Verwaltungsgericht Aachen Beschluss, 14. Juli 2016 - 7 L 582/16.A

ECLI:ECLI:DE:VGAC:2016:0714.7L582.16A.00
bei uns veröffentlicht am14.07.2016

Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfah¬rens, in dem Ge¬richtskosten nicht erhoben wer¬den.2. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe wird abgelehnt.


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Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 154


(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 60 Verbot der Abschiebung


(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalit

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 4 Subsidiärer Schutz


(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt: 1. die Verhängung oder Vollstreckung der To

Zivilprozessordnung - ZPO | § 114 Voraussetzungen


(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Re

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 11 Einreise- und Aufenthaltsverbot


(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen n

Verwaltungsgerichtsordnung - VwGO | § 166


(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmäc

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland - GG | Art 16a


(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht. (2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung

Aufenthaltsgesetz - AufenthG 2004 | § 59 Androhung der Abschiebung


(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfal

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 36 Verfahren bei Unzulässigkeit nach § 29 Absatz 1 Nummer 2 und 4 und bei offensichtlicher Unbegründetheit


(1) In den Fällen der Unzulässigkeit nach § 29 Absatz 1 Nummer 2 und 4 und der offensichtlichen Unbegründetheit des Asylantrages beträgt die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist eine Woche. (2) Das Bundesamt übermittelt mit der Zustellung der Ent

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 34 Abschiebungsandrohung


(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn 1. der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,2. dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wir

Asylgesetz - AsylVfG 1992 | § 29a Sicherer Herkunftsstaat; Bericht; Verordnungsermächtigung


(1) Der Asylantrag eines Ausländers aus einem Staat im Sinne des Artikels 16a Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Herkunftsstaat) ist als offensichtlich unbegründet abzulehnen, es sei denn, die von dem Ausländer angegebenen Tatsachen oder Bewei

Zivilprozessordnung - ZPO | § 294 Glaubhaftmachung


(1) Wer eine tatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat, kann sich aller Beweismittel bedienen, auch zur Versicherung an Eides statt zugelassen werden. (2) Eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann, ist unstatthaft.

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(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Die Vorschriften der Zivilprozeßordnung über die Prozesskostenhilfe sowie § 569 Abs. 3 Nr. 2 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend. Einem Beteiligten, dem Prozesskostenhilfe bewilligt worden ist, kann auch ein Steuerberater, Steuerbevollmächtigter, Wirtschaftsprüfer oder vereidigter Buchprüfer beigeordnet werden. Die Vergütung richtet sich nach den für den beigeordneten Rechtsanwalt geltenden Vorschriften des Rechtsanwaltsvergütungsgesetzes.

(2) Die Prüfung der persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nach den §§ 114 bis 116 der Zivilprozessordnung einschließlich der in § 118 Absatz 2 der Zivilprozessordnung bezeichneten Maßnahmen, der Beurkundung von Vergleichen nach § 118 Absatz 1 Satz 3 der Zivilprozessordnung und der Entscheidungen nach § 118 Absatz 2 Satz 4 der Zivilprozessordnung obliegt dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle des jeweiligen Rechtszugs, wenn der Vorsitzende ihm das Verfahren insoweit überträgt. Liegen die Voraussetzungen für die Bewilligung der Prozesskostenhilfe hiernach nicht vor, erlässt der Urkundsbeamte die den Antrag ablehnende Entscheidung; anderenfalls vermerkt der Urkundsbeamte in den Prozessakten, dass dem Antragsteller nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen Prozesskostenhilfe gewährt werden kann und in welcher Höhe gegebenenfalls Monatsraten oder Beträge aus dem Vermögen zu zahlen sind.

(3) Dem Urkundsbeamten obliegen im Verfahren über die Prozesskostenhilfe ferner die Bestimmung des Zeitpunkts für die Einstellung und eine Wiederaufnahme der Zahlungen nach § 120 Absatz 3 der Zivilprozessordnung sowie die Änderung und die Aufhebung der Bewilligung der Prozesskostenhilfe nach den §§ 120a und 124 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 der Zivilprozessordnung.

(4) Der Vorsitzende kann Aufgaben nach den Absätzen 2 und 3 zu jedem Zeitpunkt an sich ziehen. § 5 Absatz 1 Nummer 1, die §§ 6, 7, 8 Absatz 1 bis 4 und § 9 des Rechtspflegergesetzes gelten entsprechend mit der Maßgabe, dass an die Stelle des Rechtspflegers der Urkundsbeamte der Geschäftsstelle tritt.

(5) § 87a Absatz 3 gilt entsprechend.

(6) Gegen Entscheidungen des Urkundsbeamten nach den Absätzen 2 und 3 kann innerhalb von zwei Wochen nach Bekanntgabe die Entscheidung des Gerichts beantragt werden.

(7) Durch Landesgesetz kann bestimmt werden, dass die Absätze 2 bis 6 für die Gerichte des jeweiligen Landes nicht anzuwenden sind.

(1) Eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, erhält auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint. Für die grenzüberschreitende Prozesskostenhilfe innerhalb der Europäischen Union gelten ergänzend die §§ 1076 bis 1078.

(2) Mutwillig ist die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung, wenn eine Partei, die keine Prozesskostenhilfe beansprucht, bei verständiger Würdigung aller Umstände von der Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung absehen würde, obwohl eine hinreichende Aussicht auf Erfolg besteht.

(1) In den Fällen der Unzulässigkeit nach § 29 Absatz 1 Nummer 2 und 4 und der offensichtlichen Unbegründetheit des Asylantrages beträgt die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist eine Woche.

(2) Das Bundesamt übermittelt mit der Zustellung der Entscheidung den Beteiligten eine Kopie des Inhalts der Asylakte. Der Verwaltungsvorgang ist mit dem Nachweis der Zustellung unverzüglich dem zuständigen Verwaltungsgericht zu übermitteln.

(3) Anträge nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsandrohung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen; dem Antrag soll der Bescheid des Bundesamtes beigefügt werden. Der Ausländer ist hierauf hinzuweisen. § 58 der Verwaltungsgerichtsordnung ist entsprechend anzuwenden. Die Entscheidung soll im schriftlichen Verfahren ergehen; eine mündliche Verhandlung, in der zugleich über die Klage verhandelt wird, ist unzulässig. Die Entscheidung soll innerhalb von einer Woche nach Ablauf der Frist des Absatzes 1 ergehen. Die Kammer des Verwaltungsgerichts kann die Frist nach Satz 5 um jeweils eine weitere Woche verlängern. Die zweite Verlängerung und weitere Verlängerungen sind nur bei Vorliegen schwerwiegender Gründe zulässig, insbesondere wenn eine außergewöhnliche Belastung des Gerichts eine frühere Entscheidung nicht möglich macht. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Die Entscheidung ist ergangen, wenn die vollständig unterschriebene Entscheidungsformel der Geschäftsstelle der Kammer vorliegt. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes und die Anordnung und Befristung nach § 11 Absatz 7 des Aufenthaltsgesetzes sind ebenso innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung bleibt hiervon unberührt.

(4) Die Aussetzung der Abschiebung darf nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, bleiben unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig. Ein Vorbringen, das nach § 25 Abs. 3 im Verwaltungsverfahren unberücksichtigt geblieben ist, sowie Tatsachen und Umstände im Sinne des § 25 Abs. 2, die der Ausländer im Verwaltungsverfahren nicht angegeben hat, kann das Gericht unberücksichtigt lassen, wenn andernfalls die Entscheidung verzögert würde.

(1) Der Asylantrag eines Ausländers aus einem Staat im Sinne des Artikels 16a Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes (sicherer Herkunftsstaat) ist als offensichtlich unbegründet abzulehnen, es sei denn, die von dem Ausländer angegebenen Tatsachen oder Beweismittel begründen die Annahme, dass ihm abweichend von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat Verfolgung im Sinne des § 3 Absatz 1 oder ein ernsthafter Schaden im Sinne des § 4 Absatz 1 droht.

(2) Sichere Herkunftsstaaten sind die Mitgliedstaaten der Europäischen Union und die in Anlage II bezeichneten Staaten.

(2a) Die Bundesregierung legt dem Deutschen Bundestag alle zwei Jahre, erstmals zum 23. Oktober 2017 einen Bericht darüber vor, ob die Voraussetzungen für die Einstufung der in Anlage II bezeichneten Staaten als sichere Herkunftsstaaten weiterhin vorliegen.

(3) Die Bundesregierung bestimmt durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates, dass ein in Anlage II bezeichneter Staat nicht mehr als sicherer Herkunftsstaat gilt, wenn Veränderungen in den rechtlichen oder politischen Verhältnissen dieses Staates die Annahme begründen, dass die in Artikel 16a Abs. 3 Satz 1 des Grundgesetzes bezeichneten Voraussetzungen entfallen sind. Die Verordnung tritt spätestens sechs Monate nach ihrem Inkrafttreten außer Kraft.

(1) Politisch Verfolgte genießen Asylrecht.

(2) Auf Absatz 1 kann sich nicht berufen, wer aus einem Mitgliedstaat der Europäischen Gemeinschaften oder aus einem anderen Drittstaat einreist, in dem die Anwendung des Abkommens über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten sichergestellt ist. Die Staaten außerhalb der Europäischen Gemeinschaften, auf die die Voraussetzungen des Satzes 1 zutreffen, werden durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, bestimmt. In den Fällen des Satzes 1 können aufenthaltsbeendende Maßnahmen unabhängig von einem hiergegen eingelegten Rechtsbehelf vollzogen werden.

(3) Durch Gesetz, das der Zustimmung des Bundesrates bedarf, können Staaten bestimmt werden, bei denen auf Grund der Rechtslage, der Rechtsanwendung und der allgemeinen politischen Verhältnisse gewährleistet erscheint, daß dort weder politische Verfolgung noch unmenschliche oder erniedrigende Bestrafung oder Behandlung stattfindet. Es wird vermutet, daß ein Ausländer aus einem solchen Staat nicht verfolgt wird, solange er nicht Tatsachen vorträgt, die die Annahme begründen, daß er entgegen dieser Vermutung politisch verfolgt wird.

(4) Die Vollziehung aufenthaltsbeendender Maßnahmen wird in den Fällen des Absatzes 3 und in anderen Fällen, die offensichtlich unbegründet sind oder als offensichtlich unbegründet gelten, durch das Gericht nur ausgesetzt, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit der Maßnahme bestehen; der Prüfungsumfang kann eingeschränkt werden und verspätetes Vorbringen unberücksichtigt bleiben. Das Nähere ist durch Gesetz zu bestimmen.

(5) Die Absätze 1 bis 4 stehen völkerrechtlichen Verträgen von Mitgliedstaaten der Europäischen Gemeinschaften untereinander und mit dritten Staaten nicht entgegen, die unter Beachtung der Verpflichtungen aus dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge und der Konvention zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten, deren Anwendung in den Vertragsstaaten sichergestellt sein muß, Zuständigkeitsregelungen für die Prüfung von Asylbegehren einschließlich der gegenseitigen Anerkennung von Asylentscheidungen treffen.

Tenor

I.

Der Antrag wird abgelehnt.

II.

Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens.

Gründe

I.

Der Antragsteller begehrt einstweiligen Rechtsschutz gegen einen Bescheid des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (Bundesamt), mit dem sein Asylbegehren als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden ist.

Der Antragsteller, dessen Geburtsdatum auf den ... Januar 1987 lautet, behauptet, senegalesischer Staatsangehöriger zu sein. Er spricht Wolof und Französisch und reiste spätestens am ... August 2013 ins Bundesgebiet ein, wo er offiziell am ... August 2013 Asylantrag stellte. 2004 sei er in Griechenland gewesen. Schulabschluss und Beruf habe er nicht. Ein Datenabgleich ergab einen Eurodac-Treffer für Ungarn, danach hat er am ... Juli 2013 in Ungarn bereits einen Asylantrag gestellt. Ob darüber entschieden worden sei, wisse er nicht. Am 27. Dezember 2013 hat das Bundesamt Ungarn um Übernahme des Asylverfahrens gebeten. Diesem Ersuchen wurde seitens der ungarischen Asylbehörden am 7. Januar 2014 stattgegeben. Am 21. Mai 2014 wurde der Antragsteller zur Bestimmung des zuständigen Mitgliedsstaates zur Durchführung des Asylverfahrens befragt. In dieser Befragung gab er an, dass er keine Personalpapiere vorlegen könne. 2004 habe er sein Herkunftsland mit dem Flugzeug verlassen, habe sich zehn Tage in der Türkei aufgehalten und dann acht Jahre lang in Griechenland gelebt. Er sei dann über Mazedonien und Serbien nach Ungarn gereist, wo er sich zwei Wochen aufgehalten habe.

Am 21. Mai 2014 erließ das Bundesamt einen Bescheid gegen den Antragsteller, in dem sein Asylantrag als unzulässig abgelehnt und seine Abschiebung nach Ungarn als den zuständigen Staat nach der Dublin-II-Verordnung angeordnet wurde. Ein hiergegen gestellter Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der gleichzeitig erhobenen Klage vor dem Verwaltungsgericht München hatte Erfolg (B. v. 25.06.2014, M 23 S 14.50300). Am 12. Januar 2016 zog das Bundesamt das Übernahmeersuchen zurück, nachdem ein entsprechendes Urteil vom 23. September 2015, M 23 K 14.50299, am 17. November 2015 rechtskräftig wurde.

Im Rahmen seiner Anhörung nach § 25 AsylG am15. März 2016 gab der Antragsteller im Wesentlichen an, seine Eltern seien früh gestorben. Er sei mit seinen älteren Geschwistern zusammen gewesen. Sie hätten ihn jeden Tag geschlagen, denn er habe sich um die Schafe kümmern sollen. Sie hätten ihn malträtiert. Er habe immer Arbeiten machen müssen, die ständig schwieriger geworden seien. Irgendwann habe er sich gewehrt. Dann habe sein Bruder eine Machete herausgezogen und ihn am Arm verletzt. Er sei dann geflüchtet. Er habe fünf Jahre die Koranschule besucht. In den Bundesamtsakten befindet sich ein Schreiben des Gesundheitsamtes des Landratsamtes D. vom 13. September 2013, demzufolge der Kläger mit Hepatitis B infiziert ist. Medikamente nimmt er nach eigenen Angaben nicht.

Mit Bescheid vom 28. April 2016 lehnte das Bundesamt sowohl den Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigter (Ziffer 2. des Bescheids) als auch die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft (Ziffer 1. des Bescheids) als offensichtlich unbegründet ab, ebenso wurde der Antrag auf die Zuerkennung des subsidiären Schutzstatus abgelehnt (Ziffer 3. des Bescheids). Das Vorliegen von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG wurde verneint (Ziffer 4. des Bescheids), der Antragsteller wurde zur Ausreise aufgefordert, die Abschiebung wurde bei nicht fristgerechter Ausreise angeordnet (Ziffer 5. des Bescheids). Das Einreise- und Aufenthaltsverbot nach § 11 Abs. 7 AufenthG wurde auf 10 Monate ab dem Tag der Ausreise befristet (Ziffer 6. des Bescheids), das gesetzliche Einreise- und Aufenthaltsverbot für das Bundesgebiet ab dem Tag der Abschiebung auf 30 Monate (Ziffer 7. des Bescheids).

Der Antragsteller stamme aus einem sicheren Herkunftsland im Sinne von § 29a Abs. 2 AsylG. Er habe nichts vorgetragen, was ein Abweichen von dieser allgemeinen Einschätzung gebieten würde. Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft sei als offensichtlich unbegründet, die Zuerkennung des subsidiären Schutzes als unbegründet abzulehnen. Auch individuelle Gefahren, die das Vorliegen eines Abschiebungsverbotes begründen könnten, seien nicht erkennbar.

Auf die Begründung des Bescheids wird im Einzelnen verwiesen.

Am 12. Mai 2016 erhob der Antragsteller gegen den Bescheid des Bundesamtes fristgerecht Klage (M 4 K 16.31048).

Mit dieser Klage wird unter Aufhebung des Bescheids die Verpflichtung der Beklagten ihm die Asylanerkennung sowie die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen begehrt. Sowie festzustellen, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen. Hilfsweise die Feststellung des subsidiären Schutzstatus bzw. des Vorliegens von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG geltend gemacht.

Über die Klage ist noch nicht entschieden.

Gleichzeitig wurde im vorliegenden Verfahren nach § 80 Abs. 5 VwGO beantragt,

die aufschiebende Wirkung der Klage anzuordnen.

Eine auf den Antragsteller bezogene Begründung wurde nicht vorgelegt.

Die Antragsgegnerin hat sich im Verfahren nicht geäußert, sie hat die Behördenakten vorgelegt.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Behördenakte des Bundesamtes Bezug genommen.

II.

Der - nach Auslegung - zulässig erhobene Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes nach § 80 Abs. 5 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) bleibt erfolglos. Die Ablehnung des Asylbegehrens sowie der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als jeweils offensichtlich unbegründet und die Ablehnung des subsidiären Schutzes unterliegen keinen durchgreifenden Bedenken. Auch das Vorliegen von Abschiebungsverboten ist nicht erkennbar, so dass eine Aussetzung der Abschiebung im Ergebnis nicht geboten ist.

1. Das Gericht geht gemäß § 122 Abs. 1 i. V. m. § 88 VwGO in sachgerechter Auslegung des Antrags davon aus, dass sich der Eilantrag nicht gegen das auf § 11 Abs. 1 i. V. m. Abs. 2 Aufenthaltsgesetz (AufenthG) gestützte Aufenthalts- und Einreiseverbot nach der Abschiebung (Ziffer 7. des Bescheids) richtet. Ein derartiger Antrag wäre mangels Rechtsschutzinteresse unzulässig (NdsOVG, B. v. 14.12.2015 - 8 PA 199/15 - juris Rn. 5; ausführlich ebenso VG München, B. v. 19.1.2016 - M 21 S 16.30019 - S. 8 f. des BA zur Notwendigkeit einer Verpflichtungsklage für die Befristungsentscheidung m. umfangr. Nachw.).

Der ansonsten auslegungsbedürftige (§ 88 VwGO) Eilantrag ist in der Sache darauf gerichtet, dass das Gericht die kraft Gesetzes nach § 75 Asylgesetz (AsylG; ohne weitere Übergangsregelung auch für die vorher anhängig gewordenen Asylverfahrens in Kraft seit 24.10.2015 aufgrund von Art. 1, 15 Abs. 1 des Asylverfahrensbeschleunigungsgesetzes vom 20.10.2015, BGBl I S. 1722) ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung (Ziffer 5. Satz 2 des Bescheids) und die nach § 84 Abs. 1 Satz 2 AufenthG kraft Gesetzes ausgeschlossene aufschiebende Wirkung der Klage gegen das auf § 11 Abs. 7 AufenthG gestützte Einreise- und Aufenthaltsverbot (Ziffer 6. des Bescheids) nach § 80 Abs. 5 VwGO anordnen soll.

Dieser Antrag ist zulässig, insbesondere wurde er innerhalb der gesetzlichen Wochenfrist des § 36 Abs. 3 Satz 1 AsylG gestellt.

2. Der Antrag bleibt erfolglos.

a) Nach § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylG i. V. m. § 30 Abs. 1 AsylG darf die Aussetzung der Abschiebung in den Fällen, in denen der Asylantrag und der Antrag auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet abgelehnt worden sind, nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Verwaltungsaktes bestehen. Diese ernstlichen Zweifel liegen vor, wenn erhebliche Gründe dafür sprechen, dass die Abschiebungsandrohung einer rechtlichen Prüfung wahrscheinlich nicht standhält (grundlegend zur Ablehnung des Asylantrags als „offensichtlich unbegründet“ und zum Umfang der gerichtlichen Prüfung: BVerfG, U. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1516/93 - BVerfGE 94, 166/189 ff. = juris Rn. 86 ff.).

Anknüpfungspunkt zur Frage der Bestätigung oder Verwerfung des Sofortvollzugs durch das Gericht muss daher die Prüfung sein, ob das Bundesamt den Antrag zu Recht als offensichtlich abgelehnt hat und ob diese Ablehnung auch weiterhin Bestand haben kann.

Das Gericht hat im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes auch die Einschätzung des Bundesamtes, dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht vorliegen, zum Gegenstand der Prüfung zu machen. Dies ist zwar der gesetzlichen Regelung des § 36 AsylG nicht ausdrücklich zu entnehmen, jedoch gebieten die verfassungsrechtlichen Gewährleistungen der Art. 19 Abs. 4 und Art. 103 Abs. 1 Grundgesetz (GG) die diesbezügliche Berücksichtigung auch im Verfahren nach § 36 AsylG (vgl. zur Rechtslage nach dem dem Abschiebungsverbot gemäß § 60 AufentG entsprechenden § 51 Ausländergesetz 1990: BVerfG, U. v. 14.5.1996 - 2 BvR 1516/93 - BVerfGE 94, 166/221).

b) Nach der Maßgabe dieser Grundsätze bestehen vorliegend keine ernstlichen Zweifel an der Rechtmäßigkeit der angegriffenen, an die Ausreisefrist von einer Woche (§ 36 Abs. 1 AsylG) anknüpfenden Abschiebungsandrohung. Das Gericht folgt zunächst den Ausführungen des Bundesamtes im angefochtenen Bescheid und sieht insoweit von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab (§ 77 Abs. 2 AsylG).

Ergänzend wird ausgeführt:

aa) Im Antragsvorbringen ist zur Frage der Ablehnung des Asylbegehrens des Antragstellers nichts vorgetragen, was eine Abweichung von der gesetzlichen Wertung in Art. 16a Abs. 3 GG, § 29a Abs. 1 AsylG begründen könnte.

Der Senegal ist in der Anlage II zu § 29a Abs. 2 AsylG als sogenannter sicherer Herkunftsstaat gelistet. Vom Antragsteller sind keine Tatsachen oder Beweismittel angegeben, die eine von der allgemeinen Lage im Herkunftsstaat abweichende Bewertung rechtfertigen (vgl. § 29a Abs. 1 AsylG). Der Asylantrag war somit nach § 29a Abs. 1 AsylG als offensichtlich unbegründet abzulehnen. Die gleiche Beurteilung gilt für die Ablehnung der Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft als offensichtlich unbegründet.

Die vorgetragene Verfolgungsgeschichte ist unglaubwürdig. Auch würde sie - auch wenn man sie als wahr unterstellt - nicht für eine asylrelevante Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure genügen.

Unabhängig davon bleibt das Begehren des Antragstellers auf Asylanerkennung bzw. auf die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft aber jedenfalls deshalb ohne Erfolg, weil ihm in Anwendung von § 3d, § 3e AsylG ausreichender interner Schutz bei einer Rückkehr in den Senegal zur Verfügung steht. Es ist nach der Auskunftslage davon auszugehen, dass der senegalesische Staat willens und in der Lage ist, von Rebellen verfolgte Staatsangehörige zu schützen. Jedenfalls finden sie innerhalb der Großstädte des Landes ausreichende Ausweichmöglichkeiten (Bericht des Auswärtigen Amtes, a. a. O. S. 12 f.).

bb) Die Ablehnung mit der Folge des Ausschlusses der aufschiebenden Wirkung der Klage gegen die Abschiebungsandrohung erfasst auch die Verneinung des Vorliegens von (nationalen) Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Die von der Bevollmächtigten des Antragstellers weiter geltend gemachten Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 mit Abs. 4 AufenthG sind erkennbar nicht einschlägig.

Auch zum Vorliegen von Abschiebungsverboten hat der Antragsteller bis zum maßgeblichen Zeitpunkt der vorliegenden Entscheidung nichts vorgetragen, was ein Abweichen von der Bewertung im angegriffenen Bescheid rechtfertigt.

(1) Die allgemein harten Lebensbedingungen im Senegal eröffnen keine Berufung auf den Schutz aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Zwar ist nach der Auskunftslage (Bericht des Auswärtigen Amtes im Hinblick auf die Einstufung der Republik Senegal als sicheres Herkunftsland im Sinne des § 29a AsylG vom 21.11.2015 (Stand August 2015), dort zu Ziffer IV.1 - S. 15) davon auszugehen, dass die Versorgungslage im Senegal schlecht ist. Im Hinblick auf die Lebensbedingungen kann der zurückkehrende Ausländer Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG aber nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei seiner Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre, d. h. gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgesetzt ist (vgl. BVerwG, U. v. 12.7.2001 - 1 C 5/01 - BVerwGE 115, 1 m. w. N.; BVerwG, U. v. 29.9.2011 - 10 C 24/10 - NVwZ 2012, 451 Rn. 20).

(2) Das kann beim Antragsteller nicht angenommen werden.

Dieser ist als junger arbeitsfähiger Mann in der Lage, wie jeder andere dort Lebende in der vergleichbaren Situation, seinen Lebensunterhalt im Senegal durch eigene Tätigkeit sicherzustellen. Eine drohende Lebensgefahr ist bei einer Rückkehr nach der Auskunftslage nicht erkennbar.

cc) Damit ist insgesamt die nach Maßgabe der §§ 34, 36 Abs. 1 Satz 1 AsylG i. V. m. § 59 AufenthG erlassenen Abschiebungsandrohung nicht zu beanstanden. Die gesetzte Ausreisefrist entspricht der Regelung in § 36 Abs. 1 AsylG.

3. Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylG.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 80 AsylG).

(1) Ein Ausländer ist subsidiär Schutzberechtigter, wenn er stichhaltige Gründe für die Annahme vorgebracht hat, dass ihm in seinem Herkunftsland ein ernsthafter Schaden droht. Als ernsthafter Schaden gilt:

1.
die Verhängung oder Vollstreckung der Todesstrafe,
2.
Folter oder unmenschliche oder erniedrigende Behandlung oder Bestrafung oder
3.
eine ernsthafte individuelle Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit einer Zivilperson infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts.

(2) Ein Ausländer ist von der Zuerkennung subsidiären Schutzes nach Absatz 1 ausgeschlossen, wenn schwerwiegende Gründe die Annahme rechtfertigen, dass er

1.
ein Verbrechen gegen den Frieden, ein Kriegsverbrechen oder ein Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Sinne der internationalen Vertragswerke begangen hat, die ausgearbeitet worden sind, um Bestimmungen bezüglich dieser Verbrechen festzulegen,
2.
eine schwere Straftat begangen hat,
3.
sich Handlungen zuschulden kommen lassen hat, die den Zielen und Grundsätzen der Vereinten Nationen, wie sie in der Präambel und den Artikeln 1 und 2 der Charta der Vereinten Nationen (BGBl. 1973 II S. 430, 431) verankert sind, zuwiderlaufen oder
4.
eine Gefahr für die Allgemeinheit oder für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland darstellt.
Diese Ausschlussgründe gelten auch für Ausländer, die andere zu den genannten Straftaten oder Handlungen anstiften oder sich in sonstiger Weise daran beteiligen.

(3) Die §§ 3c bis 3e gelten entsprechend. An die Stelle der Verfolgung, des Schutzes vor Verfolgung beziehungsweise der begründeten Furcht vor Verfolgung treten die Gefahr eines ernsthaften Schadens, der Schutz vor einem ernsthaften Schaden beziehungsweise die tatsächliche Gefahr eines ernsthaften Schadens; an die Stelle der Flüchtlingseigenschaft tritt der subsidiäre Schutz.

(1) In Anwendung des Abkommens vom 28. Juli 1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Nationalität, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Dies gilt auch für Asylberechtigte und Ausländer, denen die Flüchtlingseigenschaft unanfechtbar zuerkannt wurde oder die aus einem anderen Grund im Bundesgebiet die Rechtsstellung ausländischer Flüchtlinge genießen oder die außerhalb des Bundesgebiets als ausländische Flüchtlinge nach dem Abkommen über die Rechtsstellung der Flüchtlinge anerkannt sind. Wenn der Ausländer sich auf das Abschiebungsverbot nach diesem Absatz beruft, stellt das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge außer in den Fällen des Satzes 2 in einem Asylverfahren fest, ob die Voraussetzungen des Satzes 1 vorliegen und dem Ausländer die Flüchtlingseigenschaft zuzuerkennen ist. Die Entscheidung des Bundesamtes kann nur nach den Vorschriften des Asylgesetzes angefochten werden.

(2) Ein Ausländer darf nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem ihm der in § 4 Absatz 1 des Asylgesetzes bezeichnete ernsthafte Schaden droht. Absatz 1 Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(3) Darf ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, weil dieser Staat den Ausländer wegen einer Straftat sucht und die Gefahr der Verhängung oder der Vollstreckung der Todesstrafe besteht, finden die Vorschriften über die Auslieferung entsprechende Anwendung.

(4) Liegt ein förmliches Auslieferungsersuchen oder ein mit der Ankündigung eines Auslieferungsersuchens verbundenes Festnahmeersuchen eines anderen Staates vor, darf der Ausländer bis zur Entscheidung über die Auslieferung nur mit Zustimmung der Behörde, die nach § 74 des Gesetzes über die internationale Rechtshilfe in Strafsachen für die Bewilligung der Auslieferung zuständig ist, in diesen Staat abgeschoben werden.

(5) Ein Ausländer darf nicht abgeschoben werden, soweit sich aus der Anwendung der Konvention vom 4. November 1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten (BGBl. 1952 II S. 685) ergibt, dass die Abschiebung unzulässig ist.

(6) Die allgemeine Gefahr, dass einem Ausländer in einem anderen Staat Strafverfolgung und Bestrafung drohen können und, soweit sich aus den Absätzen 2 bis 5 nicht etwas anderes ergibt, die konkrete Gefahr einer nach der Rechtsordnung eines anderen Staates gesetzmäßigen Bestrafung stehen der Abschiebung nicht entgegen.

(7) Von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat soll abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. § 60a Absatz 2c Satz 2 und 3 gilt entsprechend. Eine erhebliche konkrete Gefahr aus gesundheitlichen Gründen liegt nur vor bei lebensbedrohlichen oder schwerwiegenden Erkrankungen, die sich durch die Abschiebung wesentlich verschlechtern würden. Es ist nicht erforderlich, dass die medizinische Versorgung im Zielstaat mit der Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland gleichwertig ist. Eine ausreichende medizinische Versorgung liegt in der Regel auch vor, wenn diese nur in einem Teil des Zielstaats gewährleistet ist. Gefahren nach Satz 1, denen die Bevölkerung oder die Bevölkerungsgruppe, der der Ausländer angehört, allgemein ausgesetzt ist, sind bei Anordnungen nach § 60a Abs. 1 Satz 1 zu berücksichtigen.

(8) Absatz 1 findet keine Anwendung, wenn der Ausländer aus schwerwiegenden Gründen als eine Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland anzusehen ist oder eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen eines Verbrechens oder besonders schweren Vergehens rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von mindestens drei Jahren verurteilt worden ist. Das Gleiche gilt, wenn der Ausländer die Voraussetzungen des § 3 Abs. 2 des Asylgesetzes erfüllt. Von der Anwendung des Absatzes 1 kann abgesehen werden, wenn der Ausländer eine Gefahr für die Allgemeinheit bedeutet, weil er wegen einer oder mehrerer vorsätzlicher Straftaten gegen das Leben, die körperliche Unversehrtheit, die sexuelle Selbstbestimmung, das Eigentum oder wegen Widerstands gegen Vollstreckungsbeamte rechtskräftig zu einer Freiheits- oder Jugendstrafe von mindestens einem Jahr verurteilt worden ist, sofern die Straftat mit Gewalt, unter Anwendung von Drohung mit Gefahr für Leib oder Leben oder mit List begangen worden ist oder eine Straftat nach § 177 des Strafgesetzbuches ist.

(9) In den Fällen des Absatzes 8 kann einem Ausländer, der einen Asylantrag gestellt hat, abweichend von den Vorschriften des Asylgesetzes die Abschiebung angedroht und diese durchgeführt werden. Die Absätze 2 bis 7 bleiben unberührt.

(10) Soll ein Ausländer abgeschoben werden, bei dem die Voraussetzungen des Absatzes 1 vorliegen, kann nicht davon abgesehen werden, die Abschiebung anzudrohen und eine angemessene Ausreisefrist zu setzen. In der Androhung sind die Staaten zu bezeichnen, in die der Ausländer nicht abgeschoben werden darf.

(11) (weggefallen)

(1) Wer eine tatsächliche Behauptung glaubhaft zu machen hat, kann sich aller Beweismittel bedienen, auch zur Versicherung an Eides statt zugelassen werden.

(2) Eine Beweisaufnahme, die nicht sofort erfolgen kann, ist unstatthaft.

Tenor

Die Berufung wird zurückgewiesen.

Gerichtskosten werden nicht erhoben. Der Kläger trägt die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens.

Das Urteil ist hinsichtlich der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

Der laut eigenen Angaben 1982 in Erbil geborene Kläger ist irakischer Staatsangehöriger kurdischer Volkszugehörigkeit. Anfang Oktober 2005 reiste er nach eigenem Bekunden auf dem Landweg in die Bundesrepublik Deutschland ein und stellte hier - unter einem Alias-Namen - ein Asylgesuch. Vor einer Entscheidung hierüber reiste der Kläger noch im Jahr 2005 zunächst weiter nach Belgien, sodann nach Großbritannien und stellte dort unter verschiedenen Personalien jeweils einen Asylantrag. Am 2.2.2007 wurde er in die Bundesrepublik Deutschland rücküberstellt. Am 12.2.2007 beantragte er beim Bundesamt für Migration und Flüchtlinge der Beklagten (Bundesamt) erneut seine Anerkennung als Asylberechtigter.

Zur Begründung seines Asylbegehrens führte der Kläger im Rahmen seiner Anhörung vor dem Bundesamt der Beklagten am selben Tag im Wesentlichen aus, sein Vater sei Grundschullehrer im Gebiet Badinan gewesen. Dieser habe seine Mutter seinerzeit entführt, weil deren Familie in eine Heirat nicht eingewilligt habe. Danach sei der Vater nach Erbil verzogen. Zwar habe sich sein Vater später mit seinem Schwiegervater versöhnt. Ein Cousin seiner Mutter sei mit der Versöhnung allerdings nicht einverstanden gewesen, da er diese habe selbst heiraten wollen. Zudem sei sein Vater Mitglied der Baath-Partei gewesen und er habe viele kurdische Feinde gehabt. Er vermute, sein Vater habe mit der Regierung zusammengearbeitet. Nach der Befreiung Kurdistans habe sein Vater nicht mehr in Erbil bleiben können und sei 1991 nach Bashir umgezogen. Etwa 10 bis 15 Tage vor seiner Ausreise im Jahr 2005 sei sein Vater vermutlich aus Rache auf dem Weg zur Schule getötet worden. Seine Schwester sei bei dem Vorfall verletzt worden. Er selbst habe zu dieser Zeit Vieh gehütet. Diejenigen Personen, die seinen Vater ermordet hätten, hätten sich in der Folge auch nach seiner Familie erkundigt und gedroht, sie ebenfalls umzubringen. Ob diese Personen Angehörige der Baath-Partei oder von dem Cousin seiner Mutter beauftragt gewesen seien, wisse er nicht. Da er als der älteste Sohn besonders gefährdet gewesen sei, habe ihn seine Familie ins Ausland geschickt. Von Iran aus sei er über den Landweg in die Bundesrepublik eingereist. Seine drei jüngeren Geschwister - zwei Schwestern und ein Bruder - seien mit der Mutter bei einer Tante in Kirkuk geblieben. Vor ca. 6 bis 7 Monaten habe er zuletzt Kontakt zu ihr gehabt. Wegen Augenproblemen sei er nur 1 ½ Jahre zur Schule gegangen und würde sich daher als Analphabet bezeichnen. Er habe keinen Beruf erlernt und bei der Tierzucht mitgeholfen. Wegen seiner Augenprobleme habe er auch keinen Wehrdienst leisten müssen. Weder mit staatlichen Stellen noch irgendwelchen Organisationen habe er selbst Schwierigkeiten gehabt.

Mit Bescheid vom 19.4.2007 lehnte das Bundesamt der Beklagten den Asylantrag des Klägers ab, stellte fest, dass weder die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG noch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG vorliegen, forderte den Kläger zur Ausreise auf und drohte ihm für den Fall der nicht fristgerechten Ausreise die Abschiebung in den Irak oder einen anderen Staat an, in den er einreisen dürfe oder der zu seiner Rückübernahme verpflichtet sei.

Zur Begründung ist unter Darlegung im Einzelnen ausgeführt, auf das Asylgrundrecht nach Art. 16 a Abs. 1 GG könne sich der Kläger aufgrund seiner Einreise aus einem sicheren Drittstaat nicht berufen. Es bestehe auch unter Berücksichtigung der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.4.2004 kein Abschiebungsverbot im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG. Der Kläger habe nicht glaubhaft machen können, in seiner Heimat Verfolgungsmaßnahmen im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG erlitten zu haben bzw. solche bei einer gegenwärtigen Rückkehr dorthin befürchten zu müssen. Staatliche Verfolgungsmaßnahmen habe der Kläger, der keine Schwierigkeiten mit irakischen Sicherheitskräften gehabt und sich auch nicht politisch engagiert habe, nicht geltend gemacht. Aus dem Umstand, dass der Kläger angeblich von unbekannten Personen mit dem Tode bedroht worden sei, ergebe sich auch keine nichtstaatliche Verfolgung, da eine solche Bedrohung nicht an asylerhebliche Merkmale anknüpfte. Im Übrigen sei sein Vorbringen insgesamt pauschal und unsubstantiiert geblieben sei und weise in wesentlichen Punkten erhebliche Ungereimtheiten auf. Soweit der Kläger vermute, die Bedrohung gehe von ehemaligen Baath-Parteimitgliedern aus, sei nicht nachvollziehbar, warum diese gerade den Kläger hätten bedrohen sollen, zumal er sich in keiner Weise politisch engagiert habe. Aus welchem Grund der Cousin seiner Mutter die Familie des Klägers nach so vielen Jahren mit dem Tode habe bedrohen sollen, sei ebenfalls nicht nachvollziehbar. Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG lägen ebenfalls nicht vor. Insbesondere begründe die angespannte Sicherheits- und Versorgungslage im Irak keinen Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG. Zwar könnten aus der allgemeinen Lage im Irak resultierende Gefahren für Leib und Leben nicht völlig ausgeschlossen werden. Die dortige Sicherheits- und Versorgungslage sei jedoch nicht derart schlecht, dass jeder Rückkehrer gleichsam sehenden Auges dem sicheren Tod oder schwersten Verletzungen ausgeliefert würde.

Am 4.5.2007 hat der Kläger unter Verweis auf sein bisheriges Vorbringen Klage erhoben und geltend gemacht, er sei als ältester Sohn der Familie aufgrund der von ihm geschilderten Umstände im Irak Verfolgungsmaßnahmen im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG ausgesetzt gewesen. Angesichts der sich allgemein im Irak auflösenden Ordnung und der weiterhin steigenden allgemeinen Unsicherheit hätten sich gerade Fälle der sogenannten Blutrache in den letzten Jahren deutlich verstärkt. Zumindest bestehe in seinem Fall jedoch ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Der Kläger hat beantragt,

die Beklagte unter entsprechender Aufhebung des Bescheides vom 19.4.2007 zu verpflichten, festzustellen, dass ein Abschiebungshindernis gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich des Irak vorliegt,

hilfsweise,

festzustellen, dass Abschiebungsverbote gemäß § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG hinsichtlich des Irak vorliegen.

Die Beklagte hat beantragt,

die Klage abzuweisen.

Sie ist der Klage im Wesentlichen unter Bezugnahme auf den angefochtenen Bescheid entgegengetreten.

Mit Urteil vom 13.3.2008 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen (2 K 645/07).

Zur Begründung ist im Wesentlichen ausgeführt, die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG lägen nicht vor. Dass der Kläger einer politischen Verfolgung durch den irakischen Staat ausgesetzt gewesen wäre, habe er selbst nicht geltend gemacht. Es bestehe auch kein greifbarer Anhalt für die Annahme, dass der Kläger im Irak einer im Rahmen von § 60 Abs. 1 AufenthG beachtlichen Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure ausgesetzt gewesen wäre. Soweit sich der Kläger auf eine angeblich von unbekannten Personen ausgehende Bedrohung berufen und insoweit geltend gemacht habe, diejenigen Personen, die seinen Vater ermordet hätten, hätten auch seinen Bruder und ihn töten wollen, vermöge dieses Vorbringen die Annahme einer Verfolgung aus politischen Gründen im Sinne von § 60 Ab. 1 AufenthG schon deshalb nicht zu rechtfertigen, weil nicht erkennbar sei, dass die von dem Kläger befürchteten Racheakte an asylerheblich unverfügbare Merkmale wie etwa politische Überzeugung, Religion oder Rasse anknüpften.

Darüber hinaus habe der Kläger konkrete diesbezügliche Anhaltspunkte auch nicht ansatzweise glaubhaft dargelegt. Der Sachvortrag des Klägers sei insgesamt pauschal und unsubstantiiert geblieben und weise zudem erhebliche Ungereimtheiten auf, die der Kläger auch in der mündlichen Verhandlung nicht in nachvollziehbarer Weise aufzulösen vermocht habe. Als wenig nachvollziehbar stelle sich die Vermutung des Klägers dar, bei den Tätern handele es sich entweder um Angehörige der Familie seiner Mutter oder um Personen, denen von der Baath-Partei, der sein Vater angehört habe, Schaden zugefügt worden sei. Überzeugende Gründe hierfür habe er nicht angegeben. Unglaubhaft erscheine auch die Behauptung des Klägers, er habe nach seiner Einreise in die Bundesrepublik Deutschland erfahren, dass Familienangehörige seiner Mutter nach ihm suchten, weshalb er nach Belgien ausgereist sei. Auch hinsichtlich der Finanzierung seiner Ausreise gebe es Widersprüche und Ungereimtheiten. Daher sei anzunehmen, dass der Kläger lediglich eine Verfolgungsgeschichte zur Stützung seines Asylbegehrens konstruiert habe.

Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG lägen nicht vor.

Für eine konkret-individuelle Gefährdung des Klägers im Falle seiner Rückkehr in den Irak bestehe angesichts der fehlenden Glaubhaftigkeit des klägerischen Vorbringens kein greifbarer Anhalt. Dem Kläger könne auch nicht wegen allgemeiner, im Irak bestehender Gefahren aufgrund der angespannten Sicherheitslage Abschiebungsschutz unmittelbar nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG gewährt werden, da insoweit die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG entgegenstehe.

Eine extreme Gefahrenlage, die eine derartige Sperrwirkung überwinden könne, sei nicht anzunehmen. Zwar sei die allgemeine Kriminalität im Irak nach dem Sturz des früheren Regimes stark angestiegen. Überfälle und Entführungen seien ebenso wie offene Kampfhandlungen verschiedener Gruppierungen, die auch zahlreiche Opfer unter der Zivilbevölkerung forderten, an der Tagesordnung. Auch wenn hiervon eine nicht zu unterschätzende Gefährdung für die dort lebenden Menschen ausgehe, rechtfertige ausgehend von den Angaben verschiedener Erkenntnisquellen die Anzahl der durch Terrorakte sowie andauernder Kampfhandlungen zu beklagenden zivilen Opfer in Relation zu der ca. 27,5 Millionen Menschen betragenden Bevölkerungszahl des Irak selbst unter Berücksichtigung einer „Dunkelziffer“ nicht die Annahme, jeder Iraker werde im Falle seiner Rückkehr unmittelbar und landesweit Gefahr laufen, Opfer entsprechender Anschläge oder Kampfhandlungen zu werden.

Gleiches gelte auch im Hinblick auf die allgemeine Versorgungslage im Irak. Konkrete Anhaltspunkte für eine drohende Nahrungsmittelknappheit oder gar eine Hungerkatastrophe bestünden gegenwärtig nicht.

Gegen das ihm am 9.4.2008 zugestellte Urteil hat der Kläger am 8.5.2008 Antrag auf Zulassung der Berufung gestellt, dem der Senat durch Beschluss vom 5.5.2009 entsprochen hat (3 A 219/08).

Zur Begründung seiner Berufung führt der Kläger im Wesentlichen aus, ihm drohten allein schon wegen seiner sunnitischen Religionszugehörigkeit mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit Ermordung, Verstümmelung oder andere schwere asylrelevante Rechtsverletzungen durch nichtstaatliche Akteure. Im Irak sei eine Gruppenverfolgung von Sunniten durch Schiiten anzunehmen.

Die Sicherheitslage im Irak sei nach Beendigung der Kampfhandlungen im Mai 2003 geprägt durch terroristische Anschläge sowie durch fortgesetzte offene Kampfhandlungen zwischen militanter Opposition einerseits sowie regulären Sicherheitskräften und Koalitionsstreitkräften andererseits. Auch wenn vor allem Soldaten, Sicherheitskräfte und Politiker Hauptanschlagsziel von Terroristen seien, trage der weitgehend ungeschützte Teil der irakischen Zivilbevölkerung den Großteil der Opferlast, ohne dass Schutz gegen diese zahllosen Übergriffe erlangt werden könne.

Im Übrigen sei der Kläger aufgrund des von ihm geschilderten persönlichen Schicksals vorverfolgt aus dem Irak ausgereist.

Hinsichtlich einer Gefährdungslage im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG habe sich das Verwaltungsgericht zu Unrecht maßgeblich auf den Erwägungsgrund Nr. 26 vor Art. 1 QRL gestützt. Die Vorschrift sei gemeinschaftskonform in Anwendung des Art. 15 lit. c QRL auszulegen.

Des Weiteren legte der Kläger eine fachärztliche Bescheinigung des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie F. M. vom 5.10.2009 sowie ein Ergänzungsschreiben vom 4.1.2010 vor, wonach ihm eine hochgradige Traumatisierung und behandlungsbedürftige Belastungsstörung sowie suizidale Tendenzen bescheinigt werden. In einem weiteren Attest vom 4.7.2011 stellt der Arzt fest, dass der Kläger durch bisherige regelmäßige therapeutische Führung sowie pharmakotherapeutische Behandlung bis März 2011 eine positive Entwicklung durchlaufen habe. Der Kläger sei in der Lage gewesen, durch ein soziales Training seine Ängste schrittweise abzubauen. Es sei auch möglich gewesen, seine Pharmakotherapie auf ein Minimum als Erhaltungsdosis zu reduzieren.

Vor Beendigung seiner kassenärztlichen Tätigkeit zum 1.5.2011 habe er den Kläger am 20.4.2011 zuletzt gesehen. Für den Kläger gelte immer noch, dass er eine schwerwiegende psychische Erkrankung durch Eigenmotivation, Compliance und therapeutische Führung zum Teil habe bewältigen können. Nach Abbruch der Behandlung entstehe eine instabile Phase, weswegen der Patient besonders rückfallgefährdet sein werde.

Des Weiteren reichte der Kläger eine Stellungnahme der Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie St. N., W., vom 30.11.2009 über eine stationäre Krankenhausbehandlung zu den Akten. Dort heißt es unter anderem:

„Zusammenfassend führten starke Ängste, Schwindel und Panikattacken mit sich aufdrängenden Suizidphantasien zur stationären Aufnahme. Im medizinischen Diagnosemodell wäre eine schwere depressive Episode (ICD-10: F32.2) bei V.a. posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10: F42.1) zu beschreiben. Auf psychosozialer Ebene schien vor allem die schwierige Lebenssituation und die ständig im Hintergrund drohende Abschiebung in den Irak zu der aktuellen Symptomatik geführt zu haben.“

Der Kläger verweist insoweit darauf, dass zwei unabhängige Ärzte bzw. Institutionen eine posttraumatische Belastungsstörung (PTBS) angenommen hätten. Soweit im Attest der Klinik lediglich von einem „Verdacht auf PTBS“ die Rede sei, sei dies darauf zurückzuführen, dass dort keine umfassende Anamnese und Diagnose erstellt worden sei. Sowohl die privatärztlichen als auch die klinische Bescheinigung bestätigten eine psychische Erkrankung des Klägers. In dem äußerst prekären Gesundheitssystem des Irak stünden kaum psychologische, psychotherapeutische oder psychiatrische Behandlungsmöglichkeiten zur Verfügung. Die wenigen, überwiegend in privaten Kliniken bestehenden Möglichkeiten seien für einen „Normalbürger“ nicht finanzierbar. Gleiches gelte für die Versorgung mit Medikamenten unabhängig von der Frage, ob diese im Irak überhaupt vorhanden seien.

Ferner legte der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat ein Attest der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. W. vom 15.9.2011 vor, in dem ausgeführt ist, beim Kläger liege diagnostisch eine in erster Linie reaktiv bedingte depressive Störung vor.

Der Kläger beantragt,

unter Abänderung des aufgrund mündlicher Verhandlung vom 13. März 2008 ergangenen Urteils des Verwaltungsgerichts des Saarlandes - 2 K 645/07 - die Beklagte unter Aufhebung ihres Bescheides vom 19. April 2007 zu verpflichten, festzustellen, dass Abschiebungshindernisse gemäß § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegen,

hilfsweise,

festzustellen, dass die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots gemäß § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG vorliegen,

weiter hilfsweise,

festzustellen, dass die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 und 7 Satz 1 AufenthG in Bezug auf den Irak vorliegen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie führt im Wesentlichen aus, das pauschale, unsubstantiierte und widersprüchliche Vorbringen des Klägers zu seinen individuellen Verfolgungsgründen sei unglaubhaft und rechtfertige bereits deshalb nicht die Feststellung des Vorliegens von Abschiebungshindernissen nach § 60 Abs. 1 AufenthG.

Ebenso wenig könne subsidiärer Schutz nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG i.V.m. Art. 15 lit.c QRL - gewährt werden, da die erforderliche Verdichtung allgemeiner Gefahren für die Zivilbevölkerung im Irak selbst in Konfliktregionen nicht angenommen werden könne.

Von einer Zuspitzung der Gefahr durch individuelle Umstände könne im Fall des Klägers ebenfalls nicht ausgegangen werden.

Was die geltend gemachte psychische Erkrankung des Klägers anbelange, genüge das fachärztliche Gutachten vom 5.10.2009 bereits nicht den Mindestanforderungen, die Anlass zu einer weiteren Sachaufklärung böten. Die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung sei nicht hinreichend dargelegt. Darüber hinaus stünden die ärztlichen Ausführungen in Widerspruch zu den eigenen Schilderungen des Klägers.

Auch der Behandlungsbericht des St. N. Hospitals vom 23.11.2009 habe sich auf die Diagnose einer schweren depressiven Episode bei „Verdacht auf“ PTBS beschränkt, ohne dies mit heimatbezogenen Erlebnissen in Verbindung zu bringen. Eine zielstaatsbezogene Re-Traumatisierung sei daher nicht zu erwarten. Den ärztlichen Attesten lasse sich auch nicht entnehmen, auf welche medikamentöse Behandlung der Kläger derzeit unverzichtbar angewiesen sei, um eine alsbaldige erhebliche Verschlechterung seines Gesundheitszustandes zu vermeiden. Hinsichtlich der psychiatrischen Versorgung sei im Übrigen nach Berichten der WHO in den letzten Jahren eine tendenziell verbesserte Situation festzustellen.

Der Senat hat den Kläger in der mündlichen Verhandlung vom 16.9.2011 zu seinen Asylgründen informatorisch angehört. Wegen des Ergebnisses der Anhörung wird auf die Sitzungsniederschrift Bezug genommen.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts wird auf den Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen Verwaltungsunterlagen der Beklagten und der Ausländerbehörde verwiesen, der ebenso wie die bei Gericht geführte Dokumentation Irak, insbesondere hinsichtlich der in der Anlage zur Sitzungsniederschrift bezeichneten Teile, zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurde.

Entscheidungsgründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Der Bescheid der Beklagten vom 19.4.2007 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).

Dem Kläger steht nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) kein Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG zu. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor.

I.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 3 Abs. 3 AsylVfG.

Die von dem Kläger begehrte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 3 Abs. 3 AsylVfG ist abzulehnen, weil er nicht glaubhaft darlegen konnte, dass er aus begründeter Furcht vor (bereits erlittener oder unmittelbar bevorstehender) politischer Verfolgung aus seinem Heimatland ausgereist ist bzw. dass ihm gegenwärtig eine solche aus den in § 60 Abs. 1 AufenthG genannten Gründen droht. Er ist im Oktober 2005 unverfolgt aus dem Irak ausgereist und muss im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit befürchten, bei einer Rückkehr dorthin relevanten Verfolgungsmaßnahmen im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG ausgesetzt zu sein.

Nach § 60 Abs. 1 AufenthG darf in Anwendung des Abkommens vom 28.6.1951 über die Rechtstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist, wobei eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe nach § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG auch dann vorliegen kann, wenn die Bedrohung an das Geschlecht anknüpft. Eine Verfolgung in diesem Sinne kann nach § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG von dem Staat (lit. a), Parteien und Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebietes beherrschen (lit. b) oder von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern die unter lit. a und b genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, es sei denn, es besteht eine inländische Fluchtalternative (lit. c).

Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 3 Abs. 3 AsylVfG unterliegt im Wesentlichen den gleichen Anforderungen, nach denen auch eine Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16 a Abs. 1 GG erfolgt

hierzu etwa BVerwG, Urteil vom 29.5.2008 - 10 C 11.07 -, BVerwGE 131, 186 ff.; zur Vorgängerregelung des § 51 Abs. 1 AuslG: BVerwG, Urteil vom 18.2.1992 - 9 C 59.91 -, DÖV 1992, 582 f., zur Deckungsgleichheit von Art. 16 a Abs. 1 GG und § 51 Abs. 1 AuslG mit dem Flüchtlingsbegriff der Genfer Konvention: BVerwG, Urteil vom 26.10.1993 - 9 C 50.92 u.a. -, NVwZ 1994, 500 ff.

Auch die Annahme einer relevanten Verfolgungssituation i.S.d. § 60 Abs. 1 AufenthG setzt voraus, dass eine spezifische Zielrichtung vorliegt, d.h. die Verfolgung muss nach ihrer erkennbaren Gerichtetheit an die vorstehend genannten Merkmale anknüpfen. An einer solchen gezielten Rechtsverletzung fehlt es indes regelmäßig bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Herkunftsland zu erleiden hat, etwa infolge von Naturkatastrophen, Arbeitslosigkeit, einer schlechten wirtschaftlichen Lage oder infolge allgemeiner Auswirkungen von Unruhen, Revolutionen und Kriegen

hierzu BVerfG, Beschluss vom 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -, BVerfGE 80, 315 ff.; BVerwG, Urteil vom 5.7.1994 - 9 C 158.94 -, BVerwGE 96, 200 ff.; siehe in diesem Zusammenhang auch Art. 9 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.4.2004 (sog. Qualifikationsrichtlinie - QRL -).

Allerdings geht der Flüchtlingsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG teilweise über den Schutz des Asylgrundrechts nach Art. 16 a GG hinaus. So kann gemäß § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG eine Verfolgung auch durch nichtstaatliche Akteure ein Abschiebungsverbot begründen.

Für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegt, sind zudem gemäß § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG die Bestimmungen der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.4.2004 (sog. Qualifikationsrichtlinie - QRL -) ergänzend anzuwenden, so insbesondere Art. 4 Abs. 4 sowie Art. 7 bis 10.

Die zum Asylgrundrecht nach Art. 16 a GG in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten unterschiedlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe, je nach dem, ob der Ausländer seinen Heimatstaat auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung verlassen hat oder ob er unverfolgt ausgereist ist

vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 2.7.1980 - 1 BvR 147/80 u.a. -, BVerfGE 54, 341, und vom 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -, BVerfGE 80, 315

haben in die Qualifikationsrichtlinie keinen Eingang gefunden. Der sog. herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab der hinreichenden Sicherheit ist insoweit durch die Nachweiserleichterung in Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie ersetzt worden, die sowohl für den Flüchtlingsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG als auch für die weiteren unionsrechtlichen und nationalen Abschiebungsverbote des § 60 AufenthG gilt. Als Prognosemaßstab ist daher allein der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen

vgl. BVerwG, Urteile vom 1.6.2011 - 10 C 10.10 und 10 C 25.10, vom 27.4.2010 - BVerwG 10 C 5.09 - und vom 7.9.2010 - 10 C 11.09 -, siehe auch EuGH, Urteil vom 2.3.2010, Rs. C-175/08 u.a., Abdulla u.a., OVG Münster, Urteil vom 17.8.2010 - 8 A 4063/06.A -, jeweils zitiert nach juris.

Nach Art. 4 Abs. 4 QRL i.V.m. § 60 Abs. 1 Satz 5, Abs. 11 AufenthG ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird.

Die Vorschrift des Art. 4 Abs. 4 QRL begründet mithin für die von ihr begünstigten Antragsteller eine widerlegbare tatsächliche Vermutung dafür, dass sie erneut von einer Verfolgung oder einem sonstigen ernsthaften Schaden bedroht sind. Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadensstiftenden Umstände bei der Rückkehr erneut realisieren werden. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit einer Verfolgung bzw. des Eintritts eines sonstigen ernsthaften Schadens entkräften. Dies ist im Rahmen freier Beweiswürdigung zu beurteilen

vgl. BVerwG, Urteile vom 27.4.2010 - 10 C 5.09 - und vom 7.9.2010 - 10 C 11.09 - m.w.N., zitiert nach juris.

Die bereits erlittener Verfolgung gleichzustellende unmittelbar drohende Verfolgung setzt eine Gefährdung voraus, die sich schon so weit verdichtet hat, dass der Betroffene für seine Person ohne Weiteres mit dem jederzeitigen Verfolgungseintritt aktuell rechnen musste

vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.2009 - 10 C 24.08 - m.w.N., zitiert nach juris.

Aus den in Art. 4 QRL geregelten Mitwirkungs- und Darlegungsobliegenheiten des Schutzsuchenden folgt, dass es auch unter Berücksichtigung der Vorgaben dieser Richtlinie Sache des Ausländers ist, die Gründe für seine Furcht vor politischer Verfolgung schlüssig vorzutragen. Er ist gehalten, unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung politische Verfolgung im genannten Sinne droht. Hierzu gehört, dass der Ausländer zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen.

Das Gericht muss dabei die volle Überzeugung von der Wahrheit des behaupteten individuellen Schicksals und von der Richtigkeit der Prognose drohender politischer Verfolgung gewinnen. Aufgrund der Beweisschwierigkeiten, in denen sich der Schutzsuchende hinsichtlich der asylbegründenden Vorgänge im Heimatland regelmäßig befindet, muss sich das Gericht jedoch mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit begnügen, auch wenn Zweifel nicht völlig ausgeschlossen werden können. Es genügt insoweit in der Regel Glaubhaftmachung, während für Vorgänge innerhalb des Zufluchtlandes - prinzipiell - der volle Nachweis zu fordern ist. Bei erheblichen Widersprüchen oder Steigerungen im Sachvortrag indes kann dem Kläger nur bei einer überzeugenden Auflösung der Unstimmigkeiten geglaubt werden

vgl. BVerwG, Entscheidungen vom 21.7.1989 - 9 B 239.89 -, vom 16.4.1985 - 9 C 109.84 - und vom 29.11.1977 - 1 C 33.71 -, jeweils zitiert nach juris.

Von diesen Maßstäben ausgehend kann der Kläger auch unter Anwendung der Bestimmungen der sog. Qualifikationsrichtlinie die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich einer Abschiebung in den Irak nicht beanspruchen. Das gilt sowohl im Hinblick auf sein Individualschicksal als auch im Hinblick auf die zu verneinende Gruppenverfolgung wegen seiner sunnitischen Religionszugehörigkeit und kurdischen Volkszugehörigkeit.

Der Kläger ist im Oktober 2005 unverfolgt ausgereist.

Zu seinem Individualschicksal hat er bekundet, er habe sich niemals selbst politisch betätigt und vor seiner Ausreise auch keinerlei Probleme mit irakischen hoheitlichen Stellen gehabt. Als verfolgungsbegründend führt er allein einen kurz vor seiner Ausreise im Oktober 2005 angeblich erfolgten Überfall an, bei dem sein Vater durch dem Kläger unbekannte Täter getötet und seine Schwester verletzt worden sein soll. Bezüglich der Urheberschaft des Vorfalls und der dafür maßgeblichen Motivation hat er die Vermutung geäußert, er gehe entweder auf die frühere Mitgliedschaft seines Vaters in der Baath-Partei oder auf einen Racheakt von Familienmitgliedern seiner Mutter, die sein Vater seinerzeit gegen den Willen der Eltern geehelicht habe, zurück.

Aus diesem Vortrag kann auf eine den Anforderungen des § 60 Abs. 1 AufenthG entsprechende staatliche oder nichtstaatliche Individualverfolgung des Klägers vor seiner Ausreise nicht geschlossen werden.

Dies gilt selbst dann, wenn ungeachtet der bestehenden erheblichen Zweifel an der Glaubhaftigkeit seines Vorbringens insgesamt in diesem Punkt zu seinen Gunsten unterstellt wird, dass der Vorfall selbst mit den beschriebenen Folgen tatsächlich stattgefunden hat, was angesichts der allgemeinen Lage im Irak durchaus im Bereich des Möglichen erscheint, ebenso wie eine Unaufklärbarkeit von Hintergründen und Motiven

vgl. hierzu Urteil des Senats vom 1.6.2011 – 3 A 429/08 – dokumentiert bei juris.

Im Grundsatz geht der Senat, wie bereits das Verwaltungsgericht, von einer weitgehend konstruierten Verfolgungsgeschichte aus. Hierzu wird zunächst auf die eingehenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu unterschiedlichen Varianten und Widersprüchen im Vortrag des Klägers Bezug genommen.

Nur beispielhaft sei an dieser Stelle darauf verwiesen, dass er auch widersprüchliche Angaben bezüglich der Finanzierung seiner Ausreise – in einer Variante durch seine Mutter, in einer andern durch seine Mutter und eine Tante und zuletzt durch seinen Großvater väterlicherseits – gemacht hat, ebenso bezüglich der Finanzierung seiner Bahnfahrt nach Belgien, und dass er zudem vor dem Bundesamt angegeben hatte, er habe wegen eines Augenleidens nur 1 ½ Monate die Schule besuchen können und sei als Schafhirte tätig gewesen, während er vor dem Senat nicht nur erklärte, er könne (sogar) die deutsche Sprache lesen und auch schreiben, sondern auch, er sei von Beruf Installateur für Heizung und Sanitär, wenn auch mit der Einschränkung, dass er keine Ausbildung habe, die für Deutschland gültig sei.

Denn ungeachtet dessen enthält der Vortrag des Klägers zu dem zu seinem Gunsten als glaubhaft unterstellen Vorfall der Tötung seines Vaters und Verletzung seiner Schwester zum einen keinerlei konkrete Anhaltspunkte, welche geeignet sind, die eine oder die andere von ihm geäußerte Vermutung zu Urheberschaft und Motivation zu stützen, und zum anderen erscheinen beide Vermutungen auch nicht plausibel im Hinblick auf eine eigene Verfolgungsgefahr für den Kläger.

Soweit der Kläger die Mutmaßung eines Racheakts von Familienmitgliedern seiner Mutter angestellt hat, erscheint schon der Ausgangspunkt dieser Überlegung nicht plausibel. Es erscheint nicht nachvollziehbar, dass nach einer Zeitspanne von 30 Jahre, nachdem der Vater des Klägers dessen Mutter gegen den Willen der Familie „entführt“ haben soll, und insbesondere, nachdem zwischenzeitlich sogar eine Versöhnung mit dem Vater seiner Mutter, d.h. dem Oberhaupt der mütterlichen Verwandtschaft erfolgt sein soll, Angehörige seiner Mutter an seinem Vater Rache genommen und ihn getötet haben sollen. Hätten derartige Nachstellungen, insbesondere seitens des angeblich ebenfalls heiratswilligen Cousins der Mutter gedroht, so wären sie zeitnah zu erwarten gewesen. Die weitere Frage der Beachtlichkeit einer derartigen Bedrohung im Rahmen des § 60 Abs. 1 AufenthG bedarf mit Rücksicht hierauf keiner Erörterung.

Soweit der Kläger die Mutmaßung eines Racheakts wegen der Mitgliedschaft bzw. Mitarbeit seines Vaters in der Baath-Partei angestellt hat, vermag auch dies nicht zur Annahme einer Individualverfolgung des Klägers im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG zu führen. Zum einen waren zum damaligen Zeitpunkt von derartigen Anschlägen allenfalls hochrangige Funktionäre der Baath-Partei betroffen, die persönlich Verbrechen oder Grausamkeiten verübt hatten, nicht aber sonstige Parteimitglieder, und zum anderen waren selbst in diesen Sonderfällen nur die betreffenden Parteifunktionäre selbst, nicht aber deren Familienangehörige gefährdet

hierzu etwa Schweizerische Flüchtlingshilfe - SFH - vom 27.1.2006, Zur Gefährdung von ehemaligen Mitgliedern der Baath-Partei; Deutsches Orient-Institut - DOI - an VG München vom 1.9.2006 (2112 al/br.) zu Az. M 9 K 05.50273; EZKS, Stellungnahmen an VG Köln vom 17.12.2004 im Falle des Sohnes eines Einsatzleiters einer Sonderstreife in Mossul, der mit dem Geheimdienst zusammengearbeitet hatte, sowie Urteil des Senats vom 1.6.2011 – 3 A 429/08 – dokumentiert bei juris.

Eine nach dem von ihm geschilderten Angriff unmittelbar bevorstehende Gefahr entsprechender Verfolgung (auch) des Klägers ist daher zu verneinen.

Der Kläger war zum Zeitpunkt seiner Ausreise auch nicht mit Rücksicht auf seine kurdische Volkszugehörigkeit und sunnitische Religionszugehörigkeit vorverfolgt. Eine an diese Merkmale anknüpfende Gruppenverfolgung im Irak war und ist zu verneinen

vgl. hierzu bereits Urteile des Senats vom 29.9.2006 - 3 R 6/06 -und vom 1.6.2011 - 3 A 429/08 - dokumentiert bei juris, letzteres betreffend einen sunnitischen Kurden aus Mossul.

Dabei ist im Einzelnen von Folgendem auszugehen: Die Gefahr einer Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG kann sich nicht nur aus gegen den Betroffenen selbst gerichteten Maßnahmen (anlassgeprägte Einzelverfolgung), sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen ergeben, wenn diese Dritten wegen eines relevanten Merkmals verfolgt werden, das der Asylbewerber mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (sog. Gruppenverfolgung)

hierzu etwa BVerfG, Beschluss vom 23.1.1991 - 2 BvR 902/85 u.a. -, BVerfGE 83, 216 ff.

Die Annahme einer Gruppenverfolgung setzt dabei zunächst voraus, dass die festgestellten Maßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an das die verfolgte Gruppe kennzeichnende relevante Merkmal treffen. In Betracht kommt eine unmittelbare Anknüpfung an das die Verfolgung begründende Gruppenmerkmal - etwa die Volks- oder Religionszugehörigkeit - aber auch eine Verfolgung, der dieses Merkmal mittelbar zugrunde liegt.

Die Annahme einer Gruppenverfolgung setzt ferner eine bestimmte Verfolgungsdichte voraus. Der Feststellung dicht und eng gestreuter Verfolgungsschläge bedarf es allerdings dann nicht, wenn hinreichend sichere Anhaltspunkte für ein staatliches Verfolgungsprogramm bestehen, dessen Umsetzung bereits eingeleitet ist oder alsbald bevorsteht

hierzu BVerwG, Entscheidungen vom 2.2.2010 - 10 B 18.09 -, vom 18.7.2006 - 1 C 15.05 - und vom 5.7.1994 - 9 C 158.94 -, jeweils zitiert nach juris,

was vorliegend jedoch nicht der Fall ist.

Für die Feststellung der sonst erforderlichen Verfolgungsdichte ist eine so große Vielzahl von Eingriffshandlungen in nach § 60 Abs. 1 AufenthG geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne Weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht

hierzu etwa BVerwG, Entscheidungen vom 2.2.2010 - 10 B 18.09 - und vom 21.4.2009 - 10 C 11.08 -, jeweils zitiert nach juris.

Für die Beurteilung, ob die Verfolgungsdichte die Annahme einer Gruppenverfolgung rechtfertigt, müssen Intensität und Anzahl aller Verfolgungshandlungen zur Größe der Gruppe in Beziehung gesetzt werden. Allein die Feststellung „zahlreicher“ oder „häufiger“ Eingriffe reicht nicht aus. Denn eine bestimmte Anzahl von Eingriffen, die sich für eine kleine Gruppe von Verfolgten möglicherweise bereits als bedrohlich erweist, kann bei einer großen Gruppe vergleichsweise geringfügig erscheinen, weil sie in Bezug auf die Zahl der Gruppenmitglieder nicht ins Gewicht fällt und sich deshalb nicht als Bedrohung der Gruppe darstellt.

Bei der Prüfung einer Gruppenverfolgung sind die zahlenmäßigen Grundlagen der gebotenen Relationsbetrachtung zur Verfolgungsdichte nicht mit quasi naturwissenschaftlicher Genauigkeit festzustellen, sondern es genügt, die ungefähre Größenordnung der Verfolgungsschläge zu ermitteln und sie in Beziehung zur Gesamtgruppe der von Verfolgung Betroffenen zu setzen. Dabei darf bei unübersichtlicher Tatsachenlage und nur bruchstückhaften Informationen aus einem Krisengebiet auch aus einer Vielzahl vorliegender Einzelinformationen eine zusammenfassende Bewertung des ungefähren Umfangs der asylerheblichen Verfolgungsschläge und der Größe der verfolgten Gruppe erfolgen. Auch für die Annahme einer erheblichen Dunkelziffer nicht bekannter Übergriffe müssen die gerichtlichen Feststellungen zur Größenordnung der Gesamtheit der Anschläge aber in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise begründet werden.

Einen Verzicht auf die Quantifizierung der Verfolgungsschläge hat das Bundesverwaltungsgericht nur bei besonders kleinen Gruppen zugelassen, bei denen auch die Feststellung reichen kann, derartige Übergriffe seien „an der Tagesordnung“

hierzu etwa BVerwG, Entscheidungen vom 21.2.2009, a.a.O. und vom 23.12.2002 - 1 B 42.02 -, zu syrisch-orthodoxen Christen in Tur Abdin, zitiert nach juris.

Bei der erforderlichen wertenden Gesamtschau der Verfolgungssituation sind nur asylrechtlich beachtliche, an die Merkmale in § 60 Abs. 1 S. 1 AufenthG anknüpfende Maßnahmen zu berücksichtigen

BVerwG, Urteil vom 21.4.2009 - 10 C 11.08 -, zitiert nach juris.

Nicht einzubeziehen sind hingegen rein kriminelle Verbrechen und ungezielte terroristische Anschläge, die allein die Destabilisierung der Lage bezwecken.

Eine nach diesen Maßstäben anzunehmende Gruppenverfolgung sunnitischer Religionszugehöriger und kurdischer Volkszugehöriger im Irak i.S.d. § 60 Abs. 1 AufenthG in Verbindung mit den europarechtlichen Bestimmungen der sog. Qualifikationsrichtlinie kann – auch für den Zeitpunkt der Ausreise des Klägers - weder landesweit noch bezogen auf das Herkunftsgebiet des Klägers angenommen werden.

Es fehlt bei einer relativierenden Betrachtung der Anzahl der Opfer von Verfolgungsschlägen und des jeweiligen Anteils der sunnitischen und kurdischen Bevölkerungsgruppe an einer hinreichenden Verfolgungsdichte. Dies hat der Senat zuletzt mit Urteil vom 1.6.2011

3 A 429/08 – dokumentiert bei juris

unter Verwertung zahlreicher Erkenntnisquellen festgestellt. Wegen der Einzelheiten wird hierauf Bezug genommen.

Auch individuell gefahrerhöhende Umstände sind im Falle des Klägers nicht erkennbar.

Ist der Kläger demnach unverfolgt aus seinem Heimatland ausgereist, kommt ihm für die Beurteilung der Frage, ob er im Falle seiner Rückkehr eine Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG zu befürchten hat, die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 QRL nicht zugute und ist hierfür der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anzuwenden.

Nach diesem Maßstab ist eine Verfolgung im Sinne der genannten Bestimmung im Falle seiner Rückkehr nicht zu prognostizieren.

Dies gilt sowohl mit Blick auf die von ihm geltend gemachte individuelle Verfolgungsgefahr wegen der Mitgliedschaft bzw. Mitarbeit seines Vaters in der Baath-Partei als auch mit Blick auf die ihm angeblich drohende Gefahr für Leib und Leben wegen Verletzung der Familienehre durch seinen Vater als auch im Hinblick auf seine sunnitische Religionszugehörigkeit und kurdische Volkszugehörigkeit.

Die dem Senat vorliegenden Erkenntnisse lassen – wie für die Zeit vor seiner Ausreise – auch für die Zeit nach seiner Ausreise bis heute den Schluss auf eine entsprechende Gefährdung des Klägers im Rückkehrfall nicht zu

vgl. Urteil des Senats vom 1.6.2011 - 3 A 429/08 -, dokumentiert bei juris.

Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgetragen hat, sein Problem sei ein Stammesproblem gewesen, womit er die Entführung seiner Mutter vor 30 Jahren meine, und daraus sei ein politisches Problem geworden, weil sein Vater bei der Baath-Partei mitgearbeitet habe, um über die politische Tätigkeit Schutz wegen der aus der Entführung resultierenden Gefährdung zu erlangen, rechtfertigt dies ebenso wenig eine andere Einschätzung, wie der Vortrag, er habe nach seiner Einreise in die Bundesrepublik im Jahre 2005 in B-Stadt einen Freund seines Vaters getroffen, der ihm gesagt habe, er habe seine Feinde hier gesehen, deshalb solle er besser in ein anderes Land gehen. Weder hält der Senat das Vorbringen bezüglich des Freundes seines Vaters für glaubhaft, noch eine Bedrohung des Klägers durch „seine Feinde“ selbst in der Bundesrepublik. Was insbesondere die angebliche Information „eines Freundes seines Vaters“ im Jahre 2005 in B-Stadt anbelangt, hat der Kläger – jeweils im Zusammenhang mit seiner Weiterreise von B-Stadt nach Belgien - noch bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt erklärt, als er in B-Stadt angekommen sei, habe er Kurden getroffen, die gesagt hätten, dass es hier nicht so gut sei und dass man kein Asylrecht bekommen würde, woraufhin er B-Stadt wieder verlassen habe. Demgegenüber hat er bei seiner Anhörung vor dem Verwaltungsgericht erklärt, er habe in B-Stadt von einer Person, die früher mit seinem Vater zusammengearbeitet habe, gehört, dass er von den Familienangehörigen seiner Mutter gesucht werde. Vor dem Senat hat er nunmehr die oben genannte weitere Abwandlung hinzugefügt. Ergänzend wird auf die oben bereits dargelegten Bedenken gegen die Glaubhaftigkeit seines Vorbringens insgesamt hingewiesen.

Nach allem lässt sich dem Vortrag des Klägers nicht entnehmen, dass im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland die Gefahr einer Individualverfolgung des Klägers im Sinne des § 60 Abs.1 AufenthG mit dem erforderlichen Wahrscheinlichkeitsgrad der beachtlichen Wahrscheinlichkeit gegeben ist.

Auch eine Gruppenverfolgung des Klägers wegen dessen sunnitischer Religions- und kurdischer Volkszugehörigkeit ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt – ebenso wie für den Zeitpunkt seiner Ausreise bereits dargelegt - zu verneinen.

Zwar ist nach den vorliegenden Erkenntnissen von einer immer noch instabilen Sicherheitslage auszugehen, jedoch ist gegenüber früheren Jahren eine fortschreitende Stabilisierung zu verzeichnen. Die vorliegenden Erkenntnisse weisen insgesamt in eine positive Richtung. Insbesondere hat die interkonfessionelle Gewalt (zwischen Sunniten und Schiiten) seit dem energischen Durchgreifen der irakischen Regierung gegen Milizen seit dem Frühjahr 2008 in einem relevanten Maß nachgelassen

hierzu etwa BAMF, Dokumentation Irak, Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte, Januar 2010; BAMF, Briefing Notes vom 27.12.2010; Schweizerischen Flüchtlingshilfe (im Folgenden SFH) Irak: Die aktuelle Entwicklung im Zentral- und Südirak - Update vom 5.11.2009 -; UNHCR, Positionspapier zum Schutzbedarf irakischer Asylbewerber und zu den Möglichkeiten der Rückkehr irakischer Staatsangehöriger in Sicherheit und Würde vom 13.5.2009 und Stellungnahme vom 16.9.2009 an den Hessischen VGH; ai-Report 2010, Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; EZKS, Stellungnahme an VG München vom 20.1.2009 zu Az. M 4 K 08.50041 u.a..

Auf die diesbezüglichen Darlegungen im Urteil des Senats vom 1.6.2011

- 3 A 429/08 -, dokumentiert bei juris,

wird vollinhaltlich Bezug genommen.

Auf der Grundlage dieser Feststellungen sind die im Irak sowie in der Heimatstadt bzw. der Heimatregion des Klägers zu verzeichnenden Anschläge, deren Hintergründe und Zuordnung zu bestimmten Gruppierungen oder Stellen nach der Erkenntnislage im Einzelnen kaum bzw. schwer zu klären sind, zwar häufig als Akte willkürlicher Gewalt zu bewerten. Indes lassen sich auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt weder bezogen auf die Gruppe sunnitischer Religionszugehöriger die für die Annahme einer Gruppenverfolgung im Rahmen des § 60 Abs. 1 AufenthG erforderliche Verfolgungsdichte, noch bezogen auf die Person des Klägers besondere gefahrerhöhende Umstände feststellen.

Den Lageberichten Irak des Auswärtigen Amtes

vom 28.11.2010 vom 11.4.2010,

zufolge wird die Gesamtbevölkerung Iraks auf etwa 32,3 Mio. Menschen geschätzt. Hiervon machen die Schiiten, die vorwiegend den Südosten bzw. Süden des Landes bewohnen, einen Anteil von 60 bis 65 %, (arabische) Sunniten, die mit Schwerpunkt im Zentral- und Westirak leben, einen Anteil von 17 bis 22 % und die vor allem im Norden lebenden Kurden einen Anteil von ca. 15 bis 20 % aus.

In Relation zu diesen Größenordnungen wird die Zahl der dokumentierten Todesfälle den Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts an die erforderliche Intensität der Verfolgungsdichte offenkundig nicht gerecht. Selbst unter Berücksichtigung der fehlenden Einbeziehung von (Schwer)Verletzten, Traumatisierten und im Sinne des Art. 9 QRL Geschädigten in die vorliegenden Statistiken sowie der Unterstellung einer nachvollziehbaren erheblichen Dunkelziffer und Addition verschiedener Schädigungsformen ist eine in diesem Sinne beachtliche Verfolgungsdichte nicht feststellbar.

Hinsichtlich der Einschätzung der landesweiten Verfolgungsdichte, die im Jahr 2010 auf den bislang tiefsten Stand seit 2003 mit 4028 Opfern gefallen ist,

hierzu etwa BAMF, Irak - Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte, Januar 2010; Bundesasylamt (Österreich), Bericht Irak, Die Sicherheitslage in Bagdad vom 26.1.2011

kann im Einzelnen auf die Urteile des Senats vom 1.6.2011

- 3 A 429/08 - und - 3 A 451/08 - , dokumentiert bei juris

verwiesen werden.

Etwas anderes gilt auch nicht mit Blick auf die Herkunftsregion des Klägers, die Region Tamim (Kirkuk). Dort gab es im Jahr 2008 je 100.000 Einwohner 29 Tote (je festgestellter Vorfall 3 Tote) und im Jahr 2009 je 100.000 Einwohner 31,9 Tote (288 Tote bei 99 Vorfällen, d.h. 2,9 Tote je Vorfall). Im Jahr 2010 gab es in der Provinz bei 77 Vorfällen 91 Tote, das sind 10,1 Tote je 100.000 Einwohner und je 1,2 Tote je Vorfall.

Bezüglich des Geburtsorts des Klägers, Erbil (Sitz der Regierung der Autonomen Region Irakisch-Kurdistan), sind die Zahlen noch geringer. So gab es im Jahr 2008 in der ersten Jahreshälfte 7 Tote und 4 Vorfälle, im zweiten Halbjahr wurde kein Vorfall bekannt. Somit waren dort 0,5 – 0,4 Tote je 100.000 Einwohner (1,75 je dokumentierter Vorfall) zu verzeichnen. Im Jahr 2009 waren bei 28 Vorfällen 31 Tote zu beklagen (2,2 Tote je 100.000 Einwohner und 1,1 Toter pro Vorfall). Diese Zahl sank im Jahr 2010 auf 0,4 Tote je 100.000 Einwohner (6 Tote bei 2 Vorfällen).

vgl. BAMF, Irak - Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte, Januar 2010.

Die (Gesamt-)Opferzahlen bis Mai 2011 belaufen sich, soweit bislang bekannt, auf mindestens 1033 Tote, davon waren 65 Tote in der Herkunftsprovinz Tamim (Kirkuk) des Klägers, d.h. 7,2 Tote je 100.000 Einwohner und 1,6 Tote je dokumentiertem Vorfall und in der Provinz seines Geburtsorts Erbil 4 Tote zu beklagen, d.h. 0,3 Tote je 100.000 Einwohner, 2 Tote pro Vorfall

vgl. hierzu BAMF, Irak - Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte von Juni 2011.

Die meisten Toten und Verletzten gab es bis zu diesem Zeitpunkt im Januar/Februar 2011 bei Anschlägen auf schiitische Pilger in der Nähe von Kerbala (mindestens 45 Tote und 150 Verletzte) und Samarra (50 Tote, 80 Verletzte)

hierzu BAMF, Briefing Notes vom 7.3.2011, FR und taz vom 21.1.2011, FAZ vom 21. und 25.1.2011, NZZ vom 28.1.2011 und FR vom 14.2.2011, SZ vom 14.2.2011; zu den bisherigen Gesamtopferzahlen ferner BAMF, Briefing Notes vom 17.1.2011, vom 14.3.2011, vom 4.4.2011, vom 11.4.2011, NZZ vom 12.4.2011, FAZ vom 13.4.2011, NZZ vom 18. und 19.4.2011, FAZ vom 30.4. und 6.5.2011.

In der darauffolgenden Zeit war der Juni mit 271 Todesopfern, davon 155 Zivilisten, 77 Polizisten und 39 Soldaten der Monat mit dem meisten Todesopfern im Jahr 2011, dazu waren 454 Verletzte zu verzeichnen

hierzu BAMF, Briefing Notes vom 4.7.2011.

Im Juli 2011 kam es bei einem Angriff in dem überwiegend von Sunniten besiedelten Taji zu 35 Toten und 28 Verletzten, anderen Quellen nach zu noch weiteren 58 Verletzten

vgl. hierzu BAMF, Briefing Notes vom 11.7.2011.

Angesichts dieser Opferzahlen in Relation zur Gesamtbevölkerungszahl ist eine Gefährdungslage für den Kläger in dem Sinne, dass er als Angehöriger der Gruppe der (kurdischen) Sunniten mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit aktuell Gefahr liefe, im Rückkehrfall allein wegen seiner gruppenspezifischen Merkmale einer Verfolgung i. S. d. § 60 Abs. 1 AufenthG durch staatliche oder nichtstaatliche Akteure ausgesetzt zu sein, klar zu verneinen.

Aufgrund der kontinuierlich rückläufigen Tendenz solcher Vorfälle und Übergriffe in den vergangenen Jahren, insbesondere ab 2008, ist auch für die absehbare Zukunft eine Gruppenverfolgung von Sunniten im Irak nicht zu prognostizieren. Dies belegen auch die Opferzahlen für 2011.

Ausgehend von den vorstehend dargestellten Opferzahlen kann schließlich auch im Hinblick auf die Zugehörigkeit des Klägers zur Volksgruppe der Kurden, die ca. 15-20 % der Gesamtbevölkerung ausmacht,

vgl. Lagebericht Irak des Auswärtigen Amtes vom 28.11.2010

eine ihm mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit landesweit drohende gruppenspezifische Verfolgung nicht angenommen werden.

Darüber hinaus wäre für den in Erbil/Nordirak geborenen Kläger die Möglichkeit einer zumutbaren Aufenthaltsnahme im Nordirak gegeben, aus dem seine Familie stammt. Dies gilt sowohl unter den vorgetragenen Aspekten der Zugehörigkeit zu einer ehemals baathistisch ausgerichteten Familie als auch der sunnitischen Religionszugehörigkeit und kurdischen Volkszugehörigkeit.

Eine Pro-baathistische Betätigung löst nach Einschätzung von EZKS

- H. Siamend - vom 22.3.2007 an VG Magdeburg zu Az. 4 A 190/04 MD und vom 24.11.2007 an VG Karlsruhe zu Az. A 3 K 10823/05

die Gefahr von Sanktionen etwa der KDP und der PUK im - kurdisch dominierten - Nordirak nur dann aus, wenn sich die betreffende Person im Zuge ihrer Betätigung für die Baath-Partei besonderer Grausamkeiten schuldig gemacht hat oder in hohen Positionen befindlichen KDP- bzw. PUK-Politikern oder deren Verwandten geschadet hat.

Derartiges steht bei dem Kläger nicht im Raum.

Eine dem Kläger mit Blick auf seine sunnitische Religionszugehörigkeit und kurdische Volkszugehörigkeit drohende, im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG relevante Gefährdung ist daher nicht anzunehmen.

Dieses Ergebnis steht im Einklang mit der Rechtsprechung anderer Obergerichte, die ebenfalls eine Gruppenverfolgung von Sunniten und Kurden im Irak verneinen

vgl. etwa OVG Münster, Urteil vom 29.10.2009, a.a.O., VGH Mannheim, Urteil vom 25.3.2010 - A 2 S 364/09 - und Beschluss vom 12.8.2010 - A 2 S 1134/10; VGH München, Beschlüsse vom 14.7.2011 - 20 B 10.30316 - und vom 5.7.2011 - 20 B 10.30312 -, jeweils im Falle eines sunnitischen Kurden aus der Region Tamim/Kirkuk sowie Urteil vom 21.1.2010 - 13a B 08.30285 - im Falle eines kurdischen Volkszugehörigen sunnitischer Religionszugehörigkeit aus Mossul, jeweils zitiert nach juris.

Ein Anspruch des Klägers auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG ist daher sowohl mangels individueller als auch mangels gruppenbezogener Verfolgung zu verneinen.

II.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die hilfsweise begehrte Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG

zur Prüfungsfolge von unionsrechtlichem und nationalem Abschiebungsschutz etwa BVerwG, Urteil vom 29.6.2010 - 10 C 10.09 -, zitiert nach juris.

Konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 (konkrete Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung) und nach § 60 Abs. 3 AufenthG (Gefahr der Todesstrafe aufgrund einer von dem Schutzsuchenden begangenen Straftat) sind weder vom Kläger vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Auch die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG liegen im Falle des Klägers nicht vor.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist.

Die von dem Kläger in seiner Berufungsbegründung angesprochenen Zweifelsfragen zur Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG und des Art. 15 lit. c QRL, insbesondere des Verständnisses des von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG verwendeten Begriffs der „erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben“ sowie des Begriffs der „ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit“ im Sinne des Art. 15 lit. c der Richtlinie 2004/83/EG - QRL - sind durch die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts

vom 24.6.2008 - 10 C 43.07 -, BVerwGE 131, 198 und vom 14.7.2009 - 10 C 9.08 -, juris,

sowie durch Urteil des Europäischen Gerichtshofs

vom 17.2.2009 - C-465/07 -, EuGRZ 2009, 111

hinreichend geklärt. Die Frage, ob § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des subsidiären Schutzes nach Art. 15 lit. c der Richtlinie eine Sperrwirkung entfaltet, ist durch das o.g. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.6.2008 ebenfalls geklärt.

Nach dem vorgenannten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.7.2009, a.a.O., kann sich eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib und Leben im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, die zugleich die entsprechenden Voraussetzungen des Art. 15 lit. c der Richtlinie 2004/83/EG erfüllt, auch aus einer allgemeinen Gefahr für eine Vielzahl von Zivilpersonen im Rahmen eines innerstaatlichen oder internationalen bewaffneten Konflikts ergeben, wenn sich die Gefahr in der Person des Ausländers verdichtet. Eine derartige Individualisierung der allgemeinen Gefahr kann sich aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Ausländers ergeben. Sie kann aber unabhängig davon ausnahmsweise auch bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre.

Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist dabei unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen. Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie u.a. für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind, und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 lit. c QRL nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wofür Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe typische Beispiele sind. Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt muss sich dabei nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken

vgl. BVerwG, Urteil vom 24.6.2008 - 10 C 43.07 -, a.a.O..

Besteht ein bewaffneter Konflikt mit der beschriebenen Gefahrendichte nicht landesweit, kommt eine individuelle Bedrohung allerdings in der Regel nur in Betracht, wenn der Konflikt sich auf die Herkunftsregion des Antragstellers erstreckt, in die er typischerweise zurückkehren wird, den „tatsächlichen Zielort“ des Ausländers bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat

vgl. EuGH, Urteil vom 17.2.2009, a.a.O..

Auf einen bewaffneten Konflikt außerhalb der Herkunftsregion des Ausländers kann es nur ausnahmsweise ankommen. Nach Art. 2 lit. e QRL muss der Ausländer bei einem regional begrenzten Konflikt außerhalb seiner Herkunftsregion stichhaltige Gründe dafür vorbringen, dass für ihn eine Rückkehr in seine Herkunftsregion ausscheidet und nur eine Rückkehr gerade in die Gefahrenzone in Betracht kommt.

Gemessen an diesen Maßstäben kann für den Kläger keine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten innerstaatlichen oder internationalen Konflikts im Irak bzw. in dessen Teilen festgestellt werden. Nach dem auch hier anzuwendenden Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit sind die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG vielmehr zu verneinen.

Ob die aktuelle allgemeine Lage im Irak und insbesondere in Bashir, der Herkunftsstadt des Klägers in der Region Tamim (Kirkuk), oder etwa in Erbil, seinem Geburtsort, bereits die Annahme eines landesweiten oder auch nur regionalen innerstaatlichen oder internationalen bewaffneten Konflikts im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG rechtfertigen könnte, kann vorliegend offenbleiben

ebenso offen gelassen zum Vorliegen eines landesweiten Konflikts im Irak etwa: VGH München, Urteil vom 24.3.2011 - 20 B 10.30021 -, OVG Münster, Urteil vom 29.10.2010 - 9 A 3642/06.A - und VGH Mannheim, Urteil vom 12.8.2010 - A 2 S 1134/10 - und auch OVG Lüneburg, Urteil vom 13.4.2011 - 13 LB 66/07 – sowie Urteil des Senats vom 1.6.2011 - 3 A 429/08 -, dokumentiert bei juris.

Denn jedenfalls fehlt es an der geforderten erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben des Klägers als Angehöriger der Zivilbevölkerung.

Auf die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 QRL kann sich der Kläger nicht berufen. Er ist nicht vorverfolgt ausgereist. Dies gilt sowohl mit Blick auf seine sunnitische Glaubenszugehörigkeit und kurdische Volkszugehörigkeit als auch hinsichtlich der geltend gemachten Betätigung seines Vaters in der Baath-Partei. Insoweit kann vollumfänglich auf die diesbezüglichen Ausführungen im Rahmen des § 60 Abs. 1 AufenthG verwiesen werden.

Darüber hinaus ist auch der erforderliche Zusammenhang zwischen der geltend gemachten (Vor-)Verfolgung und dem künftigen befürchteten Schaden sowie mit dem Zweck des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, den Schutz des Betroffenen vor Gefahren im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts sicherzustellen, nicht erkennbar.

Die von der bereits dargestellten, immer noch instabilen Sicherheitslage im Irak ausgehende Gefährdung betrifft neben Angehörigen spezieller Personengruppen, so insbesondere von Regierungs-, Streit- und Sicherheitskräften, eine Vielzahl von Zivilpersonen ohne eindeutige Zuordnung und stellt damit eine Gefahr dar, der letztlich die Bevölkerung im Irak allgemein ausgesetzt ist.

Jedoch kann die für die Schutzgewährung nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG erforderliche erhebliche individuelle Gefahr – wie dargelegt - erst dann bejaht werden, wenn sich allgemeine Gefahren eines Konflikts mit der Folge einer ernsthaften individuellen bzw. persönlichen Betroffenheit aller Bewohner der maßgeblichen Region verdichten oder sich für den Einzelnen durch individuelle gefahrerhöhende Umstände zuspitzen. Solche individuellen gefahrenerhöhenden Umstände können sich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch aus einer Gruppenzugehörigkeit ergeben. Dies setzt aber eine solche Gefahrendichte voraus, dass ein in sein Heimatland zurückkehrender Ausländer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit befürchten muss, gezielt (oder auch zufällig) selbst Opfer eines Terroranschlages zu werden oder infolge stattfindender Kampfhandlungen am Leben oder seiner körperlichen Unversehrtheit beschädigt zu werden

vgl. BVerwG, Urteil vom 24.6.2008 - 10 C 43.07 -, a.a.O.; OVG Münster, Urteil vom 29.10.2010, a.a.O..

Dies kann vorliegend nach den vorstehenden Darlegungen nicht angenommen werden.

Zur allgemeinen Gefahrendichte insbesondere für die Jahre 2010 und 2011 kann im Einzelnen auf die Ausführungen in den Urteilen des Senats vom 1.6.2011

- 3 A 429/08 - und 3 A 451/08 - , jeweils dokumentiert bei juris

verwiesen werden.

Zwar gehört die Herkunftsregion des Klägers, die Region Tamim (Kirkuk) zu den instabilsten Gebieten im Irak. Jedoch sind - wie im Einzelnen im Rahmen der Prüfung einer Gruppenverfolgung i.S.d. § 60 Abs. 1 AufenthG dargelegt - insbesondere seit dem Jahr 2010 bis heute beständig rückläufige Opferzahlen zu verzeichnen.

Daher könnte selbst bei Annahme eines innerstaatlichen Konflikts in der Herkunftsregion Tamim (Kirkuk) nicht davon ausgegangen werden, dass der diesen Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht hat, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dieser Region einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre.

Die sunnitische Religions- und kurdische Volkszugehörigkeit des Klägers wirkt sich bezogen auf die nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vorrangig in den Blick zu nehmende Herkunftsregion des Klägers ebenfalls nicht gefahrerhöhend aus. Die Sicherheit der Gruppe der Heimkehrer hängt nach den Feststellungen des Auswärtigen Amtes

vgl. Lageberichte vom 28.11.2010 und vom 11.4.2010

im Wesentlichen davon ab, ob die Ethnie bzw. Glaubensgemeinschaft, welcher sie angehören, in der betreffenden Region die Mehrheit bildet. Da Kurden mit 40 % und Sunniten mit 20% in Kirkuk/Tamim, einem ethnischen Mischgebiet, eine Hauptbevölkerungsgruppe darstellen

vgl. BAMF, Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte, von Juni 2011 und von Januar 2010

kann bezüglich des Klägers nicht mit dem erforderlichen Wahrscheinlichkeitsgrad eine Gefährdung wegen seiner Zugehörigkeit zu einer religiösen und/oder ethnischen Minderheit angenommen werden

zur Verfolgungs- und Gefährdungssituation i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG vgl. etwa etwa OVG Lüneburg, Urteil vom 13.4.2011 - 13 LB 66/07 - im Falle eines aus der Provinz Dohuk stammenden Kurden; VGH Mannheim, Urteil vom 25.3.2010 - A 2 S 364/09 - (implizit) im Falle eines Kurden aus Kirkuk.

Gleiches gilt, wenn man eine Rückkehr des Klägers in seine Stammregion, die Provinz Erbil, in der 95 % Kurden leben, zugrunde legt. Dort sind noch weit geringere Zahlen als für den Bereich Tamim/Kirkuk festzustellen.

Es liegen bei dem Kläger auch keine weiteren individuellen gefahrerhöhenden Umstände vor. Er gehört insbesondere keiner der in den o.g. Lageberichten des Auswärtigen Amtes und weiteren Erkenntnisquellen bezeichneten gefährdeten speziellen Personengruppen an.

Dass die angebliche frühere Mitgliedschaft des Vaters des Klägers in der Baath-Partei keinen gefahrerhöhenden Umstand darstellt, wurde bereits dargelegt.

Nach allem liegt ein Abschiebungsverbot i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nicht vor.

III.

Auch nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind nicht gegeben.

Anhaltspunkte dafür, dass eine Abschiebung des Klägers nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. der Konvention vom 4.11.1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten unzulässig ist, sind nicht ersichtlich.

Dem Kläger drohen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit auch keine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Nach dieser Regelung soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Vorschrift gewährt Schutz bei Gefahren, die nicht bereits vom Regelungsbereich der vorangegangenen Absätze erfasst werden. Sie betrifft nur solche Gefahren, die sich aus der Unzumutbarkeit des Aufenthalts im Zielland für diesen Ausländer herleiten und ausschließlich dort drohen (zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote). Unerheblich ist, ob die Gefahren von staatlichen oder nichtstaatlichen Akteuren ausgehen oder wodurch sie hervorgerufen werden. Zu unterscheiden ist dabei die erhebliche konkrete Gefahr, die den Ausländer aus individuellen Gründen betrifft und die Gefahr, die - wenn auch in individualisierbarer Weise - aus allgemeinen Gefahren herrührt. Der Ausdruck „erheblich“ bezieht sich dabei auf die Gefährdungsintensität. Zusätzlich wird durch das Element der „konkreten Gefahr“ für „diesen“ Ausländer das Erfordernis einer einzelfallbezogenen und individuell bestimmten Gefährdungssituation aufgestellt

hierzu Huber, AufenthG, § 60 Rdnr. 105 m.w.N..

Die Abgrenzung zwischen einer Gefahr aus allgemeinen und einer Gefahr aus individuellen Gründen kann im Einzelfall schwierig sein. Einer Abgrenzung bedarf es hier jedoch letztlich nicht. Denn vorliegend kann weder davon ausgegangen werden, dass dem Kläger bei Rückkehr in sein Heimatland aus allein in seiner Person liegenden individuellen noch aus allgemeinen Gründen eine beachtliche Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG drohen würde.

Dies gilt zunächst mit Blick auf die von ihm (angeblich) befürchteten Nachstellungen und Gefährdungen seitens Verwandter seiner Mutter wegen Verletzung der Familienehre, die im Rahmen der Prüfung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG von Relevanz sein können

vgl. etwa OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27.1.2006 - 1 LB 22/05 -, zitiert nach juris,

Denn diese hat der Kläger nicht glaubhaft gemacht. Auf die diesbezüglichen Ausführungen zu § 60 Abs. 1 AufenthG wird Bezug genommen.

Dem Kläger droht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit auch keine i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beachtliche Gefahr mit Blick auf die allgemeine Versorgungslage im Irak.

Ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts fallen die schwierigen Existenzbedingungen einer Vielzahl von Irakern, insbesondere hinsichtlich der Erlangung eines Arbeitsplatzes und der Sicherstellung allgemeiner und medizinischer Versorgung, die aus den dem Senat vorliegenden Erkenntnisquellen hervorgehen, auch wenn sie den einzelnen Ausländer in individualisierbarer Weise betreffen sollten, hinsichtlich des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen prinzipiell nicht in die Entscheidungszuständigkeit des Bundesamtes. Bei derartigen – auch erheblichen – Gefährdungen ist die Anwendbarkeit des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG durch Satz 3 der Vorschrift „gesperrt“, wenn diese Gefahren zugleich einer Vielzahl anderer Personen im Abschiebezielstaat drohen

hierzu BVerwG, Entscheidungen vom 14.11.2007 - 10 B 47.07 - u.a.; vom 23.8.2006 - 1 B 60.06 -, Urteil vom 8.112.1998 - 9 C 4.98 - u.a., sowie grundlegend bereits BVerwG, Urteil vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 -, NVwZ 1996, 199 zu der nahezu wortgleichen Bestimmung des § 53 Abs. 6 AuslG, zitiert nach juris.

Fehlt in einem solchen Fall eine Entscheidung nach § 60 a Abs. 1 AufenthG, ist aus verfassungsrechtlichen Gründen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Einzelfallentscheidung nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AuslG mit Blick auf Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nur dann ausnahmsweise zulässig und geboten, wenn die obersten Behörden der Bundesländer trotz einer - landesweiten - extremen Gefahrenlage von ihrer Ermessensermächtigung aus § 60 a AufenthG keinen Gebrauch gemacht haben (sog. „verfassungskonforme Überwindung der Sperrwirkung“)

vgl. auch hier BVerwG, Entscheidungen vom 29.6.2010 - 10 C 9.09 und 10 C 10.09 - und vom 14.11.2007 - 10 B 47.07 -, zitiert nach juris.

Eine derartige landesweite Extremgefahr hat der Senat zuletzt in seinen Urteilen vom 1.6.2011,

- 3 A 429/08 – und – 3 A 451/08 -, dokumentiert bei juris,

verneint. Eine durchgreifende Änderung ist seitdem nicht erkennbar. Derartiges wird von dem Kläger auch nicht vorgetragen.

Zwar ergibt sich aus der Auskunftslage,

vgl. hierzu Auswärtiges Amt, Lagebericht Irak vom 28.11.2010; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Irak: Die aktuelle Entwicklung im Zentral- und Südirak vom 5.11.2009, UNHCR an Hess.VGH vom 16.9.2009

dass sich im Irak Einschränkungen beim Zugang zu Lebensmitteln, Unterkunft, Grundversorgungsdienstleistungen (wie Wasser, Strom), Einkommen, Beschäftigung, medizinischer Versorgung und Bildung feststellen lassen. Indes sind durchgreifende Anhaltspunkte für i.S.d. § 60 Abs. 7 S. 1 relevante Gefahren wie eine drohende Nahrungsmittelknappheit oder eine bevorstehende Hungerkatastrophe nicht zu verzeichnen. Weiterhin fließen internationale Hilfsgelder in den Irak und werden vom Handelsministerium Lebensmittel verteilt. Zudem versucht die irakische Regierung finanzielle Anreize zu gewähren, um ins Ausland geflohene Iraker zu einer Rückkehr zu bewegen. Bis Ende 2008 sind 40.060 Familien in den Irak zurückgekehrt. Im Jahr 2010 kehrten 118.890 Flüchtlinge und Binnenflüchtlinge in den Irak bzw. an ihre Heimatorte zurück. Dies waren zwar 40 % weniger als im Jahr 2009, belegt jedoch einen insgesamt aufstrebenden Rückkehrwillen

vgl. zu letzterem UNHCR: Iraq Refuges Returns fell from in 2010 vom 28.1.2011; siehe in diesem Zusammenhang auch Urteile des Senats vom 1.6.2011 - 3 A 429/08 und 3 A 451/08 -.

Ein Abschiebungsverbot im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kann daher mit Blick auf die allgemeine Versorgungslage nicht angenommen werden.

Schließlich lässt sich im Falle des Klägers auch nicht im Hinblick auf eine Erkrankung ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG feststellen. Im Berufungsverfahren hat sich der Kläger auf das Vorliegen einer postraumatischen Belastungsstörung (PTBS) bzw. auf eine schwerwiegende psychische Erkrankung mit latenter Suizidalität berufen sowie darauf, dass diese bei einer Rückkehr in den Irak nicht bzw. nicht ausreichend behandelt werden könne.

Grundsätzlich kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts

vgl. etwa Entscheidungen vom 24.5.2006 - 1 B 118/05 -, vom 29.7.1999 - 9 C 2.99 - und vom 25.11.1997 - 9 C 58/96 - und vom 11.9.2007 - 10 C 8.07 -, jeweils zitiert nach juris

die drohende Verschlimmerung einer Krankheit des ausreisepflichtigen Ausländers als konkrete erhebliche Gesundheitsgefahr ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG darstellen. Ein solches zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann vorliegen, wenn die Erkrankung des Schutzsuchenden im Zielstaat der Abschiebung nicht oder nicht zureichend behandelt werden kann oder wenn die Krankheit dort zwar prinzipiell hinreichend behandelt werden kann, der Betroffene zu der verfügbaren medizinischen Behandlung aber aus finanziellen oder anderen faktischen Gründen keinen Zugang hat. Voraussetzung ist jedoch, dass die fehlende Behandlungsmöglichkeit zu einer erheblichen Gesundheitsgefahr führt, d.h. eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität erwarten lässt. Davon ist auszugehen, wenn sich der Gesundheitszustand des betreffenden Ausländers wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Eine derartige erhebliche und konkrete Gefahr ist in der Regel als individuelle Gefahr einzustufen, die am Maßstab von § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG in direkter Anwendung zu prüfen ist. Nur ausnahmsweise ist sie als allgemeine Gefahr oder Gruppengefahr i.S.d. § 60 Abs. 7 S. 3 AufenthG mit der entsprechenden Sperrwirkung zu qualifizieren, namentlich bei Aidserkrankungen (in afrikanischen Ländern)

vgl. hierzu BVerwG, Entscheidungen vom 23.7.2007 - 10 B 85/07 -, vom 24.5.2006 - 1 B 118/05 - und vom 18.7.2006 - 1 C 16.05 -, jeweils zitiert nach juris.

In diesem Zusammenhang hat das Bundesverwaltungsgericht

Urteil vom 18.7.2006 - 1 C 16.05 -, a.a.O.

- ebenfalls im Falle eines irakischen Staatsangehörigen - klargestellt, dass die unmittelbare Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht mit der Begründung verneint werden kann, der Schutzsuchende sei von einer schlechten medizinischen Versorgung in seinem Herkunftsland gleichermaßen wie alle anderen Bewohner, die an der gleichen Erkrankung leiden, betroffen. Die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 (damals Satz 2) AufenthG greift vielmehr nur bei einer großen Anzahl potenziell Betroffener und einem Bedürfnis nach einer ausländerpolitischen Leitentscheidung ein. Dies ist hier nicht anzunehmen.

Jedoch kann unter Zugrundelegung der von dem Kläger vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen und Würdigung seines Sachvortrags, auch seiner aktuellen Bekundungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, nicht davon ausgegangen werden, dass im Falle des Klägers eine auf Tatsachen gestützte beachtliche Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer erheblichen individuellen Gefahr i.S.d. § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG aus gesundheitlichen Gründen gegeben ist.

Die vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen rechtfertigen nicht die Annahme einer Krankheit, mit deren wesentlicher Verschlimmerung im Zielland der Abschiebung zu rechnen wäre. Sie begründen auch keine Pflicht zu weiterer gerichtlicher Sachaufklärung.

Grundsätzlich gilt in diesem Zusammenhang mit Blick auf die Vorlage von Attesten und deren Beurteilung durch die Gerichte nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts

vgl. Beschlüsse vom 29.4.2005 - BVerwG 1 B 119.04 - und Urteil vom 11.9.2007 - 10 C 8.07 -, jeweils zitiert nach juris,

dass diese in dem vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Verwaltungsprozess zwar regelmäßig Anlass zu weiterer Sachaufklärung geben, da eine Pflicht der Beteiligten zur Glaubhaftmachung im Sinne des § 294 ZPO, ebenso wie eine Beweisführungspflicht regelmäßig zu verneinen ist.

Jedoch ist regelmäßig zu fordern, dass das vorgelegte fachärztliche Attest gewissen Mindestanforderungen genügt. Dies gilt mit Rücksicht auf dessen Unschärfen und vielfältige Symptome insbesondere bezogen auf das Krankheitsbild einer Posttraumatischen Belastungsstörung. Aus dem fachärztlichen Attest muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, so ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist. Diese Anforderungen an die Substantiierung ergeben sich aus der Pflicht des Beteiligten, an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO), die in besonderem Maße für Umstände gilt, die in die eigene Sphäre des Beteiligten fallen

vgl. BVerwG, Beschluss vom 16.2.1995 - BVerwG 1 B 205.93 -.

Werden Atteste vorgelegt, die den vorbeschriebenen Anforderungen genügen, ist grundsätzlich eine eigene medizinische Sachkunde des Gerichts, insbesondere zu einer abweichenden Bewertung von Schwere und Ausmaß der attestierten Erkrankung, zu verneinen und darf die Gefahr der möglichen Verschlimmerung der Erkrankung des Betroffenen bei Rückkehr in sein Heimatland oder Herkunftsgebiet nicht ohne weitere gerichtliche Aufklärung verneint werden. Diese hat, auch ohne dass es eines förmlichen Beweisantrages des Betroffenen bedarf, grundsätzlich in Form der Einholung fachärztlicher Gutachten oder Stellungnahmen zu erfolgen

vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 11.9.2007 - 10 C 8.07 -, Beschluss vom 24.5.2006 - 1 B 118/05 -, jeweils zitiert nach juris..

Vorliegend hat der Kläger indes kein Attest über das Vorliegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung vorgelegt, das diesen Anforderungen entspricht. Die vorgelegten Schreiben des Arztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie M. an die Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 5.10.2009, 4.1.2010 und 4.7.2011 werden den dargelegten Standards nicht gerecht. Die ärztliche Bescheinigung des St. N.-Krankenhauses W. (Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie) vom 30.11.2009 und das Attest der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, Dr. W. vom 15.9.2011 beschreiben schon nicht das Vorliegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung.

In seinem ersten Schreiben vom 5.10.2009 führt der Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie M. zunächst aus, die Kriegsereignisse im Irak hätten in einem katastrophalen Ausmaß zur Instabilität des Landes sowohl im wirtschaftlichen als auch im politischen Bereich geführt. Rivalisierende ethnische und religiöse Minderheiten hätten das Chaos genutzt um alte Rechnungen zu begleichen. Es sei zu einem regelrechten Gemetzel innerhalb dieser Gruppierungen gekommen, der Kläger und sein Schicksal belegten dies. Weiter heißt es u.a.: „Der junge Patient ist Zeuge der Greueltaten mit Tötungsdelikten an seinen Familienmitgliedern gewesen und hat deswegen aus Todesangst sein Heimatland fluchtartig verlassen. Herr Saleh ist hochgradig traumatisiert und ist allein aus dieser Indikation dringend behandlungsbedürftig.“ In seinem zweiten Schreiben vom 4.1.2010 führt er aus, die Diagnose sei „auf der Grundlage der leitliniengerechten psychiatrischen Diagnostik nach dem Schlüssel ICD-10 gestellt“ und „die Kriterien, die zur Annahme einer posttraumatischen Belastungsstörung führen“ seien allesamt erfüllt. Es verstehe „sich von selbst, dass das Trauma sehr wohl in seinem Heimatland stattgefunden hat und die posttraumatischen Krankheitsfolgeerscheinungen erst 3 bis 6 Monate nach dem Trauma in Erscheinung treten“ könnten. Schließlich führt er in seinem letzten Schreiben vom 4.7.2011 nochmals aus, die Diagnose sei auf der Grundlage der leitliniengerechten psychiatrischen Diagnostik gestellt worden. „Die Glaubwürdigkeit der Aussagen der Migranten hänge natürlich sehr davon ab“, ob man „über die soziopolitischen Begebenheiten des Ursprungslandes der Betroffenen Bescheid“ wisse. Für seine Person gebe es keinen Grund, an den Aussagen des Klägers, wie sie sich aus seiner ärztlichen Bescheinigung vom 5.10.2009 ergäben, zu zweifeln.

Hiernach hat der Facharzt M. seiner Diagnose offenkundig einen anderen Sachverhalt zugrunde gelegt, als der Kläger selbst ihn im vorliegenden Verwaltungsstreitverfahren geschildert hat. Nach dessen eigenem Vortrag ist er nämlich selbst nicht „Zeuge der Greueltaten mit Tötungsdelikten an seinen Familienmitgliedern gewesen und hat deswegen aus Todesangst sein Heimatland fluchtartig verlassen“. Vielmehr ist danach (nur) ein Familienmitglied getötet worden, war er selbst nicht Zeuge der Tat und hat er sein Heimatland auch nicht fluchtartig aus Todesangst verlassen, sondern in einem gewissen zeitlichen Abstand, nach entsprechender Planung und Organisation durch die Familie. Einen Sachverhalt, wie ihn der Arzt zugrunde gelegt hat, hat der Kläger im vorliegenden Verfahren auch nach Vorlage der genannten ärztlichen Bescheinigungen zu keinem Zeitpunkt geschildert. Auch auf Nachfrage des Senats in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zu seinen Asylgründen gab er nichts hiervon Abweichendes an. Da der Kläger auf weitere Nachfrage auch bekundete, sich mit dem Psychiater iranischer Herkunft in einer dem Kurdischen ähnlichen Dialekt sprachlich gut verständigt zu haben, scheiden Sprachschwierigkeiten zur Erklärung oder Auflösung dieses eklatanten Widerspruches aus.

Ging der Facharzt bei seiner Diagnose danach schon nicht von einem – gemessen am Vortrag des Klägers im vorliegenden Verfahren – zutreffenden Sachverhalt aus, so kann seiner Diagnose schon deshalb nicht gefolgt werden. Mit anderen Worten: Hat das vom Arzt angenommene traumatische Erlebnis im Heimatland nicht stattgefunden, so kann sich daraus auch keine Posttraumatische Belastungsstörung entwickelt haben. Es kommt deshalb daneben nicht mehr entscheidend darauf an, dass die genannten Schreiben des Arztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie M. vom 5.10.2009, 4.1.2010 und 4.7.2011 zudem in medizinischer Hinsicht wenig aussagekräftig erscheinen, da sie überwiegend nur pauschale Angaben enthalten, nicht aber eine - auf der Basis einer Einzelexploration mit Anamnese und Befunderhebung - nachvollziehbare fachärztliche Diagnose.

Aus der Bescheinigung des St. N.-Krankenhauses W. (Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie) vom 30.11.2009 über eine stationäre Behandlung des Klägers in der Zeit vom 19.11.- 26.11.2009 lässt sich das Vorliegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung schon nicht entnehmen. Zwar ist eine schwere depressive Episode (ICD-10.F 32.2) bei Verdacht auf posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10. -F 42.1) und eine latente Suizidalität des Klägers beschrieben sowie auf einen während des Krankenhausaufenthalts erfolgten Suizidversuch (mit oberflächlichen Wunden am Handgelenk) hingewiesen.

Der „Verdacht“ auf Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung ist jedoch erkennbar nicht verifiziert worden. Vielmehr war das Behandlungsziel offenbar die Beseitigung einer damals akuten Suizidalität. Auch im Berichtteil der Bescheinigung vom 30.11.2009 betreffend „Therapie und Verlauf“ heißt es zur „psychotherapeutischen Begleitung und Stützung“ allein, dass Thema „die aktuell belastende Lebenssituation“ gewesen sei. Anhaltspunkte für die Thematisierung eines im Heimatland erlebten Traumas des Klägers, die das zielstaatsbezogene Abschiebungshindernis einer „Retraumatisierung“ im Rückkehrfall begründen könnten, lassen sich der o.g. Bescheinigung nicht entnehmen. Zudem erfolgte die Entlassung im November 2009 in „ausreichend stabilisierten, affektiv ausgeglichenerem Zustand“ mit einer antidepressiven Medikation.

Auch dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgelegten Attest der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, Dr. W. vom 15.9.2011 lässt sich lediglich entnehmen, dass nach deren Einschätzung bei dem Kläger derzeit eine in erster Linie reaktiv bedingte depressive Störung vorliegt, die durch eine medikamentöse Therapie in niedriger Dosierung behandelt werden kann. Weder vom Vorliegen noch von einem Verdacht auf Vorliegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung des Klägers ist die Rede.

Auf eine solche kann aktuell auch nicht auf Grundlage des Vortrages des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geschlossen werden. Nach seinen eigenen Aussagen ist der Kläger ein instabiler Mensch, der keine Ruhe findet und Schlafstörungen hat. Andere gravierende körperliche Auswirkungen als Folge seiner Unruhe und Nervosität hat der Kläger nicht beschrieben.

Von dem Vorliegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung kann daher nicht ausgegangen werden.

Auch Anhaltspunkte für eine sonstige schwerwiegende psychische Erkrankung oder für eine latente Suizidalität des Klägers, die u. U. eine zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis i.S.d. § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG begründen könnten, liegen danach nicht vor.

Zwar spricht auch das Schreiben des Arztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie M. vom 4.1.2010 eine Suizidalität des Klägers an und führt aus, er sei hochgradig gefährdet, soweit es seine suizidalen Tendenzen anbelange, weil er sich permanent verfolgt fühle und in einer dauerhaften Angst lebe. Einen nachvollziehbaren konkreten Hintergrund für diese Einschätzung, insbesondere Tatsachen jenseits der nicht mit dem Vortrag des Klägers im vorliegenden Verfahren übereinstimmenden angeblichen Traumatisierung in seinem Heimatland, benennt das Schreiben jedoch ebenso wenig wie die weiteren Schreiben vom 5.10.2009 und 4.7.2011. In dem Schreiben vom 4.7.2011 ist von einer Suizidalität des Klägers nicht mehr die Rede. Vielmehr wird festgestellt, dass der Kläger durch die bisherige regelmäßige therapeutische Führung sowie Medikamenteneinnahme bis zum Behandlungsende am 20.4.2011 eine durchaus positive Entwicklung durchlaufen habe, insbesondere seine Ängste schrittweise abzubauen und mit einer Minimaldosierung des Medikamentes auszukommen vermocht habe. Für die Annahme einer aktuellen Suizidalität oder der drohenden wesentlichen Verschlimmerung einer vorhandenen schwerwiegenden psychischen Erkrankung des Klägers nach Rückkehr in das Herkunftsland lässt sich hieraus nichts gewinnen. Gleiches gilt für das in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Attest der den Kläger derzeit behandelnden Ärztin Dr. W. vom 15.9.2011.

Schließlich sprechen auch die eigenen Angaben des Klägers in der mündlichen mit Gewicht dagegen, dass von dem Vorliegen einer schwerwiegenden psychischen Erkrankung oder - latenten - Suizidalität oder auch nur von einem ernstzunehmenden Verdacht auf Derartiges auszugehen wäre.

Der Kläger hat auf ausdrückliches Befragen des Senats zu seiner ärztlichen Behandlung und zu seinem Befinden erklärt, der zuvor behandelnde Arzt M., der im April 2011 seine kassenärztlichen Zulassung zurückgegeben habe, habe ihm nach Beendigung der dortigen Behandlung auf spätere telefonische Nachfrage Rezepte ausgestellt und ihm den Versuch angeraten, auch gänzlich ohne das eingesetzte Medikament (Citalopram) auszukommen und „ruhiger“ zu werden. Man habe dann die Dosis von 40 mg auf 20 mg und schließlich auf 10 mg verringert. Da er bei der Dosis von 10 mg keine Ruhe gefunden habe, habe er Dr. W. aufgesucht. Mit dieser könne er sich auf Deutsch verständigen. Unter deren Behandlung nehme er derzeit täglich 20 mg Citalopram sowie bei Bedarf eine Schlaftablette (Zolpidem), weitere Medikamente nehme er nicht. Schwerwiegende Störungen oder noch bestehende Selbstmordgedanken hat der Kläger nicht beschrieben, sondern lediglich - wie dargelegt - eine allgemeine Instabilität, Unruhe und gelegentliche Schlafstörungen, die er nach Behandlungsabbruch im April 2011 auch ohne ärztliche Behandlung allein durch Einnahme von Citalopram sowie bei Bedarf gelegentlich von Zolpidem hat bewältigen können. In der immerhin vier Monate währenden Zeit zwischen dem Behandlungsende bei dem Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie M. am 20.4.2011 und dem Aufsuchen der Fachärztin Dr. W. am 25.8.2011 ist danach offenkundig keine relevante Verschlimmerung des gesundheitlichen Zustands des Klägers eingetreten. Greifbare und nachhaltige Hinweise auf eine schwerwiegende psychische Erkrankung, die sich bei Rückkehr in sein Heimatland aufgrund fehlender bzw. unzureichender ärztlicher und medikamentöser Versorgung wesentlich verschlimmern könnte, liegen danach aktuell nicht vor. Derartiges ist auf Grundlage der dargestellten Erkenntnisse auch nicht zu prognostizieren.

Auszugehen ist vielmehr davon, dass die Krankheitssymptome, wegen derer der Kläger sich derzeit in ärztlicher Behandlung befindet, auch im Rückkehrfall behandelt werden können und eine wesentliche Verschlimmerung seines Krankheitsbildes im Sinne einer konkreten Gesundheitsgefahr von erheblicher Intensität nicht zu befürchten ist.

Zwar ist nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnissen

vgl. hierzu etwa Auswärtiges Amt, Lagebericht Irak vom 28.11.2010; SFH, Die sozioökonomische Situation im Nordirak, Mai 2010: Die Behandlung von PTSD in Erbil vom 10.3.2010, ferner Bericht vom 10.7.2007: Die sozioökonomische Situation in den von der KRG verwalteten Provinzen; GIGA an VG Düsseldorf vom 10.5.2007 zu Az.: 16 K 5213/06.A -; DOI an VG Saarlouis vom 6.3.2006 zu Az.: 2 K 1/06.A; EZKS an VG Ansbach vom 4.2.2006 zu Az.: AN 9 K 04.32341 -,

die inhaltlich im Wesentlichen übereinstimmen, die Versorgungslage im Irak in medizinischer Hinsicht trotz einer tendenziell anzunehmenden Verbesserung

hierzu insbesondere SFH, Die sozioökonomische Situation im Nordirak, Mai 2010 unter Berufung auf einen Bericht der WHO

nach wie vor angespannt.

Grundsätzlich kann sich zwar jeder Iraker überall im Land in öffentlichen Krankenhäusern kostenfrei behandeln lassen, wobei Unterschiede zwischen dem Zentralirak und dem kurdisch verwalteten Norden nicht bestehen. De facto existiert aber nach den Angaben verschiedener Erkenntnisquellen im Irak eine Zwei-Klassen-Medizin. Die öffentlichen Krankenhäuser sind schlecht ausgestattet und leiden vor allem an einem Mangel an Medikamenten und technischem Gerät. Medikamente sind danach zumeist nur theoretisch kostenfrei und müssen meistens zu hohen Preisen privat in Apotheken gekauft werden. Psychische Krankheiten werden häufig nur medikamentös behandelt

hierzu etwa EZKS an VG Ansbach vom 4.2.2006 zu Az.: AN 9 K 04.32341 u.a., Auswärtiges Amt, Lagebericht Irak vom 28.11.2010; SFH, Die sozioökonomische Situation im Nordirak, Mai 2010.

Dennoch ist nach Auskunftslage

vgl. etwa Botschaft BRD an VG Ansbach vom 20.5.2010 zu Az.: AN 9 K 09.30128

etwa eine depressive Anpassungsstörung oder depressive Episode in Mossul prinzipiell behandelbar. Die Kosten hierfür hängen von Art und Dauer der Behandlung ab und können daher - auch infolge fehlender ärztlicher Gebührenordnung - nicht allgemein und pauschal abgeschätzt werden.

Nach der

Auskunft des (Vertrauensarztes des) Generalkonsulats Erbil vom 29.4.2010 an VG Bayreuth zu Az.: B 3 K 30045

gibt es auch in Erbil, in anderen Teilen Kurdistans ebenso wie im Gesamtirak eine erhebliche Anzahl von Nervenärzten, die an Depressionen leidende Patienten gut behandeln können. Psychopharmaka sind danach vorhanden und preisgünstig, die ärztliche Beratung kann nach dieser Quelle in staatlichen Krankenhäusern kostenlos erfolgen sowie in privaten Praxen für ca. 10 EUR.

Zwar gibt es über die Verfügbarkeit des von dem Kläger derzeit zur Bekämpfung seiner Unruhezustände eingenommenen Medikaments Citalopram im Irak nach Ansicht des EZKS aus dem Jahr 2006

vgl. EZKS an VG Ansbach vom 4.2.2006, a.a.O.

widersprüchliche Aussagen verschiedener befragter Ärzte und kann nach dessen Einschätzung jedenfalls nicht von einem regelmäßigen und kostenfreien Bezug des Medikaments ausgegangen werden.

Ausgehend von den vorgenannten aktuellen Erkenntnisquellen aus dem Jahr 2010 lassen sich jedoch derartige Einschränkungen bei der allgemeinen Verfügbarkeit von vergleichbaren Medikamenten zur Behandlung psychischer Erkrankungen wie der zuletzt bei dem Kläger diagnostizierten „depressiven Störung“ nicht feststellen. Hieraus ist zu folgern, dass zumindest die zur Behandlung „einfacher“ psychischer Erkrankungen, wie einer depressiven Störung, erforderlichen Medikamente ebenso wie hierzu ergänzende Schlafmittel dem Kläger im Irak grundsätzlich zur Verfügung stehen oder beschafft werden können.

Da die Familie des Klägers nach dessen eigenem Bekunden in der mündlichen Verhandlung wirtschaftlich nach wie vor gut gestellt ist, ist eine für ihn konkret erforderliche ärztliche Behandlung und Medikation in seinem Heimatland in vergleichbaren Intervallen wie in der Bundesrepublik Deutschland auch tatsächlich erreichbar.

Eine weitere Sachaufklärung, insbesondere die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Thema der gesundheitlichen Beeinträchtigung des Klägers sowie einer möglichen medizinischen Versorgung in seinem Heimatland drängte sich nach alledem – ungeachtet des Umstandes, dass der anwaltlich vertretene Kläger einen förmlichen Beweisantrag hierzu nicht gestellt hat – nicht auf.

Ein Abschiebungsverbot im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wegen einer Gesundheitsgefährdung erheblichen Ausmaßes kann hiernach ebenfalls nicht angenommen werden.

Die Berufung des Klägers wird daher zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 83 b AsylVfG.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

Die zulässige Berufung des Klägers ist nicht begründet.

Das Verwaltungsgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen.

Der Bescheid der Beklagten vom 19.4.2007 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO).

Dem Kläger steht nach der maßgeblichen Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung (§ 77 Abs. 1 AsylVfG) kein Anspruch auf Feststellung der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG zu. Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG liegen ebenfalls nicht vor.

I.

Der Kläger hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 3 Abs. 3 AsylVfG.

Die von dem Kläger begehrte Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 3 Abs. 3 AsylVfG ist abzulehnen, weil er nicht glaubhaft darlegen konnte, dass er aus begründeter Furcht vor (bereits erlittener oder unmittelbar bevorstehender) politischer Verfolgung aus seinem Heimatland ausgereist ist bzw. dass ihm gegenwärtig eine solche aus den in § 60 Abs. 1 AufenthG genannten Gründen droht. Er ist im Oktober 2005 unverfolgt aus dem Irak ausgereist und muss im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit befürchten, bei einer Rückkehr dorthin relevanten Verfolgungsmaßnahmen im Sinne von § 60 Abs. 1 AufenthG ausgesetzt zu sein.

Nach § 60 Abs. 1 AufenthG darf in Anwendung des Abkommens vom 28.6.1951 über die Rechtstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II S. 559) ein Ausländer nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist, wobei eine Verfolgung wegen der Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe nach § 60 Abs. 1 Satz 3 AufenthG auch dann vorliegen kann, wenn die Bedrohung an das Geschlecht anknüpft. Eine Verfolgung in diesem Sinne kann nach § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG von dem Staat (lit. a), Parteien und Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebietes beherrschen (lit. b) oder von nichtstaatlichen Akteuren ausgehen, sofern die unter lit. a und b genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, Schutz vor Verfolgung zu bieten und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, es sei denn, es besteht eine inländische Fluchtalternative (lit. c).

Die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG i.V.m. § 3 Abs. 3 AsylVfG unterliegt im Wesentlichen den gleichen Anforderungen, nach denen auch eine Anerkennung als Asylberechtigter nach Art. 16 a Abs. 1 GG erfolgt

hierzu etwa BVerwG, Urteil vom 29.5.2008 - 10 C 11.07 -, BVerwGE 131, 186 ff.; zur Vorgängerregelung des § 51 Abs. 1 AuslG: BVerwG, Urteil vom 18.2.1992 - 9 C 59.91 -, DÖV 1992, 582 f., zur Deckungsgleichheit von Art. 16 a Abs. 1 GG und § 51 Abs. 1 AuslG mit dem Flüchtlingsbegriff der Genfer Konvention: BVerwG, Urteil vom 26.10.1993 - 9 C 50.92 u.a. -, NVwZ 1994, 500 ff.

Auch die Annahme einer relevanten Verfolgungssituation i.S.d. § 60 Abs. 1 AufenthG setzt voraus, dass eine spezifische Zielrichtung vorliegt, d.h. die Verfolgung muss nach ihrer erkennbaren Gerichtetheit an die vorstehend genannten Merkmale anknüpfen. An einer solchen gezielten Rechtsverletzung fehlt es indes regelmäßig bei Nachteilen, die jemand aufgrund der allgemeinen Zustände in seinem Herkunftsland zu erleiden hat, etwa infolge von Naturkatastrophen, Arbeitslosigkeit, einer schlechten wirtschaftlichen Lage oder infolge allgemeiner Auswirkungen von Unruhen, Revolutionen und Kriegen

hierzu BVerfG, Beschluss vom 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -, BVerfGE 80, 315 ff.; BVerwG, Urteil vom 5.7.1994 - 9 C 158.94 -, BVerwGE 96, 200 ff.; siehe in diesem Zusammenhang auch Art. 9 der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.4.2004 (sog. Qualifikationsrichtlinie - QRL -).

Allerdings geht der Flüchtlingsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG teilweise über den Schutz des Asylgrundrechts nach Art. 16 a GG hinaus. So kann gemäß § 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG eine Verfolgung auch durch nichtstaatliche Akteure ein Abschiebungsverbot begründen.

Für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach § 60 Abs. 1 AufenthG vorliegt, sind zudem gemäß § 60 Abs. 1 Satz 5 AufenthG die Bestimmungen der Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.4.2004 (sog. Qualifikationsrichtlinie - QRL -) ergänzend anzuwenden, so insbesondere Art. 4 Abs. 4 sowie Art. 7 bis 10.

Die zum Asylgrundrecht nach Art. 16 a GG in der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts und des Bundesverwaltungsgerichts entwickelten unterschiedlichen Wahrscheinlichkeitsmaßstäbe, je nach dem, ob der Ausländer seinen Heimatstaat auf der Flucht vor eingetretener oder unmittelbar drohender politischer Verfolgung verlassen hat oder ob er unverfolgt ausgereist ist

vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 2.7.1980 - 1 BvR 147/80 u.a. -, BVerfGE 54, 341, und vom 10.7.1989 - 2 BvR 502/86 u.a. -, BVerfGE 80, 315

haben in die Qualifikationsrichtlinie keinen Eingang gefunden. Der sog. herabgestufte Wahrscheinlichkeitsmaßstab der hinreichenden Sicherheit ist insoweit durch die Nachweiserleichterung in Art. 4 Abs. 4 der Richtlinie ersetzt worden, die sowohl für den Flüchtlingsschutz nach § 60 Abs. 1 AufenthG als auch für die weiteren unionsrechtlichen und nationalen Abschiebungsverbote des § 60 AufenthG gilt. Als Prognosemaßstab ist daher allein der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit zugrunde zu legen

vgl. BVerwG, Urteile vom 1.6.2011 - 10 C 10.10 und 10 C 25.10, vom 27.4.2010 - BVerwG 10 C 5.09 - und vom 7.9.2010 - 10 C 11.09 -, siehe auch EuGH, Urteil vom 2.3.2010, Rs. C-175/08 u.a., Abdulla u.a., OVG Münster, Urteil vom 17.8.2010 - 8 A 4063/06.A -, jeweils zitiert nach juris.

Nach Art. 4 Abs. 4 QRL i.V.m. § 60 Abs. 1 Satz 5, Abs. 11 AufenthG ist die Tatsache, dass ein Antragsteller bereits verfolgt wurde oder einen sonstigen ernsthaften Schaden erlitten hat bzw. von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden unmittelbar bedroht war, ein ernsthafter Hinweis darauf, dass die Furcht des Antragstellers vor Verfolgung begründet ist bzw. dass er tatsächlich Gefahr läuft, ernsthaften Schaden zu erleiden, es sei denn, stichhaltige Gründe sprechen dagegen, dass der Antragsteller erneut von solcher Verfolgung oder einem solchen Schaden bedroht wird.

Die Vorschrift des Art. 4 Abs. 4 QRL begründet mithin für die von ihr begünstigten Antragsteller eine widerlegbare tatsächliche Vermutung dafür, dass sie erneut von einer Verfolgung oder einem sonstigen ernsthaften Schaden bedroht sind. Dadurch wird der Vorverfolgte bzw. Geschädigte von der Notwendigkeit entlastet, stichhaltige Gründe dafür darzulegen, dass sich die verfolgungsbegründenden bzw. schadensstiftenden Umstände bei der Rückkehr erneut realisieren werden. Diese Vermutung kann aber widerlegt werden. Hierfür ist erforderlich, dass stichhaltige Gründe die Wiederholungsträchtigkeit einer Verfolgung bzw. des Eintritts eines sonstigen ernsthaften Schadens entkräften. Dies ist im Rahmen freier Beweiswürdigung zu beurteilen

vgl. BVerwG, Urteile vom 27.4.2010 - 10 C 5.09 - und vom 7.9.2010 - 10 C 11.09 - m.w.N., zitiert nach juris.

Die bereits erlittener Verfolgung gleichzustellende unmittelbar drohende Verfolgung setzt eine Gefährdung voraus, die sich schon so weit verdichtet hat, dass der Betroffene für seine Person ohne Weiteres mit dem jederzeitigen Verfolgungseintritt aktuell rechnen musste

vgl. BVerwG, Urteil vom 24.11.2009 - 10 C 24.08 - m.w.N., zitiert nach juris.

Aus den in Art. 4 QRL geregelten Mitwirkungs- und Darlegungsobliegenheiten des Schutzsuchenden folgt, dass es auch unter Berücksichtigung der Vorgaben dieser Richtlinie Sache des Ausländers ist, die Gründe für seine Furcht vor politischer Verfolgung schlüssig vorzutragen. Er ist gehalten, unter Angabe genauer Einzelheiten einen in sich stimmigen Sachverhalt zu schildern, aus dem sich bei Wahrunterstellung ergibt, dass bei verständiger Würdigung politische Verfolgung im genannten Sinne droht. Hierzu gehört, dass der Ausländer zu den in seine Sphäre fallenden Ereignissen, insbesondere zu seinen persönlichen Erlebnissen, eine Schilderung gibt, die geeignet ist, den behaupteten Anspruch lückenlos zu tragen.

Das Gericht muss dabei die volle Überzeugung von der Wahrheit des behaupteten individuellen Schicksals und von der Richtigkeit der Prognose drohender politischer Verfolgung gewinnen. Aufgrund der Beweisschwierigkeiten, in denen sich der Schutzsuchende hinsichtlich der asylbegründenden Vorgänge im Heimatland regelmäßig befindet, muss sich das Gericht jedoch mit einem für das praktische Leben brauchbaren Grad an Gewissheit begnügen, auch wenn Zweifel nicht völlig ausgeschlossen werden können. Es genügt insoweit in der Regel Glaubhaftmachung, während für Vorgänge innerhalb des Zufluchtlandes - prinzipiell - der volle Nachweis zu fordern ist. Bei erheblichen Widersprüchen oder Steigerungen im Sachvortrag indes kann dem Kläger nur bei einer überzeugenden Auflösung der Unstimmigkeiten geglaubt werden

vgl. BVerwG, Entscheidungen vom 21.7.1989 - 9 B 239.89 -, vom 16.4.1985 - 9 C 109.84 - und vom 29.11.1977 - 1 C 33.71 -, jeweils zitiert nach juris.

Von diesen Maßstäben ausgehend kann der Kläger auch unter Anwendung der Bestimmungen der sog. Qualifikationsrichtlinie die Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG hinsichtlich einer Abschiebung in den Irak nicht beanspruchen. Das gilt sowohl im Hinblick auf sein Individualschicksal als auch im Hinblick auf die zu verneinende Gruppenverfolgung wegen seiner sunnitischen Religionszugehörigkeit und kurdischen Volkszugehörigkeit.

Der Kläger ist im Oktober 2005 unverfolgt ausgereist.

Zu seinem Individualschicksal hat er bekundet, er habe sich niemals selbst politisch betätigt und vor seiner Ausreise auch keinerlei Probleme mit irakischen hoheitlichen Stellen gehabt. Als verfolgungsbegründend führt er allein einen kurz vor seiner Ausreise im Oktober 2005 angeblich erfolgten Überfall an, bei dem sein Vater durch dem Kläger unbekannte Täter getötet und seine Schwester verletzt worden sein soll. Bezüglich der Urheberschaft des Vorfalls und der dafür maßgeblichen Motivation hat er die Vermutung geäußert, er gehe entweder auf die frühere Mitgliedschaft seines Vaters in der Baath-Partei oder auf einen Racheakt von Familienmitgliedern seiner Mutter, die sein Vater seinerzeit gegen den Willen der Eltern geehelicht habe, zurück.

Aus diesem Vortrag kann auf eine den Anforderungen des § 60 Abs. 1 AufenthG entsprechende staatliche oder nichtstaatliche Individualverfolgung des Klägers vor seiner Ausreise nicht geschlossen werden.

Dies gilt selbst dann, wenn ungeachtet der bestehenden erheblichen Zweifel an der Glaubhaftigkeit seines Vorbringens insgesamt in diesem Punkt zu seinen Gunsten unterstellt wird, dass der Vorfall selbst mit den beschriebenen Folgen tatsächlich stattgefunden hat, was angesichts der allgemeinen Lage im Irak durchaus im Bereich des Möglichen erscheint, ebenso wie eine Unaufklärbarkeit von Hintergründen und Motiven

vgl. hierzu Urteil des Senats vom 1.6.2011 – 3 A 429/08 – dokumentiert bei juris.

Im Grundsatz geht der Senat, wie bereits das Verwaltungsgericht, von einer weitgehend konstruierten Verfolgungsgeschichte aus. Hierzu wird zunächst auf die eingehenden Ausführungen des Verwaltungsgerichts zu unterschiedlichen Varianten und Widersprüchen im Vortrag des Klägers Bezug genommen.

Nur beispielhaft sei an dieser Stelle darauf verwiesen, dass er auch widersprüchliche Angaben bezüglich der Finanzierung seiner Ausreise – in einer Variante durch seine Mutter, in einer andern durch seine Mutter und eine Tante und zuletzt durch seinen Großvater väterlicherseits – gemacht hat, ebenso bezüglich der Finanzierung seiner Bahnfahrt nach Belgien, und dass er zudem vor dem Bundesamt angegeben hatte, er habe wegen eines Augenleidens nur 1 ½ Monate die Schule besuchen können und sei als Schafhirte tätig gewesen, während er vor dem Senat nicht nur erklärte, er könne (sogar) die deutsche Sprache lesen und auch schreiben, sondern auch, er sei von Beruf Installateur für Heizung und Sanitär, wenn auch mit der Einschränkung, dass er keine Ausbildung habe, die für Deutschland gültig sei.

Denn ungeachtet dessen enthält der Vortrag des Klägers zu dem zu seinem Gunsten als glaubhaft unterstellen Vorfall der Tötung seines Vaters und Verletzung seiner Schwester zum einen keinerlei konkrete Anhaltspunkte, welche geeignet sind, die eine oder die andere von ihm geäußerte Vermutung zu Urheberschaft und Motivation zu stützen, und zum anderen erscheinen beide Vermutungen auch nicht plausibel im Hinblick auf eine eigene Verfolgungsgefahr für den Kläger.

Soweit der Kläger die Mutmaßung eines Racheakts von Familienmitgliedern seiner Mutter angestellt hat, erscheint schon der Ausgangspunkt dieser Überlegung nicht plausibel. Es erscheint nicht nachvollziehbar, dass nach einer Zeitspanne von 30 Jahre, nachdem der Vater des Klägers dessen Mutter gegen den Willen der Familie „entführt“ haben soll, und insbesondere, nachdem zwischenzeitlich sogar eine Versöhnung mit dem Vater seiner Mutter, d.h. dem Oberhaupt der mütterlichen Verwandtschaft erfolgt sein soll, Angehörige seiner Mutter an seinem Vater Rache genommen und ihn getötet haben sollen. Hätten derartige Nachstellungen, insbesondere seitens des angeblich ebenfalls heiratswilligen Cousins der Mutter gedroht, so wären sie zeitnah zu erwarten gewesen. Die weitere Frage der Beachtlichkeit einer derartigen Bedrohung im Rahmen des § 60 Abs. 1 AufenthG bedarf mit Rücksicht hierauf keiner Erörterung.

Soweit der Kläger die Mutmaßung eines Racheakts wegen der Mitgliedschaft bzw. Mitarbeit seines Vaters in der Baath-Partei angestellt hat, vermag auch dies nicht zur Annahme einer Individualverfolgung des Klägers im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG zu führen. Zum einen waren zum damaligen Zeitpunkt von derartigen Anschlägen allenfalls hochrangige Funktionäre der Baath-Partei betroffen, die persönlich Verbrechen oder Grausamkeiten verübt hatten, nicht aber sonstige Parteimitglieder, und zum anderen waren selbst in diesen Sonderfällen nur die betreffenden Parteifunktionäre selbst, nicht aber deren Familienangehörige gefährdet

hierzu etwa Schweizerische Flüchtlingshilfe - SFH - vom 27.1.2006, Zur Gefährdung von ehemaligen Mitgliedern der Baath-Partei; Deutsches Orient-Institut - DOI - an VG München vom 1.9.2006 (2112 al/br.) zu Az. M 9 K 05.50273; EZKS, Stellungnahmen an VG Köln vom 17.12.2004 im Falle des Sohnes eines Einsatzleiters einer Sonderstreife in Mossul, der mit dem Geheimdienst zusammengearbeitet hatte, sowie Urteil des Senats vom 1.6.2011 – 3 A 429/08 – dokumentiert bei juris.

Eine nach dem von ihm geschilderten Angriff unmittelbar bevorstehende Gefahr entsprechender Verfolgung (auch) des Klägers ist daher zu verneinen.

Der Kläger war zum Zeitpunkt seiner Ausreise auch nicht mit Rücksicht auf seine kurdische Volkszugehörigkeit und sunnitische Religionszugehörigkeit vorverfolgt. Eine an diese Merkmale anknüpfende Gruppenverfolgung im Irak war und ist zu verneinen

vgl. hierzu bereits Urteile des Senats vom 29.9.2006 - 3 R 6/06 -und vom 1.6.2011 - 3 A 429/08 - dokumentiert bei juris, letzteres betreffend einen sunnitischen Kurden aus Mossul.

Dabei ist im Einzelnen von Folgendem auszugehen: Die Gefahr einer Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG kann sich nicht nur aus gegen den Betroffenen selbst gerichteten Maßnahmen (anlassgeprägte Einzelverfolgung), sondern auch aus gegen Dritte gerichteten Maßnahmen ergeben, wenn diese Dritten wegen eines relevanten Merkmals verfolgt werden, das der Asylbewerber mit ihnen teilt, und wenn er sich mit ihnen in einer nach Ort, Zeit und Wiederholungsträchtigkeit vergleichbaren Lage befindet (sog. Gruppenverfolgung)

hierzu etwa BVerfG, Beschluss vom 23.1.1991 - 2 BvR 902/85 u.a. -, BVerfGE 83, 216 ff.

Die Annahme einer Gruppenverfolgung setzt dabei zunächst voraus, dass die festgestellten Maßnahmen die von ihnen Betroffenen gerade in Anknüpfung an das die verfolgte Gruppe kennzeichnende relevante Merkmal treffen. In Betracht kommt eine unmittelbare Anknüpfung an das die Verfolgung begründende Gruppenmerkmal - etwa die Volks- oder Religionszugehörigkeit - aber auch eine Verfolgung, der dieses Merkmal mittelbar zugrunde liegt.

Die Annahme einer Gruppenverfolgung setzt ferner eine bestimmte Verfolgungsdichte voraus. Der Feststellung dicht und eng gestreuter Verfolgungsschläge bedarf es allerdings dann nicht, wenn hinreichend sichere Anhaltspunkte für ein staatliches Verfolgungsprogramm bestehen, dessen Umsetzung bereits eingeleitet ist oder alsbald bevorsteht

hierzu BVerwG, Entscheidungen vom 2.2.2010 - 10 B 18.09 -, vom 18.7.2006 - 1 C 15.05 - und vom 5.7.1994 - 9 C 158.94 -, jeweils zitiert nach juris,

was vorliegend jedoch nicht der Fall ist.

Für die Feststellung der sonst erforderlichen Verfolgungsdichte ist eine so große Vielzahl von Eingriffshandlungen in nach § 60 Abs. 1 AufenthG geschützte Rechtsgüter erforderlich, dass es sich dabei nicht mehr nur um vereinzelt bleibende individuelle Übergriffe oder um eine Vielzahl einzelner Übergriffe handelt. Die Verfolgungshandlungen müssen vielmehr im Verfolgungszeitraum und Verfolgungsgebiet auf alle sich dort aufhaltenden Gruppenmitglieder zielen und sich in quantitativer und qualitativer Hinsicht so ausweiten, wiederholen und um sich greifen, dass daraus für jeden Gruppenangehörigen nicht nur die Möglichkeit, sondern ohne Weiteres die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit entsteht

hierzu etwa BVerwG, Entscheidungen vom 2.2.2010 - 10 B 18.09 - und vom 21.4.2009 - 10 C 11.08 -, jeweils zitiert nach juris.

Für die Beurteilung, ob die Verfolgungsdichte die Annahme einer Gruppenverfolgung rechtfertigt, müssen Intensität und Anzahl aller Verfolgungshandlungen zur Größe der Gruppe in Beziehung gesetzt werden. Allein die Feststellung „zahlreicher“ oder „häufiger“ Eingriffe reicht nicht aus. Denn eine bestimmte Anzahl von Eingriffen, die sich für eine kleine Gruppe von Verfolgten möglicherweise bereits als bedrohlich erweist, kann bei einer großen Gruppe vergleichsweise geringfügig erscheinen, weil sie in Bezug auf die Zahl der Gruppenmitglieder nicht ins Gewicht fällt und sich deshalb nicht als Bedrohung der Gruppe darstellt.

Bei der Prüfung einer Gruppenverfolgung sind die zahlenmäßigen Grundlagen der gebotenen Relationsbetrachtung zur Verfolgungsdichte nicht mit quasi naturwissenschaftlicher Genauigkeit festzustellen, sondern es genügt, die ungefähre Größenordnung der Verfolgungsschläge zu ermitteln und sie in Beziehung zur Gesamtgruppe der von Verfolgung Betroffenen zu setzen. Dabei darf bei unübersichtlicher Tatsachenlage und nur bruchstückhaften Informationen aus einem Krisengebiet auch aus einer Vielzahl vorliegender Einzelinformationen eine zusammenfassende Bewertung des ungefähren Umfangs der asylerheblichen Verfolgungsschläge und der Größe der verfolgten Gruppe erfolgen. Auch für die Annahme einer erheblichen Dunkelziffer nicht bekannter Übergriffe müssen die gerichtlichen Feststellungen zur Größenordnung der Gesamtheit der Anschläge aber in nachvollziehbarer und überprüfbarer Weise begründet werden.

Einen Verzicht auf die Quantifizierung der Verfolgungsschläge hat das Bundesverwaltungsgericht nur bei besonders kleinen Gruppen zugelassen, bei denen auch die Feststellung reichen kann, derartige Übergriffe seien „an der Tagesordnung“

hierzu etwa BVerwG, Entscheidungen vom 21.2.2009, a.a.O. und vom 23.12.2002 - 1 B 42.02 -, zu syrisch-orthodoxen Christen in Tur Abdin, zitiert nach juris.

Bei der erforderlichen wertenden Gesamtschau der Verfolgungssituation sind nur asylrechtlich beachtliche, an die Merkmale in § 60 Abs. 1 S. 1 AufenthG anknüpfende Maßnahmen zu berücksichtigen

BVerwG, Urteil vom 21.4.2009 - 10 C 11.08 -, zitiert nach juris.

Nicht einzubeziehen sind hingegen rein kriminelle Verbrechen und ungezielte terroristische Anschläge, die allein die Destabilisierung der Lage bezwecken.

Eine nach diesen Maßstäben anzunehmende Gruppenverfolgung sunnitischer Religionszugehöriger und kurdischer Volkszugehöriger im Irak i.S.d. § 60 Abs. 1 AufenthG in Verbindung mit den europarechtlichen Bestimmungen der sog. Qualifikationsrichtlinie kann – auch für den Zeitpunkt der Ausreise des Klägers - weder landesweit noch bezogen auf das Herkunftsgebiet des Klägers angenommen werden.

Es fehlt bei einer relativierenden Betrachtung der Anzahl der Opfer von Verfolgungsschlägen und des jeweiligen Anteils der sunnitischen und kurdischen Bevölkerungsgruppe an einer hinreichenden Verfolgungsdichte. Dies hat der Senat zuletzt mit Urteil vom 1.6.2011

3 A 429/08 – dokumentiert bei juris

unter Verwertung zahlreicher Erkenntnisquellen festgestellt. Wegen der Einzelheiten wird hierauf Bezug genommen.

Auch individuell gefahrerhöhende Umstände sind im Falle des Klägers nicht erkennbar.

Ist der Kläger demnach unverfolgt aus seinem Heimatland ausgereist, kommt ihm für die Beurteilung der Frage, ob er im Falle seiner Rückkehr eine Verfolgung im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG zu befürchten hat, die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 QRL nicht zugute und ist hierfür der Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit anzuwenden.

Nach diesem Maßstab ist eine Verfolgung im Sinne der genannten Bestimmung im Falle seiner Rückkehr nicht zu prognostizieren.

Dies gilt sowohl mit Blick auf die von ihm geltend gemachte individuelle Verfolgungsgefahr wegen der Mitgliedschaft bzw. Mitarbeit seines Vaters in der Baath-Partei als auch mit Blick auf die ihm angeblich drohende Gefahr für Leib und Leben wegen Verletzung der Familienehre durch seinen Vater als auch im Hinblick auf seine sunnitische Religionszugehörigkeit und kurdische Volkszugehörigkeit.

Die dem Senat vorliegenden Erkenntnisse lassen – wie für die Zeit vor seiner Ausreise – auch für die Zeit nach seiner Ausreise bis heute den Schluss auf eine entsprechende Gefährdung des Klägers im Rückkehrfall nicht zu

vgl. Urteil des Senats vom 1.6.2011 - 3 A 429/08 -, dokumentiert bei juris.

Soweit der Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgetragen hat, sein Problem sei ein Stammesproblem gewesen, womit er die Entführung seiner Mutter vor 30 Jahren meine, und daraus sei ein politisches Problem geworden, weil sein Vater bei der Baath-Partei mitgearbeitet habe, um über die politische Tätigkeit Schutz wegen der aus der Entführung resultierenden Gefährdung zu erlangen, rechtfertigt dies ebenso wenig eine andere Einschätzung, wie der Vortrag, er habe nach seiner Einreise in die Bundesrepublik im Jahre 2005 in B-Stadt einen Freund seines Vaters getroffen, der ihm gesagt habe, er habe seine Feinde hier gesehen, deshalb solle er besser in ein anderes Land gehen. Weder hält der Senat das Vorbringen bezüglich des Freundes seines Vaters für glaubhaft, noch eine Bedrohung des Klägers durch „seine Feinde“ selbst in der Bundesrepublik. Was insbesondere die angebliche Information „eines Freundes seines Vaters“ im Jahre 2005 in B-Stadt anbelangt, hat der Kläger – jeweils im Zusammenhang mit seiner Weiterreise von B-Stadt nach Belgien - noch bei seiner Anhörung vor dem Bundesamt erklärt, als er in B-Stadt angekommen sei, habe er Kurden getroffen, die gesagt hätten, dass es hier nicht so gut sei und dass man kein Asylrecht bekommen würde, woraufhin er B-Stadt wieder verlassen habe. Demgegenüber hat er bei seiner Anhörung vor dem Verwaltungsgericht erklärt, er habe in B-Stadt von einer Person, die früher mit seinem Vater zusammengearbeitet habe, gehört, dass er von den Familienangehörigen seiner Mutter gesucht werde. Vor dem Senat hat er nunmehr die oben genannte weitere Abwandlung hinzugefügt. Ergänzend wird auf die oben bereits dargelegten Bedenken gegen die Glaubhaftigkeit seines Vorbringens insgesamt hingewiesen.

Nach allem lässt sich dem Vortrag des Klägers nicht entnehmen, dass im Falle einer Rückkehr in sein Heimatland die Gefahr einer Individualverfolgung des Klägers im Sinne des § 60 Abs.1 AufenthG mit dem erforderlichen Wahrscheinlichkeitsgrad der beachtlichen Wahrscheinlichkeit gegeben ist.

Auch eine Gruppenverfolgung des Klägers wegen dessen sunnitischer Religions- und kurdischer Volkszugehörigkeit ist zum gegenwärtigen Zeitpunkt – ebenso wie für den Zeitpunkt seiner Ausreise bereits dargelegt - zu verneinen.

Zwar ist nach den vorliegenden Erkenntnissen von einer immer noch instabilen Sicherheitslage auszugehen, jedoch ist gegenüber früheren Jahren eine fortschreitende Stabilisierung zu verzeichnen. Die vorliegenden Erkenntnisse weisen insgesamt in eine positive Richtung. Insbesondere hat die interkonfessionelle Gewalt (zwischen Sunniten und Schiiten) seit dem energischen Durchgreifen der irakischen Regierung gegen Milizen seit dem Frühjahr 2008 in einem relevanten Maß nachgelassen

hierzu etwa BAMF, Dokumentation Irak, Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte, Januar 2010; BAMF, Briefing Notes vom 27.12.2010; Schweizerischen Flüchtlingshilfe (im Folgenden SFH) Irak: Die aktuelle Entwicklung im Zentral- und Südirak - Update vom 5.11.2009 -; UNHCR, Positionspapier zum Schutzbedarf irakischer Asylbewerber und zu den Möglichkeiten der Rückkehr irakischer Staatsangehöriger in Sicherheit und Würde vom 13.5.2009 und Stellungnahme vom 16.9.2009 an den Hessischen VGH; ai-Report 2010, Zur weltweiten Lage der Menschenrechte; EZKS, Stellungnahme an VG München vom 20.1.2009 zu Az. M 4 K 08.50041 u.a..

Auf die diesbezüglichen Darlegungen im Urteil des Senats vom 1.6.2011

- 3 A 429/08 -, dokumentiert bei juris,

wird vollinhaltlich Bezug genommen.

Auf der Grundlage dieser Feststellungen sind die im Irak sowie in der Heimatstadt bzw. der Heimatregion des Klägers zu verzeichnenden Anschläge, deren Hintergründe und Zuordnung zu bestimmten Gruppierungen oder Stellen nach der Erkenntnislage im Einzelnen kaum bzw. schwer zu klären sind, zwar häufig als Akte willkürlicher Gewalt zu bewerten. Indes lassen sich auch zum gegenwärtigen Zeitpunkt weder bezogen auf die Gruppe sunnitischer Religionszugehöriger die für die Annahme einer Gruppenverfolgung im Rahmen des § 60 Abs. 1 AufenthG erforderliche Verfolgungsdichte, noch bezogen auf die Person des Klägers besondere gefahrerhöhende Umstände feststellen.

Den Lageberichten Irak des Auswärtigen Amtes

vom 28.11.2010 vom 11.4.2010,

zufolge wird die Gesamtbevölkerung Iraks auf etwa 32,3 Mio. Menschen geschätzt. Hiervon machen die Schiiten, die vorwiegend den Südosten bzw. Süden des Landes bewohnen, einen Anteil von 60 bis 65 %, (arabische) Sunniten, die mit Schwerpunkt im Zentral- und Westirak leben, einen Anteil von 17 bis 22 % und die vor allem im Norden lebenden Kurden einen Anteil von ca. 15 bis 20 % aus.

In Relation zu diesen Größenordnungen wird die Zahl der dokumentierten Todesfälle den Anforderungen des Bundesverwaltungsgerichts an die erforderliche Intensität der Verfolgungsdichte offenkundig nicht gerecht. Selbst unter Berücksichtigung der fehlenden Einbeziehung von (Schwer)Verletzten, Traumatisierten und im Sinne des Art. 9 QRL Geschädigten in die vorliegenden Statistiken sowie der Unterstellung einer nachvollziehbaren erheblichen Dunkelziffer und Addition verschiedener Schädigungsformen ist eine in diesem Sinne beachtliche Verfolgungsdichte nicht feststellbar.

Hinsichtlich der Einschätzung der landesweiten Verfolgungsdichte, die im Jahr 2010 auf den bislang tiefsten Stand seit 2003 mit 4028 Opfern gefallen ist,

hierzu etwa BAMF, Irak - Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte, Januar 2010; Bundesasylamt (Österreich), Bericht Irak, Die Sicherheitslage in Bagdad vom 26.1.2011

kann im Einzelnen auf die Urteile des Senats vom 1.6.2011

- 3 A 429/08 - und - 3 A 451/08 - , dokumentiert bei juris

verwiesen werden.

Etwas anderes gilt auch nicht mit Blick auf die Herkunftsregion des Klägers, die Region Tamim (Kirkuk). Dort gab es im Jahr 2008 je 100.000 Einwohner 29 Tote (je festgestellter Vorfall 3 Tote) und im Jahr 2009 je 100.000 Einwohner 31,9 Tote (288 Tote bei 99 Vorfällen, d.h. 2,9 Tote je Vorfall). Im Jahr 2010 gab es in der Provinz bei 77 Vorfällen 91 Tote, das sind 10,1 Tote je 100.000 Einwohner und je 1,2 Tote je Vorfall.

Bezüglich des Geburtsorts des Klägers, Erbil (Sitz der Regierung der Autonomen Region Irakisch-Kurdistan), sind die Zahlen noch geringer. So gab es im Jahr 2008 in der ersten Jahreshälfte 7 Tote und 4 Vorfälle, im zweiten Halbjahr wurde kein Vorfall bekannt. Somit waren dort 0,5 – 0,4 Tote je 100.000 Einwohner (1,75 je dokumentierter Vorfall) zu verzeichnen. Im Jahr 2009 waren bei 28 Vorfällen 31 Tote zu beklagen (2,2 Tote je 100.000 Einwohner und 1,1 Toter pro Vorfall). Diese Zahl sank im Jahr 2010 auf 0,4 Tote je 100.000 Einwohner (6 Tote bei 2 Vorfällen).

vgl. BAMF, Irak - Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte, Januar 2010.

Die (Gesamt-)Opferzahlen bis Mai 2011 belaufen sich, soweit bislang bekannt, auf mindestens 1033 Tote, davon waren 65 Tote in der Herkunftsprovinz Tamim (Kirkuk) des Klägers, d.h. 7,2 Tote je 100.000 Einwohner und 1,6 Tote je dokumentiertem Vorfall und in der Provinz seines Geburtsorts Erbil 4 Tote zu beklagen, d.h. 0,3 Tote je 100.000 Einwohner, 2 Tote pro Vorfall

vgl. hierzu BAMF, Irak - Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte von Juni 2011.

Die meisten Toten und Verletzten gab es bis zu diesem Zeitpunkt im Januar/Februar 2011 bei Anschlägen auf schiitische Pilger in der Nähe von Kerbala (mindestens 45 Tote und 150 Verletzte) und Samarra (50 Tote, 80 Verletzte)

hierzu BAMF, Briefing Notes vom 7.3.2011, FR und taz vom 21.1.2011, FAZ vom 21. und 25.1.2011, NZZ vom 28.1.2011 und FR vom 14.2.2011, SZ vom 14.2.2011; zu den bisherigen Gesamtopferzahlen ferner BAMF, Briefing Notes vom 17.1.2011, vom 14.3.2011, vom 4.4.2011, vom 11.4.2011, NZZ vom 12.4.2011, FAZ vom 13.4.2011, NZZ vom 18. und 19.4.2011, FAZ vom 30.4. und 6.5.2011.

In der darauffolgenden Zeit war der Juni mit 271 Todesopfern, davon 155 Zivilisten, 77 Polizisten und 39 Soldaten der Monat mit dem meisten Todesopfern im Jahr 2011, dazu waren 454 Verletzte zu verzeichnen

hierzu BAMF, Briefing Notes vom 4.7.2011.

Im Juli 2011 kam es bei einem Angriff in dem überwiegend von Sunniten besiedelten Taji zu 35 Toten und 28 Verletzten, anderen Quellen nach zu noch weiteren 58 Verletzten

vgl. hierzu BAMF, Briefing Notes vom 11.7.2011.

Angesichts dieser Opferzahlen in Relation zur Gesamtbevölkerungszahl ist eine Gefährdungslage für den Kläger in dem Sinne, dass er als Angehöriger der Gruppe der (kurdischen) Sunniten mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit aktuell Gefahr liefe, im Rückkehrfall allein wegen seiner gruppenspezifischen Merkmale einer Verfolgung i. S. d. § 60 Abs. 1 AufenthG durch staatliche oder nichtstaatliche Akteure ausgesetzt zu sein, klar zu verneinen.

Aufgrund der kontinuierlich rückläufigen Tendenz solcher Vorfälle und Übergriffe in den vergangenen Jahren, insbesondere ab 2008, ist auch für die absehbare Zukunft eine Gruppenverfolgung von Sunniten im Irak nicht zu prognostizieren. Dies belegen auch die Opferzahlen für 2011.

Ausgehend von den vorstehend dargestellten Opferzahlen kann schließlich auch im Hinblick auf die Zugehörigkeit des Klägers zur Volksgruppe der Kurden, die ca. 15-20 % der Gesamtbevölkerung ausmacht,

vgl. Lagebericht Irak des Auswärtigen Amtes vom 28.11.2010

eine ihm mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit landesweit drohende gruppenspezifische Verfolgung nicht angenommen werden.

Darüber hinaus wäre für den in Erbil/Nordirak geborenen Kläger die Möglichkeit einer zumutbaren Aufenthaltsnahme im Nordirak gegeben, aus dem seine Familie stammt. Dies gilt sowohl unter den vorgetragenen Aspekten der Zugehörigkeit zu einer ehemals baathistisch ausgerichteten Familie als auch der sunnitischen Religionszugehörigkeit und kurdischen Volkszugehörigkeit.

Eine Pro-baathistische Betätigung löst nach Einschätzung von EZKS

- H. Siamend - vom 22.3.2007 an VG Magdeburg zu Az. 4 A 190/04 MD und vom 24.11.2007 an VG Karlsruhe zu Az. A 3 K 10823/05

die Gefahr von Sanktionen etwa der KDP und der PUK im - kurdisch dominierten - Nordirak nur dann aus, wenn sich die betreffende Person im Zuge ihrer Betätigung für die Baath-Partei besonderer Grausamkeiten schuldig gemacht hat oder in hohen Positionen befindlichen KDP- bzw. PUK-Politikern oder deren Verwandten geschadet hat.

Derartiges steht bei dem Kläger nicht im Raum.

Eine dem Kläger mit Blick auf seine sunnitische Religionszugehörigkeit und kurdische Volkszugehörigkeit drohende, im Sinne des § 60 Abs. 1 AufenthG relevante Gefährdung ist daher nicht anzunehmen.

Dieses Ergebnis steht im Einklang mit der Rechtsprechung anderer Obergerichte, die ebenfalls eine Gruppenverfolgung von Sunniten und Kurden im Irak verneinen

vgl. etwa OVG Münster, Urteil vom 29.10.2009, a.a.O., VGH Mannheim, Urteil vom 25.3.2010 - A 2 S 364/09 - und Beschluss vom 12.8.2010 - A 2 S 1134/10; VGH München, Beschlüsse vom 14.7.2011 - 20 B 10.30316 - und vom 5.7.2011 - 20 B 10.30312 -, jeweils im Falle eines sunnitischen Kurden aus der Region Tamim/Kirkuk sowie Urteil vom 21.1.2010 - 13a B 08.30285 - im Falle eines kurdischen Volkszugehörigen sunnitischer Religionszugehörigkeit aus Mossul, jeweils zitiert nach juris.

Ein Anspruch des Klägers auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG ist daher sowohl mangels individueller als auch mangels gruppenbezogener Verfolgung zu verneinen.

II.

Der Kläger hat auch keinen Anspruch auf die hilfsweise begehrte Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 2, 3 und 7 Satz 2 AufenthG

zur Prüfungsfolge von unionsrechtlichem und nationalem Abschiebungsschutz etwa BVerwG, Urteil vom 29.6.2010 - 10 C 10.09 -, zitiert nach juris.

Konkrete Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 2 (konkrete Gefahr der Folter oder unmenschlicher oder erniedrigender Behandlung oder Bestrafung) und nach § 60 Abs. 3 AufenthG (Gefahr der Todesstrafe aufgrund einer von dem Schutzsuchenden begangenen Straftat) sind weder vom Kläger vorgetragen noch sonst ersichtlich.

Auch die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG liegen im Falle des Klägers nicht vor.

Nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist.

Die von dem Kläger in seiner Berufungsbegründung angesprochenen Zweifelsfragen zur Auslegung des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG und des Art. 15 lit. c QRL, insbesondere des Verständnisses des von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG verwendeten Begriffs der „erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben“ sowie des Begriffs der „ernsthaften individuellen Bedrohung des Lebens oder der Unversehrtheit“ im Sinne des Art. 15 lit. c der Richtlinie 2004/83/EG - QRL - sind durch die Urteile des Bundesverwaltungsgerichts

vom 24.6.2008 - 10 C 43.07 -, BVerwGE 131, 198 und vom 14.7.2009 - 10 C 9.08 -, juris,

sowie durch Urteil des Europäischen Gerichtshofs

vom 17.2.2009 - C-465/07 -, EuGRZ 2009, 111

hinreichend geklärt. Die Frage, ob § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG auch bei Vorliegen der Voraussetzungen des subsidiären Schutzes nach Art. 15 lit. c der Richtlinie eine Sperrwirkung entfaltet, ist durch das o.g. Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 24.6.2008 ebenfalls geklärt.

Nach dem vorgenannten Urteil des Bundesverwaltungsgerichts vom 14.7.2009, a.a.O., kann sich eine erhebliche individuelle Gefahr für Leib und Leben im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, die zugleich die entsprechenden Voraussetzungen des Art. 15 lit. c der Richtlinie 2004/83/EG erfüllt, auch aus einer allgemeinen Gefahr für eine Vielzahl von Zivilpersonen im Rahmen eines innerstaatlichen oder internationalen bewaffneten Konflikts ergeben, wenn sich die Gefahr in der Person des Ausländers verdichtet. Eine derartige Individualisierung der allgemeinen Gefahr kann sich aus gefahrerhöhenden Umständen in der Person des Ausländers ergeben. Sie kann aber unabhängig davon ausnahmsweise auch bei einer außergewöhnlichen Situation eintreten, die durch einen so hohen Gefahrengrad gekennzeichnet ist, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dem betroffenen Gebiet einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre.

Der Begriff des internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts in § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist dabei unter Berücksichtigung des humanitären Völkerrechts auszulegen. Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie u.a. für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind, und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts im Sinne von Art. 15 lit. c QRL nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss aber jedenfalls ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wofür Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfe typische Beispiele sind. Ein solcher innerstaatlicher bewaffneter Konflikt muss sich dabei nicht auf das gesamte Staatsgebiet erstrecken

vgl. BVerwG, Urteil vom 24.6.2008 - 10 C 43.07 -, a.a.O..

Besteht ein bewaffneter Konflikt mit der beschriebenen Gefahrendichte nicht landesweit, kommt eine individuelle Bedrohung allerdings in der Regel nur in Betracht, wenn der Konflikt sich auf die Herkunftsregion des Antragstellers erstreckt, in die er typischerweise zurückkehren wird, den „tatsächlichen Zielort“ des Ausländers bei einer Rückkehr in den Herkunftsstaat

vgl. EuGH, Urteil vom 17.2.2009, a.a.O..

Auf einen bewaffneten Konflikt außerhalb der Herkunftsregion des Ausländers kann es nur ausnahmsweise ankommen. Nach Art. 2 lit. e QRL muss der Ausländer bei einem regional begrenzten Konflikt außerhalb seiner Herkunftsregion stichhaltige Gründe dafür vorbringen, dass für ihn eine Rückkehr in seine Herkunftsregion ausscheidet und nur eine Rückkehr gerade in die Gefahrenzone in Betracht kommt.

Gemessen an diesen Maßstäben kann für den Kläger keine erhebliche individuelle Gefahr für Leib oder Leben infolge willkürlicher Gewalt im Rahmen eines bewaffneten innerstaatlichen oder internationalen Konflikts im Irak bzw. in dessen Teilen festgestellt werden. Nach dem auch hier anzuwendenden Maßstab der beachtlichen Wahrscheinlichkeit sind die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG vielmehr zu verneinen.

Ob die aktuelle allgemeine Lage im Irak und insbesondere in Bashir, der Herkunftsstadt des Klägers in der Region Tamim (Kirkuk), oder etwa in Erbil, seinem Geburtsort, bereits die Annahme eines landesweiten oder auch nur regionalen innerstaatlichen oder internationalen bewaffneten Konflikts im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG rechtfertigen könnte, kann vorliegend offenbleiben

ebenso offen gelassen zum Vorliegen eines landesweiten Konflikts im Irak etwa: VGH München, Urteil vom 24.3.2011 - 20 B 10.30021 -, OVG Münster, Urteil vom 29.10.2010 - 9 A 3642/06.A - und VGH Mannheim, Urteil vom 12.8.2010 - A 2 S 1134/10 - und auch OVG Lüneburg, Urteil vom 13.4.2011 - 13 LB 66/07 – sowie Urteil des Senats vom 1.6.2011 - 3 A 429/08 -, dokumentiert bei juris.

Denn jedenfalls fehlt es an der geforderten erheblichen individuellen Gefahr für Leib und Leben des Klägers als Angehöriger der Zivilbevölkerung.

Auf die Beweiserleichterung des Art. 4 Abs. 4 QRL kann sich der Kläger nicht berufen. Er ist nicht vorverfolgt ausgereist. Dies gilt sowohl mit Blick auf seine sunnitische Glaubenszugehörigkeit und kurdische Volkszugehörigkeit als auch hinsichtlich der geltend gemachten Betätigung seines Vaters in der Baath-Partei. Insoweit kann vollumfänglich auf die diesbezüglichen Ausführungen im Rahmen des § 60 Abs. 1 AufenthG verwiesen werden.

Darüber hinaus ist auch der erforderliche Zusammenhang zwischen der geltend gemachten (Vor-)Verfolgung und dem künftigen befürchteten Schaden sowie mit dem Zweck des § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG, den Schutz des Betroffenen vor Gefahren im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts sicherzustellen, nicht erkennbar.

Die von der bereits dargestellten, immer noch instabilen Sicherheitslage im Irak ausgehende Gefährdung betrifft neben Angehörigen spezieller Personengruppen, so insbesondere von Regierungs-, Streit- und Sicherheitskräften, eine Vielzahl von Zivilpersonen ohne eindeutige Zuordnung und stellt damit eine Gefahr dar, der letztlich die Bevölkerung im Irak allgemein ausgesetzt ist.

Jedoch kann die für die Schutzgewährung nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG erforderliche erhebliche individuelle Gefahr – wie dargelegt - erst dann bejaht werden, wenn sich allgemeine Gefahren eines Konflikts mit der Folge einer ernsthaften individuellen bzw. persönlichen Betroffenheit aller Bewohner der maßgeblichen Region verdichten oder sich für den Einzelnen durch individuelle gefahrerhöhende Umstände zuspitzen. Solche individuellen gefahrenerhöhenden Umstände können sich nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts auch aus einer Gruppenzugehörigkeit ergeben. Dies setzt aber eine solche Gefahrendichte voraus, dass ein in sein Heimatland zurückkehrender Ausländer mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit befürchten muss, gezielt (oder auch zufällig) selbst Opfer eines Terroranschlages zu werden oder infolge stattfindender Kampfhandlungen am Leben oder seiner körperlichen Unversehrtheit beschädigt zu werden

vgl. BVerwG, Urteil vom 24.6.2008 - 10 C 43.07 -, a.a.O.; OVG Münster, Urteil vom 29.10.2010, a.a.O..

Dies kann vorliegend nach den vorstehenden Darlegungen nicht angenommen werden.

Zur allgemeinen Gefahrendichte insbesondere für die Jahre 2010 und 2011 kann im Einzelnen auf die Ausführungen in den Urteilen des Senats vom 1.6.2011

- 3 A 429/08 - und 3 A 451/08 - , jeweils dokumentiert bei juris

verwiesen werden.

Zwar gehört die Herkunftsregion des Klägers, die Region Tamim (Kirkuk) zu den instabilsten Gebieten im Irak. Jedoch sind - wie im Einzelnen im Rahmen der Prüfung einer Gruppenverfolgung i.S.d. § 60 Abs. 1 AufenthG dargelegt - insbesondere seit dem Jahr 2010 bis heute beständig rückläufige Opferzahlen zu verzeichnen.

Daher könnte selbst bei Annahme eines innerstaatlichen Konflikts in der Herkunftsregion Tamim (Kirkuk) nicht davon ausgegangen werden, dass der diesen Konflikt kennzeichnende Grad willkürlicher Gewalt ein so hohes Niveau erreicht hat, dass praktisch jede Zivilperson allein aufgrund ihrer Anwesenheit in dieser Region einer ernsthaften individuellen Bedrohung ausgesetzt wäre.

Die sunnitische Religions- und kurdische Volkszugehörigkeit des Klägers wirkt sich bezogen auf die nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts vorrangig in den Blick zu nehmende Herkunftsregion des Klägers ebenfalls nicht gefahrerhöhend aus. Die Sicherheit der Gruppe der Heimkehrer hängt nach den Feststellungen des Auswärtigen Amtes

vgl. Lageberichte vom 28.11.2010 und vom 11.4.2010

im Wesentlichen davon ab, ob die Ethnie bzw. Glaubensgemeinschaft, welcher sie angehören, in der betreffenden Region die Mehrheit bildet. Da Kurden mit 40 % und Sunniten mit 20% in Kirkuk/Tamim, einem ethnischen Mischgebiet, eine Hauptbevölkerungsgruppe darstellen

vgl. BAMF, Zur Gefährdung der Zivilbevölkerung durch bewaffnete Konflikte, von Juni 2011 und von Januar 2010

kann bezüglich des Klägers nicht mit dem erforderlichen Wahrscheinlichkeitsgrad eine Gefährdung wegen seiner Zugehörigkeit zu einer religiösen und/oder ethnischen Minderheit angenommen werden

zur Verfolgungs- und Gefährdungssituation i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG vgl. etwa etwa OVG Lüneburg, Urteil vom 13.4.2011 - 13 LB 66/07 - im Falle eines aus der Provinz Dohuk stammenden Kurden; VGH Mannheim, Urteil vom 25.3.2010 - A 2 S 364/09 - (implizit) im Falle eines Kurden aus Kirkuk.

Gleiches gilt, wenn man eine Rückkehr des Klägers in seine Stammregion, die Provinz Erbil, in der 95 % Kurden leben, zugrunde legt. Dort sind noch weit geringere Zahlen als für den Bereich Tamim/Kirkuk festzustellen.

Es liegen bei dem Kläger auch keine weiteren individuellen gefahrerhöhenden Umstände vor. Er gehört insbesondere keiner der in den o.g. Lageberichten des Auswärtigen Amtes und weiteren Erkenntnisquellen bezeichneten gefährdeten speziellen Personengruppen an.

Dass die angebliche frühere Mitgliedschaft des Vaters des Klägers in der Baath-Partei keinen gefahrerhöhenden Umstand darstellt, wurde bereits dargelegt.

Nach allem liegt ein Abschiebungsverbot i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG nicht vor.

III.

Auch nationale Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 5 und Abs. 7 Satz 1 AufenthG sind nicht gegeben.

Anhaltspunkte dafür, dass eine Abschiebung des Klägers nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. der Konvention vom 4.11.1950 zum Schutze der Menschenrechte und Grundfreiheiten unzulässig ist, sind nicht ersichtlich.

Dem Kläger drohen mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit auch keine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG.

Nach dieser Regelung soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn dort für diesen Ausländer eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit besteht. Die Vorschrift gewährt Schutz bei Gefahren, die nicht bereits vom Regelungsbereich der vorangegangenen Absätze erfasst werden. Sie betrifft nur solche Gefahren, die sich aus der Unzumutbarkeit des Aufenthalts im Zielland für diesen Ausländer herleiten und ausschließlich dort drohen (zielstaatsbezogene Abschiebungsverbote). Unerheblich ist, ob die Gefahren von staatlichen oder nichtstaatlichen Akteuren ausgehen oder wodurch sie hervorgerufen werden. Zu unterscheiden ist dabei die erhebliche konkrete Gefahr, die den Ausländer aus individuellen Gründen betrifft und die Gefahr, die - wenn auch in individualisierbarer Weise - aus allgemeinen Gefahren herrührt. Der Ausdruck „erheblich“ bezieht sich dabei auf die Gefährdungsintensität. Zusätzlich wird durch das Element der „konkreten Gefahr“ für „diesen“ Ausländer das Erfordernis einer einzelfallbezogenen und individuell bestimmten Gefährdungssituation aufgestellt

hierzu Huber, AufenthG, § 60 Rdnr. 105 m.w.N..

Die Abgrenzung zwischen einer Gefahr aus allgemeinen und einer Gefahr aus individuellen Gründen kann im Einzelfall schwierig sein. Einer Abgrenzung bedarf es hier jedoch letztlich nicht. Denn vorliegend kann weder davon ausgegangen werden, dass dem Kläger bei Rückkehr in sein Heimatland aus allein in seiner Person liegenden individuellen noch aus allgemeinen Gründen eine beachtliche Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG drohen würde.

Dies gilt zunächst mit Blick auf die von ihm (angeblich) befürchteten Nachstellungen und Gefährdungen seitens Verwandter seiner Mutter wegen Verletzung der Familienehre, die im Rahmen der Prüfung von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG von Relevanz sein können

vgl. etwa OVG Schleswig-Holstein, Urteil vom 27.1.2006 - 1 LB 22/05 -, zitiert nach juris,

Denn diese hat der Kläger nicht glaubhaft gemacht. Auf die diesbezüglichen Ausführungen zu § 60 Abs. 1 AufenthG wird Bezug genommen.

Dem Kläger droht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit auch keine i.S.d. § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG beachtliche Gefahr mit Blick auf die allgemeine Versorgungslage im Irak.

Ausgehend von der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts fallen die schwierigen Existenzbedingungen einer Vielzahl von Irakern, insbesondere hinsichtlich der Erlangung eines Arbeitsplatzes und der Sicherstellung allgemeiner und medizinischer Versorgung, die aus den dem Senat vorliegenden Erkenntnisquellen hervorgehen, auch wenn sie den einzelnen Ausländer in individualisierbarer Weise betreffen sollten, hinsichtlich des Vorliegens der tatbestandlichen Voraussetzungen prinzipiell nicht in die Entscheidungszuständigkeit des Bundesamtes. Bei derartigen – auch erheblichen – Gefährdungen ist die Anwendbarkeit des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG durch Satz 3 der Vorschrift „gesperrt“, wenn diese Gefahren zugleich einer Vielzahl anderer Personen im Abschiebezielstaat drohen

hierzu BVerwG, Entscheidungen vom 14.11.2007 - 10 B 47.07 - u.a.; vom 23.8.2006 - 1 B 60.06 -, Urteil vom 8.112.1998 - 9 C 4.98 - u.a., sowie grundlegend bereits BVerwG, Urteil vom 17.10.1995 - 9 C 9.95 -, NVwZ 1996, 199 zu der nahezu wortgleichen Bestimmung des § 53 Abs. 6 AuslG, zitiert nach juris.

Fehlt in einem solchen Fall eine Entscheidung nach § 60 a Abs. 1 AufenthG, ist aus verfassungsrechtlichen Gründen nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts eine Einzelfallentscheidung nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AuslG mit Blick auf Art. 1 Abs. 1, Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG nur dann ausnahmsweise zulässig und geboten, wenn die obersten Behörden der Bundesländer trotz einer - landesweiten - extremen Gefahrenlage von ihrer Ermessensermächtigung aus § 60 a AufenthG keinen Gebrauch gemacht haben (sog. „verfassungskonforme Überwindung der Sperrwirkung“)

vgl. auch hier BVerwG, Entscheidungen vom 29.6.2010 - 10 C 9.09 und 10 C 10.09 - und vom 14.11.2007 - 10 B 47.07 -, zitiert nach juris.

Eine derartige landesweite Extremgefahr hat der Senat zuletzt in seinen Urteilen vom 1.6.2011,

- 3 A 429/08 – und – 3 A 451/08 -, dokumentiert bei juris,

verneint. Eine durchgreifende Änderung ist seitdem nicht erkennbar. Derartiges wird von dem Kläger auch nicht vorgetragen.

Zwar ergibt sich aus der Auskunftslage,

vgl. hierzu Auswärtiges Amt, Lagebericht Irak vom 28.11.2010; Schweizerische Flüchtlingshilfe, Irak: Die aktuelle Entwicklung im Zentral- und Südirak vom 5.11.2009, UNHCR an Hess.VGH vom 16.9.2009

dass sich im Irak Einschränkungen beim Zugang zu Lebensmitteln, Unterkunft, Grundversorgungsdienstleistungen (wie Wasser, Strom), Einkommen, Beschäftigung, medizinischer Versorgung und Bildung feststellen lassen. Indes sind durchgreifende Anhaltspunkte für i.S.d. § 60 Abs. 7 S. 1 relevante Gefahren wie eine drohende Nahrungsmittelknappheit oder eine bevorstehende Hungerkatastrophe nicht zu verzeichnen. Weiterhin fließen internationale Hilfsgelder in den Irak und werden vom Handelsministerium Lebensmittel verteilt. Zudem versucht die irakische Regierung finanzielle Anreize zu gewähren, um ins Ausland geflohene Iraker zu einer Rückkehr zu bewegen. Bis Ende 2008 sind 40.060 Familien in den Irak zurückgekehrt. Im Jahr 2010 kehrten 118.890 Flüchtlinge und Binnenflüchtlinge in den Irak bzw. an ihre Heimatorte zurück. Dies waren zwar 40 % weniger als im Jahr 2009, belegt jedoch einen insgesamt aufstrebenden Rückkehrwillen

vgl. zu letzterem UNHCR: Iraq Refuges Returns fell from in 2010 vom 28.1.2011; siehe in diesem Zusammenhang auch Urteile des Senats vom 1.6.2011 - 3 A 429/08 und 3 A 451/08 -.

Ein Abschiebungsverbot im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG kann daher mit Blick auf die allgemeine Versorgungslage nicht angenommen werden.

Schließlich lässt sich im Falle des Klägers auch nicht im Hinblick auf eine Erkrankung ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG feststellen. Im Berufungsverfahren hat sich der Kläger auf das Vorliegen einer postraumatischen Belastungsstörung (PTBS) bzw. auf eine schwerwiegende psychische Erkrankung mit latenter Suizidalität berufen sowie darauf, dass diese bei einer Rückkehr in den Irak nicht bzw. nicht ausreichend behandelt werden könne.

Grundsätzlich kann nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts

vgl. etwa Entscheidungen vom 24.5.2006 - 1 B 118/05 -, vom 29.7.1999 - 9 C 2.99 - und vom 25.11.1997 - 9 C 58/96 - und vom 11.9.2007 - 10 C 8.07 -, jeweils zitiert nach juris

die drohende Verschlimmerung einer Krankheit des ausreisepflichtigen Ausländers als konkrete erhebliche Gesundheitsgefahr ein Abschiebungshindernis nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG darstellen. Ein solches zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis kann vorliegen, wenn die Erkrankung des Schutzsuchenden im Zielstaat der Abschiebung nicht oder nicht zureichend behandelt werden kann oder wenn die Krankheit dort zwar prinzipiell hinreichend behandelt werden kann, der Betroffene zu der verfügbaren medizinischen Behandlung aber aus finanziellen oder anderen faktischen Gründen keinen Zugang hat. Voraussetzung ist jedoch, dass die fehlende Behandlungsmöglichkeit zu einer erheblichen Gesundheitsgefahr führt, d.h. eine Gesundheitsbeeinträchtigung von besonderer Intensität erwarten lässt. Davon ist auszugehen, wenn sich der Gesundheitszustand des betreffenden Ausländers wesentlich oder sogar lebensbedrohlich verschlechtern würde. Eine derartige erhebliche und konkrete Gefahr ist in der Regel als individuelle Gefahr einzustufen, die am Maßstab von § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG in direkter Anwendung zu prüfen ist. Nur ausnahmsweise ist sie als allgemeine Gefahr oder Gruppengefahr i.S.d. § 60 Abs. 7 S. 3 AufenthG mit der entsprechenden Sperrwirkung zu qualifizieren, namentlich bei Aidserkrankungen (in afrikanischen Ländern)

vgl. hierzu BVerwG, Entscheidungen vom 23.7.2007 - 10 B 85/07 -, vom 24.5.2006 - 1 B 118/05 - und vom 18.7.2006 - 1 C 16.05 -, jeweils zitiert nach juris.

In diesem Zusammenhang hat das Bundesverwaltungsgericht

Urteil vom 18.7.2006 - 1 C 16.05 -, a.a.O.

- ebenfalls im Falle eines irakischen Staatsangehörigen - klargestellt, dass die unmittelbare Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht mit der Begründung verneint werden kann, der Schutzsuchende sei von einer schlechten medizinischen Versorgung in seinem Herkunftsland gleichermaßen wie alle anderen Bewohner, die an der gleichen Erkrankung leiden, betroffen. Die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 (damals Satz 2) AufenthG greift vielmehr nur bei einer großen Anzahl potenziell Betroffener und einem Bedürfnis nach einer ausländerpolitischen Leitentscheidung ein. Dies ist hier nicht anzunehmen.

Jedoch kann unter Zugrundelegung der von dem Kläger vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen und Würdigung seines Sachvortrags, auch seiner aktuellen Bekundungen in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat, nicht davon ausgegangen werden, dass im Falle des Klägers eine auf Tatsachen gestützte beachtliche Wahrscheinlichkeit des Vorliegens einer erheblichen individuellen Gefahr i.S.d. § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG aus gesundheitlichen Gründen gegeben ist.

Die vorgelegten ärztlichen Bescheinigungen rechtfertigen nicht die Annahme einer Krankheit, mit deren wesentlicher Verschlimmerung im Zielland der Abschiebung zu rechnen wäre. Sie begründen auch keine Pflicht zu weiterer gerichtlicher Sachaufklärung.

Grundsätzlich gilt in diesem Zusammenhang mit Blick auf die Vorlage von Attesten und deren Beurteilung durch die Gerichte nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts

vgl. Beschlüsse vom 29.4.2005 - BVerwG 1 B 119.04 - und Urteil vom 11.9.2007 - 10 C 8.07 -, jeweils zitiert nach juris,

dass diese in dem vom Untersuchungsgrundsatz beherrschten Verwaltungsprozess zwar regelmäßig Anlass zu weiterer Sachaufklärung geben, da eine Pflicht der Beteiligten zur Glaubhaftmachung im Sinne des § 294 ZPO, ebenso wie eine Beweisführungspflicht regelmäßig zu verneinen ist.

Jedoch ist regelmäßig zu fordern, dass das vorgelegte fachärztliche Attest gewissen Mindestanforderungen genügt. Dies gilt mit Rücksicht auf dessen Unschärfen und vielfältige Symptome insbesondere bezogen auf das Krankheitsbild einer Posttraumatischen Belastungsstörung. Aus dem fachärztlichen Attest muss sich nachvollziehbar ergeben, auf welcher Grundlage der Facharzt seine Diagnose gestellt hat und wie sich die Krankheit im konkreten Fall darstellt. Dazu gehören etwa Angaben darüber, seit wann und wie häufig sich der Patient in ärztlicher Behandlung befunden hat und ob die von ihm geschilderten Beschwerden durch die erhobenen Befunde bestätigt werden. Des Weiteren sollte das Attest Aufschluss über die Schwere der Krankheit, deren Behandlungsbedürftigkeit sowie den bisherigen Behandlungsverlauf (Medikation und Therapie) geben. Wird das Vorliegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung auf traumatisierende Erlebnisse im Heimatland gestützt und werden die Symptome erst längere Zeit nach der Ausreise aus dem Heimatland vorgetragen, so ist in der Regel auch eine Begründung dafür erforderlich, warum die Erkrankung nicht früher geltend gemacht worden ist. Diese Anforderungen an die Substantiierung ergeben sich aus der Pflicht des Beteiligten, an der Erforschung des Sachverhalts mitzuwirken (§ 86 Abs. 1 Satz 1 Halbs. 2 VwGO), die in besonderem Maße für Umstände gilt, die in die eigene Sphäre des Beteiligten fallen

vgl. BVerwG, Beschluss vom 16.2.1995 - BVerwG 1 B 205.93 -.

Werden Atteste vorgelegt, die den vorbeschriebenen Anforderungen genügen, ist grundsätzlich eine eigene medizinische Sachkunde des Gerichts, insbesondere zu einer abweichenden Bewertung von Schwere und Ausmaß der attestierten Erkrankung, zu verneinen und darf die Gefahr der möglichen Verschlimmerung der Erkrankung des Betroffenen bei Rückkehr in sein Heimatland oder Herkunftsgebiet nicht ohne weitere gerichtliche Aufklärung verneint werden. Diese hat, auch ohne dass es eines förmlichen Beweisantrages des Betroffenen bedarf, grundsätzlich in Form der Einholung fachärztlicher Gutachten oder Stellungnahmen zu erfolgen

vgl. etwa BVerwG, Urteil vom 11.9.2007 - 10 C 8.07 -, Beschluss vom 24.5.2006 - 1 B 118/05 -, jeweils zitiert nach juris..

Vorliegend hat der Kläger indes kein Attest über das Vorliegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung vorgelegt, das diesen Anforderungen entspricht. Die vorgelegten Schreiben des Arztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie M. an die Prozessbevollmächtigten des Klägers vom 5.10.2009, 4.1.2010 und 4.7.2011 werden den dargelegten Standards nicht gerecht. Die ärztliche Bescheinigung des St. N.-Krankenhauses W. (Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie) vom 30.11.2009 und das Attest der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, Dr. W. vom 15.9.2011 beschreiben schon nicht das Vorliegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung.

In seinem ersten Schreiben vom 5.10.2009 führt der Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie M. zunächst aus, die Kriegsereignisse im Irak hätten in einem katastrophalen Ausmaß zur Instabilität des Landes sowohl im wirtschaftlichen als auch im politischen Bereich geführt. Rivalisierende ethnische und religiöse Minderheiten hätten das Chaos genutzt um alte Rechnungen zu begleichen. Es sei zu einem regelrechten Gemetzel innerhalb dieser Gruppierungen gekommen, der Kläger und sein Schicksal belegten dies. Weiter heißt es u.a.: „Der junge Patient ist Zeuge der Greueltaten mit Tötungsdelikten an seinen Familienmitgliedern gewesen und hat deswegen aus Todesangst sein Heimatland fluchtartig verlassen. Herr Saleh ist hochgradig traumatisiert und ist allein aus dieser Indikation dringend behandlungsbedürftig.“ In seinem zweiten Schreiben vom 4.1.2010 führt er aus, die Diagnose sei „auf der Grundlage der leitliniengerechten psychiatrischen Diagnostik nach dem Schlüssel ICD-10 gestellt“ und „die Kriterien, die zur Annahme einer posttraumatischen Belastungsstörung führen“ seien allesamt erfüllt. Es verstehe „sich von selbst, dass das Trauma sehr wohl in seinem Heimatland stattgefunden hat und die posttraumatischen Krankheitsfolgeerscheinungen erst 3 bis 6 Monate nach dem Trauma in Erscheinung treten“ könnten. Schließlich führt er in seinem letzten Schreiben vom 4.7.2011 nochmals aus, die Diagnose sei auf der Grundlage der leitliniengerechten psychiatrischen Diagnostik gestellt worden. „Die Glaubwürdigkeit der Aussagen der Migranten hänge natürlich sehr davon ab“, ob man „über die soziopolitischen Begebenheiten des Ursprungslandes der Betroffenen Bescheid“ wisse. Für seine Person gebe es keinen Grund, an den Aussagen des Klägers, wie sie sich aus seiner ärztlichen Bescheinigung vom 5.10.2009 ergäben, zu zweifeln.

Hiernach hat der Facharzt M. seiner Diagnose offenkundig einen anderen Sachverhalt zugrunde gelegt, als der Kläger selbst ihn im vorliegenden Verwaltungsstreitverfahren geschildert hat. Nach dessen eigenem Vortrag ist er nämlich selbst nicht „Zeuge der Greueltaten mit Tötungsdelikten an seinen Familienmitgliedern gewesen und hat deswegen aus Todesangst sein Heimatland fluchtartig verlassen“. Vielmehr ist danach (nur) ein Familienmitglied getötet worden, war er selbst nicht Zeuge der Tat und hat er sein Heimatland auch nicht fluchtartig aus Todesangst verlassen, sondern in einem gewissen zeitlichen Abstand, nach entsprechender Planung und Organisation durch die Familie. Einen Sachverhalt, wie ihn der Arzt zugrunde gelegt hat, hat der Kläger im vorliegenden Verfahren auch nach Vorlage der genannten ärztlichen Bescheinigungen zu keinem Zeitpunkt geschildert. Auch auf Nachfrage des Senats in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat zu seinen Asylgründen gab er nichts hiervon Abweichendes an. Da der Kläger auf weitere Nachfrage auch bekundete, sich mit dem Psychiater iranischer Herkunft in einer dem Kurdischen ähnlichen Dialekt sprachlich gut verständigt zu haben, scheiden Sprachschwierigkeiten zur Erklärung oder Auflösung dieses eklatanten Widerspruches aus.

Ging der Facharzt bei seiner Diagnose danach schon nicht von einem – gemessen am Vortrag des Klägers im vorliegenden Verfahren – zutreffenden Sachverhalt aus, so kann seiner Diagnose schon deshalb nicht gefolgt werden. Mit anderen Worten: Hat das vom Arzt angenommene traumatische Erlebnis im Heimatland nicht stattgefunden, so kann sich daraus auch keine Posttraumatische Belastungsstörung entwickelt haben. Es kommt deshalb daneben nicht mehr entscheidend darauf an, dass die genannten Schreiben des Arztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie M. vom 5.10.2009, 4.1.2010 und 4.7.2011 zudem in medizinischer Hinsicht wenig aussagekräftig erscheinen, da sie überwiegend nur pauschale Angaben enthalten, nicht aber eine - auf der Basis einer Einzelexploration mit Anamnese und Befunderhebung - nachvollziehbare fachärztliche Diagnose.

Aus der Bescheinigung des St. N.-Krankenhauses W. (Fachklinik für Psychiatrie und Psychotherapie) vom 30.11.2009 über eine stationäre Behandlung des Klägers in der Zeit vom 19.11.- 26.11.2009 lässt sich das Vorliegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung schon nicht entnehmen. Zwar ist eine schwere depressive Episode (ICD-10.F 32.2) bei Verdacht auf posttraumatische Belastungsstörung (ICD-10. -F 42.1) und eine latente Suizidalität des Klägers beschrieben sowie auf einen während des Krankenhausaufenthalts erfolgten Suizidversuch (mit oberflächlichen Wunden am Handgelenk) hingewiesen.

Der „Verdacht“ auf Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung ist jedoch erkennbar nicht verifiziert worden. Vielmehr war das Behandlungsziel offenbar die Beseitigung einer damals akuten Suizidalität. Auch im Berichtteil der Bescheinigung vom 30.11.2009 betreffend „Therapie und Verlauf“ heißt es zur „psychotherapeutischen Begleitung und Stützung“ allein, dass Thema „die aktuell belastende Lebenssituation“ gewesen sei. Anhaltspunkte für die Thematisierung eines im Heimatland erlebten Traumas des Klägers, die das zielstaatsbezogene Abschiebungshindernis einer „Retraumatisierung“ im Rückkehrfall begründen könnten, lassen sich der o.g. Bescheinigung nicht entnehmen. Zudem erfolgte die Entlassung im November 2009 in „ausreichend stabilisierten, affektiv ausgeglichenerem Zustand“ mit einer antidepressiven Medikation.

Auch dem vom Kläger in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat vorgelegten Attest der Fachärztin für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie, Dr. W. vom 15.9.2011 lässt sich lediglich entnehmen, dass nach deren Einschätzung bei dem Kläger derzeit eine in erster Linie reaktiv bedingte depressive Störung vorliegt, die durch eine medikamentöse Therapie in niedriger Dosierung behandelt werden kann. Weder vom Vorliegen noch von einem Verdacht auf Vorliegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung des Klägers ist die Rede.

Auf eine solche kann aktuell auch nicht auf Grundlage des Vortrages des Klägers in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat geschlossen werden. Nach seinen eigenen Aussagen ist der Kläger ein instabiler Mensch, der keine Ruhe findet und Schlafstörungen hat. Andere gravierende körperliche Auswirkungen als Folge seiner Unruhe und Nervosität hat der Kläger nicht beschrieben.

Von dem Vorliegen einer Posttraumatischen Belastungsstörung kann daher nicht ausgegangen werden.

Auch Anhaltspunkte für eine sonstige schwerwiegende psychische Erkrankung oder für eine latente Suizidalität des Klägers, die u. U. eine zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis i.S.d. § 60 Abs. 7 S. 1 AufenthG begründen könnten, liegen danach nicht vor.

Zwar spricht auch das Schreiben des Arztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie M. vom 4.1.2010 eine Suizidalität des Klägers an und führt aus, er sei hochgradig gefährdet, soweit es seine suizidalen Tendenzen anbelange, weil er sich permanent verfolgt fühle und in einer dauerhaften Angst lebe. Einen nachvollziehbaren konkreten Hintergrund für diese Einschätzung, insbesondere Tatsachen jenseits der nicht mit dem Vortrag des Klägers im vorliegenden Verfahren übereinstimmenden angeblichen Traumatisierung in seinem Heimatland, benennt das Schreiben jedoch ebenso wenig wie die weiteren Schreiben vom 5.10.2009 und 4.7.2011. In dem Schreiben vom 4.7.2011 ist von einer Suizidalität des Klägers nicht mehr die Rede. Vielmehr wird festgestellt, dass der Kläger durch die bisherige regelmäßige therapeutische Führung sowie Medikamenteneinnahme bis zum Behandlungsende am 20.4.2011 eine durchaus positive Entwicklung durchlaufen habe, insbesondere seine Ängste schrittweise abzubauen und mit einer Minimaldosierung des Medikamentes auszukommen vermocht habe. Für die Annahme einer aktuellen Suizidalität oder der drohenden wesentlichen Verschlimmerung einer vorhandenen schwerwiegenden psychischen Erkrankung des Klägers nach Rückkehr in das Herkunftsland lässt sich hieraus nichts gewinnen. Gleiches gilt für das in der mündlichen Verhandlung vorgelegte Attest der den Kläger derzeit behandelnden Ärztin Dr. W. vom 15.9.2011.

Schließlich sprechen auch die eigenen Angaben des Klägers in der mündlichen mit Gewicht dagegen, dass von dem Vorliegen einer schwerwiegenden psychischen Erkrankung oder - latenten - Suizidalität oder auch nur von einem ernstzunehmenden Verdacht auf Derartiges auszugehen wäre.

Der Kläger hat auf ausdrückliches Befragen des Senats zu seiner ärztlichen Behandlung und zu seinem Befinden erklärt, der zuvor behandelnde Arzt M., der im April 2011 seine kassenärztlichen Zulassung zurückgegeben habe, habe ihm nach Beendigung der dortigen Behandlung auf spätere telefonische Nachfrage Rezepte ausgestellt und ihm den Versuch angeraten, auch gänzlich ohne das eingesetzte Medikament (Citalopram) auszukommen und „ruhiger“ zu werden. Man habe dann die Dosis von 40 mg auf 20 mg und schließlich auf 10 mg verringert. Da er bei der Dosis von 10 mg keine Ruhe gefunden habe, habe er Dr. W. aufgesucht. Mit dieser könne er sich auf Deutsch verständigen. Unter deren Behandlung nehme er derzeit täglich 20 mg Citalopram sowie bei Bedarf eine Schlaftablette (Zolpidem), weitere Medikamente nehme er nicht. Schwerwiegende Störungen oder noch bestehende Selbstmordgedanken hat der Kläger nicht beschrieben, sondern lediglich - wie dargelegt - eine allgemeine Instabilität, Unruhe und gelegentliche Schlafstörungen, die er nach Behandlungsabbruch im April 2011 auch ohne ärztliche Behandlung allein durch Einnahme von Citalopram sowie bei Bedarf gelegentlich von Zolpidem hat bewältigen können. In der immerhin vier Monate währenden Zeit zwischen dem Behandlungsende bei dem Arzt für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie M. am 20.4.2011 und dem Aufsuchen der Fachärztin Dr. W. am 25.8.2011 ist danach offenkundig keine relevante Verschlimmerung des gesundheitlichen Zustands des Klägers eingetreten. Greifbare und nachhaltige Hinweise auf eine schwerwiegende psychische Erkrankung, die sich bei Rückkehr in sein Heimatland aufgrund fehlender bzw. unzureichender ärztlicher und medikamentöser Versorgung wesentlich verschlimmern könnte, liegen danach aktuell nicht vor. Derartiges ist auf Grundlage der dargestellten Erkenntnisse auch nicht zu prognostizieren.

Auszugehen ist vielmehr davon, dass die Krankheitssymptome, wegen derer der Kläger sich derzeit in ärztlicher Behandlung befindet, auch im Rückkehrfall behandelt werden können und eine wesentliche Verschlimmerung seines Krankheitsbildes im Sinne einer konkreten Gesundheitsgefahr von erheblicher Intensität nicht zu befürchten ist.

Zwar ist nach den dem Senat vorliegenden Erkenntnissen

vgl. hierzu etwa Auswärtiges Amt, Lagebericht Irak vom 28.11.2010; SFH, Die sozioökonomische Situation im Nordirak, Mai 2010: Die Behandlung von PTSD in Erbil vom 10.3.2010, ferner Bericht vom 10.7.2007: Die sozioökonomische Situation in den von der KRG verwalteten Provinzen; GIGA an VG Düsseldorf vom 10.5.2007 zu Az.: 16 K 5213/06.A -; DOI an VG Saarlouis vom 6.3.2006 zu Az.: 2 K 1/06.A; EZKS an VG Ansbach vom 4.2.2006 zu Az.: AN 9 K 04.32341 -,

die inhaltlich im Wesentlichen übereinstimmen, die Versorgungslage im Irak in medizinischer Hinsicht trotz einer tendenziell anzunehmenden Verbesserung

hierzu insbesondere SFH, Die sozioökonomische Situation im Nordirak, Mai 2010 unter Berufung auf einen Bericht der WHO

nach wie vor angespannt.

Grundsätzlich kann sich zwar jeder Iraker überall im Land in öffentlichen Krankenhäusern kostenfrei behandeln lassen, wobei Unterschiede zwischen dem Zentralirak und dem kurdisch verwalteten Norden nicht bestehen. De facto existiert aber nach den Angaben verschiedener Erkenntnisquellen im Irak eine Zwei-Klassen-Medizin. Die öffentlichen Krankenhäuser sind schlecht ausgestattet und leiden vor allem an einem Mangel an Medikamenten und technischem Gerät. Medikamente sind danach zumeist nur theoretisch kostenfrei und müssen meistens zu hohen Preisen privat in Apotheken gekauft werden. Psychische Krankheiten werden häufig nur medikamentös behandelt

hierzu etwa EZKS an VG Ansbach vom 4.2.2006 zu Az.: AN 9 K 04.32341 u.a., Auswärtiges Amt, Lagebericht Irak vom 28.11.2010; SFH, Die sozioökonomische Situation im Nordirak, Mai 2010.

Dennoch ist nach Auskunftslage

vgl. etwa Botschaft BRD an VG Ansbach vom 20.5.2010 zu Az.: AN 9 K 09.30128

etwa eine depressive Anpassungsstörung oder depressive Episode in Mossul prinzipiell behandelbar. Die Kosten hierfür hängen von Art und Dauer der Behandlung ab und können daher - auch infolge fehlender ärztlicher Gebührenordnung - nicht allgemein und pauschal abgeschätzt werden.

Nach der

Auskunft des (Vertrauensarztes des) Generalkonsulats Erbil vom 29.4.2010 an VG Bayreuth zu Az.: B 3 K 30045

gibt es auch in Erbil, in anderen Teilen Kurdistans ebenso wie im Gesamtirak eine erhebliche Anzahl von Nervenärzten, die an Depressionen leidende Patienten gut behandeln können. Psychopharmaka sind danach vorhanden und preisgünstig, die ärztliche Beratung kann nach dieser Quelle in staatlichen Krankenhäusern kostenlos erfolgen sowie in privaten Praxen für ca. 10 EUR.

Zwar gibt es über die Verfügbarkeit des von dem Kläger derzeit zur Bekämpfung seiner Unruhezustände eingenommenen Medikaments Citalopram im Irak nach Ansicht des EZKS aus dem Jahr 2006

vgl. EZKS an VG Ansbach vom 4.2.2006, a.a.O.

widersprüchliche Aussagen verschiedener befragter Ärzte und kann nach dessen Einschätzung jedenfalls nicht von einem regelmäßigen und kostenfreien Bezug des Medikaments ausgegangen werden.

Ausgehend von den vorgenannten aktuellen Erkenntnisquellen aus dem Jahr 2010 lassen sich jedoch derartige Einschränkungen bei der allgemeinen Verfügbarkeit von vergleichbaren Medikamenten zur Behandlung psychischer Erkrankungen wie der zuletzt bei dem Kläger diagnostizierten „depressiven Störung“ nicht feststellen. Hieraus ist zu folgern, dass zumindest die zur Behandlung „einfacher“ psychischer Erkrankungen, wie einer depressiven Störung, erforderlichen Medikamente ebenso wie hierzu ergänzende Schlafmittel dem Kläger im Irak grundsätzlich zur Verfügung stehen oder beschafft werden können.

Da die Familie des Klägers nach dessen eigenem Bekunden in der mündlichen Verhandlung wirtschaftlich nach wie vor gut gestellt ist, ist eine für ihn konkret erforderliche ärztliche Behandlung und Medikation in seinem Heimatland in vergleichbaren Intervallen wie in der Bundesrepublik Deutschland auch tatsächlich erreichbar.

Eine weitere Sachaufklärung, insbesondere die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Thema der gesundheitlichen Beeinträchtigung des Klägers sowie einer möglichen medizinischen Versorgung in seinem Heimatland drängte sich nach alledem – ungeachtet des Umstandes, dass der anwaltlich vertretene Kläger einen förmlichen Beweisantrag hierzu nicht gestellt hat – nicht auf.

Ein Abschiebungsverbot im Sinne von § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG wegen einer Gesundheitsgefährdung erheblichen Ausmaßes kann hiernach ebenfalls nicht angenommen werden.

Die Berufung des Klägers wird daher zurückgewiesen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 83 b AsylVfG.

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit folgt aus § 167 VwGO i.V.m. §§ 708 Nr. 10, 711 Satz 1 ZPO.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 21. August 2006 - A 2 K 11717/04 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des gerichtskostenfreien Verfahrens in beiden Rechtszügen. Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten trägt seine außergerichtlichen Kosten selbst.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Gründe

 
I.
Die Klägerin begehrt die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 1, hilfsweise Abs. 7 AufenthG.
Die 1950 geborene Klägerin stammt aus dem Kosovo und ist nach eigenen Angaben Angehörige der Volksgruppe der Roma und muslimischen Glaubens. Sie ist alleinerziehende Mutter von zwei Kindern, geb. 1990 und 1992 (das Berufungsverfahren des Sohnes G. wurde vom erkennenden Senat unter dem Aktenzeichen A 11 S 332/07 mit Beschluss vom heutigen Tag entschieden; das Berufungsverfahren der Tochter wurde nach Klagerücknahme abgetrennt und mit Beschluss vom 17.08.2009 - A 6 S 1815/09 - eingestellt). Im Mai 1992 reiste die Klägerin mit ihrem inzwischen verstorbenen Ehemann nach Deutschland ein und beantragte die Gewährung von Asyl. Nachdem die Ladung zur Anhörung nicht zugestellt werden konnte, wurde der Antrag auf Anerkennung als Asylberechtigte mit bestandskräftigem Bescheid des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge (jetzt: Bundesamt für Migration und Flüchtlinge; im Folgenden: Bundesamt) vom 12.11.1993 abgelehnt. Zugleich wurde festgestellt, dass die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 AuslG sowie Abschiebungshindernisse nach § 53 AuslG nicht vorliegen und der Klägerin die Abschiebung in die Bundesrepublik Jugoslawien angedroht. Im Rahmen der Begründung wurde davon ausgegangen, die Klägerin sei albanische Volkszugehörige.
Am 18.01.2000 stellte die Klägerin beim Bundesamt einen Asylfolgeantrag, den sie damit begründete, sie gehöre der Volksgruppe der Roma an, was nach ihrer Erinnerung im früheren Verfahren nicht deutlich gemacht worden sei. Vom serbischen Regime seien sie als Albanerin angesehen worden und deswegen Verfolgungen ausgesetzt gewesen. Seit dem Ende der kriegerischen Auseinandersetzungen würden die im Kosovo lebenden Roma zunehmend von der albanischen Bevölkerung verfolgt, misshandelt und zum Teil getötet. Auch im übrigen Jugoslawien sei mit asylerheblicher Verfolgung zu rechnen. Sie spreche sowohl die albanische Sprache als auch Romanes. Ausweislich der vorgelegten Bestätigung von Herrn N.v.H. sei sie Angehörige der Volksgruppe der Roma. Hinzu komme, dass sie, wie ein Krankenhausbericht belege, an mehreren Erkrankungen - u.a. Diabetes mellitus Typ II, arterielle Hypertonie und posttraumatische Belastungsstörung - leide, deren Behandlung insbesondere im Kosovo nicht gewährleistet sei.
Mit Bescheid vom 15.07.2004 lehnte das Bundesamt den Antrag auf Durchführung eines weiteren Asylverfahrens und auf Abänderung des Bescheids vom 12.11.1993 bezüglich der Feststellung zu § 53 AuslG ab und drohte der Klägerin die Abschiebung nach Serbien und Montenegro an: Die Voraussetzungen nach § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG seien nicht erfüllt. Aufgrund ihrer Zugehörigkeit zur Gruppe der Roma habe die Klägerin politische Verfolgung weder im Kosovo noch im übrigen Serbien und Montenegro zu befürchten. Die Voraussetzungen für ein Wiederaufgreifen des Verfahrens zu § 53 AuslG seien ebenfalls nicht gegeben. Abschiebungshindernisse gemäß § 53 AuslG lägen nach wie vor nicht vor. Die allgemeine Situation der Roma, Ashkali und Ägypter im Kosovo stelle keine extreme konkrete Gefährdung für jeden Einzelnen im Sinne des § 53 Abs. 6 Satz 1 AuslG dar. Abschiebungshindernisse ergäben sich schließlich auch nicht aus den gesundheitlichen Beschwerden der Klägerin. Es sei davon auszugehen, dass die Klägerin unter mehreren medikamentös behandlungsbedürftigen chronischen Beeinträchtigungen leide und daneben auch im neurologisch-psychiatrischen Bereich Beeinträchtigungen bestünden. Insbesondere das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung sei allerdings nicht hinreichend belegt worden. Im Kosovo sei nach den vorliegenden Auskünften sowohl eine antidepressive medikamentöse Behandlung als auch eine ärztliche bzw. nervenärztliche Behandlung möglich. Auch die chronischen Erkrankungen (Diabetes mellitus und Hypertonie) seien nach Auskunftslage ausreichend behandelbar; die erforderlichen Medikamente seien verfügbar und erhältlich. Ein Anspruch auf eine bestimmte, den hiesigen Verhältnissen entsprechende Behandlung bestehe grundsätzlich nicht. Auch Roma und Ashkali hätten unbeschränkten Zugang zum Gesundheitssystem.
Hiergegen hat die Klägerin am 03.08.2004 beim Verwaltungsgericht Karlsruhe Klage erhoben, mit der sie sich darauf beruft, dass sie als Angehörige der Volksgruppe der Roma aus dem Kosovo vertrieben worden sei. Unter den Folgen des Fluchttraumas leide sie noch heute. Es sei davon auszugehen, dass Angehörige der Roma nach wie vor mit Verfolgung und Vertreibung rechnen müssten, ohne dass auch seitens internationaler Organisationen ausreichender Schutz gewährt werden könne. Ausweislich der vorgelegten Atteste und Stellungnahmen leide sie an zahlreichen Erkrankungen und sei deswegen schwerbehindert. Zuletzt habe sie sich einer Herzkatheteruntersuchung unterziehen müssen. Es seien unter anderem eine Aortenstenose, arterielle Hypertonie, Hyperlipidämie und Diabetes mellitus festgestellt worden. Eine adäquate Behandlung der Mehrfacherkrankungen sei im Kosovo nicht möglich. Zum einen existiere im Kosovo keine ausreichende Gesundheitsversorgung, zum anderen sei Angehörigen der Roma der Zugang zur rudimentären medizinischen Versorgung nicht möglich. Die Behandlung von Diabetes mellitus sei im Kosovo nicht finanzierbar. Sie leide außerdem an einer posttraumatischen Belastungsstörung, die im Kosovo nach den vorliegenden Auskünften und Stellungnahmen ebenfalls nicht adäquat behandelbar sei.
Die Beklagte ist dem unter Bezugnahme auf den angefochtenen Bescheid entgegengetreten.
Mit Urteil vom 21.08.2006 hat das Verwaltungsgericht die Klage abgewiesen. Zur Begründung wird ausgeführt, dass die Klägerin keine tatsächlichen Umstände geltend gemacht habe, aus denen sich eine individuelle politische Verfolgung ergeben könnte. Sie unterliege im Kosovo auch aufgrund ihrer Zugehörigkeit zu einer ethnischen Minderheit keiner politischen Gruppenverfolgung. Die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG seien nicht erfüllt. Es sei davon auszugehen, dass Angehörige der Minderheiten der Ashkali und „Ägypter“ im allgemeinen aufgrund der von UNMIK und KFOR eingeleiteten Maßnahmen vor Verfolgung effektiv geschützt seien, soweit nicht individuelle tatsächliche Umstände dagegen sprächen. Dabei gehe das Gericht auf der Grundlage der Angaben der Klägerin im Erstverfahren sowie im vorliegenden Verfahren davon aus, dass sie der Volksgruppe der Roma im weiteren Sinne und darunter den Ashkali zuzurechnen sei. Sie sei muslimischen Glaubens, spreche albanisch und besitze einen albanischen Namen. Unter den Roma, die den Albanern nahe stünden, sei sie den sogenannten Ashkali zuzuordnen, weil nicht erkennbar sei, dass sie eine Roma-Identität besitze, denn sie habe sich in den bisherigen Verfahren als Albanerin bezeichnet. Als Ashkali sei sie vor nicht-staatlicher Verfolgung hinreichend geschützt. Auch Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 2 bis 7 AufenthG lägen nicht vor. Aus den von der Klägerin vorgelegten ärztlichen Attesten und ihrem Vortrag in der mündlichen Verhandlung ergebe sich nicht, dass bei ihr zum gegenwärtigen Zeitpunkt krankheitsbedingte Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG vorlägen. Die Krankheiten seien zum einen - Diabetes mellitus II, arterielle Hypertonie und die aus der Aortenstenose resultierende Herzinsuffizienz - nach den vorliegenden Erkenntnissen im Kosovo behandelbar, zum anderen - cerebrale Durchblutungsstörungen, die zu Kopfschmerzen und Schwindel führten - sei keine erhebliche konkrete Gefahr ersichtlich. Die Zugehörigkeit zur Volksgruppe der Ashkali führe zu keiner anderen Einschätzung; das öffentliche Gesundheitssystem stehe ausweislich der Auskunftslage allen Ethnien offen. Soweit der Klägerin psychische Erkrankungen attestiert worden seien, entsprächen die vorgelegten Atteste bereits nicht den Mindestanforderungen für den Nachweis psychischer Erkrankungen. Auch diene der Abschiebungsschutz aus § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht dazu, eine bestehende Erkrankung optimal zu behandeln oder ihre Heilungschancen zu verbessern, vielmehr müsse sich ein Ausländer auf den Standard der Gesundheitsversorgung im Heimatland verweisen lassen. Für Angehörige der Ashkali seien auch aufgrund der allgemeinen Lebensverhältnisse im Kosovo die Voraussetzungen des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nicht erfüllt. Eine extreme allgemeine Gefahrenlage, die die Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG überwinden könnte, könne auch für die Minderheit der Ashkali nicht angenommen werden.
Auf Antrag der Klägerin hat der 6. Senat des erkennenden Gerichtshofs mit Beschluss vom 22.05.2007 - A 6 S 1051/06 - die Berufung zugelassen, soweit die Verpflichtungsklage auf Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 bzw. 7 AufenthG abgewiesen worden ist. Die Berufung sei zwar nicht wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, weil die in der Antragsbegründung aufgeworfenen Fragen keiner fallübergreifenden Klärung zugänglich seien. Es liege jedoch mit dem geltend gemachten Gehörsverstoß ein die Berufung eröffnender Verfahrensmangel vor. Das Verwaltungsgericht habe das Vorbringen der Klägerin in ihrem Asylfolgeantrag, wonach sie der Volksgruppe der (ethnischen) Roma angehöre und sowohl albanisch als auch Romanes spreche sowie die hierzu beigefügte Bestätigung erkennbar nicht oder jedenfalls nur unvollständig in seine Würdigung des Sachverhalts einbezogen. Das übergangene Vorbringen sei auch entscheidungserheblich, weil das Nichtvorliegen der (tatbestandlichen) Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 und 7 AufenthG maßgeblich damit begründet worden sei, dass die Klägerin gerade der Roma-Untergruppe der Ashkali angehöre.
Zur Begründung ihrer Berufung führt die Klägerin unter Bezugnahme auf ihr bisheriges Vorbringen aus, dass sie der Volksgruppe der Roma angehöre und wegen dieser Volkszugehörigkeit bei Rückkehr in den Kosovo mit Übergriffen durch die albanische Mehrheit rechnen müsse, ohne dass ihr durch staatliche oder internationale Organisationen hiergegen Schutz gewährt werden könnte. Sie sei vor ihrer Flucht bereits Angriffen und Misshandlungen durch Albaner und Serben ausgesetzt gewesen, die ihre Ursache in ihrer Volkszugehörigkeit gehabt hätten. Es habe sich um ethnisch motivierte An- und Übergriffe im Jahre 1990 gehandelt. Gegenüber der Minderheit der Roma bestehe seitens der albanischen Bevölkerungsmehrheit weiterhin eine latente Pogromstimmung, gegen die kein Schutz zu erlangen sei. Wegen der Übergriffe der albanischen und serbischen Bevölkerung vor ihrer Flucht leide sie unter anderem an einer posttraumatischen Belastungsstörung, was durch die Vorlage entsprechender Atteste belegt worden sei. Insoweit sei bei einer Rückkehr von einer Retraumatisierung auszugehen. Die Erkrankung sei im Kosovo zudem nicht behandelbar. Hinzu kämen weitere schwerwiegende Erkrankungen, deren adäquate Behandlung im Kosovo auch aufgrund ihrer Volkszugehörigkeit nicht möglich bzw. nicht finanzierbar sei. Bei einer Rückkehr sei von einer erheblichen, lebensgefährdenden Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes auszugehen, wie insbesondere die ärztliche Bescheinigung Dr. S. vom 27.11.2009 belege.
10 
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
11 
das Urteil des Verwaltungsgerichts Karlsruhe vom 21.08.2006 - A 2 K 11717/04 - zu ändern und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids des Bundesamts für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge vom 15.07.2004 zu verpflichten, festzustellen, dass die Voraussetzungen des § 60 Abs. 1 AufenthG, hilfsweise dass Abschiebungsverbote nach § 60 Abs. 7 AufenthG hinsichtlich des Kosovo vorliegen.
12 
Die Beklagte beantragt sinngemäß,
13 
die Berufung zurückzuweisen.
14 
Sie führt aus, dass allein wegen der Romazugehörigkeit nicht mit einer asylrechtlich relevanten Verfolgung zu rechnen sei. Die von der Klägerin vorgelegten Atteste und Arztberichte belegten zahlreiche Erkrankungen, die jedoch keinen konkreten Hinweis auf eine Unbehandelbarkeit im Kosovo ergäben. Dies gelte auch für die vorgetragene PTBS-Erkrankung. Eine asylrechtlich erhebliche Erkrankung sei insoweit nicht ausreichend nachgewiesen. Die in der ärztlichen Bescheinigung Dr. S. vom 27.11.2009 aufgeführten erforderlichen Medikamente würden nach Auskunft der Botschaft der Bundesrepublik Deutschland Pristina vom 26.11.2009 an das VG Minden im Kosovo kostenlos zur Verfügung gestellt. Auch depressive Störungen seien nach dieser Auskunft im Kosovo in den medizinischen Einrichtungen des öffentlichen Gesundheitssystems uneingeschränkt behandelbar.
15 
Der Bundesbeauftragte für Asylangelegenheiten hat keinen Antrag gestellt und ausgeführt, dass er keine inhaltsbezogene Stellungnahme abgeben könne. Er merke aber an, dass UNMIK und KFOR nach weitgehend einhelliger Sichtweise sowohl willens als auch hinreichend in der Lage seien, Roma im Kosovo Schutz zu bieten. Dies habe gerade die Bewältigung der Unruhen vom März 2004 gezeigt. Ein Anspruch auf den Flüchtlingsstatus lasse sich daher nicht bejahen. Ob ein Anspruch auf Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 AufenthG bestehe, könne nach der Berufungsbegründung nicht bewertet werden.
16 
Dem 11. Senat, dem der Rechtsstreit zum 01.01.2010 zugeteilt wurde, liegen die einschlägigen Akten der Beklagten (2 Bände) und des Verwaltungsgerichts (1 Band) vor. Hierauf wird wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes Bezug genommen.
II.
17 
Der Senat entscheidet gemäß § 130a VwGO über die Berufung durch Beschluss, weil er sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Die Beteiligten sind hierzu gehört worden (§§ 130a Satz 2, 125 Abs. 2 Satz 3 VwGO).
18 
Die zulässige Berufung ist nicht begründet. Das angefochtene Urteil des Verwaltungsgerichts stellt sich im Ergebnis als richtig dar. Der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 15.07.2004 ist zum maßgeblichen Zeitpunkt der Entscheidung des Senats (§ 77 Abs. 1 Satz 1 Hs. 2 AsylVfG) rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft nach § 60 Abs. 1 AufenthG oder auf Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 AufenthG hinsichtlich des Kosovo. Es besteht auch kein Anspruch auf Neubescheidung (§ 113 Abs. 5 VwGO).
19 
Entsprechend der Berufungszulassung ist Gegenstand des Berufungsverfahrens nur die von der Klägerin begehrte Verpflichtung zur Flüchtlingsanerkennung nach § 60 Abs. 1 AufenthG, hilfsweise die Feststellung von Abschiebungsverboten vorrangig nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG oder schließlich nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 - 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198).
20 
Maßgeblich für die rechtliche Beurteilung des Klagebegehrens sind das Asylverfahrensgesetz in der Fassung der Bekanntmachung vom 02.09.2008 (BGBl. I 1798) sowie § 60 AufenthG in der Fassung der Neubekanntmachung vom 25.02.2008 (BGBl. I 162). Damit sind auch die durch das Gesetz zur Umsetzung aufenthalts- und asylrechtlicher Richtlinien der Europäischen Union vom 19.08.2007 (BGBl. I 1970) eingetretenen Rechtsänderungen zu berücksichtigen.
21 
1. Da der erste Asylantrag der Klägerin bereits 1993 bestandskräftig abgelehnt wurde, handelt es sich bei ihrem am 18.01.2000 gestellten Asylantrag um einen Folgeantrag. Dieser Antrag genügt den Anforderungen des § 71 AsylVfG nicht (hierzu 1.1.). Unabhängig davon scheidet eine Flüchtlingsanerkennung der Klägerin auch deshalb aus, weil Angehörige der Roma im Kosovo keiner Gruppenverfolgung unterliegen (hierzu 1.2.).
22 
1.1. Gemäß § 71 Abs. 1 Satz 1 AsylVfG ist auf einen nach Rücknahme oder unanfechtbarer Ablehnung eines früheren Asylantrags gestellten Folgeantrag ein weiteres Asylverfahren nur durchzuführen, wenn die Voraussetzungen des § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG vorliegen. Hiernach setzt ein Antrag auf Wiederaufgreifen des Verfahrens insbesondere voraus, dass eine Änderung der Sach- oder Rechtslage eingetreten ist oder neue Beweismittel vorliegen und dass die Geeignetheit dieser Umstände für eine dem Antragsteller günstigeren Entscheidung schlüssig dargelegt wird (vgl. BVerwG, Urteil vom 15.12.1987 - 9 C 285/86 - juris). Der Folgeantrag muss binnen dreier Monate gestellt werden, wobei die Frist mit dem Tag beginnt, an dem der Betroffene Kenntnis von dem Wiederaufgreifensgrund hat ( § 51 Abs. 3 VwVfG).
23 
Diese Voraussetzungen sind für den Folgeantrag der Klägerin vom 18.01.2000 nicht erfüllt. Zur Begründung dieses Antrags hat sie im Wesentlichen geltend gemacht, sie gehöre (schon immer) der Volksgruppe der Roma an, was im Asylerstverfahren nicht deutlich gemacht worden sei und nun durch ein neues Beweismittel, die Bestätigung des Herrn N.v.H., belegt werden könne. Dieser Vortrag substantiiert ersichtlich keine „geänderte“ Sach- oder Rechtslage. Die Roma-Bestätigung des Herrn N.v.H. ist zudem kein „neues Beweismittel“ i.S.v. § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG, weil dies nur solche Beweismittel sind, die geeignet erscheinen, das bisherige Tatsachenvorbringen eines Asylantragstellers zu stützen; § 51 Abs. 1 Nr. 2 VwVfG betrifft mithin neue Beweismittel für „alte“ Tatsachen. Die Klägerin hingegen hat sich im Asylerstverfahren 1992 nach Aktenlage mit keinem Wort darauf berufen, der Volksgruppe der Roma anzugehören. Die mit dem Asylfolgeantrag vom 18.01.2000 vorgelegte Krankenhausbescheinigung schließlich datiert vom 29.01.1999; insoweit ist die Dreimonatsfrist des § 51 Abs. 3 VwVfG mithin offensichtlich nicht eingehalten worden.
24 
1.2. Selbst wenn von einem hinreichenden Folgeantrag sowie davon auszugehen wäre, dass es sich bei der Klägerin um eine Angehörige der Volksgruppe der Roma handelt, würde ein Anspruch auf Flüchtlingsanerkennung (§ 3 Abs. 4 AsylVfG) ausscheiden. Gemäß § 3 Abs. 1 AsylVfG ist ein Ausländer Flüchtling, wenn er in dem Staat, dessen Staatsangehörigkeit er besitzt oder in dem er als Staatenloser seinen gewöhnlichen Aufenthalt hatte, den Bedrohungen nach § 60 Abs. 1 AufenthG ausgesetzt ist. Einer solchen Bedrohung ist die Klägerin, auch als Zugehörige zur Volksgruppe der Roma, im Kosovo nicht ausgesetzt.
25 
Nach § 60 Abs. 1 AufenthG darf ein Ausländer in Anwendung des Abkommens vom 28.07.1951 über die Rechtsstellung der Flüchtlinge (BGBl. 1953 II 559) nicht in einen Staat abgeschoben werden, in dem sein Leben oder seine Freiheit wegen seiner Rasse, Religion, Staatsangehörigkeit, seiner Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder wegen seiner politischen Überzeugung bedroht ist. Gemäß Satz 4 dieser Vorschrift kann eine Verfolgung im Sinne des Satzes 1 ausgehen von a) dem Staat, b) Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staatsgebiets beherrschen oder c) nichtstaatlichen Akteuren, sofern die unter den Buchstaben a und b genannten Akteure einschließlich internationaler Organisationen erwiesenermaßen nicht in der Lage oder nicht willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten und dies unabhängig davon, ob in dem Land eine staatliche Herrschaftsmacht vorhanden ist oder nicht, es sei denn, es besteht eine innerstaatliche Fluchtalternative. Gemäß Satz 5 sind für die Feststellung, ob eine Verfolgung nach Satz 1 vorliegt, Art. 4 Abs. 4 sowie die Art. 7 bis 10 der (Qualifikations-) Richtlinie 2004/83/EG des Rates vom 29.04.2004 über Mindestnormen für die Anerkennung und den Status von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Flüchtlinge oder als Personen, die anderweitig internationalen Schutz benötigen, und über den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. EU Nr. L 304 S. 12) ergänzend anzuwenden.
26 
Nach diesem Maßstab droht der Klägerin im Kosovo keine Verfolgung. Eine Verfolgung als Angehörige der Roma durch den Staat oder durch Parteien und Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des kosovarischen Staatsgebiets beherrschen, macht die anwaltlich vertretene Klägerin nicht geltend. Sie verweist ausschließlich auf eine Verfolgung durch nichtstaatliche Akteure wegen der Zugehörigkeit zur ethnischen Minderheit der Roma. Die Annahme einer solchen Verfolgung setzt voraus, dass die Klägerin als Angehörige dieser Minderheit wegen ihrer „Rasse“ bedroht ist (§ 60 Abs. 1 Satz 1 AufenthG), dass der Staat, die Parteien oder Organisationen, die den Staat oder wesentliche Teile des Staates beherrschen, erwiesenermaßen nicht in der Lage oder willens sind, Schutz vor der Verfolgung zu bieten und dass keine innerstaatliche Fluchtalternative besteht (§ 60 Abs. 1 Satz 4 AufenthG). Nicht anders als eine staatliche Gruppenverfolgung setzt die von der Klägerin geltend gemachte Gruppenverfolgung durch nichtstaatliche Akteure voraus, dass jedes im Verfolgungsgebiet lebende Gruppenmitglied wegen der Gruppenzugehörigkeit von Verfolgung betroffen ist. Dies erfordert Verfolgungshandlungen gegen die Gruppe, die so intensiv und zahlreich sind, dass jedes einzelne Mitglied der Gruppe daraus die aktuelle Gefahr eigener Betroffenheit ableiten kann (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.04.2009 - 10 C 11.08 - InfAuslR 2009, 315). Eine solche Verfolgungsdichte, die die Regelvermutung eigener Verfolgung begründet, lässt sich für Angehörige der Roma auf der Grundlage der dem Senat vorliegenden Erkenntnismittel im Kosovo nicht feststellen (so schon VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.04.2008 - A 6 S 1028/05 - sowie Sächs. OVG, Urteil vom 19.05.2009 - A 4 B 229/07 - juris).
27 
Das Sächsische Oberverwaltungsgericht hat in seinem Urteil vom 21.07.2009 – A 4 B 554/07 – (juris) hierzu Folgendes ausgeführt:
28 
„Im Kosovo gibt es nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amts vom 2.2.2009 mehr als 30.000 Angehörige der Roma (davon wohl 23.000 Ashkali und Ägypter), wobei der UNHCR Ashkali und Ägypter nicht mehr zur Gruppe der Personen mit einem fortbestehenden Bedürfnis nach internationalem Schutz zählt (Lagebericht S. 16). Eine Volkszählung im Jahr 1991 habe 42.000 Roma auf dem Gebiet des Kosovo ergeben, nach Angaben von Roma-Verbänden habe die Anzahl der Roma mit rund 120.000 deutlich höher gelegen. Nach Amnesty International (Asyl-Info 3/2009, S. 6) wurden im März 2004 ca. 4.100 Angehörige von Minderheiten durch ethnisch motivierte Gewalttaten vertrieben, darunter auch Roma. Im Anschluss an den Einsatz der NATO hätten Albaner zahlreiche Häuser der Roma zerstört. Viele Angehörige der Roma lebten heute in extremer Armut, nahezu alle Roma seien von Arbeitslosigkeit betroffen. Seit der Unabhängigkeitserklärung des Kosovo im Februar 2008 habe sich die Lage der Roma nicht verbessert; Roma seien von den sozialen Sicherungssystemen faktisch ausgeschlossen und kaum in der Lage, sich eine medizinische Grundversorgung zu leisten. Aktionspläne zur Integration von Roma, Ashkali und Ägyptern seien im Kosovo bislang nicht umgesetzt werden. Auf gewaltsame Repressionen durch nichtstaatliche Akteure - wie sie von der Klägerin geltend gemacht wird - verweist Amnesty International dagegen nicht mehr. Das Positionspapier der Schweizerischen Flüchtlingshilfe vom 10.10.2008 führt aus, dass es seit den pogromartigen Ausschreitungen von März 2004 zu keinen größeren Übergriffen gegen Roma-Gemeinschaften gekommen sei. Angehörigen der Roma, Ashkali und Ägypter drohe „in Einzelfällen“ noch asylrelevante Verfolgung, wenn sie im Verdacht der Kollaboration mit der ehemaligen serbischen Verwaltung oder der Teilnahme an Plünderungen stünden. Während der vergangenen Jahre habe sich die Sicherheitssituation der Roma-Gemeinschaften allmählich verbessert. Die Sicherheitslage im Kosovo sei insgesamt auch für ethnische Minderheiten stabil. Im Bereich ihrer Siedlungen drohten den Angehörigen der Roma im Allgemeinen keine Gewaltakte. Diese Einschätzung wird durch den Lagebericht des Auswärtigen Amts bestätigt, nach dem die Anzahl ethnisch motivierter Vorfälle von 62 im Jahr 2006 auf 24 im Jahr 2007 gefallen sei (S. 14). Im Rahmen groß angelegter Wiederaufbauprojekte seien umfangreiche Baumaßnahmen durchgeführt worden, um eine dauerhafte Rückkehr von Roma etwa in der Siedlung Roma Mahala zu ermöglichen (Lagebericht S. 16 f.). Auch die Schweizerische Flüchtlingshilfe (Positionspaper vom 10.1.2008), die eine Rückkehr von Roma in den Kosovo als unzumutbar ansieht, beschreibt die Lage der abgeschottet von der „Außenwelt“ lebenden Roma-Gemeinschaften als relativ sicher, wobei eine „asylrelevante Verfolgung“ in „Einzelfällen“ nur solchen Angehörigen von Minderheiten drohe, die im Verdacht der Kollaboration mit der früheren serbischen Verwaltung oder der Teilnahme an Plünderungen stünden.“
29 
Dieses Bild wird durch den in das Verfahren eingeführten Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 19.10.2009 - Kosovo - bestätigt. Auch hier wird die ausgesprochen schwierige Lage der Roma im Kosovo dargestellt, aber zusammenfassend ausgeführt, es gebe keine Anzeichen für eine staatliche Verfolgung (S. 10). Für ethnische Roma, die sich während des Krieges nicht ausdrücklich auf die Seite Serbiens gestellt haben oder in gewalttätige Handlungen gegen Kosovo-Albaner verwickelt waren, würden keine Erkenntnisse über eine Gefährdung seitens der albanischen Bevölkerung vorliegen. Roma-Familien, die z.B. während des Krieges den albanischen Nachbarn halfen, Schutz zu finden, würden respektiert. Ihre Stellung sei die gleiche wie die der albanischen Bevölkerung. Eine individuelle Gefährdungslage könne für Roma allerdings dann bestehen, wenn sie sich vor oder während der kriegerischen Auseinandersetzungen in den Augen der albanischen Bevölkerung auf die Seite der Serben gestellt und sich auf Seiten der Serben an den Auseinandersetzungen gegen ihre albanischen Nachbarn beteiligt haben. Einer solchen regional bestehenden individuellen Gefährdung könnten sie jedoch durch Wohnsitznahme in einem anderen Landesteil entgehen (S. 15).
30 
Ausgehend von diesem Erkenntnismittel bestehen jedenfalls im Zeitpunkt der Entscheidung des Senats hinsichtlich des Kosovo keine greifbaren Anhaltspunkte für die Annahme einer Gruppenverfolgung der Roma (ebenso für Ashkali VGH Bad.-Württ., Urteil vom 24.04.2008 - A 6 S 1026/05 - juris), selbst wenn man realistischerweise davon ausgehen muss, dass nicht jeder Übergriff auf einen Angehörigen dieser Volksgruppe zur Anzeige kommt. Da die Klägerin auch nach ihren eigenen Angaben nicht zum Personenkreis derjenigen gehört, die im Verdacht der Kollaboration mit der früheren serbischen Verwaltung oder etwa der Teilnahme an Plünderungen stehen, sie zudem albanisch spricht und sich zum muslimischen Glauben bekennt, fehlen selbst bei Anlegung des sogenannten herabgestuften Wahrscheinlichkeitsmaßstabs hinreichende Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin nach Rückkehr in ihre Heimat dort verfolgt werden könnte. Ein Anspruch der Klägerin auf Flüchtlingsanerkennung im Folgeverfahren scheidet mithin aus.
31 
2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf die Feststellung von Abschiebungsverboten nach § 60 Abs. 7 AufenthG. Hierüber ist ungeachtet der Frage zu entscheiden, ob der Folgeantrag der Klägerin insoweit die Voraussetzungen des § 71 AsylVfG i.V.m. § 51 Abs. 1 bis 3 VwVfG erfüllt (vgl. BVerwG, Urteil vom 21.03.2000 - 9 C 41.99 - BVerwGE 101, 77).
32 
2.1. Ein (europarechtlich begründetes) Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG ist nicht erkennbar. Nach dieser Norm ist von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abzusehen, wenn er dort als Angehöriger der Zivilbevölkerung einer erheblichen individuellen Gefahr für Leib oder Leben im Rahmen eines internationalen oder innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ausgesetzt ist. Die Vorschrift setzt die sich aus Art. 18 i.V.m. Art. 15 lit. c der Qualifikationsrichtlinie ergebenden Verpflichtungen auf Gewährung eines „subsidiären Schutzstatus“ bzw. „subsidiären Schutzes“ in nationales Recht um. Der Begriff des internationalen wie auch des innerstaatlichen bewaffneten Konflikts ist dabei unter Berücksichtigung der Bedeutung dieser Begriffe im humanitären Völkerrecht, insbesondere unter Heranziehung von Art. 3 der Genfer Konventionen zum humanitären Völkerrecht von 1949 und des zur Präzisierung erlassenen Zusatzprotokolls II von 1977 auszulegen. Danach müssen die Kampfhandlungen von einer Qualität sein, wie sie u.a. für Bürgerkriegssituationen kennzeichnend sind, und über innere Unruhen und Spannungen wie Tumulte, vereinzelt auftretende Gewalttaten und ähnliche Handlungen hinausgehen. Bei innerstaatlichen Krisen, die zwischen diesen beiden Erscheinungsformen liegen, scheidet die Annahme eines bewaffneten Konflikts i.S.v. Art. 15 lit. c der Qualifikationsrichtlinie nicht von vornherein aus. Der Konflikt muss jedoch zumindest ein bestimmtes Maß an Intensität und Dauerhaftigkeit aufweisen, wie sie typischerweise in Bürgerkriegsauseinandersetzungen und Guerillakämpfen zu finden sind (ausführlich: BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 - 10 C 43.07 - BVerwGE 131, 198). Davon kann im Kosovo derzeit nicht ausgegangen werden. Die Situation dort rechtfertigt nicht die Annahme eines Bürgerkriegs oder einer bürgerkriegsähnlichen Situation und damit eines landesweit oder auch nur regional bestehenden bewaffneten Konflikts i.S.v. § 60 Abs. 7 Satz 2 AufenthG. Nach dem Lagebericht des Auswärtigen Amtes vom 19.10.2009 – Kosovo – (S. 5) hat sich die Sicherheitslage seit den Unruhen im März 2004 vielmehr weitgehend beruhigt und ist überwiegend stabil.
33 
2.2. Auch ein (national begründetes) Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist im Falle der Klägerin nicht erkennbar. Nach dieser Norm soll von der Abschiebung eines Ausländers in einen anderen Staat abgesehen werden, wenn diesem dort eine erhebliche konkrete Gefahr für Leib, Leben oder Freiheit droht. Dies setzt das Bestehen individueller Gefahren voraus. Beruft sich ein Ausländer hingegen auf allgemeine Gefahren im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 3 AufenthG, die nicht nur ihn persönlich, sondern zugleich die gesamte Bevölkerung oder seine Bevölkerungsgruppe allgemein treffen, wird - abgesehen von Fällen der richtlinienkonformen Auslegung bei Anwendung von Art. 15 lit. c der Qualifikationsrichtlinie für internationale oder innerstaatliche bewaffnete Konflikte - der Abschiebungsschutz grundsätzlich nur durch eine generelle Regelung der obersten Landesbehörde nach § 60a Abs. 1 Satz 1 AufenthG gewährt. Beim Fehlen einer solchen Regelung kommt die Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur zur Vermeidung einer verfassungswidrigen Schutzlücke (Art. 1, Art. 2 Abs. 2 GG) in Betracht, d.h. nur zur Vermeidung einer extremen konkreten Gefahrenlage in dem Sinne, dass dem Ausländer sehenden Auges der sichere Tod droht oder er schwerste Gesundheitsbeeinträchtigungen zu erwarten hätte (vgl. BVerwG, Urteil vom 24.06.2008 - 10 C 43.07-, BVerwGE 131, 198 <211 f.> Rn. 31 f.).
34 
Eine solche extreme konkrete Gefahrenlage besteht für die Klägerin im Hinblick auf ihre vorgetragene Zugehörigkeit zur Minderheit der Roma im Kosovo ungeachtet der für diese Volksgruppe nach wie vor dort in erheblichem Ausmaß bestehenden Schwierigkeiten nicht (vgl. hierzu m.w.N. bereits Urteil des VGH Bad.-Württ. vom 24.04.2008 a.a.O.; Lagebericht des Auswärtigen Amtes - Kosovo - vom 19.10.2009, S. 10 ff.; s.a. Sächs. OVG, Urteil vom 19.05.2009 a.a.O.; OVG Saarland, Beschluss vom 08.02.2008 - 2 A 16/07 - juris). Da insbesondere die von der Klägerin befürchtete Verfolgungssituation nicht hinreichend wahrscheinlich ist (s.o.), kann auch nicht von der Gefahr schwerster Gesundheitsbeeinträchtigungen oder gar von Todesgefahr bei einer Rückkehr in den Kosovo ausgegangen werden.
35 
Auch im Hinblick auf den Gesundheitszustand der Klägerin vermag der Senat keine erhebliche konkrete Gefahrenlage zu erkennen. Nach den vorliegenden ärztlichen Attesten und den Angaben der Klägerin kann nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit von einer wesentlichen Verschlechterung ihres Gesundheitszustandes alsbald nach der Rückkehr in ihre Heimat ausgegangen werden, insbesondere weil eine adäquate Behandlung dort nicht möglich oder nicht erlangbar ist (vgl. BVerwG, Urteil vom 17.10.2006 - 1 C 18.05 - BVerwGE 127, 33). Zwar hat die Klägerin 2001 einen Schlaganfall erlitten und leidet nach den vorliegenden fachärztlichen Attesten insbesondere an einer behandlungsbedürftigen Hypertonie, einem behandlungsbedürftigen Diabetes mellitus sowie psychovegetativen Störungen mit Depressivität (vgl. die Atteste des Allgemeinmediziners Dr. N. vom 20.06.2005, 11.01.2006, 27.07.2006, 14.10.2009 und 19.11.2009, die weitere, u.a. orthopädische und psychiatrische Diagnosen, aber keine konkret durchgeführte Behandlung nennen, die Anlass zu näherer Überprüfung geben könnte; s.a. das kardiologische Attest des Theresienkrankenhauses M. vom 04.05.2005, das aufgrund des Herzkatheter-Befundes eine konservative, medikamentöse Therapie - lediglich - empfiehlt, den Bericht der UMM vom 24.03.2009 sowie die Atteste des Neurologen und Psychiaters Dr. S. vom 13.06.2005, 12.01.2006 und 23.11.2009, die ebenfalls verschiedene Diagnosen, aber keine konkrete Behandlung nennen, sowie die diese Einschätzungen bestätigende ärztliche Bescheinigung Dr. S. vom 27.11.2009). Aufgrund der aktuellen Erkenntnislage zur medizinischen Versorgung im Kosovo ist im Falle der Klägerin jedoch keine beachtlich wahrscheinliche Gefahr für Leib und Leben im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG erkennbar, weil ihre Erkrankungen in ihrer Heimat hinreichend behandelbar sind. Insbesondere nach den Lageberichten des Auswärtigen Amtes vom 02.02.2009 und 19.10.2009 - Kosovo - wird die medizinische Grundversorgung der Bevölkerung durch ein in der Qualität aus finanziellen Gründen allerdings manchmal eingeschränktes staatlich finanziertes öffentliches dreistufiges Gesundheitssystem gewährleistet, und zwar durch Erstversorgungszentren, Krankenhäuser auf regionaler Ebene und eine spezialisierte Gesundheitsversorgung durch die Universitätsklinik Pristina. Daneben gibt es im Kosovo mittlerweile eine große Anzahl von Privatpraxen und einige privat geführte medizinische Behandlungszentren, die eine Vielzahl von Behandlungsmöglichkeiten anbieten. Für medizinische Leistungen sowie für bestimmte Basismedikamente hat der Patient Eigenbeteiligungen zu zahlen, die nach vorgegebenen Sätzen pauschal erhoben werden. Von der Zuzahlungspflicht befreit sind jedoch Invaliden und Empfänger von Sozialleistungen, chronisch Kranke, Kinder bis zum 10. Lebensjahr und Personen über 65 Jahre. Die Medikamentenversorgung im staatlichen Gesundheitssystem wird zentral vom kosovarischen Gesundheitsministerium gesteuert, wobei der Medikamentenbedarf in den letzten Jahren mangels ausreichender finanzieller Mittel nicht vollständig gedeckt werden konnte. Im Bedarfsfall sind aber nahezu alle Medikamente über Apotheken beziehbar.
36 
Vor diesem Hintergrund ist nicht erkennbar, dass für die attestierten chronischen Erkrankungen der Klägerin, die derzeit allein mit Basismedikamenten behandelt werden, im Kosovo eine erforderliche medizinische Behandlung nicht gewährleistet wäre oder aus finanziellen Gründen scheitern könnte. Als chronisch Kranke ist die Klägerin von den genannten Zuzahlungen im öffentlichen Gesundheitssystem befreit und wird vorrangig mit den erforderlichen Medikamenten versorgt. Die in der ärztlichen Bescheinigung D. S. vom 27.11.2009 genannten Medikamente, die die Klägerin derzeit einnimmt, sind nach der von der Beklagten vorgelegten Auskunft der Deutschen Botschaft in Pristina vom 26.11.2009 im Kosovo kostenlos erhältlich. Etwas anderes ergibt sich auch nicht, soweit die Klägerin ausführt, sie sei alleinerziehend und befürchte, als Angehörige der Volksgruppe der Roma die ggf. (grundsätzlich) vorhandenen medizinischen Behandlungsmöglichkeiten nicht zu erhalten. Ungeachtet einer möglicherweise nicht optimalen medizinischen Versorgungslage im Kosovo ist nicht mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit zu befürchten, dass die Klägerin als Roma die notwendige Behandlung nicht wird erlangen können. Denn das öffentliche Gesundheitssystem steht grundsätzlich allen Ethnien offen (vgl. hierzu auch die Auskunft des Deutschen Verbindungsbüros Kosovo an das VG Sigmaringen vom 07.06.2005).
37 
Anhaltspunkte dafür, dass die Klägerin - wie sie andeutet - an einem schwer zu behandelnden, komplexen Krankheitsbild leidet und etwa ein weiterer Schlaganfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit drohen könnte, ergeben sich aus den vorliegenden ärztlichen Bescheinigungen nicht. Auch eine sonstige beachtlich wahrscheinliche Gefahr im Sinne des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ist trotz der dargelegten gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht hinreichend feststellbar. Nach den zum Gegenstand des Verfahrens gemachten Lageberichten des Auswärtigen Amtes vom 02.02.2009 und 19.10.2009 ist die Grundversorgung der gesamten Bevölkerung des Kosovo zwischenzeitlich gewährleistet. Bedürftige Personen erhalten Unterstützung in Form von Sozialhilfe, deren Höhe sich allerdings selbst gemessen an den Lebensbedingungen im Kosovo auf niedrigem Niveau bewegt. Empfänger von Sozialhilfeleistungen sind jedoch insbesondere von Zuzahlungen im öffentlichen Gesundheitssystem befreit. Zwar ist es für Angehörige der Volksgruppe der Roma aufgrund von Vorurteilen der übrigen Bevölkerung schwierig, Wohnraum anzumieten. Es stehen aber Übergangsunterkünfte und bezugsfertige Wohnmöglichkeiten im groß angelegten Aufbauprojekt der Siedlung „Roma Mahala“ in Süd-Mitrovica zur Verfügung, wo auch ein „Haus der Gesundheit“ eröffnet worden ist, das eine medizinische Grundversorgung der Bewohner unmittelbar vor Ort sicherstellen kann.
38 
Soweit sich die Klägerin schließlich auf das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung beruft, wurde diese Diagnose zwar in den beim Bundesamt vorgelegten Attesten des Facharztes für Allgemeinmedizin Dr. P. vom 15.07.2002, 08.10.2002, 05.05.2003 und 22.09.2003 neben zahlreichen anderen Diagnosen aufgezählt; es wurden verschiedene Medikamente und eine wöchentliche Psychotherapie genannt, ein konkreter Behandlungsbedarf sowie eine Prognose wurden jedoch - trotz der Aufforderung bereits des Bundesamts, hierzu konkrete Angaben zu machen -, nicht näher beschrieben. Im Attest vom 22.09.2003 wird lediglich der Vortrag der Klägerin zu ihren Ausreisegründen wiedergeben, nicht aber die Diagnose begründet oder eine konkrete Behandlung näher bezeichnet. Der für die Diagnose einer posttraumatischen Belastungsstörung befähigte Facharzt für Psychiatrie und Neurologie Dr. S., bei dem die Klägerin nach eigenen Angaben seit Jahren in Behandlung ist, deutet die Diagnose einer Traumaerkrankung in seinen später erstellten Attesten noch nicht einmal an (vgl. Atteste vom 13.06.2005 und vom 12.01.2006). Vom Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung kann vor diesem Hintergrund weder ausgegangen werden noch ergibt sich ergänzender Klärungsbedarf (vgl. zu den an ein fachärztliches Attest zu stellenden Mindestanforderungen auch BVerwG, Urteil vom 11.09.2007 - 10 C 8.07 - BVerwGE 129, 251). Abgesehen davon ist es für den Senat auch in keiner Weise nachzuvollziehen, dass die Erkrankung auf traumatischen Erlebnissen beruhen könnte, die der Klägerin als Roma vor ihrer Einreise in das Bundesgebiet zugestoßen waren. Zum einen hatte sie sich im Asylerstverfahren mit keinem Wort auf ihre Zugehörigkeit zu den Roma berufen, zum anderen fehlt es auch insoweit bis heute an jedem nachvollziehbaren Vortrag. Wiederum losgelöst hiervon geht der Senat im Übrigen davon aus, dass posttraumatische Belastungsstörungen und andere psychische Erkrankungen im Kosovo - wenn auch nicht optimal - behandelt werden können (Lagebericht des Auswärtigen Amtes - Kosovo - vom 19.10.2009, S. 24). Klärungsbedürftige Anhaltspunkte für das Vorliegen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG ergeben sich (auch) hieraus nicht. Soweit die Klägerin die Einholung eines Sachverständigengutachtens begehrt, handelt es sich mangels entsprechender Anknüpfungstatsachen nicht um einen Beweis-, sondern um einen bloßen Beweisermittlungsantrag, der auf Ausforschung gerichtet ist und dem Senat auch vor dem Hintergrund des Grundsatzes der Amtsermittlung (§ 86 Abs. 1 VwGO) keinen Anlass gibt, den Sachverhalt weiter aufzuklären (vgl. hierzu BVerwG, Urteil vom 11.09.2007 - 10 C 8.07 - a.a.O.; Beschluss vom 24.05.2006 - 1 B 118.05 - InfAuslR 2006, 485; Beschluss vom 28.03.2006 - 1 B 91.05 u.a. - NVwZ 2007, 346; Beschluss vom 29.06.2005 - 1 B 174.04 - juris).
39 
3. Die Abschiebungsandrohung im Bescheid des Bundesamts vom 15.07.2004 ist ungeachtet der heute abweichenden Zielstaatsbezeichnungen nicht zu beanstanden (vgl. zur Abschiebung in den Kosovo auch Senatsbeschluss vom 22.07.2008 - 11 S 1771/08 - InfAuslR 2008, 420).
40 
Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO i.V.m. § 83b AsylVfG und einer entsprechenden Anwendung des § 162 Abs. 3 VwGO.
41 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der Voraussetzungen des § 132 Abs. 2 VwGO vorliegt.

(1) Das Bundesamt erlässt nach den §§ 59 und 60 Absatz 10 des Aufenthaltsgesetzes eine schriftliche Abschiebungsandrohung, wenn

1.
der Ausländer nicht als Asylberechtigter anerkannt wird,
2.
dem Ausländer nicht die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt wird,
2a.
dem Ausländer kein subsidiärer Schutz gewährt wird,
3.
die Voraussetzungen des § 60 Absatz 5 und 7 des Aufenthaltsgesetzes nicht vorliegen oder die Abschiebung ungeachtet des Vorliegens der Voraussetzungen des § 60 Absatz 7 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes ausnahmsweise zulässig ist und
4.
der Ausländer keinen Aufenthaltstitel besitzt.
Eine Anhörung des Ausländers vor Erlass der Abschiebungsandrohung ist nicht erforderlich. Im Übrigen bleibt die Ausländerbehörde für Entscheidungen nach § 59 Absatz 1 Satz 4 und Absatz 6 des Aufenthaltsgesetzes zuständig.

(2) Die Abschiebungsandrohung soll mit der Entscheidung über den Asylantrag verbunden werden. Wurde kein Bevollmächtigter für das Verfahren bestellt, sind die Entscheidungsformel der Abschiebungsandrohung und die Rechtsbehelfsbelehrung dem Ausländer in eine Sprache zu übersetzen, deren Kenntnis vernünftigerweise vorausgesetzt werden kann.

(1) In den Fällen der Unzulässigkeit nach § 29 Absatz 1 Nummer 2 und 4 und der offensichtlichen Unbegründetheit des Asylantrages beträgt die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist eine Woche.

(2) Das Bundesamt übermittelt mit der Zustellung der Entscheidung den Beteiligten eine Kopie des Inhalts der Asylakte. Der Verwaltungsvorgang ist mit dem Nachweis der Zustellung unverzüglich dem zuständigen Verwaltungsgericht zu übermitteln.

(3) Anträge nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsandrohung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen; dem Antrag soll der Bescheid des Bundesamtes beigefügt werden. Der Ausländer ist hierauf hinzuweisen. § 58 der Verwaltungsgerichtsordnung ist entsprechend anzuwenden. Die Entscheidung soll im schriftlichen Verfahren ergehen; eine mündliche Verhandlung, in der zugleich über die Klage verhandelt wird, ist unzulässig. Die Entscheidung soll innerhalb von einer Woche nach Ablauf der Frist des Absatzes 1 ergehen. Die Kammer des Verwaltungsgerichts kann die Frist nach Satz 5 um jeweils eine weitere Woche verlängern. Die zweite Verlängerung und weitere Verlängerungen sind nur bei Vorliegen schwerwiegender Gründe zulässig, insbesondere wenn eine außergewöhnliche Belastung des Gerichts eine frühere Entscheidung nicht möglich macht. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Die Entscheidung ist ergangen, wenn die vollständig unterschriebene Entscheidungsformel der Geschäftsstelle der Kammer vorliegt. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes und die Anordnung und Befristung nach § 11 Absatz 7 des Aufenthaltsgesetzes sind ebenso innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung bleibt hiervon unberührt.

(4) Die Aussetzung der Abschiebung darf nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, bleiben unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig. Ein Vorbringen, das nach § 25 Abs. 3 im Verwaltungsverfahren unberücksichtigt geblieben ist, sowie Tatsachen und Umstände im Sinne des § 25 Abs. 2, die der Ausländer im Verwaltungsverfahren nicht angegeben hat, kann das Gericht unberücksichtigt lassen, wenn andernfalls die Entscheidung verzögert würde.

(1) Die Abschiebung ist unter Bestimmung einer angemessenen Frist zwischen sieben und 30 Tagen für die freiwillige Ausreise anzudrohen. Ausnahmsweise kann eine kürzere Frist gesetzt oder von einer Fristsetzung abgesehen werden, wenn dies im Einzelfall zur Wahrung überwiegender öffentlicher Belange zwingend erforderlich ist, insbesondere wenn

1.
der begründete Verdacht besteht, dass der Ausländer sich der Abschiebung entziehen will, oder
2.
von dem Ausländer eine erhebliche Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung ausgeht.
Unter den in Satz 2 genannten Voraussetzungen kann darüber hinaus auch von einer Abschiebungsandrohung abgesehen werden, wenn
1.
der Aufenthaltstitel nach § 51 Absatz 1 Nummer 3 bis 5 erloschen ist oder
2.
der Ausländer bereits unter Wahrung der Erfordernisse des § 77 auf das Bestehen seiner Ausreisepflicht hingewiesen worden ist.
Die Ausreisefrist kann unter Berücksichtigung der besonderen Umstände des Einzelfalls angemessen verlängert oder für einen längeren Zeitraum festgesetzt werden. § 60a Absatz 2 bleibt unberührt. Wenn die Vollziehbarkeit der Ausreisepflicht oder der Abschiebungsandrohung entfällt, wird die Ausreisefrist unterbrochen und beginnt nach Wiedereintritt der Vollziehbarkeit erneut zu laufen. Einer erneuten Fristsetzung bedarf es nicht. Nach Ablauf der Frist zur freiwilligen Ausreise darf der Termin der Abschiebung dem Ausländer nicht angekündigt werden.

(2) In der Androhung soll der Staat bezeichnet werden, in den der Ausländer abgeschoben werden soll, und der Ausländer darauf hingewiesen werden, dass er auch in einen anderen Staat abgeschoben werden kann, in den er einreisen darf oder der zu seiner Übernahme verpflichtet ist. Gebietskörperschaften im Sinne der Anhänge I und II der Verordnung (EU) 2018/1806 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 14. November 2018 zur Aufstellung der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige beim Überschreiten der Außengrenzen im Besitz eines Visums sein müssen, sowie der Liste der Drittländer, deren Staatsangehörige von dieser Visumpflicht befreit sind (ABl. L 303 vom 28.11.2018, S. 39), sind Staaten gleichgestellt.

(3) Dem Erlass der Androhung steht das Vorliegen von Abschiebungsverboten und Gründen für die vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nicht entgegen. In der Androhung ist der Staat zu bezeichnen, in den der Ausländer nicht abgeschoben werden darf. Stellt das Verwaltungsgericht das Vorliegen eines Abschiebungsverbots fest, so bleibt die Rechtmäßigkeit der Androhung im Übrigen unberührt.

(4) Nach dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung bleiben für weitere Entscheidungen der Ausländerbehörde über die Abschiebung oder die Aussetzung der Abschiebung Umstände unberücksichtigt, die einer Abschiebung in den in der Abschiebungsandrohung bezeichneten Staat entgegenstehen und die vor dem Eintritt der Unanfechtbarkeit der Abschiebungsandrohung eingetreten sind; sonstige von dem Ausländer geltend gemachte Umstände, die der Abschiebung oder der Abschiebung in diesen Staat entgegenstehen, können unberücksichtigt bleiben. Die Vorschriften, nach denen der Ausländer die im Satz 1 bezeichneten Umstände gerichtlich im Wege der Klage oder im Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes nach der Verwaltungsgerichtsordnung geltend machen kann, bleiben unberührt.

(5) In den Fällen des § 58 Abs. 3 Nr. 1 bedarf es keiner Fristsetzung; der Ausländer wird aus der Haft oder dem öffentlichen Gewahrsam abgeschoben. Die Abschiebung soll mindestens eine Woche vorher angekündigt werden.

(6) Über die Fristgewährung nach Absatz 1 wird dem Ausländer eine Bescheinigung ausgestellt.

(7) Liegen der Ausländerbehörde konkrete Anhaltspunkte dafür vor, dass der Ausländer Opfer einer in § 25 Absatz 4a Satz 1 oder in § 25 Absatz 4b Satz 1 genannten Straftat wurde, setzt sie abweichend von Absatz 1 Satz 1 eine Ausreisefrist, die so zu bemessen ist, dass er eine Entscheidung über seine Aussagebereitschaft nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 3 oder nach § 25 Absatz 4b Satz 2 Nummer 2 treffen kann. Die Ausreisefrist beträgt mindestens drei Monate. Die Ausländerbehörde kann von der Festsetzung einer Ausreisefrist nach Satz 1 absehen, diese aufheben oder verkürzen, wenn

1.
der Aufenthalt des Ausländers die öffentliche Sicherheit und Ordnung oder sonstige erhebliche Interessen der Bundesrepublik Deutschland beeinträchtigt oder
2.
der Ausländer freiwillig nach der Unterrichtung nach Satz 4 wieder Verbindung zu den Personen nach § 25 Absatz 4a Satz 2 Nummer 2 aufgenommen hat.
Die Ausländerbehörde oder eine durch sie beauftragte Stelle unterrichtet den Ausländer über die geltenden Regelungen, Programme und Maßnahmen für Opfer von in § 25 Absatz 4a Satz 1 genannten Straftaten.

(8) Ausländer, die ohne die nach § 4a Absatz 5 erforderliche Berechtigung zur Erwerbstätigkeit beschäftigt waren, sind vor der Abschiebung über die Rechte nach Artikel 6 Absatz 2 und Artikel 13 der Richtlinie 2009/52/EG des Europäischen Parlaments und des Rates vom 18. Juni 2009 über Mindeststandards für Sanktionen und Maßnahmen gegen Arbeitgeber, die Drittstaatsangehörige ohne rechtmäßigen Aufenthalt beschäftigen (ABl. L 168 vom 30.6.2009, S. 24), zu unterrichten.

(1) In den Fällen der Unzulässigkeit nach § 29 Absatz 1 Nummer 2 und 4 und der offensichtlichen Unbegründetheit des Asylantrages beträgt die dem Ausländer zu setzende Ausreisefrist eine Woche.

(2) Das Bundesamt übermittelt mit der Zustellung der Entscheidung den Beteiligten eine Kopie des Inhalts der Asylakte. Der Verwaltungsvorgang ist mit dem Nachweis der Zustellung unverzüglich dem zuständigen Verwaltungsgericht zu übermitteln.

(3) Anträge nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung gegen die Abschiebungsandrohung sind innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen; dem Antrag soll der Bescheid des Bundesamtes beigefügt werden. Der Ausländer ist hierauf hinzuweisen. § 58 der Verwaltungsgerichtsordnung ist entsprechend anzuwenden. Die Entscheidung soll im schriftlichen Verfahren ergehen; eine mündliche Verhandlung, in der zugleich über die Klage verhandelt wird, ist unzulässig. Die Entscheidung soll innerhalb von einer Woche nach Ablauf der Frist des Absatzes 1 ergehen. Die Kammer des Verwaltungsgerichts kann die Frist nach Satz 5 um jeweils eine weitere Woche verlängern. Die zweite Verlängerung und weitere Verlängerungen sind nur bei Vorliegen schwerwiegender Gründe zulässig, insbesondere wenn eine außergewöhnliche Belastung des Gerichts eine frühere Entscheidung nicht möglich macht. Die Abschiebung ist bei rechtzeitiger Antragstellung vor der gerichtlichen Entscheidung nicht zulässig. Die Entscheidung ist ergangen, wenn die vollständig unterschriebene Entscheidungsformel der Geschäftsstelle der Kammer vorliegt. Anträge auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes gegen die Befristung des Einreise- und Aufenthaltsverbots durch das Bundesamt nach § 11 Absatz 2 des Aufenthaltsgesetzes und die Anordnung und Befristung nach § 11 Absatz 7 des Aufenthaltsgesetzes sind ebenso innerhalb einer Woche nach Bekanntgabe zu stellen. Die Vollziehbarkeit der Abschiebungsandrohung bleibt hiervon unberührt.

(4) Die Aussetzung der Abschiebung darf nur angeordnet werden, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsaktes bestehen. Tatsachen und Beweismittel, die von den Beteiligten nicht angegeben worden sind, bleiben unberücksichtigt, es sei denn, sie sind gerichtsbekannt oder offenkundig. Ein Vorbringen, das nach § 25 Abs. 3 im Verwaltungsverfahren unberücksichtigt geblieben ist, sowie Tatsachen und Umstände im Sinne des § 25 Abs. 2, die der Ausländer im Verwaltungsverfahren nicht angegeben hat, kann das Gericht unberücksichtigt lassen, wenn andernfalls die Entscheidung verzögert würde.

(1) Gegen einen Ausländer, der ausgewiesen, zurückgeschoben oder abgeschoben worden ist, ist ein Einreise- und Aufenthaltsverbot zu erlassen. Infolge des Einreise- und Aufenthaltsverbots darf der Ausländer weder erneut in das Bundesgebiet einreisen noch sich darin aufhalten noch darf ihm, selbst im Falle eines Anspruchs nach diesem Gesetz, ein Aufenthaltstitel erteilt werden.

(2) Im Falle der Ausweisung ist das Einreise- und Aufenthaltsverbot gemeinsam mit der Ausweisungsverfügung zu erlassen. Ansonsten soll das Einreise- und Aufenthaltsverbot mit der Abschiebungsandrohung oder Abschiebungsanordnung nach § 58a unter der aufschiebenden Bedingung der Ab- oder Zurückschiebung und spätestens mit der Ab- oder Zurückschiebung erlassen werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist bei seinem Erlass von Amts wegen zu befristen. Die Frist beginnt mit der Ausreise. Die Befristung kann zur Abwehr einer Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung mit einer Bedingung versehen werden, insbesondere einer nachweislichen Straf- oder Drogenfreiheit. Tritt die Bedingung bis zum Ablauf der Frist nicht ein, gilt eine von Amts wegen zusammen mit der Befristung nach Satz 5 angeordnete längere Befristung.

(3) Über die Länge der Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots wird nach Ermessen entschieden. Sie darf außer in den Fällen der Absätze 5 bis 5b fünf Jahre nicht überschreiten.

(4) Das Einreise- und Aufenthaltsverbot kann zur Wahrung schutzwürdiger Belange des Ausländers oder, soweit es der Zweck des Einreise- und Aufenthaltsverbots nicht mehr erfordert, aufgehoben oder die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots verkürzt werden. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot soll aufgehoben werden, wenn die Voraussetzungen für die Erteilung eines Aufenthaltstitels nach Kapitel 2 Abschnitt 5 vorliegen. Bei der Entscheidung über die Verkürzung der Frist oder die Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots, das zusammen mit einer Ausweisung erlassen wurde, ist zu berücksichtigen, ob der Ausländer seiner Ausreisepflicht innerhalb der ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, es sei denn, der Ausländer war unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist war nicht erheblich. Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann aus Gründen der öffentlichen Sicherheit und Ordnung verlängert werden. Absatz 3 gilt entsprechend.

(5) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll zehn Jahre nicht überschreiten, wenn der Ausländer auf Grund einer strafrechtlichen Verurteilung ausgewiesen worden ist oder wenn von ihm eine schwerwiegende Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung ausgeht. Absatz 4 gilt in diesen Fällen entsprechend.

(5a) Die Frist des Einreise- und Aufenthaltsverbots soll 20 Jahre betragen, wenn der Ausländer wegen eines Verbrechens gegen den Frieden, eines Kriegsverbrechens oder eines Verbrechens gegen die Menschlichkeit oder zur Abwehr einer Gefahr für die Sicherheit der Bundesrepublik Deutschland oder einer terroristischen Gefahr ausgewiesen wurde. Absatz 4 Satz 4 und 5 gilt in diesen Fällen entsprechend. Eine Verkürzung der Frist oder Aufhebung des Einreise- und Aufenthaltsverbots ist grundsätzlich ausgeschlossen. Die oberste Landesbehörde kann im Einzelfall Ausnahmen hiervon zulassen.

(5b) Wird der Ausländer auf Grund einer Abschiebungsanordnung nach § 58a aus dem Bundesgebiet abgeschoben, soll ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. In den Fällen des Absatzes 5a oder wenn der Ausländer wegen eines in § 54 Absatz 1 Nummer 1 genannten Ausweisungsinteresses ausgewiesen worden ist, kann im Einzelfall ein unbefristetes Einreise- und Aufenthaltsverbot erlassen werden. Absatz 5a Satz 3 und 4 gilt entsprechend.

(5c) Die Behörde, die die Ausweisung, die Abschiebungsandrohung oder die Abschiebungsanordnung nach § 58a erlässt, ist auch für den Erlass und die erstmalige Befristung des damit zusammenhängenden Einreise- und Aufenthaltsverbots zuständig.

(6) Gegen einen Ausländer, der seiner Ausreisepflicht nicht innerhalb einer ihm gesetzten Ausreisefrist nachgekommen ist, kann ein Einreise- und Aufenthaltsverbot angeordnet werden, es sei denn, der Ausländer ist unverschuldet an der Ausreise gehindert oder die Überschreitung der Ausreisefrist ist nicht erheblich. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Ein Einreise- und Aufenthaltsverbot wird nicht angeordnet, wenn Gründe für eine vorübergehende Aussetzung der Abschiebung nach § 60a vorliegen, die der Ausländer nicht verschuldet hat.

(7) Gegen einen Ausländer,

1.
dessen Asylantrag nach § 29a Absatz 1 des Asylgesetzes als offensichtlich unbegründet abgelehnt wurde, dem kein subsidiärer Schutz zuerkannt wurde, das Vorliegen der Voraussetzungen für ein Abschiebungsverbot nach § 60 Absatz 5 oder 7 nicht festgestellt wurde und der keinen Aufenthaltstitel besitzt oder
2.
dessen Antrag nach § 71 oder § 71a des Asylgesetzes wiederholt nicht zur Durchführung eines weiteren Asylverfahrens geführt hat,
kann das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge ein Einreise- und Aufenthaltsverbot anordnen. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot wird mit Bestandskraft der Entscheidung über den Asylantrag wirksam. Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 Satz 3 bis 6, Absatz 3 Satz 1 und Absatz 4 Satz 1, 2 und 4 gelten entsprechend. Das Einreise- und Aufenthaltsverbot ist mit seiner Anordnung nach Satz 1 zu befristen. Bei der ersten Anordnung des Einreise- und Aufenthaltsverbots nach Satz 1 soll die Frist ein Jahr nicht überschreiten. Im Übrigen soll die Frist drei Jahre nicht überschreiten. Über die Aufhebung, Verlängerung oder Verkürzung entscheidet die zuständige Ausländerbehörde.

(8) Vor Ablauf des Einreise- und Aufenthaltsverbots kann dem Ausländer ausnahmsweise erlaubt werden, das Bundesgebiet kurzfristig zu betreten, wenn zwingende Gründe seine Anwesenheit erfordern oder die Versagung der Erlaubnis eine unbillige Härte bedeuten würde. Im Falle der Absätze 5a und 5b ist für die Entscheidung die oberste Landesbehörde zuständig.

(9) Reist ein Ausländer entgegen einem Einreise- und Aufenthaltsverbot in das Bundesgebiet ein, wird der Ablauf einer festgesetzten Frist für die Dauer des Aufenthalts im Bundesgebiet gehemmt. Die Frist kann in diesem Fall verlängert werden, längstens jedoch um die Dauer der ursprünglichen Befristung. Der Ausländer ist auf diese Möglichkeit bei der erstmaligen Befristung hinzuweisen. Für eine nach Satz 2 verlängerte Frist gelten die Absätze 3 und 4 Satz 1 entsprechend.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.