Verwaltungsgericht Aachen Urteil, 05. Sept. 2014 - 7 K 2917/13.A
Gericht
Tenor
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
T a t b e s t a n d
2Der Kläger ist nach eigenen Angaben eritreischer Staatsangehöriger und am 21. Januar 0000 in B. geboren. Er reiste am 30. August 2013 in das Bundesgebiet ein und stellte am selben Tag einen Asylantrag.
3Bei einer Vernehmung durch die Bundespolizeidirektion München ebenfalls am 30. August 2013 gab der Kläger an, er habe Eritrea im Mai 2013 verlassen. Er sei über Äthiopien und Libyen nach Italien und von dort nach Deutschland gereist.
4Mit Schreiben vom 04. September 2013 ersuchte die Beklagte Italien um Rücknahme des Klägers. Die italienischen Behörden antworteten auf das Ersuchen nicht.
5Mit Bescheid vom 09. Oktober 2013 stellte das Bundesamt fest, dass der Asylantrag unzulässig ist, und ordnete die Abschiebung des Klägers nach Italien an. Zur Begründung führte es aus, dass der Asylantrag gemäß § 27a AsylVfG unzulässig sei, der Italien aufgrund Verfristung gemäß Art. 17 Abs. 7 Dublin II-Verordnung für die Behandlung des Asylantrags zuständig sei. Außergewöhnliche humanitäre Gründe, die die Beklagte veranlassen könnten, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Dublin II-Verordnung auszuüben, seien nicht ersichtlich. Die Anordnung der Abschiebung nach Italien beruhe auf § 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG.
6Der Kläger hat am 28. November 2013 Klage erhoben. Er beantragt, das Verfahren im Hinblick auf das bei der Großen Kammer des Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) anhängige Verfahren Tarakhel ./. Schweiz - Nr. 29217/12 - bis zu einer Entscheidung in jenem Verfahren analog § 94 VwGO auszusetzen. Zur Begründung führt er aus, es gehe um die Frage, ob die Abschiebung einer afghanischen Familie nach Italien gegen Art. 3 EMRK verstoße. Die zuständige Kammer habe das Verfahren jedoch nach Art. 30 EMRK an die Große Kammer abgegeben. Eine grundsätzliche Klärung der Frage der Zulässigkeit von Abschiebungen nach Italien, möglicherweise von den bisherigen Entscheidungen des EGMR zu der Frage abweichend, sei daher zu erwarten. Eine Anhörung vor der großen Kammer habe am 12. Februar 2014 stattgefunden. Die Aussetzung des Verfahrens sei im Hinblick auf die drohende Verletzung von Art. 3 EMRK geboten. Auch Art. 19 Abs. 4 GG gebiete eine Aussetzung des Verfahrens. Im Übrigen seien wegen des massiven Anstiegs der Zahl von Flüchtlingen, die in Italien anlanden, (wieder) systemische Mängel im Asylsystem Italiens anzunehmen.
7Der Kläger beantragt,
8den Bescheid des Bundesamtes vom 09. Oktober 2013 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, ein Asylverfahren durchzuführen, hilfsweise, die Beklagte zu verpflichten, über die Frage der Ausübung des Selbsteintrittsrechts unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
9Die Beklagte beantragt schriftsätzlich,
10die Klage abzuweisen.
11Sie bezieht sich zur Begründung auf die Ausführungen in dem angefochtenen Bescheid.
12Das Gericht hat mit Beschluss vom 03. Dezember 2013 die aufschiebende Wirkung der Klage angeordnet (7 L 619/13.A).
13Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte sowie den beigezogenen Verwaltungsvorgang Bezug genommen.
14E n t s c h e i d u n g s g r ü n d e
15I.
16Die Kammer konnte verhandeln und entscheiden, obwohl die Beklagte zur mündlichen Verhandlung nicht erschienen ist. Sie wurde unter Hinweis auf diese Möglichkeit ordnungsgemäß geladen (§ 102 Abs. 2 VwGO).
17Zu einer Aussetzung des Verfahrens gemäß § 94 VwGO (analog) im Hinblick auf die noch ausstehende Entscheidung der Großen Kammer des EGMR in dem Verfahren Nr. 29217/12 ("Tarakhel") sieht sich die Kammer nicht veranlasst. Nach der genannten Norm kann das Gericht, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet, anordnen, dass die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits auszusetzen sei. Die Entscheidung über die Aussetzung steht, wie bereits der Wortlaut der Norm verdeutlicht, im Ermessen des Gerichts.
18Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.09.2013 – 9 B 43/13 –, juris Rn. 3 m.w.N.; Sächs. OVG, Beschluss vom 22.01.2014 – 4 A 603/13 –, juris Rn. 9; Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 94 Rn. 30 f. m.w.N. (Stand: 2014).
19Die Voraussetzungen, unter denen ausnahmsweise eine Ermessensreduzierung auf Null anzunehmen sein könnte,
20Vgl. BVerwG, Beschluss vom 11.09.2013 – 9 B 43/13 –, juris Rn. 3; Rudisile, in: Schoch/Schneider/Bier, VwGO, § 94 Rn. 32 ff. m.w.N. (Stand: 2014),
21liegen nach Überzeugung der Kammer nicht vor. Insbesondere steht die Rechtsauffassung des erkennenden Gerichts in Einklang mit der derzeitigen Rechtsprechung des EGMR, so dass deren Orientierungs- und Leitungsfunktion Rechnung getragen ist.
22Vgl. BVerfG, Beschluss vom 18.08.2013 – 2 BvR 1380/08 –, juris Rn. 28 m.N.; BVerwG, Urteil vom 28.02.2013 – 2 C 3.12 –, juris Rn. 46
23Der EGMR - 3. Sektion - hat bereits mit Beschluss vom 02. April 2013 – Nr. 27725/10 – („Mohammed Hussein“), juris (Kurztext), auf der Grundlage der Würdigung zahlreicher Berichte von Regierungs- und Nichtregierungsorganisationen entschieden, dass die allgemeine Situation für Asylsuchende in Italien keine schweren systemischen Mängel aufweist. Ungeachtet der Besonderheiten des zu entscheidenden Falles lag dieser Entscheidung jedenfalls auch eine Betrachtung der allgemeinen Situation und der Lebensbedingungen in Italien zugrunde. Ihr lässt sich nicht entnehmen, der EGMR habe eigentlich etwas anderes, nämlich in Richtung auf das Bestehen systemischer Mängel, sagen wollen.
24Vgl. OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 – 1 A 21/12.A –, juris Rn. 186 ff.; so aber VG Frankfurt, Urteil vom 9. Juli 2013 - 7 K 560/11.F.A -, juris Rn. 61 f.; VG Gießen, Urteil vom 25. November 2013 - 1 K 844/11. GI.A -, juris Rn. 36.
25Hinzukommt, dass der EGMR seine Linie zu Italien auch in nachfolgenden Entscheidungen bestätigt hat.
26Vgl. Beschlüsse vom 18. Juni 2013 - 53852/11 - ("Halimi"), juris (Kurztext), ZAR 2013, 338 ff., und vom 10. September 2013 - 2314/10 - ("Hussein Diirshi"), Rn. 138, 139 (abrufbar auf der Internetseite des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte „hudoc“).
27Anhaltspunkte für eine bevorstehende Änderung der Rechtsprechung des EGMR bestehen auf dieser Grundlage nicht.
28Vgl. VG Bremen, Beschluss vom 31.07.2014 – 1 V 495/14 –, juris Rn. 37: „reine Mutmaßung“.
29Ungeachtet dessen ist ohnehin ungewiss, inwiefern der EGMR in dem in Rede stehenden Verfahren fallübergreifende Feststellungen zu den Verhältnissen in Italien treffen oder die konkreten Verhältnisse des zu entscheidenden Falles in den Vordergrund stellen wird, bei dem es um eine afghanische Familie geht.
30Schließlich ergibt sich aus den nachstehenden Ausführungen unter Ziffer III, dass weder allgemeine noch in der Person des Klägers liegende konkrete Gründe gebieten, von einer Überstellung nach Italien abzusehen, so dass insbesondere Art. 3 EMRK nicht als Argument für eine Aussetzung des Verfahrens ins Feld geführt werden kann.
31II.
32Die Klage hat keinen Erfolg.
331.) Sie ist bereits unzulässig, soweit die Verpflichtung zur Durchführung des Asylverfahrens begehrt wird. Ein solcher Verpflichtungsausspruch setzt voraus, dass der Kläger ein entsprechendes Rechtsschutzbedürfnis hat, was aber nur der Fall wäre, wenn die Beklagte zu erkennen gegeben hätte, dass sie nach Aufhebung der angefochtenen Verfügung untätig bleiben würde. Das ist hier aber nicht ansatzweise erkennbar.
34Es kommt hinzu, dass das BVerwG in den Urteilen vom 07. März 1995 - 9 C 264/94 -, juris, und vom 05.09.2013 - 10 C 1.13 -, juris, entschieden hat, dass in Bezug auf eine Einstellungsentscheidung nach einer Antragsrücknahme (§ 32 AsylVfG) bzw. nach einem Nichtbetreiben des Verfahrens (vgl. § 33 Abs. 1 AsylVfG) nur das Anfechtungsbegehren statthaft und die Sachentscheidung zunächst dem Bundesamt vorbehalten ist. Damit ist insbesondere ein "Durchentscheiden" ausgeschlossen. Gleichermaßen muss dies in der hier gegebenen Fallkonstellation gelten, in der das Bundesamt ebenfalls noch keine Sachentscheidung getroffen hat. Ungeachtet dessen scheidet auch ein spezifischer Verpflichtungsausspruch deshalb aus, weil die Durchführung eines auf den Erlass eines Verwaltungsakts gerichteten Verfahrens selbst keinen Verwaltungsakt darstellt bzw. dessen Erlass voraussetzt. Wenn überhaupt, wäre nur eine allgemeine Leistungsklage statthaft.
35Vgl. VGH BW, Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris Rn. 18.
36Vor diesem Hintergrund erhellt zugleich, dass auch der Hilfsantrag auf Verpflichtung der Beklagten, über die Ausübung des Selbsteintrittsrechts neu zu entscheiden, nicht statthaft ist.
37Soweit der Kläger die Aufhebung des Bescheides des Bundesamtes beantragt hat, ist die Klage als Anfechtungsklage statthaft.
38Vgl. VGH BW, Urteil vom 16.04.2014 - A 11 S 1721/13 -, juris Rn. 18; OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A -, juris 28 ff. m.w.N.
39Diese ist auch nicht verfristet. Insoweit verweist die Kammer auf die Ausführungen in dem Beschluss vom 03. Dezember 2013 in dem Eilverfahren 7 L 619/13.A, denen die Beklagte nicht entgegengetreten ist.
402.) Die Klage ist nicht begründet.
41Der Bescheid des Bundesamtes vom 09. Oktober 2013 ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).
42Das Bundesamt hat den Asylantrag des Klägers zu Recht nach § 27 a AsylVfG als unzulässig abgelehnt und auf der Grundlage des § 34 a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG die Abschiebung des Klägers nach Italien angeordnet.
43a) Nach § 27 a AsylVfG ist ein Asylantrag als unzulässig abzulehnen, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrags für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. Vorliegend ist die Zuständigkeit Italiens begründet.
44aa) Die Zuständigkeit Italiens für die Prüfung des Asylbegehrens des Klägers ergibt sich aus Art. 10 Abs. 1 und 18 Abs. 7 VO (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (nachfolgend: Dublin II-Verordnung). Der Kläger war illegal in die Bundesrepublik Deutschland eingereist. Auf das Aufnahmegesuch haben die italienischen Behörden nicht geantwortet.
45Dem steht nicht entgegen, dass die Dublin II-Verordnung durch Art. 48 Satz 1 VO (EG) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaates, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (nachfolgend: Dublin III-Verordnung), mit deren Inkrafttreten am 19. Juli 2013 aufgehoben worden ist. Nach Art. 49 Satz 3 der Dublin III-Verordnung erfolgt die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates für solche Anträge auf internationalen Schutz, die wie der vorliegende Antrag vor dem 1. Januar 2014 eingereicht wurden, weiterhin nach den Kriterien der außer Kraft getretenen Dublin II-Verordnung.
46Vgl. OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 – 1 A 21/12.A –, juris Rn. 41; VG Oldenburg, Beschluss vom 17.02.2014 - 3 B 6974/13 -, juris Rn. 9 m.w.N.
47Der am 30. August 2014 gestellte Asylantrag des Klägers umfasst mangels ausdrücklicher Beschränkung gemäß § 13 Abs. 2 AsylVfG zugleich den Antrag auf internationalen Schutz. Die Bestimmung des zuständigen Mitgliedstaates ist vorliegend mithin weiterhin nach den Kriterien der Dublin II-Verordnung vorzunehmen. Dies gilt nach Art. 49 Satz 2 im Übrigen auch für die Verfahrensanforderungen, da auch das Aufnahmeersuchen noch vor dem 1. Januar 2014 gestellt wurde.
48Die Zuständigkeit für das Asylverfahren ist nicht nach Art. 17 Abs. 1 Unterabs. 2 der Dublin II-Verordnung auf die Beklagte übergegangen. Die darin normierte Frist für das Gesuch um Aufnahme eines Asylbewerbers von drei Monaten ist hier offensichtlich noch nicht abgelaufen.
49Zudem ist weder ersichtlich noch substantiiert dargetan, warum die Beklagte gehalten sein sollte, ihr Selbsteintrittsrecht gemäß Art. 3 Abs. 2 Satz 1 Dublin II-Verordnung auszuüben.
50bb) Soweit sich der Kläger darauf beruft, dass Italien kein dem europäischen und menschenrechtlichen Mindeststandard entsprechendes Asylsystem zur Verfügung stehe und systemische Mängel aufweise, kann dem nicht gefolgt werden.
51Es gilt die Vermutung, dass die Behandlung der Asylbewerber in jedem einzelnen Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Charta der Grundrechte der Europäischen Union (GR-Charta) sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK) steht. Diese Vermutung kann allerdings widerlegt werden. Es obliegt nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs den Mitgliedstaaten einschließlich der nationalen Gerichten, einen Asylbewerber nicht an den nach der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 zuständigen Mitgliedstaat zu überstellen, wenn ihnen nicht unbekannt sein kann, dass die systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass der Antragsteller tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt zu werden Der Mitgliedstaat, der die Überstellung vornehmen müsste, ist in einem solchen Fall verpflichtet, den Asylantrag selbst zu prüfen, sofern nicht ein anderer Mitgliedstaat als für die Prüfung des Asylantrags zuständig bestimmt werden kann.
52Vgl. EuGH, Urteil vom 21.12.2011, C-411/10 u. a. -, juris Rn. 78 ff; BVerwG, Beschluss vom 15.04.2014 – 10 B 17/14 –, juris Rn. 3; OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 – 1 A 21/12.A –, juris Rn. 66 ff.
53Für das in Deutschland - im Unterschied zu anderen Rechtssystemen - durch den Untersuchungsgrundsatz (§ 86 Abs. 1 VwGO) geprägte verwaltungsgerichtliche Verfahren hat das Kriterium der systemischen Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union Bedeutung für die Gefahrenprognose im Rahmen des Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK. Der Tatrichter muss sich zur Widerlegung der auf dem Prinzip gegenseitigen Vertrauens unter den Mitgliedstaaten gründenden Vermutung, die Behandlung der Asylbewerber stehe in jedem Mitgliedstaat in Einklang mit den Erfordernissen der Grundrechte-Charta sowie mit der Genfer Flüchtlingskonvention und der EMRK, die Überzeugungsgewissheit (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) verschaffen, dass der Asylbewerber wegen systemischer Mängel des Asylverfahrens oder der Aufnahmebedingungen in dem eigentlich zuständigen Mitgliedstaat mit beachtlicher, d.h. überwiegender Wahrscheinlichkeit
54- vgl. BVerwG, Urteil vom 27. April 2010 - BVerwG 10 C 5.09 -, juris Rn. 23 m.w.N. -
55einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung ausgesetzt wird. Die Fokussierung der Prognose auf systemische Mängel ist dabei, wie sich aus den Erwägungen des Europäischen Gerichtshofs zur Erkennbarkeit der Mängel für andere Mitgliedstaaten ergibt,
56vgl. EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 - Rs. C-411/10 und Rs. C-493/10 -, juris,
57Ausdruck der Vorhersehbarkeit solcher Defizite, weil sie im Rechtssystem des zuständigen Mitgliedstaates angelegt sind oder dessen Vollzugspraxis strukturell prägen. Solche Mängel treffen den Einzelnen in dem zuständigen Mitgliedstaat nicht unvorhersehbar oder schicksalhaft, sondern lassen sich aus Sicht der deutschen Behörden und Gerichte wegen ihrer systemimmanenten Regelhaftigkeit verlässlich prognostizieren. Die Widerlegung der oben genannten Vermutung aufgrund systemischer Mängel setzt deshalb voraus, dass das Asylverfahren oder die Aufnahmebedingungen im zuständigen Mitgliedstaat aufgrund größerer Funktionsstörungen regelhaft so defizitär sind, dass anzunehmen ist, dass dort auch dem Asylbewerber im konkret zu entscheidenden Einzelfall mit beachtlicher Wahrscheinlichkeit eine unmenschliche oder erniedrigende Behandlung droht. Dann scheidet eine Überstellung an den nach der Dublin-II-Verordnung zuständigen Mitgliedstaat aus.
58Vgl. BVerwG, Beschluss vom 06. Juni 2014 – 10 B 35/14 –, juris Rn. 5.
59Nach diesen Kriterien können systemische Mängel in dem Asylverfahren und den Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in der Italienischen Republik nicht mit der erforderlichen Überzeugungsgewissheit festgestellt werden. Das erkennende Gericht verweist insofern zunächst auf die Ausführungen des OVG NRW in seinem Urteil vom 07.03.2014 – 1 A 21/12.A –, juris Rn. 130 ff. Sie behalten nach Überzeugung der Kammer ihren Aussagewert ungeachtet der Tatsache, dass die Zahl der in Italien anlandenden Flüchtlinge Zeitungsberichten zufolge erheblich gestiegen ist.
60Vgl. etwa Süddeutsche Zeitung vom 31. Mai 2014: "Mehr als 3000 Flüchtlinge erreichen Italien - an einem Tag"; Neue Zürcher Zeitung vom 12.08.2014: "So viele wie noch nie".
61Der VGH BW hat sich zu diesem Umstand in seinem Urteil vom 16.04.2014 – A 11 S 1721/13 –, juris Rn. 50 ff., wie folgt geäußert:
62„In der Vergangenheit waren die tatsächlichen Verhältnisse entscheidend dadurch gekennzeichnet, dass mit Rücksicht auf die hohen Zugangszahlen von Asylbewerbern in den letzten Jahren (v.a. in den Jahren 2008 bis 2011) das Asylsystem Italiens so erheblich belastet war, dass die Aufnahmekapazitäten offenkundig nicht mehr ausreichend waren und eine schnelle Abhilfe zunächst auch wegen der allgemein schlechten wirtschaftlichen Verhältnisse in Italien nicht geleistet wurde. Bereits im Jahre 2011 entwickelte Italien allerdings einen ersten Notaufnahmeplan, mit dem zunächst 26.000 Plätze bereitgestellt wurden (vgl. AA vom 21.01.2013 an OVG Sachsen-Anhalt; UNHCR, a.a.O., S. 10 ff.); zugleich wurden im SPRAR-System die zur Verfügung stehenden Plätze aufgestockt, wobei es sich dabei allerdings teilweise auch um „Umwidmungen“ gehandelt haben könnte (vgl. SFH, a.a.O., S. 22). Auch werden aufgrund einer Anordnung des Innenministeriums bis zum Jahre 2016 die Unterbringungskapazitäten um weitere Plätze in der Größenordnung von 16.000 erhöht (vgl. SFH, a.a.O., S. 22; auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 42, 44 f. und 47). Schließlich sollen durch ein neues Informationssystem „Vestanet“ die Verfahrensabläufe verbessert werden mit dem Ziel einer spürbaren Verkürzung der Verfahren, insbesondere einer Optimierung der Verteilungen und Zuweisungen (SFH, a.a.O., S. 12). Diese Entwicklungen werden von UNHCR insgesamt positiv beurteilt mit der Folge, dass dieser sich nicht gegen Überstellungen von Asylbewerbern an Italien ausgesprochen hat (vgl. a.a.O., S. 17; vgl. auch dessen Ergänzende Informationen vom März 2014). Dass heute ein offenkundiges Missverhältnis zwischen dem Unterkunftsbedarf und den zur Verfügung stehenden Kapazitäten bestehen könnte, lässt sich ausreichend belastbar den verwerteten Erkenntnismitteln nicht entnehmen. Insbesondere lässt sich aus der Stellungnahme von UNHCR nicht folgern, dass heute die nach wie vor bestehenden Engpässe, die aber allenfalls regionalen Charakter haben (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 12 f.), dazu führen würden und könnten, dass Asylbewerber in signifikanter Zahl und typischerweise der Obdachlosigkeit überlassen wären. Auch der Stellungnahme der Schweizerischen Flüchtlingshilfe (vgl. S. 13 ff.; vgl. auch CIR und ECRE, a.a.O., S. 24 f.) lässt sich nicht entnehmen, dass Obdachlosigkeit von Asylbewerbern gewissermaßen an der Tagesordnung wäre und eine charakteristische Erscheinungsform ausmachen würde. Wenn dort auf ein im Mai 2013 geführtes Interview Bezug genommen wird (a.a.O., S. 41), wonach es bei Rückkehrern „relativ häufig“ passiere, dass sie auf der Straße landeten, so ist dieses vor dem Hintergrund der vorgenannten Erkenntnismittel weder nach Quantität noch nach der regionalen Zuordnung hinreichend aussagekräftig und belastbar. Die Tatsache, dass solches andererseits nicht ausgeschlossen ist und die Betroffenen ggf. zeitweise in Notunterkünften (namentlich von Kirchen und Nichtregierungsorganisationen) unterkommen müssen (vgl. auch SFH, a.a.O., S. 15 ff., 33 ff.), begründet keine systemischen Mängel nach dem Verständnis des Europäischen Gerichtshofs, und zwar auch dann nicht, wenn man in Rechnung stellt, dass nach den verwerteten Erkenntnismitteln zumindest in Rom und Mailand Obdachlosigkeit bzw. das Leben in verlassenen oder besetzten Häusern ein nicht mehr zu übersehendes allgemeines Phänomen ausmacht (vgl. zu den Verhältnissen in Rom, Florenz und Mailand SFH, a.a.O., S. 36 ff.), wobei es sich dabei wohl überwiegend um international schutzberechtigte Personen, aber auch solche, die sich zu keinem Zeitpunkt in einem Asylverfahren befunden hatten, handeln dürfte. In diesem Zusammenhang darf auch nicht außer Acht gelassen werden, dass beispielsweise festgestellte Fälle von Obdachlosigkeit und völlig unzureichende Wohnverhältnisse nicht allein dem italienischen Asylsystem zugerechnet werden dürfen. CIR und ECRE (a.a.O., S. 42) weisen darauf hin, dass auch immer wieder eine nicht unerhebliche Zahl von Personen, die im Land verteilt wurden, schlicht untergetaucht sind und unauffindbar waren und dadurch zu den festgestellten Missständen beitragen. Auch kann nicht davon ausgegangen werden, dass gerade die Massierung in den Großstädten, wie Rom und Mailand, monokausal dem italienischen Asylsystem zur Last gelegt werden kann, und nicht vielmehr auch von den dort lebenden Personen - aus welchen Gründen auch immer - bewusst die Entscheidung getroffen wird, in den Großstädten zu verbleiben oder überhaupt erst dorthin zu gehen.
63Bei der inhaltlichen und qualitativen Bewertung des Asylsystems darf zudem nicht gänzlich unberücksichtigt bleiben, dass der italienische Staat in der jüngsten Vergangenheit erhebliche Anstrengungen unternommen hat und auch weiter unternimmt, um die durch stark angestiegene Flüchtlingszahlen verursachten Mängel zu beheben (vgl. in diesem Sinne auch OVG NRW, Urteil vom 07.03.2014 - 1 A 21/12.A - juris), die allerdings auch in nicht unerheblichem Maße darauf beruhten, dass der italienische Staat nicht rechtzeitig und angemessen den Herausforderungen entgegengetreten war.
64Wenn jüngsten Presseberichten (vgl. Süddeutsche Zeitung vom 11.04.2014) zu entnehmen ist, dass in diesem Frühjahr die Zahl der über das Mittelmeer ankommenden Flüchtling in Italien wieder erheblich angestiegen ist, kann mit Rücksicht auf die in der Vergangenheit auch mit Hilfe der EU ins Werk gesetzten Reform- und Ausbaumaßnahmen daraus nicht abgeleitet werden, das italienische Asylsystem werde wieder, wie schon vor dem Jahre 2012 in einem solchen Maße überfordert sein, dass die Bejahung systemischer Mängel ernsthaft in Betracht gezogen werden müsste.
65cc) Für sog. Dublin-Rückkehrer vermag UNHCR ebenfalls keine grundlegenden Unzulänglichkeiten zu erkennen, wobei er aber einschränkend darauf hinweist, dass bedingt durch die beschriebenen Engpässe solche Rückkehrer mitunter eine Reihe von Tagen in einer Aufnahmeeinrichtung auf dem Flughafen verbringen müssen, die von Nichtregierungsorganisationen versorgt, somit eben nicht regelmäßig in die Obdachlosigkeit entlassen werden (vgl. UNHCR, a.a.O., S. 13). Auch CIR und ECRE (a.a.O., S. 42 ff.) beschreiben lediglich Unzulänglichkeiten, messen aber ausdrücklich diesen keinen das gesamte System negativ prägenden und dieses infrage stellenden Charakter bei. Mitunter kommt es allerdings zu Problemen deshalb, weil die nicht-staatlichen Organisationen, die die Rückkehrer auf den Flughäfen betreuen, nicht ausreichend über deren Ankunft informiert wurden (SFH, a.a.O., S. 14). CIR und ECRE (a.a.O., S. 25) konstatieren aber auch hier Verbesserungen.“
66Diesen plausiblen Ausführungen tritt die Kammer bei. Ergänzend ist anzumerken, dass das Europäische Unterstützungsbüro für Asylfragen (EASO), das durch die Verordnung 439/2010/EU gegründet wurde und dem unter anderem die Aufgabe der Unterstützung besonders belasteter Mitgliedstaaten zukommt, der Europäischen Kommission bisher nicht über systemische Mängel in Italien berichtet hat, obwohl die EASO bereits vor Ort unterstützend in Italien tätig ist. Der Bewertung durch die EASO ist im Vollzug der Dublin-II-VO und Dublin-III-VO jedoch besondere Bedeutung zuzumessen.
67Vgl. VG Ansbach, Beschluss vom 28. Juli 2014 – AN 1 S 14.50053 –, juris Rn. 60 m.w.N. unter Verweis auf Erwägungen Nr. 22 und 33 sowie Art. 33 der Verordnung 604/2014/EU, sog. Dublin III-Verordnung.
68Schließlich darf nicht unberücksichtigt bleiben, dass nach aktuellen Pressemitteilungen wohl ein erheblicher Teil der Flüchtlinge Italien wieder verlässt, ohne dort erfasst zu werden oder einen Asylantrag gestellt zu haben.
69Vgl. etwa Die Welt vom 02.09.2014: „Wie Italien Flüchtlinge nach Deutschland umleitet“; FAZ vom 22.08.2014: „Herrmann attackiert Italien“.
70Auch in der übrigen, nach Erlass des Urteils des OVG NRW vom 07.03.2014 – 1 A 21/12.A -, juris, ergangenen Rechtsprechung wird das Bestehen systemischer Mängel überwiegend verneint.
71Vgl. u.a. OVG NRW, Beschluss vom 05.06.2014 – 14 A 1139/14.A –, juris Rn. 13; Beschluss vom 28.04.2014 – 11 A 522/14.A –, juris Rn. 10; Nds. OVG, Beschluss vom 27.05.2014 – 2 LA 308/13 –, juris Rn. 5 f.; VG Ansbach, Beschluss vom 25.08.2014 – AN 4 S 14.50140 –, juris Rn. 10; VG Düsseldorf, Beschluss vom 07.08.2014 – 13 L 1645/14.A –, juris Rn. 28 ff.; VG Frankfurt (Oder), Beschluss vom 06.08.2014 – 6 L 331/14.A –, juris Rn. 10; VG Bremen, Beschluss vom 31.07.2014 – 1 V 495/14 –, juris Rn. 20 ff. VG Ansbach, Beschluss vom 28.07.2014 – AN 1 S 14.50053 –, juris Rn. 46 ff.; VG Würzburg, Urteil vom 23.07.2014 – W 6 K 14.30297 –, juris Rn. 20; a.A. VG Leipzig, Beschluss vom 31.07.2014 – A 5 L 258/14 –, juris; VG Gelsenkirchen, Urteil vom 17.07.2014 – 7a 487/14.A –, juris Rn. 22 ff.
72Der Kläger hat keine individuellen, außergewöhnlichen humanitären Gründe dargelegt, die eine Ausübung des Selbsteintrittsrechts durch die Beklagte notwendig machten. Individuelle konkrete Gefährdungstatbestände, die eine Abschiebung des Klägers nach Italien als Verletzung von Art. 4 GR-Charta bzw. Art. 3 EMRK im Einzelfall erscheinen ließen, sind nicht ersichtlich. Demzufolge ist der streitgegenständliche Bescheid auch diesbezüglich nicht zu beanstanden.
73b) Die Abschiebungsanordnung findet ihre Rechtsgrundlage in § 34a Abs. 1 AsylVfG und stellt sich im Hinblick auf die obigen Ausführungen als rechtmäßig dar.
74Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, § 83b AsylVfG.
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Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.
(1) Soweit nach diesem Grundgesetz ein Grundrecht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes eingeschränkt werden kann, muß das Gesetz allgemein und nicht nur für den Einzelfall gelten. Außerdem muß das Gesetz das Grundrecht unter Angabe des Artikels nennen.
(2) In keinem Falle darf ein Grundrecht in seinem Wesensgehalt angetastet werden.
(3) Die Grundrechte gelten auch für inländische juristische Personen, soweit sie ihrem Wesen nach auf diese anwendbar sind.
(4) Wird jemand durch die öffentliche Gewalt in seinen Rechten verletzt, so steht ihm der Rechtsweg offen. Soweit eine andere Zuständigkeit nicht begründet ist, ist der ordentliche Rechtsweg gegeben. Artikel 10 Abs. 2 Satz 2 bleibt unberührt.
(1) Sobald der Termin zur mündlichen Verhandlung bestimmt ist, sind die Beteiligten mit einer Ladungsfrist von mindestens zwei Wochen, bei dem Bundesverwaltungsgericht von mindestens vier Wochen, zu laden. In dringenden Fällen kann der Vorsitzende die Frist abkürzen.
(2) Bei der Ladung ist darauf hinzuweisen, daß beim Ausbleiben eines Beteiligten auch ohne ihn verhandelt und entschieden werden kann.
(3) Die Gerichte der Verwaltungsgerichtsbarkeit können Sitzungen auch außerhalb des Gerichtssitzes abhalten, wenn dies zur sachdienlichen Erledigung notwendig ist.
(4) § 227 Abs. 3 Satz 1 der Zivilprozeßordnung ist nicht anzuwenden.
Das Gericht kann, wenn die Entscheidung des Rechtsstreits ganz oder zum Teil von dem Bestehen oder Nichtbestehen eines Rechtsverhältnisses abhängt, das den Gegenstand eines anderen anhängigen Rechtsstreits bildet oder von einer Verwaltungsbehörde festzustellen ist, anordnen, daß die Verhandlung bis zur Erledigung des anderen Rechtsstreits oder bis zur Entscheidung der Verwaltungsbehörde auszusetzen sei.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Das Gericht erforscht den Sachverhalt von Amts wegen; die Beteiligten sind dabei heranzuziehen. Es ist an das Vorbringen und an die Beweisanträge der Beteiligten nicht gebunden.
(2) Ein in der mündlichen Verhandlung gestellter Beweisantrag kann nur durch einen Gerichtsbeschluß, der zu begründen ist, abgelehnt werden.
(3) Der Vorsitzende hat darauf hinzuwirken, daß Formfehler beseitigt, unklare Anträge erläutert, sachdienliche Anträge gestellt, ungenügende tatsächliche Angaben ergänzt, ferner alle für die Feststellung und Beurteilung des Sachverhalts wesentlichen Erklärungen abgegeben werden.
(4) Die Beteiligten sollen zur Vorbereitung der mündlichen Verhandlung Schriftsätze einreichen. Hierzu kann sie der Vorsitzende unter Fristsetzung auffordern. Die Schriftsätze sind den Beteiligten von Amts wegen zu übermitteln.
(5) Den Schriftsätzen sind die Urkunden oder elektronischen Dokumente, auf die Bezug genommen wird, in Abschrift ganz oder im Auszug beizufügen. Sind die Urkunden dem Gegner bereits bekannt oder sehr umfangreich, so genügt die genaue Bezeichnung mit dem Anerbieten, Einsicht bei Gericht zu gewähren.
(1) Das Gericht entscheidet nach seiner freien, aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens gewonnenen Überzeugung. In dem Urteil sind die Gründe anzugeben, die für die richterliche Überzeugung leitend gewesen sind.
(2) Das Urteil darf nur auf Tatsachen und Beweisergebnisse gestützt werden, zu denen die Beteiligten sich äußern konnten.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.