Oberverwaltungsgericht für das Land Nordrhein-Westfalen Beschluss, 05. Juni 2014 - 14 A 1139/14.A
Gericht
Tenor
Der Antrag wird abgelehnt.
Die Kläger tragen die Kosten des Antragsverfahrens, für das Gerichtskosten nicht erhoben werden.
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G r ü n d e :
2Der Zulassungsantrag hat keinen Erfolg, weil der geltend gemachte Zulassungsgrund grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache (§ 78 Abs. 3 Nr. 1 des Asylverfahrensgesetzes ‑ AsylVfG ‑) nicht vorliegt.
3Grundsätzliche Bedeutung im Sinne dieser Vorschrift hat eine Rechtssache nur, wenn sie eine bisher höchstrichterlich nicht beantwortete Rechtsfrage aufwirft, die sich in dem erstrebten Berufungsverfahren stellen würde und die im Interesse der einheitlichen Auslegung und Anwendung oder der Fortentwicklung des Rechts der Klärung bedarf, oder wenn sie eine tatsächliche Frage aufwirft, deren in der Berufungsentscheidung zu erwartende Klärung verallgemeinerungsfähige Auswirkungen hat. Verallgemeinerungsfähige Auswirkungen hat die Klärung einer Tatsachenfrage, wenn sich diese Frage nicht nur in dem zu entscheidenden Fall, sondern darüber hinaus auch noch für einen nicht überschaubaren Personenkreis in nicht absehbarer Zukunft stellt.
4Nach diesen Maßstäben begründen die aufgeworfenen Frage keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache.
5Die Frage,
6welchen Inhalt der Begriff "systemischer Mangel" hat,
7ist, soweit sie sich in einem Berufungsverfahren stellen würde, nicht klärungsbedürftig, da sie geklärt ist.
8Vgl. BVerwG, Beschluss vom 15.4.2014 ‑ 10 B 16.14 ‑, juris Rn. 2 ff.
9Die Kläger zeigen keinen darüber hinausgehenden Klärungsbedarf auf.
10Die Fragen,
11ob Asylverfahren und/oder Bedingungen für die Aufnahme von Asylbewerbern in Italien systemische Mängel aufweisen
12und
13ob in Italien Asylbewerber und Dublinrückkehrer Gefahr laufen, schwerwiegenden Menschenrechtsverletzungen i.S.v. Art. 3 EMRK bzw. Art. 4 GRCh infolge der dortigen Verhältnisse ausgesetzt zu sein,
14begründen keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, weil sie in der Rechtsprechung des beschließenden Gerichts im verneinenden Sinne geklärt und somit nicht mehr klärungsbedürftig sind.
15Vgl. OVG NRW, Urteil vom 7.3.2014 ‑ 1 A 21/12.A ‑, NRWE.
16Dabei kommt es nicht darauf an, dass die letztgenannten Fragen nicht durch das Bundesverwaltungsgericht geklärt sind, da diese Tatsachenfragen keine Fragen revisiblen Rechts sind und somit vom Bundesverwaltungsgericht auch nicht geklärt werden.
17Vgl. BVerwG, Beschluss vom 15.4.2014 ‑ 10 B 16.14 ‑, juris Rn. 6.
18Die abweichende Tatsachenbewertung durch die Kläger gibt keine Veranlassung, eine fortbestehende oder erneute Klärungsbedürftigkeit der Frage anzunehmen.
19Eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache besteht nicht wegen der Auffassung der Kläger, es sei eine Vorabentscheidung des Gerichtshofs der Europäischen Union (EuGH) nach Art. 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) einzuholen
20zum Inhalt des Begriffs des "systemischen Mangels" sowie dazu, ob die Asylverfahren und/oder Aufnahmebedingungen in Italien systemische Mängel aufweisen und aufgrund dessen die Gefahr schwerwiegender Menschenrechtsverletzungen besteht.
21Mit der ersten Frage werden keine zur Vorlage berechtigenden oder gar verpflichtenden Zweifel bei der Auslegung des Unionsrechts aufgeworfen. Die zweite Frage ist durch den Gerichtshof nicht klärungsfähig, da dieses Gericht zur Klärung von Tatsachenfragen im Vorabentscheidungsverfahren nicht berufen ist.
22Schließlich begründet auch die Frage,
23ob auch Wiederaufnahmeverfahren nach Art. 20 Dublin‑II‑VO der Fristbestimmung des Art. 17 Dublin‑II‑VO unterliegen,
24keine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache. Wie sich aus dem angegriffenen Urteil ergibt (S. 6 f.), handelt es sich hier nicht um ein Wiederaufnahmeverfahren nach Art. 20 der Dublin‑II‑VO. Für die vorliegende Verfahrensart ist in der Rechtsprechung des Gerichtshofs geklärt, dass Art. 19 Abs. 2 der Verordnung (EG) Nr. 343/2003 des Rates vom 18. Februar 2003 zur Festlegung der Kriterien und Verfahren zur Bestimmung des Mitgliedstaats, der für die Prüfung eines von einem Drittstaatsangehörigen in einem Mitgliedstaat gestellten Asylantrags zuständig ist (sog. Dublin‑II‑VO), dahin auszulegen ist, dass in einem Fall, in dem ein Mitgliedstaat der Aufnahme eines Asylbewerbers nach Maßgabe des in Art. 10 Abs. 1 der Verordnung niedergelegten Kriteriums zugestimmt hat, d. h. als der Mitgliedstaat der ersten Einreise des Asylbewerbers in das Gebiet der Europäischen Union, der Asylbewerber der Heranziehung dieses Kriteriums nur damit entgegentreten kann, dass er systemische Mängel des Asylverfahrens und der Aufnahmebedingungen für Asylbewerber in diesem Mitgliedstaat geltend macht, die ernsthafte und durch Tatsachen bestätigte Gründe für die Annahme darstellen, dass er tatsächlich Gefahr läuft, einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 der Charta der Grundrechte der Europäischen Union ausgesetzt zu werden.
25EuGH, Urteil vom 10.12.2013 ‑ C-394/12 ‑, NVwZ 2014, 208.
26Damit kommt es auf die in der Frage genannte Fristbestimmung in einem Berufungsverfahren unter keinem denkbaren Gesichtspunkt an.
27Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung. Die Entscheidung über die Gerichtskosten ergibt sich aus § 83b AsylVfG.
28Dieser Beschluss ist unanfechtbar.
Annotations
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.