unüberschaubaren Bereich, in dem der Beamte jederzeit nicht steuerbaren Haftungsrisiken ausgesetzt sei. Vielmehr beginne die Haftung des Verantwortlichen erst dann, wenn er z. B. die Gefahr einer Körperverletzung erkannt habe bzw. hätte erkennen müssen und trotz Handlungsmöglichkeit untätig geblieben sei. Unter Berücksichtigung der betroffenen hochrangigen Schutzgüter, der Gebotenheit der Übertragung und des haftungsbegrenzenden Erfordernisses von Verschulden sei eine Verletzung der Fürsorgepflicht zu verneinen. Es liege auch keine Verletzung des Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG vor. Als subjektives Abwehrrecht schütze Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG die wissenschaftliche Betätigung vor staatlichen Eingriffen. Die Übertragung von Dienstherrenpflichten im Bereich des Arbeitsschutzes stelle keinen unzulässigen Eingriff in die Freiheit von Wissenschaft, Forschung und Lehre dar. Dem Professor werde lediglich eine zusätzliche Aufgabe aus dem Bereich der Verwaltung der Hochschule übertragen. Es sei nicht ersichtlich, dass dadurch zeitliche und sachliche Kapazitäten in einem solchen Umfang gebunden würden, dass Auswirkungen in nennenswertem Umfang auf den Bereich der Forschung und Lehre zu erwarten seien. Es bestehe nur ein eingeschränkter Zuständigkeitsbereich und die Tätigkeit beschränke sich weitestgehend auf Anweisung und Überwachung.

Hiergegen richtet sich die vom Verwaltungsgericht zugelassene und von den Klägern am 9. April 2013 eingelegte und am 31. Mai 2013 begründete Berufung, mit der sie zuletzt beantragen,

das Urteil des Verwaltungsgerichts Augsburg vom 20. Dezember 2012 abzuändern,

festzustellen, dass die Übertragung von Arbeitgeberpflichten nach § 13 Abs. 2 des Arbeitsschutzgesetzes auf den Kläger zu 1 rechtswidrig wäre,

den Beklagten zu verpflichten, die Verfügung gegen den Kläger zu 2) vom 9. April 2009 zurückzunehmen,

hilfsweise festzustellen, dass die Übertragung von Arbeitgeberpflichten in der Arbeitssicherheit auf den Kläger zu 2) durch den Bescheid vom 9. April 2009 rechtswidrig gewesen ist.

Die Auslegung des Begriffs „fachkundig“ durch das Verwaltungsgericht beruhe auf einem falschen Ausgangspunkt, da zwischen Bildschirmarbeitsplätzen im privaten Bereich und solchen in Betrieben/Behörden völlig unterschiedliche Pflichtensituationen und Anforderungen bestünden. Der private Arbeitsplatz unterliege keinen Arbeitsschutzvorschriften, der „öffentliche“ hingegen in hohem und differenziertem Ausmaß. So zeige beispielsweise die Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit an Bildschirmgeräten einschließlich ihres detaillierten Anhangs eine extrem hohe Regelungsdichte mit zahlreichen unbestimmten Rechtsbegriffen und technischen Fachtermini, die nur von in der Arbeitsmedizin erfahrenen Fachleuten beurteilt werden könnten. Über den Bildschirm hinaus könnte sich überdies an vermeintlich harmlosen Bildschirmarbeitsplätzen eine Unzahl von akuten und chronischen Schadensentwicklungen zutragen, vom bandscheibenschädlich falsch eingestellten Bürostuhl bis zum jahrelang akkumulierten Krebsrisiko wegen ozonhaltiger Ausdünstungen eines Druckers. Die Kläger verfügten nicht über diese Fachkenntnisse. Der Kläger zu 2) sei nicht schon deswegen fachkundig, weil er angeblich „kraft Amtes“ über die erforderlichen theoretischen Kenntnisse und praktischen Fähigkeiten verfüge, um die einschlägigen Arbeitsschutz- und Unfallverhütungsvorschriften einzuhalten. Es sei nicht ersichtlich, warum die Fluchtwegsinformationen nicht durch ein dem ausgefertigten Anstellungsvertrag beigefügtes graphisches Merkmal zu bewerkstelligen sei. Auch die regelmäßige, zentral organisierte Überprüfung technischer Geräte durch die Fachkräfte für Arbeitssicherheit einschließlich der Begehung der Bildschirmarbeitsplätze erfolge an anderen Universitäten des Freistaats Bayern, etwa an der FAU E. ohne weiteres Zutun des professoralen Personals turnusgemäß, routinemäßig und völlig problemlos. Es sei nicht ersichtlich, warum dies an der Universität A. nicht möglich sein sollte. Es sei also keinesfalls so, dass eine Übertragung der Dienstherrenpflichten im Arbeitsschutz geboten oder sogar zwingend erforderlich gewesen sei, um einen effektiven Arbeitsschutz zu gewährleisten. Auch insoweit fehle es also an der Erforderlichkeit des Mittels, die Maßnahme sei also unverhältnismäßig.

Der Beklage beantragt mit Schriftsatz vom 5. August 2013, die Berufung zurückzuweisen.

Er verteidigt das angefochtene Urteil und beschreibt unter dem 31. März 2015 - ohne Anspruch auf Vollständigkeit zu erheben - folgende konkrete Pflichten der Kläger:

1. Die Beurteilung der Gefährdungen (vgl. § 5 ArbSchG, § 3 DGUV Vorschrift 1) für die Beschäftigten, die dem Lehrstuhl bzw. der Fakultät zugeordnet seien; diese Beurteilung könne anhand des Erhebungsbogens der Universität A. für Büro- und Bildschirmarbeitsplätze und mit Unterstützung der Fachkraft für Arbeitssicherheit erfolgen;

2. die regelmäßige Unterweisung (vgl. § 12 und § 9 ArbSchG, § 4 DGUV Vorschrift 1) der Beschäftigten, die dem Lehrstuhl bzw. der Fakultät zugeordnet seien, über den Arbeitsschutz; wobei wiederum auf die Unterstützung der Fachkraft für Arbeitssicherheit zurückgegriffen werden könne; die Unterweisung müsse insbesondere im Hinblick auf Notfall- und Erste Hilfe Maßnahmen sowie auf die Bestimmungen des Brandschutzes mindestens umfassen:

- die Erreichbarkeit von Ersthelfern, Erste Hilfe Material und Feuerlöschern, das Vorgehen bei Unfällen;

- die eingerichteten Flucht- und Rettungswege sowie Notausgänge und Sammelpunkte, das Verhalten beim Brandfall, die Minimierung von Brandlasten (z. B. kein Verstellen von Wegen, Löscheinrichtungen oder kein Verkeilen von Brandschutztüren),

- die Verwendung von und den Umgang mit geeigneten Arbeitsmitteln (z. B. Verwendung von Kabelbrücken, Verwendung geprüfter und unbeschädigter elektrischer Geräte, Verwendung von Tritten und Leitern, Transporthilfen);

3. bei der Übertragung von Aufgaben an Beschäftigte, die dem Lehrstuhl bzw. der Fakultät zugeordnet seien, sei zu berücksichtigen, ob die Befähigung vorliege, die für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz bei der Aufgabenerfüllung zu beachtenden Bestimmungen und Maßnahmen einzuhalten (vgl. § 7 ArbSchG, § 7 und § 8 DGUV Vorschrift 1),

4. die Beschaffung von geeigneten Arbeitsmitteln und Büroausstattung, z. B. Bildschirme, Schneidgeräte, Aktenvernichter, Tritte, Leitern, Transporthilfen, Leuchtmittel, Bürostühle, Schreibtische, Tastaturen, etc. (vgl. § 3 Abs. 1 und 2, sowie § 4 ArbSchG, § 2 DGUV Vorschrift 1);

5. die Organisation von Arbeitsabläufen im dienstlichen Aufgabenbereich und entsprechende Erteilung von Anweisungen an die Beschäftigten, die dem Lehrstuhl bzw. der Fakultät zugeordnet seien, so dass Gefährdungen möglichst gering gehalten werden (vgl. § 3 Abs. 1 und 2, sowie §§ 4 und 9 ArbSchG, §§ 2, 7 und 8 DGUV Vorschrift 1), z. B. so dass Bildschirmarbeit regelmäßig durch andere Tätigkeiten oder Pausen unterbrochen wird, Einrichtungen des Arbeitsplatzes, Ermöglichung bzw. Veranlassung der Ersthelferausbildung und sonstiger Schulungen und der arbeitsmedizinischen Untersuchung etc.;

6. treffen der sonstigen nach den besonderen Umständen erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes nach den Grundsätzen der §§ 3 und 4 ArbSchG bzw. §§ 2, 10 und 11 DGUV Vorschrift 1;

7. Überwachung der Einhaltung der Bestimmungen und Anordnungen sowie Überprüfung der getroffenen Maßnahmen (vgl. §§ 3 und 4 ArbSchG bzw. §§ 2, und 10, 11 DGUV Vorschrift 1).

Diese Darstellung der Dienstherrenpflichten zeige, dass das Gefährdungspotential im Bereich der Kläger überschaubar sei und von den Klägern im laufenden Dienstbetrieb mit geringem Aufwand beherrscht werden könne. Hinzu komme, dass die Kläger zwar nach der Übertragung für die Erfüllung der vorstehenden Pflichten verantwortlich seien, in diesem Rahmen aber die Möglichkeit hätten, die Wahrnehmung einzelner Pflichten auf geeignete Beschäftigte zu delegieren und auf diese Art und Weise eine Organisation zu schaffen, die die Erfüllung der Pflichten arbeitsteilig sicherstelle. Zudem bestehe an der Universität A. eine den gesetzlichen Anforderungen entsprechende Organisation zur Unterstützung der verantwortlichen Personen in allen Fragen der Arbeitssicherheit einschließlich der menschengerechten Gestaltung der Arbeit. Es seien Sicherheitsbeauftragte bestellt, die die Verantwortlichen bei der Durchführung des Arbeitsschutzes vor Ort unterstützten. Die Aufgaben der Sicherheitsbeauftragten seien beobachtender Art, sie seien insbesondere in Bereichen, in denen technische Geräte, Maschinen oder Einrichtungen zum Einsatz kämen, in denen naturwissenschaftliche Laboratorien vorhanden seien sowie in der Universitätsbibliothek mit ihren zugehörigen Teilbibliotheken und im Sportzentrum bestellt. Die Personalvertretung unterstütze die für die Sicherheit und den Gesundheitsschutz zuständigen Stellen in deren Arbeit bei der Umsetzung der bestehenden Gesetzesverordnungen und Richtlinien zur Arbeitssicherheit und zum Gesundheitsschutz. An der Universität A. sei ferner ein Arbeitsausschuss eingerichtet, der grundlegende Anliegen der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes bei der Arbeit berate. An der Universität A. seien Ersthelfer bestellt, die von einer zertifizierten Organisation unterrichtet und insbesondere in der Funktion der vorhandenen Defibrillatoren eingewiesen seien. Fakultätsübergreifend seien Erste-Hilfe-Räume und weitere Stationen mit Materialien für die Erste Hilfe vorhanden. Die Ausbildung der Ersthelfer sowie der Ersatz von verbrauchtem Material werde durch das Referat Sicherheitsmanagement und Umweltschutz unterstützt. Die Abteilung für Akademische Angelegenheiten und Rechtsangelegenheiten berate und unterstütze die Verantwortlichen für den Arbeitsschutz in arbeitsrechtlichen Fragen. Die Abteilung für Personalangelegenheiten berate und unterstütze bei personalrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit Maßnahmen des Arbeitsschutzes; die Abteilung für Haushalts- und Beschaffungswesen unterstütze und berate bei haushaltsrechtlichen Fragen im Zusammenhang mit Maßnahmen des Arbeitsschutzes insbesondere bei der Beschaffung der sächlichen Ausstattung. Die Universität A. verfüge über eine ausgeprägte Sicherheitsstruktur aus verantwortlichen Personen mit inhaltlich und räumlich klar abgegrenzten Pflichtenbereichen und unterstützenden Stellen. Es liege in der Natur einer komplexen Materie, wie hier der Abwehr von Gesundheitsgefahren, dass die korrekte Bestimmung der Verantwortlichkeit in Einzelfällen einer umfangreicheren Klärung bedürfen könne. Dies stelle aber nicht die Organisation von Verantwortlichkeiten in Frage, sondern erfordere gerade eine Organisation von Kriterien, wie sie der Beklagte eingerichtet habe.

Zu Einzelheiten wird auf den Akteninhalt Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

1. Die vorbeugende Feststellungsklage des Klägers zu 1) - derzeit amtierender Dekan - ist mangels qualifizierten Feststellungsinteresses unzulässig.

Der Kläger zu 1) hat angesichts der Erklärung des Beklagten in der mündlichen Verhandlung, er beabsichtige, ihm die Arbeitgeberpflichten der Arbeitssicherheit zu übertragen, in der Berufungsinstanz nunmehr seinen Klageantrag in eine vorbeugende Feststellungsklage umgestellt. Der Kläger will einer möglichen künftigen Übertragung der Dienstherrenpflichten im Bereich des Arbeitsschutzes vorbeugen. Die Klageänderung ist zulässig, da ihr der Beklagte zugestimmt hat (§ 91 Abs. 1 VwGO). Über den ursprünglichen Klageantrag, gerichtet auf Feststellung, dass die seinerzeitige Übertragung der Arbeitgeberpflichten auf den Kläger zu 2) rechtswidrig war bzw. dem Kläger zu 1) gegenüber keine Bindungswirkung entfaltet, war damit nicht mehr zu entscheiden.

Klagen, mit denen vorbeugend Rechtsschutz begehrt wird, erfordern nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ein entsprechend qualifiziertes, d. h. gerade auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzinteresse. Dieses ist gegeben, wenn der Betroffene nicht in zumutbarer Weise auf den von der Verwaltungsgerichtsordnung als grundsätzlich angemessen und ausreichend angesehenen nachträglichen Rechtsschutz - einschließlich der Verfahren nach §§ 80 und 123 VwGO - verwiesen werden kann (vgl. BVerwG, B.v. 20.9.1989 - 9 B 165/89 - juris Rn. 3; Beck’scher Online-Kommentar VwGO, Stand: 1.4.2015, § 43 Rn. 27, Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, vor §§ 40 Rn. 2; Sodan/Ziekow, Verwaltungsgerichtsordnung, 4. Auflage 2014, § 43 En. 105; Kopp/Schenke, VwGO, 13. Auflage 2013, § 43 Rn. 24 a.E.). Hier reichen die Möglichkeiten eines nachträglichen Rechtsschutzes aus. Sollten die Arbeitgeberpflichten dem Kläger zu 1) übertragen werden, könnte er sich dagegen im Wege eines Widerspruchs bzw. einer Klage und mittels eines zugleich gestellten Antrags auf einstweilige Anordnung nach § 123 VwGO wehren. Damit wäre auch eine rechtzeitige Entscheidung zumindest im Eilverfahren während der laufenden Wahlperiode des Dekans sichergestellt. Der Verweis auf den vorläufigen Rechtsschutz ist dem Kläger zu 1) trotz der mit der Übertragung der Arbeitgeberpflichten einhergehenden ordnungswidrigkeitsrechtlichen bzw. strafrechtlichen Haftung (§9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 OWiG bzw. § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StGB) zuzumuten. Insoweit besteht keine vergleichbare Situation mit der sog. „Damokles-Rechtsprechung“ (vgl. zu dieser Fallgruppe: Eyermann, VwGO, 14. Auflage 2014, § 43 Rn. 33), wonach das Interesse an der Vermeidung von Sanktionen, etwa in Fällen verwaltungsrechtsakzessorisch strafbaren Handelns und auf dem Gebiet des Ordnungswidrigkeitenrechts das qualifizierte Feststellungsinteresse für die vorbeugende Feststellungsklage begründet. Bei dieser Fallgruppe ist zwischen den Parteien eine Rechtslage nicht geklärt mit der Folge, dass der Kläger entweder ein Recht, das ihm seiner Meinung nach zusteht, nicht ausüben oder er sich der Gefahr aussetzen muss, dass die unerlaubte Tätigkeit mit einer Geldbuße oder einem Strafverfahren geahndet wird. (vgl. BVerfG, B.v. 7.4.2003 - 1 BvR 2129/02 - NVwZ 2003, 856 - juris unter Hinweis auf BVerwG, U.v. 17.1.1972 - I C 33.68 - BVerwGE 39, 247 - juris Rn. 7; vgl. auch Wysk, Verwaltungsgerichtsordnung, 2011, § 43 Rn. 58). Diese Unsicherheit rechtfertigt ein schutzwürdiges anzuerkennendes Interesse für eine vorbeugende Feststellungsklage. Hier bedarf es keiner eigenen fachgerichtlichen Klärung verwaltungsrechtlicher Zweifelsfragen, die in einem unmittelbaren Zusammenhang mit einer Bußgeld- oder Strafverfahren stehen. Die Pflichtenübertragung im Arbeitsschutz begründet lediglich eine mittelbare Verantwortlichkeit in Bußgeld- oder Strafverfahren für Tun und Unterlassen.

2. Die Leistungsklage des Klägers zu 2) ist zulässig. Er wendet sich gegen die konstitutive Übertragung der Dienstherrenpflichten im Arbeitsschutz mittels einer beamtenrechtlichen Weisung.

a. Der Kläger zu 2) ist nicht bereits als sog. gewillkürter Vertreter des Dienstherrn für den Arbeitsschutz an seinem Lehrstuhl originär zuständig. Der insoweit allein in Betracht kommende § 13 Abs. 1 Nr. 4 ArbSchG ist tatbestandlich nicht erfüllt. Diese Bestimmung erweitert den Kreis der verantwortlichen Personen über die Vertreter des Arbeitgebers bzw. hier des Dienstherrn hinaus auf Personen, die mit der Leitung eines Unternehmens oder eines Betriebs beauftragt sind. Im Bereich des öffentlichen Dienstes gelten die Dienststellen als Betriebe (vgl. § 2 Abs. 5 Satz 1 ArbSchG). Die Universität A. ist eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (Art. 11 Abs. 1 Satz 1 BayHSchG) und bildet nach Art. 6 Abs. 5 Satz 1 BayPVG (vgl. Landmann-Rohmer, GewO, Stand: Oktober 2014, § 2 ArbSchG Rn. 38 zur ergänzenden Heranziehung des BPersVG bzw. Landespersonalvertretungsrechts) eine Dienststelle, nicht aber der im Organisationsgefüge der Universität eingebettete Lehrstuhl.

b. Die Übertragung der Dienstherrenpflichten erfolgte als Anordnung bzw. Weisung gemäß § 35 BeamtStG. Mangels Verwaltungsaktqualität kann gegen die Weisung im Wege der allgemeinen Leistungsklage oder der Feststellungsklage gemäß § 43 Abs. 1 VwGO vorgegangen werden, sofern eigene Rechte des Beamten verletzt sind (vgl. BVerwG, U.v. 2.3.2006 - 2 C 3/05 - BVerwGE 125, 85 - juris Rn. 11; Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: März 2015, § 35 BeamtStG Rn. 69). Hier hat der Beklagte zulässigerweise Leistungsklage erhoben, da mit der Übertragung der Arbeitgeberpflichten möglicherweise ein Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit (Freiheit von Lehre und Forschung) nach Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG verbunden ist. Über die hilfsweise erhobene Feststellungsklage war mithin nicht mehr zu entscheiden.

3. Die Leistungsklage ist jedoch unbegründet. Die Übertragung der Dienstherrenpflichten auf den Kläger zu 2) als Inhaber des Lehrstuhls für Bürgerliches Recht und Zivilverfahrensrecht, Römisches Recht und Europäische Rechtsgeschichte ist rechtmäßig. Dem Kläger zu 2) wurde von der zuständigen Präsidentin der Universität A., vertreten durch den Kanzler (a.), eine für ihn bestimmbare Aufgabe des Arbeitsschutzes (b.) übertragen. Die Voraussetzungen für die Übertragung sind gegeben, der Kläger zu 2) ist zuverlässig und fachkundig im Sinne des § 13 Abs. 2 ArbSchG (c.). Die Übertragung ist vom gerichtlich nur beschränkt überprüfbaren Organisationsermessen des Dienstherrn gedeckt (d.), verletzt den Kläger zu 2) nicht in seinem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG (e.) und widerspricht nicht der Fürsorgepflicht des Dienstherrn (f.).

a. Im Bereich des Arbeitsschutzrechtes gilt der Grundsatz, dass der Arbeitgeber für die Sicherheit und Gesundheit seiner Beschäftigten zu sorgen hat (§ 3 Abs. 1 Satz 1 ArbSchG). Ihn trifft die umfassende Arbeitsschutzverantwortung in allen seinen Betrieben. Arbeitgeber im Sinne des Arbeitsschutzgesetzes sind nach § 2 Abs. 3 ArbSchG u. a. natürliche und juristische Personen. Hier ist Arbeitgeber der Freistaat Bayern, eine Gebietskörperschaft und damit juristische Person des öffentlichen Rechts (vgl. Art. 12 Abs. 3 Satz 1 BayHSchG; Reich, Bayerisches Hochschulgesetz, 5. Auflage 2007, Art. 12 Rn. 4: Personaleinstellung; zur Erfassung auch juristischer Personen des öffentlichen Rechts, vgl. Kollmer/Klindt, ArbSchG, 2. Auflage 2011, § 2 Rn. 128). Für die Einhaltung der Vorschriften des Arbeitsschutzgesetzes ist damit zunächst der Dienstherr (d. h. hier der Freistaat Bayern, vertreten hier durch das Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst, vertreten durch den Staatsminister, § 13 Abs. 1 Nr. 2 ArbSchG) verantwortlich. § 13 Abs. 1 Nr. 2 ArbSchG erweitert den Kreis der verantwortlichen Personen über die Vertreter des Arbeitgebers hinaus auf Personen, die vertretungsberechtigte Organe einer juristischen Person sind. Da das Arbeitsschutzgesetz auch im öffentlichen Dienst gilt, kommen vertretungsberechtigte Organe juristischer Personen des öffentlichen Rechts ebenfalls als Verantwortliche in Betracht. Die Universität A. ist als Hochschule eine Körperschaft des öffentlichen Rechts (vgl. Art. 11 Abs. 1 Satz 1 BayHSchG) und damit juristische Person des öffentlichen Rechts. Verantwortlich für die Arbeitssicherheit ist damit neben dem Arbeitgeber (Freistaat Bayern) auch die Präsidentin/der Präsident der Universität A. (vgl. Landmann-Rohmer, GewO, Stand Oktober 2014, § 13 ArbSchG Rn. 17; Kollmer/Klindt, ArbSchG, 2. Auflage 2011, § 13 Rn. 30). Zusammenfassend lässt sich somit feststellen, dass im Bereich der Hochschule neben dem Bayerischen Staatsministerium für Wissenschaft, Forschung und Kunst - hier - die Präsidentin der Universität A. als Vertreterin der Hochschule und Vorsitzende des Leitungsgremiums die Gesamtverantwortung (vgl. Art. 21 Abs. 7 BayHSchG) für die Einhaltung der Vorschriften des Arbeitsschutzgesetzes trägt. In diesem Sinne ist auch nach den Richtlinien zum Vollzug des Arbeitsschutzgesetzes im öffentlichen Dienst des Freistaats Bayern, Gemeinsame Bekanntmachung der Bayerischen Staatsministeriums der Finanzen und des Bayerischen Staatsministeriums für Arbeit und Sozialordnung, Familie, Frauen und Gesundheit vom 13.10.2000, Az. 25- P 2007 - 8/134 - 44 389, geändert durch Bekanntmachung vom 1. Juni 2010 (FMBl S. 173), die Verantwortung für den Arbeitsschutz im Bereich der Hochschulen geregelt.

Nach § 13 Abs. 2 ArbSchG kann der Arbeitgeber zuverlässige und fachkundige Personen mit der eigenverantwortlichen Wahrnehmung von Arbeitsschutzmaßnahmen beauftragen. Arbeitgeber im Sinne dieser Vorschrift sind auch die Personen, die kraft Gesetzes die volle Arbeitsschutzverantwortung wie der Arbeitgeber tragen. Hier also die Präsidentin der Universität A. (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 ArbSchG), vertreten durch den Kanzler.

Die Befugnis zur Beauftragung folgt nach beamtenrechtlichen Grundsätzen (vgl. Landmann-Rohmer, GewO, Stand Oktober 2014, § 13 ArbSchG Rn. 44). Nach § 35 Satz 2 BeamtStG sind Beamtinnen und Beamte verpflichtet, dienstliche Anordnungen auszuführen und allgemeine Richtlinien zu befolgen (vgl. Weiss/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Stand: März 2015, § 35 BeamtStG Rn. 19). Die Weisungsgebundenheit ermöglicht - anders als im Arbeitsrecht - eine einseitige Beauftragung. Die allgemeinen beamtenrechtlichen Vorschriften gelten auch für das beamtete wissenschaftliche Personal, soweit das Bayerische Hochschulpersonalgesetz als Sonderregelung keine abweichenden Vorschriften enthält (vgl. Art. 3 Abs. 1 BayHSchPG). Im Bereich der Freiheit von Forschung und Lehre enthält das Bayerische Hochschulpersonalgesetz in Art. 5 Abs. 1 Satz 1 (ähnlich Art. 3 BayHSchG) Abweichungen von der Weisungsgebundenheit nach § 35 BeamtStG (vgl. Reich, Bayerisches Hochschulpersonalgesetz, 2010, Art. 3, Rn. 1). Die hier streitgegenständliche Weisung betrifft jedoch nicht die durch Art. 5 Abs. 1 Satz 1, 1. Halbsatz BayHSchPG bzw. Art. 3 Abs. 3 BayHSchG geschützte Freiheit von Forschung und Lehre, so dass daraus grundsätzlich kein Verbot einer Weisung auf arbeitsschutzrechtlichem geschlossen werden kann [zum Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit vgl. e.)]. Die Übertragung ist auch mit Art. 9 BayHSchPG vereinbar. Diese Bestimmung benennt ausgehend von den Hochschulaufgaben im Sinne des Art. 2 BayHSchG die Dienstaufgaben der Professoren. Zu den einem Professor obliegenden hauptberuflichen Aufgaben gehören nach Art. 9 Abs. 1 Nr. 5 BayHSchPG auch die Mitwirkung an der Verwaltung der Hochschule. Unter diesen Aufgabenbereich fällt auch der Bereich des Arbeitsschutzes.

b. Mit Schreiben vom 9. April 2009 wurden dem Kläger zu 2) die dem Dienstherrn hinsichtlich des Arbeitsschutzes und der Verhütung von Arbeitsunfällen, Berufskrankheiten und arbeitsbedingten Gesundheitsgefahren obliegenden Pflichten übertragen, wobei sich das beigefügte Formblatt „Bestätigung der Übertragung von Dienstherrenpflichten“ an einem Muster der Berufsgenossenschaften (vgl. hierzu: Landmann-Rohmer, GewO, Stand Oktober 2014, § 13 ArbSchG Rn. 63 f.) orientierte, ohne die einzelnen Aufgaben und Befugnisse bzw. Kompetenzen detailliert zu umschreiben. Dieser Umstand ist der hohen Abstraktion des Arbeitsschutzgesetzes und der zugrundeliegenden EG-Rahmenrichtlinie Arbeitsschutz und weiterer Arbeitsschutz-Richtlinien geschuldet (vgl. RL 89/391/EWG des Rates vom 12.6.1989 über die Durchführung von Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer bei der Arbeit; RL 91/383/EWG des Rates vom 25.6.1991 zur Ergänzung der Maßnahmen zur Verbesserung der Sicherheit und des Gesundheitsschutzes von Arbeitnehmern mit befristetem Arbeitsverhältnis oder Leiharbeitsverhältnis). Diese hohe Abstraktion, die bewusst Spielraum für die an die Situation der Betriebe angepasste Arbeitsschutzmaßnahmen lässt und den einzelnen Betrieben an die konkrete Gefährdungssituation angepasst Arbeitsschutzmaßnahmen erlaubt (vgl. BT-Drs. 13/3540, S. 12) spiegelt sich in der streitgegenständlichen Weisung gegenüber dem Kläger zu 2). Auch diese weist einen hohen Abstraktionsgrad auf. Gleichwohl hat die Weisung des Dienstherrn an den Kläger zu 2) die erforderliche Klarheit und Verständlichkeit. Jedenfalls durch die klarstellenden Äußerungen des Beklagten in der mündlichen Verhandlung konnte der Kläger zu 2) ausreichende Gewissheit über den ihm übertragenen Aufgabenbereich gewinnen. Nach dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung konzentrieren sich die dem Kläger obliegenden Aufgaben auf zwei Schwerpunkte, nämlich die Gefährdungsbewertung anhand des Erhebungsbogens der Universität A. für Büro- und Bildschirmarbeitsplätze (vgl. zur standardisierten Gefährdungsbeurteilung: Landmann-Rohmer, GewO, Stand: Oktober 2014, § 5 ArbSchG Rn. 30) und die Berücksichtigung des Handbuchs Arbeitssicherheit im Arbeitsalltag. Das Handbuch enthält die 13-seitige Broschüre „Informationen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz an der Universität A. - Gebäude H“ und die ebenfalls 13-seitige Brandschutzordnung der Universität A. Sowohl die Broschüre als auch die Brandschutzordnung enthalten die erforderlichen Informationen für den Lehrstuhlinhaber, die er durch schlichte Weitergabe des Handbuchs an seine Mitarbeiter vermitteln kann. Die reichlich bebilderte Broschüre enthält Grundlagen zur Ersten Hilfe (Notfallnummern, Ersthelfer und Material; Übersicht über die Laiendefibrillatoren), zum vorbeugenden Brandschutz (Flucht- und Rettungswege; Sammelplätze) zu den Büro- und Bildschirmarbeitsplätzen (z. B. Höheneinstellung von Stuhl und Tisch, richtiges Sitzen, Vermeiden von Reflexionen und Blendungen, Aufstellung des Bildschirms) und sonstige Hinweise (z. B. keine Verwendung defekter Arbeitsmittel bzw. elektrischer Geräte). Die Broschüre, die für jedes Gebäude der Universität gesondert erstellt worden ist, bedarf nur einer unwesentlichen individuellen und in der Regel (wohl) einmaligen Anpassung auf die konkrete Situation des Lehrstuhls (Lagerung des Erste-Hilfe-Materials, nächster erreichbarer Defibrillator, Position des nächstgelegenen Feuerlöschers, kürzester Fluchtweg und nächstgelegener Feuermelder). Die Brandschutzordnung der Universität A. enthält die Informationen „Verhalten im Brandfall“, Hinweise zur Brandverhütung, zur Brand- und Rauchausbreitung und der Kennzeichnung der Flucht- und Rettungswege sowie der Melde- und Löscheinrichtungen. Mit diesen Papieren kann der Kläger zu 2) ohne weiteres den vom Beklagten zuletzt mit Schreiben vom 31. März 2015 beschriebenen Pflichten nachkommen. Die regelmäßige Unterweisung der Beschäftigten (vgl. Ziff. 2 des Schreibens vom 31.3.2015) kann in der Weise erfolgen, dass er seinen Mitarbeitern das Handbuch für Arbeitssicherheit regelmäßig (vgl. Landmann-Rohmer, GewO, Stand Oktober 2014, § 12 ArbSchG Rn. 18/19; Kollmer/Klindt, ArbSchG, 2. Auflage 2011, § 12 Rn. 22: „angemessene Abstände“) zur Einsicht gibt, insbesondere den neu eingestellten Mitarbeitern. Der Ziff. 3 des Schreibens vom 31. März 2015 kommt keine gesteigerte Bedeutung zu, da die Anforderungen an einen Bildschirmarbeitsplatz gering sind und von einem qualifizierten Mitarbeiter ohne weiteres bewältigt werden können. Hinsichtlich der unter Ziff. 4 genannten geeigneten Arbeitsmitteln und Büroausstattung - insbesondere EDV-Ausstattung - ist zu berücksichtigen, dass diese zentral von der Universität A. beschafft werden, mit der Folge, dass der Kläger zu 2) der Sorge enthoben ist, ob die angeschafften Geräte einschlägigen DIN-Normen oder sonstigen Anforderungen genügen. Letztlich reduziert sich die Übertragung der Pflichten des Arbeitgebers darauf, dass der Kläger zu 2) entsprechend der Ziff. 5 bis 7 des vorzitierten Schreibens durch eine entsprechende Organisation seines Lehrstuhls und entsprechende Anweisungen an seine Beschäftigten sicherstellt, dass Gefährdungen möglichst gering gehalten werden, die erforderlichen Maßnahmen hierfür trifft und die Einhaltungen der Bestimmungen und seiner Anordnungen überwacht. Hierbei kann er auf das Handbuch Arbeitssicherheit zurückgreifen, das die wesentlichen Inhalte seiner Aufgaben beschreibt. Im Übrigen ist der Kläger zu 2) nicht allein auf sich gestellt, da ihm die Universität in vielfältiger Hinsicht Unterstützung, insbesondere durch die Fachkraft für Arbeitssicherheit, anbietet. Diese Unterstützung umfasst u. a. die regelmäßige Begehung der gesamten Universitätsbereiche unter dem Aspekt des Arbeitsschutzes und des vorbeugenden Brandschutzes, insbesondere in Absprache mit den jeweiligen Verantwortlichen und die Entwicklung von Gefährdungsbeurteilungen für verschiedene Tätigkeiten und die Mitwirkung vor Ort bei der Erstellung von Gefährdungsbeurteilungen. Die Beurteilung der Gefährdungen (vgl. Ziff. 1 des Schreibens vom 31.3.2015) erfolgt anhand des Erhebungsbogens der Universität A. für Büro- und Bildschirmarbeitsplätze mit Unterstützung der Fachkraft für Arbeitssicherheit. Der 3-seitige Erhebungsbogen erschöpft sich im Ankreuzen von „erfüllt“ (ja/nein) oder „entfällt“ hinsichtlich vorgegebener Maßnahmen zur Vermeidung von Gefährdungen, wie z. B. die Feststellung „Verkehrswege, Flucht- und Rettungswege werden nicht verstellt oder als Lagerflächen missbraucht“. Im Falle der Nichterfüllung ist die Maßnahme zu ergreifen. Der Kläger hat im Jahr 2004 eine Gefährdungsbewertung mit der Fachkraft für Arbeitssicherheit durchgeführt und ist mithin mit dem Inhalt des Bogens vertraut. Der Gesetzgeber hat bei der Festschreibung der Gefährdungsbeurteilung in § 5 ArbSchG nicht eigens geregelt, wie oft die Gefährdungsbeurteilung getroffen werden muss. Aus der Regelung in § 3 Abs. 1 Satz 2 ArbSchG ist aber zu schließen, dass sie immer dann erneuert werden muss und daraus folgend ggf. neue Maßnahmen getroffen werden müssen, wenn sich wesentliche Änderungen bei den Arbeitsbedingungen ergeben (vgl. Kollmer/Klindt, ArbSchG, 2. Auflage 2011, § 5 Rn. 46; Landmann-Rohmer, GewO, Stand Oktober 2014, § 5 ArbSchG Rn. 28). Zusammenfassend ist damit festzuhalten, dass zu den Aufgaben des Klägers zu 2) die Anzeige und gegebenenfalls Beseitigung von erkannten Gefahrenlagen und die Überwachung der Einhaltung der Arbeitsschutzvorschriften durch die Mitarbeiter gehört. Von ihm wird nicht erwartet, technische Geräte auf ihre Sicherheit hin eigenhändig zu überprüfen oder selbst den optimalen Rettungsweg zu bestimmen, sondern lediglich dafür zu sorgen, dass die Überprüfung technischer Geräte regelmäßig stattfindet und die Mitarbeiter die ausgeschilderten Fluchtwege kennen. Sofern vereinzelt Kenntnisse erforderlich sein sollten, die über Allgemein- und Erfahrungswissen hinausgehen, bzw. technische Detailfragen oder besondere Problemstellungen können diese mit Unterstützung der Fachkraft für Arbeitssicherheit beantwortet bzw. bewältigt werden.

c. Voraussetzung der Pflichtenübertragung nach § 13 Abs. 2 ArbSchG ist die Zuverlässigkeit und Fachkunde der beauftragten Person.

(1) Das Kriterium der Zuverlässigkeit betrifft die persönliche Eignung des Beauftragten für die ordnungsgemäße Erfüllung der ihm übertragenden Pflichten (vgl. Kollmer/Klindt, ArbSchG, 2. Auflage 2011, § 13 Rn. 53). Zuverlässig ist in Anlehnung an § 10 Abs. 1 der 5. BImSchV, wer aufgrund seiner persönlichen Eigenschaften, seines Verhaltens und seiner Fähigkeiten zur ordnungsgemäßen Erfüllung der ihm zugewiesenen Arbeitsschutzaufgaben geeignet ist. Dazu gehört, dass er die Bedeutung seiner Aufgaben erfasst, diese gewissenhaft wahrnimmt und über die notwendige Durchsetzungskraft und Kooperationsfähigkeit verfügt, um den Arbeitsschutz in seinem Zuständigkeitsbereich zu gewährleisten (vgl. Landmann-Rohmer, GewO, Stand Oktober 2014, § 13 ArbSchG Rn. 47). Hier liegen weder Umstände vor, die darauf schließen ließen, dass der Kläger zu 2) nicht zuverlässig wäre, noch werden solche vom Kläger selbst behauptet.

(2) Das Erfordernis der Fachkunde betrifft demgegenüber die fachliche Qualifikation des Beauftragten. Fachkundig ist, wer zur Ausübung der ihm obliegenden Aufgabe befähigt ist, wobei die Anforderungen an die Fachkunde abhängig sind von der jeweiligen Art der Aufgabe (vgl. Landmann-Rohmer, GewO, Stand Oktober 2014, § 13 ArbSchG Rn. 49). Aus dem oben Ausgeführten folgt, dass der Kläger zu 2) angesichts des unter 3.b. beschriebenen Umfangs der von ihm wahrzunehmenden Aufgaben auch die erforderliche Fachkunde besitzt. Er hat bereits im Jahr 2004 mit der Fachkraft für Arbeitssicherheit eine Gefährdungsbewertung vorgenommen und die Arbeitsplätze und die räumliche Situation im Lehrstuhl beurteilt. Angesichts der Formblattstruktur und der einmaligen Begleitung im Jahr 2004 ist der Kläger zu 2) in der Lage eine - sofern überhaupt erforderlich - erneute Gefährdungsbeurteilung eigenverantwortlich vorzunehmen, zumal ihm die Problematik der Fluchtwege und der Brandgefahren erläutert worden ist. Hinsichtlich seiner weiteren Aufgaben bietet ihm das Handbuch Arbeitssicherheit eine weitere Handreichung, dort werden alle von ihm zu berücksichtigenden Gefahren anschaulich bebildert und nachvollziehbar beschrieben, so dass der Senat insoweit keinerlei Zweifel an der individuellen Fachkunde des Klägers zu 2) hat, zumal dieser jederzeit auf die Unterstützung durch die Fachkraft für Arbeitssicherheit zurückgreifen kann.

d. Bei der zusätzlichen Übertragung eines weiteren Aufgabenkreises steht dem Dienstherrn ein weiter Gestaltungsspielraum zu, der nur eingeschränkt gerichtlich überprüfbar ist und darauf beschränkt ist, ob die Gründe des Dienstherrn willkürlich sind (vgl. BVerwG, B.v. 26.11.2004 - 2 B 72/04 - juris Rn. 5: zur Organisationsmaßnahme der Umsetzung). Es gibt keine Anhaltspunkte dafür, dass der Dienstherr hier ohne sachlichen Grund gehandelt hat. Nach § 3 Abs. 1 ArbSchG ist der Arbeitgeber - hier der Dienstherr - verpflichtet, die erforderlichen Maßnahmen des Arbeitsschutzes unter Berücksichtigung der Umstände zu treffen, die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten bei der Arbeit beeinflussen. Dabei hat er nach § 3 Abs. 2 Nr. 1 ArbSchG unter Berücksichtigung der Art der Tätigkeiten und der Zahl der Beschäftigten für eine geeignete Organisation zu sorgen. Dies kann unter Umständen auch die Pflicht nach sich ziehen, Arbeitsschutzaufgaben zu delegieren, wenn nur auf diese Art das notwendige Maß an Arbeitsschutz sichergestellt ist (vgl. Landmann-Rohmer, GewO, Stand Oktober 2014, § 13 ArbSchG Rn. 47). Bei der Größe und Struktur einer Universität samt ihrer vielfältigen Organisationseinheiten spricht vieles dafür, dass eine Übertragung der Dienstherrenpflichten im Arbeitsschutz zumindest sinnvoll war, um einen effektiven Arbeitsschutz zu gewährleisten. Bei der Frage, auf welche Weise, in welcher Form und in welchem Umfang der Akt der Pflichtenübertragung erfolgt, steht dem Dienstherrn ein weiter Organisationsspielraum zu. Die Universität A. hat zur Organisation des Arbeitsschutzes entsprechende Dienstherrenpflichten entsprechend der Verantwortlichkeiten übertragen. Im Bereich der Wissenschaft beispielsweise wurde eine Gruppe der Lehrstuhlinhaber, eine Gruppe der Leiter von Instituten sowie eine Gruppe der Dekane gebildet. Innerhalb dieser Gruppen wurde weiter differenziert zwischen Mitgliedern einer Gruppe, bei denen aufgrund des Aufgabengebiets ein höheres Gefährdungspotential vorliegt. Daraus folgt der Umfang der Übertragung der Dienstherrenpflichten. Dieses System erscheint dem Senat ausdifferenziert, es ist frei von Willkür und damit vom Organisationsermessen des Dienstherrn gedeckt. Die Rüge des Klägers zu 2), dass eine andere - zentrale - Organisation des Arbeitsschutzes vorzugswürdiger gewesen wäre, greift nicht, da sich die Frage, ob eine zentrale Organisation vorzuziehen wäre, als dem Kernbereich der Organisationshoheit des Dienstherrn zuzuordnender Aspekt der gerichtlichen Kontrolle entzieht.

e. Die streitige Weisung verletzt den Kläger zu 2) nicht in seinem Grundrecht aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG.

Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG gewährt denjenigen, die in Wissenschaft, Forschung und Lehre tätig sind, ein Grundrecht auf freie wissenschaftliche Betätigung. Als Abwehrrecht schützt das Grundrecht die wissenschaftliche Betätigung gegen staatliche Eingriffe und gewährt den Einzelnen einen vorbehaltlos geschützten Freiraum. Kern der Wissenschaftsfreiheit ist für Hochschullehrende das Recht, ihr Fach in Forschung und Lehre zu vertreten (vgl. BVerfG, B.v. 3.9.2014 - 1 BvR 3048/13 - NVwZ 2015, 432 - juris Rn. 8). Eingriffe können auch durch hochschulinterne Organe erfolgen, soweit sie - wie hier - im Verhältnis zum Grundrechtsträger Hoheitsgewalt ausüben [vgl. Dreier, Grundgesetz, 3. Auflage 2013, Art. 5 Abs. 3 (Wissenschaft) Rn. 35]. Ob mit der beamtenrechtlichen Weisung die nicht final angestrebte, aber faktisch ausgelöste (zeitliche) Reduzierung von (insbesondere) Forschungsmöglichkeiten ein Eingriff in die Wissenschaftsfreiheit verbunden ist, bedarf keiner abschließenden Entscheidung. Auch wenn insoweit von einem Eingriff in das Grundrecht des Klägers zu 2) aus Art. 5 Abs. 3 Satz 1 GG ausgegangen wird, ist dieser jedenfalls gerechtfertigt. Art. 5 Abs. 3 GG gebietet (lediglich), dass bei der Übertragung einer Verwaltungsaufgabe ein ausreichender Zeitraum für Lehre und Forschung verbleibt (vgl. zur ähnlichen Situation der Erhöhung des Lehrdeputats zulasten der Forschungsfreiheit: VGH B.-W., U.v. 23.5.2006 - 4 S 1957/04 - juris 38; Bonner Kommentar zum Grundgesetz, Stand: Mai 2015, Art. 5 Abs. 3 Rn. 76; Münch/Kunig, Grundgesetz-Kommentar, 6. Auflage 2012, Art. 5 Rn. 105; Maunz/Dürig, Grundgesetz, Stand: Dez. 2014, Art. 5 Abs. 3 Rn. 174; BVerwG, Urteil vom 08.02.1980, U.v. 8.2.1980 - VII C 93.77 - BVerwGE 60, 25 - juris 76: nicht generell übermäßig oder für den einzelnen unverhältnismäßig; StGH B-W., U.v. 24.11.1973, DÖV 1974, 632/633). Diese Voraussetzung ist hier erfüllt. Die dem Kläger zu 2) letztlich übertragenen Aufgaben hinsichtlich des Arbeitsschutzes beschränken sich auf das unter 3.b. Ausgeführte. Der hiermit verbundene Aufwand ist im Verhältnis zur Gesamtarbeitszeit und zu den weiteren Verwaltungsaufgaben eines Lehrstuhlinhabers minimal. Anhaltspunkte dafür, dass durch die streitgegenständliche Übertragung die Summe der Verwaltungsaufgaben zeitlich derart dominieren würde, das der Lehrstuhlinhaber seine Kernaufgaben - Forschung und Lehre - nicht mehr wahrnehmen könnte, bestehen nicht und wurden vom Kläger zu 2) auch nicht substantiiert vorgetragen.

Der Kläger zu 2) verweist in seiner Berufungsbegründung auf die Verordnung über Sicherheit und Gesundheitsschutz bei der Arbeit an Bildschirmgeräten (BildScharbV), deren Einhaltung nur von in der Arbeitsmedizin erfahrenen Fachleuten beurteilt werden könne. Es geht indes nicht darum, dass der Kläger zu 2) die Arbeitsplätze seiner Mitarbeiter auf der Grundlage der zitierten Verordnung beurteilt, sondern anhand der ihm bekannten Broschüre „Informationen zum Arbeits- und Gesundheitsschutz“. Somit kommt es auf die Höheneinstellung von Stuhl und Tisch, richtiges Sitzen, Vermeiden von Reflexionen und Blendungen durch Sonnenlicht, Aufstellen des Bildschirms, ausreichend Platz und keine dauerhafte Nutzung des Notebooks an. Hierfür hat der Kläger zu 2) die erforderliche Fachkunde jedenfalls bei der im Jahre 2004 durchgeführten Gefährdungsbeurteilung zusammen mit der Fachkraft für Arbeitssicherheit gewonnen.

f. Die Übertragung widerspricht auch nicht der Fürsorgepflicht des Dienstherrn, weil sie den betroffenen Beamten möglicherweise zusätzliche Haftungsrisiken überbürdet. Die Übertragung löst zwar über § 9 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 OWiG und § 14 Abs. 2 Satz 1 Nr. 2 StGB eine ordnungswidrigkeitsrechtliche bzw. strafrechtliche Haftung aus, dies führt jedoch nicht dazu, dass die Übertragung unter Fürsorgegesichtspunkten unzulässig wäre. Zu beachten ist nämlich, dass vorliegend die Fürsorgepflicht des Dienstherrn gegenüber dem Kläger zu 2) mit der Fürsorgepflicht gegenüber den anderen Beschäftigten des Lehrstuhls kollidiert. Die Arbeitsschutzpflichten des Arbeitgebers waren und sind, bezogen auf das öffentlich-rechtliche Dienst- und Treueverhältnis, Inhalt der beamtenrechtlichen Fürsorgepflicht (vgl. Kollmer/Klindt, ArbSchG, 2. Auflage 2011, § 20 Rn. 1ff; Landmann-Rohmer, GewO, Stand Oktober 2014, § 20 ArbSchG Rn. 1/6). Bei der somit erforderlichen Abwägung überwiegen die zugunsten der Übertragung sprechenden Interessen. Bei einer Behörde von der Größe und Struktur der Universität A. gewährleistet die Übertragung einen effektiven Arbeitsschutz. Zu berücksichtigen ist auch, dass die straf- und bußgeldrechtliche Verantwortlichkeit fahrlässiges oder vorsätzliches Handeln voraussetzt. Es kommt somit nicht zu einem unüberschaubaren Bereich, in dem der Kläger zu 2) jederzeit nicht steuerbaren Haftungsrisiken ausgesetzt wäre. Vielmehr beginnt die Haftung des Verantwortlichen erst dann, wenn er z. B. die Gefährdungssituation erkannt hat oder hätte erkennen müssen und trotz Handlungsmöglichkeit untätig geblieben ist. Unter Berücksichtigung der betroffenen hochrangigen Schutzgüter und des haftungsbegrenzenden Erfordernisses von Verschulden ist mit dem Verwaltungsgericht eine Verletzung der Fürsorgepflicht zu verneinen.

Nach alledem war die Berufung mit der Kostenfolge des § 154 Abs. 2 VwGO zurückzuweisen. Die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m.. § 708 f. ZPO.

Die Zulassung der Revision beruht auf § 132 Abs. 2 VwGO i. V. m.. § 127 Nr. 1 BRRG. Die Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung. Die Frage, welche rechtlichen Anforderungen an die Organisation des Arbeitsschutzes an Universitäten unter Berücksichtigung beamtenrechtlicher und hochschulrechtlicher Aspekte zu stellen ist, kommt über den vorliegenden Einzelfall hinaus allgemeine Bedeutung zu.

Rechtsmittelbelehrung

Nach § 139 VwGO kann die Revision innerhalb eines Monats nach Zustellung dieser Entscheidung beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof (in München Hausanschrift: Ludwigstraße 23, 80539 München; Postfachanschrift: Postfach 34 01 48, 80098 München; in Ansbach: Montgelasplatz 1, 91522 Ansbach) eingelegt werden. Die Revision muss die angefochtene Entscheidung bezeichnen. Sie ist spätestens innerhalb von zwei Monaten nach Zustellung dieser Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist beim Bundesverwaltungsgericht, Simsonplatz 1, 04107 Leipzig (Postfachanschrift: Postfach 10 08 54, 04008 Leipzig), einzureichen. Die Revisionsbegründung muss einen bestimmten Antrag enthalten, die verletzte Rechtsnorm und, soweit Verfahrensmängel gerügt werden, die Tatsachen angeben, die den Mangel ergeben.

Vor dem Bundesverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer in Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Prozessbevollmächtigte zugelassen sind neben Rechtsanwälten und Rechtslehrern an den in § 67 Abs. 2 Satz 1 VwGO genannten Hochschulen mit Befähigung zum Richteramt nur die in § 67 Abs. 4 Satz 4 VwGO und in §§ 3, 5 RDGEG bezeichneten Personen. Für die in § 67 Abs. 4 Satz 5 VwGO genannten Angelegenheiten (u. a. Verfahren mit Bezügen zu Dienst- und Arbeitsverhältnissen) sind auch die dort bezeichneten Organisationen und juristischen Personen als Bevollmächtigte zugelassen. Sie müssen in Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln.

Beschluss:

Der Streitwert für das Berufungsverfahren wird auf 10.000 € festgesetzt (§ 52 Abs. 2 GKG)

Tenor

I.

In Abänderung des Urteils des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 9. Februar 2011 wird die Klage abgewiesen.

II.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen.

III.

Die Kostenentscheidung ist vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung in Höhe des vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.

IV.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Gegenstand des Berufungsverfahrens ist die Klage der Klägerin, mit der sie die Feststellung begehrt, dass sie für einen Aufenthaltszeitraum von bis zu drei Monaten zum Dienstleistungsempfang, insbesondere zu touristischen Zwecken, ohne Aufenthaltserlaubnis, insbesondere visumfrei, in die Bundesrepublik Deutschland einreisen und sich hier aufhalten darf.

Das Bayerische Verwaltungsgericht München hat dieser am 28. April 2010 erhobenen Feststellungsklage der Klägerin mit Urteil vom 9. Februar 2011 stattgegeben. Die Klage sei gemäß § 43 Abs. 1 VwGO als vorbeugende Feststellungsklage zulässig. Der Klägerin, die bei einer verspäteten Landung am Flughafen München am 29./30. September 2009 ihren Anschlussflug nach Istanbul nicht mehr habe erreichen können und der durch die Beklagte das Verlassen des Transitbereichs des Flughafens und die Einreise zum Zwecke der Übernachtung in einem Hotel mangels Visum verweigert worden sei, sei es nicht möglich, die Rechtmäßigkeit der ihr verwehrten Einreise im Wege einer nachträglichen Feststellungsklage überprüfen zu lassen. Gegenstand einer vorbeugenden Feststellungsklage könne jedoch auch ein hinreichend konkreter zukünftiger Sachverhalt sein. Die Klägerin, die nach eigenem Vortrag einer türkischen Unternehmerfamilie angehöre und regelmäßig weltweit unterwegs sei und dabei überwiegend Dienstleistungen von Fluggesellschaften in Anspruch nehme, habe ein berechtigtes Interesse an der begehrten gerichtlichen Feststellung, da es hinreichend wahrscheinlich sei, dass sie erneut - zum Beispiel aufgrund Annullierung oder Verspätung von Flügen - kurzfristig und ungeplant in das Bundesgebiet zum Dienstleistungsempfang, insbesondere zu touristischen Zwecken, einreisen möchte. Ohne Besitz des entsprechenden Visums riskiere sie sogar strafrechtliche Konsequenzen. Die Klage sei auch begründet, da die Klägerin als Inhaberin eines gültigen türkischen Nationalpasses für einen Aufenthaltszeitraum von bis zu drei Monaten ohne Aufenthaltserlaubnis, insbesondere visumfrei, in die Bundesrepublik Deutschland zum Dienstleistungsempfang, insbesondere zu touristischen Zwecken, einreisen und sich hier aufhalten dürfe. Zwar gehöre die Türkei zu den Staaten, deren Staatsangehörige für Aufenthalte bis zu drei Monaten nach § 6 Abs. 1 AufenthG in Verbindung mit der maßgeblichen EG-Verordnung im Besitz eines entsprechenden Visums (Schengen-Visum) sein müssten. Jedoch könne sich die Klägerin auf Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll zum Abkommen vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei für die Übergangsphase der Assoziation (Zusatzprotokoll), dem nach ständiger Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs unmittelbare Wirkung zukomme, berufen mit der Folge, dass die nachträglich eingeführte Visumpflicht (auch) für türkische Staatsangehörige als neue Beschränkung der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs nicht anwendbar sei. Die im März 2001 durch Art. 1 Abs. 1 EG-VisaVO eingeführte Visumpflicht unterwerfe die Klägerin bei der Einreise strengeren Voraussetzungen, als sie in der Bundesrepublik Deutschland vor dem 1. Januar 1973 gegolten hätten. Sie stelle eine neue Beschränkung im Sinne des Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll dar. Maßgeblich für die Interpretation des Begriffs des freien Dienstleistungsverkehrs in dieser Bestimmung sei das Verständnis der Vertragsparteien von der Dienstleistungsfreiheit im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Zusatzprotokolls. Der freie Dienstleistungsverkehr im Sinne der Art. 56 ff. AEUV (früher: Art. 49 ff. EG), der heute unstreitig sowohl die aktive als auch die passive Dienstleistungsfreiheit umfasse, habe die passive Dienstleistungsfreiheit gemeinschaftsrechtlich schon im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Zusatzprotokolls als Rechtsposition mit eingeschlossen. Dies ergebe sich mit Blick sowohl auf die Erwägungsgründe und Art. 1 der Richtlinie 64/221/EWG vom 25. Februar 1964 als auch auf die Richtlinie Nr. 73/148/EWG vom 21. Mai 1973. Dem Assoziierungsabkommen und der Präambel des Zusatzprotokolls lasse sich nicht entnehmen, dass durch Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll ausschließlich neue Beschränkungen der aktiven Dienstleistungsfreiheit verboten werden sollten. Zwar folge aus Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll keine (generelle) Visumfreiheit für türkische Staatsangehörige, die zum Beispiel gelegentlich eines (Verwandten-)Besuchs im Bundesgebiet auch Dienstleistungen empfangen oder sogar dauerhaft in das Bundesrepublik einreisen wollten. Da sich die Klägerin aber kurzfristig zum zielgerichteten Dienstleistungsempfang, insbesondere zu touristischen Zwecken, in das Bundesgebiet begeben wolle, greife in ihrem Fall Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll.

Zur Begründung ihrer vom Verwaltungsgericht zugelassenen Berufung macht die Beklagte im Wesentlichen geltend, das Verwaltungsgericht habe bereits zu Unrecht die Zulässigkeit der Klage bejaht. Denn der Klägerin sei tatsächlich nie die Einreise verweigert worden; sie sei nie bei der Bundespolizei am Flughafen vorstellig geworden. Zudem fehle es an der hinreichenden Konkretheit des festzustellenden Rechtsverhältnisses. Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll beziehe sich im Übrigen einzig und allein auf den aktiven Dienstleistungsverkehr, also die Dienstleistungserbringung und nicht die passive Dienstleistungsfreiheit, der das Erstgericht im angefochtenen Urteil die touristischen Zwecke zuordne. Gegen das vom Verwaltungsgericht zugrunde gelegte weite Verständnis des Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll spreche schon die in Art. 1 Zusatzprotokoll dargelegte Zielsetzung der vorrangigen Annäherung der ökonomischen Verhältnisse zwischen den Vertragsparteien durch den Ausbau der Wirtschaftsbeziehungen und die Ausweitung des Handelsverkehrs. Gegen eine Ausweitung der Dienstleistungsfreiheit auch auf Empfänger von Dienstleistungen in den Mitgliedstaaten spreche zudem, dass damit die Unterscheidung zwischen Personen, die eine Erwerbstätigkeit ausüben wollten, und Personen, die zu anderen Zwecken (zum Beispiel Studium, Besuch etc.) ins Bundesgebiet einreisen wollten, unmöglich gemacht würde. Türkische Staatsangehörige, die zur Aufnahme einer selbstständigen Tätigkeit in die Bundesrepublik Deutschland einreisen wollten, hätten auch schon vor Inkrafttreten des Zusatzprotokolls nach dem damals gültigen Ausländerrecht der Visumpflicht unterlegen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Verwaltungsgerichts München vom 9. Februar 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Hilfsweise beantragt sie, das Berufungsverfahren auszusetzen und dem Gerichtshof der Europäischen Union im Wege des Vorabentscheidungsverfahrens nach Art. 267 AEUV erneut die Frage der Auslegung des Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll für den Fall der Inanspruchnahme touristischer Dienstleistungen als alleinigem Aufenthaltszweck vorzulegen.

Das Verwaltungsgericht gehe zu Recht von der Zulässigkeit der vorbeugenden Feststellungsklage aus. Die Fluggesellschaft habe bei dem betreffenden Vorfall versucht, bei der Beklagten ein Einreisevisum für die Klägerin für eine Übernachtung im Hotel einzuholen. Die Beklagte habe dies jedoch verweigert. Da bei der Klägerin jederzeit wieder ein ähnlicher Fall eintreten könne und sie ein schutzwürdiges Interesse habe, nicht erneut mit den Unannehmlichkeiten einer verweigerten Einreise konfrontiert zu werden, sei die Klage zulässig. Nicht zutreffend sei auch die Auffassung der Beklagten, der freie Dienstleistungsverkehr im Sinne des Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll beinhalte nur den aktiven Dienstleistungsverkehr. Dass nach europäischem Recht im Zeitpunkt des Inkrafttretens des Zusatzprotokolls die Dienstleistungsfreiheit auch die passive Dienstleistungsfreiheit umfasst habe, sei vom Verwaltungsgericht mit überzeugender Begründung festgestellt worden. Im Übrigen sei die allgemeine Visumpflicht für türkische Staatsbürger erst im Jahr 1980 eingeführt worden. Vorher habe eine Visumpflicht nur für Personen bestanden, die zum Zweck der Erwerbstätigkeit einreisen wollten.

Mit Beschluss vom 22. September 2011 hat der Verwaltungsgerichtshof das Berufungsverfahren im Hinblick auf ein beim Gerichtshof der Europäischen Union in einem gleich gelagerten Verfahren anhängiges Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV (Vorabentscheidungsersuchen des Oberverwaltungsgerichts Berlin-Brandenburg vom 13. April 2011) ausgesetzt.

Mit Urteil vom 24. September 2013 hat der Gerichtshof der Europäischen Union in diesem Verfahren (Rechtssache Demirkan - C-221/11, Rn. 63) entschieden, dass der Begriff „freier Dienstleistungsverkehr“ in Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls dahin auszulegen sei, dass er nicht die Freiheit türkischer Staatsangehöriger umfasse, sich als Dienstleistungsempfänger in einen Mitgliedstaat zu begeben, um dort eine Dienstleistung in Anspruch zu nehmen.

Nach der Fortsetzung des Berufungsverfahrens haben sich die Beklagte, der Vertreter des öffentlichen Interesses und die Klägerin zu dieser Entscheidung und zu einer möglichen Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofs nach § 130a VwGO geäußert. Die Klägerin macht geltend, mit der Entscheidung des EuGH seien nicht alle europarechtlichen Fragen beantwortet. Insbesondere habe der Gerichtshof noch nicht ausreichend differenziert zwischen der Frage der Visumfreiheit bei nur gelegentlichem Empfang von Dienstleistungen im Fall Demirkan und einem Fall wie dem der Klägerin, bei der die Einreise erkennbar ausschließlich zum Zweck des Dienstleistungsempfangs erfolgen solle. Im Übrigen sei es auch nicht richtig, dass der Gerichtshof erst mit seiner Rechtsprechung im Jahr 1984 (Urteil Luisi und Carbone) klargestellt habe, dass der freie Dienstleistungsverkehr auch die passive Dienstleistungsfreiheit mit umfasse. Dies habe das Verwaltungsgericht mit zutreffender Begründung festgestellt. So sei die Dienstleistungsempfängerfreiheit bereits in der Richtlinie Nr. 64/221/EWG vom 25. Februar 1964 sowie der Richtlinie Nr. 73/148/EWG vom 21. Mai 1973 ausdrücklich anerkannt. Schließlich sei die Argumentation des EuGH in der angeführten Entscheidung nur nachzuvollziehen, wenn sie so verstanden werde, dass (nur) die Fälle gemeint seien, in denen die Einreise nicht ausschließlich zum Dienstleistungsempfang erfolge. Es werde angeregt, das Verfahren erneut auszusetzen und dem Gerichtshof eine näher präzisierte Frage zum Begriff des freien Dienstleistungsverkehrs im Sinne des Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll vorzulegen. In Anbetracht dieser Gründe werde eine mündliche Verhandlung in der Streitsache für erforderlich gehalten.

Der Vertreter des öffentlichen Interesses hat sich dahin geäußert, für ein erneutes Vorabentscheidungsersuchen an den Gerichtshof sei kein Raum, da dieser die auch im vorliegenden Rechtsstreit maßgebliche Frage klar und eindeutig beantwortet habe. Weder im Tenor noch in den Gründen seiner Entscheidung differenziere der Gerichtshof danach, ob der Empfang von Dienstleistungen ausschließlicher Zweck, Hauptzweck oder nur Nebenzweck der Einreise sei oder ob er nur bei Gelegenheit erfolge.

Die Beklagte hat sich diesen Ausführungen angeschlossen und im Übrigen auf ihre bisherigen Schriftsätze verwiesen.

In der mündlichen Verhandlung am 4. August 2014 wurde mit den Beteiligten die Sach- und Rechtslage eingehend erörtert. Auf die Sitzungsniederschrift wird Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakten beider Instanzen verwiesen.

Gründe

Die zulässige Berufung der Beklagten hat in der Sache Erfolg. Die (vorbeugende) Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO) der Klägerin ist zwar zulässig (1.), weil sie auf ein hinreichend konkretes und streitiges Rechtsverhältnis zwischen der Klägerin und der Beklagten abstellt (1.1.), die Feststellungsklage nicht gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO gegenüber den dort genannten anderen Klagearten subsidiär ist (1.2.) und die Klägerin auch ein berechtigtes Interesse an der Feststellung ihrer aufenthaltsrechtlichen Rechte im Zusammenhang mit einer künftigen Einreise in die Bundesrepublik Deutschland zu touristischen Zwecken besitzt (1.3.). Die Klage ist jedoch unbegründet, weil das von der Klägerin beanspruchte Recht, auf dessen Feststellung sich ihr Klagebegehren bezieht, nämlich sich für einen Aufenthaltszeitraum von bis zu drei Monaten zum Dienstleistungsempfang, insbesondere zu touristischen Zwecken, ohne Aufenthaltserlaubnis, insbesondere visumfrei, in das Bundesrepublik Deutschland einreisen und sich hier aufhalten zu dürfen, nicht besteht (2.). Die Klägerin bedarf als türkische Staatsangehörige (Ausländerin), die in den Anwendungsbereich des Aufenthaltsgesetzes (§ 1 Abs. 2 AufenthG) fällt, für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet einer Erlaubnis in Form eines Aufenthaltstitels (§ 4 Abs. 1 Satz 1 AufenthG i. V. m. Art. 1 Abs. 1 und Anhang I. Gemeinsame Liste gemäß Art. 1 Abs.1 EG-VisaVO), der für kurzfristige Aufenthalte (zu touristischen Zwecken) - wie von der Klägerin begehrt - als Visum nach § 4 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erteilt wird (2.1.). Die die Visumpflicht (auch) für türkische Staatsangehörige normierenden ausländerrechtlichen Vorschriften sind auch nicht aufgrund der unmittelbaren Wirkung des Art. 41 Abs. 1 ZP unanwendbar, weil sie keine „neuen Beschränkungen“ der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs im Sinne dieser Stillhalteklausel darstellen (2.2.).

1. Das Verwaltungsgericht hat die (vorbeugende) Feststellungsklage (§ 43 Abs. 1 VwGO) der Klägerin zu Recht als zulässig angesehen.

1.1. Entgegen der Auffassung der Beklagten bezieht sich diese Klage auf ein hinreichend konkretes und streitiges (zu diesem Erfordernis vgl. Möstl in Beck’scher Online-Kommentar VwGO, Hrsg: Posser/Wolff, Stand: 1.10.2013, § 43 Rn. 5 m. w. N.) und damit feststellungsfähiges Rechtsverhältnis im Sinne des § 43 Abs. 1 VwGO. Denn das auf die gerichtliche Feststellung gerichtete Klagebegehren, (künftig) für einen Aufenthaltszeitraum von bis zu drei Monaten zum Dienstleistungsempfang, insbesondere zu touristischen Zwecken, ohne Aufenthaltserlaubnis, insbesondere visumfrei, in die Bundesrepublik Deutschland einreisen und sich hier aufhalten zu dürfen, beinhaltet keine abstrakte Rechtsfrage ohne hinreichenden Fallbezug zur Klägerin. Vielmehr liegt aufgrund des Vorkommnisses am 29./30. September 2009, bei dem es ausweislich des im Klageverfahren vorgelegten Schreibens der Deutschen Lufthansa AG Kundendialog vom 14. Dezember 2009 offensichtlich nicht gelungen ist, aufgrund des verspäteten Flugs von Los Angeles nach München und des verpassten Anschlussflugs nach Istanbul bei der Bundespolizei (u. a.) für die Klägerin das Verlassen des Transitbereichs des Münchner Flughafens und die Einreise in das Bundesgebiet für eine Übernachtung im Hotel zu erreichen, ein hinreichend konkretisiertes streitiges Rechtsverhältnis vor, bei dem sich die Rechtsbeziehungen zwischen den Parteien über eine bloße abstrakte Rechtsfrage hinaus entsprechend verdichtet haben (vgl. Möstl, a. a. O., Rn. 5). Das von der Klägerin geltend gemachte Recht umfasst gerade (auch) die Möglichkeit eines solchen visumfreien Kurzaufenthalts zu touristischen Zwecken. Nicht Streitgegenstand dieser Klage ist dagegen die Frage, ob der Klägerin durch die Bundespolizei am 29./30. September 2009 tatsächlich zu Unrecht die Einreise zur Übernachtung in einem Hotel verweigert worden ist.

1.2. Die (vorbeugende) Feststellungsklage ist auch nicht gemäß § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO unzulässig, weil die Klägerin das von ihr geltend gemachte Recht vorrangig im Wege der Gestaltung- oder Leistungsklage verfolgen könnte bzw. müsste. Denn die Subsidiaritätsklausel greift hier nach zutreffender Auffassung des Verwaltungsgerichts schon deshalb nicht, weil der Klägerin ein Abwarten nachträglichen, d. h. repressiven Rechtsschutzes (ausnahmsweise) nicht zumutbar ist. Als Mitglied einer türkischen Unternehmerfamilie nimmt die Klägerin - zwischen den Parteien unstreitig - häufig Dienstleistungen von Fluggesellschaften weltweit in Anspruch, so dass sich ein ähnlicher Vorfall wie am 29./30. September 2009 grundsätzlich jederzeit wieder ereignen kann. Bei Rechtsverhältnissen, die wiederholt auftreten, deren Bestehen oder Nichtbestehen also nicht nur einmalig von Interesse ist, ist nachträglicher Rechtsschutz durch die in Betracht kommende Gestaltungs- oder Leistungsklage der Feststellungsklage in Reichweite und Effektivität nicht gleichwertig (Happ in Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 43 Rn. 41; Möstl, a. a. O., Rn. 27 jeweils m. w. N.). Zudem ist zu berücksichtigen, dass sich Ausländer, die sich ohne die erforderliche Erlaubnis im Bundesgebiet aufhalten, grundsätzlich gemäß § 95 Abs. 1 Nr. 2 AufenthG strafbar machen. Die Klägerin kann daher nicht auf die nachträgliche Klärung des von ihr geltend gemachten Rechts auf visumfreien Kurzaufenthalt zu touristischen Zwecken verwiesen werden.

1.3. Aus den dargelegten Gründen besteht auch das nach § 43 Abs. 1 VwGO erforderliche berechtigte Interesse der Klägerin an der baldigen Feststellung des streitigen Rechtsverhältnisses. Denn der dafür erforderliche hinreichende Klärungsbedarf dieses konkreten und zwischen den Beteiligten streitigen Rechtsverhältnisses im Wege der Feststellungsklage liegt im vorliegenden Fall auf der Hand.

2. Die zulässige Klage ist jedoch unbegründet, weil das von der Klägerin beanspruchte Recht, auf dessen Feststellung sich ihr Klagebegehren bezieht, nämlich für einen Aufenthaltszeitraum von bis zu drei Monaten zum Dienstleistungsempfang, insbesondere zu touristischen Zwecken, ohne Aufenthaltserlaubnis, insbesondere visumfrei, in die Bundesrepublik Deutschland einreisen und sich hier aufhalten zu dürfen, nicht besteht.

2.1. Die Klägerin bedarf als türkische Staatsangehörige (Ausländerin), die in den Anwendungsbereich des Aufenthaltsgesetzes (s. § 1 Abs. 2 AufenthG) fällt, gemäß § 4 Abs. 1 AufenthG für die Einreise und den Aufenthalt im Bundesgebiet eines Aufenthaltstitels, sofern nicht durch Recht der Europäischen Union oder durch Rechtsverordnung etwas anderes bestimmt ist oder aufgrund des Abkommens vom 12. September 1963 zur Gründung einer Assoziation zwischen der Europäischen Wirtschaftsgemeinschaft und der Türkei (BGBl 1964 II S. 509) ein Aufenthaltsrecht besteht. Die Befreiung vom Erfordernis eines Aufenthaltstitels für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern für Kurzaufenthalte richtet sich gemäß § 15 AufenthV nach dem Recht der Europäischen Union, insbesondere dem Schengener Durchführungsübereinkommen und der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 i. V. m. den §§ 16 ff. AufenthV. Gemäß Art. 5 Abs. 1 Buchst. b der Verordnung (EG) Nr. 562/2006 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. März 2006 über einen Gemeinschaftskodex für das Überschreiten der Grenzen durch Personen (Schengener Grenzkodex; ABl. Nr. L 105 S. 1) muss ein Drittstaatsangehöriger für einen geplanten Aufenthalt im Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten von bis zu 90 Tagen je Zeitraum von 180 Tagen als Einreisevoraussetzung unter anderem im Besitz eines gültigen Visums sein, falls dies nach der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 des Rates vom 15. März 2001 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. Nr. L 81 S. 1 - EGVisaVO), vorgeschrieben ist, außer wenn er Inhaber eines gültigen Aufenthaltstitels oder eines gültigen Visums für den längerfristigen Aufenthalt ist. Gemäß Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 539/2001 in Verbindung mit Anhang I. Gemeinsame Liste gemäß Art. 1 Abs. 1 EG-VisaVO müssen Staatsangehörige der Türkei beim Überschreiten der Außengrenzen der Mitgliedstaaten im Besitz eines Visums sein. Der Aufenthaltstitel für wie von der Klägerin begehrte (kurzfristige) Aufenthalte im Gebiet der Schengen-Staaten von bis zu drei Monaten innerhalb einer Frist von sechs Monaten von dem Tag der ersten Einreise an (zu touristischen Zwecken) wird als (Schengen-)Visum nach § 4 Abs. 1 Satz 2 i. V. m. § 6 Abs. 1 Nr. 1 AufenthG erteilt. Eine Ausnahme von der Erlaubnispflicht (hier: Visumpflicht) für Einreise und Aufenthalt besteht nach alledem im streitgegenständlichen Fall nicht.

2.2. Der somit nach geltendem nationalen Recht (sowie Unionsrecht) bestehenden Visumpflicht für kurzfristige Aufenthalte der Klägerin zu touristischen Zwecken steht entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts nicht die in Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll enthaltene Stillhalteklausel entgegen. Denn in der Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union ist inzwischen geklärt, dass sich türkische Staatsangehörige wie die Klägerin auf die unmittelbare Wirkung dieser Regelung (2.2.1.) grundsätzlich nur im Zusammenhang mit der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit berufen können und der Begriff „freier Dienstleistungsverkehr“ in Art. 41 Abs. 1 des am 23. November 1970 in Brüssel unterzeichneten und durch die Verordnung (EWG) Nr. 2760/72 des Rates vom 19. Dezember 1972 im Namen der Gemeinschaft geschlossenen, gebilligten und bestätigten Zusatzprotokolls dahin auszulegen ist, dass er nicht die Freiheit türkischer Staatsangehöriger umfasst, sich als Dienstleistungsempfänger in einen Mitgliedstaat zu begeben, um dort eine Dienstleistung in Anspruch zu nehmen (EuGH, U. v. 24.9.2013 - Rs. C-221/11, L. E. Demirkan /Bundesrepublik Deutschland - juris Leitsatz und Rn. 55; vgl. auch EuGH, U. v. 10.7.2014 - Rs. C-138/13, N. Dogan /Bundesrepublik Deutschland - Rn. 28; 2.2.2.). Ungeachtet einer Bindungswirkung erga omnes des Urteils des Gerichtshofs vom 24. September 2013 (Rs. C-221/11, L. E. Demirkan /Bundesrepublik Deutschland) ergeben sich für den Senat weder Zweifel hinsichtlich der vom Gerichtshof vorgenommenen Auslegung des Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll noch insbesondere der Übertragbarkeit der Auslegung (auch) auf die Konstellation der Klägerin (2.2.3.).

2.2.1. Gemäß Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll werden die Vertragsparteien untereinander keine neuen Beschränkungen der Niederlassungsfreiheit und des freien Dienstleistungsverkehrs einführen. Nach ständiger Rechtsprechung des Gerichtshofs hat Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll unmittelbare Wirkung, da er eine klare, präzise und nicht an Bedingungen geknüpfte, eindeutige Stillhalteklausel enthält, die eine Verpflichtung der Vertragsparteien begründet, die rechtlich eine reine Unterlassungspflicht ist. Folglich können sich türkische Staatsangehörige, auf die die Bestimmung anwendbar ist, vor den nationalen Gerichten auf die Rechte, die sie ihnen verleiht, berufen (EuGH, U. v. 19.2.2009 - Rs. C-228/06, Soysal u. Savatli /Bundesrepublik Deutschland - juris Rn. 45 m. w. N.; EuGH, U. v. 24.9.2013 - Rs. C-221/11, L. E. Demirkan /Bundesrepublik Deutschland - juris Rn. 38). Zwar ist die in Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll enthaltene Stillhalteklausel nicht aus sich heraus geeignet, türkischen Staatsangehörigen allein auf der Grundlage des Gemeinschaftsrechts (materiell) ein Niederlassungsrecht und ein damit einhergehendes Aufenthaltsrecht zu verleihen, und kann ihnen auch weder ein Recht auf freien Dienstleistungsverkehr noch ein Recht zur Einreise in das Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats verschaffen. Die Stillhalteklausel verbietet jedoch allgemein die Einführung neuer Maßnahmen, die den Zweck oder die Wirkung haben, die Ausübung dieser wirtschaftlichen Freiheiten durch türkische Staatsangehörige im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats restriktiveren Bedingungen als denen zu unterwerfen, die galten, als das Zusatzprotokoll in diesem Mitgliedstaat in Kraft trat. Aus dem Urteil Soysal u. Savatli ergibt sich, dass die Stillhalteklausel in Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll es ab dem Zeitpunkt des Inkrafttretens dieses Protokolls verbietet, ein Visum für die Einreise türkischer Staatsangehöriger zu verlangen, die im Hoheitsgebiet eines Mitgliedstaats Dienstleistungen für ein in der Türkei ansässiges Unternehmen erbringen wollen, wenn ein solches Visum zuvor nicht verlangt wurde (EuGH, U. v. 19.2.2009 - Rs. C-228/06, Soysal u. Savatli /Bundesrepublik Deutschland - juris Rn. 47 ff.; U. v. 24.9.2013 - Rs. C-221/11, L. E. Demirkan /Bundesrepublik Deutschland - juris Rn. 39 ff.).

2.2.2. Die (Auslegungs-)Frage, ob die Stillhalteklausel in Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll auch für türkische Staatsangehörige gilt, die - anders als in dem dem Urteil Soysal u. Savatli zugrunde liegenden Fall - keine grenzüberschreitenden Dienstleistungen erbringen, sondern sich in einen Mitgliedstaat begeben wollen, um dort Dienstleistungen in Anspruch zu nehmen, hat der Gerichtshof mit dem Urteil vom 24. September 2013 in der Rechtssache Demirkan dahingehend entschieden, dass der Begriff „freier Dienstleistungsverkehr“ in dieser Bestimmung diese (passive Dienstleistungs-)Freiheit nicht umfasst. Die den unionsrechtlichen Vorschriften über den Binnenmarkt (hier insbesondere: Art. 56 ff. AEUV - früher: Art. 49 ff. EG) gegebene Auslegung könne nicht automatisch auf die Auslegung eines von der Union mit einem Drittstaat geschlossenen Abkommens übertragen werden, sofern dies nicht im Abkommen selbst ausdrücklich vorgesehen sei. Insoweit verpflichte die Verwendung des Verbs „sich leiten lassen“ in Art. 14 des Assoziierungsabkommens (s. 64/733/EWG; ABl. 1964, Nr. 217, S. 3687) die Vertragsparteien nicht, die Vertragsbestimmungen über den freien Dienstleistungsverkehr oder die zu ihrer Durchführung erlassenen Bestimmungen als solche anzuwenden, sondern nur, sie als Inspirationsquelle für die Maßnahmen zu betrachten, die zur Erreichung der in diesem Abkommen festgelegten Ziele zu erlassen sind. Überdies hänge die Übertragung der Auslegung einer Vertragsbestimmung auf eine vergleichbar, ähnlich oder sogar übereinstimmend gefasste Bestimmung eines Abkommens zwischen der Union und einem Drittstaat insbesondere davon ab, welchen Zweck jede dieser Bestimmungen in ihrem jeweiligen Rahmen verfolge. Insoweit komme dem Vergleich der Ziele und des Kontexts des Abkommens einerseits und des Vertrags (EG bzw. AEUV) andererseits erhebliche Bedeutung zu (EuGH, U. v. 24.9.2013 a. a. O. Rn. 42 ff.).

Bei dem hinsichtlich Zweck und Kontext des Assoziierungsabkommens einerseits und des betreffenden Unionsrechtsakts (insbesondere Art. 56 AEUV) andererseits angestellten Vergleich (EuGH a. a. O. Rn. 48 ff.) kommt der Gerichtshof zu dem Ergebnis, dass insoweit grundlegende Unterschiede bestünden, weil das Assoziierungsabkommen (wie sein Zusatzprotokoll) einen ausschließlich wirtschaftlichen Zweck verfolge, während mit den wirtschaftlichen (Grund-)Freiheiten im Rahmen des Unionsrechts ein als Raum ohne Binnengrenzen konzipierter Binnenmarkt (s. Art. 3 Abs. 3 EUV) mit der Ermöglichung einer generellen Freizügigkeit für Unionsbürger (s. Art. 21 AEUV) geschaffen werden solle (EuGH a. a. O. Rn. 53 und 56). Aus dieser unterschiedlichen Zielsetzung leitet der Gerichtshof ab, dass die Stillhalteklausel in Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll, sei es unter Anknüpfung an die Niederlassungsfreiheit oder den freien Dienstleistungsverkehr, nur im Zusammenhang mit der Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit die Voraussetzungen für die Einreise türkischer Staatsangehöriger in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und ihren dortigen Aufenthalt betreffen könne (EuGH a. a. O. Rn. 53).

Als zweites Argument für dieses Auslegungsergebnis zieht der Gerichtshof auch den zeitlichen Kontext dieser Bestimmungen heran. Da der Gerichtshof erst 1984 im Urteil Luisi und Carbone klargestellt habe, dass der freie Dienstleistungsverkehr im Sinne des Vertrags (EWG bzw. jetzt AEUV) auch die passive Dienstleistungsfreiheit umfasse, gebe es keinen Anhaltspunkt dafür, dass die Vertragsparteien des Assoziierungsabkommens und des Zusatzprotokolls bei deren Unterzeichnung davon ausgegangen seien, dass der freie Dienstleistungsverkehr auch die passive Dienstleistungsfreiheit umfasse (EuGH a. a. O. Rn. 57 ff.). Auch die Übung der Vertragsparteien des Assoziierungsabkommens biete im Übrigen keine Anhaltspunkte für das Gegenteil, da auf beiden Seiten nach dem Inkrafttreten des Zusatzprotokolls teilweise eine Visumpflicht für touristische Aufenthalte eingeführt worden sei (EuGH a. a. O. Rn. 61).

Unter Berücksichtigung dieser Umstände hat der Gerichtshof auf die erste Vorlagefrage geantwortet, dass der Begriff „freier Dienstleistungsverkehr“ in Art. 41 Abs. 1 des Zusatzprotokolls dahin auszulegen ist, dass er nicht die Freiheit türkischer Staatsangehöriger umfasst, sich als Dienstleistungsempfänger in einen Mitgliedstaat zu begeben, um dort eine Dienstleistung in Anspruch zu nehmen.

2.2.3. Unabhängig davon, inwieweit das Urteil des Gerichtshofs vom 24. September 2013 in der Rechtssache Demirkan (Vorabentscheidungsverfahren nach Art. 267 AEUV) über die Auslegung des Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll Bindungswirkung erga omnes und damit auch im vorliegenden Verfahren entfaltet mit der Folge, dass der Verwaltungsgerichtshof Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll in dieser vom Gerichtshof vorgenommenen Auslegung anwenden muss (vgl. dazu Ehricke in Streinz, EUV/AEUV, Kommentar, 2. Aufl. 2012, AEUV Art. 267 Rn. 69 ff.; Karpenstein in Grabitz/Hilf/Nettesheim, Das Recht der Europäischen Union, Stand: 52. Ergänzungslieferung 2014, AEUV Art. 267 Rn. 104 ff. jeweils m.w.N ), ergeben sich für den Senat weder Zweifel hinsichtlich der vom Gerichtshof vorgenommenen Auslegung des Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll noch insbesondere der Übertragbarkeit der Auslegung (auch) auf die Konstellation der Klägerin. Die von Klägerseite im Berufungsverfahren insoweit geltend gemachten Einwände greifen nicht durch. Für die durch die Klägerin hilfsweise beantragte Aussetzung des Verfahrens und ein erneutes Vorabentscheidungsersuchen nach Art. 267 AEUV besteht daher keine Veranlassung.

Der Einwand, der Gerichtshof habe in der Vorabentscheidung vom 24. September 2013 noch nicht ausreichend differenziert zwischen der Frage der Visumfreiheit bei nur gelegentlichem Empfang von Dienstleistungen im Fall Demirkan und einem Fall wie dem der Klägerin, bei der die Einreise erkennbar ausschließlich zum Zweck des Dienstleistungsempfangs erfolgen solle, vermag solche Zweifel nicht zu begründen. Denn die dem Gerichtshof gemäß Art. 267 Abs. 1 Buchst. a AEUV durch das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg vorgelegte Frage über die Auslegung des Begriffs „freier Dienstleistungsverkehr“ in Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll ist ebenso klar und eindeutig wie die Beantwortung dieser Vorlagefrage durch den Gerichtshof, der festgestellt hat, dass dieser Begriff nicht die Freiheit türkischer Staatsangehöriger umfasst, sich als Dienstleistungsempfänger in einen Mitgliedstaat zu begeben, um dort eine Dienstleistung in Anspruch zu nehmen. Der Gerichtshof differenziert in seiner Entscheidung gerade nicht danach, ob die Inanspruchnahme einer Dienstleistung - wie im Ausgangsfall Demirkan - bei Gelegenheit eines Familienbesuchs erfolgen soll oder - wie die Klägerin für sich geltend macht - die Inanspruchnahme der Dienstleistung das alleinige Ziel der (Ein-)Reise in den Mitgliedstaat bildet. Als Ausübung einer wirtschaftlichen Tätigkeit, wie sie der Gerichtshof für die Anwendung der Stillhalteklausel auf die Voraussetzungen für die Einreise türkischer Staatsangehöriger in das Hoheitsgebiet der Mitgliedstaaten und ihren dortigen Aufenthalt als erforderlich ansieht (EuGH a. a. O. Rn. 55), ist danach gerade nicht der bloße Empfang von Dienstleistungen im Mitgliedstaat im Sinne der passiven Dienstleistungsfreiheit des Art. 56 AEUV zu bewerten. Demgemäß bestand für den Gerichtshof auch keine Notwendigkeit mehr, auf die zweite Vorlagefrage in der Rechtssache Demirkan einzugehen, bei der es um die Frage eines Finalitätskriteriums bei einer unterstellten zulässigen Berufung auf den Schutz der passiven Dienstleistungsfreiheit auch im Rahmen von Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll ging. Dass dem Gerichtshof die Bandbreite möglicher Fallgestaltungen im Vorabentscheidungsverfahren Demirkan durchaus bewusst war, ergibt sich - worauf der Vertreter des öffentlichen Interesses in der mündlichen Verhandlung zu Recht hingewiesen hat - schon aus den diesbezüglichen umfangreichen Ausführungen und Erläuterungen des Generalanwalts V. (auch) zur zweiten Vorlagefrage in dessen Schlussanträgen vom 11. April 2013 in der Rechtssache Demirkan (dort Rn. 73 ff.).

Nicht durchgreifend ist auch der weitere Hinweis der Klägerin, zum Zeitpunkt des Abschlusses des Assoziierungsabkommens sei die passive Dienstleistungsfreiheit gemeinschaftsrechtlich bereits anerkannt gewesen, was insbesondere in der Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind (ABl. Nr. 56 S. 845), sowie der Richtlinie 73/148/EWG des Rates vom 21. Mai 1973 zur Aufhebung der Reise- und Aufenthaltsbeschränkungen für Staatsangehörige der Mitgliedstaaten innerhalb der Gemeinschaft auf dem Gebiet der Niederlassung und des Dienstleistungsverkehrs (ABl. Nr. L 172 S.14) zum Ausdruck komme; dort sei jeweils auch der Aufenthaltszweck der Entgegennahme von Dienstleistungen ausdrücklich aufgeführt. Denn zum einen hat der Gerichtshof bei seiner Entscheidung in der Rechtssache Demirkan und der Auslegung des Begriffs des „freien Dienstleistungsverkehrs“ in Art. 41 Abs. 1 Zusatzprotokoll ganz entscheidend auf die unterschiedliche Zielsetzung des Assoziierungsabkommens und des Vertrags (EG bzw. AEUV) und erst in zweiter Linie auf den zeitlichen Kontext dieser Bestimmungen und seine Klarstellung der Gewährleistung der passiven Dienstleistungsfreiheit im Urteil Luisi und Carbone im Jahr 1984 abgestellt. Im Übrigen hat der Generalanwalt in seinen Schlussanträgen vom 11. April 2013 in der Rechtssache Demirkan ausführlich dargelegt, dass der Inhalt der Dienstleistungsfreiheit und der Begriff des freien Dienstleistungsverkehrs und insbesondere die Erstreckung der Dienstleistungsfreiheit auf die passive Dienstleistungsfreiheit zum Zeitpunkt des Abschlusses des Assoziierungsabkommens „alles andere als unumstritten“ und unklar war (dort Rn. 55 ff.). Die Folgerung der Klägerin, die Vertragsparteien des Assoziierungsabkommens und des Zusatzprotokolls seien damals davon ausgegangen, dass der freie Dienstleistungsverkehr auch die passive Dienstleistungsfreiheit mit umfasst, ist daher lediglich eine vom Gerichtshof mit guten Gründen verworfene Mutmaßung.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit stützt sich auf § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. ZPO.

Die Revision ist nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO nicht vorliegen.

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Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt die Feststellung, dass er bestimmte Arbeiten an Fenstern und Fensterrahmen ohne Eintragung mit dem Beruf „Glaser“ in die Handwerksrolle ausüben darf. Wegen der Einzelheiten nimmt der Senat gemäß § 130b Satz 1 VwGO auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils Bezug, dessen Feststellungen er sich in vollem Umfang zu Eigen macht.

2

Mit seinem Feststellungsbegehren wandte der Kläger sich zunächst an die Handwerkskammer, die eine entsprechende Bestätigung ablehnte und die Auffassung vertrat, es handle sich bei den in Rede stehenden Arbeiten nicht um minderhandwerkliche Tätigkeiten, sondern um solche, die dem Schwerpunkt des Glaserhandwerks zuzuordnen seien. Die hierauf gegen die Handwerkskammer erhobene Feststellungsklage (Az. 6 K 96/13.Mz) erklärten die Beteiligten übereinstimmend für erledigt, nachdem das Verwaltungsgericht auf die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts vom 31. August 2011 (Az. 8 C 8/10) hingewiesen hatte, wonach eine Feststellungsklage der hier in Rede stehenden Art nicht gegen die Handwerkskammer, sondern gegen die zuständige Behörde zu richten sei.

3

Die vorliegende Feststellungsklage gegen die beklagte Verbandsgemeinde hat das Verwaltungsgericht mit Urteil vom 22. Mai 2013 abgewiesen und zur Begründung ausgeführt, die Klage sei unzulässig. Dabei könne dahinstehen, ob das für die Feststellungsklage erforderliche hinreichend konkrete Rechtsverhältnis zwischen dem Kläger und der Beklagten vorliege. Jedenfalls fehle es an einem berechtigten Interesses des Klägers an der alsbaldigen Feststellung. Es sei derzeit nicht absehbar, ob überhaupt eine Untersagungsverfügung ergehen werde. Auch soweit der Kläger vorbeugenden Rechtsschutz im Hinblick auf ein mögliches Ordnungswidrigkeitenverfahren anstrebe, sei ein solches weder anhängig, noch von der zuständigen Behörde – hier: der Kreisverwaltung Mainz-Bingen – angedroht worden.

4

Zur Begründung seiner hiergegen gerichteten und vom Senat zugelassenen Berufung macht der Kläger im Wesentlichen geltend, für alle Rechtsbereiche gelte, dass ein Betroffener, der in einem zumindest allgemein strittigen Rechtsverhältnis lebe, nicht zu warten brauche, bis hier etwas „passiere“. Der Betroffene müsse vielmehr bereits im Vorgriff das Recht haben, Inhalt und Umfang seiner Rechtsposition gerichtlich überprüfen zu lassen. Nachdem das Bundesverwaltungsgericht die Möglichkeit abgeschafft habe, gegen die Handwerkskammern – die aus dem Hintergrund all diese Verfahren eigentlich betrieben – im Rahmen der Feststellungsklage die Rechtsverhältnisse abzuklären, sei nach Art. 19 Abs. 4 GG eine Feststellungsklage gegen die Kommunen zu ermöglichen.

5

Der Kläger beantragt,

6

unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Mainz vom 22. Mai 2013 festzustellen, dass er ohne Eintragung in die Handwerksrolle mit dem Beruf des „Glasers“ selbständig im stehenden Gewerbebetrieb durchführen darf

7

a) Isolier-Glassanierungen, die wie folgt durchgeführt werden:

8

- Öffnen des Isolierglases mit Spezialwerkzeug
- Ausspülen mit einem gesonderten Verfahren,
- Austrocknen und
- Wiederverschließen des Isolierglases, jeweils mit einem für den Franchise-Geber ReklAr zugehörigen Spezialverfahren;

9

b) den Austausch von Gläsern in Fenstern/Fensterrahmen,

10

hilfsweise festzustellen,

11

dass er die vorgenannten Tätigkeiten ohne Eintragung in die Handwerksrolle selbständig im stehenden Gewerbe ausüben darf, solange die Tätigkeiten aus diesen beiden Bereichen (Isolierglassanierung und Glasaustausch) ein Geschäftsvolumen von 15 % seines Gesamtumsatzes nicht übersteigen,

12

hilfsweise

13

die Einholung eines Sachverständigengutachtens.

14

Die Beklagte beantragt,

15

die Berufung zurückzuweisen.

16

Sie verteidigt unter Vertiefung ihres bisherigen Vorbringens das angegriffene Urteil.

17

Wegen des weiteren Sach- und Streitstandes wird auf die Schriftsätze der Beteiligten sowie die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.

Entscheidungsgründe

18

Die Berufung hat keinen Erfolg.

19

Die erhobene Feststellungsklage ist unzulässig.

20

Gemäß § 43 Abs. 1 VerwaltungsgerichtsordnungVwGO – kann die Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Rechtsverhältnisses begehrt werden, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an der baldigen Feststellung hat. Nach § 43 Abs. 2 Satz 1 VwGO kann die Feststellung nicht begehrt werden, soweit der Kläger seine Rechte durch Gestaltungs- oder Leistungsklage verfolgen kann oder hätte verfolgen können.

21

Die hieraus folgenden Voraussetzungen für die Zulässigkeit einer Feststellungsklage liegen nicht vor. Dabei kann offen bleiben, ob zwischen dem Kläger und der Beklagten ein hinreichend konkretes feststellungsfähiges Rechtsverhältnis besteht, denn jedenfalls hat der Kläger kein berechtigtes Interesse an der „baldigen“ Feststellung.

22

Es entspricht der ständigen Rechtsprechung der Verwaltungsgerichte, dass die Gewährung vorbeugenden Rechtsschutzes gegen drohende Verwaltungsakte in Form einer – vorbeugenden – Feststellungsklage grundsätzlich unzulässig ist (vgl. BVerwG, Beschluss vom 12. Juni 2008 – 7 B 24/08 –, juris Rn. 10 m.w.N.). Ausnahmsweise gilt etwas anderes, wenn ein besonderes qualifiziertes Rechtsschutzbedürfnis die Gewährung vorbeugenden Rechtsschutzes mit Blick auf das verfassungsrechtliche Gebot effektiven Rechtsschutzes (Art. 19 Abs. 4 GG) erfordert (BVerwG, Beschluss vom 12. Juni 2008 – 7 B 24/08 –, Rn. 11). Es muss ein spezielles, auf die Inanspruchnahme vorbeugenden Rechtsschutzes gerichtetes Rechtsschutzinteresse bestehen. Dieses Interesse ist nicht gegeben, wenn es an einer begründeten Besorgnis für die Rechtsstellung eines Klägers fehlt (vgl. BVerwG, Urteil vom 30. September 1999 – 3 C 39/98 –, juris, Rn. 21 m.w.N.). Diese Maßstäbe gelten auch für die Frage nach der Eintragungspflicht eines Handwerksbetriebes. Auch insoweit ist der Betroffene grundsätzlich auf den nachträglichen Rechtsschutz durch Widerspruch und Anfechtungsklage verwiesen. Eine vorbeugende Feststellungsklage ist insoweit nur dann zulässig, wenn dem Kläger im Einzelfall ein Abwarten nicht zuzumuten ist (vgl. auch BVerwG, Urteil vom 31. August 2011 – 8 C 8/10 –, juris, Rn. 23 a.E.).

23

Das nach alledem erforderliche besondere Feststellungsinteresse für die ausnahmsweise Gewährung vorbeugenden Rechtsschutzes liegt hier nicht vor. Es besteht für die hier in Rede stehende Feststellungsklage des Klägers gegen die beklagte Verbandsgemeinde weder hinsichtlich eines etwaigen Untersagungsverfahrens (1.) noch in Bezug auf die von dem Kläger geltend gemachte Verfolgung durch die Handwerkskammer (2.). Auch ein hypothetisches Ordnungswidrigkeitenverfahren der Kreisverwaltung vermag ein Feststellungsinteresse für die vorliegende Klage nicht zu begründen (3.).

24

1. In dem Verhältnis zu der Beklagten liegt ein besonderes Feststellungsinteresse des Klägers schon deshalb nicht vor, weil es dem Kläger insoweit nur um die Feststellung der Rechtswidrigkeit einer etwaigen Untersagungsverfügung gemäß § 16 Abs. 3 des Gesetzes zur Ordnung des HandwerksHandwerksordnung (HWO) – gehen kann. Nur für diese bestünde eine Zuständigkeit der Beklagten gemäß § 1 Abs. 2 der Landesverordnung über die Zuständigkeiten nach der Handwerksordnung und dem Schwarzarbeitsbekämpfungsgesetz vom 13. Januar 1987 (GVBl. S. 16), zuletzt geändert durch Verordnung vom 26. August 2008 (GVBl. S. 197) – ZustVO –.

25

Es sind keine durchgreifenden Gründe dafür dargetan oder ersichtlich, die dafür sprächen, dass es dem Kläger unter dem Blickwinkel des Gebotes effektiven Rechtsschutzes aus Art. 19 Abs. 4 GG unzumutbar wäre, eine solche Entscheidung der Beklagten über eine Untersagung seines Betriebes abzuwarten. Insoweit fehlt es bereits deshalb an einer begründeten Besorgnis für die Rechtsstellung des Klägers, weil die Beklagte keinerlei Anlass für die Annahme gegeben hat, sie werde ein solches Untersagungsverfahren gegen ihn einleiten, sondern im Gegenteil stets betont hat, sie sehe keinen Anlass einzuschreiten.

26

Zudem wäre es Verwaltungsgerichten selbst dann verwehrt, über die Eintragungspflicht einer Tätigkeit im Vorgriff auf die Entscheidung der Verwaltungsbehörde zu befinden, wenn die Einleitung eines Untersagungsverfahrens konkret bevorstünde oder sogar bereits erfolgt wäre. Das ergibt sich unter dem Blickwinkel von Art. 19 Abs. 4 GG schon aufgrund der Tatsache, dass Widerspruch und Klage gegen eine etwaige Untersagungsverfügung aufschiebende Wirkung besitzen, also eine etwaige Untersagungsverfügung während eines gerichtlichen Verfahrens grundsätzlich noch nicht vollstreckbar ist.

27

Ein Vorgriff der Verwaltungsgerichte auf die behördliche Entscheidung ist überdies aufgrund der besonderen Ausgleichsfunktion des Untersagungsverfahrens nach § 16 Abs. 3 HWO ausgeschlossen. Dieses ist nach der Konzeption des Gesetzgebers mit speziellen Verfahrenselementen angereichert, die einen prozeduralen Interessenausgleich in schwierigen Abgrenzungsfragen gewährleisten sollen. So muss die Behörde vor einer Untersagungsverfügung gemäß § 16 Abs. 3 Satz 2 HWO die Industrie- und Handelskammer und die Handwerkskammer anhören. An das Anhörungsverfahren schließt sich für den Fall, dass keine gemeinsame Erklärung der beiden Kammern zustande kommt, ein Schlichtungsverfahren vor einer Schlichtungskommission an (§ 16 Abs. 4-6 HWO). Hält die zuständige Behörde die gemeinsame Erklärung der Kammern oder die Entscheidung der Schlichtungskommission für rechtswidrig, kann sie unmittelbar die Entscheidung der obersten Landesbehörde herbeiführen (§ 16 Abs. 7 HWO).

28

In der Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen SPD und BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN vom 24. Juni 2003 (BT-Drucks. 15/1206) wird zu dem Zweck dieses besonderen Verfahrens ausgeführt, es bestünden seit Jahren Abgrenzungsprobleme, die bisher nicht abschließend hätten gelöst werden können. Das betreffe zum Beispiel die Montage industriell vorgefertigter Blockhäuser, Gips-, Spritz- und Putzarbeiten, selbständige Wartungsarbeiten an medizinischen Dialysegeräten, Küchenmontagen sowie den Fassadenbau/Wärmedämm-Verbundsysteme. Die Behandlung der Fragen in den für den Vollzug der Handwerksordnung und des IHK-Gesetzes zuständigen Bund-Länder-Ausschüssen habe ergeben, dass Schwierigkeiten bei der Ermittlung der relevanten Sachverhalte bestünden und Rechtsbehauptungen betroffener Verbände vorgelegt würden. Eine Auslegung der Handwerksordnung nach Maßgabe der höchstrichterlichen Rechtsprechung habe hierbei nicht erreicht werden können. Dies solle künftig eine Schlichtungskommission leisten (BT-Drucks. 15/1206, S. 31 f.).

29

Die Herbeiführung dieses von dem Gesetzgeber gewünschten prozeduralen Interessenausgleichs kann durch ein verwaltungsgerichtliches Feststellungsverfahren nicht ersetzt werden. Es ist nicht Aufgabe der Verwaltungsgerichte, gleichsam abstrakt und ohne Vorbefassung durch die zuständige Behörde zu klären, welche Einzeltätigkeiten eines zulassungspflichtigen Handwerks unter welchen Voraussetzungen ohne Eintragung in die Handwerksrolle ausgeübt werden (vgl. bereits NdsOVG, Beschluss vom 24. Mai 2006 – 8 LA 139/05 –, GewArch 2009, 212 [213]). Das gilt in ganz besonderer Weise, wenn das behördliche Verfahren – wie hier – mit besonderen Verfahrenselementen des Interessensausgleichs versehen ist.

30

2. Soweit der Kläger geltend macht, ihm drohe jedenfalls eine Verfolgung durch die Handwerkskammer, vermag dies nach den vorstehenden Ausführungen kein besonderes Rechtsschutzinteresse für die beantragte Feststellung im Verhältnis zu der Beklagten zu begründen. Der Ausschluss einer gegen die Handwerkskammer gerichteten Feststellungsklage nach Maßgabe der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (BVerwG, Urteil vom 31. August 2011 – 8 C 8/10 –, juris) belegt gerade, dass diese nicht zur Ahndung von aus ihrer Sicht unzulässigen Tätigkeiten befugt ist. Auch im Rahmen des Untersagungsverfahrens gemäß § 16 Abs. 3 HWO kommt ihr kein größeres Gewicht zu als der ebenfalls zu beteiligenden Industrie- und Handelskammer. Der Gesetzgeber hat insoweit ausdrücklich klargestellt, dass es nach der gesetzlichen Neufassung keinen Anspruch der Handwerkskammer auf Untersagung gibt, sondern die Anhörung der Handwerkskammer lediglich der Verbreiterung der Entscheidungsgrundlage der zuständigen Behörde dient (vgl. BT-Drucks. 15/1206, S. 32). Die Handwerkskammer hat keinen Anspruch darauf, dass die Behörde ihrer rechtlichen Beurteilung folgt (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. August 2011 – 8 C 8/10 –, juris, Rn. 17).

31

Vor diesem Hintergrund ist das von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Schreiben der Handwerkskammer vom 18. November 2010 – in welchem unter anderem angekündigt wird, es würden „gegebenenfalls auch ordnungsrechtliche Maßnahmen“ zu seinen Lasten eingeleitet – nicht geeignet, eine Besorgnis für die Rechtsstellung des Klägers zu begründen. Der Handwerkskammer fehlt es insoweit an den hierfür erforderlichen rechtlichen Entscheidungsbefugnissen. Das folgt nicht nur aus der alleinigen Zuständigkeit der Behörde und aus dem Erfordernis eines besonderen Anhörungsverfahrens nach § 16 Abs. 3 HWO, sondern dafür spricht auch in rein tatsächlicher Hinsicht, dass das Schreiben der Handwerkskammer aus dem Jahr 2010 stammt und die Beklagte bis heute nicht gegen den Kläger eingeschritten ist.

32

3. Auch ein hypothetisches Ordnungswidrigkeitenverfahren vermag ein Feststellungsinteresse für die vorliegende Klage nicht zu begründen. Das folgt schon daraus, dass für ein solches Verfahren gemäß § 2 Nr. 1 der ZustVO nicht die Beklagte, sondern die Kreisverwaltung zuständig wäre. Überdies bestehen keine Anhaltspunkte dafür, dass ein solches Verfahren von Seiten der zuständigen Kreisverwaltung angekündigt worden wäre (vgl. zu diesem Erfordernis BVerwG, Urteil vom 25. März 2009 – 8 C 1/09 –, NVwZ 2009, 1170 [1171], Rn. 21; BVerfG, Beschluss vom 7. April 2003 – 1 BvR 2129/02 –, NVwZ 2003, 856).

33

Vor diesem Hintergrund kann offen bleiben, ob – wofür zudem einiges spricht – nach der gesetzgeberischen Konzeption die Kreisverwaltung ohnehin auch aus rechtlichen Gründen gehindert wäre, den Kläger wegen einer etwaigen fehlenden Eintragung in die Handwerksrolle (§ 1 Abs. 1 Satz 1 in Verbindung mit § 117 Abs. 1 Nr. 1 HWO) mit einer Geldbuße zu belangen. Denn nach den vorstehenden Ausführungen begründet das Untersagungsverfahren aufgrund seiner prozeduralen Besonderheiten nach der gesetzgeberischen Konzeption eine vorrangige Zuständigkeit der Untersagungsbehörde (hier: der Beklagten) für die Beurteilung der Eintragungspflichtigkeit einer Tätigkeit.

34

Nach alledem ist auch der hilfsweise gestellte Feststellungsantrag unzulässig. Für diesen besteht ebenfalls aus den dargelegten Gründen nicht das erforderliche Feststellungsinteresse.

35

Da der Senat keine Entscheidung zur Sache trifft, bedurfte es nicht der Erhebung der von dem Kläger in der mündlichen Verhandlung gestellten Hilfsbeweisanträge.

36

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO.

37

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils folgt aus § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 10 ZPO.

38

Die Revision wird nicht zugelassen, weil Gründe der in § 132 Abs. 2 VwGO bezeichneten Art nicht vorliegen.

39

Beschluss

40

Der Wert des Streitgegenstandes wird für das Berufungsverfahren auf 15.000,00 € festgesetzt (§§ 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG).

Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Dem Europäischen Gerichtshof wird folgende Frage zur Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 der Kommission vom 21. April 2004 (ABl Nr. L 141 S. 18) zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist eine landwirtschaftliche Fläche Dauergrünland im Sinne von Art. 2 Nr. 2 der Verordnung, wenn sie gegenwärtig und seit mindestens fünf Jahren zum Anbau von Gras oder anderen Grünfutterpflanzen genutzt wird, die Fläche in diesem Zeitraum aber umgepflügt und anstelle der bisherigen Grünfutterpflanze (hier: Kleegras) eine andere Grünfutterpflanze (hier: Ackergras) eingesät wird, oder handelt es sich in diesen Fällen um eine Fruchtfolge, die das Entstehen von Dauergrünland ausschließt?

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob für bestimmte landwirtschaftlich genutzte Flächen das Umbruchverbot der Dauergrünland-Erhaltungsverordnung des Landes Schleswig-Holstein gilt, mit dem das unionsrechtliche Dauergrünland-Erhaltungsgebot umgesetzt wird.

2

1. Der Kläger ist Landwirt und beantragt jährlich Betriebsprämien. In seinen Sammelanträgen gab er ab 1998 und 1999 an, auf zwei Flächen, den Schlägen Hohenkamp und Herrbusch, Ackergras anzubauen. Im Jahr 2005 schlitzte er auf den beiden Flächen Kleegrassamen ein und meldete sie von 2005 bis 2008 als Kleegrasflächen. Im Jahr 2009 wurden beide Flächen wieder als Ackergrasflächen genutzt. Mit dem Wirtschaftsjahr 2010 wurde der Schlag Hohenkamp verpachtet und ist seither als Mähweide beantragt. Auf dem Schlag Herrbusch wird seit 2010 auf der Grundlage einer Genehmigung Silomais angebaut, wofür eine andere Fläche als Dauergrünland angelegt werden musste.

3

Mit Schreiben vom 9. Januar 2009 teilte der Beklagte dem Kläger mit, er habe die Schläge in Dauergrünlandnutzung umcodiert, weil sie in dem Zeitraum von 1998 bis 2008 für eine mindestens sechsjährige Phase durchgehend als Grünland genutzt worden und daher als Dauergrünland einzustufen seien. Zugleich wies er den Kläger darauf hin, dass für die Schläge das Umbruchverbot der Dauergrünland-Erhaltungsverordnung gelte.

4

Der Kläger hat hierauf am 4. Juni 2009 Klage erhoben und begehrt festzustellen, dass die beiden Schläge nicht dem Umbruchverbot unterliegen. Er habe ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung, weil er im Falle einer Zuwiderhandlung gegen das Umbruchverbot prämienrechtliche Konsequenzen tragen müsse. Soweit er das Land verpachte, erziele er für Dauergrünland einen geringeren Erlös als für Ackerland. Zur Begründung seiner Klage hat er vor allem geltend gemacht, dass es sich nicht um Dauergrünland handele. Ackergrasflächen seien kein Dauergrünland, weil sie nach ein oder zwei Nutzungsjahren umgebrochen würden. Nach landwirtschaftlichem Fachverständnis sei Dauergrünland eine Fläche, die dauerhaft mit demselben Gras bestanden sei. Die damit verbundene besondere ökologische Wertigkeit komme Ackergrasflächen nicht zu. Unabhängig davon gelte, dass es sich bei einem Wechsel von Kleegras zu Ackergras oder umgekehrt um eine Fruchtfolge handele, die das Entstehen von Dauergrünland verhindere und eine bestehende Dauergrünlandnutzung beende.

5

Der Beklagte machte geltend, Ackergrasflächen, die regelmäßig umgebrochen würden, stünden natürlichem Dauergrünland gleich. Entscheidend sei, dass ununterbrochen dieselbe Pflanzenkultur angebaut werde; anderenfalls trete eine Fruchtfolge ein. Nachdem auf den beiden Flächen aber über fünf Jahre ununterbrochen Ackergras angebaut worden sei, handele es sich ungeachtet der nachfolgenden Einsaat von Kleegras um Dauergrünland.

6

Mit Urteil vom 13. Oktober 2010 hat das Verwaltungsgericht in erster Instanz die Klage als unbegründet abgewiesen. Da der Kläger auf beiden Schlägen im Jahr 2003 beziehungsweise 2004 seit mindestens fünf Jahren Ackergras angebaut habe, handele es sich um Dauergrünland. Ein einmal erworbener Dauergrünland-Status werde nicht durch eine Fruchtfolge verschiedener Grünfutterpflanzen beendet. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung gegen dieses Urteil auf seine mündliche Verhandlung vom 12. Mai 2011 zurückgewiesen. Unabhängig von der Frage, ob eine Fruchtfolge nur vorliege, wenn ein Wechsel von Gras oder anderen Grünfutterpflanzen zu anderen landwirtschaftlichen Kulturpflanzen erfolge, berühre der Wechsel von Gras zu anderen Grünfutterpflanzen die Eigenschaft bestehenden Dauergrünlands nicht.

7

Der Kläger hat gegen dieses Urteil Revision eingelegt.

8

2. Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik vom 21. Juli 2004 (BGBl I S. 1763, 1767) hat die Bundesrepublik Deutschland unter anderem das Direktzahlungen-Verpflichtungengesetz (DirektZahlVerpflG) erlassen. Dieses Gesetz dient der Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 (ABl Nr. L 270 S. 1) und der zu ihrer Durchführung erlassenen Rechtsakte, insbesondere soweit diese die Erhaltung von Dauergrünland in Betrieben, die Direktzahlungen beantragen, vorsehen (§ 1 Abs. 1 DirektZahlVerpflG). Es verweist dynamisch auf die jeweils geltenden Fassungen der Rechtsakte der Union und wurde an die im Jahr 2009 überarbeiteten Rechtstexte ("GAP-Gesundheitscheck") angepasst. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 DirektZahlVerpflG haben die Länder dafür Sorge zu tragen, dass der Anteil des Dauergrünlands nicht erheblich abnimmt. Hierzu werden die Landesregierungen unter anderem ermächtigt, durch Rechtsverordnung den Umbruch von Grünland zu verbieten oder zu beschränken, soweit sich der Anteil des Dauergrünlands um mehr als fünf Prozent verringert hat (§ 5 Abs. 3 Nr. 1 DirektZahlVerpflG).

9

Auf dieser Grundlage hat das Land Schleswig-Holstein die Landesverordnung zur Erhaltung von Dauergrünland (Dauergrünland-Erhaltungsverordnung - DGL-VO SH) vom 13. Mai 2008 erlassen (GVOBl Schl.-H. S. 233). Wird auf der Basis der Sammelanträge für die einheitliche Betriebsprämie festgestellt, dass sich der Anteil des Dauergrünlands um mehr als fünf Prozent verringert hat, wird dies von der zuständigen Behörde öffentlich bekannt gegeben (§ 1 Abs. 1 Satz 1 DGL-VO SH). Ist dies geschehen, so dürfen Dauergrünlandflächen nicht ohne Genehmigung umgebrochen werden. Die hierfür maßgeblichen Bestimmungen lauten:

10

§ 2 Abs. 1 Satz 1 DGL-VO SH

"Inhaberinnen und Inhaber von Betrieben, die Direktzahlungen beantragen, dürfen nach Veröffentlichung der in § Abs. 1 genannten Feststellung Dauergrünlandflächen im Sinne des Artikels 2 Nr. 2 der Verordnung (EG) 796/2004 vom 21. April 2004 (ABl. EU Nr. L 141 S. 18) für die Dauer des Bezugs von Direktzahlungen nicht umbrechen."

11

§ 2 Abs. 2 Satz 1 DGL-VO SH

"Abweichend von Absatz 1 kann die zuständige Behörde das Umbrechen von Dauergrünland genehmigen."

12

Das zuständige Ministerium des Landes Schleswig-Holstein hat im Amtsblatt für Schleswig-Holstein vom 23. Juni 2008 im Wege einer Allgemeinverfügung bekannt gemacht, dass sich der Anteil des Dauergrünlands um mehr als 5 % verringert habe, womit das Umbruchverbot gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 DGL-VO SH seit dem folgenden Tag Geltung beansprucht.

II.

13

Die Revision wirft eine Frage zur Auslegung des Unionsrechts auf, die die Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs erfordert. Der Ausgang des Verfahrens hängt von der Auslegung des unionsrechtlichen Begriffs "Dauergrünland" ab.

14

1. Die Vorlagefrage ist entscheidungserheblich.

15

a) Das Umbruchverbot der Dauergrünland-Erhaltungsverordnung des Landes Schleswig-Holstein ist wirksam. Zutreffend haben die Vorinstanzen angenommen, dass § 5 Abs. 3 Nr. 1 DirektZahlVerpflG das Land zum Erlass der Verordnung ermächtigt hat. Dessen Wortlaut erlaubt unter den genannten Voraussetzungen allgemein, den Umbruch von Grünland zu verbieten oder zu beschränken. Lediglich als eine Möglichkeit hierzu wird genannt, den Umbruch von einer Genehmigung im Rahmen einer Rechtsverordnung des Bundes zur Regelung von Grundsätzen der Voraussetzungen einer Umbruchsgenehmigung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 DirektZahlVerpflG abhängig zu machen. Damit schließt die Ermächtigung nicht aus, ohne zusätzliche bundesrechtliche Verordnung ein Verbot zu erlassen, von dem im Wege einer Genehmigung befreit werden kann.

16

b) Das Bundesverwaltungsgericht ist befugt und verpflichtet, den Begriff des Dauergrünlands nach der Dauergrünland-Erhaltungsverordnung auszulegen. Zwar ist der Begriff in einer landesrechtlichen Verordnung enthalten und wird nicht dadurch zu revisionsgerichtlich überprüfbarem Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO), dass die Verordnung ihrerseits zur Definition von Dauergrünland auf eine Bestimmung des Unionsrechts verweist (Beschluss vom 2. Juli 2009 - BVerwG 7 B 9.09 - Buchholz 310 § 137 Abs. 1 VwGO Nr. 36 = NVwZ 2009, 1037). Die Definition von Dauergrünland beansprucht jedoch nicht Geltung als autonom landesrechtliche Regelung; vielmehr handelt es sich im vorliegenden Regelungszusammenhang um einen Rechtsbegriff, der unionsrechtlich vorgegeben und daher revisibel ist (vgl. Urteile vom 6. September 1984 - BVerwG 3 C 16.84 - BVerwGE 70, 64 <65> und vom 25. August 1992 - BVerwG 1 C 38.90 - BVerwGE 90, 337 <341f.>). Das ergibt sich daraus, dass das Land lediglich eine verbindliche unionsrechtliche Vorgabe umsetzen wollte. Dazu war es nach §§ 3 und 5 Abs. 3 Nr. 1 DirektZahlVerpflG verpflichtet und ermächtigt, ohne dass ihm hinsichtlich des Gegenstandes des Umbruchverbots noch eigene Definitionsmacht eingeräumt ist. Diesen rechtlichen Rahmen bringt die im Einleitungssatz der Dauergrünland-Erhaltungsverordnung angegebene Rechtsgrundlage zum Ausdruck, die auf die Ermächtigung des Direktzahlungen-Verpflichtungengesetzes verweist.

17

2. Für die Entscheidung des Streitfalls kommt es darauf an, welche Veränderungen auf einer landwirtschaftlichen Fläche der Eigenschaft Dauergrünland entgegenstehen.

18

a) Das landesrechtliche Umbruchverbot gilt für Dauergrünlandflächen "im Sinne des Artikels 2 Nr. 2 der VO (EG) Nr. 796/2004". Die Nennung von Datum und Fundstelle ("21. April 2004" und "ABl. EU Nr. L 141 S. 18") zeigt, dass es sich um eine statische Verweisung handelt, so dass die ursprüngliche unionsrechtliche Begriffsbestimmung maßgeblich ist. Diese Begriffsbestimmung hat zwar im Unionsrecht nachfolgend Modifikationen erfahren. So wurden mit der Änderungsverordnung VO (EG) Nr. 239/2005 der Kommission vom 11. Februar 2005 (ABI Nr. L 42 S. 3) klarstellende Änderungen und Ergänzungen vorgenommen und insbesondere eine Definition von "Gras oder andere Grünfutterpflanzen" eingefügt. Diese Modifikationen haben die Definition in ihrem Kern jedoch nicht verändert, ebenso wenig wie die Verordnung (EG) Nr. 380/2009 der Kommission vom 8. Mai 2009 (ABI Nr. L 116 S. 9) und die seit 1. Januar 2010 geltende Bestimmung des Art. 2 Buchst. c VO (EG) Nr. 1120/2009 der Kommission vom 20. Oktober 2009 (ABI Nr. L 316 S. 1)

19

b) Nach der Definition in Art. 2 Nr. 2 der VO (EG) Nr. 796/2004 vom 21. April 2004 handelt es sich bei Dauergrünland um "Flächen, die durch Einsaat oder auf natürliche Weise (Selbstaussaat) zum Anbau von Gras oder anderen Grünfutterpflanzen genutzt werden und mindestens fünf Jahre lang nicht Bestandteil der Fruchtfolge des landwirtschaftlichen Betriebs sind."

20

aa) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts gebunden, ohne eigene Feststellungen treffen zu können (§ 137 Abs. 2 VwGO); hieraus folgt, dass es die weitere Entwicklung des Sachverhalts nach der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 12. Mai 2011 nicht berücksichtigen kann. Für den Schlag Hohenkamp hat der Kläger nach dessen Verpachtung ein Interesse an der Feststellung, dass es sich nicht um Dauergrünland handelt, weil er in diesem Fall die Fläche für einen höheren Pachtzins verpachten könnte. Daher ist zu prüfen, ob die Fläche am 12. Mai 2011 Dauergrünland war. Für den Schlag Herrbusch, der seit dem Jahr 2010 nicht mehr als Grünland, sondern zum Anbau von Silomais genutzt wird, bezieht der Senat das Feststellungsbegehren hingegen auf den Zeitpunkt dieses Nutzungswechsels, weil die zu diesem Zeitpunkt beendete Dauergrünlandeigenschaft Grundlage der mit dem genehmigten Umbruch verbundenen Verpflichtung ist, auf einer Ersatzfläche Dauergrünland anzulegen.

21

bb) Das Bestehen eines Umbruchverbots hängt auf beiden Flächen davon ab, ob sie im maßgeblichen Zeitpunkt zum Anbau von Gras oder anderen Grünfutterpflanzen genutzt wurden und (mindestens) seit fünf Jahren davor von der Fruchtfolge ausgenommen waren, also dem Anbau einer Grünfutterpflanze gedient haben. Diesen zeitlichen Zusammenhang legt nicht nur die tatbestandliche Verknüpfung der gegenwärtigen Nutzung als Grünland mit der entsprechenden Nutzung in der Vergangenheit nahe, was auch die klarstellende Änderung der Zeitform durch Art. 1 Nr. 1 Buchst. a VO (EG) Nr. 239/2005 verdeutlicht; er entspricht auch dem Ziel des Dauergrünland-Erhaltungsgebots, wie es in den Durchführungsverordnungen der Kommission konkretisiert wurde. Ziel ist danach, den Anteil von Grünland, das in einer bestimmten Nutzungskontinuität steht, unabhängig vom Bestand einzelner Dauergrünlandflächen innerhalb einer bestimmten Toleranz auf nationaler oder wahlweise regionaler Ebene zu sichern.

22

cc) In den Blick zu nehmen ist danach die Nutzung der beiden Flächen in dem Zeitraum von fünf Jahren vor 2011 und 2010, in dem beide Flächen ab 2005 zunächst zum Anbau von Kleegras gemeldet waren. Damit ist entscheidungserheblich, ob der auf beiden Flächen im Jahr 2009 vorgenommene Wechsel von Kleegras zu Ackergras einen Fruchtwechsel mit der Folge darstellt, dass die Flächen im Feststellungszeitpunkt kein Dauergrünland sind. Diese Frage ist im Beschlusstenor formuliert.

23

3. Der beschließende Senat kann Art. 2 Nr. 2 VO (EG) Nr. 796/2004 keinen Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass der Umbruch von Grünland für sich gesehen das Bestehen von Dauergrünland ausschließt.

24

a) Nach Art. 2 Nr. 2 der VO (EG) Nr. 796/2004 ist Dauergrünland nur dann zu verneinen, wenn die Fläche in die betriebliche Fruchtfolge einbezogen wurde. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Verpflichtung der Mitgliedstaaten, im Falle einer bedeutsamen Abnahme des Dauergrünlandanteils den Umbruch von Dauergrünland grundsätzlich zu verbieten und nur noch mit vorheriger Genehmigung zuzulassen (Art. 4 Abs. 1 VO Nr. 796/2004). Ein solches Verbot ist zwar geeignet, den Bestand an Dauergrünland zu sichern, weil eine Fruchtfolge in einem ersten Schritt in aller Regel den Umbruch der Fläche voraussetzt. Dies lässt aber nicht den Rückschluss zu, dass eine Fläche bereits mit dem Umbruch die Eigenschaft als Dauergrünland verliert. Diese Auslegung wird durch Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 VO (EG) Nr. 1122/2009 der Kommission vom 30. November 2009 (ABI Nr. L 316 S. 65) bestätigt, der vorgibt, dass Dauergrünland nicht ohne Genehmigung "umgewidmet" werden darf.

25

b) Auch die als Art. 2 Nr. 2 Buchst. a VO (EG) Nr. 796/2004 durch die Verordnung (EG) Nr. 239/2005 eingefügte Definition von "Gras oder andere(n) Grünfutterpflanzen" macht deutlich, dass der Umbruch als solcher die Eigenschaft von Dauergrünland nicht beendet. Zu den Pflanzen, deren Aussaat die Entstehung von Grünland zur Folge hat, gehören alle normalen Saatgutmischungen für Grünland, damit auch Ackergras, das herkömmlich regelmäßig umgebrochen wird. Zudem ist den Mitgliedstaaten erlaubt, Pflanzen gemäß Anhang IX der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 (ABI L Nr. 270 S. 1) einzubeziehen, die von Natur aus einjährig sind und daher nach Umbruch jeweils neu eingesät werden müssen. Das Verständnis, dass es nur auf den Bewuchs und nicht auf den Umbruch ankommt, korrespondiert mit dem Ziel der Europäischen Union, die Erhaltung von Dauergrünland wegen seiner positiven Umweltauswirkungen zu fördern, um einer massiven Umstellung auf Ackerland entgegenzuwirken (Erwägungsgrund 4 VO Nr. 1782/2003). Die Befürchtung einer (unerwünschten) Umstellung auf Ackerland erklärt sich daraus, dass nach der Abschaffung der Rinder- und Schafprämien die Erhaltung der für diese Prämien erforderlichen Futterflächen - wie beispielsweise Ackergrasflächen - nicht mehr gesichert schien.

26

4. Der beschließende Senat neigt dazu, in der Abfolge verschiedener Grünfutterpflanzen keine Fruchtfolge im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 zu sehen.

27

a) Diese Verordnung definiert ebenso wenig wie die nachfolgenden Verordnungen (EG) Nr. 1122/2009 und Nr. 1120/2009 den Begriff der Fruchtfolge, stellt ihm aber den Anbau von Gras oder anderen Grünfutterpflanzen gegenüber. Die Definition von Dauergrünland in Anhang 1 Nr. 1 VO (EG) Nr. 658/96 der Kommission vom 9. April 1996 (ABI Nr. L 91 S. 46) beschränkte sich auf grasbestandene Flächen, so dass mit dem Anbau einer anderen Kulturpflanze als Gras im überkommenen Sprachgebrauch eine Fruchtfolge verbunden war. Nachdem Art. 2 Nr. 2 VO (EG) Nr. 796/2004 Gras und andere Grünfutterpflanzen zusammenfasst, liegt es nahe, eine Fruchtfolge im Sinne der Dauergrünlanddefinition nur dann anzunehmen, wenn eine andere Kulturpflanze als eine Grünfutterpflanze angebaut wird.

28

Demgemäß spricht Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 VO (EG) Nr. 796/2004 im Zusammenhang mit der Verpflichtung zum Wiederanbau von Dauergrünland davon, dass Flächen, die für "andere Nutzungen" umgebrochen worden sind, als Dauergrünland einzusäen sind. Die Formulierung "andere Nutzungen" steht wiederum im Zusammenhang mit der Definition von Dauergrünland, die von der Nutzung zum Anbau von "Gras oder andere(n) Grünfutterpflanzen" spricht. Es kommt dem Verordnungsgeber folglich nicht darauf an, welche Grünfutterpflanze angebaut wird. Entsprechend ist nicht angeordnet, dass dieselbe Grünfutterpflanze einzusäen ist, die zuvor angebaut wurde. Ist aber - wie ausgeführt - ein Umbruch der Fläche für das Bestehen von Dauergrünland unerheblich, ist kein überzeugender Grund dafür ersichtlich, dass es der Eigenschaft als Dauergrünland entgegenstehen sollte, wenn nach einem Umbruch eine andere Grünfutterpflanze oder ein anderes Grünfutterpflanzengemisch eingesät wird.

29

b) Gleichwohl ist die zutreffende Auslegung des Unionsrechts nicht so offenkundig, dass für vernünftige Zweifel im Sinne der Acte-clair-Doktrin kein Raum bleibt. Es ist nicht zu übersehen, dass der Begriff der Fruchtfolge herkömmlich daran anknüpft, dass ein Wechsel der Kulturpflanze erfolgt. Kleegras ist ein Gemenge aus Gras- und Kleesorten, wobei Klee in der traditionellen Fruchtfolge wegen der mit seinem Anbau verbundenen Anreicherung des Bodens mit Stickstoff Bedeutung hat. In diesem Sinne definiert Anhang II VO (EG) Nr. 1200/2009 der Kommission vom 30 November 2009 (ABI Nr. L 329 S. 1) unter II. 2.01 für die Betriebsstrukturerhebung "Fruchtfolge" als "zeitliche Abfolge des Anbaus unterschiedlicher Kulturpflanzen, bei der auf einem gegebenen Feld einjährige Kulturen in einer geplanten Struktur oder Abfolge im Wechsel angebaut werden, so dass auf demselben Feld niemals ohne Unterbrechung Kulturpflanzen derselben Art angebaut werden" (ähnlich bereits Anhang I VO Nr. 1444/2002 der Kommission vom 24. Juli 2002 unter D. II.). Darüber hinaus differenziert Anhang II VO (EG) Nr. 1200/2009 unter II. 2.01.09.01 bei der Definition von Ackerwiesen und -weiden, indem auf Futtergräser abgestellt wird, die in einer "normalen" Fruchtfolge stehen. Schließlich vertritt nicht nur der Kläger die Auffassung, dass beim Wechsel von Kleegras zu Ackergras eine Fruchtfolge vorliege. Auch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz geht nach der Stellungnahme des Vertreters des Bundesinteresses hiervon aus und selbst der Beklagte teilt diesen Ansatz.

Gründe

1

Die Beteiligten streiten über eine Ausgleichszulage zur Förderung von landwirtschaftlichen Unternehmen in benachteiligten Gebieten für das Jahr 2004, deren Bewilligung der Beklagte als Sanktion absichtlicher Falschangaben abgelehnt hat.

2

Unionsrechtlicher Rahmen der Ausgleichszulage ist die zweite Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik der Europäischen Union, hier die Verordnung (EG) Nr. 1257/1999 des Rates vom 17. Mai 1999 über die Förderung der Entwicklung des ländlichen Raums (ABl. L 160 S. 80) in ihrer für das Jahr 2004 geltenden Fassung. Nach ihr kann Landwirten in benachteiligten Gebieten eine Ausgleichszulage gewährt werden (Art. 13 - 20 VO Nr. 1257/1999). Das Land Brandenburg hat die Vorgaben dieser Verordnung in seinem "Entwicklungsplan für den ländlichen Raum im Land Brandenburg, Förderperiode 2000 - 2006" (Art. 40 ff. VO Nr. 1257/1999) umgesetzt und ausgestaltet. Zu den danach vorgesehenen Maßnahmen gehört die Ausgleichszulage in benachteiligten Gebieten, die allein aus nationalen Mitteln finanziert werden soll. In der Richtlinie des Ministeriums für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung zur Förderung von landwirtschaftlichen Unternehmen in benachteiligten Gebieten, für das Förderjahr 2004 in der Fassung vom 4. Mai 2004, werden der Gegenstand der Förderung und die Voraussetzungen der Ausgleichszahlung näher bestimmt.

3

Der gegen die Versagung gerichteten Verpflichtungsklage hat das Verwaltungsgericht teilweise stattgegeben. Das Berufungsgericht hat das Urteil geändert und die Klage in vollem Umfang abgewiesen. Der Kläger sei von der Ausgleichszulage 2004 ausgeschlossen, weil er den Schlag ... im Förderantrag 2003 als Grünland angemeldet und damit absichtlich falsche Angaben gemacht habe. Der Ausschluss ergebe sich auch aus ebenfalls absichtlich falschen Angaben dieses Antrags zur Grünlandnutzung des Flurstücks ... Des Weiteren enthalte der Förderantrag 2004 zu diesem Grundstück selbst absichtliche Falschangaben, was wiederum selbstständig rechtfertige, dem Kläger die Ausgleichszulage zu versagen.

4

Die Beschwerde hat keinen Erfolg. Soweit die geltend gemachten Revisionsgründe hinreichend dargelegt sind (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO), liegen eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache und eine nachträgliche Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 und 2 VwGO) ebenso wenig vor wie die geltend gemachten Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO).

5

1. Grundsätzliche Bedeutung kommt einer Rechtssache nur zu, wenn sie eine für die Revisionsentscheidung erhebliche Frage des revisiblen Rechts (§ 137 Abs. 1 VwGO) aufwirft.

6

a) Der Kläger meint, in einem Revisionsverfahren stelle sich entscheidungserheblich die Frage der Auslegung der Begriffe Dauergrünland nach Art. 2 Nr. 2 VO (EG) Nr. 796/2004 (ABl. L 141 S. 18) und Grünland nach der Richtlinie des Ministeriums für Landwirtschaft, Umweltschutz und Raumordnung des Landes Brandenburg zur Förderung umweltgerechter landwirtschaftlicher Produktionsverfahren und zur Erhaltung der Brandenburger Kulturlandschaft (KULAP 2000). Zu klären sei, welche Pflanzen den Begriff Grünland beziehungsweise Dauergrünland rechtfertigten, insbesondere ob Grünland aus "Ampfer, Beifuß, Klettenlabkraut, Quecken oder Storchenschnabel etc." bestehen könne.

7

Eine entscheidungserhebliche Frage des revisiblen Rechts ist damit nicht aufgeworfen.

8

Das Vorbringen geht zunächst darüber hinweg, dass Art. 2 Nr. 2a VO (EG) Nr. 796/2004 in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 239/2005 (ABl. L 42 S. 3) die für die Begriffsdefinition von Dauergrünland konstitutive Nutzung einer Fläche zum Anbau von Gras oder anderen Grünfutterpflanzen dahingehend klarstellt, dass alle Grünpflanzen umfasst sind, die herkömmlich in natürlichem Grünland anzutreffen oder normalerweise Teil von Saatgutmischungen sind. Vor allem aber verkennt die Beschwerde, dass das Berufungsgericht die Begriffsdefinition von Dauergrünland nach der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 lediglich zur Bestimmung des Begriffs Grünland nach der für die streitige Förderung maßgeblichen Landesrichtlinie heranzieht, die ihrerseits als Verwaltungsvorschrift keinen Rechtsnormcharakter hat und auch nicht dem revisiblen Recht zuzurechnen wäre (§ 137 Abs. 1 VwGO). Eine andere Betrachtung käme nur dann in Betracht, wenn der Begriff des Grünlands nach der Landesrichtlinie bundesrechtlich vorgegeben wäre. Die Verordnung (EG) Nr. 1257/1999, die den unionsrechtlichen Rahmen der Förderung regelt, enthält hierzu keine Bestimmungen. Die Definitionen der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 gelten nur im Rahmen des Anwendungsbereichs dieser Verordnung (Art. 1 und 2 VO Nr. 796/2004), der sich auf Titel II der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 vom 29. September 2003 (ABl. L 270 S. 1) bezieht. Dieser Titel betrifft Direktzahlungen, die im Rahmen der gemeinsamen Marktorganisation gewährt werden (Einkommensstützungsregelungen der ersten Säule der Gemeinsamen Agrarpolitik) und von den Maßnahmen zur Entwicklung des ländlichen Raums zu unterscheiden sind.

9

Dementsprechend betrifft auch die Frage der Auslegung der KULAP 2000- Richtlinie kein revisibles Recht, abgesehen davon, dass sie der Ausgleichszulage nicht zugrunde liegt und in ihrer Anlage 1 selbst eine Definition von Dauergrünland enthält.

10

b) Eine rechtsgrundsätzlich bedeutsame Frage sieht der Kläger des Weiteren darin, dass das Berufungsgericht der Entscheidung bei seinen Ausführungen zum Günstigkeitsprinzip des Art. 2 Abs. 2 Satz 2 der Verordnung (EG, EURATOM) Nr. 2988/95 des Rates über den Schutz der finanziellen Interessen der Europäischen Gemeinschaften (ABl. L 312 S. 1) eine andere, strengere Sanktionsnorm zugrunde gelegt habe als in dem fast identischen Fall des Verfahrens OVG 3 B 10.12. Von entscheidender Bedeutung sei, "ob das Verhalten des Klägers als Übererklärung oder als Verstoß gegen Förderkriterien gilt".

11

Dem ist eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht zu entnehmen. Die dazu gebotene Darlegung (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) erfordert die Formulierung einer bestimmten, jedoch fallübergreifenden Rechtsfrage des revisiblen Rechts, deren noch ausstehende höchstrichterliche Klärung im Revisionsverfahren zu erwarten ist und zur Erhaltung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder zu einer bedeutsamen Weiterentwicklung des Rechts geboten erscheint (stRspr, Beschlüsse vom 2. Oktober 1961 - 8 B 78.61 - BVerwGE 13, 90, vom 7. Juni 1996 - 1 B 127.95 - Buchholz 430.4 Versorgungsrecht Nr. 32 und vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26). Dabei muss sich die Beschwerde mit den Erwägungen des angefochtenen Urteils, auf die sich die aufgeworfene Frage bezieht, substanziiert auseinandersetzen (stRspr, vgl. u.a. BVerwG, Beschlüsse vom 22. August 2013 - 5 B 33.13 - juris Rn. 2 und vom 4. April 2012 - 5 B 58.11 - juris Rn. 2).

12

Mit dem Vorbringen wird zum einen eine fallübergreifende Rechtsfrage nicht herausgearbeitet. Vielmehr beschränkt es sich auf die Gegenüberstellung eines geltend gemacht vergleichbaren Sachverhalts und einer unterschiedlichen Würdigung eines Verhaltens des Klägers.

13

Zum anderen setzt sich die Beschwerde mit den diesbezüglichen Ausführungen des Urteils nicht auseinander. Das Berufungsgericht hat in seinem Urteil vom 20. November 2012 (OVG 3 B 10.12, UA S. 19) festgestellt, das Günstigkeitsprinzip komme jedenfalls deshalb nicht zur Anwendung, weil die Bestimmung des Art. 16 Abs. 5 VO (EG) Nr. 1975/2006 (ABl. L 368 S. 74), auf die sich der Kläger berufe, ebenso wenig wie Art. 16 Abs. 6 VO (EU) Nr. 65/2011 (ABl. L 25 S. 8) eine - im damaligen Kontext relevante - mildere Sanktion vorsehe. In dem diesem Beschwerdeverfahren zugrunde liegenden Urteil hat sich das Berufungsgericht hingegen näher mit dem Anwendungsbereich von Art. 16 VO (EG) Nr. 1975/2006 auseinander gesetzt und seine Anwendbarkeit verneint, weil er "allein" unrichtige Flächenangaben betreffe (UA S. 31). Das Berufungsgericht verkennt damit zwar, dass es um die Differenz zwischen gemeldeter und beihilfefähiger Fläche geht, wie sich aus dem dortigen Verweis auf Art. 50 Abs. 3 VO (EG) Nr. 796/2004 in Verbindung mit deren Art. 2 Nr. 22 ergibt. Im Falle einer Beihilfe, die wie hier flächenbezogen gewährt wird, kommt es darauf an, ob die Fläche allen in den Vorschriften über die Beihilfegewährung festgelegten Voraussetzungen genügt. Art. 18 VO (EG) Nr. 1975/2006 ist nur dort einschlägig, wo es um "Verpflichtungen, ausgenommenen Verpflichtungen in Zusammenhang mit der angegebenen Fläche" geht. Die Beschwerde geht hierauf jedoch nicht ein und setzt sich auch mit den Ausführungen des Urteils nicht auseinander.

14

c) Der Kläger macht mit der Grundsatzrüge schließlich geltend, das Berufungsgericht erschwere faktisch in unzulässiger Weise den Rechtsweg. Denn wolle er einer Sanktion wegen absichtlicher Falschangaben entgehen, so müsse er vorauseilend die Rechtsauffassung des Berufungsgerichts teilen.

15

Hinter diesem Vorwurf steht die tatsächliche Behauptung, er sei der Überzeugung gewesen, bei den streitigen Flächen handele es sich um das gebotene Grünland. Wäre dies zugrunde zu legen, so hätte sich der Kläger mit Blick auf die Anforderungen des Berufungsgerichts in einem Irrtum befunden, den das Berufungsgericht nicht als vorsatzausschließend berücksichtigt hätte.

16

Damit wird die Beschwerde jedoch den tragenden Gründen des Berufungsurteils nicht gerecht. Es geht in tatsächlicher Hinsicht jeweils davon aus, der Kläger habe absichtlich falsche Angaben gemacht (UA S. 17, 24, 26, 29), und stellt hinsichtlich des Schlags ... zudem fest, der Kläger habe gewusst, dass ihm die Ausgleichszulage nicht zugestanden habe (UA S. 17). Entsprechend findet sich auch kein Hinweis darauf, das Berufungsgericht habe Vorsatz trotz eines Irrtums des Klägers angenommen.

17

Mit den hierauf aufbauend formulierten Rechtsfragen wird schließlich eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache nicht dargelegt. Die Frage,

"ob im Falle eines vorsätzlichen Verstoßes (im Sinne des direkten Vorsatzes nach deutschem Recht) gegen Subventionsregelungen der Begriff der Absicht nicht erfüllt ist",

hat das Berufungsgericht in seinem Urteil dahin beantwortet, dass Absicht im Sinne der Sanktionsnorm bei direktem Vorsatz gegeben sei (UA S. 16). Mit der hierzu gegebenen näheren Begründung setzt sich die Beschwerde nicht auseinander und zeigt damit einen fallübergreifenden Klärungsbedarf nicht auf.

18

Nichts anderes gilt hinsichtlich der Frage,

"ob zwingend in Bezug auf den 100-prozentigen Ausschluss von Subventionen eine Verhältnismäßigkeitsprüfung durchzuführen ist".

19

Damit geht die Beschwerde darüber hinweg, dass das Berufungsgericht den Ausschluss für verhältnismäßig gehalten hat (UA S. 33), weshalb die Frage bereits nicht entscheidungserheblich war. Im Übrigen setzt sich die Beschwerde auch nicht mit dem in das Verfahren eingeführten Urteil des Berufungsgerichts vom 20. November 2012 - OVG 3 B 10.12 - auseinander, in dem es auf die Frage allgemein näher eingegangen ist (UA S. 20).

20

2. Auch eine Zulassung der Revision wegen Divergenz (§ 132 Abs. 2 Nr. 2 VwGO) kommt nicht in Betracht. Die erst nach Ablauf der Beschwerdebegründungsfrist geltend gemachte Abweichung des Berufungsurteils von dem Urteil des Senats vom 1. Oktober 2014 - 3 C 31.13 - könnte nur dann zur Zulassung der Revision führen, wenn der Kläger fristgerecht die Klärung einer Grundsatzfrage angestrebt hätte, die durch das Urteil nach Fristablauf abweichend von dem angefochtenen Urteil geklärt worden wäre (BVerwG, Beschluss vom 8. Juni 2007 - 8 B 101.06 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 2 VwGO Nr. 15 m.w.N.). Das ist jedoch nicht der Fall. Die innerhalb der Beschwerdebegründungsfrist geltend gemachte grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache betrifft andere Rechtsfragen als die, die der Senat in der genannten Entscheidung beantwortet hat. Der Sache nach macht der Kläger eine nach Abschluss des Berufungsverfahrens eingetretene Rechtsänderung geltend, die dem Urteil des Senats vom 1. Oktober 2014 zugrunde liegt. Eine Gesetzesänderung, aufgrund der sich ein mit der Nichtzulassungsbeschwerde angefochtenes Urteil in einem Revisionsverfahren möglicherweise als fehlerhaft erweisen könnte, ist aber kein Zulassungsgrund im Sinne von § 132 Abs. 2 VwGO (BVerwG, Beschluss vom 15. Oktober 1968 - 3 B 73.68 - BVerwGE 30, 266 <267>).

21

3. Der Revisionsgrund eines Verfahrensmangels, auf dem die Entscheidung beruhen kann (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO), ist teils bereits nicht in der erforderlichen Weise bezeichnet (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) und liegt im Übrigen nicht vor.

22

a) Der Kläger macht geltend, das Urteil beruhe nicht mehr auf der mündlichen Verhandlung, da zwischen Verkündung und Übermittlung an die Geschäftsstelle circa fünf Monate gelegen hätten. Auch wenn das Urteil im Anschluss an die mündliche Verhandlung verkündet worden sei, müsse es so zeitnah schriftlich abgefasst werden, dass die mündliche Verhandlung mit ihrer Beweisaufnahme noch in guter Erinnerung sei. Die gebotene Einzelfallbetrachtung führe dazu, dass höchstens zwei bis drei Monate hätten verstreichen dürfen.

23

Entgegen der Auffassung des Klägers liegt der Verfahrensmangel nicht vor, weil ihm das im Termin der mündlichen Verhandlung vom 16. Dezember 2013 verkündete Urteil am 9. Mai 2014 zugestellt worden ist und besondere Umstände, die vor Ablauf von fünf Monaten die Annahme rechtfertigen würden, dass der gebotene Zusammenhang zwischen der Urteilsfindung und seiner Dokumentation in den Urteilsgründen nicht mehr gegeben ist, nicht ersichtlich sind.

24

Gemäß § 116 Abs. 1 Satz 2 VwGO wird das Urteil durch Verlesen der Urteilsformel (§ 311 Abs. 2 Satz 1 ZPO) in der Regel in dem Termin verkündet, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen wird. Das stellt sicher, dass die Entscheidung wirklich "auf Grund" der mündlichen Verhandlung (§ 101 Abs. 1 VwGO) getroffen wird, der Entscheidungsinhalt also dem Gesamtergebnis des Verfahrens einschließlich der in der mündlichen Verhandlung gewonnenen Überzeugung der beteiligten Richter entspricht (BVerwG, Beschluss vom 6. Mai 1998 - 7 B 437.97 - BVerwGE 106, 366). Demgegenüber dient die Verpflichtung, in dem schriftlichen Urteil die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind (§ 108 Abs. 1 Satz 2 VwGO), zum einen dazu, die Beteiligten über die der Entscheidung zugrunde liegenden tatsächlichen und rechtlichen Erwägungen zu unterrichten, und zum anderen dazu, dem Rechtsmittelgericht die Nachprüfung der Entscheidung zu ermöglichen (BVerwG, Beschluss vom 5. Juni 1998 - 9 B 412.98 - Buchholz 310 § 138 Ziff. 6 VwGO Nr. 32). Um zu gewährleisten, dass die im Urteil mitgeteilten Gründe mit jenen übereinstimmen, die für die Entscheidung maßgeblich waren, verpflichtet § 117 Abs. 4 VwGO dazu, das Urteil innerhalb von zwei Wochen vollständig abgefasst der Geschäftsstelle zu übermitteln. Er erlaubt jedoch, ausnahmsweise Tatbestand, Entscheidungsgründe und Rechtsmittelbelehrung alsbald nachträglich niederzulegen. Äußerste zeitliche Grenze hierfür ist in Anlehnung an §§ 517, 548 ZPO der Ablauf von fünf Monaten (Gemeinsamer Senat der Obersten Bundesgerichte, Beschluss vom 27. April 1993 - GmS-OGB 1/92 - BVerwGE 92, 367). Jenseits dieser Fünf-Monats-Frist erfüllt ein Urteil nicht mehr seine Beurkundungsfunktion und gilt als nicht mit Gründen versehen (§ 138 Nr. 6 VwGO). Der gesetzlich geforderte Zusammenhang zwischen Urteilsfindung und Niederlegung der Urteilsgründe ist allerdings auch vor Ablauf von fünf Monaten nicht mehr gewahrt, wenn die mit dem Zeitablauf begründeten Zweifel sich durch besondere Umstände zu der Annahme verdichten, dass die gebotene Übereinstimmung zwischen den für die Urteilsfindung tatsächlich leitenden und den schriftlich niedergelegten Urteilsgründen nicht mehr gewährleistet ist (BVerwG, Urteil vom 30. Mai 2012 - 9 C 5.11 - Buchholz 406.11 § 246a BauGB Nr. 1 Rn. 24 m.w.N.). Solche besonderen Umstände sind hier nicht dargelegt und auch sonst nicht ersichtlich. Die Beschwerde macht hierzu lediglich geltend, dass sich die Entscheidung wesentlich auf Zeugenaussagen stütze und einen komplexen Streitgegenstand betreffe. Konkrete Anhaltspunkte dafür, dass das Urteil die der Entscheidung zugrunde liegenden, die richterliche Überzeugung leitenden Gründe nicht mehr zutreffend wiedergeben würde, ergeben sich daraus noch nicht.

25

b) Der Beschwerde kann auch nicht gefolgt werden, soweit sie eine Verletzung des Überzeugungsgrundsatzes (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) geltend macht. Dabei ist zu beachten, dass eine fehlerhafte Sachverhalts- und Beweiswürdigung grundsätzlich nicht dem Verfahrensrecht, sondern dem sachlichen Recht zuzurechnen ist. Die verfahrensmäßige Verpflichtung des Gerichts, nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung zu entscheiden, ist aber ausnahmsweise dann verletzt, wenn das Urteil auf einer aktenwidrigen, gegen die Denkgesetze verstoßenden oder sonst von objektiver Willkür geprägten Sachverhaltswürdigung beruht (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 13. Februar 2012 - 9 B 77.11 - Buchholz 310 § 108 Abs. 1 VwGO Nr. 73, vom 29. Juni 2011 - 6 B 7.11 - Buchholz 421.0 Prüfungswesen Nr. 410 und vom 8. April 2008 - 9 B 13.08 - Buchholz 451.29 Schornsteinfeger Nr. 44 sowie Urteil vom 19. Januar 1990 - 4 C 28.89 - BVerwGE 84, 271 <272 f.>).

26

aa) Der Kläger hält dem Berufungsgericht vor, es sei ohne Begründung davon ausgegangen, dass ein Befahren und Bearbeiten des Flurstücks ... mit Baufahrzeugen einen größeren Eingriff darstelle als ein Umbruch mit landwirtschaftlichen Fahrzeugen. Dieser Schluss könne denklogisch nicht gezogen werden, da landwirtschaftliche Fahrzeuge und Baufahrzeuge hinsichtlich Schwere, Größe und Fahrwerk identisch seien. Damit übersieht er, dass das Berufungsgericht nicht auf die Baufahrzeuge, sondern darauf abgestellt hat, dass mit diesen eine Bearbeitung, die vollständige Planierung der Fläche erfolgt sei, was über einen Umbruch bei Weitem hinausgehe (UA S. 30). Inwieweit die damit verbundene Wertung überzeugt, ist unerheblich. Dass die Fläche bearbeitet, in den Worten des Klägers eingeebnet wurde und Mulden aufgefüllt wurden, und sich diese Bearbeitung von einem Umbruch unterscheidet, liegt aber auf der Hand, so dass ein Verstoß gegen die Denkgesetze nicht ersichtlich ist.

27

bb) Des Weiteren sieht die Beschwerde einen Verstoß gegen die Denkgesetze und objektive Willkür in der - angeblichen - Feststellung des Berufungsgerichts, der Kläger sei sich bewusst gewesen, dass wegen der extremen Wetterbedingungen eine Selbstbegrünung des Schlags ... nicht möglich sein würde, obwohl die Selbstbegrünung bereits seit 2002 vorhanden gewesen sei.

28

Abgesehen davon, dass sich die Aussage des Berufungsgerichts auf die Chancen der Entstehung von Grünland durch Neuansaat bezieht (UA S. 25), übergeht der Kläger die Annahme des Berufungsgerichts, er habe zumindest seit März 2003 gewusst, dass die Fläche bis zu diesem Zeitpunkt gerade kein Grünland gewesen sei (UA S. 24).

29

Soweit der Kläger hieran anschließend geltend macht, er habe bei Antragstellung am 14. Mai 2003 nicht wissen können, dass im Sommer eine Dürreperiode eintreten werde, trifft dies sicherlich zu. Darauf stellt das Berufungsgericht so aber auch nicht ab. Zur Begründung seiner Feststellung, der Kläger habe in seinem Förderantrag absichtlich falsche Angaben gemacht, stützt es sich darauf, er habe im März 2003 gewusst, dass der Schlag bis dahin und damit über einen Zeitraum von mehreren Monaten hinweg kein Grünland gewesen sei und dass dahinstehen könne, ob unter normalen Witterungsbedingungen bei einer Neuansaat mit der Entstehung von Grünland bis Mitte Mai - dem Zeitpunkt der Beantragung - habe gerechnet werden können, weil dem Kläger bewusst gewesen sei, dass dies wegen der extremen Wetterbedingungen des Frühjahrs und Sommers nicht der Fall sein werde, wobei er die Frühjahrsdürre bei Antragstellung durchaus vor Augen hatte. Es hat darüber hinaus die Einlassung, er habe bei der Antragstellung darauf vertraut, die Fläche werde sich selbst begrünen oder der Zeuge B. werde das Grünland wiederherstellen, als Schutzbehauptung gewertet, weil er im Widerspruchsverfahren zeitnah geäußert habe, dass eine Einsaat sinnlos gewesen wäre und Selbstbegrünung "noch die besten Ergebnisse" versprochen habe (UA S. 24 ff.).

30

cc) Auch die gegen die Würdigung der Aussage des Zeugen B. gerichtete Rüge greift nicht durch. Der Kläger meint, das Gericht habe die Aussage von vornherein nicht glauben wollen, es habe aus unsachlichen Gründen an der Glaubwürdigkeit des Zeugen gezweifelt und fernliegende Schlüsse gezogen. Er führt dazu die Feststellung des Berufungsgerichts an, der Zeuge habe von Beginn schon deshalb wenig glaubwürdig gewirkt, weil er behauptet habe, nicht genau zu wissen, worum es gehe, während der Zeuge K., mit dem er gemeinsam angereist sei, das Gegenteil angegeben habe.

31

Es mag dahinstehen, ob die Behauptung des Zeugen, nicht genau zu wissen, worum es gehe, für sich gesehen die Folgerung einer geringen Glaubwürdigkeit trägt, weil das Gericht annehmen durfte, es sei lebensfremd davon auszugehen, die Zeugen hätten sich unterwegs nicht über den Gerichtstermin unterhalten. Abgesehen davon, dass das Gericht zusätzlich auf die Angabe des Beweisthemas im Ladungsschreiben hinweist, stützt es sich aber auch detailliert auf das weitere Aussageverhalten. Zu diesem stellt es fest, der Zeuge habe nach kurzem Hinweis ohne beachtliches Zögern recht detaillierte Angaben gemacht, auch zu ungefragten, aber im Verwaltungsverfahren strittigen Einzelheiten. Zu anderen relevanten Einzelheiten habe er zunächst gemeint, sich nicht erinnern zu können, sich auf Vorhalt seiner früheren schriftlichen Erklärung dann aber doch plötzlich erinnern können. Das Berufungsgericht führt dies am Ende in der Würdigung zusammen, all dies habe nicht überzeugend gewirkt (UA S. 20 f.).

32

Vor diesem Hintergrund lassen sich zulassungsrelevante Mängel der Beweiswürdigung, insbesondere eine von objektiver Willkür geprägte Argumentation nicht erkennen. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus dem Vorbringen, das Berufungsgericht habe von vornherein dem Zeugen nicht glauben wollen und damit willkürlich gehandelt. Hierfür gibt es keinen Hinweis. Das gilt auch, soweit der Kläger sich hierfür auf die Würdigung des Berufungsgerichts stützt, eine Teilaussage habe wie eine bewusste und von vornherein geplante Unterstützung des Klagevorbringens geklungen. Das Berufungsgericht hat diesen Eindruck näher erläutert, ohne dass hierin Willkür erkennbar wäre (UA S. 21).

33

c) Der Kläger macht ferner geltend, das Berufungsgericht habe die Pflicht verletzt, den Sachverhalt von Amts wegen aufzuklären (§ 86 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

34

Der Untersuchungsgrundsatz gebietet dem Tatsachengericht, von sich aus den maßgeblichen Sachverhalt zu ermitteln und die hierzu erforderliche Sachverhaltsaufklärung zu betreiben. Wird - wie hier - in der mündlichen Verhandlung kein Beweisantrag gestellt, so ist der Untersuchungsgrundsatz nur verletzt, wenn sich auf der Grundlage der materiell-rechtlichen Sicht des Tatsachengerichts eine weitere Aufklärung aufdrängen musste (BVerwG, Beschlüsse vom 10. Dezember 2003 - 8 B 154.03 - NVwZ 2004, 627 und vom 23. Januar 2001 - 6 B 35.00 - juris Rn. 25). Stützt sich das Gericht auf eigene Sachkunde, verletzt es seine Aufklärungspflicht nur dann, wenn es eine ihm unmöglich zur Verfügung stehende Sachkunde in Anspruch nimmt oder sich in einer Frage für sachkundig hält, in der seine Sachkunde ernstlich zweifelhaft ist, ohne darzulegen, dass ihm das erforderliche Wissen in genügendem Maße zur Verfügung steht, oder wenn die Entscheidungsgründe sonst auf eine mangelnde Sachkunde schließen lassen (BVerwG, Beschlüsse vom 22. Juli 2014 - 6 B 50.13 - Buchholz 442.066 § 55 TKG Nr. 10 Rn. 40 und vom 9. Oktober 2014 - 2 B 60.14 - NVwZ-RR 2015, 50 Rn. 47).

35

Darüber hinaus ist zu beachten, dass ein Verfahrensfehler im Falle einer mehrfachen, die Entscheidung jeweils selbstständig tragenden Begründung die Zulassung der Revision nur rechtfertigt, wenn er jede Begründung erfasst oder in Bezug auf jede der selbstständig tragenden Begründungen ein Zulassungsgrund gegeben ist (vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 9. Dezember 1994 - 11 PKH 28.94 - Buchholz 310 § 132 Abs. 2 Ziff. 1 VwGO Nr. 4 und vom 19. August 1997 - 7 B 261.97 - Buchholz 310 § 133 VwGO Nr. 26).

36

aa) Der Kläger rügt, das Berufungsgericht habe es versäumt, das Flurstück ... von einem Sachverständigen vermessen zu lassen und zusätzlich einen Mitarbeiter einer Baufirma zu vernehmen. Damit geht er darüber hinweg, dass das Berufungsgericht seine Entscheidung selbstständig tragend darauf gestützt hat, dass das Flurstück von Ende Januar bis Anfang Februar 2004 vollständig bearbeitet und planiert und es damit nicht als Grünland genutzt worden sei (UA S. 30). Weshalb sich dem Berufungsgericht in diesem Zusammenhang eine weitere Sachverhaltsaufklärung zu den Flächenverhältnissen des Flurstücks und der zuvor vorhandenen Baustelleneinrichtung hätte aufdrängen sollen, ist nicht dargetan (§ 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO) und auch nicht ersichtlich.

37

In Bezug auf die weitere, die gleiche Fläche, aber das Jahr 2003 betreffende, selbstständig tragende Begründung absichtlich falscher Angaben hat das Berufungsgericht festgestellt, dass die Grünlandnutzung allenfalls eine kleinere Fläche betroffen habe als angegeben. Es stützt sich dabei auf die Aussage des Zeugen K. und verschiedene Angaben des Klägers (UA S. 27 f.). Damit setzt sich die Beschwerde nicht näher auseinander. Vor allem zeigt sie nicht auf, welche entscheidungserheblichen Feststellungen durch eine Vermessung unter den zwischenzeitlichen Verhältnissen zu der damaligen Baustellennutzung und dem damaligen Unland oder Wald hätten getroffen werden können und weshalb sich diese dem Berufungsgericht daher hätte aufdrängen müssen. Ebenso wenig zeigt die Beschwerde dies hinsichtlich der gerügten Säumnis auf, einen Mitarbeiter der Baufirma zu vernehmen. Dies gilt umso mehr, als die Angaben des Bauleiters, die Baustelle habe maximal 0,3 ha Fläche in Anspruch genommen, wovon 0,125 ha Unland gewesen seien, die Feststellung des Berufungsgerichts, die Grünlandnutzung habe eine kleinere als die beantragte Fläche betroffen, so nicht in Frage stellen. Zudem setzt sich die Beschwerde nicht damit auseinander, dass das Berufungsgericht auch unabhängig von den Verhältnissen einzelner Teilflächen des Flurstücks festgestellt hat, dass es sich mangels Pflege auch sonst nicht um eine förderfähige Grünlandnutzung gehandelt habe (UA S. 29).

38

bb) Der Kläger meint ferner, das Gericht habe versäumt, ein Sachverständigengutachten zum Vorliegen von Grünland einzuholen, und habe statt dessen Fotos und Sachvortrag der Beteiligten gewürdigt, obwohl es nicht über die Sachkunde verfügt habe zu erkennen, welche Pflanzen auf den Flächen wuchsen und auch nicht habe beurteilen können, welche Zeiträume für die Entstehung von Grünland erforderlich seien.

39

Hinsichtlich der selbstständig die Entscheidung tragenden Begründung, das Flurstück ... sei von Ende Januar bis Anfang Februar 2004 vollständig bearbeitet und planiert worden, ist auch damit ein Aufklärungsmangel nicht dargetan. Die Beschwerde - soweit sie sich überhaupt hierauf bezieht - zeigt diesbezüglich nicht auf, weshalb sich die Einholung eines Sachverständigengutachtens aufgedrängt hätte und dem Berufungsgericht die Sachkunde zur tatsächlichen Würdigung des Zustandes dieser Fläche gefehlt haben könnte.

40

Bezüglich absichtlicher Falschangaben zum Flurstück ... im Jahr 2003 stützt sich das Berufungsgericht selbstständig auch darauf, dass es sich mangels Pflege auch sonst nicht um eine förderfähige Grünlandnutzung gehandelt habe (UA S. 29). Es beruft sich dabei unter anderem auf eine Fotodokumentation, nach der die Fläche zum Teil einen Bewuchs beziehungsweise eine Verbuschung aufgewiesen habe, die gegen eine Grünlandnutzung spreche und nicht nachvollziehbar erscheinen lasse, dass die Fläche regelmäßig gemäht beziehungsweise gemulcht worden sei; anlässlich einer Vor-Ort-Kontrolle am 17. März 2003 sei mannhoher alter Bewuchs festgestellt worden (UA S. 29). Damit setzt sich die Beschwerde nicht näher auseinander und zeigt auch insoweit nicht auf, dass das Gericht, ausgehend von seinem rechtlichen Ausgangspunkt, die Grenzen eigener Sachkunde überschritten hat.

41

Was im Übrigen den Schlag ... angeht, kann dahinstehen, ob das Berufungsgericht die nötige Sachkunde hatte, auf der Grundlage von Fotos und des Sachvortrags festzustellen, dass es sich im Jahr 2003 nicht (durchgängig) um Grünland gehandelt habe. Selbst wenn es nicht die notwendige Sachkunde gehabt haben sollte, den festgestellten krautigen Bewuchs von Grünfutterpflanzen zu unterscheiden und zu erkennen, dass auf der zuvor gemulchten Fläche Gräser jedenfalls nicht in nennenswertem Umfang vorhanden gewesen seien, kommt es hierauf nicht an. Denn das Berufungsurteil wird selbstständig auch von den auf das Flurstück ... bezogenen Begründungen getragen, die gegebenenfalls von einer Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht hinsichtlich des Schlags ... wie auch anderer auf diesen Schlag bezogener Fehler nicht berührt würde.

42

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO. Der Streitwert für das Beschwerdeverfahren ergibt sich aus § 47 Abs. 1 und 3, § 52 Abs. 3 und § 43 Abs. 1 GKG.

Tenor

Das Verfahren wird ausgesetzt.

Dem Europäischen Gerichtshof wird folgende Frage zur Auslegung der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 der Kommission vom 21. April 2004 (ABl Nr. L 141 S. 18) zur Vorabentscheidung vorgelegt:

Ist eine landwirtschaftliche Fläche Dauergrünland im Sinne von Art. 2 Nr. 2 der Verordnung, wenn sie gegenwärtig und seit mindestens fünf Jahren zum Anbau von Gras oder anderen Grünfutterpflanzen genutzt wird, die Fläche in diesem Zeitraum aber umgepflügt und anstelle der bisherigen Grünfutterpflanze (hier: Kleegras) eine andere Grünfutterpflanze (hier: Ackergras) eingesät wird, oder handelt es sich in diesen Fällen um eine Fruchtfolge, die das Entstehen von Dauergrünland ausschließt?

Gründe

I.

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob für bestimmte landwirtschaftlich genutzte Flächen das Umbruchverbot der Dauergrünland-Erhaltungsverordnung des Landes Schleswig-Holstein gilt, mit dem das unionsrechtliche Dauergrünland-Erhaltungsgebot umgesetzt wird.

2

1. Der Kläger ist Landwirt und beantragt jährlich Betriebsprämien. In seinen Sammelanträgen gab er ab 1998 und 1999 an, auf zwei Flächen, den Schlägen Hohenkamp und Herrbusch, Ackergras anzubauen. Im Jahr 2005 schlitzte er auf den beiden Flächen Kleegrassamen ein und meldete sie von 2005 bis 2008 als Kleegrasflächen. Im Jahr 2009 wurden beide Flächen wieder als Ackergrasflächen genutzt. Mit dem Wirtschaftsjahr 2010 wurde der Schlag Hohenkamp verpachtet und ist seither als Mähweide beantragt. Auf dem Schlag Herrbusch wird seit 2010 auf der Grundlage einer Genehmigung Silomais angebaut, wofür eine andere Fläche als Dauergrünland angelegt werden musste.

3

Mit Schreiben vom 9. Januar 2009 teilte der Beklagte dem Kläger mit, er habe die Schläge in Dauergrünlandnutzung umcodiert, weil sie in dem Zeitraum von 1998 bis 2008 für eine mindestens sechsjährige Phase durchgehend als Grünland genutzt worden und daher als Dauergrünland einzustufen seien. Zugleich wies er den Kläger darauf hin, dass für die Schläge das Umbruchverbot der Dauergrünland-Erhaltungsverordnung gelte.

4

Der Kläger hat hierauf am 4. Juni 2009 Klage erhoben und begehrt festzustellen, dass die beiden Schläge nicht dem Umbruchverbot unterliegen. Er habe ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung, weil er im Falle einer Zuwiderhandlung gegen das Umbruchverbot prämienrechtliche Konsequenzen tragen müsse. Soweit er das Land verpachte, erziele er für Dauergrünland einen geringeren Erlös als für Ackerland. Zur Begründung seiner Klage hat er vor allem geltend gemacht, dass es sich nicht um Dauergrünland handele. Ackergrasflächen seien kein Dauergrünland, weil sie nach ein oder zwei Nutzungsjahren umgebrochen würden. Nach landwirtschaftlichem Fachverständnis sei Dauergrünland eine Fläche, die dauerhaft mit demselben Gras bestanden sei. Die damit verbundene besondere ökologische Wertigkeit komme Ackergrasflächen nicht zu. Unabhängig davon gelte, dass es sich bei einem Wechsel von Kleegras zu Ackergras oder umgekehrt um eine Fruchtfolge handele, die das Entstehen von Dauergrünland verhindere und eine bestehende Dauergrünlandnutzung beende.

5

Der Beklagte machte geltend, Ackergrasflächen, die regelmäßig umgebrochen würden, stünden natürlichem Dauergrünland gleich. Entscheidend sei, dass ununterbrochen dieselbe Pflanzenkultur angebaut werde; anderenfalls trete eine Fruchtfolge ein. Nachdem auf den beiden Flächen aber über fünf Jahre ununterbrochen Ackergras angebaut worden sei, handele es sich ungeachtet der nachfolgenden Einsaat von Kleegras um Dauergrünland.

6

Mit Urteil vom 13. Oktober 2010 hat das Verwaltungsgericht in erster Instanz die Klage als unbegründet abgewiesen. Da der Kläger auf beiden Schlägen im Jahr 2003 beziehungsweise 2004 seit mindestens fünf Jahren Ackergras angebaut habe, handele es sich um Dauergrünland. Ein einmal erworbener Dauergrünland-Status werde nicht durch eine Fruchtfolge verschiedener Grünfutterpflanzen beendet. Das Oberverwaltungsgericht hat die Berufung gegen dieses Urteil auf seine mündliche Verhandlung vom 12. Mai 2011 zurückgewiesen. Unabhängig von der Frage, ob eine Fruchtfolge nur vorliege, wenn ein Wechsel von Gras oder anderen Grünfutterpflanzen zu anderen landwirtschaftlichen Kulturpflanzen erfolge, berühre der Wechsel von Gras zu anderen Grünfutterpflanzen die Eigenschaft bestehenden Dauergrünlands nicht.

7

Der Kläger hat gegen dieses Urteil Revision eingelegt.

8

2. Mit dem Gesetz zur Umsetzung der Reform der Gemeinsamen Agrarpolitik vom 21. Juli 2004 (BGBl I S. 1763, 1767) hat die Bundesrepublik Deutschland unter anderem das Direktzahlungen-Verpflichtungengesetz (DirektZahlVerpflG) erlassen. Dieses Gesetz dient der Durchführung der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 (ABl Nr. L 270 S. 1) und der zu ihrer Durchführung erlassenen Rechtsakte, insbesondere soweit diese die Erhaltung von Dauergrünland in Betrieben, die Direktzahlungen beantragen, vorsehen (§ 1 Abs. 1 DirektZahlVerpflG). Es verweist dynamisch auf die jeweils geltenden Fassungen der Rechtsakte der Union und wurde an die im Jahr 2009 überarbeiteten Rechtstexte ("GAP-Gesundheitscheck") angepasst. Gemäß § 3 Abs. 1 Satz 1 DirektZahlVerpflG haben die Länder dafür Sorge zu tragen, dass der Anteil des Dauergrünlands nicht erheblich abnimmt. Hierzu werden die Landesregierungen unter anderem ermächtigt, durch Rechtsverordnung den Umbruch von Grünland zu verbieten oder zu beschränken, soweit sich der Anteil des Dauergrünlands um mehr als fünf Prozent verringert hat (§ 5 Abs. 3 Nr. 1 DirektZahlVerpflG).

9

Auf dieser Grundlage hat das Land Schleswig-Holstein die Landesverordnung zur Erhaltung von Dauergrünland (Dauergrünland-Erhaltungsverordnung - DGL-VO SH) vom 13. Mai 2008 erlassen (GVOBl Schl.-H. S. 233). Wird auf der Basis der Sammelanträge für die einheitliche Betriebsprämie festgestellt, dass sich der Anteil des Dauergrünlands um mehr als fünf Prozent verringert hat, wird dies von der zuständigen Behörde öffentlich bekannt gegeben (§ 1 Abs. 1 Satz 1 DGL-VO SH). Ist dies geschehen, so dürfen Dauergrünlandflächen nicht ohne Genehmigung umgebrochen werden. Die hierfür maßgeblichen Bestimmungen lauten:

10

§ 2 Abs. 1 Satz 1 DGL-VO SH

"Inhaberinnen und Inhaber von Betrieben, die Direktzahlungen beantragen, dürfen nach Veröffentlichung der in § Abs. 1 genannten Feststellung Dauergrünlandflächen im Sinne des Artikels 2 Nr. 2 der Verordnung (EG) 796/2004 vom 21. April 2004 (ABl. EU Nr. L 141 S. 18) für die Dauer des Bezugs von Direktzahlungen nicht umbrechen."

11

§ 2 Abs. 2 Satz 1 DGL-VO SH

"Abweichend von Absatz 1 kann die zuständige Behörde das Umbrechen von Dauergrünland genehmigen."

12

Das zuständige Ministerium des Landes Schleswig-Holstein hat im Amtsblatt für Schleswig-Holstein vom 23. Juni 2008 im Wege einer Allgemeinverfügung bekannt gemacht, dass sich der Anteil des Dauergrünlands um mehr als 5 % verringert habe, womit das Umbruchverbot gemäß § 1 Abs. 1 Satz 2 DGL-VO SH seit dem folgenden Tag Geltung beansprucht.

II.

13

Die Revision wirft eine Frage zur Auslegung des Unionsrechts auf, die die Einholung einer Vorabentscheidung des Europäischen Gerichtshofs erfordert. Der Ausgang des Verfahrens hängt von der Auslegung des unionsrechtlichen Begriffs "Dauergrünland" ab.

14

1. Die Vorlagefrage ist entscheidungserheblich.

15

a) Das Umbruchverbot der Dauergrünland-Erhaltungsverordnung des Landes Schleswig-Holstein ist wirksam. Zutreffend haben die Vorinstanzen angenommen, dass § 5 Abs. 3 Nr. 1 DirektZahlVerpflG das Land zum Erlass der Verordnung ermächtigt hat. Dessen Wortlaut erlaubt unter den genannten Voraussetzungen allgemein, den Umbruch von Grünland zu verbieten oder zu beschränken. Lediglich als eine Möglichkeit hierzu wird genannt, den Umbruch von einer Genehmigung im Rahmen einer Rechtsverordnung des Bundes zur Regelung von Grundsätzen der Voraussetzungen einer Umbruchsgenehmigung nach § 5 Abs. 1 Satz 1 Nr. 6 DirektZahlVerpflG abhängig zu machen. Damit schließt die Ermächtigung nicht aus, ohne zusätzliche bundesrechtliche Verordnung ein Verbot zu erlassen, von dem im Wege einer Genehmigung befreit werden kann.

16

b) Das Bundesverwaltungsgericht ist befugt und verpflichtet, den Begriff des Dauergrünlands nach der Dauergrünland-Erhaltungsverordnung auszulegen. Zwar ist der Begriff in einer landesrechtlichen Verordnung enthalten und wird nicht dadurch zu revisionsgerichtlich überprüfbarem Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 VwGO), dass die Verordnung ihrerseits zur Definition von Dauergrünland auf eine Bestimmung des Unionsrechts verweist (Beschluss vom 2. Juli 2009 - BVerwG 7 B 9.09 - Buchholz 310 § 137 Abs. 1 VwGO Nr. 36 = NVwZ 2009, 1037). Die Definition von Dauergrünland beansprucht jedoch nicht Geltung als autonom landesrechtliche Regelung; vielmehr handelt es sich im vorliegenden Regelungszusammenhang um einen Rechtsbegriff, der unionsrechtlich vorgegeben und daher revisibel ist (vgl. Urteile vom 6. September 1984 - BVerwG 3 C 16.84 - BVerwGE 70, 64 <65> und vom 25. August 1992 - BVerwG 1 C 38.90 - BVerwGE 90, 337 <341f.>). Das ergibt sich daraus, dass das Land lediglich eine verbindliche unionsrechtliche Vorgabe umsetzen wollte. Dazu war es nach §§ 3 und 5 Abs. 3 Nr. 1 DirektZahlVerpflG verpflichtet und ermächtigt, ohne dass ihm hinsichtlich des Gegenstandes des Umbruchverbots noch eigene Definitionsmacht eingeräumt ist. Diesen rechtlichen Rahmen bringt die im Einleitungssatz der Dauergrünland-Erhaltungsverordnung angegebene Rechtsgrundlage zum Ausdruck, die auf die Ermächtigung des Direktzahlungen-Verpflichtungengesetzes verweist.

17

2. Für die Entscheidung des Streitfalls kommt es darauf an, welche Veränderungen auf einer landwirtschaftlichen Fläche der Eigenschaft Dauergrünland entgegenstehen.

18

a) Das landesrechtliche Umbruchverbot gilt für Dauergrünlandflächen "im Sinne des Artikels 2 Nr. 2 der VO (EG) Nr. 796/2004". Die Nennung von Datum und Fundstelle ("21. April 2004" und "ABl. EU Nr. L 141 S. 18") zeigt, dass es sich um eine statische Verweisung handelt, so dass die ursprüngliche unionsrechtliche Begriffsbestimmung maßgeblich ist. Diese Begriffsbestimmung hat zwar im Unionsrecht nachfolgend Modifikationen erfahren. So wurden mit der Änderungsverordnung VO (EG) Nr. 239/2005 der Kommission vom 11. Februar 2005 (ABI Nr. L 42 S. 3) klarstellende Änderungen und Ergänzungen vorgenommen und insbesondere eine Definition von "Gras oder andere Grünfutterpflanzen" eingefügt. Diese Modifikationen haben die Definition in ihrem Kern jedoch nicht verändert, ebenso wenig wie die Verordnung (EG) Nr. 380/2009 der Kommission vom 8. Mai 2009 (ABI Nr. L 116 S. 9) und die seit 1. Januar 2010 geltende Bestimmung des Art. 2 Buchst. c VO (EG) Nr. 1120/2009 der Kommission vom 20. Oktober 2009 (ABI Nr. L 316 S. 1)

19

b) Nach der Definition in Art. 2 Nr. 2 der VO (EG) Nr. 796/2004 vom 21. April 2004 handelt es sich bei Dauergrünland um "Flächen, die durch Einsaat oder auf natürliche Weise (Selbstaussaat) zum Anbau von Gras oder anderen Grünfutterpflanzen genutzt werden und mindestens fünf Jahre lang nicht Bestandteil der Fruchtfolge des landwirtschaftlichen Betriebs sind."

20

aa) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts gebunden, ohne eigene Feststellungen treffen zu können (§ 137 Abs. 2 VwGO); hieraus folgt, dass es die weitere Entwicklung des Sachverhalts nach der mündlichen Verhandlung vor dem Berufungsgericht am 12. Mai 2011 nicht berücksichtigen kann. Für den Schlag Hohenkamp hat der Kläger nach dessen Verpachtung ein Interesse an der Feststellung, dass es sich nicht um Dauergrünland handelt, weil er in diesem Fall die Fläche für einen höheren Pachtzins verpachten könnte. Daher ist zu prüfen, ob die Fläche am 12. Mai 2011 Dauergrünland war. Für den Schlag Herrbusch, der seit dem Jahr 2010 nicht mehr als Grünland, sondern zum Anbau von Silomais genutzt wird, bezieht der Senat das Feststellungsbegehren hingegen auf den Zeitpunkt dieses Nutzungswechsels, weil die zu diesem Zeitpunkt beendete Dauergrünlandeigenschaft Grundlage der mit dem genehmigten Umbruch verbundenen Verpflichtung ist, auf einer Ersatzfläche Dauergrünland anzulegen.

21

bb) Das Bestehen eines Umbruchverbots hängt auf beiden Flächen davon ab, ob sie im maßgeblichen Zeitpunkt zum Anbau von Gras oder anderen Grünfutterpflanzen genutzt wurden und (mindestens) seit fünf Jahren davor von der Fruchtfolge ausgenommen waren, also dem Anbau einer Grünfutterpflanze gedient haben. Diesen zeitlichen Zusammenhang legt nicht nur die tatbestandliche Verknüpfung der gegenwärtigen Nutzung als Grünland mit der entsprechenden Nutzung in der Vergangenheit nahe, was auch die klarstellende Änderung der Zeitform durch Art. 1 Nr. 1 Buchst. a VO (EG) Nr. 239/2005 verdeutlicht; er entspricht auch dem Ziel des Dauergrünland-Erhaltungsgebots, wie es in den Durchführungsverordnungen der Kommission konkretisiert wurde. Ziel ist danach, den Anteil von Grünland, das in einer bestimmten Nutzungskontinuität steht, unabhängig vom Bestand einzelner Dauergrünlandflächen innerhalb einer bestimmten Toleranz auf nationaler oder wahlweise regionaler Ebene zu sichern.

22

cc) In den Blick zu nehmen ist danach die Nutzung der beiden Flächen in dem Zeitraum von fünf Jahren vor 2011 und 2010, in dem beide Flächen ab 2005 zunächst zum Anbau von Kleegras gemeldet waren. Damit ist entscheidungserheblich, ob der auf beiden Flächen im Jahr 2009 vorgenommene Wechsel von Kleegras zu Ackergras einen Fruchtwechsel mit der Folge darstellt, dass die Flächen im Feststellungszeitpunkt kein Dauergrünland sind. Diese Frage ist im Beschlusstenor formuliert.

23

3. Der beschließende Senat kann Art. 2 Nr. 2 VO (EG) Nr. 796/2004 keinen Anhaltspunkt dafür entnehmen, dass der Umbruch von Grünland für sich gesehen das Bestehen von Dauergrünland ausschließt.

24

a) Nach Art. 2 Nr. 2 der VO (EG) Nr. 796/2004 ist Dauergrünland nur dann zu verneinen, wenn die Fläche in die betriebliche Fruchtfolge einbezogen wurde. Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus der Verpflichtung der Mitgliedstaaten, im Falle einer bedeutsamen Abnahme des Dauergrünlandanteils den Umbruch von Dauergrünland grundsätzlich zu verbieten und nur noch mit vorheriger Genehmigung zuzulassen (Art. 4 Abs. 1 VO Nr. 796/2004). Ein solches Verbot ist zwar geeignet, den Bestand an Dauergrünland zu sichern, weil eine Fruchtfolge in einem ersten Schritt in aller Regel den Umbruch der Fläche voraussetzt. Dies lässt aber nicht den Rückschluss zu, dass eine Fläche bereits mit dem Umbruch die Eigenschaft als Dauergrünland verliert. Diese Auslegung wird durch Art. 4 Abs. 1 Unterabs. 1 VO (EG) Nr. 1122/2009 der Kommission vom 30. November 2009 (ABI Nr. L 316 S. 65) bestätigt, der vorgibt, dass Dauergrünland nicht ohne Genehmigung "umgewidmet" werden darf.

25

b) Auch die als Art. 2 Nr. 2 Buchst. a VO (EG) Nr. 796/2004 durch die Verordnung (EG) Nr. 239/2005 eingefügte Definition von "Gras oder andere(n) Grünfutterpflanzen" macht deutlich, dass der Umbruch als solcher die Eigenschaft von Dauergrünland nicht beendet. Zu den Pflanzen, deren Aussaat die Entstehung von Grünland zur Folge hat, gehören alle normalen Saatgutmischungen für Grünland, damit auch Ackergras, das herkömmlich regelmäßig umgebrochen wird. Zudem ist den Mitgliedstaaten erlaubt, Pflanzen gemäß Anhang IX der Verordnung (EG) Nr. 1782/2003 des Rates vom 29. September 2003 (ABI L Nr. 270 S. 1) einzubeziehen, die von Natur aus einjährig sind und daher nach Umbruch jeweils neu eingesät werden müssen. Das Verständnis, dass es nur auf den Bewuchs und nicht auf den Umbruch ankommt, korrespondiert mit dem Ziel der Europäischen Union, die Erhaltung von Dauergrünland wegen seiner positiven Umweltauswirkungen zu fördern, um einer massiven Umstellung auf Ackerland entgegenzuwirken (Erwägungsgrund 4 VO Nr. 1782/2003). Die Befürchtung einer (unerwünschten) Umstellung auf Ackerland erklärt sich daraus, dass nach der Abschaffung der Rinder- und Schafprämien die Erhaltung der für diese Prämien erforderlichen Futterflächen - wie beispielsweise Ackergrasflächen - nicht mehr gesichert schien.

26

4. Der beschließende Senat neigt dazu, in der Abfolge verschiedener Grünfutterpflanzen keine Fruchtfolge im Sinne der Verordnung (EG) Nr. 796/2004 zu sehen.

27

a) Diese Verordnung definiert ebenso wenig wie die nachfolgenden Verordnungen (EG) Nr. 1122/2009 und Nr. 1120/2009 den Begriff der Fruchtfolge, stellt ihm aber den Anbau von Gras oder anderen Grünfutterpflanzen gegenüber. Die Definition von Dauergrünland in Anhang 1 Nr. 1 VO (EG) Nr. 658/96 der Kommission vom 9. April 1996 (ABI Nr. L 91 S. 46) beschränkte sich auf grasbestandene Flächen, so dass mit dem Anbau einer anderen Kulturpflanze als Gras im überkommenen Sprachgebrauch eine Fruchtfolge verbunden war. Nachdem Art. 2 Nr. 2 VO (EG) Nr. 796/2004 Gras und andere Grünfutterpflanzen zusammenfasst, liegt es nahe, eine Fruchtfolge im Sinne der Dauergrünlanddefinition nur dann anzunehmen, wenn eine andere Kulturpflanze als eine Grünfutterpflanze angebaut wird.

28

Demgemäß spricht Art. 4 Abs. 2 Unterabs. 1 VO (EG) Nr. 796/2004 im Zusammenhang mit der Verpflichtung zum Wiederanbau von Dauergrünland davon, dass Flächen, die für "andere Nutzungen" umgebrochen worden sind, als Dauergrünland einzusäen sind. Die Formulierung "andere Nutzungen" steht wiederum im Zusammenhang mit der Definition von Dauergrünland, die von der Nutzung zum Anbau von "Gras oder andere(n) Grünfutterpflanzen" spricht. Es kommt dem Verordnungsgeber folglich nicht darauf an, welche Grünfutterpflanze angebaut wird. Entsprechend ist nicht angeordnet, dass dieselbe Grünfutterpflanze einzusäen ist, die zuvor angebaut wurde. Ist aber - wie ausgeführt - ein Umbruch der Fläche für das Bestehen von Dauergrünland unerheblich, ist kein überzeugender Grund dafür ersichtlich, dass es der Eigenschaft als Dauergrünland entgegenstehen sollte, wenn nach einem Umbruch eine andere Grünfutterpflanze oder ein anderes Grünfutterpflanzengemisch eingesät wird.

29

b) Gleichwohl ist die zutreffende Auslegung des Unionsrechts nicht so offenkundig, dass für vernünftige Zweifel im Sinne der Acte-clair-Doktrin kein Raum bleibt. Es ist nicht zu übersehen, dass der Begriff der Fruchtfolge herkömmlich daran anknüpft, dass ein Wechsel der Kulturpflanze erfolgt. Kleegras ist ein Gemenge aus Gras- und Kleesorten, wobei Klee in der traditionellen Fruchtfolge wegen der mit seinem Anbau verbundenen Anreicherung des Bodens mit Stickstoff Bedeutung hat. In diesem Sinne definiert Anhang II VO (EG) Nr. 1200/2009 der Kommission vom 30 November 2009 (ABI Nr. L 329 S. 1) unter II. 2.01 für die Betriebsstrukturerhebung "Fruchtfolge" als "zeitliche Abfolge des Anbaus unterschiedlicher Kulturpflanzen, bei der auf einem gegebenen Feld einjährige Kulturen in einer geplanten Struktur oder Abfolge im Wechsel angebaut werden, so dass auf demselben Feld niemals ohne Unterbrechung Kulturpflanzen derselben Art angebaut werden" (ähnlich bereits Anhang I VO Nr. 1444/2002 der Kommission vom 24. Juli 2002 unter D. II.). Darüber hinaus differenziert Anhang II VO (EG) Nr. 1200/2009 unter II. 2.01.09.01 bei der Definition von Ackerwiesen und -weiden, indem auf Futtergräser abgestellt wird, die in einer "normalen" Fruchtfolge stehen. Schließlich vertritt nicht nur der Kläger die Auffassung, dass beim Wechsel von Kleegras zu Ackergras eine Fruchtfolge vorliege. Auch das Bundesministerium für Ernährung, Landwirtschaft und Verbraucherschutz geht nach der Stellungnahme des Vertreters des Bundesinteresses hiervon aus und selbst der Beklagte teilt diesen Ansatz.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts -1. Kammer, Einzelrichterin - vom 15. November 2012 mit Berichtigungsbeschluss vom 4. Februar 2013 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Klägerin wird nachgelassen, die Vollstreckung gegen Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abzuwenden, wenn nicht zuvor der Beklagte Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Die Klägerin betreibt Schafzucht als Nebenerwerbslandwirtin. Im Sammelantrag für das Jahr 2010 auf Gewährung einer Betriebsprämie nach VO (EG) Nr. 73/2009 für die von ihr bewirtschafteten Flächen gab sie u.a. für den Feldblock ... Schlag ... „..." eine Größe von 0,1756 ha an und meldete zwei Landschaftselemente. Bei einer Vor-Ort-Kontrolle im Betrieb der Klägerin am 27. Juli 2010 wurden von den Flächen Lichtbilder gefertigt, die Flächen wurden mit dem GPS-Messverfahren vermessen und die beihilfefähigen Flächen für den Schlag ... mit 0,0830 ha festgestellt.

2

Mit Bewilligungsbescheid vom 14. Dezember 2010 wurde der Klägerin eine Betriebsprämie in Höhe von 701,04 € bewilligt. Diesem Bescheid lag eine von der gemeldeten Fläche von 6,1378 ha abweichende Berechnungsfläche von 5,9433 ha zugrunde; aufgrund der Kürzung um das Doppelte der festgestellten Differenz (0,1945 x 2 = 0,389) ergab sich eine beihilfefähige Fläche von 5,5543 ha.

3

Zur Begründung ihres gegen diesen Abzug gerichteten Widerspruchs führte die Klägerin zum Schlag ... im Wesentlichen aus, dieser sei zu Unrecht mit 0,00 ha zugrunde gelegt worden. Er bestehe aus 3 zusammenhängenden Flurstücken, die in Gänze als Grünland bewirtschaftet würden. Dies gelte auch für das innenliegende (Feldgehölz) und das außenliegende (Baumreihe) Landschaftselement. Die gesamte Fläche werde zudem zusammenhängend genutzt. Weder das innenliegende Landschaftselement Feldgehölz noch die vorhandenen Zäune stellten trennende Feldblockaußengrenzen dar. Die Unterteilung der Weideflächen diene der Nutzung als Portionsweide zur Erhöhung der möglichen Besatzstärke, was eine anerkannte Form der Weideführung sei. Das Befahren der landwirtschaftlichen Fläche höchstens ein Mal pro Tag zur Versorgung der Tiere mit Wasser sei - selbst wenn dies als nicht landwirtschaftliche Tätigkeit anzusehen sei - der hauptsächlichen landwirtschaftlichen Nutzung des gesamten Schlages lediglich untergeordnet. Es sei schlicht abwegig anzunehmen, die durch das Befahren sich abzeichnenden Fahrspuren stellten eine Unterbrechung des Schlages dar.

4

Mit Widerspruchsbescheid vom 16. Februar 2011 wies der Beklagte den Widerspruch als unbegründet zurück und führte zum Schlag ... aus, dass die Klägerin die Fläche zwischen den links und rechts befindlichen Zäunen selbst als „Privatweg“ beschildert und dadurch eine eindeutige Trennung der bewirtschafteten Flächen bewirkt habe. Die zu beiden Seiten des Weges genutzten Flächen erreichten die zu fordernden Mindestgrößen eines Schlages von 0,1 ha nicht und könnten somit nicht anerkannt werden. Selbst wenn die Schafe auf dem Weg temporär den Aufwuchs abfressen sollten, handele es sich hierbei lediglich um eine nicht beihilfefähige Funktionsfläche.

5

Zur Begründung ihrer Klage hat die Klägerin die Ausführungen im Widerspruchsverfahren weiter vertieft. Der streitgegenständliche Schlag ... werde in Gänze als zusammenhängende landwirtschaftliche Fläche genutzt, und zwar als Grünland. Die Fläche werde turnusgemäß gemäht, die Mahd sei Futtergrundlage für die Schafe. Auch der „Weg“ werde den Schafen als Weide zur Verfügung gestellt und durch Nachsaat und Düngung landwirtschaftlich bewirtschaftet. Im Übrigen stimmten auch die Flächenangaben des Beklagten nicht; bei der gesamten unbebauten Fläche handele es sich um Grünland. Ein Großteil der festgestellten Gebäude sei nicht oder nicht mehr existent und in den Skizzen der Behördenakten übertrieben groß und teilweise an falscher Stelle eingezeichnet. Bei Schlag ... sei ebenso wie beim benachbarten Restfeldblock mit der Endnummer ... ein Weg anteilig mit zum Feldblock gerechnet worden, sodass ein Verstoß gegen den Gleichbehandlungsgrundsatz vorliege.

6

Die Klägerin hat - soweit im Berufungsverfahren noch streitgegenständlich - beantragt,

7

den Beklagten unter teilweiser Aufhebung des Bescheides vom 14. Dezember 2010 und des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 2011 zu verpflichten, der Klägerin eine weitere Betriebsprämie für das Antragsjahr 2010 in Höhe von 74,52 € zu bewilligen,.

8

Der Beklagte ist dem entgegengetreten und hat beantragt,

9

die Klage abzuweisen.

10

Das Verwaltungsgericht hat mit Urteil vom 15. November 2012 in der Fassung des Berichtigungsbeschlusses die Klage abgewiesen und zur Begründung zum Schlag ... im Wesentlichen ausgeführt, dass nach den hier maßgeblichen Rechtsgrundlagen von einer beihilfeberechtigten landwirtschaftlichen Fläche nur dann ausgegangen werden könne, wenn landwirtschaftliche genutzte Flächen nicht nur in einem räumlichen Zusammenhang stünden, sondern zusammenhängend bewirtschaftet würden und eine Mindestgröße von 0,1 ha aufwiesen. Ein solcher Bewirtschaftungszusammenhang setze grundsätzlich voraus, dass die gesamte Fläche zumindest hauptsächlich ihrer Funktion nach der landwirtschaftlichen Nutzung zu dienen bestimmt sei. Daran fehle es hinsichtlich der von der Klägerin als Schlag ... gemeldeten Flächen.

11

Der Schlag ... werde von dem Weg geteilt, der eine Zuwegung auch für die weiteren nördlich und südlich belegenen Grundstücke darstelle. Er diene damit nicht hauptsächlich der landwirtschaftlichen Nutzung, sondern sei in seiner hauptsächlichen Funktion eine Verkehrseinrichtung. Dadurch werde der Bewirtschaftungszusammenhang zwischen den Teilflächen aufgehoben. Maßgeblich sei der Zeitpunkt der Vor-Ort-Kontrolle vom 27. Juli 2010, da es um das Vorliegen der Voraussetzungen im maßgeblichen Bewilligungszeitraum des Antragsjahres 2010 gehe. Die vom Beklagten anlässlich der Vor-Ort-Kontrolle gefertigten Fotoaufnahmen ließen nach objektiver Betrachtungsweise nicht erkennen, dass es sich bei dem als Privatweg gekennzeichneten Weg um eine tatsächlich bewirtschaftete Fläche handele. Selbst eine landwirtschaftliche Nutzung des Weges würde aber vorliegend nicht zu einem Bewirtschaftungszusammenhang der auch entlang des Weges durch Zäune abgetrennten Teilflächen führen.

12

Soweit Gegenstand der Klage auch der das Antragsjahr 2011 betreffende Teilrücknahmebescheid vom 28. September 2012 war, den das Verwaltungsgericht im mit der Berufung angegriffenen Urteil bestätigt hat, ist die Klägerin hiergegen im Berufungsverfahren nicht mehr vorgegangen.

13

Im Übrigen führt sie zur Begründung der vom Senat zugelassenen Berufung aus, das Verwaltungsgericht habe zu Unrecht angenommen, der Schlag ... werde durch einen Weg geteilt. Das Gericht nenne für seine Ansicht, es komme auf die „hauptsächliche Funktion " einer Fläche an, keine Rechtsgrundlage. Nach Art. 9 VO (EG) Nr. 1120/2009 gelte für die Anwendung von Art. 34 Abs. 2 Buchst. a VO (EG) Nr. 73/2009 jede landwirtschaftliche Fläche des Betriebs, die auch für nicht landwirtschaftliche Flächen genutzt werde, als hauptsächlich für eine landwirtschaftliche Tätigkeit genutzte Fläche, wenn die landwirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt werden könne, ohne durch die Intensität, Art, Dauer oder den Zeitpunkt der nicht landwirtschaftlichen Tätigkeit stark eingeschränkt zu sein. Aus den in der Akte befindlichen Lichtbildern ergebe sich, dass es sich bei dem Weg in einem ehemaligen Kleingartengelände allenfalls um eine Fahrspur handele, die dadurch entstehe, dass die Klägerin einmal am Tag mit ihrem Pkw auf den streitbefangenen Schlag fahre, um ihre Schafe zu versorgen. Der Weg sei erkennbar mit Gras bewachsen und somit Grünland. Die Schafe seien vom Weg nicht getrennt, sondern beweideten den Fußweg, der im Übrigen vom sonstigen Verkehr Dritter ausgeschlossen sei. Auch nach Fußnote Nr. 2 zum Pkt. 4.2 „Sonstige Angaben" auf dem Sammelantrag für das Jahr 2011 werde Weideland als Fläche definiert, die - wie hier - mit Gras oder anderen Krautpflanzen bewachsen sei und als Weide oder zur Futtergewinnung für Nutztiere diene. Sie - die Klägerin - habe dargestellt, dass die gesamte Weide, darunter auch der Weg, landwirtschaftlich bewirtschaftet werde, indem die Fläche gemäht werde und im Übrigen als Futtergrundlage für die Schafe zur Verfügung stehe. Auch auf dem Weg werde mit Gras nachgesät, drei- bis viermal im Jahr gemäht und gedüngt. Es handele sich um eine Fläche in einem guten landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand, die beihilfefähig sei.

14

Jedenfalls aber sei der Weg in seiner hauptsächlichen Funktion landwirtschaftlich genutzte Fläche, die im Übrigen in ihrer Gesamtheit nach Art. 9 VO (EG) Nr. 1120/2009 ihrer Intensität, ihrer Art, Dauer oder Zeitpunkt nicht stark eingeschränkt werde. Es handele sich auch bei dem Weg um „Dauergrünland " i. S. d. Begriffsbestimmungen nach Art. 2 Buchst. c und d VO (EG) Nr. 1120/2009. Dauergrünland seien danach Flächen, die durch Einsaat oder Selbstaussaat zum Anbau von Gras genutzt würden. Grünland sei Ackerland, auf dem Gras erzeugt werde, wobei es sich um eingesätes oder natürliches Grünland handeln könne. Auch nach der Begriffsbestimmung „landwirtschaftliche Parzelle" nach Art. 2 VO (EG) Nr. 1120/2009 sei ausreichend aber auch erforderlich eine zusammenhängende Fläche, auf der nur eine bestimmte Kulturgruppe angebaut werde, was hier durch die Anlegung von Grünland bzw. Dauergrünland der Fall sei.

15

Das auf Blatt 31 der Verwaltungsakte enthaltene Lichtbild sei nicht geeignet, die Fahrspur als Weg qualifizieren zu können; dies würde eine Inaugenscheinnahme belegen. Auf dem auf dem Lichtbild erkennbaren Schild, das sich dort bereits befunden habe, als sie - die Klägerin - das Flurstück ... im Mai 2007 erworben habe, befinde sich der Hinweis „Kein Durchgang"; Dritte dürften den Weg also weder zum Durchgang oder zur Durchfahrt nutzen. Aus den EG-Verordnungen ergebe sich nicht, dass ein Schild einer landwirtschaftlichen Nutzung entgegenstehe. Es handele sich um ein Relikt aus jener Zeit, als es sich bei den streitbefangenen Flächen noch um Kleingärten nach dem Bundeskleingartengesetz gehandelt habe. Diese Nutzung sei im Jahr 2010 durch die Stadt ... aufgegeben worden. Aus der eingereichten Katasterkarte gehe zudem klar hervor, dass der Weg nicht eine eigenständige Teilfläche oder ein eigenständiges Grundstück sei, sondern Bestandteil des Grundstückes selbst.

16

Zudem sei die Nutzfläche auf den Flurstücken ... und ... deutlich größer, als die vom Beklagten nicht nachvollziehbar festgestellten 220 m2. Die Größe von 157 m2 für das zu Schlag ... gehörende Landschaftselement sei deutlich zu klein und entspreche nicht den tatsächlichen Verhältnissen vor Ort. In den Unterlagen zum Sammelantrag für das Jahr 2010 habe der Beklagte diese Größe noch mit 494 m2 angegeben (vgl. Blatt 16 der Verwaltungsakte, dort lfd. Nr. L1). Auch der Verordnungsgeber wisse von der Ungenauigkeit der computergestützten Flächenermittlung. So müsse nach der Präambel Abs. 7 zur VO (EG) Nr. 1122/2009 die Anwendung des Systems zur Identifizierung landwirtschaftlicher Parzellen durch die Mitgliedstaaten nach Art. 17 VO(EG) 73/2009 näher geregelt werden. Dazu seien computergestützte geographische Informationstechniken (GIS) einzusetzen, wobei zu klären sei, auf welcher Ebene das System eingesetzt werde und welche Genauigkeit die GIS-Informationen aufweisen müssten.

17

Die Klägerin beantragt,

18

unter Abänderung des Urteils des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts -1. Kammer, Einzelrichterin - vom 15. November 2012 mit Berichtigungsbeschluss vom 4. Februar 2013 den Bewilligungsbescheid des Beklagten vom 14. Dezember 2010 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 16. Februar 2011 aufzuheben und den Beklagten zu verpflichten, die Betriebsprämie antragsgemäß für eine gemeldete Fläche von 6,1378 ha zu bewilligen.

19

Der Beklagte beantragt,

20

die Berufung zurückzuweisen.

21

Die Verwaltungsvorgänge des Beklagten haben dem Senat bei Beratung und Entscheidung vorgelegen und sind Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen, ebenso wie die von der Klägerin eingereichten Fotografien und Karten. Wegen weiterer Einzelheiten zum Sachverhalt und zum Vorbringen der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsvorgänge sowie auf die wechselseitigen Schriftsätze nebst Anlagen ergänzend Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

22

Die Klägerin begehrt mit ihrem Berufungsantrag weiterhin eine Betriebsprämie für die ursprünglich für das Antragsjahr 2010 gemeldete Fläche von 6,1378 ha. Ihre Berufung ist jedoch nur insoweit zulässig, als es um den Abzug von 0,1756 ha für die mit 0,00 ha festgestellte Fläche für Schlag ... geht. Hinsichtlich des darüber hinausgehenden Abzugs (für eine Teilfläche von Schlag ...) ist die Berufung bereits unzulässig, da es hierzu an jeglichen Ausführungen in der Berufungsbegründung fehlt.

23

Aber auch soweit die Berufung zulässig ist, ist sie nicht begründet. Das Verwaltungsgericht hat die Klage auch insoweit zu Recht abgewiesen. Der angegriffene Bescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides ist rechtmäßig.

24

Der Beklagte und das Verwaltungsgericht sind zutreffend davon ausgegangen, dass der von der Klägerin mit 0,1756 ha gemeldete Schlag ... aus drei Teilflächen besteht, die jede für sich nicht die erforderliche Mindestgröße von 0,1 ha aufweisen. Das nördlich gelegene Flurstück ... weist eine bewirtschaftete Fläche von 0,0830 ha auf, die restliche Fläche von 0,0926 ha teilen sich der südlich davon belegene Weg und die beiden südlich vom Weg belegenen Flurstücke ... und ... Der zwischen dem nördlichem und den beiden südlichen Flurstücken in Ost-West-Richtung verlaufene Weg ist kein eigenständiges Flurstück, sondern erstreckt sich über Teilflächen der genannten drei Flurstücke in der Breite einer Fahrspur.

25

Mit der für die Bewilligung der Betriebsprämien des Jahres 2010 maßgeblichen Regelung des § 2a der InVeKoS-Verordnung in der Fassung der Zweiten Verordnung zur Änderung der Betriebsprämiendurchführungsverordnung und der InVeKoS-Verordnung vom 7. Mai 2010 (eBanz vom 10. Mai 2010, AT 51 2010 V1 - im Folgenden: InVeKoSV a.F.) hat sich die Bundesrepublik Deutschland dafür entschieden, die Mindestanforderung, bei deren Unterschreiten keine Betriebsprämie gewährt wird, über eine Mindestfläche zu definieren. Damit findet Art. 28 Abs. 1 Satz 1 Buchst. b VO (EG) Nr. 73/2009 Anwendung, der in § 2a InVeKoSV a.F. positiv formuliert ("wird nur gewährt, wenn") weitestgehend wort- und in der Sache inhaltsgleich wiedergegeben wird. Unterschreitet bereits die beantragte Fläche einen Hektar, so ist keine Beihilfe zu gewähren. Das führt im Ergebnis dazu, dass die Fläche im Sinne von Art. 2 Nr. 23 Halbs. 2 VO (EG) Nr. 1122/2009 „ermittelt" sein muss, auch wenn es auf diesen Begriff nicht ankommt. Die Erwägungsgründe 22 und 23 VO (EG) Nr. 73/2009 zeigen einen Gestaltungsspielraum der Mitgliedstaaten auf, der jenseits einer vernünftigen Relation von Verwaltungsaufwand und Zahlbetrag eine Steuerung zulassen soll, die die Struktur der Agrarwirtschaft berücksichtigt. Dem entspricht die Regelung des Art. 28 VO (EG) Nr. 73/2009 (zum Ganzen BVerwG, Beschluss vom 12. Juni 2014 - 3 B 12.14 - Rn. 5, 10, juris). Nach § 8 Abs. 1 InveKosV aF beträgt die Mindestgröße einer landwirtschaftlichen Parzelle, für die ein Antrag gestellt werden kann, 0,3 Hektar. Von der Möglichkeit nach § 8 Abs. 2 InveKosV aF, hiervon abweichend durch Rechtsverordnung eine noch kleinere Mindestgröße festzulegen, um besonderen regionalen Gegebenheiten Rechnung zu tragen, hat die Landesregierung durch die Landesverordnung zur Festlegung von Mindestgrößen für beihilfefähige landwirtschaftliche Parzellen vom 10. Oktober 2006 (GVOBl. S. 224) Gebrauch gemacht und in deren § 1 abweichend von § 8 Abs. 1 InVeKoSV die Mindestgröße einer landwirtschaftlichen Parzelle, für die ein Antrag gestellt werden kann, auf 0,1 ha bestimmt.

26

Dass nicht das bloße geographische - eher zufällige - Nebeneinander landwirtschaftlich genutzter Flächen genügt, sondern die gemeldete Fläche in einer Mindestgröße von 0,1 ha zusammenhängend landwirtschaftlich genutzt werden muss, hat das Verwaltungsgericht zutreffend dargestellt, hierauf wird gemäß § 130b VwGO Bezug genommen und insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe abgesehen.

27

Der Bewirtschaftungszusammenhang zwischen den beiden äußeren, nördlich (Flurstück ...) und südlich (Flurstücke ... und ...) belegenen Teilflächen wird durch die in Ost-West-Richtung zwischen ihnen verlaufene Teilfläche (die kein eigenständiges Flurstück ist), die als Weg genutzt wird, aufgehoben. Der Weg ist zu beiden Seiten mit fest verankerten Zäunen von den beiden anderen Teilflächen abgegrenzt und wird dadurch sichtbar von ihnen getrennt. Bereits die feste Einzäunung dieser Wegefläche führt zu einer dauerhaften Abtrennung von den beiden Nebenflächen und hebt damit den Bewirtschaftungszusammenhang zwischen den einzelnen Teilflächen auf. Die Einzäunung wird auch nicht durch Öffnungen wie Tore oder Gatter zum Weg hin unterbrochen, wie die anlässlich der Vor-Ort-Kontrolle gefertigten Lichtbildaufnahmen (Blatt 31 bis 38 der Verwaltungsakte) zeigen.

28

Insoweit - auch dies hat das Verwaltungsgericht zutreffend ausgeführt - sind allein die Verhältnisse im Antragsjahr 2010, wie sie durch die Lichtbildaufnahmen des Beklagten bei der Vor-Ort-Kontrolle am 27. Juli 2010 dokumentiert sind, entscheidend. Eine Inaugenscheinnahme der örtlichen Verhältnisse in einem Ortstermin würde demgegenüber allein über die Verhältnisse zum heutigen Zeitpunkt Aufschluss geben und sagt damit ebensowenig etwas über die streitentscheidenden Verhältnisse im Jahr 2010 aus wie die von der Klägerin in der mündlichen Verhandlung eingereichten Lichtbildaufnahmen aus dem Jahr 2011. Allerdings geht der Senat davon aus, dass sich die Verhältnisse im Jahr 2011 nicht wesentlich von denen im Jahr 2010 unterschieden haben.

29

Ausweislich der Lichtbildaufnahmen aus dem Jahr 2010 (ebenso im Folgejahr) wird der Bewirtschaftungszusammenhang zwischen den drei Teilflächen - sofern beim Weg überhaupt von überwiegend landwirtschaftlicher Nutzung ausgegangen werden könnte (dazu sogleich) - nicht nur durch die Abgrenzung durch jeweils einen Zaun von den nördlich und südlich von ihm liegenden beiden Teilflächen aufgehoben. Hinzukommt, dass der Weg mittlerweile wassergebundene feste Fahrpuren in Pkw-Breite aufweist, die - wenn man dem Vortrag der Klägerin folgte, nur sie befahre diesen Weg täglich, um ihre Tiere zu versorgen - zwar eine landwirtschaftliche Funktionsfläche wären, aber nicht mehr als Dauergrünland landwirtschaftlich genutzt werden und ihrerseits ebenfalls den Bewirtschaftungszusammenhang aufheben.

30

Nichts anderes folgt aus dem Urteil des Senats vom 22. November 2013 - 2 LB 13/12 -. In dem diesem Urteil zugrundeliegenden Fall hat der Senat nicht etwa angenommen, dass der Bewirtschaftungszusammenhang unbeschadet der dort verlegten Betonplatten in Spurbreite weiterhin bestehe. Er sah aufgrund der Dauerhaftigkeit der Betonspuren durchaus einen Unterschied zu den klassischen - und beihilfefähigen - regelmäßig wieder umgepflügten Fahrspuren in einzelnen Schlägen, und ging von jeweils getrennt bewirtschafteten Teilflächen, jenseits der beiden Fahrspuren und in der Mitte der Fahrspur, aus. Entscheidend war seinerzeit, dass der mit Gras bewachsene Mittelstreifen trotz seiner Breite von (lediglich) 0,80 Meter aufgrund seiner außerordentlichen Länge seinerseits die erforderliche Mindestgröße von 0,1 ha erreicht haben könnte, was noch zu ermitteln war. Der Senat hat auch in dieser Entscheidung betont, dass die (eigentlichen) Betonspuren keine beihilfefähige landwirtschaftliche Fläche darstellten, auch wenn sie ausschließlich der Erreichbarkeit der landwirtschaftlichen Fläche dienten und dass diese Betonspuren den Bewirtschaftungszusammenhang zwischen den einzelnen Teilflächen aufhoben. Sofern die Entscheidung anders verstanden werden könnte, wird daran ausdrücklich nicht mehr festgehalten.

31

In dem dem Urteil des Senats vom 22. November 2013 a.a.O. zugrundeliegenden Fall wurde aber der außerordentlich große Mittelstreifen tatsächlich als Dauergrünland genutzt und verlor - so die Erkenntnis des Senats in diesem Urteil (unter Bezugnahme auf das Urteil des EuGH vom 14. Oktober 2010 - Rs. C-61/09 -, juris) - seinen Charakter mit einer Hauptnutzung als landwirtschaftliche Fläche nicht dadurch, dass an ihm die Betonbahnen angrenzten.

32

Anders aber, als in dem genannten Urteil des Senats vom 22. November 2013 -2 LB 13/12 - verhält es sich in dem hier zu beurteilenden Fall. Der Bewirtschaftungszusammenhang wird hier noch durch einen dritten Umstand aufgehoben, nämlich durch die hauptsächliche Funktion des Weges als Verkehrseinrichtung, die hinter die behauptete landwirtschaftliche Nutzung der Wegefläche zurücktritt; auch das hat das Verwaltungsgericht zutreffend festgestellt.

33

Mit Art. 34 VO (EG) Nr. 73/2009 ist für den Fall sich überlagernder Nutzungen klargestellt worden, dass die Nutzung für eine landwirtschaftliche Tätigkeit die hauptsächliche Nutzung sein muss. Hierfür kommt es nach Art. 9 UAbs. 1 VO (EG) Nr. 1120/2009 darauf an, ob die landwirtschaftliche Tätigkeit ausgeübt werden kann, ohne von der nicht landwirtschaftlichen Tätigkeit durch deren Intensität, Art, Dauer oder Zeitpunkt stark eingeschränkt zu sein. Ob eine Nutzung für eine nichtlandwirtschaftliche Tätigkeit im Sinne von Art. 34 Abs. 2 Buchst. a VO (EG) Nr. 73/2009 vorliegt, ist mit Hilfe der Definition einer landwirtschaftlichen Tätigkeit in Art. 2 Buchst. c VO (EG) Nr. 73/2009 zu beantworten. Danach liegt eine landwirtschaftliche Tätigkeit etwa dann vor, wenn die Tätigkeit landwirtschaftliche Erzeugnisse hervorbringt oder dem Halten von Tieren zu landwirtschaftlichen Zwecken dient. Demgemäß ist eine Tätigkeit, der dieser spezifische Bezug fehlt, nicht landwirtschaftlicher Art. Zu diesen Vorschriften hat der Europäische Gerichtshof ins seinem (bereits genannten) Urteil vom 14. Oktober 2010 a.a.O. ausgeführt, dass überwiegende, abstrakte Zwecke, aber auch konkrete Nutzungsvorgaben des Naturschutzes eine landwirtschaftliche Nutzung (nur) deshalb nicht in Frage stellen, weil gerade in der Erhaltung von Flächen in einem gutem landwirtschaftlichen und ökologischen Zustand ein Element landwirtschaftlicher Tätigkeit liege.

34

Hiervon ausgehend hat das Bundesverwaltungsgericht für die Grünflächen eines Flughafens entschieden (BVerwG, Beschluss vom 26. November 2012 - 3 B 17/12 -, Rn. 6, juris), dass diese nicht nur dann für eine nichtlandwirtschaftliche Tätigkeit genutzt würden, wenn sie körperlich für den Luftverkehr in Anspruch genommen würden, etwa weil sie mit Fluggerät in Berührung kommen, das von den Rollflächen abkomme. Bereits der Umstand, dass die Flächen in einem Zustand zu halten seien, der den Bedürfnissen der Flugsicherheit entspreche, unterwerfe sie den Zwecken des Luftverkehrs und damit einer mit der Landwirtschaft konkurrierenden Nutzung. Entsprechend diene die Tätigkeit des Landwirts sowohl dem Luftverkehr als auch der Erzeugung von Grünfutter. Eine derartige Nutzungskonkurrenz sei gemäß Art. 34 Abs. 2 VO (EG) Nr. 73/2009 mit dem durch Art. 9 UAbs. 1 VO (EG) Nr. 1120/2009 konkretisierten Vorrang aufzulösen, indem auf die hauptsächliche Nutzung abzustellen sei. Entscheidend sei danach, inwieweit die landwirtschaftliche Nutzung durch die konkurrierende Nutzung begrenzt oder sogar überlagert werde. So berühre beispielsweise die Pflicht, eine Fläche von einer baulichen oder verkehrlichen Nutzung freizuhalten, nicht ohne Weiteres die Möglichkeit der landwirtschaftlichen Nutzung; auch beschränke die Vorgabe, eine Grasfläche in bestimmter Weise zu erhalten, nicht unbedingt die landwirtschaftliche Nutzung als Dauergrünland. Demgegenüber sei aber die bestehende Verpflichtung des Klägers, die Grashöhe der Teilfläche "B" konstant auf maximal 15 cm zu halten, ausschließlich den Vorgaben der Flugsicherheit geschuldet, so dass nicht mehr die landwirtschaftliche Nutzung im Vordergrund stehe.

35

Diese Entscheidung lässt sich ohne weiteres auf den vorliegenden Fall übertragen. Schon die Lage des Weges in einem Gebiet mit vormaligen Kleingärten (im Osten) und Einfamilienhäusern (im Westen) spricht für seine hauptsächliche Funktion als Verkehrseinrichtung. Denn der Weg führt, wie das Kartenmaterial und auch die Lichtbilder zeigen, nicht ausschließlich durch den Schlag ..., dient also nicht nur der Klägerin zur Verpflegung ihrer Tiere. Dies ergibt sich bereits daraus, dass der Weg nicht an seinem östlichen und westlichen Ende von den Grundstücken anderer Grundstückseigentümer - etwa durch einen Zaun - getrennt ist, sondern über den Schlag ... hinaus sowohl in Ost- als auch in West-Richtung weiter verläuft. Der Weg dient damit allgemein in diesem Gebiet als Zuwegung für die nördlich und südlich von ihm belegenen Grundstücke. Dabei führt der Weg an einer westlich von Schlag ... belegenen derzeit unbebauten Fläche zwischen Schlag ... und ... vorbei. Dieses verdeutlicht seine Funktion als Gemeinschaftsweg innerhalb der Wohn- und ehemaligen Kleingartenanlage. Dafür, dass dieser Weg nicht mehr von anderen Anliegern, insbesondere dem Eigentümer der zwischen Schlag ... und ... belegenen Fläche genutzt werden darf, finden sich keine objektiven Anhaltspunkte. Für die bloße Behauptung der Klägerin, andere seien von der Nutzung des Weges ausgeschlossen und nur sie allein befahre den Weg täglich mit ihrem Pkw, um ihre Tiere zu versorgen, gibt es keine äußeren, dies objektiv belegenen Umstände. Der Umstand allein, dass sie ein Schild „Kein Durchgang" aufgestellt hat, führt zu keiner anderen Betrachtungsweise. Die Klägerin hat trotz dieser Beschilderung den Weg, soweit er zwischen den von ihr bewirtschafteten Teilflächen des Schlages ... verläuft, nicht aus dem Gesamtverlauf des Weges (etwa durch weitere Zäune an den jeweiligen Enden des Weges) herausgenommen, möglicherweise auch, weil - täten dies auch die anderen Eigentümer der umliegenden Grundstücke - niemand (die Klägerin eingeschlossen) mehr die Möglichkeit hätte, an die Grundstücke heranzufahren.

36

Selbst wenn man eine auch landwirtschaftliche Nutzung des Weges unterstellt, wird diese durch die Nutzung der Fläche als Weg stark eingeschränkt. Der Weg wird nach Aussage der Klägerin zumindest von ihr selbst täglich mit dem PKW befahren. Dies beschränkt die Möglichkeit einer Beweidung erheblich. Der eingezäunte Weg ist so schmal, dass sich Schafe und Auto nicht gefahrlos begegnen können. Außerdem muss bei jeder Ein- und Ausfahrt darauf geachtet werden, dass keine Schafe die kleine Fläche vorher verlassen haben, wie die von der Klägerin vorgelegten Lichtbilder mit den auf dem Weg weidenden Schafen belegen, auf denen der Weg mit Gattern vom restlichen Wegverlauf abgetrennt worden ist. Die von der Klägerin angegebene Pflege des Weges in Form von Mähen, Ernten, Düngen und Nachsähen ist nicht belegt und stünde aufgrund der Enge des Weges außer Verhältnis zum dafür notwendigen Arbeitseinsatz; der Weg weist lediglich eine Fahrbahnbreite aufweist, Begegnungsverkehr ist nicht möglich. Der Einsatz von herkömmlichen landwirtschaftlichen Maschinen ist erschwert. Aufgrund der Enge des Weges eignet sich der Mittelstreifen eher für die regelmäßige Pflege mit einem handelsüblichen Rasenmäher, möglicherweise auch mit einem Sitzmäher, wie dies für kleingärtnerische, aber nicht für landwirtschaftliche Tätigkeit üblich ist. Die stark mit Giersch bewachsenen Seitenstreifen deuten allenfalls auf eine gelegentliche (2 bis 3 x im Jahr) Pflege mit der Motorsense.

37

Zwar kommt es aufgrund des Umstandes, dass zwischen den Teilflächen, die jede für sich kleiner als 0,1 ha sind, kein Bewirtschaftungszusammenhang besteht, nicht mehr darauf an, ob die Seitenstreifen der Wegefläche von der Pflanzenzusammensetzung her schon nicht als Grünland - so der Beklagte - angesehen werden können. Jedoch gibt dies dem Senat Anlass zu folgender Anmerkung:

38

Auch die neben den ganzjährig unbewachsenen Fahrspuren befindlichen Seitenstreifen stellen Grünland dar. Dies folgt unmittelbar aus Art. 2 Buchst. c der Verordnung Nr. 1120/2009. Die dort enthaltene gesetzliche Definition des Begriffs „Dauergrünland“ hat folgenden Wortlaut:

39

„Dauergrünland“: Flächen, die durch Einsaat oder auf natürliche Weise (Selbstaussaat) zum Anbau von Gras oder anderen Grünfutterpflanzen genutzt werden und mindestens fünf Jahre lang nicht Bestandteil der Fruchtfolge des landwirtschaftlichen Betriebs waren, (...); zu diesem Zweck sind „Gras oder andere Grünfutterpflanzen“ alle Grünpflanzen, die herkömmlicherweise in natürlichem Grünland anzutreffen oder normalerweise Teil von Saatgutmischungen für Grünland oder Wiesen in dem Mitgliedstaat sind (unabhängig davon, ob die Flächen als Viehweiden genutzt werden). Die Mitgliedstaaten können Kulturpflanzen einschließen, die in Anhang I aufgeführt sind.

40

In diesem Zusammenhang wird der Begriff „Grünland“ in Art. 2 Buchst. d der Verordnung Nr. 1120/2009 folgendermaßen definiert:

41

„Grünland“: Ackerland, auf dem Gras erzeugt wird, wobei es sich um eingesätes oder natürliches Grünland handeln kann; für die Anwendung von Artikel 49 der Verordnung (...) Nr. 73/2009 zählt hierzu auch Dauergrünland.

42

Dass Giersch (Aegopodium podagraria) kein Gras ist und auch normalerweise (zumindest in der Bundesrepublik Deutschland) nicht Teil von Saatgutmischungen für Grünland oder Wiesen ist, ist unerheblich. Es genügt danach, dass der auf den Seitenstreifen wachsende Giersch eine Grünfutterpflanze ist, die herkömmlicherweise in natürlichem Grünland vorkommt. Dementsprechend betont auch der EuGH in seinem Urteil vom 2. Oktober 2014 - C-47/13 - (juris), dass es entscheidend darauf ankommt, dass es sich um eine Grünfutterpflanze handelt. Dies gilt - so der EuGH - nach der Definition von „Dauergrünland“ in Art. 2 Buchst. c der VO (EG) Nr. 1120/2009 selbst dann, wenn die landwirtschaftliche Fläche, die gegenwärtig und seit mindestens fünf Jahren zum Anbau von Gras oder anderen Grünfutterpflanzen genutzt wird, in diesem Zeitraum umgepflügt und eine andere als die zuvor dort angebaute Grünfutterpflanzenart eingesät wird. Gräser wie beispielsweise Schwingel, Weidelgras, Knaulgras, Lieschgras und Kreuzungen sowie andere Grünfutterpflanzen wie zum Beispiel sämtliche Kleearten, Luzerne und Serradella und Esparsette bilden demnach eine einzige landwirtschaftliche Kultur.

43

Aufgrund des fehlenden Bewirtschaftungszusammenhangs zwischen den Teilflächen, die jede für sich kleiner als 0,1 ha und damit nicht beihilfefähig sind, kommt es desweiteren auch nicht mehr auf die Einwendungen der Klägerin gegen die einzelnen Ergebnisse der Vermessungen auf den beiden Flurstücken ... und ..., insbesondere zur Größe der Landschaftselemente und der Nutzfläche, sowie auf ihren Vortrag in der mündlichen Verhandlung, auch auf diesen Flächen wachse nach dem Abweiden regelmäßig wieder Gras (was allerdings selbst nach den von ihr vorgelegten Lichtbilder für eine Einstufung als Grünland mehr als zweifelhaft ist), ebenfalls nicht mehr an. Gleichwohl verweist der Senat zur rechtlichen Zulässigkeit und zur Genauigkeit der Vermessung mittels GPS gemäß § 130b VwGO auf die zutreffenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts in dem angegriffenen Urteil (dort allerdings zu Schlag 4).

44

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO, die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit aus § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. § 708 Nr. 10, § 711 ZPO.

45

Die Revision wird nicht zugelassen, da entsprechende Zulassungsgründe (§ 132 Abs. 2 VwGO) nicht vorliegen.


Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kosten des Verfahrens, einschließlich der Kosten des Beigeladenen, werden der Klägerin auferlegt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Rechtmäßigkeit eines Widerspruchsbescheids, mit dem der Beklagte zur Festsetzung und Zuweisung von zusätzlichen Zahlungsansprüchen an den Beigeladenen im Rahmen der landwirtschaftlichen Betriebsprämienregelung verpflichtet wird.

2

Der Beigeladene ist Haupterwerbslandwirt in B. Er bewirtschaftet eine Fläche von rund 147 ha, auf denen er Getreide und Futter für seine Milchkühe anbaut und im Übrigen Wiesen unterhält. Für die Schläge 2, 4, 19, 21, 43, 46, 50 und 61 war im Jahre 2003 als Kulturart „Wiese“ und in der Rubrik Antragsfläche „F“ angegeben (Blatt 194 ff. des Verwaltungsordners). Die Schläge 73 und 142 waren in dem damaligen Flächennachweis noch nicht enthalten.

3

Mit Formularantrag „Agrarförderung 2005“ und der Anlage „Betriebsprämie 2005“, eingegangen am 12. April 2005, beantragte er die Festsetzung und Zuweisung von Zahlungsansprüchen. In dem diesbezüglichen Flächennachweis hatte er für die Schläge 2, 4, 19, 21, 43, 46, 50, 61 und 73 die Kulturart „Wiese“ durchgestrichen und durch „Kleegras“ ersetzt. In der Rubrik „Nutzung 2003, 2004“ war insoweit jeweils „DG“ angegeben (Blatt 25 ff. des Verwaltungsordners). In den Ergänzungen zum Flächennachweis wurde erstmals der Schlag 142 mit „Kleegras“, allerdings ohne eine frühere Nutzungsart, aufgeführt (Blatt 45 des Verwaltungsordners). Für den hier nicht umstrittenen Schlag 69 war z.B. die Kulturart „Ackergras“ und die Nutzung „AL“ eingetragen.

4

Mit einem ebenfalls am 12. April 2005 eingegangenen formlosen Antrag begehrte der Beigeladene, die Schläge 2, 4, 21, 43, 46, 50, 61, 73 und 142 im Wege einer Härtefallregelung als Ackerflächen einzustufen. Hierzu trug er vor, die genannten Flächen seien im Jahre 1996 erstmals mit einer Weidelgrasmischung eingesät worden. Im Jahre 2001 habe er die Flächen umgebrochen und mit einer Kleegrasmischung neu eingesät. Bis zum Jahre 2002 habe er diese Flächen als Ackerfutterflächen im Flächennachweis geführt. Da verschiedene Ackerfutterflächen unmittelbar an Grünlandflächen angrenzten und um größere Schläge bilden zu können, habe ihm die Kreisverwaltung bei der Antragstellung im Jahre 2002 empfohlen, die genannten Ackerflächen als Grünflächen zu benennen. Dadurch würden ihm keine Nachteile entstehen, denn die Flächen würden auch weiterhin mit „a“ gekennzeichnet und hätten somit als Ackerflächen Bestandsschutz. Deshalb habe er die Flächen im Flächennachweis 2002 erstmals als Grünland angegeben.

5

Mit Bescheid vom 20. Februar 2006 setzte der Beklagte 41,92 Acker-Zahlungsansprüche, 3,66 Stilllegungs-Zahlungsansprüche und 101,54 Grünland-Zahlungsansprüche fest. Der betriebsindividuelle Betrag wurde auf 12.160,70 € festgesetzt. Der Härtefallantrag wurde abgelehnt, weil keine Ackerflächen in extensiv zu bewirtschaftendes Dauergrünland im Rahmen einer Agrarumweltmaßnahme umgewandelt und gefördert worden seien.

6

Hiergegen legte der Beigeladene mit Schreiben vom 14. März 2006 Widerspruch ein, der zunächst nicht begründet war. Nach telefonischer Rücksprache mit dem Beigeladenen verstand der Beklagte den Widerspruch so, dass er sich gegen die Festsetzung der Dauergrünland-Zahlungsansprüche für diejenigen Flächen richte, „die 2003 Wiese, davor + danach als Kleegras / sonst. HF beantragt waren“.

7

Nach Überprüfung der Flächennachweise kam der Beklagte zu dem Ergebnis, dass auf den genannten Schlägen – mit Ausnahme des wohl neu entstandenen Schlags 142 – von 1998 bis einschließlich 2001 „andere Futterpflanzen als Silomais, Futterrüben, Luzerne, Klee, Kleegras, Ackergras, Klee-Luzerne-Gemisch und Rohrglanzgras“ aus der Gruppe Ackerfutter als Hauptfutterfläche (Kennziffer 429) angebaut wurden. Von 2002 bis einschließlich 2004 war „Wiese ohne Beweidung“ aus der Gruppe Dauergrünland als Hauptfutterfläche (Kennziffer 451) angegeben. Für 2005 war auf den strittigen Schlägen Kleegras aus der Gruppe Ackerfutter (Kennziffer 422) angegeben. Während der Schlag 19 im Jahre 2005 hinsichtlich des Flurstücks 63 (0,1030 ha) mit der Kulturart Kleegras als Ackerland erfasst wurde, wurde derselbe Schlag 19 hinsichtlich der Flurstücke 29/2 und 29/3 (2,0248 ha) mit der Kulturart Kleegras als Dauergrünland erfasst. Der Schlag 142 wurde im Jahre 2005 hinsichtlich der Flurstücke 38/1 und 42 (2,1799 ha) mit der Kulturart Kleegras als Ackerland erfasst (Blatt 237 des Verwaltungsordners).

8

Unter dem 15. September 2006 erging ein Änderungsbescheid, mit dem die Grünland-Zahlungsansprüche von bisher 101,54 auf 101,35 reduziert wurden. Die übrigen Festsetzungen des Ausgangsbescheids blieben unverändert.

9

Mit Schreiben vom 19. Januar 2007 wurde die Widerspruchsbegründung vorgelegt. Hierin legte der Prozessbevollmächtigte des Beigeladenen dar, die Schläge 2, 4, 19, 21, 43, 46, 50, 61, 73 und 142 seien zu Unrecht als Dauergrünland gewertet worden, denn tatsächlich handele es sich um Ackerland. So seien die den Schlägen zugrunde liegenden Flächen im Jahre 1996 zur Futtergewinnung mit Kleegras eingesät worden. Im Jahre 2001 seien sie umgebrochen und in den Folgejahren als Ackerfutterflächen mit Weidelgras genutzt worden. Bis zum Jahre 2002 seien sie auch als Ackerflächen deklariert worden. Dann seien auf Anraten des Beklagten die neuen Schläge gebildet worden; sie seien als Grünland mit dem Zusatz „a“ für Ackerland umdeklariert worden. Man habe dem Beigeladenen gesagt, der Charakter als Acker bleibe erhalten. Auch in den Folgejahren seien die Flächen als Ackerfutterflächen genutzt worden. Bei Inkrafttreten der EG-Agrarreform im Jahre 2005 habe der Sachbearbeiter dem Beigeladenen geraten, einen Härtefallantrag zu stellen, denn die Behörde hätte nicht vorausgesehen, dass die Schläge jetzt nur noch als Dauergrünland berücksichtigt werden könnten. Da der Behörde die Hintergründe bekannt gewesen seien, stelle die maschinelle Erfassung der tatsächlichen Ackerflächen als Dauergrünlandflächen einen offensichtlichen Fehler im Sinne des Gemeinschaftsrechts dar, der jederzeit berichtigt werden könne. Wenn dies bei dem Schlag 142 erfolgt sei, sei nicht nachvollziehbar, weshalb dies bei den übrigen Schlägen nicht ebenfalls gemacht werde.

10

Der Sachbearbeiter des Beklagten bestätigte in einer Stellungnahme vom 11. Juni 2006 den Vortrag des Beigeladenen und führte ergänzend aus, dass es für die Art des Zahlungsanspruchs nach neuem Recht nur noch auf die Angaben im Flächennachweis von 2003 ankomme. Demnach sei hier von Grünland-Zahlungsansprüchen auszugehen. Ein Härtefall sei nicht ersichtlich.

11

Mit Widerspruchsbescheid vom 20. November 2007 hob der Kreisrechtsausschuss des Beklagten die Festsetzung der Dauergrünland-Zahlungsansprüche für die Schläge 2, 4, 19, 21, 43, 46, 50, 61 und 73 auf und verpflichtete den Beklagten, stattdessen 15,90 Acker-Zahlungsansprüche festzusetzen und zuzuweisen. Der Schlag 142 sei bereits im Ausgangsbescheid entsprechend berücksichtigt worden und deshalb nicht mehr im Streit. Zur Begründung war ausgeführt, dass ein offensichtlicher Fehler im Sinne des EG-Rechts vorliege. Die im Jahre 2002 einvernehmlich erfolgte Umdeklarierung der genannten Ackerflächen in Grünlandflächen mit dem Zusatzvermerk „a“ habe infolge der inzwischen eingetretenen Rechtsänderung dazu geführt, dass diese Flächen jetzt gegen den Willen beider Widerspruchsparteien ihre Ackerfähigkeit verloren hätten. Dies hätte der Sachbearbeiter des Beklagten erkennen müssen. Dem Beigeladenen sei insoweit kein Vorwurf zu machen. Reduziere man den Wert der 15,90 Acker-Zahlungs-ansprüche um den Wert der entsprechenden Grünland-Zahlungsansprüche, ergebe sich ein zusätzlich zu gewährender Zahlungsanspruch im Wert von 3.632,20 €.

12

Am 21. Dezember 2007 hat die Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion Trier – ADD – Beanstandungsklage erhoben. Sie trägt vor, ob einer Fläche ein Acker- oder Dauergrünland-Zahlungsanspruch zugeteilt werde, hänge nach § 5 Abs. 3 Nr. 2 BetrPrämDurchfG und § 11 Abs. 1 InVeKoSV allein davon ab, wie diese Fläche am 15. Mai 2003 genutzt worden sei. Insoweit werde auf die 2003 erfolgten Meldungen zur landwirtschaftlichen Betriebsdatenbank zurückgegriffen. Flächen, die damals noch nicht gemeldet worden seien, erhielten nach Art. 32 Abs. 4 VO(EG) Nr. 795/04 automatisch den Status als Dauergrünland, es sei denn, der Betriebsinhaber könne nachweisen, dass er die Flächen 2003 nicht als Dauergrünland genutzt habe. Insoweit sei jedoch der Fünfjahreszeitraum des Art. 2 Nr. 2 VO(EG) Nr. 796/04 zu berücksichtigen. Der Kreisrechtsausschuss habe übersehen, dass der Beigeladene die strittigen Flächen von 1996 bis einschließlich 2000 mit Kleegras und von 2001 bis 2003 mit Weidelgras zum Grünfutteranbau und damit als Dauergrünland genutzt habe. Der bloße Umbruch im Jahre 2001 mache aus den Grünlandflächen noch keine Ackerflächen. Deshalb sei die Erfassung als Dauergrünland korrekt. Nur bei einer Nutzung mit Ackergras wären Zahlungsansprüche für Ackerland in Betracht gekommen. Im Übrigen sei die seinerzeitige Auskunft der Kreisverwaltung nicht zu beanstanden. Sie habe sich auf den damaligen Rechtszustand bezogen; die spätere Rechtsänderung sei nicht vorhersehbar gewesen.

13

Die Klägerin beantragt,

14

den Widerspruchsbescheid vom 20. November 2007 aufzuheben.

15

Der Beklagte beantragt,

16

zu entscheiden, wie rechtens.

17

Er trägt vor, der Wille der Widerspruchsparteien sei darauf gerichtet gewesen, die Flächen als ausgewiesenes Ackerland kodifiziert zu erhalten. Dies sei nach neuem Recht nicht mehr möglich gewesen. Der zuständige Sachbearbeiter der Ausgangsbehörde hat in der mündlichen Verhandlung bestätigt, dass die strittigen Flächen seit dem Jahre 2002 entgegen ihrer Erfassung als Wiese (Kennziffer 451) in Wirklichkeit als Ackerfutterflächen (Kennziffer 422 bzw. 429) genutzt worden seien. Er sei damals davon ausgegangen, dass Ackerfutterflächen und Wiesenflächen zu einem Schlag vereinigt werden durften. Aus der Sicht der Ausgangsbehörde hätten im Jahre 2005 alle Kleegras-Flurstücke als Dauergrünland erfasst werden müssen. Die Tatsache, dass drei Kleegras-Flurstücke als Ackerland erfasst wurden, sei aus damaliger Sicht irrtümlich erfolgt.

18

Der Beigeladene beantragt,

19

die Klage abzuweisen.

20

Bei den strittigen Flächen handele es sich seit 1996 um Ackerland und nicht um Dauergrünland. Selbst wenn es sich in den Jahren 1996 bis 2000 um Dauergrünland gehandelt hätte, wären die Flächen spätestens durch den Umbruch im Jahre 2001 zu Ackerland geworden. Diesen Status hätten sie auch noch im Jahre 2003 gehabt. Der Beigeladene räumt ein, dass ein Härtefall nicht vorliegt.

21

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift und die beigezogenen Verwaltungsvorgänge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

22

Die nach § 17 AGVwGO zulässige Beanstandungsklage der ADD ist unbegründet. Der Kreisrechtsausschuss des Beklagten hat als zuständige Widerspruchsbehörde zu Recht einen offensichtlichen Irrtum im Sinne des Art. 19 VO(EG) Nr. 796/04 anerkannt und den Beklagten verpflichtet, anstelle von 15,90 Dauergrünland-Zahlungsansprüchen nunmehr 15,90 Acker-Zahlungsansprüche zugunsten des Beigeladenen festzusetzen und zuzuweisen.

23

Nach der genannten Vorschrift kann ein Beihilfeantrag jederzeit berichtigt werden, wenn die zuständige Behörde offensichtliche Irrtümer anerkennt. Dem steht es gleich, wenn die zuständige Widerspruchsbehörde im Widerspruchsverfahren einen offensichtlichen Irrtum anerkennt (Grundsatz der Einheit der Verwaltung). Der Begriff des offensichtlichen Irrtums wird im Gemeinschaftsrecht nicht definiert. Allerdings gibt es zu dem inhaltsgleichen, früheren Art. 12 VO(EG) Nr. 2419/07 ein Arbeitsdokument der Kommission aus dem Jahre 2002 (AGR 49533/2002), das insoweit einige Leitlinien enthält. Das Arbeitsdokument betont zunächst, dass für die Beurteilung eines offensichtlichen Irrtums auf die Gesamtheit der Fakten und Umstände jedes einzelnen Falles abzustellen ist und nennt dann beispielhaft einige Kategorien, die im allgemeinen als offensichtliche Irrtümer qualifiziert werden können. Dazu gehören Schreibfehler, Rechenfehler, nicht ausgefüllte Kästchen, falsche Kennzahlen, widersprüchliche Angaben im Formular, Widersprüche zwischen den Belegen zur Stützung des Beihilfeantrags und dem Antrag selbst, usw. Außerdem muss der Antragsteller gutgläubig gewesen sein.

24

Folgt man diesen Ausführungen, dann ist ein offensichtlicher Irrtum am ehesten dadurch gekennzeichnet, dass er sich als irrtümliche Falschbezeichnung erweist (falsa demonstratio non nocet). Dies setzt voraus, dass der wahre Wille des Erklärenden bzw. der an einer Erklärung Beteiligten erkennbar auf etwas anderes gerichtet ist und dass insoweit auch keine Betrugsabsicht oder ein vergleichbares Verschulden vorliegt (Zum Ganzen vgl. VG Aachen, Urteil vom 30. Mai 2007 – 3 K 34/07 -).

25

Diese Voraussetzungen liegen vor. Die im Jahre 2005 erfolgte Erfassung der Erklärungen des Klägers aus dem Flächennachweis 2003 stimmt nicht mit dem überein, was mit der alten Erklärung zum Ausdruck gebracht werden sollte. Die seit dem Jahre 2002 erfolgte Deklarierung als Dauergrünland erfolgte nur zum Schein bzw. zur Bildung größerer Schläge. Dies war rechtswidrig, denn nach § 3 Abs. 4 der seinerzeit geltenden FlächenzahlungsVO war ein Schlag gleichbedeutend mit einer Parzelle im Sinne jener Vorschrift, d.h. diese Fläche durfte nur insgesamt mit einer Fruchtart bestellt oder stillgelegt sein, auch wenn sie sich aus mehreren Flurstücken zusammensetzte. Die Fruchtarten aus der Gruppe Ackerfutter unterschieden sich aber schon immer von den Fruchtarten aus der Gruppe Dauergrünland. In Wahrheit wurden die strittigen (Teil-)Flächen damals nicht als Wiesen, sondern als Kleegras- bzw. Weidelgrasflächen genutzt. Folglich konnten sie nicht mit den angrenzenden Wiesenflächen zu einem Schlag vereinigt werden. An der konkreten Nutzung hatte sich bis 2005 nichts geändert. Und gerade wenn es im Jahre 2002 nicht vorhersehbar war, dass die unzutreffende Deklaration als Dauergrünland für die spätere Betriebsprämie von entscheidender, anspruchsmindernder Bedeutung sein würde, kann dem Kläger nicht unterstellt werden, er sei sich über die Reichweite seiner Erklärung im Klaren gewesen. Der offensichtliche Irrtum entspricht daher am ehesten noch der gemeinschaftsrechtlichen Kategorie des Widerspruchs zwischen den Belegen zur Stützung des Beihilfeantrags (nämlich den Angaben in der Betriebsdatenbank) und dem Antrag selbst (der sich auf die tatsächliche Nutzung seit dem Jahre 2002 bezog).

26

Grundsätzlich ist es zwar richtig, dass bei der Zuteilung von Zahlungsansprüchen im Rahmen des flächenbezogenen Betrags nach dem in Deutschland geltenden Kombinationsmodell auf die tatsächliche Nutzung am 15. Mai 2003 abzustellen ist. Das ergibt sich aus § 11 Abs. 1 Satz 2 InVeKoSV. Insoweit ist es grundsätzlich auch nicht zu beanstanden, wenn auf die Angaben zurückgegriffen wird, die damals an die landwirtschaftliche Betriebsdatenbank übermittelt wurden. Denn nach Art. 32 Abs. 4 lit. a VO (EG) Nr. 795/04 gelten die im Jahre 2003 angemeldeten Dauergrünlandflächen auch als Dauergrünlandflächen für das Antragsjahr 2005. Gleichwohl schließt das nicht aus, dass die Angaben in der Betriebsdatenbank objektiv falsch waren. Dies war hier der Fall, denn die strittigen Flächen wurden am 15. Mai 2003 jedenfalls nicht als Dauergrünland genutzt. Das ergibt sich aus Folgendem:

27

Art. 61 VO (EG) Nr. 1782/03 ermächtigt die Mitgliedstaaten, bei Anwendung des regionalen Modells nach Art. 59 den Wert der Zahlungsansprüche in unterschiedlicher Höhe festzusetzen. Die Mitgliedstaaten dürfen insoweit entweder nach Grünland und sonstigen förderfähigen Hektarflächen oder nach Dauergrünland und sonstigen förderfähigen Hektarflächen differenzieren. Grünland ist Ackerland, auf dem Gras erzeugt wird (Art. 2 lit. e VO(EG) Nr. 795/04). Es ist weder identisch mit Dauergrünland im Sinne des Art. 2 Abs. 2 VO(EG) Nr.796/04 noch mit den Dauerkulturen (Art. 2 lit. c VO(EG) Nr. 795/04, geändert durch VO(EG) Nr. 1522/07). Deutschland hat von dieser Ermächtigung Gebrauch gemacht und sich in § 5 Abs. 3 Nr. 2 BetrPrämDurchfG für die Alternative „Dauergrünland oder sonstige beihilfefähige Flächen“ entschieden. Weder die gemeinschaftsrechtliche Ermächtigungsnorm noch die nationale Durchführungsbestimmung enthalten den Begriff „Ackerland“. Entscheidend ist nach deutschem Recht allein, ob eine Fläche als Dauergrünland oder als sonstige beihilfefähige Fläche genutzt wird. Insoweit verdient es festgehalten zu werden, dass Deutschland auch nicht von der zusätzlichen Möglichkeit des Art. 32 Abs. 4, letzter Unterabsatz, VO(EG) Nr. 795/04, geändert durch VO(EG) Nr. 1974/04, Gebrauch gemacht hat und Flächen, die im Jahre 2003 und mindestens fünf Jahre vorher durchgehend zum Anbau von Gras und anderen Grünfutterpflanzen genutzt wurden, zum Dauergrünland rechnet. Dies ergibt sich – wie noch auszuführen ist – aus § 7 Abs. 2 InVeKoSV.

28

Es ist deshalb keineswegs so, dass alles, was nicht unter den Begriff des Ackerlandes im Sinne der Legaldefinition des Art. 2 Abs. 1 VO (EG) Nr. 796/04 fällt, automatisch Dauergrünland wäre. Sondern es ist umgekehrt so, dass alles, was kein Dauergrünland im Sinne des Art. 2 Abs. 2 VO (EG) Nr. 796/04 ist, eine sonstige förderfähige Fläche ist, sofern die Förderfähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist. Wenn die deutsche Verwaltungspraxis bei der Zuteilung der Zahlungsansprüche dennoch zwischen Ackerland und Dauergrünland unterscheidet, dann nur deshalb, weil der Begriff „Ackerland“ hier vereinfachend für „sonstige beihilfefähige Flächen“ verwendet wird (vgl. die vom Bundesministerium für Verbraucherschutz, Ernährung und Landwirtschaft herausgegebene Broschüre „Meilensteine der Agrarpolitik“, Ausgabe 2005, S. 20). – Dass die deutsche Verwaltungspraxis daneben noch eine dritte Art von Zahlungsansprüchen für Stilllegungsflächen kennt, ist angesichts der geschilderten Rechtslage nicht ohne weiteres nachvollziehbar (und wohl auch nicht von Art. 107 in Verbindung mit Art. 100, 66 und 71 VO(EG) Nr. 1782/03 gedeckt), bedarf aber hier keiner Entscheidung, weil die diesbezüglichen Zahlungsansprüche nicht im Streit sind.

29

Der Begriff Dauergrünland findet sich zunächst in Art. 5 Abs. 2 VO(EG) Nr. 1782/03, der die Mitgliedstaaten verpflichtet, die im Jahre 2003 als Dauergrünland genutzten Flächen zu erhalten. Nach der Legaldefinition des Art. 2 Abs. 2 VO (EG) Nr. 796 /04 besteht Dauergrünland aus Flächen, die durch Einsaat oder auf natürliche Weise zum Anbau von Gras oder anderen Grünfutterpflanzen genutzt werden und mindestens fünf Jahre lang nicht Bestandteil der Fruchtfolge des landwirtschaftlichen Betriebs waren, ausgenommen Flächen im Rahmen von bestimmten Stilllegungsregelungen. Neu eingesäte bzw. neu angelegte Dauergrünlandflächen gelten gemäß Art. 4 Abs. 2, letzter Unterabsatz, VO(EG) Nr. 796/04 schon vom ersten Tag der Einsaat bzw. der Anlegung als Dauergrünland. Welche Grasarten und welche Grünfutterarten hierbei im Einzelnen gemeint sind, wird nicht ausdrücklich definiert. Allerdings bestimmt Art. 2 Abs. 2 a VO (EG) Nr. 796/04 (eingeführt durch Art. 1 der rückwirkend zum 1. Januar 2005 in Kraft getretenen VO (EG) Nr. 239/05), dass der Begriff „Gras oder andere Grünfutterpflanzen“ alle Grünpflanzen umfasst, die herkömmlicher Weise in natürlichem Grünland anzutreffen sind oder die normalerweise Teil von Saatgutmischungen für Grünland oder Wiesen in dem Mitgliedstaat sind, unabhängig davon, ob die Flächen als Viehweiden genutzt werden. Die Mitgliedstaaten können Kulturpflanzen einschließen, die im Anhang IX der VO (EG) Nr. 1782/03 aufgeführt sind. Von der zuletzt genannten Möglichkeit hat Deutschland jedoch keinen Gebrauch gemacht. Im Gegenteil: § 7 Abs. 2 Nr. 2lit. e InVeKoSV erfasst lediglich die Dauergrünlandflächen im Sinne von Art. 5 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1782/03 in Verbindung mit Art. 2 Nr. 2, Art. 4 Abs. 2 VO (EG) Nr. 796/04. Nach der ausdrücklichen Vorschrift des § 7 Abs. 2 Nr. 2lit. f InVeKoSV werden davon jedoch nicht solche Flächen erfasst, die für den Anbau von Klee, Kleegras, Luzerne, Gras, Klee-Luzerne-Gemische oder als Wechselgrünland genutzt werden. Letztere bilden eine eigenständige Kategorie neben dem Dauergrünland. Dementsprechend unterscheidet auch § 11 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 und 2 InVeKoSV zwischen Flächen im Sinne des § 7 Abs. 2 Nr. 2 lit. a, b, e, g und i (also ohne f) und sonstigen Ackerflächen. Daraus folgt zugleich, dass Deutschland von der weiter oben zitierten Ermächtigung des Art. 32 Abs. 4, letzter Unterabsatz, VO(EG) Nr. 795/04 ebenfalls keinen Gebrauch gemacht hat. Infolgedessen hat das Land Rheinland-Pfalz in der Liste der Frucht- und Kulturarten unter den Kennziffern 441 bis 459 nur folgende Kulturarten als Dauergrünland zusammengefasst: Wiesen, Mähweiden, Weiden, Streuobstwiesen, Hufungen und „alle anderen Dauergrünlandnutzungen“. Die anderen Dauergrünlandnutzungen sind von den Dauerkulturen im Sinne der Kennziffern 851 bis 890 zu unterscheiden. Kleegras gehört in Rheinland-Pfalz weder zum Dauergrünland noch zu den Dauerkulturen, sondern zum Ackerfutter (Kennziffer 422).

30

Deshalb widerspricht es den gesetzlichen Vorgaben in § 7 Abs. 2 Nr. 2 lit. e und f InVeKoSV, wenn die vom Bundesministerium herausgegebenen „Meilensteine der Agrarpolitik“, Ausgabe 2005, auf Seite 100 den ununterbrochenen Anbau von Klee, Kleegras, Luzerne, Gras, Klee-Luzerne-Gemische zum Dauergrünland rechnet. Außerdem ist die Broschüre sogar insoweit widersprüchlich, als Kleegras in der Tabelle auf Seite 118 als Ackerland gewertet wird, während es auf Seite 100 zum Dauergrünland gerechnet wird. Die bloße Tatsache, dass bestimmte Kulturarten fünf Jahre lang zur Futtergewinnung angebaut werden, bedeutet nicht, dass die entsprechenden Flächen deshalb zwangsläufig als Dauergrünland im Sinne des Gesetzes zu betrachten sind.

31

Was nicht zum Dauergrünland gehört, kann jedoch zu den „sonstigen förderfähigen Flächen“ gehören. Dazu gehört zunächst einmal das Ackerland im Sinne des Art. 2 Abs. 1 VO (EG) Nr. 796/04, d.h. einschließlich der Stilllegungsflächen. Ferner gehören dazu alle landwirtschaftlichen Betriebsflächen, deren Förderfähigkeit nicht ausdrücklich ausgeschlossen ist. Ausdrücklich ausgeschlossen ist die Förderfähigkeit von Flächen, die für Dauerkulturen, Wälder oder nicht landwirtschaftliche Tätigkeiten genutzt werden, wobei jedoch bestimmte Dauerkulturen gleichwohl als förderfähig erachtet werden (Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1782/03, geändert durch die VO (EG) Nr. 1182/07 vom 26. Juli 2007). Irritierend ist, dass Art. 44 Abs. 2 VO (EG) Nr. 1782/03 nur zwischen Ackerland und Dauergrünland und nicht wie Art. 61 zwischen Dauergrünland, Grünland und sonstigen förderfähigen Flächen unterscheidet. Nach Überzeugung der Kammer folgt jedoch aus den bisherigen Ausführungen, dass Art. 44 Abs. 2 nur eine ungenaue Ausdrucksweise des Gemeinschaftsgesetzgebers enthält, die keinen bewussten Gegensatz zu den übrigen Vorschriften bilden sollte. Eine Vorabentscheidung durch den EuGH ist nach Auffassung der Kammer nicht erforderlich. Es bleibt daher festzuhalten, dass es nicht auf die Alternative Dauergrünland oder Ackerland, sondern auf die Alternative Dauergrünland oder sonstige förderfähige Fläche ankommt.

32

Aus alledem folgt, dass die strittigen Flächen am 15. Mai 2003 zu den sonstigen förderfähigen Flächen und nicht zum Dauergrünland gehörten. Der Beklagte hat bestätigt, dass die Flächen im Jahre 2003 und in den Jahren davor entweder mit Kleegras oder mit anderen Futterpflanzen bebaut waren, die in der Gruppe „Ackerfutter als Hauptfutterfläche“ und nicht in der Gruppe „Dauergrünland als Hauptfutterfläche“ aufgelistet sind. Folglich war die Deklarierung als Dauergrünland objektiv falsch. Richtig wäre es gewesen, die Flächen als sonstige förderfähige Flächen, bzw. als „Ackerland“ entsprechend der deutschen Verwaltungspraxis zu erfassen.

33

Der Fehler war auch offenkundig. Dass es überhaupt dazu kam, ist nur dadurch zu erklären, dass die landwirtschaftlichen Subventionsbescheide von dem Statistischen Landesamt in Bad Ems erstellt werden. Dort wird die landwirtschaftliche Betriebsdatenbank geführt. Der Computer übernimmt rein schematisch die Eintragungen, die im Jahre 2003 gemeldet wurden. Anschließend werden die Bescheide an die Untere Landwirtschaftsbehörde übersandt, die sie an die Adressaten weiterleitet. Vorliegend hat der Sachbearbeiter nach eigenen Angaben den Bescheid vor der Absendung an den Beigeladenen überprüft und festgestellt, dass die strittigen Flächen als Dauergrünland gewertet wurden. Er hat sich jedoch außer Stande gesehen, „die landwirtschaftliche Betriebsdatenbank umzukodieren“. An die Möglichkeit der Anerkennung eines offensichtlichen Irrtums hat er dabei nicht gedacht.

34

Dem Beigeladenen ist kein Schuldvorwurf zu machen. Er hat gutgläubig auf die Angaben des Sachbearbeiters vertraut. Ihn trifft nicht einmal leichte Fahrlässigkeit, denn vom Bürger kann nicht verlangt werden, dass er die Rechtslage besser durchschaut als die zuständige Fachbehörde.

35

Nach alledem hat der Kreisrechtsausschuss zu Recht einen offensichtlichen Irrtum im Sinne des Gemeinschaftsrechts anerkannt und den Beklagten zu einer entsprechenden Korrektur der Zahlungsansprüche verpflichtet. Der durch den Widerspruchsbescheid berichtigte Antrag hat zur Folge, dass nunmehr ein von Anfang an ordnungsgemäßer Antrag vorliegt.

36

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 und 3 VwGO.

37

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit wegen der Kosten folgt aus § 167 Abs. 2 VwGO.

38

Beschluss

39

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 3.632,20 € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).

40

Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit derBeschwerde angefochten werden.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen die Einordnung seines Hundes als gefährlichen Hund.

2

Der Kläger ist Halter des Hundes „Ben“, den er im März 2010 als ca. zweijähriges Tier vom Tierheim A-Stadt erworben hatte. In dem Tierabgabevertrag vom 11. März 2010 wird der Hund als „Fundtier“ und als „Labrador-Mix“ bezeichnet. Nach einer Auskunft des kommunalen Schadensausgleiches vom 10. Juli 2013 beruhte diese Angabe des Tierheimes auf der Einschätzung des Fachpersonals des städtischen Tierheimes, nämlich einer Diplom-Biologin und eines Tierarztes. Für das Tierheim habe es sich augenscheinlich nicht um eine gefährliche Hunderasse gehandelt. Da sich die Rasse eines Tieres zweifelsfrei nur durch eine Stammbaumbestimmung oder eine genetische Untersuchung feststellen lasse, habe sich das städtische Tierheim nur auf die Erfahrung des Fachpersonals verlassen können.

3

Mit Schreiben vom 30. Juni 2010 forderte die Beklagte den Kläger auf, seinen Hund im zentralen Register nach § 15 Abs. 1 GefHundG erfassen zu lassen, da der vom Kläger gehaltene Hund einer der Rassen Pitbull Terrier, American Staffordshire Terrier, Staffordshire-Bullterrier, Bullterrier sowie deren Kreuzungen untereinander oder mit anderen Hunden zugehöre. Der Kläger wurde daraufhin gewiesen, dass die Nichterfüllung der Meldepflicht bußgeldbewehrt sei. Er wurde weiter darauf hingewiesen, dass er außerdem einen Wesenstest vorzulegen habe, aus dem sich die Fähigkeit des Hundes zu sozialverträglichem Verhalten ergebe.

4

Am 05. Juli 2010 teilte der Kläger der Beklagten telefonisch mit, dass es sich bei dem Hund um einen American Bulldog/Labradormix handele.

5

Mit Bescheid vom 08. Oktober 2010 zog die Beklagte den Kläger zur Hundesteuer heran und setzte dabei die Steuern für das Halten eines gefährlichen Hundes fest. Hiergegen hatte der Kläger nach erfolglosem Durchlaufen des Widerspruchsverfahrens Klage erhoben. Das Verwaltungsgericht Halle beauftragte mit Beschluss vom 01. März 2012 im Verfahren 5 A 172/10 HAL den Sachverständigen B. mit der Erstellung eines Gutachtens zu der Frage, ob es sich bei dem Hund Ben um einen gefährlichen Hund im Sinne des § 3 Abs. 4 der Hundesteuersatzung der Beklagten handele. In dem Rassegutachten des Sachverständigen B. vom 07. Juni 2012 wurde festgestellt, dass der Hund des Klägers ein Mischling der Rassen Labrador und Ca de Bestiar-Kurzhaar sei. Nach Vorlage des Gutachtens hob die Beklagte die angefochtenen Bescheide auf. Das Klageverfahren wurde auf Grund übereinstimmender Erledigungserklärungen eingestellt.

6

Mit dem hier streitgegenständlichen Bescheid vom 03. März 2011 untersagte die Beklagte dem Kläger das Halten seines Hundes bis zur Vorlage des Wesenstestes. Zur Begründung führte die Beklagte aus, es handele sich bei dem Hund des Klägers um einen gefährlichen Hund, nämlich um einen American Staffordshire Terrier-Mischling, der in § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Beschränkung des Verbringens oder der Einfuhr gefährlicher Hunde in das Inland vom 12. April 2001 aufgeführt sei. Für die erlaubte Haltung des Hundes sei ein Wesenstest nachzuweisen, was bisher nicht erfolgt sei.

7

Hiergegen legte der Kläger unter dem 08. März 2011 Widerspruch ein, den er damit begründete, dass es sich bei seinem Hund nicht um einen American Staffordshire Terrier-Mischling handele.

8

Der Kläger hat zwischenzeitlich die erfolgreiche Ablegung eines Wesenstestes unter dem 06. April 2011 nachgewiesen.

9

Am 26. September 2011 hat der Kläger beim Verwaltungsgericht Halle Klage erhoben. Er hat zur Begründung im Wesentlichen vorgetragen, dass er seinen Hund als Labrador-Mischling aus dem Tierheim erworben habe, was sich auch aus dem Tierabgabevertrag vom 11. März 2010 ergebe. Es handele sich nicht um einen vermutet gefährlichen Hund, wie sich auch aus dem vom Sachverständigen B. erstellten Gutachten ergebe.

10

Der Kläger hat beantragt,

11

den Bescheid der Beklagten vom 03. März 2011 aufzuheben.

12

Die Beklagte hat beantragt,

13

die Klage abzuweisen.

14

Zur Begründung hat die Beklagte im Wesentlichen ausgeführt, dass im Juli 2010 durch den amtlichen Tierarzt L. festgestellt worden sei, dass eine Zuordnung zu den in der Hundesteuersatzung der Beklagten als gefährliche Hunde aufgeführten Rassen nicht auszuschließen sei. Im Ergebnis einer weiteren tierärztlichen Untersuchung sei die Feststellung getroffen worden, dass eine Zuordnung zu den Rassen Pitbull-Terrier, American Staffordshire Terrier, Staffordshire Bullterrier und Bullterrier bzw. deren Kreuzungen untereinander oder mit anderen Hunden nicht auszuschließen sei. Die Klage sei unzulässig, da nach Ablegen des Wesenstestes sich der streitgegenständliche Bescheid erledigt habe. Der Kläger könne sich auch nicht auf ein berechtigtes Interesse für die Führung einer Fortsetzungsfeststellungsklage berufen.

15

Das Verwaltungsgericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines Gutachtens des Sachverständigen A.. Dieser stellte in seinem Gutachten vom 05. Dezember 2012 fest, dass der Hund des Klägers zu überwiegenden Teilen der Rasse American Pit Bull Terrier zuzuordnen sei. Als weitere eingekreuzte Rassen vermutete der Sachverständige die Rassen American Staffordshire Terrier oder Ca de Bestiar-Kurzhaar.

16

Mit Urteil vom 03. Mai 2013 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass die Klage zulässig sei. Der angefochtene Bescheid vom 03. März 2011 entfalte weiterhin eine belastende Wirkung, da im Falle der Bestandskraft des Bescheides die von der Beklagten festgestellte Rassezugehörigkeit auch im Register nach § 15 Abs. 1 GefHundG einzutragen wäre. Die Klage sei jedoch nicht begründet. Der angefochtene Bescheid sei hinsichtlich der hier allein noch streitigen Feststellung, dass es sich bei dem Hund des Klägers um einen gefährlichen Hund im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 1 GefHundG handele, rechtmäßig. Der Kläger halte einen American Pitbull Terrier und damit einen gefährlichen Hund im Sinne des § 3 Abs. 2 Satz 2 GefHundG. Der Begriff der Kreuzung sei in einem umfassenden Sinne zu verstehen, nämlich dass jeder Mischlingshund, indem sich Anteile der sog. Kampfhunde befänden, und zwar unabhängig davon, ob dies auf den Willensakt eines Menschen zurückgehe und unabhängig davon, in welcher Generation es zu der Einmischung dieses Anteils gekommen sei, unter die Vorschriften falle. Zur Überzeugung des Gerichts stehe fest, dass es sich bei dem Hund des Klägers nach den überwiegend erkennbaren Rassekomponenten um eine Kreuzung mit maßgeblicher Beteiligung eines Hundes der Rasse American Pitbull Terrier handele. Nach dem Gutachten des Sachverständigen A. auf der Grundlage der von diesem benannten Phänotypkomponenten, nämlich dem Erscheinungsbild, dem Wesen des Hundes, seinen Bewegungen und seinem Gangwerk sei dieser in nachvollziehbarer Weise und im Wesentlichen im Einklang mit den Beschreibungen zu dieser Hunderasse zu seiner Rassezuordnung gekommen. Er habe in seinem schriftlichen Gutachten sowie bei der Erläuterung des Gutachtens in der mündlichen Verhandlung in nachvollziehbarer Weise dargelegt, dass der Hund auf Grund seiner phänotypischen Merkmale zu überwiegenden Teilen einem Hund der Rasse American Pitbull Terrier zuzuordnen sei. Auch wenn es in der Bundesrepublik Deutschland keinen verbindlichen Rassestandard für die Rasse American Pitbull Terrier gebe, hindere dies die Rassezuordnung nicht. Insoweit komme es allein auf deren tatsächliche Existenz als Hunderasse an, die unabhängig davon sei, ob es Zuchtstandards gebe. Dieses Ergebnis werde auch nicht durch das Gutachten des Sachverständigen B. aus dem Vorverfahren in Zweifel gezogen. Die sich aus dem Gutachten des Sachverständigen B. ergebende Feststellung, es handele sich um einen Mischling aus den Rassen Ca de Bestiar und Labrador, vermöge nicht zu überzeugen und sei nicht geeignet, das Gutachten des Sachverständigen A. in Frage zu stellen. Hinsichtlich des Gutachtens des Sachverständigen B. seien Fehler und Ungereimtheiten aufgetreten, die dieser auch in der mündlichen Verhandlung eingeräumt habe. Das Gericht sei nicht gehalten gewesen, von Amts wegen weitere Ermittlungen anzustellen oder Gutachten einzuholen, da der Sachverhalt geklärt gewesen sei und weiterer Aufklärungsbedarf nicht bestehe. Da auch nicht ersichtlich bzw. vom Kläger plausibel vorgetragen worden sei, dass anderen Gutachtern andere Methoden zur Rassefeststellung zur Verfügung stünden als den mit der Angelegenheit bislang befasst gewesenen Fachleuten und eine genetische Zuordnung von Hunden zu einer bestimmten Rasse bisher nicht möglich sei, sei die Würdigung beschränkt auf die Frage, ob der Hund des Klägers auf Grund seiner phänotypischen Merkmale ein Hund der in der Liste genannten Rassen sei. Dies sei nach dem Gutachten des Sachverständigen A. der Fall.

17

Mit der vom Senat mit Beschluss vom 18. März 2014 zugelassenen Berufung trägt der Kläger vor, dass sich aus den Beratungen des Bundesrates zum Gesetz über die Bekämpfung gefährlicher Hunde nicht schlussfolgern lasse, dass der Gesetzgeber bezüglich der Rassebestimmung tatsächlich die Rassestandards der FCI zur Anwendung bringen wollte, denn auch andere Zuchtverbände, z. B. der United Kennel Club (UKC) in den USA, verfügten über einen Rassestandard z. B. für den Bullterrier. Allein der Verweis des Bundesrates innerhalb einer Empfehlung im laufenden Gesetzgebungsverfahren genüge nicht, um dem Normadressaten zu vermitteln, dass bezüglich der Zuordnung eines Hundes die Rassestandards der FCI zur Anwendung kommen sollten. So fehle es insbesondere an einer Bezugnahme auf die Rassestandards innerhalb des Gesetzestextes. Ebenso sei nicht ersichtlich, dass die FCI-Standards nur statisch zur Anwendung gelangen sollten. Gleitende Verweise auf private Regelwerke seien aus verfassungsrechtlichen Gründen unzulässig. Schließlich seien die Rassestandards der Zuchtverbände auch zu unbestimmt. Zudem sei zu beachten, dass im vorliegenden Fall zwei Gutachten mit verschiedenen Ergebnissen vorlägen. Die Sachverständigen hätten auch nach der Vernehmung und ergänzenden Erläuterung in der mündlichen Verhandlung an ihren jeweiligen Einschätzungen festgehalten. Hinsichtlich der sachverständigen Beurteilung des Sachverständigen A., auf welchen das Verwaltungsgericht seine Entscheidung gestützt habe, sei zu berücksichtigen, dass dieser seit 1992 nicht mehr als Leistungsrichter bei Hundeschauen aufgetreten sei. Es sei insgesamt festzustellen, dass, wenn überhaupt, nur ein in Sachsen-Anhalt anerkannter Rassestandard die Merkmale bestimmen könne, nach dem es sich bei dem klägerischen Hund um einen sog. Listenhund der Rasse American Pitbull Terrier handele. Ein solcher Rassestandard für den American Pitbull Terrier sei indes im Gegensatz zu den meisten Hunderassen weder in Sachsen-Anhalt noch vom Dachverband der Hundevereine in der Bundesrepublik Deutschland (VDH) noch vom internationalen Hundeverband FCI anerkannt. Soweit der Gutachter A. in seinem Gutachten letztlich darauf abstelle, dass in einem amerikanischen Hundezüchterverband ein Rassestandard existiere, für den die Beschreibung des klägerischen Hundes einschlägig sei und dieser Standard immerhin in der Schweiz anerkannt sei, so sei dies für das allgemeine Polizeirecht des Landes Sachsen-Anhalt ohne Bedeutung. Soweit das Verwaltungsgericht auf die Begründung des Regierungsentwurfes des Gesetzes zur Bekämpfung gefährlicher Hunde abgestellt habe, stehe dies dem Ergebnis den Ausführungen des Klägers nicht entgegen. So sei dort lediglich ausgeführt worden, dass sowohl reinrassige als auch Mischlingshunde von dem Verbringungsverbot für gefährliche Hunde erfasst seien. Dies bedeute jedoch nur, dass alle der genannten Listenhunde sowie eine Kreuzung eines reinrassigen Listenhundes mit einem anderen Hund erfasst sein sollten. Es spreche einiges dafür, dass nur die sog. F.1-Generation eines Kampfhundes und eines weiteren Hundes noch als Kampfhundkreuzung im Sinne der gesetzlichen Vorschriften anzusehen sei, weil in weiter entfernten Generationen keine verlässlichen Anhaltspunkte für eine spezifische Gefährlichkeit mehr vorlägen. Hinzu komme, dass der Hund hinsichtlich der Augenform nicht dem Rassestandard des UKC für einen American Pitbull Terrier entspreche.

18

Der Kläger beantragt,

19

das Urteil des Verwaltungsgerichts Halle - 1. Kammer - vom 03. Mai 2013 abzuändern und den Bescheid der Beklagten vom 03. März 2011 aufzuheben.

20

Die Beklagte beantragt,

21

die Berufung zurückzuweisen.

22

Nach Auffassung der Beklagten sei die landesrechtliche Regelung des § 3 Abs. 2 Satz 1 GefHundG i. V. m. § 2 HundVerbrEinfG mit den Grundsätzen über die verfassungsrechtliche Bestimmtheit von Normen nach Art. 20 Abs. 3 GG vereinbar. Es sei hinreichend geklärt, dass bei der Bestimmung von phänotypischen Merkmalen auf anerkannte Rassestandards von Zuchtverbänden zurückgegriffen werden dürfe. Dies gelte auch für die Bestimmung eines Pitbull Terriers anhand des Rassestandard des United Kennel Clubs. Nach Auffassung der Beklagten handele es sich bei dem Hund des Klägers um einen gefährlichen Hund i. S. d. § 3 Abs. 2 GefHundG, da er nach den überzeugenden Ausführungen des Sachverständigen A. aufgrund seiner phänotypischen Erscheinung überwiegend der Rasse American Pitbull Terrier zuzuordnen sei. Dass die Beklagte zu Beginn des Verwaltungsverfahrens noch von der Zuordnung zur Rasse eines American Staffordshire Terrier ausgegangen sei, sei vor dem Hintergrund, dass es sich bei dem American Pitbull Terrier und dem American Staffordshire Terrier ursprünglich um Varietäten einer Rasse gehandelt habe, plausibel. Die Einholung seines Obergutachtens sei nicht erforderlich, da der Sachverhalt durch das Gutachten des Sachverständigen A. hinreichend geklärt sei. Die vom Kläger angeregte Einholung eines genetischen Gutachtens könne zur weiteren Sachverhaltsaufklärung nichts beitragen, da die derzeit am Markt tätigen Unternehmen im Höchstfalle nur hinsichtlich 191 Hunderassen Vergleichsmaterial vorzuliegen hätten. Für die Rassen Ca de Bestiar und American Pitbull Terrier liege ausweislich der im Internet veröffentlichten Informationen bei keinem der Unternehmen Vergleichsmaterial vor.

Entscheidungsgründe

23

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 03. Mai 2013 ist zulässig und begründet.

24

Die Klage ist zulässig. Der Zulässigkeit der Klage steht nicht das Fehlen der Durchführung eines Vorverfahrens nach § 68 Abs. 1 Satz 1 VwGO entgegen. Denn der Beklagte hat sich sachlich vollumfänglich auf die Klage eingelassen, was nach ständiger Rechtsprechung dazu führt, dass die Klage dann auch ohne Vorverfahren zulässig ist (vgl. BVerwG, Urt. v. 23.10.1980 - 2 A 4.78 -, juris).

25

Das Verwaltungsgericht ist ferner zutreffend davon ausgegangen, dass der angefochtene Bescheid weiterhin eine belastende Wirkung entfaltet, da im Falle der Bestandskraft des Bescheides die von der Beklagten festgestellte Rassezugehörigkeit auch im Register nach § 15 Abs. 1 des Gesetzes zur Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren vom 23. Januar 2009 (GefHundG, GVBl. LSA S. 22) einzutragen wäre. Zwar hat der Kläger mittlerweile einen Wesenstest i. S. d. § 10 Abs. 1 GefHundG für den Hund vorgelegt, aus dem sich die Fähigkeit des Hundes zum sozialverträglichen Verhalten ergibt. Insoweit ist das Halten des Hundes nunmehr erlaubt und kann nicht mehr als ordnungswidrig angesehen werden. Mit der Vorlage des Wesenstests wird die in dem angefochtenen Bescheid enthaltene Feststellung, dass es sich bei dem Hund des Klägers um einen vermutet gefährlichen Hund i. S. d. § 3 Abs. 2 GefHundG handelt, jedoch nicht gegenstandslos. Die Rassezuordnung hat z. B. Bedeutung für die Heranziehung zu (erhöhter) Hundesteuer sowie für Verhaltenspflichten in einigen kommunalen Gefahrenabwehrverordnungen.

26

Die Klage ist auch begründet. Der Bescheid der Beklagten vom 03. März 2011 ist rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

27

Die Beklagte ist zu Unrecht davon ausgegangen, dass es sich bei dem Hund des Klägers um eine Kreuzung von Hunden der Rasse Pitbull Terrier, American Staffordshire-Terrier, Staffordshire-Bullterrier, Bullterrier untereinander oder mit anderen Hunden handelt.

28

Nach § 3 Abs. 2 GefHundG wird bei den in § 2 Abs. 1 des Gesetzes zur Beschränkung des Verbringens oder der Einfuhr gefährlicher Hunde in das Inland vom 12. April 2001 (Hundeverbringungs- und -einfuhrbeschränkungsgesetz - HundVerbrEinfG -, BGBl. I S. 530) genannten Hunden die Gefährlichkeit vermutet. Nach § 2 Abs. 1 HundVerbrEinfG dürfen Hunde der Rassen Pitbull Terrier, American Staffordshire-Terrier, Staffordshire-Bullterrier und Bullterrier sowie deren Kreuzung untereinander oder mit anderen Hunden nicht in das Inland eingeführt oder verbracht werden. Eine landesrechtliche Regelung, die die listenmäßige Gefährdungsvermutung für Hunde durch weitere Rassen ergänzt, existiert in Sachsen-Anhalt nicht. Die Haltung der in § 3 Abs. 2 GefHundG genannten Hunde ist nur dann erlaubt, wenn gemäß § 4 Abs. 1 GefHundG durch Vorlage eines Wesenstests i. S. d. § 10 Abs. 2 GefHundG binnen sechs Monaten nach Beginn der Haltung des Hundes gegenüber der zuständigen Behörde die Fähigkeit des Hundes zu sozialverträglichem Verhalten nachgewiesen worden ist. Gemäß § 16 GefHundG handelt derjenige ordnungswidrig, der vorsätzlich oder fahrlässig entgegen § 4 Abs. 1 GefHundG in Verbindung mit § 10 Abs. 2 Satz 1 einen gefährlichen Hund nach § 3 Abs. 2 Satz 1 ohne Nachweis eines Wesenstests hält.

29

Grundsätzlich erfährt die Aufstellung einer sog. Rasseliste von als gefährlich anzusehenden Hunden und das unter Vorbehalt stehende Verbot der Haltung der in der Liste aufgeführten Hunde seine Rechtfertigung in dem mit dem Gesetz verfolgten Zweck der Gefahrenvorsorge. Das Bundesverfassungsgericht hat mit Urteil vom 16. März 2004 (1 BvR 1778/01, juris) das vom Bundesgesetzgeber erlassene Einfuhr- und Verbringungsverbot in § 2 Abs. 1 Satz 1 HundEinfVerbrG für bestimmte in sog. Rasselisten zusammengefassten Hunderassen auch im Hinblick auf den verfassungsrechtlichen Bestimmtheitsgrundsatz nach Art. 20 Abs. 3 GG als verfassungsgemäß angesehen. Zur Begründung hat es ausgeführt, dass dem Gesetzgeber bei der Einschätzung von Gefahren, die der Allgemeinheit drohten, und bei der Beurteilung der Maßnahmen, die der Verhütung und Bewältigung dieser Gefahren dienen sollten, ein weiter Einschätzungs- und Prognosespielraum zustehe, dessen Grenzen erst überschritten seien, wenn die gesetzgeberischen Erwägungen so fehlsam seien, dass sie vernünftigerweise keine Grundlage für derartige Maßnahmen abgeben könnten. Die der angegriffenen Regelung in abstrakter Betrachtung zugrunde gelegte Annahme, dass Hunde der Rassen Pitbull Terrier, American Staffordshire-Terrier, Staffordshire-Bullterrier und Bullterrier für Leib und Leben von Menschen so gefährlich seien, dass ihre Einfuhr und ihr Verbringen in das Inland unterbunden werden müssten, sei vertretbar und nicht offensichtlich unrichtig. Obgleich nach dem derzeitigen wissenschaftlichen Erkenntnisstand allein aus der Zugehörigkeit eines bestimmten Hundes zu einer bestimmten Rasse nicht auf dessen Gefährlichkeit geschlossen werden könne, sei der Gesetzgeber doch berechtigt, zum Schutz des menschlichen Lebens und der menschlichen Gesundheit gesetzliche Vorkehrungen zu treffen, wenn genügend Anhaltspunkte dafür vorlägen, dass Hunde bestimmter Rassen - und sei es auch erst im Zusammenwirken mit anderen Faktoren - für diese Schutzgüter in besonderer Weise gefährlich werden könnten. Für Hunde der in der Vorschrift genannten Rassen habe der Gesetzgeber vom Vorhandensein derartiger Anhaltspunkte ausgehen können. Die Fachwissenschaft schließe nicht generell aus, dass die Gefährlichkeit von Hunden genetische Ursachen haben könne, und rechne die sog. Kampfhunderassen - auch vor dem Hintergrund der Geschichte ihrer Zucht - zu den Hunderassen, deren Aggressionsverhalten nicht ohne Problematik sei. Bedenken im Hinblick auf das Rechtsstaatsprinzip seien gegen § 2 Abs. 1 Satz 1 HundVerbrEinfG nicht zu erheben. Insbesondere verstoße die Vorschrift nicht gegen das rechtsstaatliche Bestimmtheitsgebot. Sie bezeichne die Hunde, deren Einfuhr und Verbringen in das Inland unterbunden werden soll, hinreichend klar nach der Zugehörigkeit zu den in ihr genannten Rassen. Ob die rechtsstaatlichen Anforderungen an die Normenbestimmtheit auch hinsichtlich der daneben aufgeführten Kreuzungen erfüllt sind, hat das Bundesverfassungsgericht hingegen ausdrücklich offen gelassen.

30

Es ist dem Gesetzgeber im Rahmen seines Gestaltungsspielraums grundsätzlich unbenommen, bei der näheren Bestimmung des Begriffs „Rasse“ bei Hunden auf Kriterien zurückzugreifen, die von anerkannten Fachverbänden entwickelt worden sind. Hierbei ist zu berücksichtigen, dass die Einteilung der verschiedenen Rassen bei Hunden nicht nach naturwissenschaftlichen Methoden (z. B. Induktion, Deduktion, Verifikation und Falsifikation, Reduktion) ermittelt worden ist, sondern auf normativen Entscheidungen von Interessenverbänden beruht.

31

Der größte internationale Hundefachverband ist die Fédération Cynologique Internationale (FCI) mit Sitz in Thuin/Belgien. Die FCI garantiert innerhalb ihrer Organisation die gegenseitige Anerkennung der Abstammungsurkunden (Pedigrees) der Länder. Derzeit erkennt die FCI 343 verschiedene Rassen an. Jede von ihnen ist das „Eigentum“ eines bestimmten Landes, welches als Ursprungsland bzw. Patronatsland der Rasse bezeichnet wird. Diese Ursprungsländer erstellen in Zusammenarbeit mit der Standardkommission und der Wissenschaftlichen Kommission der FCI die Standards für ihre Rassen (veröffentlicht unter www.fci.be). In diesen Standards wird eine Rasse anhand phänotypischer, also äußerlich beobachtbarer und messbarer Merkmale beschrieben. Die Rasse ist auch nach den von der FCI angewandten Kriterien eine Gruppe von Individuen, die gemeinsame Merkmale aufweisen, die sie von anderen Vertretern ihrer Spezies unterscheiden, und die durch Vererbung übertragbar sind. Die Rassestandards werden als Grundlage bei der Zuchteignungsprüfung herangezogen, um die Übereinstimmung des Hundes mit den äußerlichen Merkmalen und Wesenseigenschaften seiner Rasse zu bewerten (vgl. zum Vorgehenden: de.wikipedia.org/wiki/Hunderasse). Funktion dieser Rassestandards, wie sie sowohl von der FCI als auch von anderen nationalen Hundezuchtvereinigungen wie z. B. dem United Kennel Club (UKC), der anders als der FCI einen Rassestandard für den American Pitbull Terrier entwickelt hat, verwendet werden, ist nicht die möglichst trennscharfe Abgrenzung des Phänotyps verschiedener Hunderassen. Nach dem Modellstandard der FCI (Erster FCI-Modellstandard, verabschiedet auf der Generalversammlung in Jerusalem 28./29. Juni 1987 und vom Vorstand in Wien im Juli 2009 revidiert, veröffentlicht auf www.fci.be) sollen die Rassestandards Dokumente darstellen, welche den Rasse-Urtyp methodisch beschreiben. In diesem Standard soll nur das beschrieben werden, was mit bloßem Auge erkannt werden kann. Insgesamt soll ein Rassestandard darstellen, welche Kriterien von Züchtern und Wertungsrichtern verwendet werden, um zu bewerten, ob der rassereine Hund ein Temperament hat, das eine Beurteilung ermöglicht, ob er die typischen Merkmale seiner Rasse besitzt bzw. ob er sich fehlerfrei bewegt. Der Rassestandard stellt daher ein Dokument für den korrekten Rassetyp und ein Schema für die Beurteilung von rassereiner Zucht dar. Aus den Rassestandards wird auch deutlich, dass das Fehlen eines phänotypischen Merkmals oder die nicht standardgerechte Ausformung eines solchen phänotypischen Merkmals nicht dazu führt, dass ein bestimmter Hund nicht als der betreffenden Rasse zugehörig angesehen wird, sondern (nur) dazu, dass der Hund auf Leistungsschauen nicht zu prämieren ist bzw. nicht weiter in der Zucht zu verwenden ist, um eine „standardgerechte“ Weiterführung der Zuchtlinien zu gewährleisten. Auch in dem offiziellen Rassestandard für den American Pitbull Terrier des UKC (welcher nicht dem FCI angehört) heißt es zum Zweck der Rassestandards, dass diese als Richtlinien für Züchter dienen sollen, welche die Qualität ihrer Zuchtlinien wahren und pflegen wollen. Gleichzeitig sollen die Rassestandards auch als Richtlinien für Wertungsrichter auf Leistungsschauen dienen (vgl. www.ukcdogs.com/Web.nsf/Breeds/AmericanPitBullTerrier12012012).

32

Von dieser (generellen) Definition von Hunderassen und der inhaltlichen Bezugnahme auf die von Hundeverbänden entwickelten Standards ist offenbar auch der Bundesgesetzgeber bei der Beschlussfassung über das Hundeverbringungs- und -einfuhrbeschränkungsgesetzes ausgegangen: In der Stellungnahme des Bundesrates zum Entwurf eines Gesetzes zur Bekämpfung gefährlicher Hunde heißt es (BT-Drs. 14/4451, S. 13): „Im Entwurf des Gesetzes zur Beschränkung des Verbringens gefährlicher Hunde in das Inland werden in § 1 Abs. 1 drei Hunderassen genannt. Aus hiesiger Sicht fehlt der Bullterrier. Das Fehlen des Bullterriers stellt einen Wertungswiderspruch dar, da diese wie auch die aufgeführten Rassen zur gleichen Gruppe gehören (vgl. FCI - Gruppe III - der bullartigen Terrier). Der Bullterrier unterscheidet sich weder in Größe, Gewicht oder Art noch Abstammung wesentlich von den dort aufgeführten Hunderassen, so dass die Aufzählung um den Bullterrier ergänzt werden müsste, ohne den Staffordshire-Bullterrier zu streichen.“ Im Bericht und der Beschlussempfehlung des Innenausschusses des Bundestages zu dem Gesetz heißt es (BT-Drs. 14/4920, S.11): „Zusätzlich erfasst ist in Absatz 1 Satz 1 die Rasse „Bullterrier“. Die im Entwurf vorgesehene Regelung des § 1 Abs. 2 – alt – ist nicht vollziehbar im Hinblick auf die unterschiedlichen Regelungen der Länder, die vielfach die Einordnung eines Hundes als gefährlich an eine Begutachtung und weitere Voraussetzungen knüpfen. In der Praxis wird nicht zu gewährleisten sein, dass an der Grenzkontrollstelle aufgrund einer nach dem jeweils einschlägigen Landesrecht vorgesehenen Einzelfallüberprüfung die Einordnung eines Hundes als gefährlich oder nicht erfolgen kann. Vielmehr muss es für die zuständigen Behörden anhand objektiver, leicht zu überprüfender Kriterien feststellbar sein, ob der betreffende Hund dem Einfuhr- und Verbringungsverbot unterliegt. Vollziehbar erscheinen daher nur Regelungen, die sich zum einen an bestimmten, grundsätzlich allgemein als gefährlich eingestuften Hunderassen ausrichten (Absatz 1 Satz 1 - neu -).“ Der Entwurf eines Gesetzes zur Vorsorge gegen die von Hunden ausgehenden Gefahren des Landes (LT-Drs 5/1011) enthält keine nähere Ausführungen zur Frage, von welchen Kriterien bei der Bestimmung einer Hunderasse auszugehen ist.

33

Selbst wenn man die Regelung in § 2 HundVerbrEinfG hinsichtlich der vier dort aufgeführten Hunderassen bei einer Heranziehung der von Hundeverbänden entwickelten Rassestandards als hinreichend bestimmt ansieht, lässt dies nicht zwingend den Schluss zu, dass die Regelung über die Einbeziehung von Kreuzungen der dort aufgeführten Hunderassen (mit anderen Hunden) gleichfalls hinreichend bestimmt ist und auch ansonsten dem Rechtsstaatsprinzip genügt.

34

Das aus dem Rechtsstaatsprinzip abzuleitende Gebot der hinreichenden Bestimmtheit und Klarheit der Norm fordert vom Normgeber, seine Regelungen grundsätzlich so genau zu fassen, dass der Betroffene die Rechtslage, d.h. Inhalt und Grenzen von Gebots- oder Verbotsnormen in zumutbarer Weise erkennen und sein Verhalten danach ausrichten kann. Der Normgeber darf dabei grundsätzlich auch auf unbestimmte Rechtsbegriffe zurückgreifen, wenn die Kennzeichnung der Normtatbestände mit beschreibenden Merkmalen nicht möglich ist. Die Auslegungsbedürftigkeit einer Norm steht ihrer Bestimmtheit grundsätzlich nicht entgegen; allerdings müssen sich aus Wortlaut, Zweck und Zusammenhang der Regelung objektive Kriterien gewinnen lassen, die einen verlässlichen, an begrenzende Handlungsmaßstäbe gebundenen Vollzug der Norm gewährleisten (vgl. BVerfG, Urt. v. 27.07.2005 - 1 BvR 668/04 -, juris). Wenn - wie hier - eine bußgeldbewehrte Verbots- bzw. Gebotsvorschrift im Streit steht, muss sich diese zudem an den strengeren Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG bzw. Art. 7 EMRK messen lassen. Art. 103 Abs. 2 GG enthält ein besonderes Bestimmtheitsgebot. Der Gesetzgeber ist danach verpflichtet, die Voraussetzungen der Strafbarkeit oder Bußgeldbewehrung so konkret zu umschreiben, dass Anwendungsbereich und Tragweite der Straf- oder Ordnungswidrigkeitentatbestände zu erkennen sind und sich durch Auslegung ermitteln lassen. Diese Verpflichtung dient einem doppelten Zweck. Sie soll einerseits sicherstellen, dass die Normadressaten vorhersehen können, welches Verhalten verboten und mit Strafe bedroht ist. Sie soll andererseits gewährleisten, dass der Gesetzgeber über die Strafbarkeit oder die Bußgeldvoraussetzungen selbst entscheidet. Insoweit enthält Art. 103 Abs. 2 GG einen strengen Gesetzesvorbehalt, der es der vollziehenden und der rechtsprechenden Gewalt verwehrt, die normativen Voraussetzungen einer Bestrafung oder einer Verhängung von Geldbußen festzulegen (vgl. BVerfG, Beschl. v. 17.11.2009 - 1 BvR 2717/08 -, juris). Das schließt allerdings nicht eine Verwendung von Begriffen aus, die der Deutung durch den Richter bedürfen. Auch im Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht steht der Gesetzgeber vor der Notwendigkeit, der Vielgestaltigkeit des Lebens Rechnung zu tragen. Ferner ist es wegen der Allgemeinheit und Abstraktheit von Straf- und Bußgeldnormen unvermeidlich, dass in Einzelfällen zweifelhaft sein kann, ob ein Verhalten noch unter den gesetzlichen Tatbestand fällt oder nicht. Zweifel in solchen Grenzfällen aber führen allein nicht zur Unvereinbarkeit der Vorschrift auch mit Art. 7 EMRK, solange sie sich für die große Mehrzahl aller Fälle als klar genug erweist. Der Begriff der Vorhersehbarkeit hängt dabei weitgehend vom Inhalt der Vorschrift ab, um die es geht, dem Sachbereich der Regelung sowie der Anzahl und dem Kreis der Personen, an die sie sich richtet. Vorhersehbar kann eine gesetzliche Vorschrift auch dann sein, wenn der Betroffene Rechtsrat einholen muss, um in einem den Umständen nach vernünftigem Ausmaß die Folgen eines bestimmten Verhaltens abzuschätzen (zur Auslegung von Art. 7 EMRK: EGMR, Urt. v. 06.10.2011 - 50425/06 -„ Soros/Frankreich“ -, NJW-RR 2012, 1502).

35

In diesem Zusammenhang ist zu berücksichtigen, dass der Gesetzgeber weder selbst Rassebeschreibungen im HundVerbrEinfG bzw. GefHundG aufgenommen noch geregelt hat, welche privaten Verbände nach welchen formellen und materiellen Maßgaben Rassestandards bestimmen dürfen. Es ist dem Gesetzgeber im Hinblick auf den Bestimmtheitsgrundsatz zwar nicht grundsätzlich untersagt, hinsichtlich der Definition bestimmter Rechtsbegriffe auf seine eigene Rechtsetzungsbefugnis zu verzichten und - der Sache nach - auf Regelungen privater Verbände zu verweisen. Eine solche Praxis ist jedoch nur unter engen Voraussetzungen zulässig (vgl. Bundesministerium der Justiz, Handbuch der Rechtsförmlichkeit, 3. Aufl. Teil B, Ziffer 4.3. Rdnr. 242 f.). Private Regelungen - z. B. Zuchtregelungen von privaten Züchtervereinigungen - dürfen dann nicht zur Grundlage staatlicher Maßnahmen mit grundrechtsbeschränkender Wirkung gemacht werden, wenn sie gemäß den rechtsstaatlichen Anforderungen nicht hinreichend bestimmt sind (vgl. BVerfG, Beschl. v. 30.12.1993 - 1 BvR 1368/90 -, juris und Beschl. v. 25.05.1993 - 1 BvR 345/83 -, juris, jeweils zu Formulierungen in Satzungen von Zuchtverbänden über das Zuchtziel von Pferderassen).

36

Verweist der staatliche Normgeber nämlich (sinngemäß) auf Regelungen Dritter, darf das nicht in einer Weise geschehen, dass der Bürger schrankenlos einer Normsetzungsgewalt ausgeliefert ist, die ihm gegenüber weder staatlich noch mitgliedschaftlich legitimiert ist. Das widerspräche sowohl dem Rechtsstaatsprinzip, wonach Einschränkungen der Freiheit des Bürgers, soweit sie überhaupt zulässig sind, nur durch oder aufgrund staatlicher Gesetze erfolgen dürfen, als auch dem Demokratieprinzip, wonach die Ordnung eines nach dem Grundgesetz staatlicher Regelung offen stehenden Lebensbereichs auf eine Willensentschließung der vom Volke bestellten Gesetzgebungsorgane zurückgeführt werden muss. Nur soweit der Inhalt der von einem Privaten erlassenen Regelungen, auf die staatliche Rechtsnormen verweisen, im Wesentlichen feststeht, genügt die verweisende Norm den Anforderungen, die sich aus Art. 2 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem Rechtsstaats- und dem Demokratieprinzip ergeben. In der Rechtsprechung des Bundesverfassungs- und Bundesverwaltungsgerichts ist weiter geklärt, dass die hinlängliche Publizität von allgemeinverbindlichen, mit Außenwirkung ausgestatteten Rechtsregeln ein für alle Normsetzungsakte geltendes rechtsstaatliches (Wirksamkeits-) Erfordernis ist. Dieses Publizitätserfordernis gilt ebenso für im Verweisungswege inkorporierte Regelungen; auch sie müssen für den Betroffenen verlässlich und ohne unzumutbare Erschwernis zugänglich sein (vgl. zu Verweisungen auf tarifvertragliche Regelungen: BVerfG, Beschl. v. 25.02.1988 - 2 BvL 26/84 - juris und Urt. v. 14.06.1983 - 2 BvR 488/80 - juris jeweils m. w. N.; BVerwG, Urt. v. 27.06.2013 - 3 C 21.12 -, juris; OVG Münster, Urt. v. 06.12.2013 - 9 A 543/11 -, juris).

37

Der Begriff der Kreuzung, wie er in § 3 Abs. 2 GefHundG i. V. m. § 2 Abs. 1 HundVerbrEinfG verwandt wird, genügt auch unter Anwendung der gängigen Auslegungen (Wortlaut, Systematik, Sinn und Zweck der Regelung, historische Auslegung) nur im Wege einer verfassungskonformen Auslegung den vorgenannten Anforderungen des Bestimmtheitsgrundsatzes.

38

Mit dem Begriff „Kreuzung“ oder auch Mischling, Bastard oder Hybride wird dem Wortsinn nach in dem hier maßgeblichen biologisch-zoologischen Sinn allgemein ein aus der Verpaarung von Tieren unterschiedlicher Arten oder Rassen hervorgegangenes Tier bezeichnet (vgl. de.wikipedia.org/wiki/Kreuzung_Genetik). Für die Verwendung des Begriffes „Kreuzung“ ist es dabei ohne Bedeutung, in welcher Generation und mit welchem Erbteil das Tier von dem einer Tierart oder Tierrasse zuzuordnenden Vorfahren abstammt. Auch in der Hundezucht wird der Begriff „Kreuzung“ zur Kennzeichnung eines von dem Hund einer bestimmten Art oder Rasse (Hunderasse) abstammenden Hundes unabhängig davon verwendet, mit welchem Grad das Tier mit dem Vorfahren verwandt ist und mit welchem Anteil dieser an dem Erbgut des Abkömmlings vertreten ist. Eine Unterscheidung erfolgt insoweit lediglich durch die Einordnung in bestimmte Generationen (vgl. HessVGH, Urt. v. 14.03.2006 -11 UE 1426/04 -, juris). Insoweit lässt der Wortlaut der Regelung offen, ob es für die Beurteilung eines Hundes als gefährlicher Hund i. S. d. § 2 HundVerbrEinfG darauf ankommt, ob gerade in der Elterngeneration oder in irgendeiner weiter zurückliegenden Generation ein Hund der in § 2 HundVerbrEinfG aufgeführten Rassen eingekreuzt worden ist oder ob nur dann von einer Kreuzung im Sinne dieser Vorschrift auszugehen ist, wenn phänotypisch noch die Merkmale eines dieser Hunde „signifikant“ feststellbar sind.

39

Auch die systematische Auslegung führt nicht weiter, da der Gesetzgeber den Begriff nur in § 2 HundVerbrEinfG verwandt hat und andere Vorschriften des Gesetzes auch indirekt nicht auf den Regelungsinhalt dieser Vorschrift verweisen. Auch das Tierzuchtrecht der Europäischen Union (welches derzeit nur für Rinder, Schweine, Schafe, Ziegen und Equiden gilt) enthält keine nähere Begriffsbestimmung zu Kreuzungen oder Hybriden in Bezug auf Hunde.

40

Auch die Auslegung nach Sinn und Zweck der Regelung ergibt kein eindeutiges Ergebnis. Sinn und Zweck sowohl der Regelung des § 3 Abs. 2 GefHundG als auch der Regelung in § 2 HundVerbrEinfG ist die Vorsorge in Bezug auf die von Hunden ausgehenden Gefahren. Insoweit ist es nach der gesetzgeberischen Intention ausreichend, allerdings auch geboten, dass ein Gefahrenverdacht in Bezug auf die generell als gefährlich vermuteten Hunderassen besteht. Auch wenn die Fachwissenschaft offenbar darin übereinstimmt, dass das aggressive Verhalten eines Hundes und seine darauf beruhende Gefährlichkeit nicht allein genetisch bedingt sind, schließt sie doch auch nicht generell aus, dass die Gefährlichkeit genetische Ursachen haben kann. Es ist unbestritten, dass Hunderassen wie (American) Pitbull Terrier, American Staffordshire Terrier und Bullterrier im Hinblick auf angeborene Verhaltensbereitschaften ein Potenzial zur Erzeugung gefährlicher Hunde darstellen (vgl. BVerfG, Urt. v. 16.03.2004 - 1 BvR 1778/01 -, juris, Rdnr. 75, m. w. N. unter Hinweise auf die einschlägigen fachwissenschaftlichen Veröffentlichungen). Hingegen liegen auch nach den Darlegungen der Beklagten keine gesicherten fachwissenschaftlichen Kenntnisse zu der Frage vor, bis zu welchem genetischen Anteil einer gefährlichen Hunderasse die Kreuzung noch als abstrakt gefährlich gelten kann (vgl. OVG LSA, Urt. v. 12.02.2008 - 4 L 384/05 -, juris dort zur Rechtmäßigkeit einer Hundesteuersatzung).

41

Aus der Gesetzgebungsgeschichte lassen sich keine näheren Erkenntnisse zur Auslegung gewinnen, da in der Begründung zu § 1 HundVerbrEinfG lediglich ausgeführt wird, dass Absatz 1 ein grundsätzlich unbedingtes Verbot enthält, die dort genannten gefährlichen Hunde - sowohl reinrassig als auch als Mischlinge - in das Inland zu verbringen (BT-Drs. 14/4451 S. 8).

42

Der Vergleich mit anderen Bundesländern zeigt, dass diese, soweit sie überhaupt Rasselisten eingeführt haben, entweder auf die bundesrechtliche Regelung verweisen oder den Begriff der Kreuzung näher definiert haben (vgl. z. B. § 1 Abs. 3 des Bremischen Gesetzes über das Halten von Hunden vom 02. Oktober 2001 [BremGbl. 2001, 331]). Einige landesrechtliche Regelungen enthalten zudem eine materielle Beweislastregelung, welche in Zweifelsfällen dem Hundehalter die Pflicht zum Nachweis auferlegt, dass es sich bei dem in Rede stehenden Hund nicht um einen sog. Kampfhund bzw. eine Kreuzung mit einem sog. Kampfhund handelt (vgl. z. B. § 3 Abs. 2 des Hundegesetzes für das Land Nordrhein-Westfalen vom 18. Dezember 2002, GV NRW 2002, 656; § 3 Abs. 2 des Thüringer Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung vor Tiergefahren vom 22. Juni 2011, GVBl. 2011, 93).

43

In der Rechtsprechung werden zur Auslegung des Begriffes „Kreuzung“ zu den verschiedenen landesrechtlichen Regelungen unterschiedliche Auffassungen vertreten.

44

Die weitestgehendste Auffassung geht davon aus, dass es für die Zuordnung eines Hundes zu einer Kreuzung mit einem sog. Listenhund ausreicht, wenn sich feststellen lässt, dass in irgendeiner vorgehenden Generation einer der in der Liste aufgeführten Hunde eingekreuzt worden ist. Zur Begründung wird im Wesentlichen darauf verwiesen, dass der Gesetzeswortlaut (des Bundesgesetzes) eine weitergehende Beschränkung auf bestimmte Elterngenerationen nicht gebiete (HessVGH, Urt. v. 14.03.2006, a. a. O.).

45

Eine andere Auffassung geht davon aus, dass von einer Kreuzung mit einem in einer Rasseliste aufgeführten Hund dann auszugehen ist, wenn ein Hund nach seiner äußeren Erscheinung trotz Einkreuzung anderer Hunde die Merkmale unabhängig vom Verwandtschaftsgrad mindestes eines der in der Rasseliste genannten Hunderassen zeigt bzw. das äußere Erscheinungsbild „noch“ zu erkennen ist (OVG Brandenburg, Urt. v. 20.06.2002 - 4 D 89/00.NE -, juris, aufgehoben durch BVerwG, Urt. v. 20.08.2003 - 6 CN 2.02 -, juris; OVG Münster, Urt. v. 17.06.2004 - 14 A 953/02 -, juris, dem nachgehend und bestätigend BVerwG, Beschl. v. 22.12.2004 - 10 B 21.04 - juris; OVG LSA, Urt. v. 12.02.2008, a. a. O.; OVG Hamburg, Beschl. v. 18.08.2008 - 4 Bs 72/08 -, juris;

46

Eine engere Auffassung geht davon aus, dass ein Hund nur dann als Kreuzung im Sinne der vorgenannten Vorschriften anzusehen ist, wenn die „maßgeblichen“ oder „besonders charakterisierenden“ Merkmale des Rassestandards bzw. des Erscheinungsbildes der in der Rasselisten aufgezählten Hunderassen „markant“ bzw. „signifikant“ in Erscheinung treten (VG Karlsruhe, Urt. v. 05.12.2008 - 6 K 2295/08 -, juris; VG Stuttgart, Urt. v. 09.10.2007 - 5 K 4369/06 -, juris; VGH Mannheim, Urt. v. 16.10.2001 - 1 S 2346/00 -, juris; Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz, Urt. v. 04.07.2001 - VGH B 12/00 u. a. -, juris und 24.10.2001 - VGH B 8/01 -, juris; Verfassungsgerichtshof des Landes Berlin, Urt. v. 12.07.2001 - 152/00 -, juris; OVG Hamburg, Beschl. v. 11.12.2000 - 2 Bs 311/00 -, juris).

47

Soweit sich die vorgenannten Entscheidungen mit der Frage der Bestimmtheit des Begriffs „Kreuzung“ in den einschlägigen Vorschriften über gefährliche Hunde befassen, orientieren sich diese Entscheidungen jedoch ausnahmslos am allgemeinen Bestimmtheitsgrundsatz des Art. 20 Abs. 3 GG und nicht an den strengeren Anforderungen des Art. 103 Abs. 2 GG. Die Regelungen über Kreuzungen mit den sog. Listenhunden seien nach der oben aufgeführten Rechtsprechung hinreichend bestimmt, da das Gesetz an erkennbare phänotypische Merkmale anknüpfe, die den Rückschluss auf die ausreichende Beteiligung einer Rasse zuließen. Ob dieser Rückschluss im Einzelfall gelinge, sei keine Frage der Bestimmtheit der Norm, sondern deren Anwendung im Einzelfall. Im Regelfall könne - ggf. unter Zuhilfenahme von sachkundigen Amtstierärzten oder anderen Sachverständigen - hinreichend sicher festgestellt werden, dass ein Hund nach seinem äußeren Erscheinungsbild trotz Einkreuzung anderer Rassen die markanten Merkmale einer der gelisteten Hunderassen zeige (OVG Hamburg, Beschl. v. 18.08.2008 - 4 Bs 72/08 -, juris; HessVGH, Urt. v. 27.01.2004 - 11 N 520/03 -, juris; VGH Mannheim, Urt. v. 16.10.2001, a. a. O.; Verfassungsgerichtshof Rheinland-Pfalz, Urt. v. 04.07.2001, a. a. O.; juris; Verfassungsgerichtshof Berlin, Urt. v. 12.07.2001, a. a. O.).

48

Nach einer engen Auslegung ist nur die sog. F.1-Generation (1. Filialgeneration) noch als Kampfhundkreuzung im Sinne der gesetzlichen Vorschriften anzusehen, wenn also in der Parentalgeneration nachweislich ein reinrassiger sog. Listenhund und ein weiterer Hund vorhanden waren, weil in weiter entfernten Generationen keine verlässlichen Anhaltspunkte für eine spezifische Gefährlichkeit mehr vorliegen. Die Gegenauffassung, die darauf abstelle, ob bei einem Mischling die Merkmale einer oder mehrerer gelisteter Rassen noch signifikant in Erscheinung treten, vermöge, abgesehen von der Unschärfe des Begriffs der signifikanten Merkmale einer Hunderasse, nicht zu erklären, weshalb sich allein aus phänotypischen Ähnlichkeiten eine spezifische Gefährlichkeit ableiten lasse (vgl. BayVGH, Beschl. v. 17.07.2009 - 10 B 09.89 -, juris, VG Potsdam, Beschl. v. 27.03.2013 - 3 L 104/13 -, juris).

49

Der Senat folgt der letztgenannten Auffassung. Das Bundesverfassungsgericht hat in dem vorgenannten Urteil vom 16. März 2004 ausgeführt, dass die Aufnahme von bestimmten Hunderassen in sog. Rasselisten dann rechtmäßig ist, wenn ein Anlass zum Handeln des Gesetzgebers gegeben ist. Der Gesetzgeber darf zum Schutz des menschlichen Lebens und der menschlichen Gesundheit gesetzliche Vorkehrungen treffen, wenn genügend Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass Hunde bestimmter Rassen - und sei es auch erst im Zusammenwirken mit anderen Faktoren der genannten Art - für diese Schutzgüter in besonderer Weise gefährlich werden können. Für Hunde der hier in Rede stehenden Rassen konnte der Gesetzgeber vom Vorhandensein derartiger Anhaltspunkte ausgehen. Den Gesetzgebungsmaterialien lässt sich wie oben schon ausgeführt jedoch nur entnehmen, dass der Gesetzgeber allgemein „Mischlinge“, also Kreuzungen von sog. Listenhunde untereinander oder mit anderen Hunden, in den Anwendungsbereich des Hundeverbringungs- und –einfuhrbeschränkungsge-setzes einbezogen wissen wollte. Dass der Landesgesetzgeber oder der Bundesgesetzgeber davon ausgegangen sind, dass auch bei Kreuzungen, bei denen lediglich in einer der F.1-Elterntiergeneration vorausgehenden Parentalgenerationen ein Elterntier einer der in § 2 Abs. 1 HundVerbrEinfG genannten Rassen angehört hat, genügende Anhaltspunkte dafür bestehen, dass auch diese Hunde - ggf. erst im Zusammenwirken mit anderen Faktoren der genannten Art - für diese Schutzgüter in besonderer Weise gefährlich werden können, lässt sich nicht belegen.

50

Eine verfassungskonforme enge Auslegung des Begriffs der Kreuzung ist noch aus anderen Gründen geboten. Kann bei reinrassigen sog. Listenhunden noch eine Gesamtschau aller phänotypischen Merkmale ausreichend sein, um ggf. durch einen Sachverständigen eine zweifelsfreie Zuordnung zu einer bestimmten Rasse zu ermöglichen, kommt es bei Mischlingshunden darauf an, dass einzelne phänotypische Merkmale eines reinrassigen Hundes zweifelsfrei als prägend für den Phänotyp des Mischlingshundes zugeordnet werden können.

51

Wie oben bereits ausgeführt, beruht die Rasseeinteilung bei Hunden nicht auf naturgesetzlichen Gesetzmäßigkeiten, sondern auf den normativen Entscheidungen von Interessenverbänden. Für die Frage, wann bei einem Mischlingshund einzelne phänotypische Merkmale einer bestimmten Hunderasse, namentlich einer der in § 2 Abs. 1 HundVerbrEinfG aufgeführten Rassen, zweifelsfrei als prägend angesehen werden können, fehlt es an normativen Entscheidungen der Interessenverbände. Die von der FCI entwickelten Standards weisen zum Teil Überschneidungen auf, welche bereits eine zweifelsfreie Zuordnung von phänotypischen Merkmalen zu einer bestimmten Rasse nicht immer zulassen. Ferner enthalten die Rassestandards keine Bestimmung darüber, was als besonders prägend für eine Rasse angesehen werden kann. Aufgeführt werden neben essentiellen, jedoch als gleichrangig anzusehenden phänotypischen Merkmalen nur bestimmte „Fehler“, welche bei der Bewertung eines Hundes im Rahmen einer Zuchtentscheidung oder einer Leistungsschau negativ zu berücksichtigen sind.

52

So weisen die Standards für den Bull Terrier (Standard Nr. 11) als auch für die in § 2 Abs. 1 HundVerbrEinfG weiter aufgeführten Rassen Staffordshire Bull Terrier (Standard Nr. 76) und American Staffordshire Terrier (Standard Nr. 286) hinsichtlich einzelner phänotypischer Merkmale zudem begrifflich unbestimmte und nicht hinreichend objektivierbare Begriffe auf.

53

Hinsichtlich des Bull Terriers wird in dem Standard ausgeführt: „Augen: Erscheinen schmal, schräg eingesetzt und dreieckig, gut eingebettet, schwarz oder so dunkelbraun wie möglich um nahezu wie schwarz zu wirken, mit einem durchdringenden Glitzern.“

54

Hinsichtlich des Staffordshire Bull Terrier heißt es: „Augen: Dunkel bevorzugt, können aber einen gewissen Bezug zur Haarfarbe haben. Rund und von mittlerer Größe; so eingesetzt, dass sie geradeaus blicken. Dunkle Lidränder. … Ohren: Rosen- oder Halbstehohr, weder groß noch schwer. Vollständiges Schlapp- oder Stehohr höchst unerwünscht. … Rute: Mittlere Länge, tiefer Ansatz auslaufend in eine Spitze und ziemlich tief getragen. Soll nicht stark gebogen sein, eher vergleichbar mit einem Pumpenschwengel alter Form.“

55

Hinsichtlich des American Staffordshire Terrier heißt es z. B.: „Farbe: Jede Farbe, einfarbig, mehrfarbig oder gefleckt ist zulässig, jedoch soll mehr als 80 % Weiß, Schwarz mit Brand und leberfarben nicht gefördert werden. … Größe: Größe und Gewicht sollten zueinander in richtiger Proportion stehen. Eine Schulterhöhe von ca. 46 bis 48 cm für die Rüden und 43 bis 46 cm für die Hündinnen ist zu bevorzugen.“

56

Auch hinsichtlich der hier in Rede stehenden Rassen (Ca de Bestiar, Labrador Retriever) finden sich vergleichbar unbestimmte Beschreibungen. Für den Ca de Bestiar (Mallorquinischer Schäferhund) heißt es in dem FCI-Standard Nr. 321:

57

„Augen : Eher klein, leicht mandelförmig; sie treten weder hervor noch liegen sie tief in den Augenhöhlen; sie sind nicht allzu weit auseinanderliegend, zentriert, leicht schräg eingesetzt, lebhaft; ihre Farbe reicht von Rosmarin-honigfarben (recht hell) bis zu Johannisbrot-honigfarben (dunkel); Ausdruck rätselhaft, mit gleichzeitig intelligentem und traurigem Blick, aus dem auch Misstrauen spricht. Die Augenlider sind dünn, schwarz und schräg, eng am Augapfel anliegend.“

58

Hinsichtlich des Labrador Retrievers (FCI-Standard Nr. 122) heißt es: „Augen: Mittelgroß, dabei Intelligenz und gutes Wesen zeigend, braun oder haselnussfarben. … Ohren: Nicht groß oder schwer, dicht am Kopf anliegend, hoch und ziemlich weit hinten angesetzt.“

59

Auch der vom Verwaltungsgericht berücksichtigte Standard des schweizerischen American Pitbull Terrier Club (der insbesondere hinsichtlich der Augenform vom aktuellen Standard des United Kennel Club abweicht) enthält einige unbestimmte Begriffe: „Der Kopf des APBT (American Pit Bull Terrier) ist einmalig und ein Schlüsselelement der Zucht. Er ist groß und breit, strahlt Kraft und Stärke aus, ist jedoch nicht unproportional zur Körpergröße. Von vorne betrachtet ist er wie ein breiter, stumpfer Keil geformt. Von der Seite gesehen sind Kopf und Schnauze parallel zueinander und durch einen gut definierten, mäßig tiefen Halt verbunden. Der supraorbitale Augenbereich ist klar definiert, jedoch ohne besondere Ausprägung. Der Kopf ist gut gemeißelt, eine harmonische Mischung aus Kraft, Eleganz und Charakter. Die Augen sind von mittlerer Größe, rund bis mandelförmig (im aktuellen Standard des UKC nur rund zulässig). Sie liegen weit genug auseinander und niedrig am Schädel. Außer blau (was als ernsthafter Fehler gilt) werden alle Augenfarben gleichermaßen akzeptiert. Der weiße Augapfel sollte nicht sichtbar sein.“zer5

60

Vor diesem Hintergrund wird z. B. von Tierärzten eine Rassebestimmung bei Hunden anhand von phänotypischen Merkmalen, die von Zuchtverbänden bestimmt worden sind, generell als wenig geeignet bzw. ungeeignet für eine hinreichend valide Zuordnung zu einer bestimmten Rasse angesehen. So hat der Vizepräsident der Tierärztekammer des Landes Sachsen-Anhalt Dr. K. (zugleich auch Mitglied des Bundesvorstandes Praktizierender Tierärzte) auf einem Symposium zur Evaluierung des Hundegesetzes Sachsen-Anhalt in Aschersleben am 30. Mai 2013 ausgeführt, dass die Zuordnung zu einer Rasse in der Praxis schwierig sei. Es gebe derzeit keine praktikable Methode, Hunde sicher einer bestimmten Rasse zuzuordnen. Man gehe immer vom Phänotyp des Hundes aus, welcher oft sehr variabel sei (vgl. www.mi.sachsen-anhalt.de/fileadmin/Bibliothek/ Politik_und_Verwaltung/MI/MI/PDF_Dokumente/Abteilung_2/Hundegesetz/Tagungsdokumentation_zum_Symposium_Hundegesetz.pdf). Diese Einschätzung deckt sich mit Untersuchungen, die in den letzten Jahren in den USA insbesondere zur Rassebestimmung bei Mischlingshunden durchgeführt worden sind. Bei einer Untersuchung im Jahr 2012 wurde bei 20 Mischlingshunden zunächst eine DNA-Untersuchung durchgeführt, um die genetisch dominierende Rasse zu ermitteln. Danach wurde 900 Personen, welche als z. B. Veterinärmediziner, Züchter, Wertungsrichter oder Betreiber von Tierheimen besondere Erfahrungen im Umgang mit Hunden haben, das Alter, das Geschlecht und das Gewicht des zu begutachtenden Hundes mitgeteilt sowie ein einminütiges Video des jeweiligen Hundes vorgeführt und um eine Einschätzung gebeten, welche Rasse nach den phänotypischen Merkmalen als dominant angesehen wird. Bei 14 der 20 Hunde erkannten weniger als 50 % der Befragten die Rasse als prägend, die sich aus dem DNA-Befund ergab. Lediglich bei sieben Hunden konnten sich die Befragten zu mehr als 50 % auf eine als dominant erkannte Rasse verständigen, bei drei von diesen sieben Hunden stimmte das Ergebnis nach der phänotypischen Bewertung allerdings nicht mit dem genetischen Testergebnis überein. Im Rahmen dieser Untersuchung wurde darauf hingewiesen, dass Hunde zwischen 20.000 und 25.000 Gene haben, wovon weniger als 1 % für die Ausgestaltung der phänotypischen Merkmale (wie Ohrform, Fellfarbe und Kopfform) verantwortlich sind. So könne ein Hund genetisch zu 50 % einem Deutschen Schäferhund entsprechen, gleichwohl könnten bei diesem Hund die genetischen Regionen, welche für die Fellfarbe, Größe, Ohrproportionen und Länge der Schnauze eines typischen Deutschen Schäferhundes verantwortlich sind, völlig fehlen (vgl. Voith et al., Comparison of Visual and DNA Breed Identification of Dogs and Inter-Observer Reliability, American Journal of Sociological Research 2013, S. 17 f; veröffentlicht unter: article.sapub.org/10.5923.j.sociology.20130302.02.html). Eine ähnliche Untersuchung an der Universität von Florida mit 110 Mischlingshunden kam zu einem vergleichbaren Ergebnis (vgl. sheltermedicine.vetmed.ufl.edu/library/research-studies/current-studies/dog-breeds).

61

Der Senat hat nach Würdigung der im Verfahren abgegebenen sachkundigen Einschätzungen weder mit der notwendigen Überzeugungsgewissheit feststellen können, dass es sich bei dem Hund des Klägers um eine Kreuzung i. S. d. § 3 Abs. 2 GefHundG i. V. m. § 2 Abs. 1 HundVerbrEinfG handelt, noch hat der Senat die Gewissheit erlangen können, dass es sich nicht um eine solche Kreuzung handelt.

62

Nach Einschätzung des Fachpersonals des städtischen Tierheimes der Beklagten, einer Diplom-Biologin und eines Tierarztes, gehört der Hund des Klägers „augenscheinlich“ nicht zu einer gefährlichen Rasse im Sinne des Gefahrhundegesetzes. Einschränkend haben diese aber ausgeführt, dass sich die Rasse eines Tieres zweifelsfrei nur durch eine Stammbaumbestimmung oder eine genetische Untersuchung feststellen lasse. Eine Stammbaumbestimmung schied im vorliegenden Fall aus, da es sich bei dem Hund des Klägers um ein Fundtier handelt, bei dem Elterntiere nicht bekannt sind.

63

Die Mitarbeiter des Fachbereiches Sicherheit der Beklagten hatten bei einer persönlichen Inaugenscheinnahme eine Zugehörigkeit zur Rasse American Staffordshire Terrier vermutet, ohne bestreiten zu wollen, dass es sich bei dem Hund des Klägers um einen Mischlingshund handelt. Insoweit lassen die im Verwaltungsverfahren von der Beklagten angestellten Ermittlungen keine eindeutige Zuordnung des hier in Rede stehenden Hundes zu.

64

Nach Überzeugung des Gerichts lassen auch die eingeholten Sachverständigengutachten weder die Feststellung zu, dass es sich bei dem Hund des Klägers um eine Kreuzung i. S. d. § 3 Abs. 2 GefHundG i. V. m. § 2 Abs. 1 HundVerbrEinfG handelt, noch dass dies auszuschließen ist.

65

Der Sachverständige B. war nach seinem schriftlichen Gutachten, den ergänzenden Ausführungen im Termin der mündlichen Verhandlung und auch nach der Konfrontation mit der Gegenauffassung des Sachverständigen A. bei seiner Auffassung geblieben, dass es sich bei dem Hund des Klägers um einen Mischling der Rassen Labrador und Ca de Bestiar und damit nicht um eine Kreuzung i. S. d. § 3 Abs. 2 GefHundG i. V. m. § 2 Abs. 1 HundVerbrEinfG handelt. Der Senat hat wie das Verwaltungsgericht zunächst kein Zweifel daran, dass der Sachverständige B. wie auch der Sachverständige A. über eine jahrzehntelange Erfahrung im Umgang mit Hunden, insbesondere auch als international anerkannte Zucht- und Leistungsrichter verfügen. Über eine wissenschaftliche Ausbildung (etwa als Biologe oder Tierarzt) verfügen allerdings weder der Sachverständige B. noch der weitere vom Verwaltungsgericht bestellte Gutacher A.. Bei der Würdigung der Sachverständigengutachten ist der Umstand zu berücksichtigen, dass in Sachsen-Anhalt - anders als in anderen Bundesländern - der Begriff der Kreuzung in § 3 Abs. 2 GefHundG nicht näher gesetzlich definiert worden ist und die Zuordnung von Mischlingshunden zu einer bestimmten (prägenden) Rasse nicht auf Methoden beruht, die Ergebnis eines wissenschaftlichen Erkenntnisprozesses sind.

66

Nach Überzeugung des Senates hat der Sachverständige B. auch bei seiner ergänzenden Befragung im Termin der mündlichen Verhandlung nicht darlegen können, anhand welcher wissenschaftlichen oder sonstigen objektivierbaren Kriterien er die Einschätzung gewonnen hat, dass es sich bei dem Hund des Klägers um einen Mischling der Rassen Ca de Bestiar und Labrador handelt. Er hat sich nach seinen Erläuterungen im Termin der mündlichen Verhandlung vor dem Verwaltungsgericht hinsichtlich der Rassebeschreibungen bereits nicht an den Standards der FCI orientiert, sondern hat seiner Bewertung zugrunde legt, was für ihn - subjektiv - dem typischen Erscheinungsbild einer Hunderasse entspricht.

67

Entgegen der Auffassung des Verwaltungsgerichts ist das Gutachten des Sachverständigen A. nicht als vorzugswürdig zu erachten. Der Sachverständige A. hat auch nach der Auseinandersetzung mit den Gegenargumenten des Sachverständigen B. im Termin der mündlichen Verhandlung an seiner Auffassung festgehalten, dass es bei sich dem Hund des Klägers nach den Merkmalen Phänotyp, Bewegung und Wesen zu überwiegenden Teilen, mindestens 75 % um einen American Pitbull Terrier handele. Als weitere eingekreuzte Rasen „vermute“ er die Rassen American Staffordshire Terrier und Ca de Bestiar, welche anteilsmäßig jedoch zu vernachlässigen seien. Der Sachverständige A. hat sich nach eigenen Angaben bei seiner Einschätzung an den Standards des Schweizerischen American Pitbull Terrier Club orientiert, die jedoch nicht völlig mit den oben bereits angeführten aktuellen Standards des United Kennel Club für den American Pitbull Terrier übereinstimmen. Nach welchen Maßstäben er allerdings den Schluss hat ziehen können, dass der Phänotyp des Hundes des Klägers zu „75 %“ dem eines American Pitbull Terrier entspreche, hat er nicht dargelegt. Auch der Rassestandard des Schweizerischen American Pitbull Terrier Club für den American Pitbull Terrier enthält keine Kriterien, der eine solche prozentuale Zuordnung plausibel erscheinen lässt. Zudem enthält das Gutachten des Sachverständigen A. auch nach den ergänzenden Ausführungen im Termin der mündlichen Verhandlung keine vergleichende Gegenüberstellung mit den Merkmalen der Rassestandards der FCI zu den Rassen Ca de Bestiar und Labrador. Da phänotypische Merkmale nach den vorgenannten wissenschaftlichen Untersuchungen bei Hunden dominant-rezessiv vererbt werden, ist auch der Einwand des Sachverständigen B. gegen die Argumentation des Sachverständigen A. nachvollziehbar, dass einzelne äußerliche Merkmale, die bei den Elterntieren typisch sind, je nachdem, welcher Rasse der Rüde oder die Hündin angehörten, in der F.1-Generation nicht auftreten. Insoweit sind die Ausführungen des Sachverständigen B. plausibel, der vom Sachverständigen A. hervorgehobene Umstand, dass beim Fell des klägerischen Hundes die Unterwolle fehlt, lasse noch nicht den zwingenden Schluss zu, dass ein Labrador als prägendes Elterntier ausgeschlossen werden kann.

68

Das Gericht brauchte angesichts der vorliegenden inhaltlich divergierenden Gutachten kein Obergutachten einzuholen. Der vom Kläger als Obergutachter vorgeschlagene Sachverständige D. aus T. ist ausgebildeter Sozialpädagoge. Die für die Rassebegutachtung besondere Sachkunde leitet er für sich u. a. als Leiter eines Hundetrainingszentrums ab. Es ist für den Senat nicht ersichtlich, dass der vorgeschlagene Obergutachter über einen im Vergleich zu den beiden bereits bestellten Sachverständigen überlegenen oder weitergehenden Sachverstand verfügt und deshalb geeignet und in der Lage wäre, ein Obergutachten zu erstatten.

69

Der Senat hält grundsätzlich die Einholung eines genetischen Gutachtens für eine geeignete Maßnahme, um in Zweifelsfällen bei Mischlingshunden bestimmen zu können, ob eine Kreuzung im oben dargestellten Sinne mit einem der § 2 Abs. 1 HundVerbrEinfG genannten Hunde vorliegt. Eine hinreichend verlässliche Rassenzuordnung mittels eines DNA-Testes ist nach dem derzeitigen Wissenstand trotz beachtlicher Fortschritte in den letzten Jahren (vgl. hierzu: Gunreben, Hölzer, Müller, Genetische Rassezuordnung von Hunden, Kleintiermedizin 2011, 72) jedoch noch nicht in allen Fällen möglich, da derzeit nur von ca. der Hälfte der von der FCI erfassten Hunderassen Vergleichsmaterial in den Unternehmen vorliegt, welche DNA-Tests für Hunde durchführen. Auch im vorliegenden Fall war die Einholung eines genetischen Gutachtens nicht möglich, da bei den (weltweit) tätigen Unternehmen, die genetische Tests für Mischlingshunde anbieten, trotz der fortschreitenden wissenschaftlichen Entwicklung derzeit noch kein genetisches Vergleichsmaterial für die Rassen Ca de Bestiar und American Pit Bull Terrier vorliegt, welche im vorliegenden Fall als Elterntiere des Hundes des Klägers in Betracht kommen können (vgl. die Rasseliste bei www.wisdompanel.com/breed_count_matters/breed_library/ und die Liste bei www.dogdna.de/Rassenliste-galantos-hund.html).

70

Nach Überzeugung des Senats liegt damit eine Non-liquet-Situation vor, in der nach Beweislastgrundsätzen zu entscheiden ist. Zwar lässt allein der Umstand, dass mehrere Gutachter unterschiedliche Antworten auf die vom Gericht gestellten Fragen geben, noch nicht den Schluss zu, der Sachverhalt sei unaufklärbar (vgl. BVerwG, Urt. v. 28.04.2011 - 2 C 55.09 -, juris). Angesichts der fehlenden rechtlichen Konkretisierungen in Sachsen-Anhalt für die Rassezuordnung bei Kreuzungen in § 3 Abs. 2 GefHundG sowie des Umstands, dass eine Rassezuordnung nach dem Phänotyp nicht auf wissenschaftlich hergeleiteten Erkenntnissen beruht und im vorliegenden Fall eine wissenschaftlich fundierte genetische Rassenbestimmung nach dem derzeitigen Stand der Forschung (noch) nicht möglich ist, sieht der Senat keine weitere Möglichkeit den entscheidungserheblichen Sachverhalt weiter aufzuklären.

71

Es finden damit die im öffentlichen Recht allgemein geltenden Regeln der materiellen Beweislast Anwendung. Sie beantworten die Frage, wer den Prozess verliert, wenn unaufklärbar bleibt, ob ein Tatbestandsmerkmal erfüllt ist. Sowohl im Zivil- als auch im öffentlichen Recht gilt als Grundregel das sogenannte „Günstigkeitsprinzip“. Danach trägt jeder den Rechtsnachteil für die Nichterweislichkeit der ihm günstigen Tatbestandsmerkmale einer Norm. Auf die Anfechtungsklage angewendet bedeutet dies, dass die erlassende Behörde die materielle Beweislast für die Tatsachen trifft, die nach der zugrunde liegenden Norm Voraussetzung für die belastende Rechtsfolge sind, die durch den angegriffenen Verwaltungsakt angeordnet wird (vgl. BVerwG, Urt. v. 27.09.1982 - 8 C 62.81 -, juris). Diese Grundregel gilt allerdings nur subsidiär. Sie ist dann nicht anwendbar, wenn das materielle Recht eine andere Beweislastverteilung vorsieht. Dazu muss sich der Norm entnehmen lassen, dass ihre Rechtsfolge auch eintreten soll, wenn das Tatbestandsmerkmal unerweislich bleibt, insofern also ein non liquet eintritt (vgl. BVerwG, Beschl. v. 16.05.2013 - 8 B 70.12 -, juris). Anders als in anderen Bundesländern ist in § 3 Abs. 2 GefHundG keine Beweislastumkehr zulasten des Hundehalters vorgesehen, so dass im vorliegenden Fall die Beklagte für den Umstand, dass es sich bei dem Hund des Klägers um eine Kreuzung i. S. d. § 3 Abs. 2 GefHundG i. V. m. § 2 Abs. 1 HundVerbrEinfG handelt, die Beweislast trifft. Da die Beklagte den Nachweis für die Erfüllung dieses Tatbestandsmerkmals nicht erbracht hat, war der streitgegenständliche Bescheid vom 03. März 2011 aufzuheben.

72

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit beruht auf den §§ 167 VwGO, 708 Nr. 10, 711 ZPO.

73

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Die Beteiligten können vor dem Verwaltungsgericht den Rechtsstreit selbst führen.

(2) Die Beteiligten können sich durch einen Rechtsanwalt oder einen Rechtslehrer an einer staatlichen oder staatlich anerkannten Hochschule eines Mitgliedstaates der Europäischen Union, eines anderen Vertragsstaates des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz, der die Befähigung zum Richteramt besitzt, als Bevollmächtigten vertreten lassen. Darüber hinaus sind als Bevollmächtigte vor dem Verwaltungsgericht vertretungsbefugt nur

1.
Beschäftigte des Beteiligten oder eines mit ihm verbundenen Unternehmens (§ 15 des Aktiengesetzes); Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich auch durch Beschäftigte anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen,
2.
volljährige Familienangehörige (§ 15 der Abgabenordnung, § 11 des Lebenspartnerschaftsgesetzes), Personen mit Befähigung zum Richteramt und Streitgenossen, wenn die Vertretung nicht im Zusammenhang mit einer entgeltlichen Tätigkeit steht,
3.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Abgabenangelegenheiten,
3a.
Steuerberater, Steuerbevollmächtigte, Wirtschaftsprüfer und vereidigte Buchprüfer, Personen und Vereinigungen im Sinne der §§ 3a und 3c des Steuerberatungsgesetzes im Rahmen ihrer Befugnisse nach § 3a des Steuerberatungsgesetzes, zu beschränkter geschäftsmäßiger Hilfeleistung in Steuersachen nach den §§ 3d und 3e des Steuerberatungsgesetzes berechtigte Personen im Rahmen dieser Befugnisse sowie Gesellschaften im Sinne des § 3 Satz 1 Nummer 2 und 3 des Steuerberatungsgesetzes, die durch Personen im Sinne des § 3 Satz 2 des Steuerberatungsgesetzes handeln, in Angelegenheiten finanzieller Hilfeleistungen im Rahmen staatlicher Hilfsprogramme zur Abmilderung der Folgen der COVID-19-Pandemie, wenn und soweit diese Hilfsprogramme eine Einbeziehung der Genannten als prüfende Dritte vorsehen,
4.
berufsständische Vereinigungen der Landwirtschaft für ihre Mitglieder,
5.
Gewerkschaften und Vereinigungen von Arbeitgebern sowie Zusammenschlüsse solcher Verbände für ihre Mitglieder oder für andere Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder,
6.
Vereinigungen, deren satzungsgemäße Aufgaben die gemeinschaftliche Interessenvertretung, die Beratung und Vertretung der Leistungsempfänger nach dem sozialen Entschädigungsrecht oder der behinderten Menschen wesentlich umfassen und die unter Berücksichtigung von Art und Umfang ihrer Tätigkeit sowie ihres Mitgliederkreises die Gewähr für eine sachkundige Prozessvertretung bieten, für ihre Mitglieder in Angelegenheiten der Kriegsopferfürsorge und des Schwerbehindertenrechts sowie der damit im Zusammenhang stehenden Angelegenheiten,
7.
juristische Personen, deren Anteile sämtlich im wirtschaftlichen Eigentum einer der in den Nummern 5 und 6 bezeichneten Organisationen stehen, wenn die juristische Person ausschließlich die Rechtsberatung und Prozessvertretung dieser Organisation und ihrer Mitglieder oder anderer Verbände oder Zusammenschlüsse mit vergleichbarer Ausrichtung und deren Mitglieder entsprechend deren Satzung durchführt, und wenn die Organisation für die Tätigkeit der Bevollmächtigten haftet.
Bevollmächtigte, die keine natürlichen Personen sind, handeln durch ihre Organe und mit der Prozessvertretung beauftragten Vertreter.

(3) Das Gericht weist Bevollmächtigte, die nicht nach Maßgabe des Absatzes 2 vertretungsbefugt sind, durch unanfechtbaren Beschluss zurück. Prozesshandlungen eines nicht vertretungsbefugten Bevollmächtigten und Zustellungen oder Mitteilungen an diesen Bevollmächtigten sind bis zu seiner Zurückweisung wirksam. Das Gericht kann den in Absatz 2 Satz 2 Nr. 1 und 2 bezeichneten Bevollmächtigten durch unanfechtbaren Beschluss die weitere Vertretung untersagen, wenn sie nicht in der Lage sind, das Sach- und Streitverhältnis sachgerecht darzustellen.

(4) Vor dem Bundesverwaltungsgericht und dem Oberverwaltungsgericht müssen sich die Beteiligten, außer im Prozesskostenhilfeverfahren, durch Prozessbevollmächtigte vertreten lassen. Dies gilt auch für Prozesshandlungen, durch die ein Verfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht oder einem Oberverwaltungsgericht eingeleitet wird. Als Bevollmächtigte sind nur die in Absatz 2 Satz 1 bezeichneten Personen zugelassen. Behörden und juristische Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse können sich durch eigene Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt oder durch Beschäftigte mit Befähigung zum Richteramt anderer Behörden oder juristischer Personen des öffentlichen Rechts einschließlich der von ihnen zur Erfüllung ihrer öffentlichen Aufgaben gebildeten Zusammenschlüsse vertreten lassen. Vor dem Bundesverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 5 bezeichneten Organisationen einschließlich der von ihnen gebildeten juristischen Personen gemäß Absatz 2 Satz 2 Nr. 7 als Bevollmächtigte zugelassen, jedoch nur in Angelegenheiten, die Rechtsverhältnisse im Sinne des § 52 Nr. 4 betreffen, in Personalvertretungsangelegenheiten und in Angelegenheiten, die in einem Zusammenhang mit einem gegenwärtigen oder früheren Arbeitsverhältnis von Arbeitnehmern im Sinne des § 5 des Arbeitsgerichtsgesetzes stehen, einschließlich Prüfungsangelegenheiten. Die in Satz 5 genannten Bevollmächtigten müssen durch Personen mit der Befähigung zum Richteramt handeln. Vor dem Oberverwaltungsgericht sind auch die in Absatz 2 Satz 2 Nr. 3 bis 7 bezeichneten Personen und Organisationen als Bevollmächtigte zugelassen. Ein Beteiligter, der nach Maßgabe der Sätze 3, 5 und 7 zur Vertretung berechtigt ist, kann sich selbst vertreten.

(5) Richter dürfen nicht als Bevollmächtigte vor dem Gericht auftreten, dem sie angehören. Ehrenamtliche Richter dürfen, außer in den Fällen des Absatzes 2 Satz 2 Nr. 1, nicht vor einem Spruchkörper auftreten, dem sie angehören. Absatz 3 Satz 1 und 2 gilt entsprechend.

(6) Die Vollmacht ist schriftlich zu den Gerichtsakten einzureichen. Sie kann nachgereicht werden; hierfür kann das Gericht eine Frist bestimmen. Der Mangel der Vollmacht kann in jeder Lage des Verfahrens geltend gemacht werden. Das Gericht hat den Mangel der Vollmacht von Amts wegen zu berücksichtigen, wenn nicht als Bevollmächtigter ein Rechtsanwalt auftritt. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, sind die Zustellungen oder Mitteilungen des Gerichts an ihn zu richten.

(7) In der Verhandlung können die Beteiligten mit Beiständen erscheinen. Beistand kann sein, wer in Verfahren, in denen die Beteiligten den Rechtsstreit selbst führen können, als Bevollmächtigter zur Vertretung in der Verhandlung befugt ist. Das Gericht kann andere Personen als Beistand zulassen, wenn dies sachdienlich ist und hierfür nach den Umständen des Einzelfalls ein Bedürfnis besteht. Absatz 3 Satz 1 und 3 und Absatz 5 gelten entsprechend. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit es nicht von diesem sofort widerrufen oder berichtigt wird.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Anträge und Erklärungen, deren Abgabe vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle zulässig ist, können vor der Geschäftsstelle eines jeden Amtsgerichts zu Protokoll abgegeben werden.

(2) Die Geschäftsstelle hat das Protokoll unverzüglich an das Gericht zu übermitteln, an das der Antrag oder die Erklärung gerichtet ist. Die Wirkung einer Prozesshandlung tritt frühestens ein, wenn das Protokoll dort eingeht. Die Übermittlung des Protokolls kann demjenigen, der den Antrag oder die Erklärung zu Protokoll abgegeben hat, mit seiner Zustimmung überlassen werden.