Verwaltungsgericht Düsseldorf Beschluss, 07. Aug. 2014 - 13 L 1645/14.A
Gericht
Tenor
Der Antrag wird mit der Maßgabe abgelehnt, dass
1. die italienischen Behörden unter Berücksichtigung des vorgelegten ärztlichen Attestes vom 22. Juli 2014 vor der Durchführung der Abschiebung über die Erkrankung des Antragstellers an einem insulinpflichtigen Diabetes mellitus Typ 1 informiert werden und
2. dem Antragsteller bei der Abschiebung ein – ggfs. nach Rücksprache mit den italienischen Behörden zu bemessender - für die Übergangszeit bis zur Registrierung im italienischen Gesundheitssystem ausreichender Insulinvorrat sowie die zur Lagerung, einschließlich Kühlung, und Verabreichung des Insulins erforderlichen Hilfsmittel mitgegeben werden.
Der Antragsteller trägt die Kosten des Verfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
1
Gründe:
2Der am 22. Juli 2014 sinngemäß anhängig gemachte Antrag,
3die aufschiebende Wirkung der Klage 13 K 4743/14.A gegen Ziffer 2 des Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge vom 2. Juli 2014 anzuordnen,
4zu dessen Entscheidung die Einzelrichterin gemäß § 76 Absatz 4 Satz 1 AsylVfG berufen ist, hat keinen Erfolg. Er ist zulässig, bleibt aber in der Sache erfolglos.
5Der hier gestellte Antrag nach § 80 Abs. 5 der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) ist statthaft, da nach § 34a Abs. 2 Satz 1 des Asylverfahrensgesetzes (AsylVfG) in seiner durch Artikel 1 Nr. 27 b) des Gesetzes zur Umsetzung der Richtlinie 2011/95/EU vom 28. August 2013, BGBl. I S. 3474, geänderten und nach § 77 Abs. 1 AsylVfG hier auch zu beachtenden Fassung solche Eilanträge gegen die Abschiebungsandrohung nunmehr zugelassen sind und der in der Hauptsache erhobenen Klage nach § 80 Abs. 2 Satz 1 Nummer 3 VwGO i.V.m. § 75 Satz 1 AsylVfG keine aufschiebende Wirkung zukommt.
6Der Antragsteller hat den Eilantrag auch innerhalb von einer Woche nach Bekanntgabe des angegriffenen Bescheides des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) vom 2. Juli 2014 und damit fristgerecht im Sinne von § 34a Absatz 2 Satz 1 AsylVfG gestellt. Der auf die Unzulässigkeit des Asylantrags gemäß § 27a AsylVfG gestützte Bescheid wurde ausweislich der im Verwaltungsvorgang enthaltenen Postzustellungsurkunde am 17. Juli 2014 gemäß § 31 Absatz 1 Satz 4 AsylVfG dem Antragsteller persönlich zugestellt. Er hat am 22. Juli 2014 innerhalb der Wochenfrist den Eilantrag gestellt und Klage erhoben.
7Der Antrag hat jedoch in der Sache keinen Erfolg.
8Das Gericht folgt der bislang zu § 34a Abs. 2 AsylVfG n.F. ergangenen verwaltungsgerichtlichen Rechtsprechung, dass die Anordnung der aufschiebenden Wirkung der Klage nicht erst bei ernstlichen Zweifeln an der Rechtmäßigkeit des angefochtenen Bescheides des Bundesamtes erfolgen darf, wie dies in den Fällen der Ablehnung eines Asylantrags als offensichtlich unzulässig oder unbegründet gemäß § 36 Abs. 4 Satz 1 AsylVfG vom Gesetzgeber vorgegeben ist. Eine derartige Einschränkung der gerichtlichen Entscheidungsbefugnis hat der Gesetzgeber für die Fälle des § 34a Abs. 2 AsylVfG gerade nicht geregelt. Eine solche Gesetzesauslegung entspräche auch nicht dem Willen des Gesetzgebers, denn eine entsprechende Initiative zur Ergänzung des § 34a Abs. 2 AsylVfG n.F. fand im Bundesrat keine Mehrheit;
9vgl. hierzu bereits mit ausführlicher Darstellung des Gesetzgebungsverfahrens Verwaltungsgericht Trier, Beschluss vom 18. September 2013 – 5 L 1234/13.TR -, juris Rn 5 ff. m.w.N.; Verwaltungsgericht Göttingen, Beschluss vom 17. Oktober 2013 – 2 B 844/13 -, juris Rn 3 f. Siehe auch bereits Verwaltungsgericht Düsseldorf, Beschluss vom 7. Januar 2014 - 13 L 2168/13.A -.
10Die danach vorzunehmende Abwägung des öffentlichen Vollzugsinteresses der Antragsgegnerin mit dem privaten Aussetzungsinteresse des Antragstellers hat sich maßgeblich ‑ nicht ausschließlich ‑ an den Erfolgsaussichten in der Hauptsache zu orientieren, wie diese sich bei summarischer Prüfung im vorliegenden Verfahren abschätzen lassen. Diese Interessenabwägung fällt vorliegend zu Lasten des Antragstellers aus, denn der angefochtene Bescheid des Bundesamtes begegnet nach diesen Maßstäben keinen durchgreifenden rechtlichen Bedenken.
11Das Bundesamt hat den Asylantrag des Antragstellers zu Recht als unzulässig abgelehnt und geht von der Zuständigkeit Italiens für dessen Prüfung aus. Gemäß § 27a AsylVfG ist ein Asylantrag unzulässig, wenn ein anderer Staat auf Grund von Rechtsvorschriften der Europäischen Gemeinschaft oder eines völkerrechtlichen Vertrages für die Durchführung des Asylverfahrens zuständig ist. In einem solchen Fall prüft die Antragsgegnerin den Asylantrag nicht, sondern ordnet die Abschiebung in den zuständigen Staat an (§ 34a Abs. 1 Satz 1 AsylVfG).
12Die angegriffene Entscheidung ist rechtmäßig. Maßgebliche Rechtsvorschrift zur Bestimmung des zuständigen Staates ist die Verordnung (EU) Nr. 604/2013 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen in einem Mitgliedstaat gestellten Antrags auf internationalen Schutz zuständig ist (im Folgenden: Dublin III-VO), da sowohl der Asylantrag vom 24. Januar 2014 als auch das an Italien gerichtete Wiederaufnahmeersuchen Deutschlands vom 17. April 2014 nach dem 1. Januar 2014, dem gemäß Artikel 49 Absatz 2 Satz 1 für die Eröffnung des Anwendungsbereichs der Dublin III-VO maßgeblichen Zeitpunkt, gestellt worden ist.
13Nach den Vorschriften der Dublin III-VO ist Italien der zuständige Staat für die Prüfung des durch den Antragsteller gestellten Asylantrags. Der Antragsteller hat nach seinen eigenen Angaben in der Befragung durch das Bundesamt am 24. Januar 2014 vor seiner Einreise nach Deutschland bereits mehrere Jahre in Italien gelebt und ausweislich des unter dem 20. Februar 2014 festgestellten Eintrags in der EURODAC-Datenbank (Treffer-Nr. IT1PN00RDO) dort auch am 23. Mai 2011 einen Asylantrag gestellt.
14Nachdem Italien auf das am 17. April 2014 vom Bundesamt gestellte Wiederaufnahmeersuchen der Antragsgegnerin nicht innerhalb der nach Artikel 25 Absatz 1 Satz 2 Dublin III-VO im Falle eines EURODAC-Treffers maßgeblichen Frist von zwei Wochen nach der Stellung des Wiederaufnahmeersuchens seine Zuständigkeit erklärt hat, ist nach Artikel 25 Absatz 2 Dublin III-VO davon auszugehen, dass Italien die Wiederaufnahme des Antragstellers akzeptiert hat. Italien ist daher gemäß Art. 29 Abs. 1 UAbs. 1 Dublin III-VO verpflichtet, den Antragsteller spätestens innerhalb einer Frist von sechs Monaten nach der Annahme des Antrags auf Wiederaufnahme oder der Entscheidung über den Rechtsbehelf, wenn dieser aufschiebende Wirkung hat, wieder aufzunehmen. Diese Frist ist noch nicht abgelaufen.
15Anhaltspunkte für die vom Antragsteller vorgebrachten Zweifel an der Beachtung des Beschleunigungsgrundsatzes im Sinne von Artikel 18 GrCh bestehen nicht. Soweit der Antragsteller zur Begründung seiner Auffassung auf einen Beschluss des Verwaltungsgerichts Düsseldorf vom 10. Februar 2014
16- 25 K 8830/13.A -, juris und InfAuslR 2013, 159 f.
17Bezug nimmt, ergibt sich hieraus schon deshalb nichts für seine Rechtauffassung, weil dieser Entscheidung ein Wiederaufnahmeersuchen nach der Dublin II-Verordnung zugrunde lag. Artikel 20 der Dublin II-VO sah aber – anders als die neue Dublin III-VO – tatsächlich noch keine Fristen für die Stellung von Wiederaufnahmeersuchen durch den ersuchenden Mitgliedstaat vor. Die vorliegend anwendbare Dublin III-VO enthält dagegen in Artikel 23 solche der Verfahrensbeschleunigung dienende Fristvorgaben. Diese Fristen hat die Antragsgegnerin auch eingehalten. Stellt der Ausländer im ersuchenden Mitgliedstaat – wie vorliegend - einen erneuten Asylantrag, hat der ersuchende Mitgliedstaat sein Übernahmeersuchen gemäß Artikel 23 Absatz 2 UAbs. 1 Dublin III-VO so bald wie möglich, auf jeden Fall aber innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach der Eurodac-Treffermeldung zu stellen. Die Antragsgegnerin hat das Wiederaufnahmeersuchen am 17. April 2014 und damit innerhalb einer Frist von zwei Monaten nach der Eurodac-Treffermeldung vom 20. Februar 2014 an Italien gerichtet.
18Anhaltspunkte dafür, dass der Antragsteller das Gebiet der Mitgliedstaaten für mehr als drei Monate verlassen hat (Art. 19 Absatz 2 UAbs. 1 Dublin III-VO) sind schließlich ebenfalls nicht ersichtlich.
19Soweit der Antragsteller unter Berufung auf systemische Mängel des Asylsystems in Italien eine Zuständigkeit Deutschlands bzw. aufgrund einer Ermessensreduzierung einen Anspruch auf Selbsteintritt Deutschlands geltend macht, kann sich das erkennende Gericht dem unter Berücksichtigung der aktuellen Erkenntnisse ebenfalls nicht anschließen.
20Ein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts nach Artikel 17 Absatz 1 Dublin III-VO durch die Bundesrepublik Deutschland besteht ohnehin nicht. Die Dublin-Verordnungen sehen ein nach objektiven Kriterien ausgerichtetes Verfahren der Zuständigkeitsverteilung zwischen den Mitgliedstaaten vor. Sie sind im Grundsatz nicht darauf ausgerichtet, Ansprüche von Asylbewerbern gegen einen Mitgliedstaat auf Durchführung eines Asylverfahrens durch ihn zu begründen. Ausnahmen bestehen allenfalls bei einzelnen, eindeutig subjektiv-rechtlich ausgestalteten Zuständigkeitstatbeständen (vgl. etwa Art. 9 Dublin III-VO zugunsten von Familienangehörigen). Die Zuständigkeitsvorschriften der Dublin III-VO begründen – wie die der bisherigen Dublin II-VO - zum Zwecke der sachgerechten Verteilung der Asylbewerber vor allem subjektive Rechte der Mitgliedstaaten untereinander. Die Unmöglichkeit der Überstellung eines Asylbewerbers an einen bestimmten Staat hindert daher nur die Überstellung dorthin; sie begründet kein subjektives Recht auf Ausübung des Selbsteintrittsrechts gegenüber der Antragsgegnerin,
21vgl. EuGH, Urteil vom 14. November 2013 – C 4/11-, juris Rn 37; Schlussanträge des GA Jääskinnen vom 18. April 2013 – C 4/11-, juris Rn 57 f.
22Die Antragsgegnerin ist aber auch nicht – unabhängig von der Frage der Ausübung des Selbsteintrittsrechts gemäß Artikel 17 Absatz 1 Dublin III-VO zugunsten des Antragstellers – nach Artikel 3 Absatz 2 UAbs 2 Dublin III-VO gehindert, diesen nach Italien zu überstellen, weil es wesentliche Gründe für die Annahme gibt, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller in diesem Mitgliedstaat systemische Schwachstellen aufweisen, die eine Gefahr einer unmenschlichen oder entwürdigenden Behandlung im Sinne des Artikels 4 der EU-Grundrechtecharta mit sich bringen. Die Voraussetzungen, unter denen das nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Europäischen Gerichtshofs,
23EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10- et al. -, juris Rn 83 ff., 99, EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 – 30696/09-, NVwZ 2011, 413,
24der Fall wäre, liegen nicht vor. Systemische Mängel in diesem Sine können erst angenommen werden, wenn Grundrechtsverletzungen einer Art. 4 GrCh bzw. Art. 3 EMRK entsprechenden Gravität nicht nur in Einzelfällen, sondern strukturell bedingt, eben systemisch vorliegen. Diese müssen dabei aus Sicht des überstellenden Staates offensichtlich sein. In der Diktion des Europäischen Gerichtshofs dürfen diese systemischen Mängel dem überstellenden Mitgliedstaat nicht unbekannt sein können,
25EuGH, Urteil vom 21. Dezember 2011 – C-411/10 et al.-, juris Rn 94.
26Bei der Bewertung der in Italien anzutreffenden Umstände der Durchführung des Asylverfahrens und der Aufnahme von Flüchtlingen sind diejenigen Umstände besonders zu berücksichtigen, die auf die Situation des jeweiligen Antragstellers zutreffen. Die Situation von Flüchtlingen in anderen rechtlichen oder tatsächlichen Situationen spielt hingegen keine unmittelbare Rolle und kann allenfalls ergänzend zur Beurteilung der Situation herangezogen werden,
27vgl. OVG NRW, Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A -, juris, Rn 130.
28Vorliegend ist danach hier besonders die Situation von Dublin-Rückkehrern in den Blick zu nehmen, die – wie der Antragsteller - in Italien bereits einen Asylantrag gestellt haben.
29Insoweit macht sich das Gericht zunächst die Einschätzung und Ausführungen des Oberverwaltungsgerichts für das Land Nordrhein-Westfalen in dessen Urteil vom 7. März 2014 – 1 A 21/12.A – juris, Rn 131 ff., 176 ff., 186 zu eigen, wonach mit Blick auf das Rechtssystem als auch insbesondere die Verwaltungspraxis des Asylverfahrens davon auszugehen ist, dass Italien über ein im Wesentlichen ordnungsgemäßes, richtlinienkonformes Asyl- und Aufnahmeverfahren verfügt, welches trotz ggf. vorliegender einzelner Mängel nicht nur abstrakt, sondern gerade auch unter Würdigung der „vor Ort“ tatsächlich anzutreffenden Rahmenbedingungen prinzipiell funktionsfähig ist und dabei insbesondere sicherstellt, dass rücküberstellte Asylbewerber – darunter speziell Dublin-Rückkehrer - „im Normalfall“, also bei nach der Erkenntnislage vorhersehbarem Verlauf der Dinge, nicht mit schwerwiegenden Verstößen und Rechtsbeeinträchtigungen, namentlich nicht solchen i.S.d. Gewährleistung aus Artikel 4 EUGRCh, rechnen müssen.
30Auch soweit sein Asylverfahren in Italien abgeschlossen sein sollte, könnte der Antragsteller im Übrigen in Italien einen Folgeantrag stellen. Für Folgeantragsteller besteht in Italien die Möglichkeit, das Folgevorbringen durch eine sogenannte „Territorial Commission“ prüfen zu lassen. Wenn diese Kommission zu dem Ergebnis gelangt, dass neue Elemente vorgetragen sind, erfolgt regelmäßig eine erneute persönliche Anhörung zur Klärung eventueller Abweichungen zum bisherigen Vorbringen. Während eines Asylfolgeverfahrens haben die Antragsteller grundsätzlich dieselben gesetzlichen Garantien wie Erstantragssteller, z.B. können sie erneut in Unterbringungseinrichtungen der CARA unterkommen,
31vgl. aida, Asylum Information Database, National Country Report, Stand: April 2014, S. 33 f.
32Aus der fehlenden fristgerechten Zustimmung Italiens zum Wiederaufnahmeersuchen der Antragsgegnerin ergeben sich schließlich – entgegen der Auffassung des Antragstellers – schon deshalb keine Anhaltspunkte für systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen in Italien, weil eine solche Verfahrenskonstellation in den Dublin-Verordnungen – wenn auch nicht als Regelfall – vorhergesehen und rechtlich ausdrücklich adressiert wird, vgl. Art. 18 Abs. 2 Dublin II-VO bzw. Art. 22 Abs. 7 und Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO. Der Verordnungsgeber geht mithin davon aus, dass es im Rahmen der Dublin-Verfahren zu einem Ausbleiben einer Antwort eines ersuchten Mitgliedstaates innerhalb der vorgegebenen – der Verfahrensbeschleunigung dienenden kurzen - Fristen kommen kann und darf, und trägt diesem Umstand bewusst durch die verfahrensbezogene Regelung einer Zustimmungsfiktion Rechnung, vgl. Artikel 18 Absatz 7 Dublin II-VO bzw. Artikel 22 Absatz 7 und Art. 25 Abs. 2 Dublin III-VO. Ungeachtet dessen ermöglicht die Nichtbeantwortung eines Ersuchens um Aufnahme oder Wiederaufnahme, die allein die Abwicklung der Rücküberstellungen im Rahmen des Dublin-Verfahrens und die Einhaltung der Verfahrensvorgaben auf der Ebene der Mitgliedstaaten betrifft, auch in tatsächlicher Hinsicht keinen Rückschluss auf die materiellen Aufnahmebedingungen und die Ausgestaltung des sich anschließenden Asylverfahrens im ersuchten Mitgliedstaat selbst.
33Unabhängig von der allgemeinen Situation bestehen zur Überzeugung des Gerichts auch in der Person des Antragstellers selbst keine besonderen Gründe, die es vorliegend verbieten, den Antragsteller nach Italien zu überstellen. Der Antragsteller hat von sich aus keine beachtlichen Umstände vorgetragen, die ihn als eine innerhalb der Gruppe der Dublin-Rückkehrer besonders gefährdete oder verletzliche Person erscheinen lassen.
34Soweit der Antragsteller im gerichtlichen Verfahren unter Bezugnahme auf ein ärztliches Attest vom 22. Juli 2014 eine Erkrankung an Diabetes vorträgt, ergibt sich daraus nichts anderes. Ausweislich des Attestes besteht bei ihm zwar eine Erkrankung an Diabetes mellitus Typ 1. Diese verläuft bisher aber ausweislich der ärztlichen Ausführungen ohne bekannte Komplikationen oder Folgeerkrankungen. Der Antragsteller ist zwar insulinpflichtig, kann die erforderlichen Blutzuckermessungen aber selbst vornehmen und verabreicht sich auch selbständig Insulin. Anhaltspunkte für eine Reiseunfähigkeit des Antragstellers ergeben sich aus dem Attest nicht. Auch dass sich sein Gesundheitszustand durch eine Abschiebung oder als unmittelbare Folge davon wesentlich verschlechtern würde, ist nicht dargelegt. Soweit das Attest den Hinweis enthält, dass die Insulintherapie auf Reisen oder an neuen Aufenthaltsorten auf Dauer sichergestellt sein sollte, um das Risiko der Entwicklung einer ketoazidotischen Stoffwechselentgleisung mit möglicherweise lebensbedrohlichen Komplikationen zu vermeiden, ergibt sich daraus auch kein zielstaatsbezogenes Abschiebungshindernis. Denn es ist nichts dafür ersichtlich, dass der Antragsteller die erforderliche Versorgung mit Insulin nicht auch in Italien erhalten könnte. Asylsuchende haben – nach der Registrierung im nationalen Gesundheitssystem – grundsätzlich einen Anspruch auf kostenlose medizinische Versorgung. Dies gilt selbst dann, wenn sie nicht in einer staatlichen Unterkunft untergebracht sind,
35vgl. aida, Asylum Information Database, National Country Report, Stand: April 2014, S. 61, 62; ebenso auch Verwaltungsgericht Ansbach, Urteil vom 5. Juni 2014 – AN 1 K 14.30275 - und Verwaltungsgericht Würzburg, Beschluss vom 5. März 2014 – W 6 S 14.30235 -, beide juris m.w.N.
36Voraussetzung des Anspruchs auf medizinische Versorgung ist allerdings die Registrierung des Asyl(folge)begehrens sowie die erst anschließend mögliche Registrierung im nationalen Gesundheitssystem. Auch nach derzeitigem Erkenntnisstand kann schon die Registrierung des Asyl(folge)antrags weiterhin nicht immer unverzüglich nach der Einreise, sondern - bei Dublin-Rückkehrern zudem abhängig vom Stand ihres in Italien geführten früheren Asylverfahrens - teilweise erst mit einer nicht unerheblichen zeitlichen Verzögerung erfolgen und so zu einem verzögerten Einsetzen der medizinischen Versorgung führen,
37vgl. aida, Asylum Information Database, National Country Report, Stand: April 2014, S. 25.
38Um dem letztgenannten Aspekt Rechnung zu tragen, war im Tenor die verpflichtende Maßgabe aufzunehmen, dass die Antragsgegnerin die italienischen Behörden vor der Abschiebung des Antragstellers über dessen Diabetes-Erkrankung und den daraus erwachsenden – vorrangig medikamentösen – Weiterbehandlungsbedarf informiert und dass der Antragsteller zur Überbrückung eines eventuell entstehenden Übergangszeitraums bis zur Registrierung seines Begehrens und der Ausstellung einer Gesundheitskarte, die ihm Zugang zum nationalen Gesundheitssystem in Italien verschafft, mit einem – hinsichtlich des Umfangs ggfs. mit den italienischen Behörden abzuklärenden - ausreichenden Insulinvorrat sowie den Mitteln zu dessen Verabreichung und vorübergehender Lagerung ausgestattet wird.
39Mit dieser Maßgabe bestehen auch gegen die Rechtmäßigkeit der Abschiebungsandrohung nach § 34a Abs. 1 AsylVfG keine Bedenken.
40Die Kostenentscheidung folgt aus § 155 Absatz 1 Satz 3 VwGO, § 83b AsylVfG. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Absatz 1 RVG.
41Dieser Beschluss ist unanfechtbar, § 80 AsylVfG.
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Annotations
(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).
(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur
- 1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten, - 2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten, - 3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen, - 3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen, - 4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.
(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.
(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.
(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn
- 1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder - 2.
eine Vollstreckung droht.
(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.
(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.
(1) Wenn ein Beteiligter teils obsiegt, teils unterliegt, so sind die Kosten gegeneinander aufzuheben oder verhältnismäßig zu teilen. Sind die Kosten gegeneinander aufgehoben, so fallen die Gerichtskosten jedem Teil zur Hälfte zur Last. Einem Beteiligten können die Kosten ganz auferlegt werden, wenn der andere nur zu einem geringen Teil unterlegen ist.
(2) Wer einen Antrag, eine Klage, ein Rechtsmittel oder einen anderen Rechtsbehelf zurücknimmt, hat die Kosten zu tragen.
(3) Kosten, die durch einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand entstehen, fallen dem Antragsteller zur Last.
(4) Kosten, die durch Verschulden eines Beteiligten entstanden sind, können diesem auferlegt werden.
(1) In Klageverfahren nach dem Asylgesetz beträgt der Gegenstandswert 5 000 Euro, in den Fällen des § 77 Absatz 4 Satz 1 des Asylgesetzes 10 000 Euro, in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes 2 500 Euro. Sind mehrere natürliche Personen an demselben Verfahren beteiligt, erhöht sich der Wert für jede weitere Person in Klageverfahren um 1 000 Euro und in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes um 500 Euro.
(2) Ist der nach Absatz 1 bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig, kann das Gericht einen höheren oder einen niedrigeren Wert festsetzen.