Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 04. Nov. 2014 - Au 3 K 14.40

bei uns veröffentlicht am04.11.2014

Gericht

Verwaltungsgericht Augsburg

Tenor

I.

Die Klage wird abgewiesen.

II.

Die Klägerin hat die Kosten des Verfahrens einschließlich der außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen zu tragen.

III.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar. Die Klägerin darf die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe des zu vollstreckenden Betrags abwenden, wenn nicht der jeweilige Vollstreckungsgläubiger vorher Sicherheit in gleicher Höhe leistet.

Tatbestand

Die Klägerin wendet sich gegen die dem Beigeladenen vom Beklagten erteilte Zustimmung zu ihrer Kündigung.

1. Der Beigeladene ist Internist und führt eine Arztpraxis in .... In der Praxis sind neben der Klägerin als einziger angestellter Ärztin drei Mitarbeiterinnen in Vollzeit, drei Mitarbeiterinnen in Teilzeit sowie drei Auszubildende beschäftigt.

Die 1959 geborene Klägerin weist seit dem 3. Januar 2013 einen Grad der Behinderung von 50 (zuletzt festgestellt durch Widerspruchsbescheid des Zentrums Bayern Familie und Soziales - Landesversorgungsamt - vom 24. September 2013) auf. Die Klägerin leidet demnach an:

- Seelischer Störung, somatoforme Störung (Einzel-GdB: 50)

- Funktionsbeeinträchtigung der Wirbelsäule (Einzel-GdB: 10)

Die Klägerin war beim Beigeladenen seit dem 1. April 2009 beschäftigt.

Bereits mit Schreiben vom 19. September 2013 wurde das Arbeitsverhältnis der Klägerin durch den Beigeladenen ordentlich zum 31. März 2014 gekündigt. Diese Kündigung erfolgte jedoch in Unkenntnis der Schwerbehinderteneigenschaft der Klägerin ohne Beteiligung des Integrationsamtes; die Schwerbehinderteneigenschaft der Klägerin wurde dem Beigeladenen erst mit anwaltlichem Schreiben der Klägerin vom 1. Oktober 2013 mitgeteilt. Im nachfolgenden arbeitsgerichtlichen Verfahren wurde daher seitens des Beigeladenen von der Kündigung Abstand genommen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 2. Oktober 2013 beantragte der Beigeladene sodann beim Beklagten vorsorglich die Zustimmung zur beabsichtigten außerordentlichen bzw. hilfsweise ordentlichen Kündigung der Klägerin. Insoweit wurden verhaltensbedingte Gründe angeführt, namentlich eine arbeitsvertraglich und standesrechtlich pflichtwidrige Nichtbehandlung von Patienten während der Urlaubsvertretung des Beigeladenen. Mit Schreiben des Integrationsamts vom 17. Oktober 2013 wurde der Beigeladene darüber in Kenntnis gesetzt, dass die Zustimmung des Integrationsamts zur beabsichtigten außerordentlichen Kündigung gesetzlich als erteilt gelte, da das Integrationsamt nicht innerhalb von zwei Wochen nach Antragseingang über den Antrag entschieden habe. Zur Begründung wurde angeführt, dass ein Zusammenhang der Kündigung mit der Behinderung nicht ersichtlich sei. Von einer außerordentlichen Kündigung sah der Beigeladene jedoch in der Folge letztlich ab.

2. Mit anwaltlichem Schreiben vom 8. November 2013 - eingegangen am 14. November 2013 - beantragte der Beigeladene sodann beim Beklagten die Zustimmung zur beabsichtigten ordentlichen Kündigung der Klägerin zum 30. Juni 2014. Zur Begründung wurde angeführt, dass das Arbeitsverhältnis zerrüttet sei. Anfang September 2013 und danach seien dem Beigeladenen mehrere Fälle bekannt geworden, in denen die Klägerin während der urlaubsbedingten Abwesenheit des Beigeladenen Patienten, die der unverzüglichen Behandlung bedurft hätten, abgewiesen und nicht behandelt habe. Das praxisschädliche Verhalten der Klägerin stelle einen erheblichen Verstoß gegen arbeitsrechtliche Pflichten und das ärztliche Standesrecht dar und hätte zu schweren gesundheitlichen Schäden oder gar zum Tod von Patienten führen können. Beigefügt war eine zweiseitige Auflistung von sieben Patientenbeschwerden über die Klägerin ab August 2012, wobei die Patientennamen aus datenschutzrechtlichen Gründen geschwärzt waren (Ziffern 1.-7. des Dokuments). Im Kern ging es um eine pflichtwidrige Nichtbehandlung von Patienten des Beigeladenen oder anderer niedergelassener Ärzte in .... Im Mittelpunkt stand ein Vorfall vom 30. August 2013, bei dem die Klägerin eine Krebspatientin in der Chemo- und Strahlentherapie, die als Patientin des Beigeladenen während dessen Urlaub mit erheblichen Beschwerden die Praxis aufgesucht habe, nicht untersucht und behandelt, sondern diese schlicht auf die Rückkehr des Beigeladenen verwiesen habe. Letztlich habe es die Klägerin auch pflichtwidrig kategorisch abgelehnt, die Urlaubsvertretung für andere Ärzte aus ... wahrzunehmen (Ziffer 8. des Dokuments). Hinzu komme, dass die Klägerin im Jahr 2013 bis September bereits 39 Krankheitstage aufweise, was zu einer außerordentlichen und nicht mehr tragbaren Belastung des Praxisbetriebs geführt habe, da der Beigeladene bei vollem eigenen Terminbuch auch noch die Krankheitsvertretung für die Klägerin habe übernehmen müssen; unzumutbare Wartezeiten für die Patienten seien die Folge gewesen. Aktuell sei die Klägerin erneut bis voraussichtlich 14. Januar 2014 erkrankt.

Das Integrationsamt gab der Klägerin mit Schreiben vom 14. November 2013 Gelegenheit zur Stellungnahme zum Antrag des Beigeladenen bis zum 26. November 2013. Mit anwaltlichem Schreiben vom 25. November 2013 bat die Klägerin um Fristverlängerung bis zum 17. Januar 2014. Zur Begründung wurde angeführt, dass die Klägerin an einem massiven Erschöpfungssyndrom und weiteren Beeinträchtigungen leide, was eine stationäre Behandlung erforderlich mache. Eine angemessene Stellungnahme könne erst im Nachgang erfolgen. Mit Schreiben vom 26. November 2013 gewährte das Integrationsamt unter Hinweis auf gesetzliche Entscheidungsfristen eine Fristverlängerung bis zum 3. Dezember 2013; hiernach werde nach Aktenlage entschieden.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 4. Dezember 2013 nahm die Klägerin gegenüber dem Integrationsamt ausführlich Stellung und wandte sich gegen den Antrag des Beigeladenen. Der umsatzorientierte Beigeladene sei bereits seit längerem unzufrieden mit der - behinderungsbedingt eingeschränkten - Leistungsfähigkeit der Klägerin. Daher habe der Beigeladene bereits im Juni 2013 eine Stellenanzeige im Bayerischen Ärzteblatt geschaltet, um die Stelle der Klägerin neu zu besetzen, ohne der Klägerin - trotz mehrfacher Erkrankung - ein betriebliches Eingliederungsmanagement anzubieten. Verhaltensbedingte Kündigungsgründe seien somit nur vorgeschoben, in Wahrheit handele es sich im Fall der Klägerin um eine personen- und behinderungsbedingte Kündigung. Der vom Beigeladenen vorgetragene Sachverhalt werde bestritten. Unabhängig davon sei ein Pflichtverstoß nicht erkennbar. Es sei insbesondere kassenärztlich und versicherungsrechtlich gar nicht zulässig, dass die Klägerin für den Beigeladenen die Urlaubsvertretung übernehme, da sie keine Fachärztin für Innere Medizin sei; daher habe sich die Klägerin insoweit auf die Behandlung von Notfällen beschränkt. Zur Urlaubsvertretung anderer Ärzte in ... sei die Klägerin bereits arbeitsvertraglich nicht verpflichtet gewesen. Bis auf eine Ausnahme habe es sich bei allen angeführten Einzelfällen um solche Vertretungsfälle für Dritte gehandelt; zudem hätten sich die Einzelfälle teils anders abgespielt, teils seien sie auch frei erfunden. In arbeitsrechtlicher Hinsicht handele es sich um eine bloße Verdachtskündigung, die jedoch ohne vorherige Anhörung unzulässig sei. Ferner liege ein Verbrauch der gegenständlichen Kündigungsgründe durch die gleichartige Kündigung bereits vom 19. September 2013 vor; zudem sei der Grundsatz des Vorrangs der Abmahnung verletzt worden. Es sei mit Blick auf den im Verwaltungsverfahren geltenden Untersuchungsgrundsatz Pflicht des Integrationsamts, den Sachverhalt umfassend aufzuklären. Nur so sei eine ermessensfehlerfreie Entscheidung möglich. Rechtlich habe das Integrationsamt zwar nicht zu prüfen, ob die geltend gemachten Kündigungsgründe im Lichte des Kündigungsschutzgesetzes tragfähig seien; ob die geltend gemachten Kündigungsgründe jedoch tatsächlich lediglich vorgeschoben seien, habe das Integrationsamt sehr wohl zu prüfen.

Mit anwaltlichem Schreiben vom 11. Dezember 2013 trug der Beigeladene ergänzend zur Begründung seines Antrags vor. Maßgeblich sei allein, dass verhaltensbedingte, nicht behinderungsbedingte Kündigungsgründe geltend gemacht würden, das Bestreiten durch die Klägerin sei für das Integrationsamt irrelevant. Das Arbeitsverhältnis sei zerrüttet. Auch vor dem 19. September 2013 habe es mehrere Vorfälle gegeben, die den Kündigungsentschluss des Beigeladenen haben weiter reifen lassen. So habe die Klägerin Patienten abgewiesen und sich geweigert, Hausbesuche in zwei nahegelegenen Altersheimen durchzuführen; ferner sei sie trotz Ermahnungen mehrfach zu spät gekommen und durch einen rüden Umgangston gegenüber Patienten aufgefallen. Dies alles betreffe die allgemeine Berufseinstellung der Klägerin und habe keinen Behinderungsbezug, auch wenn dem Beigeladenen Details der ihm erst am 1. Oktober 2013 dem Grunde nach mitgeteilten Behinderung der Klägerin weiterhin gar nicht bekannt seien. Dass auch die Klägerin selbst von einer Zerrüttung des Arbeitsverhältnisses ausgehe, werde dadurch belegt, dass sie selbst sich auf die per Chiffre geschaltete Stellenanzeige aus dem Sommer 2013 beworben habe. Der Vortrag der Klägerin, dass eine Vertretung rechtlich gar nicht zulässig sei, überzeuge nicht, da es sich in sämtlichen Fällen um Hausarztleistungen gehandelt habe. Klarzustellen sei letztlich, dass dem Integrationsamt keine arbeitsrechtliche Prüfung der Kündigungsgründe obliege; die Kündigung sei auch nicht offensichtlich arbeitsrechtlich unwirksam.

3. Mit Bescheid vom 17. Dezember 2013 erklärte das Integrationsamt die Zustimmung zur ordentlichen Kündigung der Klägerin. Zur Begründung wurde angeführt, dass die seitens des Beigeladenen vorgetragenen verhaltensbedingten Kündigungsgründe ausreichend seien. Die erheblichen Vorwürfe seien zwar seitens der Klägerin bestritten, jedoch nicht eindeutig und beweiskräftig widerlegt worden, eine offenkundige arbeitsrechtliche Unwirksamkeit der Kündigung sei nicht gegeben. Die inhaltliche Prüfung der Kündigungsgründe obliege nach verwaltungsgerichtlicher Rechtsprechung den Arbeitsgerichten.

4. Hiergegen hat die Klägerin am 10. Januar 2014 Klage erheben lassen. Beantragt ist,

den Bescheid des Integrationsamts vom 17. Dezember 2013 aufzuheben.

Die Zustimmung zur Kündigung durch das Integrationsamt sei rechtswidrig. Die verhaltensbedingten Kündigungsgründe seien offenkundig lediglich vorgeschoben. Die wahren Gründe der Kündigung seien personen- und behinderungsbedingt und in den Leistungseinschränkungen und wiederholten Erkrankungen der Klägerin zu sehen. Die Fehlzeiten der Klägerin durch akute - nicht chronische - Erkrankungen resultierten daraus, dass der Beigeladene die Klägerin massiv psychisch unter Druck gesetzt habe. Allgemein behandele der Beigeladene seine Mitarbeiter grob rücksichtslos und schreie diese - wie gelegentlich sogar Patienten - auch an; dies könnten aktuelle und ehemalige Mitarbeiterinnen des Beigeladenen als Zeugen belegen. Das unangemessene Verhalten des Beigeladenen gegenüber Patienten sei auch in einem Internet-Bewertungsportal für Ärzte vermerkt. Ferner habe der Beigeladene von der Klägerin - erfolglos - verlangt, an Abrechnungsbetrug mitzuwirken; konkret ging es um die Abrechnung von Hausbesuchen in Altersheimen, die nie erfolgt seien. Insoweit werde derzeit gegen den Beigeladenen strafrechtlich ermittelt. Nochmals klargestellt sei, dass die Klägerin als Allgemeinmedizinerin - abgesehen von Notfällen - kassenärztlich nicht befugt sei, den Kläger als Facharzt für Innere Medizin zu vertreten; dies könne durch eine Nachfrage bei der Kassenärztlichen Vereinigung verifiziert werden. Der Beigeladene habe die Klägerin zu einer solchen rechtswidrigen Vertretung nötigen wollen, um sich die Kosten für eine Vertretung durch einen Facharzt zu sparen. Allgemein sei eine Vertretung des Beigeladenen durch die Klägerin in der Sommerzeit auch kapazitär unzumutbar, zumal erwartet werde, in dieser Zeit auch noch andere urlaubsbedingt abwesende Ärzte in ... zu vertreten. Die verhaltensbedingten Vorwürfe des Beigeladenen würden bestritten, die Klägerin habe stets medizinisch einwandfrei und allein am Wohl der Patienten orientiert gehandelt; hierzu sei ggf. ein Sachverständigengutachten einzuholen. Ein detaillierter Vortrag hierzu sei der Klägerin aufgrund der ärztlichen Schweigepflicht nicht möglich. Die angeführten Kündigungsgründe seien nach alledem unzutreffend und rechtlich nicht tragfähig, hierzu sei bereits im Verwaltungsverfahren substantiiert Stellung genommen worden. Es werde nochmals darauf hingewiesen, dass der Beigeladene bereits vor Bekanntwerden der nunmehr angeführten Kündigungsgründe per Stellenanzeige nach einer Nachfolgerin gesucht habe. Auch habe er der Klägerin bereits Ende September 2013 ordentlich mit Wirkung zum 31. März 2014 gekündigt und dies mündlich mit deren erheblichen Fehlzeiten begründet. Zu diesem Zeitpunkt habe der Kläger bereits eine Nachfolgerin für die Klägerin eingestellt. Das Integrationsamt habe es letztlich pflichtwidrig unterlassen, den maßgeblichen Sachverhalt hinreichend aufzuklären; in der Folge sei die Zustimmungsentscheidung ermessensfehlerhaft.

5. Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die beabsichtigte Kündigung sei im Kern mit den Pflichtverletzungen der Klägerin begründet worden. Ein hinreichender Zusammenhang mit der Behinderung der Klägerin sei nicht ersichtlich. Ob die Vorwürfe gegen die Klägerin tatsächlich zutreffen und begründet sind, sei nach der Rechtsprechung des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofs nicht durch das Integrationsamt zu prüfen.

6. Mit Beschluss des Gerichts vom 10. Februar 2014 wurde der Arbeitgeber zum Verfahren beigeladen. Er beantragt ebenfalls,

die Klage abzuweisen.

Es sei nicht zutreffend, dass verhaltensbedingte Kündigungsgründe nur vorgeschoben seien. Die Kündigung habe keinerlei behinderungsbedingten Zusammenhang, so dass der Sonderkündigungsschutz nicht tangiert sei. Die Schaltung der Stellenanzeige im Sommer 2013 könne bereits keinen Behinderungsbezug haben, da dem Beigeladenen bis zum 1. Oktober 2013 die Schwerbehinderung der Klägerin noch gar nicht bekannt gewesen sei. Ein Zusammenhang zwischen der Behinderung und den Fehlzeiten der Klägerin sei für den Beigeladenen daher ebenfalls bereits nicht erkennbar gewesen; bis heute sei dem Beigeladenen nicht einmal bekannt, worin genau die Schwerbehinderung der Klägerin bestehe. Der Vortrag, der Beigeladene sei durch sein Verhalten - insbesondere in Form der Ausübung psychischen Drucks - für die Fehlzeiten der Klägerin verantwortlich, sei völlig unsubstantiiert; der Beigeladene behandele seine Mitarbeiter nachweislich ordnungsgemäß. Einträge in einem Internet-Bewertungsportal für Ärzte seien als anonyme öffentliche Anschwärzung insoweit von vornherein irrelevant. Der klägerische Vorwurf des Verlangens eines Abrechnungsbetrugs seitens des Beigeladenen sei als ungeheuerliche Unterstellung zurückzuweisen; richtigerweise sei dem Beigeladenen aufgefallen, dass durch die Klägerin tatsächlich durchgeführte Hausbesuche nicht zur Abrechnung vorgemerkt worden waren. Der Beigeladene organisiere auch seine Vertretung ordnungsgemäß; von der Klägerin seien insoweit niemals fachärztliche Leistungen verlangt worden, für die sie nicht die erforderliche Qualifikation besitze. Dies gelte insbesondere für die am 30. August 2013 nicht behandelte Krebspatientin, deren Chemotherapie-Nachsorge in den hausärztlichen Bereich falle. Zur Abklärung einer akuten Gefahrenlage wäre hier eine unverzügliche Infusion nebst Blutabnahme geboten gewesen, anstatt die Patientin auf die darauffolgende Woche zu verweisen. Eine unzumutbare Arbeitsbelastung der Klägerin werde bestritten. Letztlich habe das Gesamtverhalten der Klägerin dazu geführt, dass viele Patienten nicht mehr von ihr behandelt werden wollten, sondern längere Wartezeiten in Kauf nahmen, um vom Beigeladenen behandelt zu werden. Die Zustimmung des Integrationsamts zur Kündigung sei auch nicht ermessensfehlerhaft, behinderungsbedingte Belange der Klägerin seien hinreichend berücksichtigt worden. Die tatsächliche Klärung der Vorwürfe sei Aufgabe der Arbeitsgerichte und im Rahmen des behinderungsbedingten Sonderkündigungsschutzes nicht von Relevanz. Ferner sei das Ermessen des Integrationsamts aufgrund der Nichtgeltung des Kündigungsschutzgesetzes in Kleinbetrieben in arbeitsrechtlicher Hinsicht insoweit eingeschränkt, als die Kündigung nur nicht objektiv willkürlich sein dürfe; denn die Klägerin könne über den Sonderkündigungsschutzes nicht mittelbar einen (höheren) allgemeinen Schutz erlangen, den ihr das Arbeitsrecht ausdrücklich versage. Unabhängig davon würden die der Klägerin zur Last gelegten Vorfälle durch eidesstattliche Versicherungen zweier Sprechstundenhilfen und der durch die Klägerin am 30. August 2013 pflichtwidrig nicht untersuchten bzw. behandelten Krebspatientin belegt. Diese Personen seien auch - soweit erforderlich - bereit, ihre Angaben vor Gericht zu bezeugen.

7. Mit Endurteil verkündet am 17. April 2014 (Az. ...) hat das Arbeitsgericht ... die seitens der Klägerin gegen die Kündigung gerichtete arbeitsrechtliche Klage abgewiesen. Ausweislich der Urteilsgründe ist das Arbeitsgericht zu der Schlussfolgerung gelangt, dass eine behinderungsbedingte Benachteiligung der Klägerin durch die streitgegenständliche Kündigung i. S. v. § 81 Abs. 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch (SGB IX) i. V. m. §§ 7, 1 und 3 des Allgemeinen Gleichbehandlungsgesetzes (AGG) nicht erkennbar sei. Dies folge zum einen aus der vorliegenden Zustimmung des Integrationsamts zur Kündigung. Zum anderen seien die entsprechenden Behauptungen der Klägerin ohne jegliche Substanz, ausreichende Indizien für eine behinderungsbedingte Benachteiligung seien nicht vorgetragen.

Über die gegen das Endurteil des Arbeitsgerichts ... seitens der Klägerin eingelegte Berufung ist durch das Landesarbeitsgericht ... bislang nicht entschieden worden.

8. Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einvernahme der Patientin, die am Vorfall vom 30. August 2013 beteiligt war, als Zeugin. Hinsichtlich der Aussage wird auf die Niederschrift zur mündlichen Verhandlung verwiesen.

9. Die Gerichtsakten und die vorgelegten Verwaltungsakten waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung.

Gründe

Die zulässige Klage ist nicht begründet.

1. Der Bescheid des Integrationsamts vom 17. Dezember 2013 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 der Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO).

Gemäß § 85 SGB IX bedarf die Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen durch den Arbeitgeber der vorherigen Zustimmung des Integrationsamtes.

a) Die Auflösung des Arbeitsverhältnisses eines schwerbehinderten Menschen wird allein durch die Kündigung des Arbeitgebers bewirkt. Die dazu nach § 85 Abs. 1 SGB IX erforderliche Zustimmung des Integrationsamts ist eine zwingende Wirksamkeitsvoraussetzung für diese rechtsgeschäftliche Gestaltungserklärung, erschöpft sich aber auch hierin (BVerwG, B. v. 7.3.1991 - 5 B 114/89 - ZfSH/SGB 1991, 311 - juris Rn. 5; dem folgend BayVGH, U. v. 18.6.2008 - 12 BV 05.2467 - juris Rn. 41). Die Entscheidung des Integrationsamtes über die Zustimmung zur Kündigung von schwerbehinderten Menschen ist eine Ermessensentscheidung (ausführlich dazu BayVGH, B. v. 12.8.2008 - 12 ZB 07.3029 - juris Rn. 8 unter Hinweis auf Kuhlmann, Behindertenrecht 2006, 93/97 f., m. w. N.), mit der das Integrationsamt die vom Arbeitgeber geltend gemachten Kündigungsgründe mit den Schutzinteressen des behinderten Arbeitnehmers unter Berücksichtigung der in § 89 SGB IX vorgesehenen Einschränkungen abwägt. Sie ist an Sinn und Zweck des Sonderkündigungsschutzes für schwerbehinderte Menschen auszurichten (BVerwG, U. v. 2.7.1992 - 5 C 51/90 - BVerwGE 90, 287 - juris Rn. 23 f.). Danach ist das Interesse der schwerbehinderten Arbeitnehmer, ihren Arbeitsplatz zu behalten, mit dem Interesse des Arbeitgebers, Personalkosten zu sparen, abzuwägen (BVerwG, U. v. 19.10.1995 - 5 C 24/93 - BVerwGE 99, 336 - juris Rn. 13). Es ist dem Fürsorgegedanken des Gesetzes Rechnung zu tragen, das die Nachteile schwerbehinderter Arbeitnehmer auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgleichen will und dafür in Kauf nimmt, dass die Gestaltungsfreiheit des Arbeitgebers eingeengt wird. Besonders hohe Anforderungen an die Zumutbarkeit beim Arbeitgeber sind im Rahmen der Abwägung der gegensätzlichen Interessen dann zu stellen, wenn die Kündigung auf Gründen beruht, die in der Behinderung selbst ihre Ursache haben. Entsprechend ist der Schutz umso geringer, je weniger ein Zusammenhang zwischen Kündigungsgrund und Behinderung feststellbar ist. Andererseits ist auch die unternehmerische Gestaltungsfreiheit des Arbeitgebers mit dem ihr zukommenden Gewicht in die Abwägung einzustellen. Sinn und Zweck des Zustimmungserfordernisses ist es nicht, eine zusätzliche, zweite Kontrolle der arbeitsrechtlichen Zulässigkeit der Kündigung zu schaffen. Die §§ 85 ff. SGB IX sollen nach ihrer Regelungskonzeption erkennbar keinen umfassenden Schutz schwerbehinderter Arbeitnehmer vor einer Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses bieten (BVerwG, B. v. 11.5.2006 - 5 B 24/06 - juris Rn. 10). Das Integrationsamt hat im Zustimmungsverfahren nach § 85 ff. SGB IX grundsätzlich auch nicht zu prüfen, ob die beabsichtigte Kündigung des Arbeitsverhältnisses des Schwerbehinderten etwa sozial gerechtfertigt i. S. v. § 1 Abs. 2 KSchG ist (vgl. BVerwG, U. v. 2.7.1992 - 5 C 51/90 - BVerwGE 90, 287 - juris, Leitsatz 3). Denn diese Prüfung ist allein von den Arbeitsgerichten vorzunehmen. Der Sonderkündigungsschutz soll vor allem die Nachteile der Schwerbehinderten auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt ausgleichen (BVerwG, U. v. 28.2.1968 - V C 33.66 - BVerwGE 29, 140 - juris Rn. 17). Dessen Zweck geht dahin, den Schwerbehinderten vor den Gefahren, denen er wegen seiner Behinderung auf dem Arbeitsmarkt ausgesetzt ist, zu bewahren und sicherzustellen, dass er gegenüber den gesunden Arbeitnehmern nicht ins Hintertreffen gerät (BVerwG, U. v. 12.1.1966 - V C 62.64 - BVerwGE 23, 123 - juris Rn. 35). Bei der Entscheidung, ob die Zustimmung erteilt oder versagt werden soll, können deshalb nur Erwägungen eine Rolle spielen, die sich speziell aus der Schwerbehindertenfürsorge herleiten. Rechtfertigen solche Erwägungen eine Versagung der Zustimmung nicht, so hat die behördliche Zustimmung dem Kündigenden diejenige Rechtsstellung zurückzugeben, die er hätte, wenn es keinen besonderen Kündigungsschutz für Schwerbehinderte gäbe (BVerwG, U. v. 2.7.1992 - 5 C 51/90 - BVerwGE 90, 287 - juris Rn. 24). Allerdings darf die Integrationsbehörde an einer offensichtlich unwirksamen Kündigung in dem Sinne, dass die Unwirksamkeit der Kündigung „ohne jeden vernünftigen Zweifel in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht offen zu Tage liegt und sich jedem Kundigen geradezu aufdrängt“, nicht mitwirken (siehe zum Ganzen: BayVGH, U. v. 28.9.2010 - 12 B 10.1088 - juris Rn. 30; U. v. 16.11.1993 - 12 B 92.84 - juris).

Maßgebliche Sach- und Rechtslage für die Beurteilung eines bestehenden, gegen das Interesse des Schwerbehinderten abzuwägenden Kündigungsinteresses des Arbeitgebers ist der der Kündigung zugrunde liegende historische Sachverhalt. Grundsätzlich beurteilt sich die Frage, ob ein Kündigungssachverhalt vorliegt, aus dem der Arbeitgeber das seinem Antrag zugrunde liegende Kündigungsinteresse herleitet, jedenfalls im Falle einer Anfechtungsklage nach dem historischen Sachverhalt, der den Kündigungsgrund bildet und bis zum Zugang der Kündigungserklärung vorliegt (vgl. BVerwG, B. v. 10.11.2008 - 5 B 79.08 - juris Rn. 4 f.; B. v. 7.3.1991 - 5 B 114/89 - juris Rn. 4 f.; BayVGH, U. v. 18.6.2008 - 12 BV 05.2467 - juris Rn. 43; B. v. 20.6.2006 - 9 ZB 06.930 - juris Rn. 3; B. v. 31.1.2005 - 9 ZB 04.2740 - juris Rn. 14). Für diesen Zeitpunkt hat die Behörde für ihre Entscheidungsfindung all diejenigen Umstände zu berücksichtigen, die von den Beteiligten an sie herangetragen worden sind oder die sich ihr sonst hätten aufdrängen mussten. Denn nur die vom Arbeitgeber geltend gemachten Kündigungsgründe sind mit dem Schutzinteresse des behinderten Arbeitnehmers abzuwägen. Tatsachen und Umstände, die erst nach diesem Zeitpunkt eingetreten sind, gehören daher nicht zu dem zugrunde zu legenden Sachverhalt. Andernfalls würde die Behörde die Zustimmung zu einer Kündigung bestätigen oder versagen, die sich auf nicht vom Arbeitgeber geltend gemachte Kündigungsgründe stützen würde (siehe zum Ganzen: BayVGH, U. v. 28.9.2010 - 12 B 10.1088 - juris Rn. 32).

Um die nach §§ 85 ff. SGB IX erforderliche Ermessensentscheidung sachgerecht treffen zu können, muss das Integrationsamt anknüpfend an den Antrag des Arbeitgebers und von ihm ausgehend von Amts wegen all das ermitteln und sodann auch berücksichtigen, was erforderlich ist, um die gegensätzlichen Interessen des Arbeitgebers und des schwerbehinderten Arbeitnehmers gegeneinander abwägen zu können (vgl. BVerwG, U. v. 19.10.1995 - 5 C 24.93 - BVerwGE 99, 336, 338 f. - juris Rn. 15). Die dem Integrationsamt in § 20 SGB X auferlegte Aufklärungspflicht gewinnt ihre Konturen und Reichweite aus dem materiellen Recht. Soweit ein Umstand materiellrechtlich für die gebotene Interessenabwägung Bedeutung hat, unterliegt er der Aufklärungspflicht (siehe zum Ganzen: BayVGH, U. v. 31.1.2013 - 12 B 12.860 - juris Rn. 31 unter Bezugnahme auf BVerwG, U. v. 19.10.1995 - 5 C 24.93 - BVerwGE 99, 336, 339 - juris Rn. 15).

Das Integrationsamt hat daher zunächst zu untersuchen, ob Kündigungsgründe überhaupt vorliegen. Es muss im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht aus § 20 SGB X sicherstellen, dass Kündigungsgründe tatsächlich bestehen und nicht lediglich vorgeschoben werden (siehe zum Ganzen: BayVGH, B. v. 22.5.2012 - 12 ZB 12.88 - juris Rn. 12; U. v. 28.9.2010 - 12 B 10.1088 - juris Rn. 36; BVerwG, B. v. 30.6.2011 - 5 B 53/10 - juris).

Das Integrationsamt ist insbesondere nicht dadurch der Pflicht enthoben, sich von der Richtigkeit der für ihre Entscheidung wesentlichen Behauptungen eine eigene Überzeugung zu verschaffen, dass das Arbeitsgericht ggf. die für die Kündigungszustimmung wesentlichen Behauptungen einer selbstständigen Feststellung unterziehen kann; wären nämlich unter dieser Voraussetzung das Integrationsamt und Verwaltungsgericht an den Tatsachenvortrag des Arbeitgebers gebunden, dann würde das Zustimmungsverfahren zu einer leeren Förmlichkeit ausgehöhlt und damit im Ergebnis dem Schwerbeschädigten der Rechtsschutz verweigert. Die Aufklärungspflicht, die ihre Rechtsgrundlage in § 20 SGB X findet, wird verletzt, wenn das Integrationsamt sich damit begnügt, das Vorbringen des Arbeitgebers, soweit es im Rahmen der nach § 85 SGB IX gebotenen Interessenabwägung zu berücksichtigen ist, nur auf seine Schlüssigkeit hin zu überprüfen (siehe zum Ganzen: BVerwG, U. v. 19.10.1995 - 5 C 24/93 - BVerwGE 99, 336 - juris Rn. 14; U. v. 28.11.1958 - V C 32.56 - BVerwGE 8, 46 - juris Rn. 39; VG Augsburg, U. v. 17.9.2013 - Au 3 K 13.476 - juris Rn. 58; U. v. 29.9.2009 - Au 3 K 09.697 - juris Rn. 25-29).

Bei verhaltensbedingten Kündigungsgründen ist das Zustimmungsermessen regelmäßig zugunsten des Arbeitgebers auszuüben, wenn dem Arbeitnehmer vorgeworfen wird, mit seinem Verhalten gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen zu haben und das ihm vorgeworfene Fehlverhalten keine Ursache in seiner Behinderung hat. Die auch insoweit bestehende Verpflichtung des Integrationsamts zur umfassenden Sachverhaltsaufklärung (§ 20 Abs. 1 Satz 1 SGB X) findet ihre Grenzen unter anderem in der sich aus der Bestimmung des § 21 Abs. 2 SGB X ergebenden allgemeinen Mitwirkungspflicht des Betroffenen. Das Integrationsamt muss nur solchen Umständen nachgehen, die sich ihm aufdrängen. Dagegen besteht grundsätzlich kein Anlass, in Richtung auf denkbare Umstände, die allein den Lebensbereich des Betroffenen berühren, von ihm aber im Verwaltungsverfahren nicht geltend gemacht werden, von Amts wegen zu ermitteln. Dies gilt für die Schwerbehindertenfürsorge im Rahmen des Sonderkündigungsschutzes umso mehr, als der Schwerbehindertenstatus zum grundrechtlich geschützten Bereich der Persönlichkeitsrechte gehört und es dem Schwerbehinderten überlassen bleiben muss, ob und auf welche seiner Behinderungen er sich im Rahmen des § 85 SGB IX beruft (siehe zum Ganzen: BayVGH, B. v. 6.12.2010 - 12 ZB 09.954 - juris Rn. 17 m. w. N.).

Bei einem substantiierten Bestreiten des einer verhaltensbedingten Kündigung zugrunde liegenden Sachverhalts durch den Arbeitnehmer - wenn also der Geschehensablauf anders geschildert wird als vom Arbeitgeber - reicht es nicht aus, wenn sich das Integrationsamt lediglich auf mittelbare Aussagen verlässt, um die durch die divergierenden Aussagen entstandenen Widersprüche aufzuklären. Es sind vielmehr unmittelbare Zeugenaussagen oder schriftliche Stellungnahmen der am Geschehen Beteiligten einzuholen (VG München, U. v. 13.10.2010 - M 18 K 10.169 - juris Rn. 28; vgl. auch OVG NRW, B. v. 12.2.2009 - 12 A 3108/08 - juris).

Eine Zustimmung des Integrationsamts zur Kündigung eines Arbeitsverhältnisses ist nach alledem ermessensfehlerhaft und verwaltungsgerichtlich aufzuheben, soweit sie nicht auf einer vollständigen Ermittlung des entscheidungserheblichen Sachverhalts beruht (vgl. Trenk-Hinterberger, in: HK-SGB IX, 3. Aufl. 2010, § 88 Rn. 10). In einem solchen Fall ist die Verpflichtung des Gerichts, den Streitgegenstand spruchreif zu machen (vgl. hierzu Wolff, in: Sodan/Ziekow, VwGO, 3. Aufl., 2010, § 113 Rn. 56 ff.) regelmäßig beschränkt. Das Gericht hat insoweit nur zu ermitteln, ob die vom Integrationsamt im klagegegenständlichen Bescheid herangezogenen Erwägungen ausreichen, die getroffene Verwaltungsentscheidung zu tragen; denn das Gericht ist nicht befugt, einen Ermessensakt aus Gründen aufrechtzuerhalten, die für die erlassende Behörde nicht oder nicht allein ausschlaggebend waren. Das Integrationsamt hat sodann Ermittlungsdefizite im Rahmen des nach der Aufhebung der Zustimmungsentscheidung weiter anhängigen Antragsverfahrens zu beseitigen und erneut über die beantragte Zustimmung zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses zu entscheiden (siehe zum Ganzen: BayVGH, U. v. 31.1.2013 - 12 B 12.860 - juris Rn. 33/44 f. unter Bezugnahme auf BVerwG, U. v. 16.9.1986 - 1 C 13/85 - BVerwGE 75, 26 - juris Rn. 19).

b) Unter Berücksichtigung obiger Vorgaben und Grundsätze ist die gegenständliche Zustimmungsentscheidung des Integrationsamts ermessensfehlerfrei und somit rechtlich nicht zu beanstanden.

In seiner Abwägung der vom Beigeladenen als Arbeitgeber geltend gemachten verhaltensbedingten Kündigungsgründe mit den Schutzinteressen der schwerbehinderten Klägerin ist das Integrationsamt rechtsfehlerfrei zu dem Ergebnis gelangt, dass die Interessen des Beigeladenen an der Kündigung vorliegend überwiegen. Bei verhaltensbedingten Kündigungsgründen ist das Zustimmungsermessen regelmäßig zugunsten des Arbeitgebers auszuüben, wenn dem Arbeitnehmer vorgeworfen wird, mit seinem Verhalten gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstoßen zu haben und das ihm vorgeworfene Fehlverhalten keine Ursache in seiner Behinderung hat. So liegt der Fall auch hier.

aa) Das Gericht ist durch die Beweisaufnahme in der mündlichen Verhandlung zu der Auffassung gelangt, dass die verhaltensbedingten Kündigungsgründe nicht nur vorgeschoben sind. Dies gilt insbesondere für den Vorfall der pflichtwidrigen Nichtbehandlung der Krebspatientin am 30. August 2013 durch die Klägerin, der aus Sicht des Gerichts aufgrund der Schwere der Pflichtverletzung bereits für sich genommen ausreichend ist, die Zustimmungsentscheidung des Integrationsamts zu tragen, so dass von einer weiteren Beweisaufnahme abgesehen werden konnte.

Die in der mündlichen Verhandlung als Zeugin vernommene Krebspatientin, an deren Glaubwürdigkeit das Gericht keinerlei Zweifel hat, hat insoweit angegeben, dass sie im August 2013 an vier Tagen pro Woche zur Bestrahlung ins ...-klinikum musste. An einem Tag pro Woche wurde ihr im ...-klinikum ein Mittel zur Chemotherapie verabreicht. Ihr ging es folglich Ende August 2013 sehr schlecht. Sie musste sich ständig erbrechen und litt auch unter permanentem Durchfall. Dies ging sogar so weit, dass ihr im ...-klinikum vor der Bestrahlung eine Infusion verabreicht wurde, damit sie die Behandlung durchstehen konnte. Sie ist am 30. August 2013 wegen ihrer Beschwerden vor allem deshalb nicht ins ...-klinikum gegangen, weil man dort dann das unter Umständen sehr langwierige Aufnahmeverfahren durchlaufen muss. Sie wusste nicht, ob diese Beschwerden die üblichen Begleiterscheinungen der Therapie waren oder aber zusätzliche Symptome hinzugekommen sind. Dies wollte sie durch den Beigeladenen als ihren Hausarzt abklären lassen. Sie hat sodann morgens in der Praxis des Beigeladenen angerufen und gefragt, ob sie vorbeikommen kann. Die Sprechstundenhilfe sagte ihr, dass die Klägerin, die die Urlaubsvertretung für den Beigeladenen ausübte, noch nicht da sei, diese werde sich verspäten. Sie hat sich dann gleich von ihrem Lebensgefährten zur Praxis fahren lassen und hat ca. eine Stunde auf die Klägerin gewartet. Sie hat der Klägerin sodann ihre Probleme geschildert und gebeten, ihr Blut abzunehmen um zu überprüfen, ob der Leukozyt-Wert in Ordnung ist. Sie hatte zuvor bereits Probleme mit dem Blutbild und deshalb vermutet, dass ihre Beschwerden auf ein ähnliches Blutbild zurückzuführen sind. Die Klägerin hat ihr dann gesagt, sie sei Patientin des Beigeladenen und solle wiederkommen, wenn dieser wieder vom Urlaub zurück ist. Sie hat trotzdem nochmals ausdrücklich gebeten, ob die Klägerin ihr nicht Blut abnimmt, um es auf die Leukozyten zu untersuchen. Die Klägerin hat sie jedoch erneut darauf verwiesen, wiederzukommen, wenn der Beigeladene nach seinem Urlaub wieder in der Praxis ist. Sie hat sich dann erst wieder in die Praxis begeben, nachdem der Beigeladene wieder vom Urlaub zurück war. Dort wurde ihr dann von einer Sprechstundenhilfe Blut abgenommen und untersucht. Der Beigeladene hat das Ergebnis der Blutuntersuchung schließlich mir ihr besprochen. Mit dem Blutbild war alles in Ordnung (vgl. zum Ganzen auch: eidesstattliche Versicherung, Blatt 89 der Gerichtsakte).

Die Nichtbehandlung der Krebspatientin am 30. August 2013 stellt nach Auffassung des Gerichts einen ganz erheblichen Verstoß der Klägerin gegen ihre arbeitsvertraglichen und berufsrechtlichen Pflichten dar, der für sich genommen geeignet ist, die Zustimmungsentscheidung des Integrationsamts zu tragen.

Ausweislich eines Merkblatts des Universitätskrebszentrums Göttingen für Patienten mit Chemotherapie (abrufbar unter http://www.onkologiehaematologie. med.unigoettingen.de/media/project/IKO_Flyer_Meta.pdf; Blatt 123 f. der Gerichtsakte) kann es durch eine Chemotherapie zu Blutbildveränderungen kommen. Diese treten meist ca. 8-14 Tage nach dem Beginn der Therapie auf. Der für den Sauerstofftransport im Körper zuständige rote Blutfarbstoff (Hb = Hämoglobin) kann nach der Chemotherapie abfallen, dadurch kann es zu Müdigkeit und Abgeschlagenheit kommen. Der rote Blutfarbstoff sollte bei einem Abfall auf unter 8 g/dl durch Bluttransfusionen (Erythrozytenkonzentrate) ersetzt werden. Die für die Blutgerinnung zuständigen Thrombozyten (Blutplättchen) können ebenfalls durch die Chemotherapie abfallen, wodurch es zu einer vermehrten Blutungsneigung kommen kann (blaue Flecken, Nasenbluten, Zahnfleischbluten). Die Thrombozyten sollten bei einem Abfall unter 10.000 pro μl durch Thrombozytenkonzentrate ersetzt werden. Daneben kann es zu einem Abfall der für die Infektabwehr verantwortlichen Leukozyten (weiße Blutkörperchen) kommen. Infektionen sind häufige Nebenerscheinungen bei der Behandlung von Patienten mit bösartigen Erkrankungen, vor allem aufgrund der Therapie (Chemotherapie/Strahlentherapie), aber auch durch Verdrängung des Knochenmarkes durch bösartige Zellen. Sind die Leukozyten unter 1.000 Zellen pro µl abgefallen, spricht man von der Aplasiephase. In dieser Phase sind Patienten besonders anfällig für Infektionen. Vor diesem Hintergrund sind als Vorsichtsmaßnahmen nach der Chemotherapie 1-2 mal pro Woche Blutbildkontrollen durch den Hausarzt erforderlich, bei Thrombozytenwerten unter 50.000/Mikroliter muss das Blutbild jeden zweiten Tag kontrolliert werden. Bei Abfall der Thrombozyten unter 20.000/µll oder des Hämoglobins unter 8 g/dl wird empfohlen, dass sich der Hausarzt oder der Patient selbst sofort mit dem behandelnden Krebsspezialisten in Verbindung setzt.

Das exemplarisch in Bezug genommene Merkblatt verdeutlicht aus Sicht des Gerichts nachhaltig, dass es mit Blick auf die seitens der Krebspatientin am 30. August 2013 geschilderte Beschwerdesymptomatik medizinisch zwingend geboten gewesen wäre, unverzüglich eine Blutabnahme und -analyse zu veranlassen, um eine akute Gefahrenlage auszuschließen. Diese Vorgehensweise entsprach nicht nur dem subjektiven Empfinden der als Zeugin vernommenen Krebspatientin, sondern war auch objektiv medizinisch indiziert. Das entsprechende Unterlassen einer Behandlung durch die Klägerin stellt einen Verstoß gegen die Berufsordnung für die Ärzte Bayerns i. d. F. der Bekanntmachung vom 9. Januar 2012 (BerufsO-Ärzte) dar. Nach § 1 Abs. 2 BerufsO-Ärzte ist es insbesondere Aufgabe des Arztes, das Leben zu erhalten, die Gesundheit zu schützen und wiederherzustellen sowie Leiden zu lindern. Gemäß § 2 Abs. 2 Satz 2 BerufsO-Ärzte hat der Arzt sein ärztliches Handeln stets am Wohl des Patienten auszurichten. Diesen Maßgaben ist die Klägerin vorliegend nicht gerecht geworden; unerheblich ist insoweit, dass sich das Blutbild der Krebspatientin im Nachhinein als unauffällig erwiesen hat.

Die Klägerin kann sich auch nicht darauf berufen, dass sie sich beim fraglichen Vorfall am 30. August 2013 in einer besonderen Be- oder gar Überlastungssituation befunden hat. Nach glaubwürdiger Angabe der Krebspatientin waren zum maßgeblichen Zeitpunkt keine weiteren Patienten in der Praxis. Andere Gründe spielten für die pflichtwidrige Nichtbehandlung ersichtlich keine Rolle, die Klägerin hat sich gegenüber der Patientin allein darauf berufen, sie als Patientin des Beigeladenen nicht behandeln zu wollen.

Die Klägerin war auch arbeitsvertraglich verpflichtet, die besagte Krebspatientin am 30. August 2013 im Wege der Urlaubsvertretung des Beigeladenen zu behandeln. Der die Arbeitszeit regelnde § 4 des Anstellungsvertrags lautet wie folgt (Hervorhebung nicht im Original; Blatt 5 f. der Verwaltungsakte):

„Die regelmäßige Arbeitszeit beträgt ausschließlich der Pausen 40 Stunden pro Woche, und zwar von Montag bis Freitag von 8:00 bis 13:00 und Montag, Dienstag und Donnerstag von 14:00 bis 18:00. Mittwoch und Freitag Nachmittag sind frei.

Im Urlaub des Praxisinhabers (jeweils 4-6 Wochen pro Jahr [)] vertritt der angestellte Arzt den Praxisinhaber auch am Mittwoch-Nachmittag (zu Hausbesuchen) und am Freitag-Nachmittag in der Sprechstunde von 14.00 - 18.00.“

Das hervorgehobene Wort „auch“ lässt ohne weiteres den Umkehrschluss zu, dass die Klägerin als angestellte Ärztin arbeitsvertraglich eine allgemeine Vertretungspflicht hinsichtlich ihres urlaubsbedingt abwesenden Arbeitgebers während der regelmäßigen Arbeitszeit trifft, zusätzlich jedoch auch am Mittwoch- und Freitag-Nachmittag.

Entgegen der Auffassung der Klägerin stand einer Behandlung der Krebspatientin auch nicht entgegen, dass die Klägerin als Allgemeinmedizinerin rechtlich gar nicht befugt wäre, den Beigeladenen als Facharzt für Innere Medizin zu vertreten. Zwar trifft es zu, dass ein Allgemeinmediziner kassenärztlich nicht berechtigt ist, in Vertretung eines Facharztes für Innere Medizin fachärztliche Leistungen zu erbringen und abzurechnen (BSG, U. v. 14.12.2011 - B 6 KA 31/10 R - MedR 2012, 826 - juris). Jedoch ist ein Allgemeinmediziner ohne weiteres berechtigt, einen fachärztlich tätigen Internisten in Bereichen zu vertreten, die er selbst als Hausarzt aufgrund seiner Qualifikation erbringen und auch abrechnen darf (vgl. Kassenärztliche Vereinigung Baden-Württemberg - FAQ; abrufbar unter http://www.-kvbawue.de/praxisalltag/vertretungen/faqvertretungen/, Blatt 136 der Gerichtsakte). In ihrem Merkblatt „Allgemeine Informationen zum Thema Vertretungen“ (abrufbar unter http://www.-kvb.de/fileadmin/kvb/dokumente/Praxis/Praxisfuehrung/Zulassung/KVB-Merkblatt-Vertretung-Vertragsarzt.pdf, Blatt 125 ff. der Gerichtsakte) führt die Kassenärztliche Vereinigung Bayerns (KVB) aus, dass ein „wechselseitiges Tätigwerden“ innerhalb einer Berufsausübungsgemeinschaft nur insoweit möglich ist, als eine Überschneidung der Fachgebiete und ggf. die für die konkrete Leistungserbringung erforderlichen Qualifikationen sowie die Gleichheit der Versorgungsbereiche (hausärztlich/fachärztlich) dies auch zulassen (Seite 7 des Merkblatts). Im Falle angestellter Ärzte sind diese nach dem Merkblatt bei Vertretung des Arbeitgebers sogar nicht an die aus ihrer Anstellung resultierende Zuordnung zum haus- oder fachärztlichen Versorgungsbereich gebunden (Seite 8 des Merkblatts). Die gegenständliche unterlassene Blutuntersuchung zählt ohne weiteres zum hausärztlichen Leistungsspektrum, so dass die Klägerin rechtlich nicht gehindert war, den Beigeladenen insoweit zu vertreten. Da sie ihren hausärztlichen Tätigkeitsbereich mithin nicht verlassen hätte, wäre die entsprechende ärztliche Maßnahme auch von der entsprechenden Berufshaftpflichtversicherung unproblematisch umfasst gewesen.

Klarzustellen ist noch, dass allein der pauschale Hinweis auf vorangegangene vergebliche Versuche des Beigeladenen, das mit der Klägerin bestehende Arbeitsverhältnis durch Kündigung zu beenden, nicht genügt, um die Rechtmäßigkeit der gegenständlichen Zustimmungsentscheidung in Frage zu stellen (vgl. BayVGH, B. v. 1.12.2009 - 12 ZB 08.2361 - juris Rn. 8). Gleiches gilt für das klägerseitig nur unsubstantiiert erfolgte Bestreiten der Umstände des maßgeblichen Vorfalls vom 30. August 2013.

bb) Eine offensichtliche arbeitsrechtliche Unwirksamkeit der gegenständlichen Kündigung, die eine Ablehnung des Zustimmungsantrags bedingen würde, war ebenfalls nicht gegeben. Dies ergibt sich bereits aus dem Endurteil des Arbeitsgerichts vom 17. April 2014 (Az. 3 Ca 54/14), mit dem die arbeitsrechtliche Klage der Klägerin abgewiesen worden ist (vgl. BayVGH, U. v. 18.6.2008 - 12 BV 05.2467 - juris Rn. 45).

2. Nach alledem war die Klage mit der Kostenfolge aus § 154 Abs. 1 VwGO abzuweisen. Gerichtskosten werden nicht erhoben (§ 188 VwGO).

Nachdem der Beigeladene einen eigenen (Klageabweisungs-) Antrag gestellt, sich somit nach § 154 Abs. 3 VwGO einem Kostenrisiko ausgesetzt hat, entspricht es der Billigkeit, der unterlegenen Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen aufzuerlegen (§ 162 Abs. 3 VwGO - vgl. VG Augsburg, U. v. 17.9.2013 - Au 3 K 13.698 - juris Rn. 60).

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i. V. m. §§ 708 ff. der Zivilprozessordnung (ZPO).

ra.de-Urteilsbesprechung zu Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 04. Nov. 2014 - Au 3 K 14.40

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Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 04. Nov. 2014 - Au 3 K 14.40 zitiert 16 §§.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag au

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(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs. (2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungskl

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Kündigungsschutzgesetz - KSchG | § 1 Sozial ungerechtfertigte Kündigungen


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Die Sachgebiete in Angelegenheiten der Fürsorge mit Ausnahme der Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes, der Jugendhilfe, der Kriegsopferfürsorge, der Schwerbehindertenfürsorge sowie der Ausbildungsförderung sollen in e

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 20 Untersuchungsgrundsatz


(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden. (2) Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch

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Leistungen zum Erwerb und Erhalt praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten werden erbracht, um Leistungsberechtigten die für sie erreichbare Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen. Die Leistungen sind insbesondere darauf gerichtet, die Lei

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Werden Menschen mit Behinderungen in ihren Rechten nach diesem Buch verletzt, können an ihrer Stelle und mit ihrem Einverständnis Verbände klagen, die nach ihrer Satzung Menschen mit Behinderungen auf Bundes- oder Landesebene vertreten und nicht selb

Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz - - SGB 10 | § 21 Beweismittel


(1) Die Behörde bedient sich der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann insbesondere 1. Auskünfte jeder Art, auch elektronisch und als elektronisches Dokument, einholen,2. Be

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Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates weitere Vorschriften über die Geschäftsführung und das Verfahren des Beirats nach § 87 erlassen.

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Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 04. Nov. 2014 - Au 3 K 14.40 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

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Bundessozialgericht Urteil, 14. Dez. 2011 - B 6 KA 31/10 R

bei uns veröffentlicht am 14.12.2011

Tenor Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 31. August 2010 wird zurückgewiesen.
1 Urteil(e) in unserer Datenbank zitieren Verwaltungsgericht Augsburg Urteil, 04. Nov. 2014 - Au 3 K 14.40.

Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Beschluss, 22. Feb. 2016 - 12 ZB 16.173

bei uns veröffentlicht am 22.02.2016

Gründe Bayerischer Verwaltungsgerichtshof Aktenzeichen: 12 ZB 16.173 Beschluss vom 22. Februar 2016 (VG Ansbach, Entscheidung vom 12. November 2015, Az.: AN 6 K 15.851) 12. Senat Sachgebietsschlüssel: 1521

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Leistungen zum Erwerb und Erhalt praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten werden erbracht, um Leistungsberechtigten die für sie erreichbare Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen. Die Leistungen sind insbesondere darauf gerichtet, die Leistungsberechtigten in Fördergruppen und Schulungen oder ähnlichen Maßnahmen zur Vornahme lebenspraktischer Handlungen einschließlich hauswirtschaftlicher Tätigkeiten zu befähigen, sie auf die Teilhabe am Arbeitsleben vorzubereiten, ihre Sprache und Kommunikation zu verbessern und sie zu befähigen, sich ohne fremde Hilfe sicher im Verkehr zu bewegen. Die Leistungen umfassen auch die blindentechnische Grundausbildung.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Werden Menschen mit Behinderungen in ihren Rechten nach diesem Buch verletzt, können an ihrer Stelle und mit ihrem Einverständnis Verbände klagen, die nach ihrer Satzung Menschen mit Behinderungen auf Bundes- oder Landesebene vertreten und nicht selbst am Prozess beteiligt sind. In diesem Fall müssen alle Verfahrensvoraussetzungen wie bei einem Rechtsschutzersuchen durch den Menschen mit Behinderungen selbst vorliegen.

Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates weitere Vorschriften über die Geschäftsführung und das Verfahren des Beirats nach § 87 erlassen.

(1) Die Kündigung des Arbeitsverhältnisses gegenüber einem Arbeitnehmer, dessen Arbeitsverhältnis in demselben Betrieb oder Unternehmen ohne Unterbrechung länger als sechs Monate bestanden hat, ist rechtsunwirksam, wenn sie sozial ungerechtfertigt ist.

(2) Sozial ungerechtfertigt ist die Kündigung, wenn sie nicht durch Gründe, die in der Person oder in dem Verhalten des Arbeitnehmers liegen, oder durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in diesem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Die Kündigung ist auch sozial ungerechtfertigt, wenn

1.
in Betrieben des privaten Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in demselben Betrieb oder in einem anderen Betrieb des Unternehmens weiterbeschäftigt werden kann
und der Betriebsrat oder eine andere nach dem Betriebsverfassungsgesetz insoweit zuständige Vertretung der Arbeitnehmer aus einem dieser Gründe der Kündigung innerhalb der Frist des § 102 Abs. 2 Satz 1 des Betriebsverfassungsgesetzes schriftlich widersprochen hat,
2.
in Betrieben und Verwaltungen des öffentlichen Rechts
a)
die Kündigung gegen eine Richtlinie über die personelle Auswahl bei Kündigungen verstößt,
b)
der Arbeitnehmer an einem anderen Arbeitsplatz in derselben Dienststelle oder in einer anderen Dienststelle desselben Verwaltungszweigs an demselben Dienstort einschließlich seines Einzugsgebiets weiterbeschäftigt werden kann
und die zuständige Personalvertretung aus einem dieser Gründe fristgerecht gegen die Kündigung Einwendungen erhoben hat, es sei denn, daß die Stufenvertretung in der Verhandlung mit der übergeordneten Dienststelle die Einwendungen nicht aufrechterhalten hat.
Satz 2 gilt entsprechend, wenn die Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers nach zumutbaren Umschulungs- oder Fortbildungsmaßnahmen oder eine Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers unter geänderten Arbeitsbedingungen möglich ist und der Arbeitnehmer sein Einverständnis hiermit erklärt hat. Der Arbeitgeber hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung bedingen.

(3) Ist einem Arbeitnehmer aus dringenden betrieblichen Erfordernissen im Sinne des Absatzes 2 gekündigt worden, so ist die Kündigung trotzdem sozial ungerechtfertigt, wenn der Arbeitgeber bei der Auswahl des Arbeitnehmers die Dauer der Betriebszugehörigkeit, das Lebensalter, die Unterhaltspflichten und die Schwerbehinderung des Arbeitnehmers nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt hat; auf Verlangen des Arbeitnehmers hat der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Gründe anzugeben, die zu der getroffenen sozialen Auswahl geführt haben. In die soziale Auswahl nach Satz 1 sind Arbeitnehmer nicht einzubeziehen, deren Weiterbeschäftigung, insbesondere wegen ihrer Kenntnisse, Fähigkeiten und Leistungen oder zur Sicherung einer ausgewogenen Personalstruktur des Betriebes, im berechtigten betrieblichen Interesse liegt. Der Arbeitnehmer hat die Tatsachen zu beweisen, die die Kündigung als sozial ungerechtfertigt im Sinne des Satzes 1 erscheinen lassen.

(4) Ist in einem Tarifvertrag, in einer Betriebsvereinbarung nach § 95 des Betriebsverfassungsgesetzes oder in einer entsprechenden Richtlinie nach den Personalvertretungsgesetzen festgelegt, wie die sozialen Gesichtspunkte nach Absatz 3 Satz 1 im Verhältnis zueinander zu bewerten sind, so kann die Bewertung nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden.

(5) Sind bei einer Kündigung auf Grund einer Betriebsänderung nach § 111 des Betriebsverfassungsgesetzes die Arbeitnehmer, denen gekündigt werden soll, in einem Interessenausgleich zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat namentlich bezeichnet, so wird vermutet, dass die Kündigung durch dringende betriebliche Erfordernisse im Sinne des Absatzes 2 bedingt ist. Die soziale Auswahl der Arbeitnehmer kann nur auf grobe Fehlerhaftigkeit überprüft werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht, soweit sich die Sachlage nach Zustandekommen des Interessenausgleichs wesentlich geändert hat. Der Interessenausgleich nach Satz 1 ersetzt die Stellungnahme des Betriebsrates nach § 17 Abs. 3 Satz 2.

(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden.

(2) Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.

(3) Die Behörde darf die Entgegennahme von Erklärungen oder Anträgen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, nicht deshalb verweigern, weil sie die Erklärung oder den Antrag in der Sache für unzulässig oder unbegründet hält.

Werden Menschen mit Behinderungen in ihren Rechten nach diesem Buch verletzt, können an ihrer Stelle und mit ihrem Einverständnis Verbände klagen, die nach ihrer Satzung Menschen mit Behinderungen auf Bundes- oder Landesebene vertreten und nicht selbst am Prozess beteiligt sind. In diesem Fall müssen alle Verfahrensvoraussetzungen wie bei einem Rechtsschutzersuchen durch den Menschen mit Behinderungen selbst vorliegen.

(1) Die Behörde ermittelt den Sachverhalt von Amts wegen. Sie bestimmt Art und Umfang der Ermittlungen; an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten ist sie nicht gebunden.

(2) Die Behörde hat alle für den Einzelfall bedeutsamen, auch die für die Beteiligten günstigen Umstände zu berücksichtigen.

(3) Die Behörde darf die Entgegennahme von Erklärungen oder Anträgen, die in ihren Zuständigkeitsbereich fallen, nicht deshalb verweigern, weil sie die Erklärung oder den Antrag in der Sache für unzulässig oder unbegründet hält.

(1) Die Behörde bedient sich der Beweismittel, die sie nach pflichtgemäßem Ermessen zur Ermittlung des Sachverhalts für erforderlich hält. Sie kann insbesondere

1.
Auskünfte jeder Art, auch elektronisch und als elektronisches Dokument, einholen,
2.
Beteiligte anhören, Zeugen und Sachverständige vernehmen oder die schriftliche oder elektronische Äußerung von Beteiligten, Sachverständigen und Zeugen einholen,
3.
Urkunden und Akten beiziehen,
4.
den Augenschein einnehmen.
Urkunden und Akten können auch in elektronischer Form beigezogen werden, es sei denn, durch Rechtsvorschrift ist etwas anderes bestimmt.

(2) Die Beteiligten sollen bei der Ermittlung des Sachverhalts mitwirken. Sie sollen insbesondere ihnen bekannte Tatsachen und Beweismittel angeben. Eine weitergehende Pflicht, bei der Ermittlung des Sachverhalts mitzuwirken, insbesondere eine Pflicht zum persönlichen Erscheinen oder zur Aussage, besteht nur, soweit sie durch Rechtsvorschrift besonders vorgesehen ist.

(3) Für Zeugen und Sachverständige besteht eine Pflicht zur Aussage oder zur Erstattung von Gutachten, wenn sie durch Rechtsvorschrift vorgesehen ist. Eine solche Pflicht besteht auch dann, wenn die Aussage oder die Erstattung von Gutachten im Rahmen von § 407 der Zivilprozessordnung zur Entscheidung über die Entstehung, Erbringung, Fortsetzung, das Ruhen, die Entziehung oder den Wegfall einer Sozialleistung sowie deren Höhe unabweisbar ist. Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über das Recht, ein Zeugnis oder ein Gutachten zu verweigern, über die Ablehnung von Sachverständigen sowie über die Vernehmung von Angehörigen des öffentlichen Dienstes als Zeugen oder Sachverständige gelten entsprechend. Falls die Behörde Zeugen, Sachverständige und Dritte herangezogen hat, erhalten sie auf Antrag in entsprechender Anwendung des Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetzes eine Entschädigung oder Vergütung; mit Sachverständigen kann die Behörde eine Vergütung vereinbaren.

(4) Die Finanzbehörden haben, soweit es im Verfahren nach diesem Gesetzbuch erforderlich ist, Auskunft über die ihnen bekannten Einkommens- oder Vermögensverhältnisse des Antragstellers, Leistungsempfängers, Erstattungspflichtigen, Unterhaltsverpflichteten, Unterhaltsberechtigten oder der zum Haushalt rechnenden Familienmitglieder zu erteilen.

Werden Menschen mit Behinderungen in ihren Rechten nach diesem Buch verletzt, können an ihrer Stelle und mit ihrem Einverständnis Verbände klagen, die nach ihrer Satzung Menschen mit Behinderungen auf Bundes- oder Landesebene vertreten und nicht selbst am Prozess beteiligt sind. In diesem Fall müssen alle Verfahrensvoraussetzungen wie bei einem Rechtsschutzersuchen durch den Menschen mit Behinderungen selbst vorliegen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 31. August 2010 wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Revisionsverfahrens.

Tatbestand

1

Im Streit stehen sachlich-rechnerische Richtigstellungen.

2

Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis (Berufsausübungsgemeinschaft) zweier im Bezirk der beklagten Kassenärztlichen Vereinigung (KÄV) an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmender Fachärzte. Dr. G. ist Internist mit Schwerpunkt Gastroenterologie und nimmt an der fachärztlichen Versorgung teil, Dr. S. als Internist ohne Schwerpunktbezeichnung an der hausärztlichen Versorgung. Dr. S. Antrag auf gleichzeitige Teilnahme an der haus- und fachärztlichen Versorgung wurde vom Zulassungsausschuss durch Beschluss vom 19.12.2006 abgelehnt.

3

Nachdem die Beklagte die Abrechnung der vom hausärztlichen Praxispartner erbrachten fachärztlichen Leistungen zunächst nicht beanstandet hatte, wies sie die Klägerin mit Schreiben vom 13.12.2005 darauf hin, dass im Falle einer praxisinternen Vertretung hinsichtlich der Abrechnungsgenehmigung auf den Status des ausführenden, nicht den des vertretenen Arztes abzustellen sei, und stellte sodann mit Bescheiden vom 25.1.2007, 1.6.2007 und 19.10.2007 die Abrechnungen der Klägerin in den Quartalen IV/2006, I/2007 sowie III/2007 sachlich-rechnerisch richtig. Gegen die Berichtigung von Leistungen nach der Nr 13400 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabs für ärztliche Leistungen (EBM-Ä) - "Zusatzpauschale Ösophago-Gastroduodenoskopie" - in den Behandlungsfällen, in denen die Leistungen von dem an der hausärztlichen Versorgung teilnehmenden Dr. S. erbracht wurden, erhob die Klägerin ohne Erfolg Widersprüche und Klage (Widerspruchsbescheide vom 8.5.2008, Urteil des SG vom 13.1.2010). Das LSG hat auch die Berufung der Klägerin zurückgewiesen (Urteil des LSG vom 31.8.2010).

4

Zur Begründung hat es - unter Bezugnahme auf die Entscheidungsgründe des SG - ausgeführt, nach den Vorschriften des seit dem 1.4.2005 geltenden EBM-Ä könnten Leistungen nach Nr 13400 EBM-Ä ausschließlich von Fachärzten der Inneren Medizin, die nicht an der hausärztlichen Versorgung teilnehmen, berechnet werden. Dr. S. könne, nachdem er sich für die Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung entschieden habe, Leistungen aus dem fachärztlichen Bereich des EBM-Ä nicht erbringen und abrechnen; sein Antrag, sowohl im haus- wie auch im fachärztlichen Bereich tätig zu sein, sei durch den Zulassungsausschuss bestandskräftig abgelehnt worden. Die gemeinsame Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit erweitere nicht den persönlichen Zulassungsstatus der Partner der Gemeinschaftspraxis. Etwas anderes käme einer Aufhebung der gesetzlich angeordneten Trennung der Versorgungsbereiche gleich und würde zugleich die Kompetenz des Zulassungsausschusses, im Einzelfall über befristete und sachlich beschränkte Ausnahmen von dieser Trennung zu entscheiden, außer Kraft setzen. Innerhalb einer Gemeinschaftspraxis sei jeder Arzt nur aus dem mit der Zulassung erworbenen Versorgungsauftrag zur vertragsärztlichen Behandlung berechtigt. Die im Bescheid über die Genehmigung einer versorgungsbereichsübergreifenden Gemeinschaftspraxis erwähnte "Vertretung" durch den jeweils anderen Partner betreffe ausdrücklich nur den Bereich einer "erlaubten" Vertretung. Auch aus der Vertretungsregelung des § 32 der Zulassungsverordnung für Vertragsärzte (Ärzte-ZV) ergebe sich nichts anderes. Erfolge die Vertretung durch einen anderen Vertragsarzt, sei dies nur im Rahmen des diesem erlaubten Spektrums möglich. Anders als ein "externer" Vertreter - ein Arzt, der die Voraussetzungen nach § 3 Abs 2 Ärzte-ZV erfülle - rücke der vertretende Vertragsarzt nicht an die Stelle des Vertretenen, sondern nehme die Vertretung im Rahmen seiner vertragsärztlichen Zulassung wahr und bleibe damit an seinen Versorgungsbereich gebunden.

5

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung von Bundesrecht. Dr. S. sei als Vertreter im Versorgungsbereich seines Praxispartners tätig geworden und damit bestimme sich sein zugelassener Tätigkeitsbereich nach dem Zulassungsbereich für den Vertretenen. Es stelle eine nicht gerechtfertigte Benachteiligung der Klägerin dar, wenn jeder nicht zugelassene Internist für den fachärztlich tätigen Praxispartner in dessen Versorgungsbereich tätig werden dürfe, nicht aber der hausärztlich tätige Gemeinschaftspraxispartner. Einziger Grund für diese Benachteiligung könne eine Missbrauchsgefahr sein; ein Missbrauchsfall liege jedoch nicht vor. Durch die begehrte Vertretungsmöglichkeit werde keinesfalls die grundsätzliche Trennung zwischen den beiden Versorgungsbereichen ausgehebelt, da der Vertretungsfall eine Ausnahme darstelle, deren enge Voraussetzungen eindeutig geregelt seien. Gerade wenn die Partner einer Gemeinschaftspraxis in unterschiedlichen Versorgungsbereichen zugelassen seien, müsse der ausfallende Partner vertreten werden. Im Übrigen besitze Dr. S., dem die Durchführung von Koloskopien genehmigt worden sei, eine der Gastroskopie "zumindest verwandte Zulassung".

6

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des LSG Rheinland-Pfalz vom 31.8.2010 und des SG Mainz vom 13.1.2010 sowie die Bescheide der Beklagten vom 25.1.2007, 1.6.2007 und 19.10.2007 in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 8.5.2008 aufzuheben, soweit die von Dr. S. als Vertreter von Dr. G. erbrachten Leistungen nach Nr 13400 EBM-Ä gekürzt worden sind.

7

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

8

Sie hält die angefochtenen Urteile für zutreffend. Die Möglichkeit, fachärztliche Leistungen als "Vertreter" des fachärztlichen Praxispartners abrechnen zu dürfen, scheitere daran, dass der hausärztlich tätige Internist die Leistungen aus dem fachärztlichen Bereich nicht abrechnen dürfe. Es sei bereits zweifelhaft, ob es bei einer Gemeinschaftspraxis überhaupt eine Vertretung im rechtlichen Sinne gebe. Weil die Leistungen von der Gemeinschaftspraxis abgerechnet würden, greife auch der Einwand nicht, dass im beschriebenen "Vertretungs"-Fall die Leistungen dem fachärztlichen Internisten zugerechnet würden. Der Vertreter müsse über eine mit der Zulassung des Vertretenen identische oder zumindest fachverwandte Zulassung verfügen; im Vertretungsfall sei für die Abrechnung von Leistungen der Zulassungsstatus des Vertreters maßgebend. Dieser könne nur Leistungen abrechnen, die nach den Bestimmungen des EBM-Ä seinem Zulassungsstatus und "Genehmigungsspektrum" zugeordnet seien. Der fachärztlich tätige Partner könne durchaus vertreten werden, nur nicht durch den hausärztlich tätigen Praxispartner; dieser dürfe nur fachärztlich tätig werden, wenn ihm auf der Grundlage des § 73 Abs 1a Satz 3 SGB V eine versorgungsbereichsübergreifende Tätigkeit erlaubt worden sei.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Klägerin ist nicht begründet. Die Vorinstanzen haben zutreffend entschieden, dass die Beklagte die von der Klägerin abgerechneten Leistungen nach der Nr 13400 EBM-Ä, soweit sie von deren Mitglied Dr. S. erbracht wurden, zu Recht sachlich-rechnerisch richtig gestellt hat.

10

1. Die Beklagte ist aufgrund von § 106a Abs 2 Satz 1 Halbsatz 1 SGB V, der durch Art 1 Nr 83 des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung (GMG) vom 14.11.2003 (BGBl I 2190, 2217) mit Wirkung zum 1.1.2004 (Art 37 Abs 1 GMG) eingefügt worden ist, gesetzlich berechtigt und verpflichtet, die sachliche und rechnerische Richtigkeit der Abrechnungen der Vertragsärzte festzustellen und die Abrechnungen nötigenfalls richtigzustellen.

11

2. Die auf dieser Grundlage vorgenommenen sachlich-rechnerischen Richtigstellungen sind rechtmäßig. Die Klägerin hat gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Vergütung für die von Dr. S. erbrachten Leistungen nach der Nr 13400 EBM-Ä.

12

a. Bei den streitbefangenen Leistungen handelt sich um Leistungen, die dem fachärztlichen Versorgungsbereich zugeordnet sind: Gemäß der Vorbemerkung in Nr 13.3.3 EBM-Ä kann die Gebührenposition Nr 13400 EBM-Ä von Fachärzten für Innere Medizin mit Schwerpunkt Gastroenterologie (Nr 1) sowie von allen in der Präambel zu Nr 13.1 EBM-Ä unter 1. aufgeführten Vertragsärzten (Nr 2 Satz 2) - dh von (allen) Fachärzten für Innere Medizin, die nicht an der hausärztlichen Versorgung gemäß § 73 Abs 1a SGB V teilnehmen - berechnet werden. Somit können derartige Leistungen von einem im hausärztlichen Versorgungsbereich tätigen Internisten wie Dr. S. nicht abgerechnet werden.

13

b. Diese Beschränkung der Abrechenbarkeit unterliegt keinen rechtlichen Bedenken.

14

aa. Durch das Gesetz (§ 73 Abs 1 Satz 1 SGB V) wird vorgegeben, die vertragsärztliche Versorgung in eine hausärztliche und eine fachärztliche Versorgung zu gliedern; die Regelungen sind verfassungsgemäß (stRspr von BSG und BVerfG, vgl zB BSGE 80, 256, 258 ff = SozR 3-2500 § 73 Nr 1 S 3 ff; BSG SozR 4-2500 § 73 Nr 1 RdNr 11; BSG SozR 4-2500 § 73 Nr 3 RdNr 13; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 73 Nr 4 RdNr 12; BVerfG , NJW 1999, 2730, 2731 = SozR 3-2500 § 73 Nr 3 S 16 f).

15

Zur Umsetzung der Vorgaben des § 73 Abs 1 SGB V auf der Ebene des Bewertungsmaßstabs als Verzeichnis der abrechnungsfähigen Leistungen bestimmt § 87 Abs 2a Satz 1 SGB V(der inhaltlich § 87 Abs 2a Satz 5 in der vom 1.1.2004 bis zum 31.3.2007 geltenden Fassung entspricht), dass alle im EBM-Ä aufgeführten Leistungen in Leistungen der hausärztlichen und Leistungen der fachärztlichen Versorgung zu gliedern sind. Die Zuordnung der Leistungen hat entsprechend der in § 73 Abs 1 SGB V festgelegten Gliederung der vertragsärztlichen Versorgung mit der Maßgabe zu erfolgen, dass unbeschadet gemeinsam abrechenbarer Leistungen solche der hausärztlichen Versorgung nur von den an der hausärztlichen Versorgung und solche der fachärztlichen Versorgung nur von den an der fachärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten abgerechnet werden dürfen. Inhalt der Regelung ist damit - neben der Gliederung des EBM-Ä - zugleich die Festlegung der von der jeweiligen Gruppe abrechenbaren Leistungen.

16

bb. Internisten ohne Schwerpunktbezeichnung, welche - wie Dr. S. die Teilnahme an der hausärztlichen Versorgung gewählt haben, nehmen zwingend nur daran teil (§ 73 Abs 1a Satz 1 Nr 3 SGB V). Eine gleichzeitige Teilnahme an der hausärztlichen und an der fachärztlichen Versorgung ist grundsätzlich ausgeschlossen (BSGE 80, 256, 257 = SozR 3-2500 § 73 Nr 1 S 2; zuletzt BSG SozR 4-2500 § 73 Nr 4 RdNr 12). Mit den im Gesetz vorgesehenen Ausnahmen (§ 73 Abs 1a Satz 3 bis 5 SGB V)ist die Zuordnung der Arztgruppen zur haus- oder fachärztlichen Versorgung umfassend und abschließend geregelt; weitere Ausnahmen sind auch unter verfassungsrechtlichen Erwägungen nicht erforderlich (BSG SozR 4-2500 § 73 Nr 4 RdNr 14 mwN). Ein Antrag auf Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 73 Abs 1a Satz 3 SGB V für Dr. S. wurde vom Zulassungsausschuss bestandskräftig abgelehnt.

17

cc. Auf dieser Rechtsgrundlage hat der Bewertungsausschuss in seinem Beschluss vom 20.6.2000 (DÄ 2000, A-1920 ff) ua die streitbefangenen Leistungen (seinerzeit Nr 740 und 741 des EBM-Ä 1999) ausschließlich dem fachärztlichen Versorgungsbereich zugeordnet (s DÄ 2000, A-1924). Der Ausschluss hausärztlicher Internisten von der Erbringung gastroenterologischer Leistungen ist auch mit Verfassungsrecht vereinbar (zu den Anforderungen vgl BSGE 100, 154 = SozR 4-2500 § 87 Nr 16, RdNr 37 f), denn diese Leistungen gehören nicht zum Kernbereich des internistischen Fachgebiets in dem Sinne, dass eine internistische Tätigkeit ohne das Angebot spezieller gastroenterologischer Leistungen nicht sinnvoll ausgeübt werden könnte(BSG SozR 4-2500 § 121 Nr 4 RdNr 31). Dies steht zwischen den Beteiligten dem Grunde nach auch nicht im Streit.

18

3. Der Ausschluss der Abrechenbarkeit von Leistungen nach der Nr 13400 EBM-Ä für im hausärztlichen Versorgungsbereich tätige Vertragsärzte erfasst auch Ärzte, die in einer fachübergreifenden bzw versorgungsbereichsübergreifenden Gemeinschaftspraxis tätig sind. Abweichendes ergibt sich weder aus dem Charakter einer Gemeinschaftspraxis (a.) noch aus den für eine Vertretung geltenden Regelungen (b.).

19

a. Aus der Genehmigung der gemeinsamen Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit nach § 33 Abs 2 Satz 1 Ärzte-ZV folgt nicht, dass damit zugleich die "gemeinsame" Erbringung und Abrechnung aller Leistungen unabhängig von Fachgebietsgrenzen, Qualifikationsanforderungen oder sonstigen für die Leistungserbringung bzw -abrechnung maßgeblichen rechtlichen Vorgaben gestattet wird.

20

aa. Die Gemeinschaftspraxis (Berufsausübungsgemeinschaft) ist durch eine gemeinsame Ausübung der ärztlichen Tätigkeit durch mehrere Ärzte der gleichen oder ähnlicher Fachrichtung in gemeinsamen Räumen mit gemeinsamer Praxiseinrichtung, gemeinsamer Karteiführung und Abrechnung sowie mit gemeinsamem Personal auf gemeinsame Rechnung geprägt (vgl BSG SozR 4-5520 § 33 Nr 2 RdNr 18; BSG SozR 4-1930 § 6 Nr 1 RdNr 14; s schon BSG Urteil vom 19.8.1992 - 6 RKa 35/90 - MedR 1993, 279 = USK 92205 S 1052). Die Behandlung eines Patienten in einem Quartal durch verschiedene Mitglieder der Gemeinschaftspraxis stellt sich als ein einziger Behandlungsfall dar (BSG SozR 4-1930 § 6 Nr 1 RdNr 14). Die Genehmigung der gemeinsamen Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit bewirkt, dass die Partner ihre Leistungen unter einer gemeinsamen Abrechnungsnummer gegenüber der zuständigen KÄV abrechnen können; die Gemeinschaftspraxis tritt dieser dementsprechend wie ein Einzelarzt als einheitliche Rechtspersönlichkeit gegenüber (BSG SozR 4-5520 § 33 Nr 2 RdNr 18; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 21). Sie stellt rechtlich gesehen eine Praxis dar (BSG SozR 4-5520 § 33 Nr 2 RdNr 18; BSG SozR 4-2500 § 106 Nr 6 RdNr 21; BSG Urteil vom 8.12.2010 - B 6 KA 38/09 R = USK 2010-148 S 1307; s auch BSG SozR 4-2500 § 85 Nr 57 RdNr 15). Eine Gemeinschaftspraxis erwirbt der KÄV gegenüber Honoraransprüche und wird ggf zur Rückzahlung überzahlten Honorars verpflichtet (BSG SozR 4-5520 § 33 Nr 2 RdNr 23).

21

bb. Dass die erbrachten vertragsärztlichen Leistungen nicht den einzelnen Ärzten, sondern der Gemeinschaftspraxis als solcher zugeordnet werden, bedeutet aber nicht, dass die in ihr tätigen Ärzte von den für alle übrigen Ärzte geltenden Fachgebietsbegrenzungen und Qualifikationsanforderungen befreit sind. Der Umstand, dass Gemeinschaftspraxen auch zwischen Ärzten verschiedener Fachgebiete zulässig sind (vgl BSGE 55, 97 = SozR 5520 § 33 Nr 1), ändert hieran nichts.

22

Der Senat hat wiederholt dargelegt, dass dann, wenn sich Ärzte unterschiedlicher Fachrichtungen zu einer Gemeinschaftspraxis zusammenschließen, jeder der beteiligten Ärzte auf die Grenzen seines Fachgebiets beschränkt bleibt (BSG SozR 3-2500 § 87 Nr 20 S 103; BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 47 S 398; vgl auch BSG Urteil vom 19.8.1992 - 6 RKa 35/90 - MedR 1993 S 279 = USK 92205 S 1052). Bereits in seinem Urteil zur grundsätzlichen Zulässigkeit fachübergreifender Gemeinschaftspraxen hatte der Senat ausgeführt, dass beim Zusammengehen von Ärzten verschiedener Fachgruppen vor allem darauf zu achten ist, dass das berufsrechtliche Gebot der Fachgebietsbeschränkung eingehalten wird (BSGE 55, 97, 102 = SozR 5520 § 33 Nr 1 S 6). Die Genehmigung einer fachübergreifenden Gemeinschaftspraxis darf nicht dazu führen, dass "die Leistungserbringung durch einen dazu nicht berechtigten Arzt - zB wegen seiner auf ein bestimmtes Fachgebiet beschränkten Zulassung oder mangels eines erforderlichen Befähigungsnachweises … - nicht verhindert werden kann" (BSGE aaO S 103 = SozR aaO S 7). Diese Beschränkung auf das Fachgebiet ändert indessen nichts daran, dass die Gemeinschaftspraxis als solche die Patienten unter einem einheitlichen Namen behandelt und unter diesem Namen die Leistungsabrechnung gegenüber der KÄV vornimmt (BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 47 S 398).

23

cc. Beschränkungen der gemeinsamen und gemeinschaftlichen vertragsärztlichen Tätigkeit in einer Gemeinschaftspraxis ergeben sich nicht allein aus Qualifikationsanforderungen und berufsrechtlichen Fachgebietsgrenzen, sondern auch durch andere (vertragsarzt-)rechtliche Regelungen, wie etwa die durch § 73 Abs 1 Satz 1 SGB V vorgegebene Trennung der Versorgungsbereiche. Die dem zugrunde liegenden Ziele einer Stärkung der Funktion des Hausarztes, der Begrenzung der ständigen Zunahme spezieller fachärztlicher Leistungen und der Beseitigung ökonomischer Fehlentwicklungen (vgl hierzu ua BSGE 80, 256, 262 = SozR 3-2500 § 73 Nr 1 S 6 f)müssen auch bei der Ausübung der vertragsärztlichen Tätigkeit in einer fachübergreifenden Gemeinschaftspraxis beachtet werden.

24

Gerade bei fach- und versorgungsbereichsübergreifenden Gemeinschaftspraxen ist eine eindeutige Abgrenzung der jeweiligen Leistungs- und Versorgungsbereiche erforderlich, weil die Gefahr besteht, dass andernfalls die Fachgebietsgrenzen, insbesondere aber die gesetzlich vorgegebene Trennung der haus- und fachärztlichen Versorgungsbereiche unterlaufen würde. Dies gilt namentlich bei Gemeinschaftspraxen zwischen haus- und fachärztlich tätigen Internisten, denn es liegt nahe, dass Internisten, die sich aufgrund rechtlicher Vorgaben für eine ausschließlich hausärztliche bzw ausschließlich fachärztliche Tätigkeit entscheiden mussten, bei einer Außerkraftsetzung der Versorgungsbereichsgrenzen für Gemeinschaftspraxen - sei es aus fachlichem Interesse, sei es aus praktischen Erwägungen - die Gelegenheit nutzen werden, zwischen den Versorgungsbereichen zu wechseln.

25

Gegenüber den mit der generalisierenden Trennung der Versorgungsbereiche verbundenen Zielen müssen die Interessen der Gemeinschaftspraxispartner an einfachen "Vertretungs"möglichkeiten, aber auch die Interessen der Patienten an einer Behandlung durch einen ihnen vertrauten Leistungserbringer zurücktreten. Damit werden die Patienten einer Gemeinschaftspraxis gegenüber den in Einzelpraxen behandelten Patienten keineswegs schlechter, sondern diesen lediglich gleichgestellt, da auch Patienten eines in hausärztlicher Einzelpraxis tätigen Internisten nicht beanspruchen können, von diesem auch fachärztlich behandelt zu werden.

26

dd. Eine Abrechnungsberechtigung für Dr. S. ergibt sich schließlich auch nicht aus dem Bescheid über die Genehmigung der gemeinschaftlichen Berufsausübung. Wenn dort ausgeführt wird, die Ärzte seien darüber belehrt worden, dass der Vertragsarzt seine Tätigkeit - vom Fall einer erlaubten Vertretung abgesehen - persönlich auszuüben hat, wird damit allein auf den Inhalt des § 32 Abs 1 Ärzte-ZV Bezug genommen. Anhaltspunkte für die Annahme, der Zulassungsausschuss habe den Gemeinschaftspraxispartnern das Recht auf wechselseitige "Vertretung" eingeräumt, lassen sich daraus nicht entnehmen.

27

b. Eine Berechtigung zur ausnahmsweisen Abrechnung fachärztlicher Leistungen ergibt sich auch nicht unter dem Gesichtspunkt einer "Vertretung" des Dr. G. durch den Gemeinschaftspraxispartner Dr. S. Nach § 32 Abs 1 Satz 2 Ärzte-ZV können sich Vertragsärzte bei Krankheit, Urlaub oder Teilnahme an ärztlicher Fortbildung oder an einer Wehrübung - Vertragsärztinnen nach Satz 3 auch bei Schwangerschaft - in gewissem zeitlichen Umfang vertreten lassen.

28

aa. Einer Anwendung der für eine Vertretung iS des § 32 Abs 1 Ärzte-ZV geltenden Regelungen steht bereits entgegen, dass diese Regelungen auf die in einer Gemeinschaftspraxis tätigen Partner insoweit keine Anwendung finden, als die Behandlung durch einen anderen Arzt der Gemeinschaftspraxis keine "Vertretung" des Vertragsarztes darstellt. Dies hat der Senat bereits wiederholt entschieden (BSG Urteil vom 19.8.1992 - 6 RKa 35/90 - MedR 1993, 279 = USK 92205; BSG SozR 4-1930 § 6 Nr 1 RdNr 14) und entspricht auch der herrschenden Meinung im Schrifttum (vgl Schallen, Zulassungsverordnung für Vertragsärzte, Vertragszahnärzte, Medizinische Versorgungszentren, Psychotherapeuten, 7. Aufl 2009, § 32 RdNr 16; Bäune in Bäune/Meschke/Rothfuß, Komm zur Zulassungsverordnung für Vertragsärzte und Vertragszahnärzte, 2007, § 32 RdNr 12; Wenner, Vertragsarztrecht nach der Gesundheitsreform, 2008, § 20 RdNr 6).

29

Das BSG hat dies damit begründet, dass die Gemeinschaftspraxis der KÄV gegenüber wie ein Einzelarzt als einheitliche Rechtspersönlichkeit auftritt (BSG SozR 4-1930 § 6 Nr 1 RdNr 14) und sich die für Vertragsärzte geltenden Vertretungsregelungen auf die Praxis als Gesamtheit beziehen (BSG MedR 1993, 279 = USK 92205 S 1052). "Behandelnder Arzt" in einer Gemeinschaftspraxis ist "die" Gemeinschaft und nicht der einzelne Arzt, der ihr angehört (Wenner aaO § 20 RdNr 6). Einer Vertretung bedarf es in einer Gemeinschaftspraxis nur, wenn der Ausfall eines Partners nicht durch die weiterhin tätigen anderen Partner aufgefangen werden kann (vgl BSG MedR 1993, 279 = USK 92205 S 1052; BSG SozR 4-1930 § 6 Nr 1 RdNr 14) und deshalb ein externer Arzt - evtl Vertragsarzt - herangezogen werden muss. Welche Vorgaben - etwa wegen der gleichzeitigen urlaubs- oder krankheitsbedingten Abwesenheit von Praxispartnern - für eine Vertretung durch Ärzte gelten, die nicht Partner der Gemeinschaftspraxis sind, bedarf hier keiner näheren Klärung, weil Dr. S. der Klägerin angehört.

30

Gegen die Annahme eines Vertretungsfalles innerhalb einer Gemeinschaftspraxis sprechen auch praktische Erwägungen. Zum einen kommt eine Vertretung nur bei Vorliegen der in § 32 Abs 1 Satz 2 und 3 Ärzte-ZV genannten Gründe (Urlaub, Krankheit, Fortbildung, Wehrübung und Schwangerschaft) in Betracht. Der keineswegs seltene Fall, dass Ärzte einer Gemeinschaftspraxis jeweils nur an bestimmten Wochentagen in der Praxis tätig werden (sei es, um hierdurch längere Sprechzeiten je Wochentag zu erzielen, sei es, um Zeit für andere Tätigkeiten zu haben), wird hiervon nicht erfasst. Zum anderen ist nach § 32 Abs 1 Satz 4 Ärzte-ZV eine Vertretung der KÄV mitzuteilen, wenn sie länger als eine Woche dauert; auch gewährt § 32 Abs 1 Satz 6 Ärzte-ZV der KÄV ein Prüfrecht, wenn die Vertretung innerhalb eines Zwölf-Monats-Zeitraums länger als einen Monat dauert. Damit wäre der reguläre Urlaub der Gemeinschaftspraxispartner in allen Fällen anzeigepflichtig und Prüfungsgrund. All dies ist mit dem Grundgedanken einer gemeinschaftlich ausgeübten vertragsärztlichen Tätigkeit nicht vereinbar.

31

Dies gilt auch für fach- und versorgungsbereichsübergreifende Gemeinschaftspraxen. Die einzige Abweichung zu fachgleichen Gemeinschaftspraxen besteht darin, dass das Spektrum der vertragsärztlichen Tätigkeiten, die wechselseitig von den Partnern der Gemeinschaftspraxis wahrgenommen werden können, hier naturgemäß geringer ist. Zu beachten ist jedoch, dass fachübergreifende Gemeinschaftspraxen (jedenfalls) dann zulässig sind, sofern sich die verschiedenen Fachgebiete teilweise decken und in sinnvoller Weise für eine gemeinsame Ausübung vertragsärztlicher Tätigkeit eignen (BSG SozR 3-2500 § 85 Nr 47 S 398 unter Bezugnahme auf BSGE 55, 97, 105 = SozR 5520 § 33 Nr 1 S 9). Eine fachübergreifende Gemeinschaftspraxis, in der wegen bestehender Fachgebiets- und Versorgungsbereichsgrenzen eine gemeinsame Behandlung der Patienten (nahezu) ausgeschlossen ist, dürfte somit nicht zulassungsfähig sein.

32

bb. Selbst wenn man aber die für eine Vertretung geltenden Regelungen zugrunde legen würde, ergäbe sich hieraus für den hausärztlich tätigen (praxisinternen) "Vertreter" nicht die Berechtigung, "vertretungsweise" Leistungen zu erbringen, die dem fachärztlichen Versorgungsbereich seines Praxispartners zugeordnet sind. Denn die Tätigkeit des Vertreters unterliegt - ebenso wie die des Vertretenen - Beschränkungen durch spezielle Qualifikationsanforderungen (1), durch das Erfordernis der Gebietsgleichheit (2) sowie durch Abrechnungsbestimmungen (3). Letztere stünden einer praxisinternen "Vertretung" durch Dr. S. entgegen.

33

(1) Leistungen, für die ein spezieller Qualifikationsnachweis erforderlich ist, dürfen nur dann von einem Vertreter erbracht (und vom vertretenen Vertragsarzt abgerechnet) werden, wenn der Vertreter die hierfür erforderliche Qualifikation besitzt (BSG SozR 3-2500 § 135 Nr 6 S 33, 35; Pawlita in jurisPK-SGB V, Stand Dezember 2011, § 95 RdNr 324; Schallen aaO § 32 RdNr 33; Hess in Kasseler Komm, Stand April 2010, § 98 SGB V RdNr 60). Die Qualifikationserfordernisse nach § 135 Abs 2 SGB V iVm bundesmantelvertraglichen Bestimmungen müssen in der Person des Arztes erfüllt sein, der die Leistungen tatsächlich erbracht hat(BSG SozR 3-2500 § 135 Nr 6 S 33).

34

Dies ergibt sich bereits aus § 14 Abs 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte(; dem entsprechend: § 20 Abs 1 Bundesmantelvertrag-Ärzte/Ersatzkassen). Danach hat sich der vertretene Arzt dann, wenn Vertreter Leistungen erbringen, für die eine Qualifikation gemäß § 11 BMV-Ä(bzw § 39 EKV-Ä) Voraussetzung ist, darüber zu vergewissern, dass die Qualifikationsvoraussetzungen erfüllt sind (Satz 1 aaO). Sind diese Qualifikationsvoraussetzungen nicht erfüllt, dürfen die Leistungen, die eine besondere Qualifikation erfordern, nicht erbracht werden (Satz 2 aaO). Die erwähnten Qualifikationsanforderungen beziehen sich auf ärztliche Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die wegen der Anforderungen an ihre Ausführung oder wegen der Neuheit des Verfahrens besonderer Kenntnisse oder Erfahrungen (Fachkunde) sowie einer besonderen Praxisausstattung oder weiterer Anforderungen an die Strukturqualität bedürfen (§ 11 Abs 1 Satz 1 BMV-Ä). Die Voraussetzungen ergeben sich aus den Anlagen zu diesem Vertrag (Satz 2 aaO). Derartige Qualitätssicherungsvereinbarungen bzw -richtlinien gibt es jedoch für Leistungen nach Nr 13400 EBM-Ä (Zusatzpauschale Ösophago-Gastroduodenoskopie) nicht.

35

(2) Besondere Anforderungen an Vertreter ergeben sich jedoch nicht allein aus speziellen Qualifikationsanforderungen, sondern bestehen auch darüber hinaus. So ist von einem Vertreter zu fordern, dass er die gleiche Gebietsbezeichnung wie der Vertretene führt.

36

Nach § 32 Abs 1 Satz 5 Ärzte-ZV darf sich ein Vertragsarzt grundsätzlich nur durch einen anderen Vertragsarzt oder durch einen Arzt, der die Voraussetzungen des § 3 Abs 2 Ärzte-ZV erfüllt, vertreten lassen. Auch im Falle einer Vertretung durch einen nicht zugelassenen Arzt muss dieser die Voraussetzungen für die Eintragung in das Arztregister nach § 3 Abs 2 Ärzte-ZV erfüllen, also die Approbation als Arzt besitzen sowie den erfolgreichen Abschluss einer allgemeinmedizinischen Weiterbildung oder einer Weiterbildung in einem anderen Fachgebiet mit der Befugnis zum Führen einer entsprechenden Gebietsbezeichnung(bzw eine nach § 95a Abs 4 und 5 SGB V - dh nach EU-Recht - anerkannte Qualifikation) nachweisen.

37

Das somit für alle als Vertreter tätigen Ärzte bestehende Erfordernis einer abgeschlossenen Weiterbildung ist bei sachorientierter Auslegung dahingehend zu interpretieren, dass ein prinzipiell gleicher Qualifikationsstandard von Vertragsarzt und Vertreter gefordert wird (vgl BSG SozR 3-2500 § 135 Nr 6 S 34 f), also keine Weiterbildung in einem beliebigen Fachgebiet genügt, sondern der Vertreter (wie der angestellte Arzt) derselben oder zumindest einer unmittelbar verwandten Gebietsgruppe angehören muss wie der Vertretene (vgl BSGE 78, 291, 296 = SozR 3-5520 § 32b Nr 2 S 6; in diesem Sinne auch Schallen aaO § 32 RdNr 25, 28; Bäune aaO, § 32 RdNr 12; Pawlita aaO, § 95 RdNr 324).

38

Bezüglich der Anstellung von Ärzten hat der Senat zu der bis zum 31.12.2006 geltenden Rechtslage bereits entschieden, dass eine Beschäftigung bei einem für ein bestimmtes Fachgebiet zugelassenen Vertragsarzt unabhängig von sonstigen Voraussetzungen nur dann zulässig ist, wenn auch der zur Anstellung vorgesehene Arzt die für dieses Fachgebiet vorgeschriebene Weiterbildung durchlaufen hat und die betreffende Gebietsbezeichnung führen darf (BSGE 78, 291, 294 = SozR 3-5520 § 32b Nr 2 S 4). Der Senat hatte das Erfordernis einer übereinstimmenden gebietsärztlichen Qualifikation vorrangig aus der auch für die vertragsärztliche Tätigkeit geltenden Fachgebietsbindung abgeleitet. Durch eine - nach außen hin nicht in Erscheinung tretende - andersartige Qualifikation des angestellten Arztes durften die Fachgebietsbeschränkungen nicht unterlaufen werden, und durch die Beschäftigung eines Arztes, der für das vom Praxisinhaber vertretene Gebiet nicht ausgebildet ist, durfte die mit der Spezialisierung bezweckte qualitativ hochwertige fachärztliche Versorgung nicht in Frage gestellt werden (BSGE aaO S 294 f = SozR aaO S 5). Der Patient, der eine Facharztpraxis aufsucht, tut dies in der Erwartung, dort von dem entsprechenden Spezialisten behandelt zu werden (BSGE aaO S 295 = SozR aaO S 5; vgl auch Schallen aaO, § 32 RdNr 29).

39

Inwieweit dieser Standpunkt, der grundsätzlich gleichermaßen für die Vertretung eines Vertragsarztes galt, seit dem 1.1.2007 aufrechterhalten werden kann, bedarf hier keiner Entscheidung. Nach dem Willen des Gesetzgebers soll durch die Neufassung des § 95 Abs 9 SGB V durch das Vertragsarztrechtsänderungsgesetz (VÄndG) dem Vertragsarzt offenbar auch die Anstellung fachfremder Ärzte ermöglicht werden(s Regierungsentwurf zum VÄndG, BT-Drucks 16/2474 S 22 zu Art 1 Nr 5 Buchst f). Das ergibt sich allerdings nur im Umkehrschluss aus der Regelung zur Anstellung in überversorgten Gebieten (§ 95 Abs 9 Satz 2 SGB V) sowie - mittelbar - aus der hierzu gegebenen Begründung; hier soll an dem Grundsatz der Fachgebietsidentität von anstellendem und angestelltem Arzt festgehalten werden (BT-Drucks aaO S 22; s auch Bäune aaO, § 32b RdNr 32). Ob die Anstellung von fachfremden Ärzten unter dem Aspekt der Qualitätssicherung tatsächlich in dem weiten Umfang möglich ist, den die Vertragspartner in § 14a Abs 2 BMV-Ä bzw § 20a Abs 2 EKV-Ä eröffnet haben, kann hier offenbleiben. Ebenso kann offenbleiben, ob die für die Anstellung von Ärzten geltende Neuregelung angesichts der vorerwähnten Qualitätssicherungsaspekte ohne eine spezifische gesetzliche Regelung überhaupt auf den Bereich der Vertretung übertragen werden könnte.

40

Denn auch dieser Gesichtspunkt stünde einer praxisinternen "Vertretung" durch Dr. S. nicht entgegen, da dieser als Internist die für die Erbringung gastroskopischer Leistungen erforderliche Qualifikation besitzt. Ein Abrechnungsausschluss ergibt sich daher auch nicht unter dem Gesichtspunkt der Fachfremdheit, denn die Fachgebietsgrenzen ergeben sich aus der Berufsordnung; diese kennt aber kein "Fachgebiet" des hausärztlichen Internisten einerseits und des fachärztlichen Internisten andererseits.

41

(3) Eine weitere Einschränkung der Berechtigung des Vertreters, vertragsärztliche Leistungen zu erbringen und abzurechnen, ergibt sich schließlich aus Abrechnungsbestimmungen, namentlich solchen des EBM-Ä. Sofern die Abrechnungsbestimmungen die Leistungserbringung (und deren Abrechnung) bestimmten Arztgruppen zuweisen, ist auch der Vertreter hieran gebunden. Dem steht nicht entgegen, dass die Leistungen nicht durch den Vertreter, sondern durch den Vertretenen als eigene Leistungen abgerechnet werden (vgl BSGE 93, 79 = SozR 4-5525 § 32 Nr 1, RdNr 17). Da die Zuordnung der Leistungen zu bestimmten Arztgruppen (auch) der Qualitätssicherung dient, kann nicht die fachliche Qualifikation des Abrechnenden maßgeblich sein, sondern es ist auf die Qualifikation desjenigen abzustellen, der die Leistung erbringt. Vertragsärztliche Leistungen, die gemäß den für ihre Abrechnung maßgeblichen Bestimmungen nur von bestimmten Arztgruppen erbracht und abgerechnet werden dürfen, darf mithin auch nur ein Vertreter erbringen, der dieser Arztgruppe angehört, also seine Weiterbildung in diesem Fachgebiet abgeschlossen hat.

42

Darüber hinaus sind von Vertretern (grundsätzlich) auch Regelungen in den Abrechnungsbestimmungen zu beachten, die die gesetzlich vorgegebene Trennung der Versorgungsbereiche umsetzen. Hinsichtlich der erforderlichen Zugehörigkeit zum fachärztlichen Versorgungsbereich ist allerdings zwischen zugelassenen Vertragsärzten als Vertretern und nicht an der vertragsärztlichen Versorgung teilnehmenden Ärzten als Vertretern iS des § 3 Abs 2 Ärzte-ZV zu unterscheiden. Denn die Zuordnung zum haus- bzw fachärztlichen Versorgungsbereich erfasst naturgemäß nur die Ärzte, die als Vertragsärzte zugelassen sind, nicht aber als Vertreter tätige Nicht-Vertragsärzte. Daher kann auch nur von als Vertreter tätigen Vertragsärzten gefordert werden, dass sie die Grenzen ihres Versorgungsbereiches einhalten.

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Die Gebührenposition nach Nr 13400 EBM-Ä kann gemäß der Vorbemerkung in Nr 13.3.3 iVm der Nr 1 der Präambel Nr 13.1 EBM-Ä nur von Fachärzten für Innere Medizin mit Schwerpunkt Gastroenterologie sowie von allen übrigen Fachärzten für Innere Medizin, die nicht an der hausärztlichen Versorgung gemäß § 73 Abs 1a SGB V teilnehmen, berechnet werden. Somit müssen die Ärzte eine Weiterbildung auf dem Gebiet der Inneren Medizin abgeschlossen haben sowie - jedenfalls wenn sie zugelassene Vertragsärzte sind - an der fachärztlichen Versorgung teilnehmen. Da Dr. S. an der hausärztlichen Versorgung teilnimmt, ist dieser unabhängig von einer berufsrechtlichen Qualifikation für gastroskopische Leistungen nicht zur Abrechnung der strittigen Leistungen berechtigt.

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Die Teilnahme des Dr. S. an der hausärztlichen Versorgung stünde seiner Berechtigung, in Vertretung von Dr. G. die Leistungen nach Nr 13400 EBM-Ä zu erbringen, auch dann entgegen, wenn er seine vertragsärztliche Tätigkeit nicht gemeinsam mit Dr. G. ausüben würde. Der Zulassungsstatus des Vertragsarztes und seine Zuordnung zu einem der beiden Versorgungsbereiche iS des § 73 Abs 1 Satz 1 SGB V sind unteilbar. Aus der Bindung an den gesetzlich vorgegebenen oder gewählten Versorgungsbereich kann sich ein Vertragsarzt nicht dadurch lösen, dass er als Vertreter eines anderen Vertragsarztes tätig wird. Auch das dient der Durchsetzung der gesetzlich vorgegebenen Trennung der Versorgungsbereiche und der Sicherung der Behandlungsqualität. Ein hausärztlich tätiger Internist, der in der eigenen Praxis Ösophago-Gastroduodenoskopien vertragsärztlich nicht erbringen darf, verfügt typischerweise für diese Leistung nicht über eine durch die Behandlungsroutine gestützte Erfahrung, die derjenigen des fachärztlich tätigen Kollegen entspricht. Damit entfällt von vornherein der von der Klägerin angeführte Verstoß gegen das Gleichbehandlungsgebot (Art 3 Abs 1 GG) wegen einer Benachteiligung der Gemeinschaftspraxis. Diesen sieht die Klägerin darin, dass Dr. S. die streitbefangenen Leistungen in Vertretung von Dr. G. erbringen dürfte, wenn er in Einzelpraxis als hausärztlicher Internist tätig wäre. Die dieser hypothetischen Erwägung zugrunde liegende Prämisse trifft - wie soeben dargelegt - nicht zu.

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Schließlich ist das Gleichbehandlungsgebot auch nicht dadurch verletzt, dass - wie die Klägerin geltend macht - ein nicht zur vertragsärztlichen Versorgung zugelassener Internist in Vertretung von Dr. G. auch die Leistungen nach Nr 13400 EBM-Ä erbringen dürfte. Letzteres trifft zwar zu, indiziert aber keinen Gleichheitsverstoß. Der vertragsärztliche Status im Sinne einer Vielzahl von Berechtigungen und Verpflichtungen unterscheidet den zugelassenen vom nicht zugelassenen Arzt so grundlegend, dass unterschiedliche rechtliche Vorgaben für die Ausübung der ähnlichen Tätigkeit im Sinne der Rechtsprechung des BVerfG grundsätzlich "ungleiche Sachverhalte" betreffen. Das BVerfG hat es zudem wiederholt gebilligt, dass das Vertragsarztrecht den zugelassenen Arzt weitergehenden Einschränkungen unterwirft (s hierzu etwa BVerfG SozR 4-1500 § 54 Nr 4 RdNr 25; BVerfG Beschluss vom 1.2.2011 - 1 BvR 2383/10 - NZS 2012, 62, 63). Im Übrigen ist die Vertretung für die Berufsausübung des Vertragsarztes generell von untergeordneter Bedeutung.

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4. In einer fach- und versorgungsbereichsübergreifenden Gemeinschaftspraxis bzw Berufsausübungsgemeinschaft ist mithin der dem jeweils anderen Versorgungsbereich zugeordnete Gemeinschaftspraxispartner nicht berechtigt, bei Abwesenheit des Partners vertragsärztliche Leistungen abzurechnen, die dessen Versorgungsbereich zugewiesen sind. Vielmehr bedarf es in diesen Fällen einer Vertretung durch einen - externen - Arzt, der die vorstehend dargestellten Voraussetzungen erfüllt.

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Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 Satz 1 Halbsatz 3 SGG iVm einer entsprechenden Anwendung der §§ 154 ff VwGO. Danach hat die Klägerin die Kosten des erfolglos eingelegten Rechtsmittels zu tragen (§ 154 Abs 2 VwGO).

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

Die Sachgebiete in Angelegenheiten der Fürsorge mit Ausnahme der Angelegenheiten der Sozialhilfe und des Asylbewerberleistungsgesetzes, der Jugendhilfe, der Kriegsopferfürsorge, der Schwerbehindertenfürsorge sowie der Ausbildungsförderung sollen in einer Kammer oder in einem Senat zusammengefaßt werden. Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) werden in den Verfahren dieser Art nicht erhoben; dies gilt nicht für Erstattungsstreitigkeiten zwischen Sozialleistungsträgern.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Kosten sind die Gerichtskosten (Gebühren und Auslagen) und die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten einschließlich der Kosten des Vorverfahrens.

(2) Die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts oder eines Rechtsbeistands, in den in § 67 Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 und 3a genannten Angelegenheiten auch einer der dort genannten Personen, sind stets erstattungsfähig. Soweit ein Vorverfahren geschwebt hat, sind Gebühren und Auslagen erstattungsfähig, wenn das Gericht die Zuziehung eines Bevollmächtigten für das Vorverfahren für notwendig erklärt. Juristische Personen des öffentlichen Rechts und Behörden können an Stelle ihrer tatsächlichen notwendigen Aufwendungen für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen den in Nummer 7002 der Anlage 1 zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz bestimmten Höchstsatz der Pauschale fordern.

(3) Die außergerichtlichen Kosten des Beigeladenen sind nur erstattungsfähig, wenn sie das Gericht aus Billigkeit der unterliegenden Partei oder der Staatskasse auferlegt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.