Sozialgericht Würzburg Endurteil, 05. Feb. 2019 - S 11 KR 260/17

bei uns veröffentlicht am05.02.2019

Gericht

Sozialgericht Würzburg

Tenor

I. Die Beklagte wird unter Aufhebung des Bescheides vom 05.04.2016, in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.05.2017 sowie des Bescheides vom 06.04.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2018 verurteilt, die Kosten für eine operative Reduktion des Adamsapfels sowie die Korrektur der Stimmbänder bzw. Stimmhöhe zu übernehmen. Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.

II. Die Beklagte erstattet der Klägerin 2/5 deren außergerichtlichen Kosten.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten über die Kosten für geschlechtsangleichende Operationen (Brustvergrößerung, Gesichtsfeminisation, Korrektur des Adamsapfels und der Stimmbänder, Gesichtshaarentfernung).

Die bei der Beklagten krankenversicherte Klägerin wurde 1970 als Mann geboren. Bei ihr besteht eine Mann-zu-Frau-Transsexualität, welche 2015 zu einer Änderung des Vornamens nach dem Transsexuellen-Gesetz führte. Seit August 2015 wird sie mit weiblichen Hormonen behandelt.

Am 09.03.2016 stellte die Klägerin bei der Beklagten befundgestützt einen Antrag auf Kostenübernahme der geschlechtsangleichenden Operationsmaßnahmen der primären und sekundären Geschlechtsmerkmale. Bei den geplanten Operationen handele sich um die geschlechtsangleichende Genitaloperation, die Konstruktion der weiblichen Brust sowie die Feminisation des Gesichts.

Mit Schreiben vom 14.03.2016 unterrichtete die Beklagte die Klägerin über die Weiterleitung der Unterlagen an den MDK.

Die Beklagte lehnte den Antrag - gestützt auf eine sozialmedizinische Stellungnahme des MDK vom 23.03.2016 - ab, da die zeitlichen Voraussetzungen hinsichtlich des psychotherapeutisch begleiteten Alltagstest noch nicht erfüllt seien (Telefonat vom 01.04.2016, Bescheid vom 05.04.2016).

Mit Schreiben vom 29.04.2016 teilte die Klägerin mit, sie werde ihren Antrag zum gegebenen Zeitpunkt wieder vorlegen.

Die Fachärztin für Neurologie und psychotherapeutische Medizin Dr. med. D. übermittelte in der Folge den Physiotherapiebericht vom 12.05.2016 an die Beklagte.

Nach erneuter Einschaltung des MDK teilte die Beklagte der Klägerin mit, eine Beteiligung an den Kosten der beantragten Behandlung sei zum jetzigen Zeitpunkt nicht möglich. Es fehle der Nachweis, dass der Operator über Risiken, Nebenwirkungen und Kontraindikationen der geplanten Operation informiert habe. Außerdem müsse der Alltagstest und die begleitende Psychotherapie mindestens 18 Monate lang durchgeführt werden (Schreiben vom 12.07.2016).

Mit Schreiben vom 25.07.2016 und 04.08.2016 legte die Klägerin ärztliche Bescheinigungen von Dr. D. und Dr. med. Dr. med. dent. C., plastische und ästhetische Chirurgie, Mund-, Kiefer- und Gesichtschirurgie, vor.

Unter dem 18.08.2016 äußerte der MDK, die Voraussetzungen für die genitalangleichende Geschlechtsoperation seien erfüllt. Bezüglich der feminisierenden Maßnahmen müsse eine erneute Vorlage bei einem Facharzt des MDK für plastische Chirurgie mit aussagekräftiger Fotodokumentation erfolgen.

Die Beklagte erklärte mit Bescheid vom 25.08.2016 die Kostenübernahme für die genitalangleichende Geschlechtsoperation und informierte bezüglich der weiteren Maßnahmen über die Einschätzung des MDK.

Am 09.09.2016 übermittelte die Klägerin Bilder ihres Gesichts und ihres Oberkörpers.

Im Gutachten vom 17.10.2016 teilte der MDK daraufhin mit, die avisierten feminisierenden operativen Maßnahmen stellten plastisch-kosmetische Eingriffe dar. Es handele sich nicht um entstellende Befunde oder eine Erkrankung Sinne des SGB V. Bezüglich der Brust sei eine weitere Hormontherapie abzuwarten.

Die Beklagte informierte im Schreiben vom 26.10.2016 über die Einschätzung des MDK und fragte an, ob der Widerspruch aufrechterhalten bleibe.

Mit Schreiben vom 04.11.2016 bat der Bevollmächtigte der Klägerin um Erlass eines klagefähigen Widerspruchsbescheids.

Nachdem die Klägerin weitere Unterlagen einreichte, erstattete der MDK am 13.02.2017 ein weiteres Gutachten, welches den bisherigen Einschätzungen bestätigte.

Am 09.03.2017 führte Frau Dr. C. die Operation zur Brustvergrößerung in C-Stadt durch.

Mit Schreiben vom 21.03.2017 beantragte die Klägerin die Kostenübernahme für die Barthaarentfernung mittels Elektroepilation bzw. Nadelepilation durch die Kosmetikerin Frau K. Die Beklagte lehnte den Antrag ab, da es sich bei der Kosmetikerin nicht um einen zulässigen Leistungserbringer i.S.d. SGB V handele. Deswegen erhob die Klägerin Widerspruch (Schreiben vom 27.04.2017).

Die Beklagte wies den Widerspruch vom 29.04.2016 mit Widerspruchsbescheid vom 12.05.2017 als unbegründet zurück. Bei den feminisierenden operativen Maßnahmen handele es sich um formerbessernte Eingriffe, die als plastisch-kosmetische Eingriffe zu erkennen seien. Eine Erkrankung im sozialmedizinischen Sinne oder eine Entstellung liege nicht vor. Hinsichtlich der Brust sei eine weitere Hormontherapie abzuwarten. Eine Korrektur des Adamsapfels sei medizinisch nicht zu empfehlen, da eine Entstellung diesbezüglich nicht vorliege. Auch für eine stimmerhöhende Operation liege keine medizinische Indikation vor.

Am 01.06.2017 fand die Operation zur Geschlechtsumwandlung im A.M. Krankenhaus in F-Stadt statt.

Mit der am 12.06.2017 zum Sozialgericht Würzburg erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor, die Änderungen nach dem Personenstandsgesetz und die erfolgte geschlechtsangleichende Operation genügten nicht, eine Entlastung von dem nach wie vor bestehenden Leidensdruck herbeizuführen. Die Angleichung auch der sekundären Geschlechtsmerkmale sei zwingende Voraussetzung für die Behandlung des anerkannten Krankheitsbildes.

Die Beklagte hat mit Widerspruchsbescheid vom 08.05.2018 auch den Widerspruch vom 27.04.2017 abgelehnt, da es sich bei einer Kosmetikerin/Elektrologistin nicht um ein in der GKV zur Leistungserbringung zugelassenes Berufsbild handele.

Der Bevollmächtigte der Klägerin beantragt zuletzt,

die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 05.04.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12.05.2017 sowie des Bescheides vom 06.04.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.05.2018 zu verurteilen, die Kosten für eine operative Reduktion des Adamsapfels, für die Korrektur der Stimmbänder bzw. Stimmhöhe, die dauerhafte künftige Elektroepilation der Barthaare bei der Kosmetikerin Frau K. und die Gesichtsfeminisation (Abtragung der Gestirnwülste, Brauenwülste und Verweiblichung des Kinns, der Nase und der Wangen, Erniedrigung der Stirnhöhe samt Reduktion des Haaransatzes) sowie der Erstattung der Kosten der Brustvergrößerung in Höhe von 10.618,99 € und der Kosten der bereits stattgefundenen Elektroepilation vom 14.04.2015 bis 09.07.2018 in Höhe von 12.705,00 € als Teil der Behandlung einer Geschlechtsangleichung zu übernehmen.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Zur Begründung verweist Sie auf die Ausführungen im angefochtenen Widerspruchsbescheid.

Das Gericht hat Beweis erhoben durch schriftliche Anhörung der behandelnden Ärzte als sachverständige Zeugen und hat die medizinischen Unterlagen des MDK beigezogen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes und wegen des weiteren Vortrags der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Prozessakte Bezug genommen.

Gründe

Die zulässige Klage ist nur teilweise begründet.

Der angefochtene Bescheid vom 05.04.2016 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12.05.2017 ist insoweit rechtswidrig, als es die Beklagte abgelehnt hat, die Kosten für eine operative Reduktion des Adamsapfels sowie für die Korrektur der Stimmbänder bzw. Stimmhöhe zu übernehmen Im Übrigen ist der angefochtene Bescheid rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten (§ 54 Abs. 2 Satz 1 SGG). Denn ihr steht weder ein Anspruch auf Gesichtsfeminisation noch auf Erstattung für die selbstbeschaffte Brustvergrößerungsoperation zu.

Daneben hat die Klägerin auch weder einen Anspruch auf Kostenerstattung für die durchgeführten Elektroepilationen (Nadelepilation) der Barthaare durch die Kosmetikerin K. noch auf künftige Versorgung. Der Bescheid vom 06.04.2017 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids ist rechtmäßig. Die vom Klägerbevollmächtigten im Schreiben vom 29.05.2018 erklärte Klageerweiterung ist - auch ohne Zustimmung der Beklagten - nach § 99 Abs. 1 SGG zulässig, da sie sachdienlich ist

1. Versicherte - wie die Klägerin - haben nach § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern.

a. Grundvoraussetzung des Anspruchs Versicherter auf Krankenbehandlung ist, dass sie an einer Krankheit leiden. Krankheit im Sinne von § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (vgl. BSG, U.v. 28.2.2008 - B 1 KR 19/07 R - juris). Die Klägerin leidet in diesem Sinne an einer Krankheit, nämlich an behandlungsbedürftigem Transsexualismus (vgl. dazu ausführlich BSG, U.v. 11.9.2012 - B 1 KR 9/12 R -juris, Rn. 10 ff.).

Transsexuelle Versicherte können nach § 27 Abs. 1 SGB V dem Grunde nach Anspruch auf geschlechtsangleichende Behandlungsmaßnahmen einschließlich chirurgischer Eingriffe in gesunde Organe zur Minderung ihres psychischen Leidensdrucks haben, um sich dem Erscheinungsbild des angestrebten anderen Geschlechts deutlich anzunähern. Obwohl der Anspruch auf Krankenbehandlung psychischer Krankheiten grundsätzlich nicht körperliche Eingriffe in intakte Organsysteme erfasst, können zur notwendigen Krankenbehandlung des Transsexualismus - als Ausnahme von diesem Grundsatz - operative Eingriffe in den gesunden Körper zwecks Veränderung der äußerlich sichtbaren Geschlechtsmerkmale gehören (BSG, U.v. 11.9.2012 - B 1 KR 11/12 - juris, Rn. 8). Die Ansprüche auf geschlechtsangleichende Operationen sind beschränkt auf einen Zustand, bei dem aus der Sicht eines verständigen Betrachters eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts eintritt (BSG, a.a.O., Rn.16). Ein Anspruch Versicherter auf geschlechtsangleichende Operationen am - krankenversicherungsrechtlich betrachtet - gesunden Körper zur Behandlung des Transsexualismus bedarf danach zunächst der medizinischen Indikation. Die geschlechtsangleichende Operation muss zudem zur Behandlung erforderlich sein. Daran fehlt es, wenn zum Erreichen der in § 27 Abs. 1 S. 1 SGB V genannten Therapieziele Behandlungsmaßnahmen ausreichen, die ein Leben im anderen Geschlecht ohne somatische Maßnahmen unterstützen oder sich auf hormonelle Behandlungen ohne Operationen beschränken (BSG, a.a.O., Rn. 19).

Die innere Reichweite des Anspruchs auf geschlechtsangleichende Behandlung bestimmt sich auf der Basis der allgemeinen und besonderen Voraussetzungen des Anspruchs auf Krankenbehandlung nach medizinischen Kriterien des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse (BSG, U.v. 11.9.2012 - B 1 KR 9/12 R - juris, Rn.21). Ist - wie hier - bereits eine genitalverändernde Operation durchgeführt worden, ist vorbehaltlich besonderer Umstände eine erneute Prüfung entbehrlich, ob die Linderung des aus dem Transsexualismus resultierenden psychischen Leidensdrucks allein durch nicht operative Behandlungsmaßnahmen noch in ausreichendem Umfang möglich ist (BSG, a.a.O., Rn.25).

Der gegenüber der bisherigen Rechtslage geänderte rechtliche Ausgangspunkt des Anspruchs Transsexueller auf geschlechtsangleichende Behandlung schließt es aus, die Reichweite des Anspruchs primär anhand von Kriterien des Behandlungsanspruchs wegen Entstellung zu umreißen. Eine Entstellung begründet einen Anspruch auf Krankenbehandlung wegen einer körperlichen, nicht psychischen Krankheit. Innerer Grund des Anspruchs Transsexueller auf geschlechtsangleichende Operationen ist es dagegen nicht, eine Entstellung zu heilen oder zu lindern. Ein solcher Anspruch, der bei Entstellung für alle Versicherten, auch für transsexuelle Versicherte besteht, bleibt hiervon unberührt (BSG, U.v. 11.9.2012 - B 1 KR 9/12 R - juris, Rn.26).

Ansprüche Transsexueller auf geschlechtsangleichende Behandlung im Sinne medizinisch indizierter Maßnahmen sind zusätzlich durch das objektive Erscheinungsbild des angestrebten anderen Geschlechts begrenzt. Die hierdurch gezogenen Grenzen sind allerdings weiter, als sie durch die oben dargelegte Rechtsprechung zur Entstellung gezogen sind. Wer beispielweise als Mann-zu-Frau-Transsexueller - etwa aufgrund einer Hormontherapie - einen Brustansatz entwickelt hat, der die für konfektionierte Damenoberbekleidung vorgesehene Größe A nach DIN EN 13402 bei erfolgter Ausatmung im Rahmen normaler Messung ohne weitere Mittel voll ausfüllt, kann keine Mamaaugmentationsplastik beanspruchen. Das damit erreichte körperliche Erscheinungsbild bewegt sich nämlich - trotz der großen Vielfalt der Phänotypen bei Männern und Frauen - in einem unzweifelhaft geschlechts-typischen Bereich. (BSG, U.v. 11.9.2012 - B 1 KR 9/12 R - juris, Rn.28).

b. Nach diesem Maßstab hat die Klägerin lediglich Anspruch auf operative Reduktion des Adamsapfels (dazu aa.) sowie Korrektur der Stimmbänder bzw. Stimmhöhe (dazu bb.). Kein Anspruch besteht hingegen auf Kostenerstattung der Brustvergrößerung (dazu cc.), auf operative Gesichtsfeminisation (dazu dd.) sowie Versorgung und Kostenerstattung für die Epilationsbehandlungen bei der Kosmetikerin K. (dazu ee.).

Eine Entstellung liegt bei der Klägerin nicht vor; sie macht dies ebenso wenig geltend wie eine funktionelle organische Störung. Die Ansprüche auf geschlechtsangleichende Operationen erstrecken und zugleich beschränken sich auf einen Zustand, bei dem aus der Sicht eines verständigen Betrachters eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts eintritt.

Streitentscheidend ist allein die Frage, ob das Erscheinungsbild der Klägerin in einem solchen Maße vom Erscheinungsbild des weiblichen Geschlechts entfernt ist, dass durch die beantragten Leistungen eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des weiblichen Geschlechts herbeigeführt wird. Das ist nach Auffassung der Kammer hier nur teilweise der Fall.

aa. Nach diesem rechtlichen Maßstab hat die Klägerin Anspruch auf operative Reduktion des Adamsapfels. Die Kammer hat die übermittelte Fotodokumentation der Klägerin in Augenschein genommen und sich von der persönlich erschienenen Klägerin in der mündlichen Verhandlung am 05.02.2019 selbst ein Bild gemacht. Der Adamsapfel tritt bei der Klägerin deutlich sichtbar hervor und steht im nicht übersehbaren Widerspruch zum gewollten weiblichen Erscheinungsbild. Durch die Reduktion des Adamsapfels kann eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des weiblichen Geschlechts herbeigeführt werden. Beim Adamsapfel handelt es sich nicht um ein Körperteil, welches durch angepasste Kleidung ausreichend verdeckbar ist.

bb. Daneben hat die Klägerin Anspruch auf Korrektur der Stimmbänder bzw. Stimmhöhe.

Die Beweisaufnahme hat vorliegend ergeben, dass Erscheinungsbild und Stimme nicht in Einklang stehen. Das Missverständnis zwischen Erscheinungsbild und Stimme macht die Klägerin auffällig. Die Stimme der Klägerin liegt nicht im Normbereich. Sie ist weder für sich genommen „weiblich“, noch ist sie mit dem übrigen Erscheinungsbild der Klägerin in Einklang zu bringen. Die mittlere Sprechstimmlage der Klägerin beträgt nach der sachverständigen Zeugenauskunft des Oberarztes Phoniatrie Dr. med. K. vom Universitätsklinikum A-Stadt vom 23.08.2017 etwa 131 Hz und ist damit für eine weibliche Stimme zu tief. Die Steigerungsfähigkeit ist eingeschränkt. Die Klägerin hat bereits 60 Stunden logopädische Therapie erhalten und dabei nur leichte Fortschritte gemacht. Trotz Logopädie besteht bei der Klägerin eine unverkennbar männliche und mitunter stigmatisierende Stimme. Die alleinige konservative Behandlung kommt nach der Richtlinie des GKV-Spitzenverband vom 19.05.2009 „Begutachtungsanleitung - Geschlechtsangleichende Maßnahmen bei Transsexualität“ nur in Betracht, wenn bereits vorab eine relativ hohe mittlere Sprechstimmlage vorgelegen hat. Dies ist bei dem Kläger nicht der Fall.

cc. Ein Anspruch auf Erstattung der geltend gemachten Kosten für die Mamma-Augmentationsplastik (Brustvergrößerung) nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V i.V.m. § 27 Abs. 1 SGB V besteht nicht. Der Kostenerstattungsanspruch nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V reicht nach ständiger Rechtsprechung des BSG nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (vgl. BSG, U.v. 12.9.2015 - B 1 KR 15/14 R - juris, Rn. 8). Dies ist hier nicht der Fall: Die Klägerin hat bereits keinen Naturalanspruch auf Versorgung mit einer Mamma-Augmentationsplastik.

Der Anspruch auf geschlechtsangleichende Operationen ist wie oben dargelegt auf die Herbeiführung eines Zustandes begrenzt, bei dem aus der Sicht eines verständigen Betrachters eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts eintrete. Im vorliegenden Fall ist die von der Klägerin selbstbeschaffte Brustvergrößerungsoperation im März 2017 zur Behandlung des Transsexualismus nicht erforderlich gewesen.

Vorliegend lässt es sich nicht anhand von Messwerten feststellen, ob die Brustgröße bei der Klägerin vor der Brustvergrößerungsoperation am 09.03.2017 die für konfektionierte Damenoberbekleidung vorgesehene Größe A nach DIN EN 13402 bei erfolgter Ausatmung im Rahmen normaler Messung ohne weitere Mittel voll ausgefüllt hatte und damit den Kriterien entsprochen hatte, bei denen das Bundessozialgericht einen Anspruch auf Brustvergrößerung verneint hat. Im Rahmen der Beweiserhebung haben die behandelnden Ärzte keine maßgeblichen Messwerte mitgeteilt.

Dies kann jedoch dahinstehen. Aus dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 11.9.2012 - B 1 KR 9/12 R - kann nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass immer dann, wenn der Brustansatz die für die konfektionierte Damenoberbekleidung vorgesehene Körbchengröße A nicht erreicht, die Erforderlichkeit einer Brustvergrößerungsoperation zu bejahen ist. Maßgeblich ist jeweils das objektive Erscheinungsbild (LSG Rheinland-Pfalz, U.v. 19.05.2016 - L 5 KR 120/15 - juris, Rn. 4). Auch in Fällen, in denen der Brustansatz die normierte Körbchengröße A nicht ausfüllt, kann unter Berücksichtigung der Gegebenheiten des Einzelfalls das Erscheinungsbild des Betroffenen bereits dem anderen Geschlecht hinreichend angenähert sein und deshalb ein Anspruch auf weitergehende geschlechtsangleichende Behandlungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nicht bestehen. Ob dies aus der Sicht eines verständigen Betrachters der Fall ist, haben die Tatsachengerichte durch Inaugenscheinnahme unter Berücksichtigung des Gesamterscheinungsbilds der Betroffenen festzustellen. Auf die subjektiven Wünsche der Betroffenen kommt es dabei nicht entscheidend an. Denn das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz verbietet es, transsexuellen Versicherten einen umfassenderen leistungsrechtlichen Zugang zu kosmetischen Operationen zu eröffnen, der nicht-transsexuellen Versicherten von vornherein versperrt ist (LSG Rheinland-Pfalz, a.a.O., Rn. 17, m.w.N.).

Die im März 2017 durchgeführte Operation war nach alledem nicht erforderlich, da nicht ausgeschlossen werden kann, dass die Fortführung der hormonellen Behandlung zum Brustaufbau ausreichend gewesen wäre bzw. gewesen ist. Die Klägerin begann ihre Hormonbehandlung im August 2015, der operative Brustaufbau erfolgte bereits am 09.03.2017 und damit nach etwa 20 Monaten Hormontherapie. Voraussetzung für den operativen Brustaufbau ist jedoch eine gegengeschlechtliche Hormonersatztherapie von ausreichender Intensität und Dauer. Die Kammer geht mit der Leitlinie davon aus, dass eine Hormonersatztherapie von regelmäßig mindestens 24 Monaten durchzuführen ist. Davon ist vorliegend auch keine Ausnahme zu machen, wenngleich nach den vorliegenden Bildern vor der Operation keine hinreichende Annäherung an ein weibliches Erscheinungsbild bestanden hat. Die Klägerin übermittelte die Bilder bereits am 09.09.2016, so dass Rückschlüsse auf den tatsächlichen erreichten Brustaufbau zum 09.03.2017 - infolge der weiteren Hormontherapie - nicht möglich sind.

dd. Daneben hat die Klägerin ferner keinen Anspruch auf die avisierte Gesichtsfeminisation.

Die Abtragung der Gestirnwülste, Brauenwülste und Verweiblichung des Kinns, der Nase und der Wangen, Erniedrigung der Stirnhöhe samt Reduktion des Haaransatzes stellen formverbessernde Eingriffe dar, die als kosmetische Eingriffe einzustufen sind. Nach Auswertung der Bilddokumentation sowie des persönlichen Eindrucks der Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung ist die Stirnpartie wie auch der Gesichtsbereich über den Augenhöhlen nicht in einem solchen Maße vom Erscheinungsbild des weiblichen Geschlechts entfernt, dass erst durch eine Abtragung der Stirnpartie und einem Abschleifen der Knochen über den Augenhöhlen eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des weiblichen Geschlechts herbeigeführt wird. Auch ohne die begehrten Operationen besteht zur Überzeugung der Kammer eine hinreichende Annäherung an ein weibliches Erscheinungsbild. Auf subjektive Wünsche der Klägerin kommt es dabei nicht entscheidend an. Denn das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz verbietet es, transsexuellen Versicherten einen umfassenderen leistungsrechtlichen Zugang zu kosmetischen Operationen eröffnen, der nicht-transsexuellen Versicherten von vornherein versperrt ist (LSG Rheinland-Pfalz, U.v. 19.5.2016 - L 5 KR 120/15 - juris, Rn. 17 m.w.N.).

ee. Letztlich hat die Klägerin gemessen an den dargestellten rechtlichen Maßstäben grundsätzlich Anspruch auf Behandlung mittels Baarthaarepilation zur dauerhaften Entfernung der Barthaare als Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung. Ein männlicher Bartwuchs im Gesicht steht einer deutlichen Annährung an das weibliche Erscheinungsbild entgegen (so auch SG Berlin, U.v. 15.3.2016 - S 51 KR 2136/13 - juris, Rn. 29).

Allerdings hat die Klägerin weder einen Anspruch auf die beantragte Kostenfreistellung (für die Vergangenheit) nach § 13 Abs. 3 Satz 7 i.V.m. § 27 Abs. 1 SGB V noch auf Kostenübernahme (für die Zukunft) nach § 27 Abs. 1 SGB V für eine Behandlung durch die Kosmetikerin K..

Die bei der Klägerin durchgeführte Epilation ist im Hinblick darauf, dass sie im EBM und auch in der Gebührenordnung für Ärzte aufgeführt ist, als ärztliche Behandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 28 Abs. 1 SGB V), nicht etwa als Heilmittel (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, § 32 SGB V) anzusehen. Ärztliche Behandlungen dürfen aber nur von Ärzten erbracht werden (§ 15 Abs. 1 SGB V - sog. Arztvorbehalt; vgl. BSG, U.v. 13.12.2016 - B 1 KR 4/16 R - juris, Rn. 10 ff.; LSG Baden-Württemberg, U.v. 27.1.2009 - L 11 KR 3126/08 - juris, Rn. 27; Bayerisches LSG, U.v. 7.5.2009 - L 4 KR 465/07 - juris, Rn. 27; a.A.: SG Hannover, U.v. 19.9.18 - S 86 KR 384/18; SG Berlin, U.v. 3.5.2017 - S 89 KR 3924/15; LSG NRW, U.v. 8.5.2014 - L 16 KR 453/12 - alle juris). Die selbstbeschafften Behandlungen wurden nicht von einer Vertragsärztin erbracht, so dass allein deswegen ein Kostenerstattungsanspruch ausscheidet. Zur Vermeidung von Wiederholungen verweist das Gericht auf die insoweit zutreffenden Ausführungen im Widerspruchsbescheid der Beklagten und sieht gemäß § 136 Abs. 3 SGG von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe ab. Ergänzend weist die Kammer auf das zwischenzeitlich ergangene Urteil des BSG, welche die Entscheidung der Beklagten (nochmals) bestätigt, hin: Es ist nach der jüngsten Entscheidung des BSG rechtlich nicht von Belang, dass die Klägerin keinen Vertragsarzt gefunden hat; Selbst wenn Versicherte keine Vertragsärzte finden, die eine Behandlung erbringen wollen (sog. Systemversagen), begründet dies keinen Anspruch auf Verschaffung einer Behandlung durch einen Nichtarzt (vgl. Terminsbericht BSG, U.v. 18.12.2018 - B 1 KR 34/17 R - juris).

2. Die Klägerin kann ihre Ansprüche auch nicht auf § 13 Abs. 3a Satz 6 bzw. 7 SGB V stützen. Der Antrag der Klägerin auf Kostenübernahme der geschlechtsangleichenden Operationsmaßnahmen der primären und sekundären Geschlechtsmerkmale ist bei der Beklagten am 09.03.2016 eingegangen. Die Beklagte hat innerhalb der maßgeblichen fünfwöchigen Frist (Unterrichtung der Klägerin mit Schreiben vom 14.03.2016) über den Antrag entschieden. Einen weiteren fiktionsfähigen Antrag hat die Klägerin nicht gestellt; der weitere Schriftverkehr ist Teil des Widerspruchsverfahrens.

Nach alldem war der Klage wie tenoriert stattzugeben.

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

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(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht. (2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber

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(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt 1. Ärztliche Behandlung einsc

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(1) Eine Änderung der Klage ist nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält. (2) Die Einwilligung der Beteiligten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn sie sich, ohne der Änd

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(1) Die ärztliche Behandlung umfaßt die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Zur ärztlichen Behandlung gehört auch die Hilfeleistung

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 15 Ärztliche Behandlung, elektronische Gesundheitskarte


(1) Ärztliche oder zahnärztliche Behandlung wird von Ärzten oder Zahnärzten erbracht, soweit nicht in Modellvorhaben nach § 63 Abs. 3c etwas anderes bestimmt ist. Sind Hilfeleistungen anderer Personen erforderlich, dürfen sie nur erbracht werden, wen

Sozialgesetzbuch (SGB) Fünftes Buch (V) - Gesetzliche Krankenversicherung - (Artikel 1 des Gesetzes v. 20. Dezember 1988, BGBl. I S. 2477) - SGB 5 | § 32 Heilmittel


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Bundessozialgericht Urteil, 11. Sept. 2012 - B 1 KR 9/12 R

bei uns veröffentlicht am 11.09.2012

Tenor Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 8. Dezember 2011 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landess

Landessozialgericht Baden-Württemberg Urteil, 27. Jan. 2009 - L 11 KR 3126/08

bei uns veröffentlicht am 27.01.2009

Tenor Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 8. Mai 2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten. Ta

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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Eine Änderung der Klage ist nur zulässig, wenn die übrigen Beteiligten einwilligen oder das Gericht die Änderung für sachdienlich hält.

(2) Die Einwilligung der Beteiligten in die Änderung der Klage ist anzunehmen, wenn sie sich, ohne der Änderung zu widersprechen, in einem Schriftsatz oder in einer mündlichen Verhandlung auf die abgeänderte Klage eingelassen haben.

(3) Als eine Änderung der Klage ist es nicht anzusehen, wenn ohne Änderung des Klagegrunds

1.
die tatsächlichen oder rechtlichen Ausführungen ergänzt oder berichtigt werden,
2.
der Klageantrag in der Hauptsache oder in bezug auf Nebenforderungen erweitert oder beschränkt wird,
3.
statt der ursprünglich geforderten Leistung wegen einer später eingetretenen Veränderung eine andere Leistung verlangt wird.

(4) Die Entscheidung, daß eine Änderung der Klage nicht vorliege oder zuzulassen sei, ist unanfechtbar.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt

1.
Ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung,
2a.
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen,
3.
Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie mit digitalen Gesundheitsanwendungen,
4.
häusliche Krankenpflege, außerklinische Intensivpflege und Haushaltshilfe,
5.
Krankenhausbehandlung,
6.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen.
Zur Krankenbehandlung gehört auch die palliative Versorgung der Versicherten. Bei der Krankenbehandlung ist den besonderen Bedürfnissen psychisch Kranker Rechnung zu tragen, insbesondere bei der Versorgung mit Heilmitteln und bei der medizinischen Rehabilitation. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit, wenn diese Fähigkeit nicht vorhanden war oder durch Krankheit oder wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation verlorengegangen war. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur vertraulichen Spurensicherung am Körper, einschließlich der erforderlichen Dokumentation sowie Laboruntersuchungen und einer ordnungsgemäßen Aufbewahrung der sichergestellten Befunde, bei Hinweisen auf drittverursachte Gesundheitsschäden, die Folge einer Misshandlung, eines sexuellen Missbrauchs, eines sexuellen Übergriffs, einer sexuellen Nötigung oder einer Vergewaltigung sein können.

(1a) Spender von Organen oder Geweben oder von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen (Spender) haben bei einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende zum Zwecke der Übertragung auf Versicherte (Entnahme bei lebenden Spendern) Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung. Dazu gehören die ambulante und stationäre Behandlung der Spender, die medizinisch erforderliche Vor- und Nachbetreuung, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie die Erstattung des Ausfalls von Arbeitseinkünften als Krankengeld nach § 44a und erforderlicher Fahrkosten; dies gilt auch für Leistungen, die über die Leistungen nach dem Dritten Kapitel dieses Gesetzes, auf die ein Anspruch besteht, hinausgehen, soweit sie vom Versicherungsschutz des Spenders umfasst sind. Zuzahlungen sind von den Spendern nicht zu leisten. Zuständig für Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 ist die Krankenkasse der Empfänger von Organen, Geweben oder Blutstammzellen sowie anderen Blutbestandteilen (Empfänger). Im Zusammenhang mit der Spende von Knochenmark nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes, von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen nach § 9 des Transfusionsgesetzes können die Erstattung der erforderlichen Fahrkosten des Spenders und die Erstattung der Entgeltfortzahlung an den Arbeitgeber nach § 3a Absatz 2 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes einschließlich der Befugnis zum Erlass der hierzu erforderlichen Verwaltungsakte auf Dritte übertragen werden. Das Nähere kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den für die nationale und internationale Suche nach nichtverwandten Spendern von Blutstammzellen aus Knochenmark oder peripherem Blut maßgeblichen Organisationen vereinbaren. Für die Behandlung von Folgeerkrankungen der Spender ist die Krankenkasse der Spender zuständig, sofern der Leistungsanspruch nicht nach § 11 Absatz 5 ausgeschlossen ist. Ansprüche nach diesem Absatz haben auch nicht gesetzlich krankenversicherte Personen. Die Krankenkasse der Spender ist befugt, die für die Leistungserbringung nach den Sätzen 1 und 2 erforderlichen personenbezogenen Daten an die Krankenkasse oder das private Krankenversicherungsunternehmen der Empfänger zu übermitteln; dies gilt auch für personenbezogene Daten von nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Krankenversicherungspflichtigen. Die nach Satz 9 übermittelten Daten dürfen nur für die Erbringung von Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 verarbeitet werden. Die Datenverarbeitung nach den Sätzen 9 und 10 darf nur mit schriftlicher Einwilligung der Spender, der eine umfassende Information vorausgegangen ist, erfolgen.

(2) Versicherte, die sich nur vorübergehend im Inland aufhalten, Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt wurde, sowie

1.
asylsuchende Ausländer, deren Asylverfahren noch nicht unanfechtbar abgeschlossen ist,
2.
Vertriebene im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Bundesvertriebenengesetzes sowie Spätaussiedler im Sinne des § 4 des Bundesvertriebenengesetzes, ihre Ehegatten, Lebenspartner und Abkömmlinge im Sinne des § 7 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes haben Anspruch auf Versorgung mit Zahnersatz, wenn sie unmittelbar vor Inanspruchnahme mindestens ein Jahr lang Mitglied einer Krankenkasse (§ 4) oder nach § 10 versichert waren oder wenn die Behandlung aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 8. Dezember 2011 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Versorgung der Klägerin mit einer Mamma-Augmentationsplastik (MAP).

2

Die 1949 als Mann geborene, bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Klägerin wird infolge eines Mann-zu-Frau-Transsexualismus seit März 2005 mit weiblichen Hormonen behandelt. Die Beklagte bewilligte der Klägerin eine geschlechtsangleichende Genitaloperation, die im Oktober 2007 erfolgte, lehnte aber eine MAP ab (Bescheide vom 28.6.2007 und 14.8.2008, Widerspruchsbescheid vom 8.12.2008). Die Brustgröße der Klägerin stelle keinen regelwidrigen Körperzustand dar. Der psychische Leidensdruck der Klägerin sei psychiatrisch oder psychotherapeutisch zu behandeln. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 24.3.2010). Mit ihrer Berufung hat die Klägerin geltend gemacht, trotz der Hormonbehandlung wirke ihre Brust eher männlich. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen: Der Leidensdruck, der Klägerin, abweichend vom biologischen Geschlecht als Angehöriger des anderen Geschlechts erkannt und anerkannt zu werden, sei eine behandlungsbedürftige Krankheit. Das Behandlungsziel einer nach dem gesamten Erscheinungsbild deutlichen Annäherung an das empfundene Geschlecht sei aber bei dem schlanken Erscheinungsbild der Klägerin mit einer natürlich wirkenden Brust insgesamt erreicht. Für diese auf einen Befundbericht und die Wahrnehmung in der mündlichen Verhandlung gestützte Einschätzung habe es keines medizinischen Fachwissens und keines Sachverständigenbeweises bedurft (Urteil vom 8.12.2011).

3

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 27 Abs 1 S 1 SGB V und des § 103 SGG. Ihr Anspruch auf Krankenbehandlung wegen Transsexualismus umfasse aufgrund der gegebenen medizinischen Indikation auch eine MAP. Sie könne nicht auf die Verwendung von Hilfsmitteln wie zB BH-Einlagen verwiesen werden. Das LSG hätte - wie beantragt - zum Erscheinungsbild ihrer Brust Beweis durch Sachverständige erheben müssen.

4

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 8. Dezember 2011 und das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 24. März 2010 aufzuheben sowie die Bescheide der Beklagten vom 28. Juni 2007 und 14. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2008 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin mit einer beidseitigen Mamma-Augmentationsplastik zu versorgen,
hilfsweise,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 8. Dezember 2011 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

5

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Das angefochtene LSG-Urteil ist aufzuheben, denn es verletzt materielles Recht. Die unangegriffenen, den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG reichen nicht aus, um abschließend über den geltend gemachten Anspruch auf Versorgung mit einer MAP aus § 27 Abs 1 S 1 SGB V zu entscheiden. Der von der Klägerin bereits durch die Hormonbehandlung erreichte Brustumfang steht nicht fest, so dass der Senat nicht die Erforderlichkeit der von der Klägerin begehrten MAP beurteilen kann.

8

Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, dass transsexuelle Versicherte nach § 27 Abs 1 SGB V Anspruch auf geschlechtsangleichende Behandlungsmaßnahmen einschließlich chirurgischer Eingriffe in gesunde Organe zur Minderung ihres psychischen Leidensdrucks haben können, um sich dem Erscheinungsbild des angestrebten anderen Geschlechts deutlich anzunähern(dazu 1.). Die Reichweite des Anspruchs auf geschlechtsangleichende Behandlung bestimmt sich auf der Basis der allgemeinen und besonderen Voraussetzungen des Anspruchs auf Krankenbehandlung nach medizinischen Kriterien (dazu 2.). Die Entscheidung des LSG erweist sich weder ganz noch teilweise aus anderen Gründen als zutreffend. Das LSG wird nunmehr das noch Erforderliche aufzuklären haben (dazu 3.).

9

1. Versicherte - wie die Klägerin - haben nach § 27 Abs 1 S 1 SGB V Anspruch auf Krankenbe-handlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Klägerin leidet an Transsexualismus in Gestalt einer psychischen Krankheit, deren Behandlung notwendig ist (dazu a). Obwohl der Anspruch auf Krankenbehandlung psychischer Krankheiten grundsätzlich nicht körperliche Eingriffe in intakte Organsysteme erfasst, können zur notwendigen Krankenbehandlung des Transsexualismus - als Ausnahme von diesem Grundsatz - operative Eingriffe in den gesunden Körper zwecks Veränderung der äußerlich sichtbaren Geschlechtsmerkmale gehören (dazu b). Die genannten operativen Eingriffe in den gesunden Körper müssen medizinisch erforderlich sein (dazu c).

10

a) Grundvoraussetzung des Anspruchs Versicherter auf Krankenbehandlung ist, dass sie an einer Krankheit leiden. Krankheit iS von § 27 Abs 1 S 1 SGB V ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht(stRspr, vgl nur BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 10 mwN - Zisidentität; zu Bestrebungen, den Transsexualismus zu "entpathologisieren", vgl LSG Baden-Württemberg Urteil vom 25.1.2012 - L 5 KR 375/10 - Juris RdNr 44). Die Klägerin leidet in diesem Sinne an einer Krankheit, nämlich an behandlungsbedürftigem Transsexualismus.

11

Transsexualismus ist nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse eine psychische Krankheit. Transsexuelle leben in dem irreversiblen und dauerhaften Bewusstsein, dem Geschlecht anzugehören, dem sie aufgrund ihrer äußeren körperlichen Geschlechtsmerkmale zum Zeitpunkt der Geburt nicht zugeordnet wurden (vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909, RdNr 34 mwN). Für die Diagnose entscheidend ist die Stabilität des transsexuellen Wunsches, der vollständigen psychischen Identifikation mit dem anderen, dem eigenen Körper widersprechenden Geschlecht (vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909, RdNr 35 unter Hinweis auf Becker/Berner/Dannecker/Richter-Appelt, Zf Sexualforschung 2001, S 258, 260; Pichlo, in: Groß/Neuschaefer-Grube/Steinmetzer, Transsexualität und Intersexualität, Medizinische, ethische, soziale und juristische Aspekte, 2008, S 121). Die ICD-10-GM Version 2012 ordnet Transsexualismus mit dem Schlüssel F64.0 (Störungen der Geschlechtsidentität) dem Kapitel V zu (Psychische und Verhaltensstörungen ). F64.0 spricht von dem "Wunsch, als Angehöriger des anderen Geschlechtes zu leben und anerkannt zu werden".

12

Die Rechtsordnung erkennt Transsexualismus nicht nur personenstandsrechtlich, sondern auch als behandlungsbedürftige Krankheit an. Der Gesetzgeber hat bereits durch Schaffung des Gesetzes über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen (Transsexuellengesetz ) vom 10.9.1980 (BGBl I 1654; zuletzt geändert durch Beschluss des BVerfG vom 11.1.2011 - 1 BvR 3295/07 - BGBl I 224 = BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909) bestätigt, dass der Befund des Transsexualismus eine außergewöhnliche rechtliche Bewertung rechtfertigt (BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 11; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 17). Inzwischen erstreckt das SGB V ausdrücklich die ambulante spezialfachärztliche Versorgung auf die Diagnostik und Behandlung komplexer, schwer therapierbarer Krankheiten, die je nach Krankheit eine spezielle Qualifikation, eine interdisziplinäre Zusammenarbeit und besondere Ausstattungen erfordern. Hierzu gehört ua Transsexualismus als seltene Erkrankung (vgl § 116b Abs 1 S 2 Nr 2 Buchst i SGB V idF durch Art 1 Nr 44 Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 22.12.2011, BGBl I 2983; vgl dazu BT-Drucks 17/6906 S 81; vgl zuvor Anlage 2 Nr 9 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die ambulante Behandlung im Krankenhaus nach § 116b SGB V idF vom 18.10.2005, BAnz Nr 7 S 88 vom 11.1.2006, zuletzt geändert am 15.12.2011, BAnz Nr 197 S 4655, in Kraft getreten am 31.12.2011; zur erstmaligen Berücksichtigung des Transsexualismus als seltene Erkrankung im Rahmen des § 116b SGB V aF vgl die Bekanntmachung des GBA über eine Ergänzung des Katalogs nach § 116b Abs 3 SGB V vom 16.3.2004, BAnz Nr 88 S 10 177).

13

b) Das Spektrum medizinisch indizierter Krankenbehandlung des Transsexualismus ist mittlerweile - anknüpfend an den Erkenntnisfortschritt über die Erkrankung - weit gefächert. Für erforderlich werden individuelle therapeutische Lösungen erachtet, die von einem Leben im anderen Geschlecht ohne somatische Maßnahmen über hormonelle Behandlungen bis hin zur weitgehenden operativen Geschlechtsangleichung reichen können (vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909, RdNr 36 unter Hinweis auf Pichlo in Groß/Neuschaefer-Grube/Steinmetzer, Transsexualität und Intersexualität, Medizinische, ethische, soziale und juristische Aspekte, 2008, 119, 122; Rauchfleisch, Transsexualität - Transidentität, 2006, 17; Becker in Kockott/Fahrner, Sexualstörungen, 2004, 153, 180, 181).

14

Während notwendige Krankenbehandlung des Transsexualismus auf psychischer Ebene nach den allgemeinen Grundsätzen zur Ermöglichung und Stützung eines Lebens im anderen Geschlecht ohne somatische Maßnahmen unproblematisch von § 27 Abs 1 S 1 SGB V erfasst ist, versteht sich dies für hormonelle Behandlungen bis hin zur weitgehenden operativen Geschlechtsangleichung nicht in gleicher Weise beinahe von selbst. Der erkennende Senat erachtet dennoch solche Ansprüche weiterhin für möglich.

15

Die ständige Rechtsprechung des für diese Frage allein zuständigen erkennenden Senats verneint grundsätzlich eine Behandlungsbedürftigkeit psychischer Krankheiten mittels angestrebter körperlicher Eingriffe, wenn diese Maßnahmen nicht durch körperliche Fehlfunktionen oder durch Entstellung, also nicht durch einen regelwidrigen Körperzustand veranlasst werden (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 13 - Zisidentität; BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 16; BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 5; BSGE 82, 158, 163 f = SozR 3-2500 § 39 Nr 5 S 29 f, jeweils mwN). In Bezug auf Operationen am - krankenversicherungsrechtlich betrachtet - gesunden Körper, die psychische Leiden beeinflussen sollen, lässt sich ausgehend von der aufgezeigten Rechtsprechung grundsätzlich eine Behandlungsbedürftigkeit nicht begründen (näher dazu BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 13 mwN - Zisidentität).

16

Auch allein das subjektive Empfinden eines Versicherten vermag die Regelwidrigkeit und die daraus abgeleitete Behandlungsbedürftigkeit seines Zustandes nicht zu bestimmen. Maßgeblich sind vielmehr objektive Kriterien, nämlich der allgemein anerkannte Stand der medizinischen Erkenntnisse (§ 2 Abs 1 S 3, § 28 Abs 1 S 1 SGB V; vgl zur Gesetz- und Verfassungsmäßigkeit BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 23 mwN) und - bei der Frage, ob eine Entstellung besteht - der objektive Zustand einer körperlichen Auffälligkeit von so beachtlicher Erheblichkeit, dass sie die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gefährdet (BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14 LS und RdNr 13 f). Andernfalls würde der Krankheitsbegriff über Gebühr relativiert und an Konturen verlieren. Es würde nicht gezielt gegen die eigentliche Krankheit selbst vorgegangen, sondern nur mittelbar die Besserung eines an sich einem anderen Bereich zugehörigen gesundheitlichen Defizits angestrebt (vgl zum Ganzen BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 14 mwN - Zisidentität). Daran hält der Senat fest.

17

Der Senat hat allerdings bisher unter Hinweis auf die Regelungen des TSG eine Ausnahme von den dargestellten Grundsätzen in dem hier betroffenen Bereich im Falle einer besonders tief greifenden Form des Transsexualismus gemacht. Er hat in diesen Fällen einen Anspruch auf medizinisch indizierte Hormonbehandlung und geschlechtsangleichende Operationen bejaht (vgl zum Ganzen BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 15 - Zisidentität),zugleich aber auch - neben § 27 Abs 1 S 1 SGB V - dem Regelungskonzept des TSG Grenzen der Reichweite des Anspruchs auf Krankenbehandlung entnommen(vgl BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 17 - Zisidentität). Die Ansprüche auf geschlechtsangleichende Operationen sind danach beschränkt auf einen Zustand, bei dem aus der Sicht eines verständigen Betrachters eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts eintritt (vgl BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 15 unter Hinweis ua auf § 8 Abs 1 Nr 4 TSG).

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Der erkennende Senat führt seine Rechtsprechung im Kern trotz der Entscheidung des BVerfG fort, § 8 Abs 1 Nr 4 TSG mit Art 2 Abs 1 und Art 2 Abs 2 iVm Art 1 Abs 1 GG für nicht vereinbar und bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung für nicht anwendbar zu erklären(vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909). Das BVerfG zielt mit seiner Entscheidung nämlich nur darauf ab, Transsexuelle vor unverhältnismäßigen Belastungen zu schützen. Es sieht - nach näherer Maßgabe der Entscheidungsgründe - die von § 8 Abs 1 Nr 4 TSG zum Erreichen personenstandsrechtlicher Änderungen zwingend vorgegebene deutliche Annäherung der transsexuellen Person an die körperliche Erscheinung des angestrebten anderen Geschlechts im Sinne einer genitalverändernden Operation angesichts der damit verbundenen gesundheitlichen Risiken als unzumutbar an. Es ist danach unzumutbar, von einem Transsexuellen zu verlangen, dass er sich derartigen risikoreichen, mit möglicherweise dauerhaften gesundheitlichen Schädigungen und Beeinträchtigungen verbundenen Operationen unterzieht, wenn sie medizinisch nicht indiziert sind, um damit die Ernsthaftigkeit und Dauerhaftigkeit seiner Transsexualität unter Beweis zu stellen und die personenstandsrechtliche Anerkennung im empfundenen Geschlecht zu erhalten (BVerfGE 128, 109, 131 f = NJW 2011, 909, RdNr 70). Die operativen Eingriffe als solche stellen dagegen bei wirksamer Einwilligung des Transsexuellen keinen Verstoß gegen seine Menschenwürde, sein Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und das Sittengesetz dar (vgl zu Letzterem bereits BVerfGE 49, 286, 299 f). Unverändert kann bei Transsexuellen eine Operation zur Herbeiführung einer deutlichen Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts eine gebotene medizinische Maßnahme sein (BVerfGE 128, 109, 132 = NJW 2011, 909, RdNr 66; vgl auch zur Gesetzesentwicklung und zu § 116b Abs 1 S 2 Nr 2 Buchst i SGB V idF des GKV-VStG oben II 1 a).

19

c) Ein Anspruch Versicherter auf geschlechtsangleichende Operationen am - krankenversicherungsrechtlich betrachtet - gesunden Körper zur Behandlung des Transsexualismus bedarf danach zunächst der medizinischen Indikation. Die geschlechtsangleichende Operation muss zudem zur Behandlung erforderlich sein. Daran fehlt es, wenn zum Erreichen der in § 27 Abs 1 S 1 SGB V genannten Therapieziele Behandlungsmaßnahmen ausreichen, die ein Leben im anderen Geschlecht ohne somatische Maßnahmen unterstützen oder sich auf hormonelle Behandlungen ohne Operationen beschränken. Die Erfüllung dieser Voraussetzungen kann nicht losgelöst von der inneren Reichweite des Anspruchs überprüft werden (dazu 2.).

20

2. Die Reichweite des Anspruchs Transsexueller auf Krankenbehandlung (§ 27 Abs 1 S 1 SGB V)im Sinne von geschlechtsangleichender Behandlung kann nach der dargelegten Rechtsprechung des BVerfG nicht mehr unter Rückgriff auf Wertungen des § 8 Abs 1 Nr 4 TSG eingegrenzt werden. Das Ausmaß des Anspruchs Transsexueller auf geschlechtsangleichende Behandlung bestimmt sich nunmehr unter Einbeziehung der Wertungen des § 116b Abs 1 S 2 Nr 2 Buchst i SGB V idF des GKV-VStG auf der Basis der allgemeinen und besonderen Voraussetzungen des Anspruchs auf Krankenbehandlung(vgl dazu Hauck, NZS 2007, 461) nach den medizinischen Kriterien des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse (dazu a). Für das erforderliche Ausmaß der Behandlung ist dagegen nicht auf das Erscheinungsbild des Betroffenen im gesellschaftlichen Alltag in dem Sinne abzustellen, dass dem Anspruch bereits mit der Behebung einer Entstellung Genüge getan ist (dazu b).

21

a) Besteht eine Indikation für eine begehrte geschlechtsangleichende Operation transsexueller Versicherter, bestimmen vornehmlich objektivierte medizinische Kriterien das erforderliche Ausmaß. Hierbei ist vor allem die Zielsetzung der Therapie zu berücksichtigen, den Leidensdruck der Betroffenen durch solche operativen Eingriffe zu lindern, die darauf gerichtet sind, das körperlich bestehende Geschlecht dem empfundenen Geschlecht anzunähern, es diesem näherungsweise anzupassen.

22

Die Begrenzung auf eine bloße Annäherung des körperlichen Erscheinungsbildes an das gefühlte Geschlecht ergibt sich nicht nur aus den faktischen Schranken, die hormonelle Therapie und plastische Chirurgie setzen. Die Einräumung von Ansprüchen für transsexuelle Versicherte führen unverändert nicht dazu, Betroffenen Anspruch auf jegliche Art von geschlechtsangleichenden operativen Maßnahmen im Sinne einer optimalen Annäherung an ein vermeintliches Idealbild und ohne Einhaltung der durch das Recht der GKV vorgegebenen allgemeinen Grenzen einzuräumen (vgl schon bisher BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 15 - Zisidentität; BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 11). Die Ansprüche sind vielmehr beschränkt auf einen Zustand, der aus der Sicht eines verständigen Betrachters dem Erscheinungsbild des anderen Geschlechts deutlich angenähert ist.

23

Der Anspruch auf Krankenbehandlung hat sich nach § 27 Abs 1 S 1 SGB V iVm § 2 Abs 1 S 3, § 2 Abs 4, § 12 Abs 1 SGB V daran auszurichten, welche Behandlung unter Beachtung des umfassenden Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit notwendig und ausreichend ist, um das angestrebte, in § 27 Abs 1 S 1 SGB V bezeichnete Behandlungsziel zu erreichen. Hierzu ist unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse nicht nur dem Grunde nach, wie das LSG insoweit zutreffend ausgeführt hat, sondern auch dem Umfang nach zu ermitteln, welche Reichweite der Therapie indiziert ist.

24

In Abkehr von den bisherigen Überlegungen, Transsexuellen zum Erreichen personenstandsrechtlicher Änderungen nach § 8 Abs 1 Nr 4 TSG (bisherige Fassung) eine genitalverändernde Operation abzuverlangen, können sich hierbei die gebotenen individuellen operativen Therapieansätze lediglich auf MAP ohne genitalverändernde Operationen beschränken. Denn neuere wissenschaftliche Erkenntnisse stützen die Relativierung des Operationswunsches in seiner Bedeutung für Diagnose und Therapie Transsexueller (vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909, RdNr 35 mwN). Insoweit muss aber medizinisch abgeklärt sein, dass die begehrte Therapie - MAP - geeignet, ausreichend und erforderlich, im Rahmen gleichwertiger Alternativen zudem im engeren Sinne wirtschaftlich ist. Auch der Operationswunsch hinsichtlich einer MAP darf nicht eine Lösungsschablone für etwa verborgene andere psychische Störungen oder Unbehagen mit etablierten Geschlechtsrollenbildern sein, sondern muss aufgrund des Transsexualismus indiziert sein.

25

Ist - wie hier - bereits eine genitalverändernde Operation durchgeführt worden, ist vorbehaltlich besonderer Umstände eine erneute Prüfung entbehrlich, ob die Linderung des aus dem Transsexualismus resultierenden psychischen Leidensdrucks allein durch nicht operative Behandlungsmaßnahmen noch in ausreichendem Umfang möglich ist. Dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG sind derartige besondere Umstände nicht zu entnehmen. Davon zu unterscheiden ist die nach rechtlichen Maßstäben zu beantwortende Frage, ob eine MAP im Sinne der Annäherung an das Erscheinungsbild des angestrebten anderen Geschlechts noch objektiv erforderlich ist (näher dazu unter II. 3.).

26

b) Der gegenüber der bisherigen Rechtslage geänderte rechtliche Ausgangspunkt des Anspruchs Transsexueller auf geschlechtsangleichende Behandlung schließt es aus, die Reichweite des Anspruchs primär anhand von Kriterien des Behandlungsanspruchs wegen Entstellung zu umreißen. Eine Entstellung begründet einen Anspruch auf Krankenbehandlung wegen einer körperlichen, nicht psychischen Krankheit (vgl zum Ganzen grundlegend BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 13 f mwN). Innerer Grund des Anspruchs Transsexueller auf geschlechtsangleichende Operationen ist es dagegen nicht, eine Entstellung zu heilen oder zu lindern. Ein solcher Anspruch, der bei Entstellung für alle Versicherte, auch für transsexuelle Versicherte besteht, bleibt hiervon unberührt.

27

3. Das LSG-Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend. Es steht nicht fest, dass die Klägerin einen Brustumfang hat, der eine MAP nicht mehr erforderlich macht.

28

Ansprüche Transsexueller auf geschlechtsangleichende Behandlung im Sinne medizinisch indizierter MAP sind zusätzlich durch das objektive Erscheinungsbild des Brustumfangs begrenzt. Die hierdurch gezogenen Grenzen sind allerdings weiter, als sie durch die oben dargelegte Rechtsprechung zur Entstellung gezogen sind. Wer als Mann-zu-Frau-Transsexueller - etwa aufgrund einer Hormontherapie - einen Brustansatz entwickelt hat, der die für konfektionierte Damenoberbekleidung vorgesehene Größe A nach DIN EN 13402 bei erfolgter Ausatmung im Rahmen normaler Messung ohne weitere Mittel voll ausfüllt, kann keine MAP beanspruchen (vgl zu DIN EN 13402: Größenbezeichnung von Bekleidung (2001) http://www.beuth.de/langanzeige/DIN-EN-13402-1/de/38031428). Das damit erreichte körperliche Erscheinungsbild bewegt sich nämlich - trotz der großen Vielfalt der Phänotypen bei Männern und Frauen - in einem unzweifelhaft geschlechtstypischen Bereich.

29

Die Grenze trägt auch dem Gleichbehandlungsgebot gemäß Art 3 Abs 1 GG Rechnung. Die Grenzziehung vermeidet es, transsexuellen Versicherten einen umfassenden leistungsrechtlichen Zugang zu kosmetischen Operationen zu eröffnen, der nicht transsexuellen Versicherten von vornherein versperrt ist (vgl dazu zB BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 13 mwN).

30

Das LSG hat hierzu - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen getroffen. Die Klägerin bestreitet die Entwicklung eines Brustansatzes, der nach den dargelegten Kriterien einen Anspruch auf eine MAP ausschließt. Danach wird das LSG festzustellen haben, dass die Klägerin keinen Brustansatz entwickelt hat, der nach den dargelegten Kriterien einen Anspruch auf eine MAP ausschließt.

31

4. Die Kostenentscheidung bleibt dem LSG vorbehalten.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt

1.
Ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung,
2a.
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen,
3.
Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie mit digitalen Gesundheitsanwendungen,
4.
häusliche Krankenpflege, außerklinische Intensivpflege und Haushaltshilfe,
5.
Krankenhausbehandlung,
6.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen.
Zur Krankenbehandlung gehört auch die palliative Versorgung der Versicherten. Bei der Krankenbehandlung ist den besonderen Bedürfnissen psychisch Kranker Rechnung zu tragen, insbesondere bei der Versorgung mit Heilmitteln und bei der medizinischen Rehabilitation. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit, wenn diese Fähigkeit nicht vorhanden war oder durch Krankheit oder wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation verlorengegangen war. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur vertraulichen Spurensicherung am Körper, einschließlich der erforderlichen Dokumentation sowie Laboruntersuchungen und einer ordnungsgemäßen Aufbewahrung der sichergestellten Befunde, bei Hinweisen auf drittverursachte Gesundheitsschäden, die Folge einer Misshandlung, eines sexuellen Missbrauchs, eines sexuellen Übergriffs, einer sexuellen Nötigung oder einer Vergewaltigung sein können.

(1a) Spender von Organen oder Geweben oder von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen (Spender) haben bei einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende zum Zwecke der Übertragung auf Versicherte (Entnahme bei lebenden Spendern) Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung. Dazu gehören die ambulante und stationäre Behandlung der Spender, die medizinisch erforderliche Vor- und Nachbetreuung, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie die Erstattung des Ausfalls von Arbeitseinkünften als Krankengeld nach § 44a und erforderlicher Fahrkosten; dies gilt auch für Leistungen, die über die Leistungen nach dem Dritten Kapitel dieses Gesetzes, auf die ein Anspruch besteht, hinausgehen, soweit sie vom Versicherungsschutz des Spenders umfasst sind. Zuzahlungen sind von den Spendern nicht zu leisten. Zuständig für Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 ist die Krankenkasse der Empfänger von Organen, Geweben oder Blutstammzellen sowie anderen Blutbestandteilen (Empfänger). Im Zusammenhang mit der Spende von Knochenmark nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes, von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen nach § 9 des Transfusionsgesetzes können die Erstattung der erforderlichen Fahrkosten des Spenders und die Erstattung der Entgeltfortzahlung an den Arbeitgeber nach § 3a Absatz 2 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes einschließlich der Befugnis zum Erlass der hierzu erforderlichen Verwaltungsakte auf Dritte übertragen werden. Das Nähere kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den für die nationale und internationale Suche nach nichtverwandten Spendern von Blutstammzellen aus Knochenmark oder peripherem Blut maßgeblichen Organisationen vereinbaren. Für die Behandlung von Folgeerkrankungen der Spender ist die Krankenkasse der Spender zuständig, sofern der Leistungsanspruch nicht nach § 11 Absatz 5 ausgeschlossen ist. Ansprüche nach diesem Absatz haben auch nicht gesetzlich krankenversicherte Personen. Die Krankenkasse der Spender ist befugt, die für die Leistungserbringung nach den Sätzen 1 und 2 erforderlichen personenbezogenen Daten an die Krankenkasse oder das private Krankenversicherungsunternehmen der Empfänger zu übermitteln; dies gilt auch für personenbezogene Daten von nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Krankenversicherungspflichtigen. Die nach Satz 9 übermittelten Daten dürfen nur für die Erbringung von Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 verarbeitet werden. Die Datenverarbeitung nach den Sätzen 9 und 10 darf nur mit schriftlicher Einwilligung der Spender, der eine umfassende Information vorausgegangen ist, erfolgen.

(2) Versicherte, die sich nur vorübergehend im Inland aufhalten, Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt wurde, sowie

1.
asylsuchende Ausländer, deren Asylverfahren noch nicht unanfechtbar abgeschlossen ist,
2.
Vertriebene im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Bundesvertriebenengesetzes sowie Spätaussiedler im Sinne des § 4 des Bundesvertriebenengesetzes, ihre Ehegatten, Lebenspartner und Abkömmlinge im Sinne des § 7 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes haben Anspruch auf Versorgung mit Zahnersatz, wenn sie unmittelbar vor Inanspruchnahme mindestens ein Jahr lang Mitglied einer Krankenkasse (§ 4) oder nach § 10 versichert waren oder wenn die Behandlung aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 8. Dezember 2011 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Versorgung der Klägerin mit einer Mamma-Augmentationsplastik (MAP).

2

Die 1949 als Mann geborene, bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Klägerin wird infolge eines Mann-zu-Frau-Transsexualismus seit März 2005 mit weiblichen Hormonen behandelt. Die Beklagte bewilligte der Klägerin eine geschlechtsangleichende Genitaloperation, die im Oktober 2007 erfolgte, lehnte aber eine MAP ab (Bescheide vom 28.6.2007 und 14.8.2008, Widerspruchsbescheid vom 8.12.2008). Die Brustgröße der Klägerin stelle keinen regelwidrigen Körperzustand dar. Der psychische Leidensdruck der Klägerin sei psychiatrisch oder psychotherapeutisch zu behandeln. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 24.3.2010). Mit ihrer Berufung hat die Klägerin geltend gemacht, trotz der Hormonbehandlung wirke ihre Brust eher männlich. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen: Der Leidensdruck, der Klägerin, abweichend vom biologischen Geschlecht als Angehöriger des anderen Geschlechts erkannt und anerkannt zu werden, sei eine behandlungsbedürftige Krankheit. Das Behandlungsziel einer nach dem gesamten Erscheinungsbild deutlichen Annäherung an das empfundene Geschlecht sei aber bei dem schlanken Erscheinungsbild der Klägerin mit einer natürlich wirkenden Brust insgesamt erreicht. Für diese auf einen Befundbericht und die Wahrnehmung in der mündlichen Verhandlung gestützte Einschätzung habe es keines medizinischen Fachwissens und keines Sachverständigenbeweises bedurft (Urteil vom 8.12.2011).

3

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 27 Abs 1 S 1 SGB V und des § 103 SGG. Ihr Anspruch auf Krankenbehandlung wegen Transsexualismus umfasse aufgrund der gegebenen medizinischen Indikation auch eine MAP. Sie könne nicht auf die Verwendung von Hilfsmitteln wie zB BH-Einlagen verwiesen werden. Das LSG hätte - wie beantragt - zum Erscheinungsbild ihrer Brust Beweis durch Sachverständige erheben müssen.

4

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 8. Dezember 2011 und das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 24. März 2010 aufzuheben sowie die Bescheide der Beklagten vom 28. Juni 2007 und 14. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2008 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin mit einer beidseitigen Mamma-Augmentationsplastik zu versorgen,
hilfsweise,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 8. Dezember 2011 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

5

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Das angefochtene LSG-Urteil ist aufzuheben, denn es verletzt materielles Recht. Die unangegriffenen, den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG reichen nicht aus, um abschließend über den geltend gemachten Anspruch auf Versorgung mit einer MAP aus § 27 Abs 1 S 1 SGB V zu entscheiden. Der von der Klägerin bereits durch die Hormonbehandlung erreichte Brustumfang steht nicht fest, so dass der Senat nicht die Erforderlichkeit der von der Klägerin begehrten MAP beurteilen kann.

8

Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, dass transsexuelle Versicherte nach § 27 Abs 1 SGB V Anspruch auf geschlechtsangleichende Behandlungsmaßnahmen einschließlich chirurgischer Eingriffe in gesunde Organe zur Minderung ihres psychischen Leidensdrucks haben können, um sich dem Erscheinungsbild des angestrebten anderen Geschlechts deutlich anzunähern(dazu 1.). Die Reichweite des Anspruchs auf geschlechtsangleichende Behandlung bestimmt sich auf der Basis der allgemeinen und besonderen Voraussetzungen des Anspruchs auf Krankenbehandlung nach medizinischen Kriterien (dazu 2.). Die Entscheidung des LSG erweist sich weder ganz noch teilweise aus anderen Gründen als zutreffend. Das LSG wird nunmehr das noch Erforderliche aufzuklären haben (dazu 3.).

9

1. Versicherte - wie die Klägerin - haben nach § 27 Abs 1 S 1 SGB V Anspruch auf Krankenbe-handlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Klägerin leidet an Transsexualismus in Gestalt einer psychischen Krankheit, deren Behandlung notwendig ist (dazu a). Obwohl der Anspruch auf Krankenbehandlung psychischer Krankheiten grundsätzlich nicht körperliche Eingriffe in intakte Organsysteme erfasst, können zur notwendigen Krankenbehandlung des Transsexualismus - als Ausnahme von diesem Grundsatz - operative Eingriffe in den gesunden Körper zwecks Veränderung der äußerlich sichtbaren Geschlechtsmerkmale gehören (dazu b). Die genannten operativen Eingriffe in den gesunden Körper müssen medizinisch erforderlich sein (dazu c).

10

a) Grundvoraussetzung des Anspruchs Versicherter auf Krankenbehandlung ist, dass sie an einer Krankheit leiden. Krankheit iS von § 27 Abs 1 S 1 SGB V ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht(stRspr, vgl nur BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 10 mwN - Zisidentität; zu Bestrebungen, den Transsexualismus zu "entpathologisieren", vgl LSG Baden-Württemberg Urteil vom 25.1.2012 - L 5 KR 375/10 - Juris RdNr 44). Die Klägerin leidet in diesem Sinne an einer Krankheit, nämlich an behandlungsbedürftigem Transsexualismus.

11

Transsexualismus ist nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse eine psychische Krankheit. Transsexuelle leben in dem irreversiblen und dauerhaften Bewusstsein, dem Geschlecht anzugehören, dem sie aufgrund ihrer äußeren körperlichen Geschlechtsmerkmale zum Zeitpunkt der Geburt nicht zugeordnet wurden (vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909, RdNr 34 mwN). Für die Diagnose entscheidend ist die Stabilität des transsexuellen Wunsches, der vollständigen psychischen Identifikation mit dem anderen, dem eigenen Körper widersprechenden Geschlecht (vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909, RdNr 35 unter Hinweis auf Becker/Berner/Dannecker/Richter-Appelt, Zf Sexualforschung 2001, S 258, 260; Pichlo, in: Groß/Neuschaefer-Grube/Steinmetzer, Transsexualität und Intersexualität, Medizinische, ethische, soziale und juristische Aspekte, 2008, S 121). Die ICD-10-GM Version 2012 ordnet Transsexualismus mit dem Schlüssel F64.0 (Störungen der Geschlechtsidentität) dem Kapitel V zu (Psychische und Verhaltensstörungen ). F64.0 spricht von dem "Wunsch, als Angehöriger des anderen Geschlechtes zu leben und anerkannt zu werden".

12

Die Rechtsordnung erkennt Transsexualismus nicht nur personenstandsrechtlich, sondern auch als behandlungsbedürftige Krankheit an. Der Gesetzgeber hat bereits durch Schaffung des Gesetzes über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen (Transsexuellengesetz ) vom 10.9.1980 (BGBl I 1654; zuletzt geändert durch Beschluss des BVerfG vom 11.1.2011 - 1 BvR 3295/07 - BGBl I 224 = BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909) bestätigt, dass der Befund des Transsexualismus eine außergewöhnliche rechtliche Bewertung rechtfertigt (BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 11; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 17). Inzwischen erstreckt das SGB V ausdrücklich die ambulante spezialfachärztliche Versorgung auf die Diagnostik und Behandlung komplexer, schwer therapierbarer Krankheiten, die je nach Krankheit eine spezielle Qualifikation, eine interdisziplinäre Zusammenarbeit und besondere Ausstattungen erfordern. Hierzu gehört ua Transsexualismus als seltene Erkrankung (vgl § 116b Abs 1 S 2 Nr 2 Buchst i SGB V idF durch Art 1 Nr 44 Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 22.12.2011, BGBl I 2983; vgl dazu BT-Drucks 17/6906 S 81; vgl zuvor Anlage 2 Nr 9 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die ambulante Behandlung im Krankenhaus nach § 116b SGB V idF vom 18.10.2005, BAnz Nr 7 S 88 vom 11.1.2006, zuletzt geändert am 15.12.2011, BAnz Nr 197 S 4655, in Kraft getreten am 31.12.2011; zur erstmaligen Berücksichtigung des Transsexualismus als seltene Erkrankung im Rahmen des § 116b SGB V aF vgl die Bekanntmachung des GBA über eine Ergänzung des Katalogs nach § 116b Abs 3 SGB V vom 16.3.2004, BAnz Nr 88 S 10 177).

13

b) Das Spektrum medizinisch indizierter Krankenbehandlung des Transsexualismus ist mittlerweile - anknüpfend an den Erkenntnisfortschritt über die Erkrankung - weit gefächert. Für erforderlich werden individuelle therapeutische Lösungen erachtet, die von einem Leben im anderen Geschlecht ohne somatische Maßnahmen über hormonelle Behandlungen bis hin zur weitgehenden operativen Geschlechtsangleichung reichen können (vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909, RdNr 36 unter Hinweis auf Pichlo in Groß/Neuschaefer-Grube/Steinmetzer, Transsexualität und Intersexualität, Medizinische, ethische, soziale und juristische Aspekte, 2008, 119, 122; Rauchfleisch, Transsexualität - Transidentität, 2006, 17; Becker in Kockott/Fahrner, Sexualstörungen, 2004, 153, 180, 181).

14

Während notwendige Krankenbehandlung des Transsexualismus auf psychischer Ebene nach den allgemeinen Grundsätzen zur Ermöglichung und Stützung eines Lebens im anderen Geschlecht ohne somatische Maßnahmen unproblematisch von § 27 Abs 1 S 1 SGB V erfasst ist, versteht sich dies für hormonelle Behandlungen bis hin zur weitgehenden operativen Geschlechtsangleichung nicht in gleicher Weise beinahe von selbst. Der erkennende Senat erachtet dennoch solche Ansprüche weiterhin für möglich.

15

Die ständige Rechtsprechung des für diese Frage allein zuständigen erkennenden Senats verneint grundsätzlich eine Behandlungsbedürftigkeit psychischer Krankheiten mittels angestrebter körperlicher Eingriffe, wenn diese Maßnahmen nicht durch körperliche Fehlfunktionen oder durch Entstellung, also nicht durch einen regelwidrigen Körperzustand veranlasst werden (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 13 - Zisidentität; BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 16; BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 5; BSGE 82, 158, 163 f = SozR 3-2500 § 39 Nr 5 S 29 f, jeweils mwN). In Bezug auf Operationen am - krankenversicherungsrechtlich betrachtet - gesunden Körper, die psychische Leiden beeinflussen sollen, lässt sich ausgehend von der aufgezeigten Rechtsprechung grundsätzlich eine Behandlungsbedürftigkeit nicht begründen (näher dazu BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 13 mwN - Zisidentität).

16

Auch allein das subjektive Empfinden eines Versicherten vermag die Regelwidrigkeit und die daraus abgeleitete Behandlungsbedürftigkeit seines Zustandes nicht zu bestimmen. Maßgeblich sind vielmehr objektive Kriterien, nämlich der allgemein anerkannte Stand der medizinischen Erkenntnisse (§ 2 Abs 1 S 3, § 28 Abs 1 S 1 SGB V; vgl zur Gesetz- und Verfassungsmäßigkeit BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 23 mwN) und - bei der Frage, ob eine Entstellung besteht - der objektive Zustand einer körperlichen Auffälligkeit von so beachtlicher Erheblichkeit, dass sie die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gefährdet (BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14 LS und RdNr 13 f). Andernfalls würde der Krankheitsbegriff über Gebühr relativiert und an Konturen verlieren. Es würde nicht gezielt gegen die eigentliche Krankheit selbst vorgegangen, sondern nur mittelbar die Besserung eines an sich einem anderen Bereich zugehörigen gesundheitlichen Defizits angestrebt (vgl zum Ganzen BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 14 mwN - Zisidentität). Daran hält der Senat fest.

17

Der Senat hat allerdings bisher unter Hinweis auf die Regelungen des TSG eine Ausnahme von den dargestellten Grundsätzen in dem hier betroffenen Bereich im Falle einer besonders tief greifenden Form des Transsexualismus gemacht. Er hat in diesen Fällen einen Anspruch auf medizinisch indizierte Hormonbehandlung und geschlechtsangleichende Operationen bejaht (vgl zum Ganzen BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 15 - Zisidentität),zugleich aber auch - neben § 27 Abs 1 S 1 SGB V - dem Regelungskonzept des TSG Grenzen der Reichweite des Anspruchs auf Krankenbehandlung entnommen(vgl BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 17 - Zisidentität). Die Ansprüche auf geschlechtsangleichende Operationen sind danach beschränkt auf einen Zustand, bei dem aus der Sicht eines verständigen Betrachters eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts eintritt (vgl BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 15 unter Hinweis ua auf § 8 Abs 1 Nr 4 TSG).

18

Der erkennende Senat führt seine Rechtsprechung im Kern trotz der Entscheidung des BVerfG fort, § 8 Abs 1 Nr 4 TSG mit Art 2 Abs 1 und Art 2 Abs 2 iVm Art 1 Abs 1 GG für nicht vereinbar und bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung für nicht anwendbar zu erklären(vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909). Das BVerfG zielt mit seiner Entscheidung nämlich nur darauf ab, Transsexuelle vor unverhältnismäßigen Belastungen zu schützen. Es sieht - nach näherer Maßgabe der Entscheidungsgründe - die von § 8 Abs 1 Nr 4 TSG zum Erreichen personenstandsrechtlicher Änderungen zwingend vorgegebene deutliche Annäherung der transsexuellen Person an die körperliche Erscheinung des angestrebten anderen Geschlechts im Sinne einer genitalverändernden Operation angesichts der damit verbundenen gesundheitlichen Risiken als unzumutbar an. Es ist danach unzumutbar, von einem Transsexuellen zu verlangen, dass er sich derartigen risikoreichen, mit möglicherweise dauerhaften gesundheitlichen Schädigungen und Beeinträchtigungen verbundenen Operationen unterzieht, wenn sie medizinisch nicht indiziert sind, um damit die Ernsthaftigkeit und Dauerhaftigkeit seiner Transsexualität unter Beweis zu stellen und die personenstandsrechtliche Anerkennung im empfundenen Geschlecht zu erhalten (BVerfGE 128, 109, 131 f = NJW 2011, 909, RdNr 70). Die operativen Eingriffe als solche stellen dagegen bei wirksamer Einwilligung des Transsexuellen keinen Verstoß gegen seine Menschenwürde, sein Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und das Sittengesetz dar (vgl zu Letzterem bereits BVerfGE 49, 286, 299 f). Unverändert kann bei Transsexuellen eine Operation zur Herbeiführung einer deutlichen Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts eine gebotene medizinische Maßnahme sein (BVerfGE 128, 109, 132 = NJW 2011, 909, RdNr 66; vgl auch zur Gesetzesentwicklung und zu § 116b Abs 1 S 2 Nr 2 Buchst i SGB V idF des GKV-VStG oben II 1 a).

19

c) Ein Anspruch Versicherter auf geschlechtsangleichende Operationen am - krankenversicherungsrechtlich betrachtet - gesunden Körper zur Behandlung des Transsexualismus bedarf danach zunächst der medizinischen Indikation. Die geschlechtsangleichende Operation muss zudem zur Behandlung erforderlich sein. Daran fehlt es, wenn zum Erreichen der in § 27 Abs 1 S 1 SGB V genannten Therapieziele Behandlungsmaßnahmen ausreichen, die ein Leben im anderen Geschlecht ohne somatische Maßnahmen unterstützen oder sich auf hormonelle Behandlungen ohne Operationen beschränken. Die Erfüllung dieser Voraussetzungen kann nicht losgelöst von der inneren Reichweite des Anspruchs überprüft werden (dazu 2.).

20

2. Die Reichweite des Anspruchs Transsexueller auf Krankenbehandlung (§ 27 Abs 1 S 1 SGB V)im Sinne von geschlechtsangleichender Behandlung kann nach der dargelegten Rechtsprechung des BVerfG nicht mehr unter Rückgriff auf Wertungen des § 8 Abs 1 Nr 4 TSG eingegrenzt werden. Das Ausmaß des Anspruchs Transsexueller auf geschlechtsangleichende Behandlung bestimmt sich nunmehr unter Einbeziehung der Wertungen des § 116b Abs 1 S 2 Nr 2 Buchst i SGB V idF des GKV-VStG auf der Basis der allgemeinen und besonderen Voraussetzungen des Anspruchs auf Krankenbehandlung(vgl dazu Hauck, NZS 2007, 461) nach den medizinischen Kriterien des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse (dazu a). Für das erforderliche Ausmaß der Behandlung ist dagegen nicht auf das Erscheinungsbild des Betroffenen im gesellschaftlichen Alltag in dem Sinne abzustellen, dass dem Anspruch bereits mit der Behebung einer Entstellung Genüge getan ist (dazu b).

21

a) Besteht eine Indikation für eine begehrte geschlechtsangleichende Operation transsexueller Versicherter, bestimmen vornehmlich objektivierte medizinische Kriterien das erforderliche Ausmaß. Hierbei ist vor allem die Zielsetzung der Therapie zu berücksichtigen, den Leidensdruck der Betroffenen durch solche operativen Eingriffe zu lindern, die darauf gerichtet sind, das körperlich bestehende Geschlecht dem empfundenen Geschlecht anzunähern, es diesem näherungsweise anzupassen.

22

Die Begrenzung auf eine bloße Annäherung des körperlichen Erscheinungsbildes an das gefühlte Geschlecht ergibt sich nicht nur aus den faktischen Schranken, die hormonelle Therapie und plastische Chirurgie setzen. Die Einräumung von Ansprüchen für transsexuelle Versicherte führen unverändert nicht dazu, Betroffenen Anspruch auf jegliche Art von geschlechtsangleichenden operativen Maßnahmen im Sinne einer optimalen Annäherung an ein vermeintliches Idealbild und ohne Einhaltung der durch das Recht der GKV vorgegebenen allgemeinen Grenzen einzuräumen (vgl schon bisher BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 15 - Zisidentität; BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 11). Die Ansprüche sind vielmehr beschränkt auf einen Zustand, der aus der Sicht eines verständigen Betrachters dem Erscheinungsbild des anderen Geschlechts deutlich angenähert ist.

23

Der Anspruch auf Krankenbehandlung hat sich nach § 27 Abs 1 S 1 SGB V iVm § 2 Abs 1 S 3, § 2 Abs 4, § 12 Abs 1 SGB V daran auszurichten, welche Behandlung unter Beachtung des umfassenden Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit notwendig und ausreichend ist, um das angestrebte, in § 27 Abs 1 S 1 SGB V bezeichnete Behandlungsziel zu erreichen. Hierzu ist unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse nicht nur dem Grunde nach, wie das LSG insoweit zutreffend ausgeführt hat, sondern auch dem Umfang nach zu ermitteln, welche Reichweite der Therapie indiziert ist.

24

In Abkehr von den bisherigen Überlegungen, Transsexuellen zum Erreichen personenstandsrechtlicher Änderungen nach § 8 Abs 1 Nr 4 TSG (bisherige Fassung) eine genitalverändernde Operation abzuverlangen, können sich hierbei die gebotenen individuellen operativen Therapieansätze lediglich auf MAP ohne genitalverändernde Operationen beschränken. Denn neuere wissenschaftliche Erkenntnisse stützen die Relativierung des Operationswunsches in seiner Bedeutung für Diagnose und Therapie Transsexueller (vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909, RdNr 35 mwN). Insoweit muss aber medizinisch abgeklärt sein, dass die begehrte Therapie - MAP - geeignet, ausreichend und erforderlich, im Rahmen gleichwertiger Alternativen zudem im engeren Sinne wirtschaftlich ist. Auch der Operationswunsch hinsichtlich einer MAP darf nicht eine Lösungsschablone für etwa verborgene andere psychische Störungen oder Unbehagen mit etablierten Geschlechtsrollenbildern sein, sondern muss aufgrund des Transsexualismus indiziert sein.

25

Ist - wie hier - bereits eine genitalverändernde Operation durchgeführt worden, ist vorbehaltlich besonderer Umstände eine erneute Prüfung entbehrlich, ob die Linderung des aus dem Transsexualismus resultierenden psychischen Leidensdrucks allein durch nicht operative Behandlungsmaßnahmen noch in ausreichendem Umfang möglich ist. Dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG sind derartige besondere Umstände nicht zu entnehmen. Davon zu unterscheiden ist die nach rechtlichen Maßstäben zu beantwortende Frage, ob eine MAP im Sinne der Annäherung an das Erscheinungsbild des angestrebten anderen Geschlechts noch objektiv erforderlich ist (näher dazu unter II. 3.).

26

b) Der gegenüber der bisherigen Rechtslage geänderte rechtliche Ausgangspunkt des Anspruchs Transsexueller auf geschlechtsangleichende Behandlung schließt es aus, die Reichweite des Anspruchs primär anhand von Kriterien des Behandlungsanspruchs wegen Entstellung zu umreißen. Eine Entstellung begründet einen Anspruch auf Krankenbehandlung wegen einer körperlichen, nicht psychischen Krankheit (vgl zum Ganzen grundlegend BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 13 f mwN). Innerer Grund des Anspruchs Transsexueller auf geschlechtsangleichende Operationen ist es dagegen nicht, eine Entstellung zu heilen oder zu lindern. Ein solcher Anspruch, der bei Entstellung für alle Versicherte, auch für transsexuelle Versicherte besteht, bleibt hiervon unberührt.

27

3. Das LSG-Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend. Es steht nicht fest, dass die Klägerin einen Brustumfang hat, der eine MAP nicht mehr erforderlich macht.

28

Ansprüche Transsexueller auf geschlechtsangleichende Behandlung im Sinne medizinisch indizierter MAP sind zusätzlich durch das objektive Erscheinungsbild des Brustumfangs begrenzt. Die hierdurch gezogenen Grenzen sind allerdings weiter, als sie durch die oben dargelegte Rechtsprechung zur Entstellung gezogen sind. Wer als Mann-zu-Frau-Transsexueller - etwa aufgrund einer Hormontherapie - einen Brustansatz entwickelt hat, der die für konfektionierte Damenoberbekleidung vorgesehene Größe A nach DIN EN 13402 bei erfolgter Ausatmung im Rahmen normaler Messung ohne weitere Mittel voll ausfüllt, kann keine MAP beanspruchen (vgl zu DIN EN 13402: Größenbezeichnung von Bekleidung (2001) http://www.beuth.de/langanzeige/DIN-EN-13402-1/de/38031428). Das damit erreichte körperliche Erscheinungsbild bewegt sich nämlich - trotz der großen Vielfalt der Phänotypen bei Männern und Frauen - in einem unzweifelhaft geschlechtstypischen Bereich.

29

Die Grenze trägt auch dem Gleichbehandlungsgebot gemäß Art 3 Abs 1 GG Rechnung. Die Grenzziehung vermeidet es, transsexuellen Versicherten einen umfassenden leistungsrechtlichen Zugang zu kosmetischen Operationen zu eröffnen, der nicht transsexuellen Versicherten von vornherein versperrt ist (vgl dazu zB BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 13 mwN).

30

Das LSG hat hierzu - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen getroffen. Die Klägerin bestreitet die Entwicklung eines Brustansatzes, der nach den dargelegten Kriterien einen Anspruch auf eine MAP ausschließt. Danach wird das LSG festzustellen haben, dass die Klägerin keinen Brustansatz entwickelt hat, der nach den dargelegten Kriterien einen Anspruch auf eine MAP ausschließt.

31

4. Die Kostenentscheidung bleibt dem LSG vorbehalten.

(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.

(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.

(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.

(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.

(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt

1.
Ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung,
2a.
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen,
3.
Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie mit digitalen Gesundheitsanwendungen,
4.
häusliche Krankenpflege, außerklinische Intensivpflege und Haushaltshilfe,
5.
Krankenhausbehandlung,
6.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen.
Zur Krankenbehandlung gehört auch die palliative Versorgung der Versicherten. Bei der Krankenbehandlung ist den besonderen Bedürfnissen psychisch Kranker Rechnung zu tragen, insbesondere bei der Versorgung mit Heilmitteln und bei der medizinischen Rehabilitation. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit, wenn diese Fähigkeit nicht vorhanden war oder durch Krankheit oder wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation verlorengegangen war. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur vertraulichen Spurensicherung am Körper, einschließlich der erforderlichen Dokumentation sowie Laboruntersuchungen und einer ordnungsgemäßen Aufbewahrung der sichergestellten Befunde, bei Hinweisen auf drittverursachte Gesundheitsschäden, die Folge einer Misshandlung, eines sexuellen Missbrauchs, eines sexuellen Übergriffs, einer sexuellen Nötigung oder einer Vergewaltigung sein können.

(1a) Spender von Organen oder Geweben oder von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen (Spender) haben bei einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende zum Zwecke der Übertragung auf Versicherte (Entnahme bei lebenden Spendern) Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung. Dazu gehören die ambulante und stationäre Behandlung der Spender, die medizinisch erforderliche Vor- und Nachbetreuung, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie die Erstattung des Ausfalls von Arbeitseinkünften als Krankengeld nach § 44a und erforderlicher Fahrkosten; dies gilt auch für Leistungen, die über die Leistungen nach dem Dritten Kapitel dieses Gesetzes, auf die ein Anspruch besteht, hinausgehen, soweit sie vom Versicherungsschutz des Spenders umfasst sind. Zuzahlungen sind von den Spendern nicht zu leisten. Zuständig für Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 ist die Krankenkasse der Empfänger von Organen, Geweben oder Blutstammzellen sowie anderen Blutbestandteilen (Empfänger). Im Zusammenhang mit der Spende von Knochenmark nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes, von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen nach § 9 des Transfusionsgesetzes können die Erstattung der erforderlichen Fahrkosten des Spenders und die Erstattung der Entgeltfortzahlung an den Arbeitgeber nach § 3a Absatz 2 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes einschließlich der Befugnis zum Erlass der hierzu erforderlichen Verwaltungsakte auf Dritte übertragen werden. Das Nähere kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den für die nationale und internationale Suche nach nichtverwandten Spendern von Blutstammzellen aus Knochenmark oder peripherem Blut maßgeblichen Organisationen vereinbaren. Für die Behandlung von Folgeerkrankungen der Spender ist die Krankenkasse der Spender zuständig, sofern der Leistungsanspruch nicht nach § 11 Absatz 5 ausgeschlossen ist. Ansprüche nach diesem Absatz haben auch nicht gesetzlich krankenversicherte Personen. Die Krankenkasse der Spender ist befugt, die für die Leistungserbringung nach den Sätzen 1 und 2 erforderlichen personenbezogenen Daten an die Krankenkasse oder das private Krankenversicherungsunternehmen der Empfänger zu übermitteln; dies gilt auch für personenbezogene Daten von nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Krankenversicherungspflichtigen. Die nach Satz 9 übermittelten Daten dürfen nur für die Erbringung von Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 verarbeitet werden. Die Datenverarbeitung nach den Sätzen 9 und 10 darf nur mit schriftlicher Einwilligung der Spender, der eine umfassende Information vorausgegangen ist, erfolgen.

(2) Versicherte, die sich nur vorübergehend im Inland aufhalten, Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt wurde, sowie

1.
asylsuchende Ausländer, deren Asylverfahren noch nicht unanfechtbar abgeschlossen ist,
2.
Vertriebene im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Bundesvertriebenengesetzes sowie Spätaussiedler im Sinne des § 4 des Bundesvertriebenengesetzes, ihre Ehegatten, Lebenspartner und Abkömmlinge im Sinne des § 7 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes haben Anspruch auf Versorgung mit Zahnersatz, wenn sie unmittelbar vor Inanspruchnahme mindestens ein Jahr lang Mitglied einer Krankenkasse (§ 4) oder nach § 10 versichert waren oder wenn die Behandlung aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist.

(1) Die Krankenkasse darf anstelle der Sach- oder Dienstleistung (§ 2 Abs. 2) Kosten nur erstatten, soweit es dieses oder das Neunte Buch vorsieht.

(2) Versicherte können anstelle der Sach- oder Dienstleistungen Kostenerstattung wählen. Hierüber haben sie ihre Krankenkasse vor Inanspruchnahme der Leistung in Kenntnis zu setzen. Der Leistungserbringer hat die Versicherten vor Inanspruchnahme der Leistung darüber zu informieren, dass Kosten, die nicht von der Krankenkasse übernommen werden, von dem Versicherten zu tragen sind. Eine Einschränkung der Wahl auf den Bereich der ärztlichen Versorgung, der zahnärztlichen Versorgung, den stationären Bereich oder auf veranlasste Leistungen ist möglich. Nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer dürfen nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Die Inanspruchnahme von Leistungserbringern nach § 95b Absatz 3 Satz 1 im Wege der Kostenerstattung ist ausgeschlossen. Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie kann dabei Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent in Abzug bringen. Im Falle der Kostenerstattung nach § 129 Absatz 1 Satz 6 sind die der Krankenkasse entgangenen Rabatte nach § 130a Absatz 8 sowie die Mehrkosten im Vergleich zur Abgabe eines Arzneimittels nach § 129 Absatz 1 Satz 3 und 5 zu berücksichtigen; die Abschläge sollen pauschaliert werden. Die Versicherten sind an ihre Wahl der Kostenerstattung mindestens ein Kalendervierteljahr gebunden.

(3) Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen, die durch einen Psychotherapeuten erbracht werden, sind erstattungsfähig, sofern dieser die Voraussetzungen des § 95c erfüllt.

(3a) Die Krankenkasse hat über einen Antrag auf Leistungen zügig, spätestens bis zum Ablauf von drei Wochen nach Antragseingang oder in Fällen, in denen eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, innerhalb von fünf Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Wenn die Krankenkasse eine gutachtliche Stellungnahme für erforderlich hält, hat sie diese unverzüglich einzuholen und die Leistungsberechtigten hierüber zu unterrichten. Der Medizinische Dienst nimmt innerhalb von drei Wochen gutachtlich Stellung. Wird ein im Bundesmantelvertrag für Zahnärzte vorgesehenes Gutachterverfahren gemäß § 87 Absatz 1c durchgeführt, hat die Krankenkasse ab Antragseingang innerhalb von sechs Wochen zu entscheiden; der Gutachter nimmt innerhalb von vier Wochen Stellung. Kann die Krankenkasse Fristen nach Satz 1 oder Satz 4 nicht einhalten, teilt sie dies den Leistungsberechtigten unter Darlegung der Gründe rechtzeitig schriftlich oder elektronisch mit; für die elektronische Mitteilung gilt § 37 Absatz 2b des Zehnten Buches entsprechend. Erfolgt keine Mitteilung eines hinreichenden Grundes, gilt die Leistung nach Ablauf der Frist als genehmigt. Beschaffen sich Leistungsberechtigte nach Ablauf der Frist eine erforderliche Leistung selbst, ist die Krankenkasse zur Erstattung der hierdurch entstandenen Kosten verpflichtet. Die Krankenkasse berichtet dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen jährlich über die Anzahl der Fälle, in denen Fristen nicht eingehalten oder Kostenerstattungen vorgenommen wurden. Für Leistungen zur medizinischen Rehabilitation gelten die §§ 14 bis 24 des Neunten Buches zur Koordinierung der Leistungen und zur Erstattung selbst beschaffter Leistungen.

(4) Versicherte sind berechtigt, auch Leistungserbringer in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz anstelle der Sach- oder Dienstleistung im Wege der Kostenerstattung in Anspruch zu nehmen, es sei denn, Behandlungen für diesen Personenkreis im anderen Staat sind auf der Grundlage eines Pauschbetrages zu erstatten oder unterliegen auf Grund eines vereinbarten Erstattungsverzichts nicht der Erstattung. Es dürfen nur solche Leistungserbringer in Anspruch genommen werden, bei denen die Bedingungen des Zugangs und der Ausübung des Berufes Gegenstand einer Richtlinie der Europäischen Gemeinschaft sind oder die im jeweiligen nationalen System der Krankenversicherung des Aufenthaltsstaates zur Versorgung der Versicherten berechtigt sind. Der Anspruch auf Erstattung besteht höchstens in Höhe der Vergütung, die die Krankenkasse bei Erbringung als Sachleistung im Inland zu tragen hätte. Die Satzung hat das Verfahren der Kostenerstattung zu regeln. Sie hat dabei ausreichende Abschläge vom Erstattungsbetrag für Verwaltungskosten in Höhe von höchstens 5 Prozent vorzusehen sowie vorgesehene Zuzahlungen in Abzug zu bringen. Ist eine dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit nur in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union oder einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum möglich, kann die Krankenkasse die Kosten der erforderlichen Behandlung auch ganz übernehmen.

(5) Abweichend von Absatz 4 können in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union, einem anderen Vertragsstaat des Abkommens über den Europäischen Wirtschaftsraum oder der Schweiz Krankenhausleistungen nach § 39 nur nach vorheriger Zustimmung durch die Krankenkassen in Anspruch genommen werden. Die Zustimmung darf nur versagt werden, wenn die gleiche oder eine für den Versicherten ebenso wirksame, dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse entsprechende Behandlung einer Krankheit rechtzeitig bei einem Vertragspartner der Krankenkasse im Inland erlangt werden kann.

(6) § 18 Abs. 1 Satz 2 und Abs. 2 gilt in den Fällen der Absätze 4 und 5 entsprechend.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 28. Januar 2014 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Kostenerstattung genetischer Präfertilisierungsdiagnostik (Polkörperdiagnostik - PKD).

2

Das Erbgut der bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherten, 1978 geborenen Klägerin weist einen X-chromosomal-rezessiven Gendefekt auf. Dieser verursacht bei männlichen Nachkommen eine häufig schon in der dritten Lebensdekade zum Tode führende, zunächst in der Kindheit die Gehfähigkeit und später den gesamten Muskelapparat erfassende Erkrankung mit schwersten Behinderungen (Muskeldystrophie vom Typ Duchenne). Die Klägerin und ihr Ehemann, der an einer Fertilitätsstörung leidet, wollten bei der Verwirklichung ihres Kinderwunsches vermeiden, dass ein Embryo mit diesem Gendefekt gezeugt wird. Mit der PKD wird in Zusammenhang mit In-Vitro-Fertilisations(IVF)-Behandlungszyklen das Erbgut der bei der Reifeteilung der Eizelle entstehenden Polkörper (befruchtungsunfähige, zytoplasmaarme, haploide Zellen) bestimmt, um Rückschlüsse auf das Erbgut der befruchteten Eizelle zu erhalten. Mittels PKD können insbesondere die mit einem X-chromosomalen Gendefekt behafteten, bereits befruchteten, aber sich noch im vorembryonalen Stadium (Vorkernstadium) befindenden Eizellen erkannt und von weiteren Maßnahmen der künstlichen Befruchtung ausgeschlossen werden. Die Beklagte bewilligte der Klägerin Leistungen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft (künstliche Befruchtung), lehnte aber PKD-Leistungen ab (Bescheid vom 15.12.2010, Widerspruchsbescheid vom 11.5.2011). Nach Klageerhebung hat sich die Klägerin IVF-Behandlungszyklen mit PKD auf eigene Kosten selbst verschafft. Das SG hat die Klage auf Kostenerstattung und Freistellung von Kosten für zukünftige PKD-Leistungen abgewiesen (Urteil vom 22.11.2012). Der zweite IVF-Behandlungszyklus hat während des Berufungsverfahrens zur Geburt einer Tochter geführt. Das LSG hat die Berufung der Klägerin, mit der sie zuletzt noch die Erstattung von 10 163,13 Euro PKD-Kosten begehrt hat, zurückgewiesen. Der Klägerin stünden für die Finanzierung der PKD keine Ansprüche gegen die Beklagte zu, weil es sich dabei weder um eine Krankenbehandlung der Klägerin nach § 27 SGB V handele noch die Voraussetzungen für den Anspruch auf künstliche Befruchtung nach § 27a SGB V vorlägen. Die Grundsätze über das Systemversagen kämen mangels einer gesetzlichen Anspruchsgrundlage für die begehrten Leistungen nicht zum Tragen. Der Leistungsausschluss verstoße auch nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz (Urteil vom 28.1.2014).

3

Mit ihrer auf Zahlung von 9730,13 Euro beschränkten Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 27 SGB V. Das LSG habe den Begriff der Krankheit verkannt. Sie sei infolge des Gendefekts krank und habe Anspruch auf Behandlung dieser Krankheit. Teil dieser Krankheit sei die gestörte, der Behandlung bedürftige Funktion, Nachkommen ohne Gendefekt zu zeugen. Diese Fehlfunktion kompensiere die PKD. Nur dadurch werde man dem Programm des Gesetzgebers gerecht, genetisch bedingte, im Erbgang auftretende Erkrankungen zu diagnostizieren und zu behandeln. Jedenfalls bestehe nach § 2 Abs 1a SGB V Anspruch auf Übernahme der PKD-Kosten. Mutter und Embryo seien als Einheit zu sehen. Ein Embryo, der den Gendefekt aufweise, sei aber von Abtreibung und nach der Geburt von schwerem Leiden und frühem Tod bedroht. Dies gelte es zu verhindern.

4

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 28. Januar 2014 und des Sozialgerichts Düsseldorf vom 22. November 2012 aufzuheben sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. Dezember 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11. Mai 2011 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin 9730,13 Euro zu erstatten.

5

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angegriffene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision ist unbegründet. Zu Recht hat das LSG die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende SG-Urteil zurückgewiesen. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Zahlung der im Revisionsverfahren allein noch geltend gemachten 9730,13 Euro Kosten der im Zusammenhang mit zwei IVF-Behandlungszyklen durchgeführten PKD. Die PKD - allein oder wie hier in Kombination mit SGB V-Leistungen zur Überwindung der Fertilitätsstörung eines Ehegatten - unterfällt nicht dem Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV). Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten der selbstverschafften PKD-Leistungen.

8

Rechtsgrundlage für die Erstattung der Kosten ist allein § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V(idF durch Art 1 Nr 5 Buchst b Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 21.12.1992, BGBl I 2266). Hat die KK danach eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der KK in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Dieser Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die KKn allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (stRspr, vgl zB BSGE 79, 125, 126 f = SozR 3-2500 § 13 Nr 11 S 51 f mwN; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 11 mwN - LITT; BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 13 - Lorenzos Öl). Daran fehlt es. Die Klägerin erfüllt weder die Anspruchsvoraussetzungen einer Krankenbehandlung (dazu 1) noch medizinischer Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft im Wege der künstlichen Befruchtung (dazu 2). Die Nichteinbeziehung der PKD in den GKV-Leistungskatalog verstößt nicht gegen Verfassungsrecht (dazu 3).

9

1. Als Rechtsgrundlage eines Anspruchs gegen die Beklagte auf Versorgung mit IVF-assoziierter PKD im Rahmen der Krankenbehandlung als Naturalleistung kommt § 27 Abs 1 S 1 und S 2 Nr 1 SGB V sowie S 4 in Betracht. Danach haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst ua ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit, wenn diese Fähigkeit nicht vorhanden war oder durch Krankheit oder wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation verlorengegangen war. "Krankheit" im Rechtssinne erfordert einen regelwidrigen, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichenden Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht (stRspr, vgl zB BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 24 RdNr 9; BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 10; BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 4 alle mwN).

10

Der Senat muss nicht abschließend darüber entscheiden, ob ein Gendefekt, der keine pathophysiologischen Wirkungen beim Träger des Erbguts entfaltet und auch voraussichtlich nicht entfalten wird, aber vererblich ist und uU gravierende Folgen für die Nachkommen haben kann, gleichwohl als gegenwärtig bestehende Krankheit (Konduktoreigenschaft) im Sinne eines regelwidrigen Körper- oder Geisteszustandes anzusehen ist. Selbst wenn die Klägerin wegen ihrer Konduktoreigenschaft hinsichtlich der Muskeldystrophie vom Typ Duchenne als krank anzusehen wäre, ist die von ihr selbst beschaffte PKD keine auf die Behandlung des Gendefekts gerichtete Krankenbehandlung. Durch die PKD-IVF-Behandlung soll bei der Klägerin keine Funktionsbeeinträchtigung erkannt, geheilt, gelindert oder ihre Verschlimmerung verhütet werden (vgl BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 7 RdNr 24 - Vitiligo). Die PKD-IVF-Behandlung bezweckt, befruchtete Eizellen im Vorkernstadium zu untersuchen und sie ggf absterben zu lassen, wenn nach ärztlicher Erkenntnis der daraus entstehende Embryo Träger des Gendefekts wird. Wie der erkennende Senat bereits zur Präimplantationsdiagnostik entschieden hat, dient dort die künstliche Erzeugung eines Embryos und dessen Bewertung nach medizinischen Kriterien, um bei ihm und seiner Nachkommenschaft dem Ausbruch schwerwiegender Erbkrankheiten entgegenzuwirken, der Vermeidung zukünftigen Leidens eines eigenständigen Lebewesens, nicht aber der Behandlung eines vorhandenen Leidens. Erst recht gilt nichts anderes für die PKD. § 8 Abs 1 Gesetz zum Schutz von Embryonen (Embryonenschutzgesetz - ESchG) vom 13.12.1990 (BGBl I 2746) bestimmt, dass als Embryo im Sinne des ESchG bereits die befruchtete, entwicklungsfähige menschliche Eizelle vom Zeitpunkt der Kernverschmelzung an gilt, ferner jede einem Embryo entnommene totipotente Zelle, die sich bei Vorliegen der dafür erforderlichen weiteren Voraussetzungen zu teilen und zu einem Individuum zu entwickeln vermag. Die PKD hingegen dient der Ermittlung genetischer Defekte von befruchteten Eizellen der Mutter im Vorkernstadium, also im vorembryonalen Stadium, und erfolgt damit in einem Zeitpunkt vor dem Abschluss der Entstehung neuen Lebens. Die PKD gehört auch nicht zu den Leistungen zur Herstellung der Zeugungsfähigkeit.

11

Ein Anspruch der Klägerin auf Früherkennungsuntersuchung (§§ 25 und 26 SGB V) kommt ebenfalls nicht in Betracht: Die PKD bezweckt nicht, die Klägerin zu untersuchen, sondern - wie ausgeführt - befruchtete Eizellen im vorembryonalen Stadium (Vorkernstadium). Eine entsprechende Anwendung des § 24a Abs 2 SGB V (Anspruch auf Versorgung mit empfängnisverhütenden Mitteln oder Notfallkontrazeptiva) scheitert schon aufgrund der mit dieser Vorschrift erfassten völlig anders gelagerten Lebenssachverhalte und Regelungszwecke. Der Gedanke an ein Systemversagen (vgl dazu zB BSGE 113, 241 = SozR 4-2500 § 13 Nr 29 mwN) verbietet sich schon im Ausgangspunkt.

12

Gleiches gilt für einen Anspruch nach der grundrechtsorientierten Auslegung des Leistungsrechts (vgl BVerfGE 115, 25 = SozR 4-2500 § 27 Nr 5 und zB BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 8 RdNr 14 mwN zur Rspr; s ferner BSG SozR 4-2500 § 18 Nr 9 RdNr 12 ff) bzw nach § 2 Abs 1a SGB V, der mWv 1.1.2012 (durch Art 1 Nr 1 Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 22.12.2011, BGBl I 2983) diese Grundsätze kodifiziert hat. Entgegen der Auffassung der Klägerin ist die gezielte Vernichtung von im Werden begriffenem, mit einem definierten Gendefekt belastetem neuen Leben offenkundig keine Maßnahme zu dessen Erhaltung, sondern zu dessen Verhinderung.

13

2. Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf PKD als Gegenstand der künstlichen Befruchtung, die in § 27a SGB V als GKV-Leistung abschließend geregelt ist. § 27a SGB V setzt als Grund für einen Anspruch auf Leistungen der künstlichen Befruchtung nur die Unfruchtbarkeit des Ehepaares voraus. Die vorgesehenen Maßnahmen müssen zur Herbeiführung der gewünschten Schwangerschaft erforderlich und nach ärztlicher Einschätzung Erfolg versprechend sein. Welche Umstände die Infertilität verursachen und ob ihr eine Krankheit im krankenversicherungsrechtlichen Sinne zugrunde liegt, ist unerheblich. Nicht die Krankheit, sondern die Unfähigkeit des Paares, auf natürlichem Wege Kinder zu zeugen, und die daraus resultierende Notwendigkeit einer künstlichen Befruchtung bildet den Versicherungsfall (stRspr, vgl BSGE 88, 62, 64 = SozR 3-2500 § 27a Nr 3 S 24; BVerfGE 117, 316, 325 f = SozR 4-2500 § 27a Nr 3 RdNr 34; BSG SozR 4-2500 § 27a Nr 5 RdNr 13; BSG SozR 4-2500 § 27a Nr 7 RdNr 14; BSG Urteil vom 18.11.2014 - B 1 KR 19/13 R - Juris RdNr 17, zur Veröffentlichung in SozR 4-1500 § 27 Nr 26 vorgesehen; Hauck SGb 2009, 321, 322 mwN).

14

Die PKD ist zur Herbeiführung einer gewünschten Schwangerschaft weder erforderlich noch nach ärztlicher Einschätzung Erfolg versprechend. Sie ist vom Anspruch aus § 27a SGB V nicht umfasst. Ihr Zweck liegt - wie dargelegt - darin, befruchtete Eizellen im Vorkernstadium zu untersuchen und sie ggf absterben zu lassen, wenn sie nach ärztlicher Erkenntnis den die Muskeldystrophie vom Typ Duchenne verursachenden Gendefekt auf dem X-Chromosom der Mutter aufweisen, nicht aber in der Herbeiführung einer Schwangerschaft. Für den Anspruch auf medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft ist es unerheblich, dass die PKD auf den Gesamtvorgang der künstlichen Befruchtung angewiesen ist. Eine PKD ohne beabsichtigte IVF ist medizinisch sinnlos und rechtlich verboten. Nur wer zum Zweck der Herbeiführung einer Schwangerschaft die befruchtete Eizelle im Vorkernstadium untersucht, macht sich nicht nach § 1 Abs 2 ESchG strafbar. Denn nach dieser Vorschrift macht sich strafbar, wer 1. künstlich bewirkt, dass eine menschliche Samenzelle in eine menschliche Eizelle eindringt, oder 2. eine menschliche Samenzelle in eine menschliche Eizelle künstlich verbringt, ohne eine Schwangerschaft der Frau herbeiführen zu wollen, von der die Eizelle stammt (näher dazu Günther in Günther/Taupitz/Kaiser, ESchG, 2. Aufl 2014, C. II. § 1 Abs 2 RdNr 1 ff; zum Ausschluss der PKD aus dem Anwendungsbereich des Gesetzes über genetische Untersuchungen bei Menschen vgl Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung, BT-Drucks 16/10532 S 19 f - Zu § 2; s ferner Kern in ders, GenDG, 2012, § 2 RdNr 6; Schillhorn/Heidemann, GenDG, 2011, § 2 RdNr 7). Demgegenüber sind Maßnahmen der künstlichen Befruchtung nicht auf PKD angewiesen. Diese Leistungen erbrachte die Beklagte in Gestalt zweier IVF-Behandlungszyklen. Sie stehen insoweit nicht im Streit.

15

3. Die Leistungseingrenzung des § 27a SGB V allein auf medizinische Maßnahmen zur Herbeiführung einer Schwangerschaft ist verfassungsrechtlich unbedenklich. Art 3 Abs 1 GG gebietet es nicht, dass die Gerichte die Behebung einer Fertilitätsstörung mit der Embryonen-Vorauswahl zur Vermeidung erbkranken Nachwuchses bei bestehender Fertilität gleichsetzen (vgl BVerfG Nichtannahmebeschluss vom 30.11.2001 - 1 BvR 1764/01 - Juris RdNr 2; BSG Urteil vom 18.11.2014 - B 1 KR 19/13 R - Juris RdNr 19, zur Veröffentlichung in SozR 4-1500 § 27 Nr 26 und für BSGE vorgesehen). Gleiches gilt für die Vorauswahl befruchteter Eizellen im vorembryonalen Stadium (Vorkernstadium).

16

Der Verweis der Klägerin darauf, dass eine PKD gegenüber einer grundsätzlich möglichen, zum GKV-Leistungskatalog gehörenden späteren Abtreibung (vgl § 24b SGB V) rechtsethisch vorzugswürdig sei, vermag daran nichts zu ändern und keinen Anspruch auf PKD-Leistungen zu begründen. Der Gesetzgeber ist nicht verpflichtet, jede nicht verbotene Form der "medizinisch unterstützten Erzeugung menschlichen Lebens" (so die Formulierung des Kompetenztitels in Art 74 Abs 1 Nr 26 GG) in den GKV-Leistungskatalog einzubeziehen. § 27a SGB V regelt keinen Kernbereich der Leistungen der GKV, sondern begründet einen eigenständigen Versicherungsfall, vor dem Maßnahmen der Krankenbehandlung Vorrang haben. Es liegt im Rahmen der grundsätzlichen Freiheit des Gesetzgebers, die Voraussetzungen für die Gewährung von Leistungen der GKV näher zu bestimmen, auch - wie hier - in einem Grenzbereich zwischen Krankheit und solchen körperlichen und seelischen Beeinträchtigungen eines Menschen, deren Beseitigung oder Besserung durch Leistungen der GKV nicht von vornherein veranlasst ist (vgl BVerfGE 117, 316, 326 = SozR 4-2500 § 27a Nr 3 RdNr 35).

17

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision der Klägerin wird das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 8. Dezember 2011 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über die Versorgung der Klägerin mit einer Mamma-Augmentationsplastik (MAP).

2

Die 1949 als Mann geborene, bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Klägerin wird infolge eines Mann-zu-Frau-Transsexualismus seit März 2005 mit weiblichen Hormonen behandelt. Die Beklagte bewilligte der Klägerin eine geschlechtsangleichende Genitaloperation, die im Oktober 2007 erfolgte, lehnte aber eine MAP ab (Bescheide vom 28.6.2007 und 14.8.2008, Widerspruchsbescheid vom 8.12.2008). Die Brustgröße der Klägerin stelle keinen regelwidrigen Körperzustand dar. Der psychische Leidensdruck der Klägerin sei psychiatrisch oder psychotherapeutisch zu behandeln. Das SG hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 24.3.2010). Mit ihrer Berufung hat die Klägerin geltend gemacht, trotz der Hormonbehandlung wirke ihre Brust eher männlich. Das LSG hat die Berufung zurückgewiesen: Der Leidensdruck, der Klägerin, abweichend vom biologischen Geschlecht als Angehöriger des anderen Geschlechts erkannt und anerkannt zu werden, sei eine behandlungsbedürftige Krankheit. Das Behandlungsziel einer nach dem gesamten Erscheinungsbild deutlichen Annäherung an das empfundene Geschlecht sei aber bei dem schlanken Erscheinungsbild der Klägerin mit einer natürlich wirkenden Brust insgesamt erreicht. Für diese auf einen Befundbericht und die Wahrnehmung in der mündlichen Verhandlung gestützte Einschätzung habe es keines medizinischen Fachwissens und keines Sachverständigenbeweises bedurft (Urteil vom 8.12.2011).

3

Mit ihrer Revision rügt die Klägerin die Verletzung des § 27 Abs 1 S 1 SGB V und des § 103 SGG. Ihr Anspruch auf Krankenbehandlung wegen Transsexualismus umfasse aufgrund der gegebenen medizinischen Indikation auch eine MAP. Sie könne nicht auf die Verwendung von Hilfsmitteln wie zB BH-Einlagen verwiesen werden. Das LSG hätte - wie beantragt - zum Erscheinungsbild ihrer Brust Beweis durch Sachverständige erheben müssen.

4

Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 8. Dezember 2011 und das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 24. März 2010 aufzuheben sowie die Bescheide der Beklagten vom 28. Juni 2007 und 14. August 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Dezember 2008 zu ändern und die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin mit einer beidseitigen Mamma-Augmentationsplastik zu versorgen,
hilfsweise,
das Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 8. Dezember 2011 aufzuheben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückzuverweisen.

5

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision der Klägerin ist im Sinne der Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG). Das angefochtene LSG-Urteil ist aufzuheben, denn es verletzt materielles Recht. Die unangegriffenen, den Senat bindenden (§ 163 SGG) Feststellungen des LSG reichen nicht aus, um abschließend über den geltend gemachten Anspruch auf Versorgung mit einer MAP aus § 27 Abs 1 S 1 SGB V zu entscheiden. Der von der Klägerin bereits durch die Hormonbehandlung erreichte Brustumfang steht nicht fest, so dass der Senat nicht die Erforderlichkeit der von der Klägerin begehrten MAP beurteilen kann.

8

Das LSG ist zutreffend davon ausgegangen, dass transsexuelle Versicherte nach § 27 Abs 1 SGB V Anspruch auf geschlechtsangleichende Behandlungsmaßnahmen einschließlich chirurgischer Eingriffe in gesunde Organe zur Minderung ihres psychischen Leidensdrucks haben können, um sich dem Erscheinungsbild des angestrebten anderen Geschlechts deutlich anzunähern(dazu 1.). Die Reichweite des Anspruchs auf geschlechtsangleichende Behandlung bestimmt sich auf der Basis der allgemeinen und besonderen Voraussetzungen des Anspruchs auf Krankenbehandlung nach medizinischen Kriterien (dazu 2.). Die Entscheidung des LSG erweist sich weder ganz noch teilweise aus anderen Gründen als zutreffend. Das LSG wird nunmehr das noch Erforderliche aufzuklären haben (dazu 3.).

9

1. Versicherte - wie die Klägerin - haben nach § 27 Abs 1 S 1 SGB V Anspruch auf Krankenbe-handlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Klägerin leidet an Transsexualismus in Gestalt einer psychischen Krankheit, deren Behandlung notwendig ist (dazu a). Obwohl der Anspruch auf Krankenbehandlung psychischer Krankheiten grundsätzlich nicht körperliche Eingriffe in intakte Organsysteme erfasst, können zur notwendigen Krankenbehandlung des Transsexualismus - als Ausnahme von diesem Grundsatz - operative Eingriffe in den gesunden Körper zwecks Veränderung der äußerlich sichtbaren Geschlechtsmerkmale gehören (dazu b). Die genannten operativen Eingriffe in den gesunden Körper müssen medizinisch erforderlich sein (dazu c).

10

a) Grundvoraussetzung des Anspruchs Versicherter auf Krankenbehandlung ist, dass sie an einer Krankheit leiden. Krankheit iS von § 27 Abs 1 S 1 SGB V ist ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand, der ärztlicher Behandlung bedarf oder den Betroffenen arbeitsunfähig macht(stRspr, vgl nur BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 10 mwN - Zisidentität; zu Bestrebungen, den Transsexualismus zu "entpathologisieren", vgl LSG Baden-Württemberg Urteil vom 25.1.2012 - L 5 KR 375/10 - Juris RdNr 44). Die Klägerin leidet in diesem Sinne an einer Krankheit, nämlich an behandlungsbedürftigem Transsexualismus.

11

Transsexualismus ist nach dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse eine psychische Krankheit. Transsexuelle leben in dem irreversiblen und dauerhaften Bewusstsein, dem Geschlecht anzugehören, dem sie aufgrund ihrer äußeren körperlichen Geschlechtsmerkmale zum Zeitpunkt der Geburt nicht zugeordnet wurden (vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909, RdNr 34 mwN). Für die Diagnose entscheidend ist die Stabilität des transsexuellen Wunsches, der vollständigen psychischen Identifikation mit dem anderen, dem eigenen Körper widersprechenden Geschlecht (vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909, RdNr 35 unter Hinweis auf Becker/Berner/Dannecker/Richter-Appelt, Zf Sexualforschung 2001, S 258, 260; Pichlo, in: Groß/Neuschaefer-Grube/Steinmetzer, Transsexualität und Intersexualität, Medizinische, ethische, soziale und juristische Aspekte, 2008, S 121). Die ICD-10-GM Version 2012 ordnet Transsexualismus mit dem Schlüssel F64.0 (Störungen der Geschlechtsidentität) dem Kapitel V zu (Psychische und Verhaltensstörungen ). F64.0 spricht von dem "Wunsch, als Angehöriger des anderen Geschlechtes zu leben und anerkannt zu werden".

12

Die Rechtsordnung erkennt Transsexualismus nicht nur personenstandsrechtlich, sondern auch als behandlungsbedürftige Krankheit an. Der Gesetzgeber hat bereits durch Schaffung des Gesetzes über die Änderung der Vornamen und die Feststellung der Geschlechtszugehörigkeit in besonderen Fällen (Transsexuellengesetz ) vom 10.9.1980 (BGBl I 1654; zuletzt geändert durch Beschluss des BVerfG vom 11.1.2011 - 1 BvR 3295/07 - BGBl I 224 = BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909) bestätigt, dass der Befund des Transsexualismus eine außergewöhnliche rechtliche Bewertung rechtfertigt (BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 11; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 17). Inzwischen erstreckt das SGB V ausdrücklich die ambulante spezialfachärztliche Versorgung auf die Diagnostik und Behandlung komplexer, schwer therapierbarer Krankheiten, die je nach Krankheit eine spezielle Qualifikation, eine interdisziplinäre Zusammenarbeit und besondere Ausstattungen erfordern. Hierzu gehört ua Transsexualismus als seltene Erkrankung (vgl § 116b Abs 1 S 2 Nr 2 Buchst i SGB V idF durch Art 1 Nr 44 Gesetz zur Verbesserung der Versorgungsstrukturen in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 22.12.2011, BGBl I 2983; vgl dazu BT-Drucks 17/6906 S 81; vgl zuvor Anlage 2 Nr 9 der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die ambulante Behandlung im Krankenhaus nach § 116b SGB V idF vom 18.10.2005, BAnz Nr 7 S 88 vom 11.1.2006, zuletzt geändert am 15.12.2011, BAnz Nr 197 S 4655, in Kraft getreten am 31.12.2011; zur erstmaligen Berücksichtigung des Transsexualismus als seltene Erkrankung im Rahmen des § 116b SGB V aF vgl die Bekanntmachung des GBA über eine Ergänzung des Katalogs nach § 116b Abs 3 SGB V vom 16.3.2004, BAnz Nr 88 S 10 177).

13

b) Das Spektrum medizinisch indizierter Krankenbehandlung des Transsexualismus ist mittlerweile - anknüpfend an den Erkenntnisfortschritt über die Erkrankung - weit gefächert. Für erforderlich werden individuelle therapeutische Lösungen erachtet, die von einem Leben im anderen Geschlecht ohne somatische Maßnahmen über hormonelle Behandlungen bis hin zur weitgehenden operativen Geschlechtsangleichung reichen können (vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909, RdNr 36 unter Hinweis auf Pichlo in Groß/Neuschaefer-Grube/Steinmetzer, Transsexualität und Intersexualität, Medizinische, ethische, soziale und juristische Aspekte, 2008, 119, 122; Rauchfleisch, Transsexualität - Transidentität, 2006, 17; Becker in Kockott/Fahrner, Sexualstörungen, 2004, 153, 180, 181).

14

Während notwendige Krankenbehandlung des Transsexualismus auf psychischer Ebene nach den allgemeinen Grundsätzen zur Ermöglichung und Stützung eines Lebens im anderen Geschlecht ohne somatische Maßnahmen unproblematisch von § 27 Abs 1 S 1 SGB V erfasst ist, versteht sich dies für hormonelle Behandlungen bis hin zur weitgehenden operativen Geschlechtsangleichung nicht in gleicher Weise beinahe von selbst. Der erkennende Senat erachtet dennoch solche Ansprüche weiterhin für möglich.

15

Die ständige Rechtsprechung des für diese Frage allein zuständigen erkennenden Senats verneint grundsätzlich eine Behandlungsbedürftigkeit psychischer Krankheiten mittels angestrebter körperlicher Eingriffe, wenn diese Maßnahmen nicht durch körperliche Fehlfunktionen oder durch Entstellung, also nicht durch einen regelwidrigen Körperzustand veranlasst werden (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 13 - Zisidentität; BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 16; BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 5; BSGE 82, 158, 163 f = SozR 3-2500 § 39 Nr 5 S 29 f, jeweils mwN). In Bezug auf Operationen am - krankenversicherungsrechtlich betrachtet - gesunden Körper, die psychische Leiden beeinflussen sollen, lässt sich ausgehend von der aufgezeigten Rechtsprechung grundsätzlich eine Behandlungsbedürftigkeit nicht begründen (näher dazu BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 13 mwN - Zisidentität).

16

Auch allein das subjektive Empfinden eines Versicherten vermag die Regelwidrigkeit und die daraus abgeleitete Behandlungsbedürftigkeit seines Zustandes nicht zu bestimmen. Maßgeblich sind vielmehr objektive Kriterien, nämlich der allgemein anerkannte Stand der medizinischen Erkenntnisse (§ 2 Abs 1 S 3, § 28 Abs 1 S 1 SGB V; vgl zur Gesetz- und Verfassungsmäßigkeit BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 23 mwN) und - bei der Frage, ob eine Entstellung besteht - der objektive Zustand einer körperlichen Auffälligkeit von so beachtlicher Erheblichkeit, dass sie die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gefährdet (BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14 LS und RdNr 13 f). Andernfalls würde der Krankheitsbegriff über Gebühr relativiert und an Konturen verlieren. Es würde nicht gezielt gegen die eigentliche Krankheit selbst vorgegangen, sondern nur mittelbar die Besserung eines an sich einem anderen Bereich zugehörigen gesundheitlichen Defizits angestrebt (vgl zum Ganzen BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 14 mwN - Zisidentität). Daran hält der Senat fest.

17

Der Senat hat allerdings bisher unter Hinweis auf die Regelungen des TSG eine Ausnahme von den dargestellten Grundsätzen in dem hier betroffenen Bereich im Falle einer besonders tief greifenden Form des Transsexualismus gemacht. Er hat in diesen Fällen einen Anspruch auf medizinisch indizierte Hormonbehandlung und geschlechtsangleichende Operationen bejaht (vgl zum Ganzen BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 15 - Zisidentität),zugleich aber auch - neben § 27 Abs 1 S 1 SGB V - dem Regelungskonzept des TSG Grenzen der Reichweite des Anspruchs auf Krankenbehandlung entnommen(vgl BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 17 - Zisidentität). Die Ansprüche auf geschlechtsangleichende Operationen sind danach beschränkt auf einen Zustand, bei dem aus der Sicht eines verständigen Betrachters eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts eintritt (vgl BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 15 unter Hinweis ua auf § 8 Abs 1 Nr 4 TSG).

18

Der erkennende Senat führt seine Rechtsprechung im Kern trotz der Entscheidung des BVerfG fort, § 8 Abs 1 Nr 4 TSG mit Art 2 Abs 1 und Art 2 Abs 2 iVm Art 1 Abs 1 GG für nicht vereinbar und bis zum Inkrafttreten einer gesetzlichen Neuregelung für nicht anwendbar zu erklären(vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909). Das BVerfG zielt mit seiner Entscheidung nämlich nur darauf ab, Transsexuelle vor unverhältnismäßigen Belastungen zu schützen. Es sieht - nach näherer Maßgabe der Entscheidungsgründe - die von § 8 Abs 1 Nr 4 TSG zum Erreichen personenstandsrechtlicher Änderungen zwingend vorgegebene deutliche Annäherung der transsexuellen Person an die körperliche Erscheinung des angestrebten anderen Geschlechts im Sinne einer genitalverändernden Operation angesichts der damit verbundenen gesundheitlichen Risiken als unzumutbar an. Es ist danach unzumutbar, von einem Transsexuellen zu verlangen, dass er sich derartigen risikoreichen, mit möglicherweise dauerhaften gesundheitlichen Schädigungen und Beeinträchtigungen verbundenen Operationen unterzieht, wenn sie medizinisch nicht indiziert sind, um damit die Ernsthaftigkeit und Dauerhaftigkeit seiner Transsexualität unter Beweis zu stellen und die personenstandsrechtliche Anerkennung im empfundenen Geschlecht zu erhalten (BVerfGE 128, 109, 131 f = NJW 2011, 909, RdNr 70). Die operativen Eingriffe als solche stellen dagegen bei wirksamer Einwilligung des Transsexuellen keinen Verstoß gegen seine Menschenwürde, sein Grundrecht auf körperliche Unversehrtheit und das Sittengesetz dar (vgl zu Letzterem bereits BVerfGE 49, 286, 299 f). Unverändert kann bei Transsexuellen eine Operation zur Herbeiführung einer deutlichen Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts eine gebotene medizinische Maßnahme sein (BVerfGE 128, 109, 132 = NJW 2011, 909, RdNr 66; vgl auch zur Gesetzesentwicklung und zu § 116b Abs 1 S 2 Nr 2 Buchst i SGB V idF des GKV-VStG oben II 1 a).

19

c) Ein Anspruch Versicherter auf geschlechtsangleichende Operationen am - krankenversicherungsrechtlich betrachtet - gesunden Körper zur Behandlung des Transsexualismus bedarf danach zunächst der medizinischen Indikation. Die geschlechtsangleichende Operation muss zudem zur Behandlung erforderlich sein. Daran fehlt es, wenn zum Erreichen der in § 27 Abs 1 S 1 SGB V genannten Therapieziele Behandlungsmaßnahmen ausreichen, die ein Leben im anderen Geschlecht ohne somatische Maßnahmen unterstützen oder sich auf hormonelle Behandlungen ohne Operationen beschränken. Die Erfüllung dieser Voraussetzungen kann nicht losgelöst von der inneren Reichweite des Anspruchs überprüft werden (dazu 2.).

20

2. Die Reichweite des Anspruchs Transsexueller auf Krankenbehandlung (§ 27 Abs 1 S 1 SGB V)im Sinne von geschlechtsangleichender Behandlung kann nach der dargelegten Rechtsprechung des BVerfG nicht mehr unter Rückgriff auf Wertungen des § 8 Abs 1 Nr 4 TSG eingegrenzt werden. Das Ausmaß des Anspruchs Transsexueller auf geschlechtsangleichende Behandlung bestimmt sich nunmehr unter Einbeziehung der Wertungen des § 116b Abs 1 S 2 Nr 2 Buchst i SGB V idF des GKV-VStG auf der Basis der allgemeinen und besonderen Voraussetzungen des Anspruchs auf Krankenbehandlung(vgl dazu Hauck, NZS 2007, 461) nach den medizinischen Kriterien des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse (dazu a). Für das erforderliche Ausmaß der Behandlung ist dagegen nicht auf das Erscheinungsbild des Betroffenen im gesellschaftlichen Alltag in dem Sinne abzustellen, dass dem Anspruch bereits mit der Behebung einer Entstellung Genüge getan ist (dazu b).

21

a) Besteht eine Indikation für eine begehrte geschlechtsangleichende Operation transsexueller Versicherter, bestimmen vornehmlich objektivierte medizinische Kriterien das erforderliche Ausmaß. Hierbei ist vor allem die Zielsetzung der Therapie zu berücksichtigen, den Leidensdruck der Betroffenen durch solche operativen Eingriffe zu lindern, die darauf gerichtet sind, das körperlich bestehende Geschlecht dem empfundenen Geschlecht anzunähern, es diesem näherungsweise anzupassen.

22

Die Begrenzung auf eine bloße Annäherung des körperlichen Erscheinungsbildes an das gefühlte Geschlecht ergibt sich nicht nur aus den faktischen Schranken, die hormonelle Therapie und plastische Chirurgie setzen. Die Einräumung von Ansprüchen für transsexuelle Versicherte führen unverändert nicht dazu, Betroffenen Anspruch auf jegliche Art von geschlechtsangleichenden operativen Maßnahmen im Sinne einer optimalen Annäherung an ein vermeintliches Idealbild und ohne Einhaltung der durch das Recht der GKV vorgegebenen allgemeinen Grenzen einzuräumen (vgl schon bisher BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 20 RdNr 15 - Zisidentität; BSGE 93, 252 = SozR 4-2500 § 27 Nr 3, RdNr 11). Die Ansprüche sind vielmehr beschränkt auf einen Zustand, der aus der Sicht eines verständigen Betrachters dem Erscheinungsbild des anderen Geschlechts deutlich angenähert ist.

23

Der Anspruch auf Krankenbehandlung hat sich nach § 27 Abs 1 S 1 SGB V iVm § 2 Abs 1 S 3, § 2 Abs 4, § 12 Abs 1 SGB V daran auszurichten, welche Behandlung unter Beachtung des umfassenden Grundsatzes der Wirtschaftlichkeit notwendig und ausreichend ist, um das angestrebte, in § 27 Abs 1 S 1 SGB V bezeichnete Behandlungsziel zu erreichen. Hierzu ist unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse nicht nur dem Grunde nach, wie das LSG insoweit zutreffend ausgeführt hat, sondern auch dem Umfang nach zu ermitteln, welche Reichweite der Therapie indiziert ist.

24

In Abkehr von den bisherigen Überlegungen, Transsexuellen zum Erreichen personenstandsrechtlicher Änderungen nach § 8 Abs 1 Nr 4 TSG (bisherige Fassung) eine genitalverändernde Operation abzuverlangen, können sich hierbei die gebotenen individuellen operativen Therapieansätze lediglich auf MAP ohne genitalverändernde Operationen beschränken. Denn neuere wissenschaftliche Erkenntnisse stützen die Relativierung des Operationswunsches in seiner Bedeutung für Diagnose und Therapie Transsexueller (vgl BVerfGE 128, 109 = NJW 2011, 909, RdNr 35 mwN). Insoweit muss aber medizinisch abgeklärt sein, dass die begehrte Therapie - MAP - geeignet, ausreichend und erforderlich, im Rahmen gleichwertiger Alternativen zudem im engeren Sinne wirtschaftlich ist. Auch der Operationswunsch hinsichtlich einer MAP darf nicht eine Lösungsschablone für etwa verborgene andere psychische Störungen oder Unbehagen mit etablierten Geschlechtsrollenbildern sein, sondern muss aufgrund des Transsexualismus indiziert sein.

25

Ist - wie hier - bereits eine genitalverändernde Operation durchgeführt worden, ist vorbehaltlich besonderer Umstände eine erneute Prüfung entbehrlich, ob die Linderung des aus dem Transsexualismus resultierenden psychischen Leidensdrucks allein durch nicht operative Behandlungsmaßnahmen noch in ausreichendem Umfang möglich ist. Dem Gesamtzusammenhang der Feststellungen des LSG sind derartige besondere Umstände nicht zu entnehmen. Davon zu unterscheiden ist die nach rechtlichen Maßstäben zu beantwortende Frage, ob eine MAP im Sinne der Annäherung an das Erscheinungsbild des angestrebten anderen Geschlechts noch objektiv erforderlich ist (näher dazu unter II. 3.).

26

b) Der gegenüber der bisherigen Rechtslage geänderte rechtliche Ausgangspunkt des Anspruchs Transsexueller auf geschlechtsangleichende Behandlung schließt es aus, die Reichweite des Anspruchs primär anhand von Kriterien des Behandlungsanspruchs wegen Entstellung zu umreißen. Eine Entstellung begründet einen Anspruch auf Krankenbehandlung wegen einer körperlichen, nicht psychischen Krankheit (vgl zum Ganzen grundlegend BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 13 f mwN). Innerer Grund des Anspruchs Transsexueller auf geschlechtsangleichende Operationen ist es dagegen nicht, eine Entstellung zu heilen oder zu lindern. Ein solcher Anspruch, der bei Entstellung für alle Versicherte, auch für transsexuelle Versicherte besteht, bleibt hiervon unberührt.

27

3. Das LSG-Urteil erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als zutreffend. Es steht nicht fest, dass die Klägerin einen Brustumfang hat, der eine MAP nicht mehr erforderlich macht.

28

Ansprüche Transsexueller auf geschlechtsangleichende Behandlung im Sinne medizinisch indizierter MAP sind zusätzlich durch das objektive Erscheinungsbild des Brustumfangs begrenzt. Die hierdurch gezogenen Grenzen sind allerdings weiter, als sie durch die oben dargelegte Rechtsprechung zur Entstellung gezogen sind. Wer als Mann-zu-Frau-Transsexueller - etwa aufgrund einer Hormontherapie - einen Brustansatz entwickelt hat, der die für konfektionierte Damenoberbekleidung vorgesehene Größe A nach DIN EN 13402 bei erfolgter Ausatmung im Rahmen normaler Messung ohne weitere Mittel voll ausfüllt, kann keine MAP beanspruchen (vgl zu DIN EN 13402: Größenbezeichnung von Bekleidung (2001) http://www.beuth.de/langanzeige/DIN-EN-13402-1/de/38031428). Das damit erreichte körperliche Erscheinungsbild bewegt sich nämlich - trotz der großen Vielfalt der Phänotypen bei Männern und Frauen - in einem unzweifelhaft geschlechtstypischen Bereich.

29

Die Grenze trägt auch dem Gleichbehandlungsgebot gemäß Art 3 Abs 1 GG Rechnung. Die Grenzziehung vermeidet es, transsexuellen Versicherten einen umfassenden leistungsrechtlichen Zugang zu kosmetischen Operationen zu eröffnen, der nicht transsexuellen Versicherten von vornherein versperrt ist (vgl dazu zB BSGE 100, 119 = SozR 4-2500 § 27 Nr 14, RdNr 13 mwN).

30

Das LSG hat hierzu - von seinem Rechtsstandpunkt aus folgerichtig - keine Feststellungen getroffen. Die Klägerin bestreitet die Entwicklung eines Brustansatzes, der nach den dargelegten Kriterien einen Anspruch auf eine MAP ausschließt. Danach wird das LSG festzustellen haben, dass die Klägerin keinen Brustansatz entwickelt hat, der nach den dargelegten Kriterien einen Anspruch auf eine MAP ausschließt.

31

4. Die Kostenentscheidung bleibt dem LSG vorbehalten.


Tenor

1. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 7.5.2015 wird zurückgewiesen.

2. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob die Klägerin gegen die beklagte Krankenkasse einen Anspruch auf Erstattung der Kosten einer selbstbeschafften Brustvergrößerungsoperation in Höhe von 5.015,28 € hat.

2

Bei der 1968 geborenen Klägerin besteht ein Mann-zu-Frau-Transsexualismus. Im Dezember 2011 war eine genitalangleichende Operation durchgeführt worden. Unter Vorlage eines Attests der Diplom-Psychologin H beantragte die Klägerin im März 2013 eine Vergrößerung der Brüste auf mindestens Büstenhalter-Körbchengröße A. Die bisherige Hormonbehandlung könne nicht intensiviert werden und habe nur zu einer unzureichenden Brustgröße geführt. Der von der Beklagten beteiligte Medizinische Dienst der Krankenversicherung (MDK, Gutachten des Facharztes für Psychiatrie B vom 12.4.2013 und 13.5.2013) kam zu dem Ergebnis, eine medizinische Indikation für brustvergrößernde Maßnahmen liege nicht vor. Aus der von der Klägerin vorgelegten Fotodokumentation ergebe sich, dass eine relevante Asymmetrie der Brüste nicht bestehe; die Brüste zeigten eine weibliche Form, die Brustgröße liege im unteren Normbereich einer weiblichen Brust; bei schlankem Körperbau ergebe sich ein ästhetisches Erscheinungsbild. Eine Entstellung liege nicht vor; es bestehe keine körperliche Auffälligkeit von so beachtlicher Erheblichkeit, dass dadurch die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gefährdet wäre. Der vorhandene Brustansatz erreiche die für konfektionierte Damenoberbekleidung vorgesehene Größe A nach DIN EN 13402-1. Unter Berufung auf die Beurteilung des MDK lehnte die Beklagte den Antrag ab (Bescheid vom 18.4.2013, Widerspruchsbescheid vom 13.6.2013).

3

Hiergegen hat die Klägerin am 22.6.2013 Klage erhoben. Auf Anfrage des Sozialgerichts hat die Klägerin unter Hinweis auf einschlägige Internetausdrucke (Blatt 37 ff. der Gerichtsakte) ausgeführt, Körbchengröße A nach DIN EN 13402 sei erreicht, wenn die Differenz zwischen Brustumfang und Unterbrustumfang 13 cm (lt. Wikipedia, Stichwort Büstenhalter) bzw. 12 bis 14 cm (lt. „buestenhalter.com“) betrage. Im August 2013 hat die Klägerin die Brustvergrößerungsoperation in der M Klinik für Plastische Chirurgie auf eigene Kosten durchführen lassen und für ärztliche Leistungen insgesamt 4.900,28 € sowie weitere 115,00 € für eine im Zusammenhang mit der operativen Maßnahme abgeschlossene Versicherung an die ausführende Klinik gezahlt (insgesamt 5.015,28 €). Die Klägerin hat Fotos ihrer Brust im Zustand vor der Operation vorgelegt (Blatt 30 bis 36 der Gerichtsakte). Die vom Sozialgericht beigezogene Patientenakte der Klinik enthält unter dem Datum 3.6.2011 den Eintrag: „Pat. jetzt 85 A/B -> ausführliches Gespräch über BV“, unter dem 2.4.2013 heißt es: „Pat. wünscht BV + will versuchen, die OP von KK bezahlen zu lassen. Benötigt hierfür Fotos + Brustmaße. Umfang submamär 87 cm, über Mamillen: 94 cm“. Unter dem 1.8.2013 ist in der Patientenakte vermerkt: „Brustumfang 87, Brustumfang über Mamillen 94,5“. In der Operationsvorbereitungsdokumentation ist angegeben: „Brustumfang 95/86,5, BH-Größe 90A“ Auf Anfrage des Sozialgerichts hat der behandelnde Klinikarzt Dr. H mitgeteilt, die Eintragung über die Körbchengröße beziehe sich in der Regel auf Angaben der Patientin. Die Brustmessungen seien an der stehenden Patientin entlang der Brustfalte und entlang der Brustwarze vorgenommen worden, die Maßangaben seien abhängig vom Untersucher und der Atmung der Patientin (tief einatmen oder ausatmen) und könnten bis zu 1 cm plus oder minus variieren; daraus könne nicht geschlossen werden, dass ein Wachstum der Brust stattgefunden habe. Auf Anregung des Sozialgerichts hat die Beklagte ein weiteres Gutachten des Arztes im MDK B vom 16.10.2014 vorgelegt, in dem es heißt: Soweit das Bundessozialgericht in seinem Urteil vom 11.9.2012 einen Anspruch auf Brustvergrößerung bei Transsexualität verneint habe, wenn der Brustansatz die für konfektionierte Damenoberbekleidung vorgesehene Größe A nach DIN EN 13402 bei erfolgter Ausatmung im Rahmen normaler Messung ohne weitere Hilfsmittel voll ausfülle, werde von einer Kommentierung der Sinnhaftigkeit dieser Kriteriologie abgesehen. Ungeachtet dessen habe die Brustgröße bei der Klägerin vor der Brustvergrößerungsoperation unzweifelhaft in einem geschlechtstypischen Bereich für weibliche Brüste gelegen. Eine medizinische Indikation für eine Brustvergrößerungsoperation habe nicht bestanden.

4

Mit Urteil vom 7.5.2015 hat das Sozialgericht Speyer die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die angefochtenen Bescheide der Beklagten seien rechtmäßig. Die Klägerin habe keinen Anspruch gegen die Beklagte auf Erstattung der Kosten für die im August 2013 durchgeführte Brustvergrößerungsoperation nach § 13 Abs. 3 Satz 1 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V), da sie auch keinen Anspruch nach § 27 SGB V auf die entsprechende Naturalleistung gehabt hätte. Ein Naturalleistungsanspruch bestehe nur, wenn die begehrte Leistung zur Behandlung einer Krankheit bestimmt sei. Eine Krankheit liege nur vor, wenn ein regelwidriger, vom Leitbild des gesunden Menschen abweichender Körper- oder Geisteszustand bestehe, der ärztlicher Behandlung bedürfe oder den Betroffenen arbeitsunfähig mache. Das setze voraus, dass der Versicherte in seinen Körperfunktionen beeinträchtigt werde oder die anatomische Abweichung entstellend wirke (Hinweis auf BSG 19.10.2004 - B 1 KR 3/03 R). Bei Transsexualismus handle es sich zwar um eine behandlungsbedürftige psychische Krankheit, die unter Berücksichtigung der Regelungen des Transsexuellengesetzes ausnahmsweise einen Anspruch auf medizinisch indizierte Hormonbehandlung und geschlechtsangleichende Operationen begründen könne (Hinweis auf BSG 11.9.2012 - B 1 KR 9/12 R). Der Anspruch auf geschlechtsangleichende Operationen sei jedoch auf die Herbeiführung eines Zustandes begrenzt, bei dem aus der Sicht eines verständigen Betrachters eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts eintrete. Im vorliegenden Fall sei die von der Klägerin selbstbeschaffte Brustvergrößerungsoperation zur Behandlung des Transsexualismus nicht erforderlich gewesen. Wie sich aus der vorgelegten Fotodokumentation ergebe, habe die Klägerin durch die vorangegangene Hormonbehandlung auch ohne die vorgenommene Operation ein objektives Erscheinungsbild erreicht gehabt, das eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des weiblichen Geschlechts dargestellt habe, auch wenn dieses Ergebnis aus Sicht der Klägerin nicht die erwünschte optimale Angleichung an ein vermeintliches Idealbild des weiblichen Geschlechts dargestellt habe. Aus dem Urteil des Bundessozialgerichts vom 11.9.2012 - B 1 KR 9/12 R - ergebe sich kein weitergehender Anspruch. Nach dieser Entscheidung könne eine Brustvergrößerungsoperation nicht beansprucht werden, wenn eine Mann-zu-Frau-Transsexuelle – etwa aufgrund einer Hormontherapie - einen Brustansatz entwickelt habe, der die für die konfektionierte Damenoberbekleidung vorgesehene Größe A nach DIN EN 13402 bei erfolgter Ausatmung im Rahmen normaler Messung ohne weitere Mittel voll ausfülle, da das damit erreichte körperliche Erscheinungsbild sich trotz der großen Vielfalt der Phänotypen bei Männern und Frauen in einem unzweifelhaft geschlechtstypischen Bereich bewege. Hieraus könne nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass immer dann, wenn der Brustansatz die für die konfektionierte Damenoberbekleidung vorgesehene Körbchengröße A nicht erreiche, die Erforderlichkeit einer Brustvergrößerungsoperation zu bejahen sei. Maßgeblich sei jeweils das objektive Erscheinungsbild. Zudem könne nicht nachvollzogen werden, ob die in der Klinik vorgenommene Messung des Brustumfangs den vom Bundessozialgericht aufgestellten Anforderungen entsprochen habe. Eine detaillierte Dokumentation der Messung liege nicht vor und auf Nachfrage habe der Klinikarzt mitgeteilt, dass die Messung je nach Atmung der Patientin variieren könne. Im Ergebnis könne aber dahinstehen, ob der Brustansatz bei der Klägerin vor der Operation die besagte Größe erreicht gehabt habe, jedenfalls sei nach der Bilddokumentation ein Erscheinungsbild erreicht gewesen, das eine deutliche Annäherung an das weibliche Geschlecht dargestellt habe.

5

Gegen das Urteil hat die Klägerin am 29.5.2015 Berufung eingelegt. Sie trägt vor, durch die Hormonbehandlung habe sich lediglich ein minimaler Brustansatz entwickelt. Das werde aus den vorgelegten Fotos deutlich. Zwischen dem Unterbrustumfang von 87 cm und dem Brustumfang über den Mamillen von 94 cm habe lediglich eine Differenz von 7 cm bestanden. Dieser Brustansatz sei in keiner Weise für eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des weiblichen Geschlechts hinreichend gewesen. Wegen des nur minimal vorhandenen Brustansatzes habe sie unter einem enormen psychischen Leidensdruck gestanden.

6

Die Klägerin beantragt,

7

das Urteil des Sozialgerichts Speyer vom 7.5.2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 18.4.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 13.6.2013 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, an sie 5015,28 € zu zahlen.

8

Die Beklagte beantragt,

9

die Berufung zurückzuweisen.

10

Sie hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend.

11

Zu den weiteren Einzelheiten des Sachverhalts verweist der Senat auf die Gerichtsakte, die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die die Klägerin betreffende Patientenakte der M Klinik für Plastische Chirurgie. Der Inhalt der Akten war Gegenstand der mündlichen Verhandlung und der Beratung.

Entscheidungsgründe

12

Die zulässige Berufung der Klägerin ist nicht begründet. Das Sozialgericht hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind rechtmäßig. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Erstattung der Kosten der selbstbeschafften Brustvergrößerungsoperation. Zur Begründung verweist der Senat gemäß § 153 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) auf die zutreffenden Entscheidungsgründe des erstinstanzlichen Urteils.

13

Das Berufungsvorbringen rechtfertigt keine andere Beurteilung. Der Senat geht mit dem Sozialgericht davon aus, dass sich nicht feststellen lässt, ob die Brustgröße bei der Klägerin vor der Brustvergrößerungsoperation die für konfektionierte Damenoberbekleidung vorgesehene Größe A nach DIN EN 13402 bei erfolgter Ausatmung im Rahmen normaler Messung ohne weitere Mittel voll ausgefüllt hatte und damit den Kriterien entsprochen hatte, bei denen das Bundessozialgericht einen Anspruch auf Brustvergrößerung verneint hat (BSG 11.9.2012 - B 1 KR 3/12 R, juris Rn. 29; B 1 KR 9/12 R, juris Rn. 28; B 1 KR 11/12 R, juris Rn. 27). Soweit der MDK in seinen Gutachten von einer solchen Brustgröße ausgegangen ist, beruht dies allein auf der Anschauung der von der Klägerin vorgelegten Fotos. Eine persönliche Untersuchung der Klägerin durch den MDK mit Messung der Brustgröße lässt sich den Akten nicht entnehmen. Andererseits beruhen die Angaben der Klägerin, die Differenz zwischen Brust- und Unterbrustumfang habe lediglich 7 cm betragen, auf den voroperativen Messungen der behandelnden Klinikärzte. Den entsprechenden Eintragungen in der Patientenakte und der Antwort des Klinikarztes auf die Anfrage des Sozialgerichts lässt sich jedoch nicht entnehmen, ob bei diesen Messungen die vom Bundessozialgericht aufgestellten Anforderungen beachtet wurden, insbesondere ob die Messungen bei erfolgter Ausatmung im Rahmen normaler Messung vorgenommen wurden. Vielmehr hat der Klinikarzt angegeben, dass die Messungen je nach Untersucher und Atmung der Patientin variieren können. Daraus ergibt sich jedenfalls, dass die Klinikärzte bei ihren Messungen kein standardisiertes Verfahren, das den Anforderungen des Bundessozialgerichts genügen würde, angewendet haben. Ungeachtet dessen wird auch in der Literatur darauf hingewiesen, dass Messmethoden mit Schwierigkeiten und Fehlern verbunden sind (vgl. https://de.wikipedia.org/wiki/ Büstenhalter):

14

„Jedoch ist die Anatomie des weiblichen Körpers nur bedingt normierbar, und allein die Messung von Brust- und Unterbrustumfang ist oft nicht ausreichend, um eine passende BH-Größe zu finden. Selbst die Messung ist zu wenig standardisiert. Bei Messung des Brustumfangs reichen die Empfehlungen vom Messen im Liegen, über das Messen bei hängenden Brüsten bis hin zur Messung bei angehobenen Brüsten oder Messung in einem gut passenden BH. Erschwerend bei der Wahl der richtigen BH-Größe können neben unterschiedlich großen (asymmetrischen) Brüsten auch zeitlich begrenzte Schwankungen in der Brustgröße sein. Es ist meist nicht angegeben, ob mit einem locker anliegenden oder einem gespannten Maßband gemessen werden soll. Zusätzlich ist der Atemzustand nicht standardisiert. Nach dem Einatmen wird ein deutlich größerer Umfang gemessen als nach dem Ausatmen. BH-Größen, die nach unterschiedlichen Messmethoden und bei unterschiedlicher Füllung der Lunge mit Luft ermittelt werden, variieren bis zu mehreren Größen des Unterbrustbandes und noch deutlicher in der Körbchengröße. …

15

Da bei der üblichen Messmethode an zwei verschiedenen Höhen des Rumpfes gemessen wird, der Umfang des Rumpfes zu den Schultern hin im Normalfall aber zunimmt, entsteht ein systematischer Fehler. Athletische Frauen mit ausgeprägt V-förmigem Oberkörper können so bei der traditionellen Bestimmung der BH-Größe einen zu großen Cup erhalten. Einige Messmethoden verwenden daher die Differenz zwischen Brustumfang und Brustkorbumfang (maximaler horizontaler Umfang gemessen bei normaler Atmung und aufrechter Haltung, das Bandmaß über die Schulterblätter, unter den Achseln und über die Brust) zur Ermittlung der Körbchengröße. Im britischen System wird auch der Brustkorbumfang als direktes Maß für die Unterbrustbandgröße verwendet.“

16

Die vom Bundessozialgericht aufgestellten Vorgaben für die Messung sind daher nicht geeignet, sämtliche genannten Fehlerquellen zu vermeiden.

17

Ungeachtet dessen kann jedoch dahinstehen, ob der Brustansatz der Klägerin vor der Brustvergrößerungsoperation die vom Bundessozialgericht genannte DIN- Körbchengröße A für Büstenhalter ausgefüllt hat. Wie das Sozialgericht zutreffend ausgeführt hat, kann aus den Entscheidungen des Bundessozialgerichts nicht der Umkehrschluss gezogen werden, dass immer dann, wenn bei Transsexuellen der Brustansatz die DIN-Maße für Körbchengröße A nicht ausfüllt, ein Anspruch auf eine Brustvergrößerungsoperation gegeben ist. Das Bundessozialgericht hat lediglich entschieden, dass bei Erfüllung dieser Voraussetzungen ein Anspruch auf brustvergrößernde Behandlungen nicht (mehr) besteht. Zwar weist das Bundessozialgericht in den zitierten Entscheidungen darauf hin, dass bei Transsexuellen die Reichweite des Anspruchs auf geschlechtsangleichende Behandlung nicht auf die Behebung einer Entstellung beschränkt ist, sondern so zu bestimmen ist, dass die Zielsetzung der Therapie, den Leidensdruck der Betroffenen durch solche operativen Eingriffe zu lindern, nach vornehmlich objektivierten medizinischen Kriterien erreicht wird (BSG 11.9.2012 - 1 KR 9/12 R, juris Rn. 20 ff.). Gleichzeitig betont es, dass Ansprüche auf geschlechtsangleichende Operationen bei Transsexualismus beschränkt sind auf die Herbeiführung eines Zustands, bei dem aus Sicht eines verständigen Betrachters eine deutliche Annäherung an das Erscheinungsbild des anderen Geschlechts eintritt (BSG a.a.O. Rn. 17). Ausgehend von diesen Grundsätzen ist die Rechtsprechung des Bundessozialgerichts so zu verstehen, dass auch in Fällen, in denen der Brustansatz die normierte Körbchengröße A nicht ausfüllt, unter Berücksichtigung der Gegebenheiten des Einzelfalls das Erscheinungsbild des Betroffenen bereits dem anderen Geschlecht hinreichend angenähert sein kann und deshalb ein Anspruch auf weitergehende geschlechtsangleichende Behandlungen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nicht besteht. Ob dies aus der Sicht eines verständigen Betrachters der Fall ist, haben die Tatsachengerichte durch Inaugenscheinnahme unter Berücksichtigung des Gesamterscheinungsbilds der Betroffenen festzustellen. Auf die subjektiven Wünsche der Betroffenen kommt es dabei nicht entscheidend an. Denn das Gleichbehandlungsgebot des Art. 3 Abs. 1 Grundgesetz verbietet es, transsexuellen Versicherten einen umfassenderen leistungsrechtlichen Zugang zu kosmetischen Operationen zu eröffnen, der nicht-transsexuellen Versicherten von vornherein versperrt ist (BSG a.a.O. Rn. 29 m.w.N.). Auf Grund der vorgelegten Fotos kommt der Senat - ebenso wie bereits der MDK und das Sozialgericht - zu dem Ergebnis, dass bei der Klägerin bereits vor der Brustvergrößerungsoperation eine hinreichende Annäherung an ein weibliches Erscheinungsbild bestand. Ein Naturalleistungsanspruch auf eine Brustvergrößerung hätte daher nicht bestanden. Deshalb ist auch der Anspruch auf Kostenerstattung ausgeschlossen.

18

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

19

Gründe für die Zulassung der Revision sind nicht ersichtlich.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt

1.
Ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung,
2a.
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen,
3.
Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie mit digitalen Gesundheitsanwendungen,
4.
häusliche Krankenpflege, außerklinische Intensivpflege und Haushaltshilfe,
5.
Krankenhausbehandlung,
6.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen.
Zur Krankenbehandlung gehört auch die palliative Versorgung der Versicherten. Bei der Krankenbehandlung ist den besonderen Bedürfnissen psychisch Kranker Rechnung zu tragen, insbesondere bei der Versorgung mit Heilmitteln und bei der medizinischen Rehabilitation. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit, wenn diese Fähigkeit nicht vorhanden war oder durch Krankheit oder wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation verlorengegangen war. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur vertraulichen Spurensicherung am Körper, einschließlich der erforderlichen Dokumentation sowie Laboruntersuchungen und einer ordnungsgemäßen Aufbewahrung der sichergestellten Befunde, bei Hinweisen auf drittverursachte Gesundheitsschäden, die Folge einer Misshandlung, eines sexuellen Missbrauchs, eines sexuellen Übergriffs, einer sexuellen Nötigung oder einer Vergewaltigung sein können.

(1a) Spender von Organen oder Geweben oder von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen (Spender) haben bei einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende zum Zwecke der Übertragung auf Versicherte (Entnahme bei lebenden Spendern) Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung. Dazu gehören die ambulante und stationäre Behandlung der Spender, die medizinisch erforderliche Vor- und Nachbetreuung, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie die Erstattung des Ausfalls von Arbeitseinkünften als Krankengeld nach § 44a und erforderlicher Fahrkosten; dies gilt auch für Leistungen, die über die Leistungen nach dem Dritten Kapitel dieses Gesetzes, auf die ein Anspruch besteht, hinausgehen, soweit sie vom Versicherungsschutz des Spenders umfasst sind. Zuzahlungen sind von den Spendern nicht zu leisten. Zuständig für Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 ist die Krankenkasse der Empfänger von Organen, Geweben oder Blutstammzellen sowie anderen Blutbestandteilen (Empfänger). Im Zusammenhang mit der Spende von Knochenmark nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes, von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen nach § 9 des Transfusionsgesetzes können die Erstattung der erforderlichen Fahrkosten des Spenders und die Erstattung der Entgeltfortzahlung an den Arbeitgeber nach § 3a Absatz 2 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes einschließlich der Befugnis zum Erlass der hierzu erforderlichen Verwaltungsakte auf Dritte übertragen werden. Das Nähere kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den für die nationale und internationale Suche nach nichtverwandten Spendern von Blutstammzellen aus Knochenmark oder peripherem Blut maßgeblichen Organisationen vereinbaren. Für die Behandlung von Folgeerkrankungen der Spender ist die Krankenkasse der Spender zuständig, sofern der Leistungsanspruch nicht nach § 11 Absatz 5 ausgeschlossen ist. Ansprüche nach diesem Absatz haben auch nicht gesetzlich krankenversicherte Personen. Die Krankenkasse der Spender ist befugt, die für die Leistungserbringung nach den Sätzen 1 und 2 erforderlichen personenbezogenen Daten an die Krankenkasse oder das private Krankenversicherungsunternehmen der Empfänger zu übermitteln; dies gilt auch für personenbezogene Daten von nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Krankenversicherungspflichtigen. Die nach Satz 9 übermittelten Daten dürfen nur für die Erbringung von Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 verarbeitet werden. Die Datenverarbeitung nach den Sätzen 9 und 10 darf nur mit schriftlicher Einwilligung der Spender, der eine umfassende Information vorausgegangen ist, erfolgen.

(2) Versicherte, die sich nur vorübergehend im Inland aufhalten, Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt wurde, sowie

1.
asylsuchende Ausländer, deren Asylverfahren noch nicht unanfechtbar abgeschlossen ist,
2.
Vertriebene im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Bundesvertriebenengesetzes sowie Spätaussiedler im Sinne des § 4 des Bundesvertriebenengesetzes, ihre Ehegatten, Lebenspartner und Abkömmlinge im Sinne des § 7 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes haben Anspruch auf Versorgung mit Zahnersatz, wenn sie unmittelbar vor Inanspruchnahme mindestens ein Jahr lang Mitglied einer Krankenkasse (§ 4) oder nach § 10 versichert waren oder wenn die Behandlung aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist.

(1) Die ärztliche Behandlung umfaßt die Tätigkeit des Arztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Krankheiten nach den Regeln der ärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist. Zur ärztlichen Behandlung gehört auch die Hilfeleistung anderer Personen, die von dem Arzt angeordnet und von ihm zu verantworten ist. Die Partner der Bundesmantelverträge legen für die ambulante Versorgung beispielhaft fest, bei welchen Tätigkeiten Personen nach Satz 2 ärztliche Leistungen erbringen können und welche Anforderungen an die Erbringung zu stellen sind. Der Bundesärztekammer ist Gelegenheit zur Stellungnahme zu geben.

(2) Die zahnärztliche Behandlung umfaßt die Tätigkeit des Zahnarztes, die zur Verhütung, Früherkennung und Behandlung von Zahn-, Mund- und Kieferkrankheiten nach den Regeln der zahnärztlichen Kunst ausreichend und zweckmäßig ist; sie umfasst auch konservierend-chirurgische Leistungen und Röntgenleistungen, die im Zusammenhang mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen erbracht werden. Wählen Versicherte bei Zahnfüllungen eine darüber hinausgehende Versorgung, haben sie die Mehrkosten selbst zu tragen. In diesen Fällen ist von den Kassen die vergleichbare preisgünstigste plastische Füllung als Sachleistung abzurechnen. In Fällen des Satzes 2 ist vor Beginn der Behandlung eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem Zahnarzt und dem Versicherten zu treffen. Die Mehrkostenregelung gilt nicht für Fälle, in denen intakte plastische Füllungen ausgetauscht werden. Nicht zur zahnärztlichen Behandlung gehört die kieferorthopädische Behandlung von Versicherten, die zu Beginn der Behandlung das 18. Lebensjahr vollendet haben. Dies gilt nicht für Versicherte mit schweren Kieferanomalien, die ein Ausmaß haben, das kombinierte kieferchirurgische und kieferorthopädische Behandlungsmaßnahmen erfordert. Ebenso gehören funktionsanalytische und funktionstherapeutische Maßnahmen nicht zur zahnärztlichen Behandlung; sie dürfen von den Krankenkassen auch nicht bezuschußt werden. Das Gleiche gilt für implantologische Leistungen, es sei denn, es liegen seltene vom Gemeinsamen Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 Abs. 1 festzulegende Ausnahmeindikationen für besonders schwere Fälle vor, in denen die Krankenkasse diese Leistung einschließlich der Suprakonstruktion als Sachleistung im Rahmen einer medizinischen Gesamtbehandlung erbringt. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend.

(3) Die psychotherapeutische Behandlung einer Krankheit wird durch Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten nach den §§ 26 und 27 des Psychotherapeutengesetzes und durch Psychotherapeuten nach § 1 Absatz 1 Satz 1 des Psychotherapeutengesetzes (Psychotherapeuten), soweit sie zur psychotherapeutischen Behandlung zugelassen sind, sowie durch Vertragsärzte entsprechend den Richtlinien nach § 92 durchgeführt. Absatz 1 Satz 2 gilt entsprechend. Spätestens nach den probatorischen Sitzungen gemäß § 92 Abs. 6a hat der Psychotherapeut vor Beginn der Behandlung den Konsiliarbericht eines Vertragsarztes zur Abklärung einer somatischen Erkrankung sowie, falls der somatisch abklärende Vertragsarzt dies für erforderlich hält, eines psychiatrisch tätigen Vertragsarztes einzuholen.

(4) (weggefallen)

(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt

1.
Ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung,
2a.
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen,
3.
Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie mit digitalen Gesundheitsanwendungen,
4.
häusliche Krankenpflege, außerklinische Intensivpflege und Haushaltshilfe,
5.
Krankenhausbehandlung,
6.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen.
Zur Krankenbehandlung gehört auch die palliative Versorgung der Versicherten. Bei der Krankenbehandlung ist den besonderen Bedürfnissen psychisch Kranker Rechnung zu tragen, insbesondere bei der Versorgung mit Heilmitteln und bei der medizinischen Rehabilitation. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit, wenn diese Fähigkeit nicht vorhanden war oder durch Krankheit oder wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation verlorengegangen war. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur vertraulichen Spurensicherung am Körper, einschließlich der erforderlichen Dokumentation sowie Laboruntersuchungen und einer ordnungsgemäßen Aufbewahrung der sichergestellten Befunde, bei Hinweisen auf drittverursachte Gesundheitsschäden, die Folge einer Misshandlung, eines sexuellen Missbrauchs, eines sexuellen Übergriffs, einer sexuellen Nötigung oder einer Vergewaltigung sein können.

(1a) Spender von Organen oder Geweben oder von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen (Spender) haben bei einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende zum Zwecke der Übertragung auf Versicherte (Entnahme bei lebenden Spendern) Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung. Dazu gehören die ambulante und stationäre Behandlung der Spender, die medizinisch erforderliche Vor- und Nachbetreuung, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie die Erstattung des Ausfalls von Arbeitseinkünften als Krankengeld nach § 44a und erforderlicher Fahrkosten; dies gilt auch für Leistungen, die über die Leistungen nach dem Dritten Kapitel dieses Gesetzes, auf die ein Anspruch besteht, hinausgehen, soweit sie vom Versicherungsschutz des Spenders umfasst sind. Zuzahlungen sind von den Spendern nicht zu leisten. Zuständig für Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 ist die Krankenkasse der Empfänger von Organen, Geweben oder Blutstammzellen sowie anderen Blutbestandteilen (Empfänger). Im Zusammenhang mit der Spende von Knochenmark nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes, von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen nach § 9 des Transfusionsgesetzes können die Erstattung der erforderlichen Fahrkosten des Spenders und die Erstattung der Entgeltfortzahlung an den Arbeitgeber nach § 3a Absatz 2 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes einschließlich der Befugnis zum Erlass der hierzu erforderlichen Verwaltungsakte auf Dritte übertragen werden. Das Nähere kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den für die nationale und internationale Suche nach nichtverwandten Spendern von Blutstammzellen aus Knochenmark oder peripherem Blut maßgeblichen Organisationen vereinbaren. Für die Behandlung von Folgeerkrankungen der Spender ist die Krankenkasse der Spender zuständig, sofern der Leistungsanspruch nicht nach § 11 Absatz 5 ausgeschlossen ist. Ansprüche nach diesem Absatz haben auch nicht gesetzlich krankenversicherte Personen. Die Krankenkasse der Spender ist befugt, die für die Leistungserbringung nach den Sätzen 1 und 2 erforderlichen personenbezogenen Daten an die Krankenkasse oder das private Krankenversicherungsunternehmen der Empfänger zu übermitteln; dies gilt auch für personenbezogene Daten von nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Krankenversicherungspflichtigen. Die nach Satz 9 übermittelten Daten dürfen nur für die Erbringung von Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 verarbeitet werden. Die Datenverarbeitung nach den Sätzen 9 und 10 darf nur mit schriftlicher Einwilligung der Spender, der eine umfassende Information vorausgegangen ist, erfolgen.

(2) Versicherte, die sich nur vorübergehend im Inland aufhalten, Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt wurde, sowie

1.
asylsuchende Ausländer, deren Asylverfahren noch nicht unanfechtbar abgeschlossen ist,
2.
Vertriebene im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Bundesvertriebenengesetzes sowie Spätaussiedler im Sinne des § 4 des Bundesvertriebenengesetzes, ihre Ehegatten, Lebenspartner und Abkömmlinge im Sinne des § 7 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes haben Anspruch auf Versorgung mit Zahnersatz, wenn sie unmittelbar vor Inanspruchnahme mindestens ein Jahr lang Mitglied einer Krankenkasse (§ 4) oder nach § 10 versichert waren oder wenn die Behandlung aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit Heilmitteln, soweit sie nicht nach § 34 ausgeschlossen sind. Ein Anspruch besteht auch auf Versorgung mit Heilmitteln, die telemedizinisch erbracht werden. Für nicht nach Satz 1 ausgeschlossene Heilmittel bleibt § 92 unberührt.

(1a) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt in seiner Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 das Nähere zur Heilmittelversorgung von Versicherten mit langfristigem Behandlungsbedarf. Er hat insbesondere zu bestimmen, wann ein langfristiger Heilmittelbedarf vorliegt, und festzulegen, ob und inwieweit ein Genehmigungsverfahren durchzuführen ist. Ist in der Richtlinie ein Genehmigungsverfahren vorgesehen, so ist über die Anträge innerhalb von vier Wochen zu entscheiden; ansonsten gilt die Genehmigung nach Ablauf der Frist als erteilt. Soweit zur Entscheidung ergänzende Informationen des Antragstellers erforderlich sind, ist der Lauf der Frist bis zum Eingang dieser Informationen unterbrochen.

(1b) Verordnungen, die über die in der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 in Verbindung mit Absatz 6 Satz 1 Nummer 3 geregelte orientierende Behandlungsmenge hinausgehen, bedürfen keiner Genehmigung durch die Krankenkasse.

(1c) (weggefallen)

(2) Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, haben zu den Kosten der Heilmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 3 ergebenden Betrag an die abgebende Stelle zu leisten. Dies gilt auch, wenn Massagen, Bäder und Krankengymnastik als Bestandteil der ärztlichen Behandlung (§ 27 Absatz 1 Satz 2 Nr. 1) oder bei ambulanter Behandlung in Krankenhäusern, Rehabilitations- oder anderen Einrichtungen abgegeben werden. Die Zuzahlung für die in Satz 2 genannten Heilmittel, die als Bestandteil der ärztlichen Behandlung abgegeben werden, errechnet sich nach den Preisen, die nach § 125 vereinbart oder nach § 125b Absatz 2 festgesetzt worden sind.

(1) Ärztliche oder zahnärztliche Behandlung wird von Ärzten oder Zahnärzten erbracht, soweit nicht in Modellvorhaben nach § 63 Abs. 3c etwas anderes bestimmt ist. Sind Hilfeleistungen anderer Personen erforderlich, dürfen sie nur erbracht werden, wenn sie vom Arzt (Zahnarzt) angeordnet und von ihm verantwortet werden.

(2) Versicherte, die ärztliche, zahnärztliche oder psychotherapeutische Behandlung in Anspruch nehmen, haben dem Arzt, Zahnarzt oder Psychotherapeuten vor Beginn der Behandlung ihre elektronische Gesundheitskarte zum Nachweis der Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen auszuhändigen. Ab dem 1. Januar 2024 kann der Versicherte den Nachweis nach Satz 1 auch durch eine digitale Identität nach § 291 Absatz 8 erbringen.

(3) Für die Inanspruchnahme anderer Leistungen stellt die Krankenkasse den Versicherten Berechtigungsscheine aus, soweit es zweckmäßig ist. Der Berechtigungsschein ist vor der Inanspruchnahme der Leistung dem Leistungserbringer auszuhändigen.

(4) In den Berechtigungsscheinen sind die Angaben nach § 291a Absatz 2 Nummer 1 bis 9 und 11, bei befristeter Gültigkeit das Datum des Fristablaufs, aufzunehmen. Weitere Angaben dürfen nicht aufgenommen werden.

(5) In dringenden Fällen kann die elektronische Gesundheitskarte oder der Berechtigungsschein nachgereicht werden.

(6) Jeder Versicherte erhält die elektronische Gesundheitskarte bei der erstmaligen Ausgabe und bei Beginn der Versicherung bei einer Krankenkasse sowie bei jeder weiteren, nicht vom Versicherten verschuldeten erneuten Ausgabe gebührenfrei. Die Krankenkassen haben einem Missbrauch der Karten durch geeignete Maßnahmen entgegenzuwirken. Muß die Karte auf Grund von vom Versicherten verschuldeten Gründen neu ausgestellt werden, kann eine Gebühr von 5 Euro erhoben werden; diese Gebühr ist auch von den nach § 10 Versicherten zu zahlen. Satz 3 gilt entsprechend, wenn die Karte aus vom Versicherten verschuldeten Gründen nicht ausgestellt werden kann und von der Krankenkasse eine zur Überbrückung von Übergangszeiten befristete Ersatzbescheinigung zum Nachweis der Berechtigung zur Inanspruchnahme von Leistungen ausgestellt wird. Die wiederholte Ausstellung einer Bescheinigung nach Satz 4 kommt nur in Betracht, wenn der Versicherte bei der Ausstellung der elektronischen Gesundheitskarte mitwirkt; hierauf ist der Versicherte bei der erstmaligen Ausstellung einer Ersatzbescheinigung hinzuweisen. Die Krankenkasse kann die Aushändigung der elektronischen Gesundheitskarte vom Vorliegen der Meldung nach § 10 Abs. 6 abhängig machen.

Tenor

Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 26. Januar 2016 wird zurückgewiesen.

Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten über Erstattung und Freistellung von Kosten einer Psychotherapie.

2

Die 1969 geborene, Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit beziehende, bei der beklagten Krankenkasse (KK) versicherte Klägerin ist nach schweren, in der Kindheit durch das familiäre Umfeld zugefügten Traumata ua an dissoziativer Störung in der Form einer Multiplen Persönlichkeit(sstörung) erkrankt. Deswegen befand sie sich nach vorausgegangener langjähriger psychiatrischer und psychotherapeutischer Behandlung ua von Juli 2007 bis Mai 2013 in der Behandlung einer Vertragspsychotherapeutin, die der Klägerin die nicht approbierte, als Heilpraktikerin zugelassene Diplom-Psychologin S. (im Folgenden S.) zur Weiterbehandlung empfahl. Die Beklagte lehnte den Antrag der Klägerin (20.9.2013 und 18.10.2013, jeweils mit Eingang bei der Beklagten am 23.10.2013) ab, die Kosten einer Psychotherapie bei S. zu übernehmen (Bescheid vom 25.10.2013, Widerspruchsbescheid vom 8.1.2014). Die Klägerin, die sich nach Klageerhebung ab Oktober 2014 von S. behandeln ließ, ist mit ihrem Begehren beim SG erfolglos geblieben (Urteil vom 28.5.2015). Das LSG hat die Berufung der Klägerin zurückgewiesen: Mindestvoraussetzung eines Anspruchs auf Behandlung durch einen Psychologischen Psychotherapeuten sei, dass - anders als hier - der vom Versicherten ausgewählte Therapeut approbiert sei. Dies gelte auch im Falle eines Systemversagens, eines Notfalls oder einer notstandsähnlichen Situation iS von § 2 Abs 1a SGB V. Diese Mindestvoraussetzung sei verfassungskonform (Urteil vom 26.1.2016).

3

Die Klägerin rügt mit ihrer Revision einen Verstoß gegen § 13 Abs 3 und § 28 Abs 3 SGB V. Es liege ein Systemversagen vor, das ausnahmsweise die Übernahme der Kosten einer Behandlung durch eine nicht approbierte, aber fachlich geeignete Diplom-Psychologin rechtfertige. Die Klägerin habe trotz umfänglicher Bemühungen keine wohnortnahe approbierte Psychologische Psychotherapeutin gefunden, die mit der Behandlung ihrer Krankheit vertraut sei und über Behandlungskapazitäten verfüge. S. erfülle die Approbationsvoraussetzungen und verfüge lediglich über keine formale Anerkennung als Psychologische Psychotherapeutin.

4

Die Klägerin beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Niedersachsen-Bremen vom 26. Januar 2016 und des Sozialgerichts Braunschweig vom 28. Mai 2015 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. Oktober 2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 8. Januar 2014 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr 2600 Euro Behandlungskosten für den Zeitraum vom 24. Oktober 2014 bis 16. Dezember 2015 zu erstatten und sie von den Kosten zukünftiger Behandlung durch die Dipl.-Psychologin S. freizustellen.

5

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

6

Sie hält die angegriffenen Entscheidungen für zutreffend.

Entscheidungsgründe

7

Die zulässige Revision ist unbegründet. Zu Recht hat das LSG die Berufung der Klägerin gegen das klageabweisende SG-Urteil zurückgewiesen. Die Klägerin hat weder Anspruch auf Erstattung von 2600 Euro Kosten für von der Diplom-Psychologin S. bereits erbrachte Behandlungsleistungen noch auf Freistellung von Kosten zukünftiger Behandlung bei S. Rechtsgrundlage für die Erstattung der Kosten ist allein § 13 Abs 3 S 1 Fall 2 SGB V(idF durch Art 1 Nr 5 Buchst b Gesetz zur Sicherung und Strukturverbesserung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 21.12.1992, BGBl I 2266). Hat die KK danach eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der KK in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Dieser Kostenerstattungsanspruch reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch; er setzt daher voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die KKn allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (stRspr, vgl zB BSGE 79, 125, 126 f = SozR 3-2500 § 13 Nr 11 S 51 f mwN; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 11 mwN - LITT; BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 13). Daran fehlt es.

8

Der Kostenerstattungsanspruch scheitert trotz des Umstandes, dass das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend der Klägerin während des Berufungsverfahrens aus dem Fonds Sexueller Missbrauch 100 psychotherapeutische Sitzungen bei S. bis zu einem Höchstbetrag von 10 000 Euro bewilligte (Bescheid vom 9.10.2015), allerdings nicht bereits an dem Erfordernis einer fortbestehenden Kostenbelastung. Denn die Bewilligung durch das Bundesministerium für Familie, Senioren, Frauen und Jugend erfolgte ausdrücklich nur als Vorleistung im Hinblick auf den anhängigen Rechtsstreit. Die bewilligte Leistung soll die Beklagte im Falle ihrer Leistungspflicht - soweit diese reicht - nicht endgültig entlasten (vgl auch BSGE 97, 6 = SozR 4-2500 § 13 Nr 9, RdNr 24). Auch scheitert der Kostenerstattungsanspruch nicht an einer mangelnden Erforderlichkeit der Behandlung. Bislang steht nicht fest, dass die Klägerin keiner weiteren psychotherapeutischen (Langzeit-)Behandlung (§ 27 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB V) bedarf, vielmehr sprechen gewichtige Anhaltspunkte dafür. Das LSG hat aber ausgehend von seiner zutreffenden Rechtsauffassung insoweit zu Recht keine Feststellungen getroffen.

9

Die Beklagte darf der Klägerin 2600 Euro Kosten der Behandlung bei S. nicht erstatten, weil sie die von der Klägerin selbstbeschaffte Leistung nicht hätte erbringen dürfen. Die Klägerin hat nach § 28 Abs 3 SGB V keinen Anspruch auf die Behandlung durch Psychotherapeuten, die - wie S. - über keine berufsrechtliche Erlaubnis nach dem Gesetz über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Psychotherapeutengesetz - PsychThG) vom 16.6.1998 (verkündet als Art 1 Gesetz über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 16.6.1998, BGBl I 1311; hier anzuwenden idF des Art 34a Gesetz zur Verbesserung der Feststellung und Anerkennung im Ausland erworbener Berufsqualifikationen vom 6.12.2011, BGBl I 2515) verfügen und deshalb unter der Berufsbezeichnung Psychologische Psychotherapeuten heilkundliche Psychotherapie nicht erbringen dürfen (dazu 1.). Der auch Kostenerstattungsverfahren erfassende Ausschluss nicht approbierter, als Heilpraktiker tätiger Diplom-Psychologen aus der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) verstößt nicht gegen Verfassungsrecht (dazu 2). Danach scheitert auch der Anspruch der Klägerin auf Freistellung von den Kosten künftiger Behandlung bei S. (dazu 3.).

10

1. Die Krankenbehandlung umfasst ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung (§ 27 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB V). Zwingende Voraussetzung ärztlicher und ihr gleichgestellter psychotherapeutischer Krankenbehandlung als ein zentraler Bestandteil des Leistungskatalogs der GKV ist die Approbation der ärztlichen und der psychotherapeutischen Behandler. Dies folgt schon aus dem Wortlaut des § 28 Abs 3 SGB V(dazu a), dem Regelungszusammenhang (dazu b) sowie dem Regelungszweck (dazu c), der im Einklang mit der historischen Entwicklung in der GKV steht, Ansprüche auf Krankenbehandlung von berufsrechtlichen Grundqualifikationen abhängig zu machen, die auch außerhalb der GKV die Berufsausübung regeln (dazu d). Auch im Falle eines Systemversagens besteht kein Anspruch auf Behandlung durch einen nicht approbierten psychotherapeutisch tätigen Behandler (dazu e).

11

a) § 28 Abs 3 S 1 SGB V konkretisiert § 27 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB V abschließend dahin, dass die psychotherapeutische Behandlung einer Krankheit nur durch Psychologische Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten (Psychotherapeuten), soweit sie zur psychotherapeutischen Behandlung zugelassen sind, sowie durch Vertragsärzte entsprechend den Richtlinien nach § 92 SGB V durchgeführt werden darf.

12

b) Die Vorschrift verweist implizit auf den Rechtsbegriff der Psychologischen Psychotherapeuten und Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten iS des PsychThG. Denn die sich aus dem PsychThG ergebenden berufsrechtlichen Anforderungen hat sich § 28 Abs 3 S 1 SGB V zu eigen gemacht. Es handelt sich bei den in § 1 Abs 1 PsychThG und in der leistungsrechtlichen Vorschrift des § 28 Abs 3 S 1 SGB V anzutreffenden, gleichlautenden Berufsbezeichnungen nicht um eine bloß zufällige Koinzidenz. § 28 Abs 3 SGB V ist als Art 2 Nr 2 im Gesetz über die Berufe des Psychologischen Psychotherapeuten und des Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten, zur Änderung des Fünften Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 16.6.1998 (BGBl I 1311) gemeinsam mit dem dort als Art 1 geregelten PsychThG und planvoll auf dieses abgestimmt in das SGB V eingefügt worden (vgl auch Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drucks 13/8035 S 15 f und S 20). Der Gesetzgeber wollte den Psychotherapeuten iS des PsychThG, aber auch nur diesen, neben den Vertragsärzten den Zugang zur eigenverantwortlichen psychotherapeutischen Krankenbehandlung von Versicherten eröffnen (vgl Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drucks 13/8035 S 15 f).

13

§ 1 Abs 1 PsychThG bestimmt: "Wer die heilkundliche Psychotherapie unter der Berufsbezeichnung 'Psychologische Psychotherapeutin' oder 'Psychologischer Psychotherapeut' oder die heilkundliche Kinder- und Jugendlichenpsychotherapie unter der Berufsbezeichnung 'Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeutin' oder 'Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut' ausüben will, bedarf der Approbation als Psychologischer Psychotherapeut oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeut. Die vorübergehende Ausübung des Berufs ist auch auf Grund einer befristeten Erlaubnis zulässig. Die Berufsbezeichnungen nach Satz 1 darf nur führen, wer nach Satz 1 oder 2 zur Ausübung der Berufe befugt ist. Die Bezeichnung 'Psychotherapeut' oder 'Psychotherapeutin' darf von anderen Personen als Ärzten, Psychologischen Psychotherapeuten oder Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten nicht geführt werden." Eine Approbation nach § 1 Abs 1 S 1 PsychThG ist auf Antrag zu erteilen, wenn der Antragsteller die vorgeschriebene Ausbildung abgeleistet und die staatliche Prüfung bestanden hat, sich nicht eines Verhaltens schuldig gemacht hat, aus dem sich die Unwürdigkeit oder Unzuverlässigkeit zur Ausübung des Berufs ergibt, nicht in gesundheitlicher Hinsicht zur Ausübung des Berufs ungeeignet ist und über die für die Ausübung der Berufstätigkeit erforderlichen Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt(§ 2 Abs 1 PsychThG). § 5 Abs 1 PsychThG setzt voraus, dass die Ausbildungen zum Psychologischen Psychotherapeuten sowie zum Kinder- und Jugendlichenpsychotherapeuten in Vollzeitform jeweils mindestens drei Jahre, in Teilzeitform jeweils mindestens fünf Jahre dauern. Sie bestehen aus einer praktischen Tätigkeit, die von theoretischer und praktischer Ausbildung begleitet wird, und schließen mit Bestehen der staatlichen Prüfung ab. Voraussetzung für den Zugang zu einer Ausbildung zum Psychologischen Psychotherapeuten ist nach § 5 Abs 2 S 1 Nr 1 Buchst a PsychThG - neben gleichgestellten ausländischen Prüfungen - eine im Inland an einer Universität oder gleichstehenden Hochschule bestandene Abschlussprüfung im Studiengang Psychologie, die das Fach Klinische Psychologie einschließt und gemäß § 15 Abs 2 S 1 Hochschulrahmengesetz der Feststellung dient, ob der Student das Ziel des Studiums erreicht hat. Hiernach ist der erfolgreiche Abschluss eines Hochschulstudiums im Studiengang Psychologie eine notwendige fachliche Voraussetzung, die aber allein nicht genügt, um ein vom Gesetzgeber berufsrechtlich für erforderlich gehaltenes fachliches Mindest-Qualifikationsniveau zu erreichen. Hinzukommen muss die in § 5 Abs 1 PsychThG definierte besondere berufsqualifizierende Ausbildung, deren erfolgreicher Abschluss mit der Approbation zur Berufsausübung berechtigt.

14

Dem entspricht es krankenversicherungsrechtlich, dass die Aufnahme der Psychotherapeuten in das Arztregister nach § 95c S 1 Nr 1 SGB V die Approbation als Psychotherapeut nach § 2 oder § 12 PsychThG voraussetzt und die Aufnahme in das Arztregister wiederum Voraussetzung für die Zulassung zur vertragsärztlichen Versorgung ist(§ 95 Abs 2 S 1 und 3 SGB V). Danach wird als Psychotherapeut zur vertragsärztlichen Versorgung nur derjenige zugelassen, der - neben dem Nachweis der Qualifikation in den in der GKV anerkannten Behandlungsverfahren (Fachkundenachweis nach § 95c S 1 Nr 2 und S 2 SGB V) - die berufsrechtlichen Voraussetzungen, also die Approbation, erfüllt (vgl auch Begründung des Gesetzentwurfs BT-Drucks 13/8035 S 16 f, S 21 § 95 abs 2 s 3 nr 1 sgb v> und S 22§ 95c sgb v>).

15

c) Das sich aus § 28 Abs 3 SGB V ergebende Erfordernis der Approbation der Psychotherapeuten als Voraussetzung für die eigenverantwortliche Krankenbehandlung Versicherter dient dem Zweck, das Vorliegen der psychotherapeutischen Grundqualifikation nach den Regeln des Berufsrechts nachzuweisen(vgl BSGE 95, 94 RdNr 6 = SozR 4-2500 § 95c Nr 1 RdNr 11). Mit ihr wird ua die fachliche Befähigung zur Ausübung eines akademischen Heilberufes (vgl BSG SozR 4-2500 § 95 Nr 4 RdNr 15), aber insbesondere auch die berufsrechtliche Würdigkeit und die gesundheitliche Eignung belegt. Hierbei handelt es sich insgesamt um Voraussetzungen des öffentlich-rechtlichen Berufsrechts, die dazu dienen, alle Patienten vor fachlich und/oder persönlich ungeeigneten Behandlern zu schützen und möglichen, sich daraus für die Gesundheit der Patienten und die finanziellen Mittel der Kostenträger ergebenden Gefahren vorzubeugen. Die GKV prüft dies nicht eigenständig, sondern knüpft an die Approbation als Ergebnis des Prüfungsvorgangs der zuständigen Landesbehörden an. Die KKn sind weder befugt, diese Grundqualifikation erneut zu überprüfen noch die Approbation durch eine eigene berufsrechtliche Bewertung zu ersetzen (vgl auch rechtsähnlich zur Registerbehörde nach § 95 Abs 2, § 95c SGB V BSGE 95, 94 RdNr 6 = SozR 4-2500 § 95c Nr 1 RdNr 11).

16

d) Die Anknüpfung an die Approbation als von anderen staatlichen Stellen durchgeführte Prüfung und Bestätigung der berufsrechtlichen Mindestqualifikation bei Krankenbehandlung durch Behandler in eigener Verantwortung ist ein prägendes Merkmal der GKV von Anbeginn. So sah die RVO schon im Zeitpunkt ihres Inkrafttretens für alle Versicherungszweige in ihrem § 122 vor, dass ärztliche Behandlung iS der RVO nur durch approbierte Ärzte geleistet werden darf. Denn bei ihnen ist in generalisierender Betrachtungsweise - ohne dass im Einzelfall ein Gegenbeweis geführt werden kann - davon auszugehen, dass sie aufgrund ihrer langjährigen theoretischen und praktischen Ausbildung und der Ablegung staatlicher Prüfungen den Anforderungen entsprechen, die für eine effektive, den Wirtschaftlichkeitsmaximen der GKV entsprechende Krankenbehandlung erforderlich sind (vgl BSG Urteil vom 11.10.1994 - 1 RK 26/92 - Juris RdNr 20 = USK 94128). Dementsprechend hatten nichtärztliche Psychotherapeuten unter Geltung der RVO keinen Anspruch auf eigenverantwortliche Behandlung von Versicherten (vgl BSG Urteil vom 11.10.1994 - 1 RK 26/92 - Juris RdNr 18 mwN = USK 94128). Diese Vorschrift ist zwar mit Inkrafttreten des SGB V aufgehoben worden. Auch hat das SGB V in § 15 und § 27 die Approbation als Voraussetzung nicht wieder ausdrücklich erwähnt. Die Rechtslage hat sich mit Inkrafttreten des SGB V jedoch nicht geändert, weil der in den §§ 15 Abs 1, 27 Abs 1 SGB V geregelte Arztvorbehalt mit der Bezugnahme auf den Arzt nur den approbierten Heilbehandler meint. Der in §§ 15 Abs 1 und 27 Abs 1 SGB V geregelte Arztvorbehalt beinhaltet einen generellen Ausschluss nichtärztlicher Heilbehandler von der selbstständigen und eigenverantwortlichen Behandlung der Versicherten der GKV. Die Psychotherapeuten waren bis Ende 1998 Hilfspersonen des approbierten Arztes, die unter dessen Verantwortung bei der Krankenbehandlung der Versicherten mitwirkten ("Delegationsverfahren"; zum "grauen Markt" psychotherapeutischer Leistungserbringung durch nicht am Delegationsverfahren beteiligte Psychologische Psychotherapeuten im Rahmen der GKV vgl Begründung des Gesetzentwurfs des Bundesrats BT-Drucks 13/1206 S 12). Seit 1.1.1999 können Psychotherapeuten eigenverantwortlich und selbstständig psychotherapeutische Krankenbehandlung gleichberechtigt neben Ärzten ausüben (vgl Begründung des Gesetzentwurfs der Fraktionen der CDU/CSU und F.D.P., BT-Drucks 13/8035 S 15). Es ist dann aber - nicht zuletzt wegen des allgemeinen Gleichheitssatzes - zwingend geboten, dass § 28 Abs 3 SGB V durch den impliziten Verweis auf das PsychThG als Mindestqualifikationsniveau die Approbation auch für Psychologische Psychotherapeuten verlangt und sich nur daraus die Gleichstellung mit den approbierten Ärzten rechtfertigt.

17

e) Es handelt sich bei dem Erfordernis der Approbation damit nicht bloß um eine spezifisch leistungserbringungsrechtliche Voraussetzung, die im Falle eines Systemversagens verzichtbar wäre, sondern um eine vom SGB V als zwingende berufliche Mindestqualifikation aufgestellte Tatbestandsvoraussetzung für den Behandlungsanspruch.

18

2. Der Ausschluss der Heilpraktiker - wie hier der S. - von der selbstständigen Leistungserbringung in der GKV ist mit Art 12 Abs 1 GG zu vereinbaren und verstößt auch nicht gegen Art 3 Abs 1 GG (BVerfGE 78, 155 = SozR 2200 § 368 Nr 11). Das BVerfG hat bezogen auf eine Heilpraktikerbehandlung zudem entschieden, dass sich aus Art 2 Abs 2 S 1 GG kein verfassungsrechtlicher Anspruch Versicherter darauf ergibt, dass ein bestimmter, im SGB V nicht vorgesehener Leistungserbringer im Rahmen der GKV tätig werden darf (BVerfG Beschluss vom 15.12.1997 - 1 BvR 1953/97 - NJW 1998, 1775). Auch das BSG hat sich mit der Problematik der Erstattungsfähigkeit von Kosten für die Behandlung durch einen Heilpraktiker bereits mehrfach befasst und entschieden, dass der im Recht der GKV geregelte Arztvorbehalt einen generellen Ausschluss nichtärztlicher Heilbehandler von der selbstständigen und eigenverantwortlichen Behandlung der Versicherten beinhaltet und dies verfassungsgemäß ist (BSGE 48, 47 = SozR 2200 § 368 Nr 4; BSGE 72, 227 = SozR 3-2500 § 15 Nr 2; BSG Urteil vom 11.10.1994 - 1 RK 26/92 - Juris = USK 94128; BVerfGE 78, 155 = SozR 2200 § 368 Nr 11). Hieran hält der erkennende Senat fest.

19

3. Nach alledem hat die Klägerin auch keinen Anspruch darauf, durch die Beklagte von den Kosten zukünftiger Behandlung durch S. freigestellt zu werden. Die zwischenzeitlich erfolgte Änderung des PsychThG durch Art 6 Gesetz zur Umsetzung der Richtlinie 2013/55/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 20.11.2013 zur Änderung der Richtlinie 2005/36/EG über die Anerkennung von Berufsqualifikationen und der Verordnung (EU) Nr 1024/2012 über die Verwaltungszusammenarbeit mit Hilfe des Binnenmarkt-Informationssystems ("IMI-Verordnung") für bundesrechtlich geregelte Heilberufe und andere Berufe vom 18.4.2016 (BGBl I 886) hat an dem Approbationserfordernis für Psychotherapeuten nichts geändert.

20

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 8. Mai 2008 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand

 
Die Klägerin begehrt von der beklagten Krankenkasse Erstattung bzw. Übernahme der Kosten für eine Nadel bzw. Elektroepilation (Methode zur dauerhaften Entfernung von Körperhaaren) in einem Kosmetikstudio.
Die 1966 geborene Klägerin gehört nach § 8 Transsexuellengesetz (TSG) dem weiblichen Geschlecht an (rechtskräftiger Beschluss des Amtsgerichtes Heidelberg vom 20. Juni 2007, 48 UR III 15/07).
Die Klägerin ist bei der Beklagten krankenversichert. Am 27. November 2006 beantragte sie die Gewährung einer Nadelepilation in einem Kosmetikstudio zur Entfernung der Gesichtsbehaarung. Mit einer Laserepilation habe sie schlechte Erfahrungen gemacht; es sei zu schweren Verbrennungen mit Narben gekommen. Die Klägerin legte ein Attest der Fachärztin für Psychiatrie Dr. D. vor, wonach es aufgrund der starken Gesichtsbehaarung immer wieder zu psychischen Einbrüchen komme. Außerdem übermittelte sie ein Schreiben der Epilationspraxis E., F., wonach die Behandlung zunächst 120 Stunden mit je sechs Behandlungseinheiten umfasse und jede Behandlungseinheit bei 9,63 EUR liege.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 22. Januar 2007 ab und verwies die Klägerin auf die Inanspruchnahme eines Vertragsarztes. Die Klägerin könne sich an die Hautärztin Dr. H. in E. wenden.
Hiergegen erhob die Klägerin mit der Begründung Widerspruch, Dr. H. vergebe lediglich Termine von 15 Minuten. Bei einer geschätzten zeitlichen Gesamtbehandlungsdauer von 80 bis 100 Stunden und einer wöchentlichen Sitzung benötige die Behandlung acht Jahre. Dies erscheine absolut unzumutbar. Vorgelegt wurde ein Attest von Dr. H., wonach bei der für die Behandlung angesetzten Abrechnungsziffer 10340 des Einheitlichen Bewertungsmaßstabes (EBM) nur ein Zeitrahmen von 15 Minuten möglich sei und eine länger andauernde Behandlung zusätzlich vergütet werden müsse. Ergänzend führte die Klägerin aus, bei einem ersten Epilationstermin bei Dr. H. sei es zu einer Verletzung gekommen. Von der Behandlungszeit von 15 Minuten pro Termin würden auf die eigentliche Epilation lediglich etwa fünf Minuten entfallen, so dass sich hieraus bei einem Behandlungstermin pro Woche eine Behandlungsdauer von 28,5 Jahren ergebe. Hingegen könne die Epilationsbehandlung in einem Kosmetikstudio in wesentlich kürzerer Zeit durchgeführt werden. Die Behandlung in einem Kosmetikstudio sei von zahlreichen anderen Kassen im Rahmen von Einzelfallentscheidungen übernommen worden.
Die Beklagte holte daraufhin mehrere gutachtliche Stellungnahmen beim Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) ein. Dr. E., MDK, wies darauf hin, dass die Durchführung einer Nadelepilation bei Transsexualität nur dann in Betracht komme, wenn zuvor eine zweijährige Hormonbehandlung erfolglos geblieben sei. Dr. H., MDK, führte aus, die Nadelepilation könne grundsätzlich als Kassenleistung erbracht und abgerechnet werden. Die Dauer der Epilation sei u.a. abhängig von der Haardichte, der Erfahrung des Behandlers, der Empfindlichkeit des Patienten und einem möglichen Nachwachsen der Haare. Zur Entfernung der Gesichtsbehaarung bei einer Mann-zu-Frau-Transsexuellen müsse erfahrungsgemäß mit etwa 80 bis 120 Behandlungsstunden gerechnet werden.
Mit Widerspruchsbescheid vom 24. Juli 2007 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Die Epilationsbehandlung stelle zwar eine ärztliche Leistung der gesetzlichen Krankenversicherung dar. Kosmetikerinnen seien aber nicht berechtigt, im Bereich der vertragsärztlichen Versorgung Leistungen zu erbringen. Der Klägerin sei es auch unter Berücksichtigung der bei der Behandlung durch Frau Dr. H. erlittenen Verletzung zumutbar, die entsprechende Behandlung ausschließlich durch Vertragsärzte durchführen zu lassen.
Die Klägerin hat hiergegen am 9. August 2007 Klage bei dem Sozialgericht Mannheim (SG) mit dem Begehren erhoben, die Kosten für die in der Epilationspraxis E. durchzuführende Epilationsbehandlung zu übernehmen. Zur Begründung hat sie erneut vorgetragen, dass ihr die Durchführung der Epilationsbehandlung im Rahmen der kassenärztlichen Versorgung aufgrund der erlittenen Verletzung und der vorhersehbaren Dauer unzumutbar sei. Dr. H. sei gar nicht dafür ausgestattet, um mit den wegen der empfindlichen Haut der Klägerin notwendigen verschiedenen Epilationsarten zu arbeiten. Die Klägerin hat auf das ihre Rechtsansicht stützende Urteil des Sozialgerichts Düsseldorf vom 11. Dezember 2007, S 4 KR 78/07, hingewiesen.
Seit September 2007 führt die Klägerin die Epilation bei der Kosmetikerin U. S. durch, welche ausgebildete Elektrologistin ist und über Erfahrungen in der Epilationsbehandlung transsexueller Frauen verfügt. Nach einem Kostenvoranschlag von Frau S. ist der Zeitaufwand mit 120 Stunden zu je 40 EUR einzuschätzen. Die Klägerin hat ihre Klage dahingehend geändert, dass die Beklagte verurteilt werde, die Kosten für die Behandlung durch Frau S. zu übernehmen.
10 
Das SG hat Dr. H. als sachverständige Zeugin über die Behandlung der Klägerin gehört. Sie hat angegeben, bei transsexuellen Patientinnen bislang keine Epilationen durchgeführt zu haben, gleichwohl aber über eine Erfahrung von 20 Jahren mit Nadelepilation zu verfügen. Bei einer Praxisstruktur mit einem erforderlichen Umsatz von 120,00 EUR bis 150,00 EUR pro Stunde und einer Vergütung von derzeit 5,81 EUR für eine Epilation sei ein Zeitrahmen von offiziell fünf Minuten vorgegeben. Mit der Ausdehnung auf 15 Minuten zuzüglich Vor- und Nachbereitung sei die Grenze ihrer Möglichkeiten erreicht. Ob im Fall der Klägerin tatsächlich ein Gesamtzeitaufwand von 120 Stunden erforderlich sei, um einen zufriedenstellenden Erfolg zu erzielen, könne nicht beurteilen werden, da der Haarwuchs bei den bisher behandelten Frauen nicht so stark gewesen sei.
11 
Mit Urteil vom 8. Mai 2008 hat das SG den angefochtenen Bescheid in der Gestalt des Widerspruchsbescheids aufgehoben und die Beklagte verurteilt, die Kosten für die in der Epilationspraxis E. durchzuführende Epilationsbehandlung zu übernehmen. Die Gesichtsbehaarung der Klägerin stelle eine behandlungsbedürftige Krankheit dar. Die Behandlung mit den gewöhnlichen Mitteln der gesetzlichen Krankenversicherung sei der Klägerin nicht zumutbar, da dafür mit mindestens 100 Behandlungsstunden und einer wöchentlichen Behandlung von 15 Minuten etwa acht Jahre erforderlich seien. Zum Wesen der Krankenbehandlung gehöre aber, dass diese in einem angemessenen Zeitrahmen abgeschlossen werden könne. Da damit die kassenärztliche Versorgung nicht in der Lage sei, eine dem Krankheitsbild der Klägerin entsprechende Behandlung zur Verfügung zu stellen, habe die Beklagte der Klägerin die Kosten für selbst beschaffte Maßnahme zu erstatten. Dass die Epilationsbehandlung durch eine nicht abrechnungsberechtigte Kosmetikerin erbracht werde, könne der Klägerin nicht entgegengehalten werden. Wenn im Rahmen der gewöhnlichen krankenversicherungsrechtlich zulässigen Formen der Leistungserbringung eine Krankenbehandlung nicht durchführbar sei, bleibe dem Versicherten keine andere Wahl, als einen nicht zugelassenen Leistungserbringer in Anspruch zu nehmen.
12 
Die Beklagte hat gegen das ihr am 9. Juni 2008 zugestellte Urteil am 25. Juni 2008 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat sie vorgetragen, Kosmetikerinnen seien keine zugelassenen Leistungserbringer und könnten somit keine gegenüber der ärztlichen Leistung gleichwertigen Leistungen erbringen. Eine solche Leistungsgewährung stelle grundsätzlich eine Pflichtverletzung dar, mit dem Risiko, dass sie (die Beklagte) schadenersatzpflichtig werde.
13 
Die Beklagte beantragt,
14 
das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 8. Mai 2008 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
15 
Die Klägerin beantragt,
16 
die Berufung der Beklagten zurückzuweisen und das Urteil des Sozialgerichts Mannheim vom 8. Mai 2008 dahingehend abzuändern, dass die Beklagte verurteilt wird, die Kosten für die in der Epilationspraxis U. S. durchgeführte Epilationsbehandlung, die bereits entstanden sind, zu erstatten und künftig zu übernehmen, hilfsweise das Verfahren auszusetzen und nach Art. 100 Abs. 1 des Grundgesetzes eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts einzuholen, höchsthilfsweise die Revision zuzulassen.
17 
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend mit der Maßgabe, dass das SG Mannheim übersehen habe, dass die Epilationsbehandlung nicht in der Praxis E., sondern durch U. S. durchgeführt werden solle, weswegen das Urteil, wie beantragt zu ändern sei. Es liege ein Systemversagen vor, da es für sie unzumutbar sei, die Epilation durch Dr. H. durchführen zu lassen. Darüber hinaus hätten Hautärzte generell nicht die notwendige Geschicklichkeit für die Durchführung der Nadelepilation. Dr. H. fehle die notwendige Erfahrung bei der Behandlung Transsexueller und sie habe auch nicht die notwendige Ausrüstung hierfür. Eine Haarentfernung mittels Lasertechnik sei nur bei dunkler Bartbehaarung möglich, sie habe aber blondes Haar. Auch das Arztprimat des § 15 Abs. 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) sage nichts darüber aus, wie in Fällen des Systemversagens zu verfahren sei, in denen kein Arzt die medizinisch gebotene Behandlung in zumutbarer Weise anbiete. Nach § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB V sei es zulässig, wenn eine Kosmetikerin in einem Zimmer der Arztpraxis epiliere. Dass die Vorschrift nicht anwendbar sei, wenn sie in eigener Praxis arbeite, verstoße gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes (GG). § 13 Abs. 2 Satz 6 SGB V sei verfassungskonform dahingehend auszulegen, dass im Fall des Systemversagens auch Kosmetikerinnen in Anspruch genommen werden können. Scheide eine verfassungskonforme Regelung aus, verstießen §§ 15, 76 SGB V gegen Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG und das Verfahren sei nach Art. 100 Abs. 1 GG dem Bundesverfassungsgericht vorzulegen.
18 
Nachdem die Beklagte auf die Hautärzte Dr. B. und Dr. W. sowie auf die Ärzte diverser Universitätshautkliniken als mögliche Behandler für die Nadelepilations hingewiesen hatte, hat der Senat diese als sachverständige Zeugen gehört. Dr. B., Dr. W., Dr. B. (Universitätshautklinik F.) und Prof. Dr. G. (Universitätshautklinik M.) haben allesamt mitgeteilt, keine Nadelepilationen (mehr) durchzuführen. Dr. B. und Dr. B. haben zudem angegeben, durch eine Nadelepilation sei keine dauerhafte Enthaarung möglich, weswegen man die Laserbehandlung durchführe.
19 
Die Klägerin hat noch ein Schreiben von Frau S. vorgelegt, wonach die Nadelepilation ein seit 100 Jahren erfolgreich eingesetztes Verfahren sei und nur dann zu keiner dauerhaften Haarentfernung führe, wenn sie unsachgemäß durchgeführt werde. Bei der Klägerin seien seit September 2007 ungefähr 60 Epilationsstunden mit erfreulichen Fortschritten durchgeführt worden.
20 
Die Beklagte hat zuletzt auf ein Parallelverfahren vor dem LSG Nordrhein-Westfalen (L 16 KR 39/08) hingewiesen und die Niederschrift eines dortigen Erörterungstermins übermittelt, wo die Berichterstatterin auf die fehlenden Erfolgsaussichten eines der Klägerin vergleichbaren Begehrens hingewiesen hat. Die Klägerin hat sich hierzu dahingehend geäußert, dass dies nicht die Rechtsauffassung des Senats, sondern nur der Berichterstatterin darstelle und auch sich auch der dortige Sachverhalt sich von ihrem unterscheide. In einem weiteren Parallelverfahren (L 5 KR 81/07), auf das die Klägerin hingewiesen hat, hat die dortige Versicherte nach telefonischer Mitteilung der Geschäftsstelle des zuständigen Senats des LSG Nordrhein-Westfalen, die Berufung zurückgenommen.
21 
Zur weiteren Darstellung des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Prozessakten erster und zweiter Instanz sowie die Verwaltungsakten der Beklagten verwiesen.

Entscheidungsgründe

 
22 
Die gemäß §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Kostenerstattung bzw. Leistungsgewährung. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
23 
Streitgegenstand ist, soweit die Epilationsbehandlung bereits durchgeführt worden ist, die Erstattung der der Klägerin entstandenen Kosten. Die Behandlung dauert noch an, so dass auch - für die Zukunft - die Gewährung der Leistung selbst begehrt wird. Zutreffend hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass die Klage im Hinblick auf eine Behandlung bei Frau S. und nicht in der Praxis E. wirksam geändert worden ist (§ 99 Abs. 1 SGG). Das hat das SG übersehen. Würde ein Anspruch der Klägerin auf die Übernahme bzw. Kostenerstattung der Behandlung bestehen, müsste das Urteil des SG aus diesem Grund abgeändert werden. Da das Klagebegehren aber insgesamt keinen Erfolg hat, bedarf es dessen nicht. Aus diesem Grund, aber auch weil die Behandlung noch andauert, hat der Senat auch von einer Bezifferung der Kosten, deren Erstattung begehrt wird, abgesehen (vgl. BSG, Urteil vom 22. April 2008, B 1 KR 22/07 R, für SozR vorgesehen).
24 
Für die geltend gemachte Kostenerstattung ist § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V die einzig denkbare Anspruchsgrundlage. Danach gilt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.
25 
Der Kostenerstattungsanspruch reicht hierbei nicht weiter als der entsprechende Sachleistungsanspruch. Er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in natura als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (BSG, Urteile vom 18. Mai 2004, B 1 KR 21/02 R, SozR 3-2500 § 13 Nr. 11, und vom 19. Oktober 2004, B 1 KR 27/02 R). Da diese Voraussetzung nicht erfüllt ist, besteht sowohl kein Anspruch auf eine Gewährung der Leistung (im Rahmen des Sachleistungsprinzips) wie auf Erstattung der bisher entstandenen Kosten.
26 
Der Senat lässt offen, ob hier eine behandlungsbedürftige Krankheit i. S. des § 27 Abs. 1 SGB V vorliegt. Nach der Rechtsprechung des BSG (zuletzt Urteil vom 28. Februar 2008, B 1 KR 19/07 R, SozR 4-2500 § 27 Nr. 14) können Versicherte Krankenbehandlung wegen - der hier in Frage kommenden Annahme einer - Entstellung nur beanspruchen, wenn sie objektiv an einer körperlichen Auffälligkeit von so beachtlicher Erheblichkeit leiden, dass sie die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gefährdet. Das ist im Fall der Klägerin, die sich immerhin rasieren kann, nicht zwingend anzunehmen. Offen gelassen kann dabei auch, ob im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG zu Operationen Transsexueller (vgl. BSG, Urteil vom 6. August 1987, 3 RK 15/86, SozR 2200 § 182 Nr. 106; BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004, B 1 KR 3/03 R, SozR 4-2500 § 27 Nr. 3) für die Epilation von Transsexuellen allgemein oder im Einzelfall ein großzügiger Maßstab anzulegen wäre, als bei Frauen, die als Frau geboren worden sind.
27 
Die bei der Klägerin durchgeführte Epilation ist im Hinblick darauf, dass sie im EBM (Abrechnungsziffern 02300, 10340) und auch in der Gebührenordnung für Ärzte (Abrechnungsziffern 742, 1323) aufgeführt ist, als ärztliche Behandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 28 Abs. 1 SGB V), nicht etwa als Heilmittel (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, § 32 SGB V) anzusehen (so auch SG Düsseldorf, Urteil vom 11. Dezember 2007, S 4 KR 78/07; vgl. auch BSG, Urteil vom 4. April 2006, B 1 KR 12/05 R, SozR 4-2500 § 27 Nr. 8 zur Abgrenzung anerkannter von neuen Behandlungsmethoden). Ärztliche Behandlungen dürfen aber nur von Ärzten erbracht werden (§ 15 Abs. 1 SGB V - sog. Arztvorbehalt). Frau S. ist keine Ärztin. Der Fall der Klägerin rechtfertigt nicht, von dieser Vorgabe abzuweichen.
28 
Die Geltung des Arztvorbehalts machen schon die Regelungen über die vom Versicherten an Stelle der Sachleistung gewählte Kostenerstattung - von der die Klägerin keinen Gebrauch gemacht hat - deutlich. Für diese bestimmen § 13 Abs. 2 Satz 6 und 7 SGB V, dass nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden dürfen. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/1525, S. 80 zu Nr. 4 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa) der durch das GKV-Modernisierungsgesetz vom 14. November 2003 (BGBl. I S. 2190) eingeführten Regelung (damals noch Satz 3 und 4) dürfen nicht im Vierten Kapitel genannte Berufsgruppen, die nicht die dort aufgeführten Voraussetzungen zur Teilnahme an der Versorgung der Versicherten zu Lasten der Krankenkassen erfüllen, nicht in Anspruch genommen werden. Beispielhaft werden Heilpraktiker genannt. Für Kosmetikerinnen muss dies erst recht gelten.
29 
Nach der Rechtsprechung des BSG ist daher eine Kostenerstattung an einen krankenversicherungsrechtlich nicht zugelassenen Leistungserbringer ausgeschlossen (BSG, Urteil vom 15. Mai 1997, 1 RK 4/96, SozR 3-2500; Urteil vom 2. November 2007, B 1 KR 14/07 R, für SozR vorgesehen). Nichtärztliche Behandler haben auch im Rahmen des Kostenerstattungsanspruchs keinen Anspruch auf eigenverantwortliche Behandlung von Versicherten (Hauck in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 13 SGB V, Rdnr. 179, 181). Der eng umgrenzte Kreis derjenigen, die für die gesetzliche Krankenversicherung Leistungen erbringen können, zeigt sich auch in den Regelungen über die im EU-Ausland zu Lasten einer deutschen Krankenkasse in Anspruch genommenen Leistungen. Handelt es sich nicht um eine ärztliche Krankenbehandlung setzt diese Inanspruchnahme neben einer entsprechenden ärztlichen Verordnung eine Qualifikation des ausländischen Leistungserbringers voraus, die der im Inland verlangten vergleichbar ist (BSG, Urteil vom 13. Juli 2004, B 1 KR 33/02 R, SozR 4-2500 § 13 Nr. 3).
30 
Die von der Klägerin begehrte Behandlung weist auch keinen Bezug zur Regelung des § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB V auf. Danach dürfen Hilfeleistungen anderer Personen (als Ärzte) nur erbracht werden, wenn sie vom Arzt (oder Zahnarzt) angeordnet und verantwortet werden. Gemeint sind Hilfeleistungen anderer Personen, die dem Arzt zugerechnet werden und die er deshalb aufgrund seines Fachwissens verantwortet, d. h. überwacht und leitet (BSG, Urteil vom 10. Mai 1995, 1 RK 20/94, SozR 3-2500 § 28 Nr. 1). Derjenige, der die Hilfeleistung erbringt, steht in einem Unterordnungsverhältnis zu dem Arzt. Dieser deutliche Bezug zu einem Arzt fehlt bei einer in eigener Praxis und ohne ärztliche Anleitung tätig werdenden Kosmetikerin. Sie erbringt eine selbstständig und eigenverantwortliche Leistung, wie dies etwa auch bei Heilmittelerbringern der Fall ist (vgl. Wagner in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, § 15 SGB V Rdnr. 5). Der Unterschied im Fachwissen und in der Verantwortung bei Erbringung der Leistung rechtfertigt auch eine unterschiedliche krankenversicherungsrechtliche Behandlung, weswegen kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vorliegt.
31 
Der Senat räumt ein, dass es schwierig ist, einen ärztlichen Behandler für die begehrte Nadelepilation zu finden. Das muss jedoch ebenso hingenommen werden, wie der Umstand, dass für die Behandlung bei einem Arzt ein langer Zeitraum als bei einer Kosmetikerin anzusetzen ist. Der schnellere Fortschritt der Behandlung durch eine Kosmetikerin beruht allein darauf, dass diese in anderer Art und Weise abrechnet und deswegen pro Sitzung länger epiliert. Diese Unterschiede sind aber dem vertragsärztlichen System immanent. Sie berechtigen einen Versicherten nicht, die Leistung außerhalb desselben in Anspruch zu nehmen und die Kosten der Krankenkasse in Rechnung zu stellen. Ohnehin bestehen, worauf Dr. H. und Dr. H. nachvollziehbar hingewiesen haben, Unsicherheiten, die vom weiteren Behandlungsverlauf abhängen. Nicht ausgeschlossen erscheint sogar, da der Erfolg der Nadelepilation nach der Mehrheit der gehörten Ärzte nicht dauerhaft ist, die Notwendigkeit einer lebenslangen Behandlung.
32 
Der Umstand, dass Frau S. über größere Erfahrung in der Epilation Transsexueller verfügt als manche Hautärzte, begründet schon von vornherein nicht, vom Arztvorbehalt abzuweichen. Für die Kostenerstattung bei ärztlichen Behandlungen hat das BSG bereits entschieden, dass die mangelnde Vertrautheit mit einem bestimmten Krankheitsbild nicht ausreicht, um eine Leistung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung zu beanspruchen (BSG, Urteil vom 25. September 2000, B 1 KR 5/99 R, SozR 3-2500 § 13 Nr. 22). Das gilt im Verhältnis zu einer Kosmetikerin erst recht. Auch ein besonderes Vertrauensverhältnis zu einem bestimmten Arzt reicht nicht aus, um einen Nicht-Vertragsarzt in Anspruch nehmen zu dürfen (BSG, Urteil vom 23. November 1995, 1 RK 5/94, SozR 3-2500 § 13 Nr. 9). Das lässt sich ebenfalls auf das Verhältnis Vertragsarzt - Kosmetikerin übertragen.
33 
Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen gegen den Arztvorbehalt nicht. Es ist anerkannt, dass auch aus den Grundrechten regelmäßig kein verfassungsrechtlicher Anspruch gegen die Krankenkassen auf Bereitstellung bestimmter und insbesondere spezieller Gesundheitsleistungen besteht. Die gesetzlichen Krankenkassen sind nicht von Verfassungs wegen gehalten, alles zu leisten, was an Mitteln zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar ist. Zwar hat sich die Gestaltung des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung an der objektiv-rechtlichen Pflicht des Staates zu orientieren, sich schützend und fördernd vor die Rechtsgüter des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zu stellen. Entsprechende Leistungspflichten sind aber bisher nur in Fällen der Behandlung einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung angenommen worden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 2005, 1 BvR 347/98, SozR 4-2500 § 27 Nr. 5). Ein solcher Fall scheidet hier schon von vornherein aus. Daher besteht weder Anlass, Regelungen verfassungskonform auszulegen noch als verfassungswidrig anzusehen. Deswegen ist auch nicht nach Art. 100 Abs. 1 GG vorzugehen.
34 
Die Beklagte durfte daher die begehrte Leistung, die von Anfang an auf die Epilation durch eine Kosmetikerin ausgerichtet war, zu Recht ablehnen.
35 
Ein Fall einer unaufschiebbaren Leistung liegt gleichfalls nicht vor. Er verlangt, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs mehr bestand (BSG, Urteil vom 25. September 2000, a.a.O.). Das kann bei der hier streitigen Behandlung, die sich unabhängig von wem sie durchgeführt wird, über einen längeren Zeitraum hinzieht, nicht gesagt werden. Im Übrigen gilt auch in diesen Fällen der Arztvorbehalt. Ob für „echte Notfälle“ (im medizinischen Sinne) etwas anderes in Erwägung zu ziehen ist (vgl. Höfler in: Kasseler Kommentar, SGB V, § 13 Rdnr. 31), kann der Senat offen lassen. Denn ein solcher besteht bei der Klägerin nicht.
36 
Da das Urteil des SG aufzuheben ist, erledigt sich der Änderungsantrag der Klägerin.
37 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
38 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.

Gründe

 
22 
Die gemäß §§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz (SGG) zulässige Berufung der Beklagten ist begründet. Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben. Die Klägerin hat keinen Anspruch auf die begehrte Kostenerstattung bzw. Leistungsgewährung. Der angefochtene Bescheid der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
23 
Streitgegenstand ist, soweit die Epilationsbehandlung bereits durchgeführt worden ist, die Erstattung der der Klägerin entstandenen Kosten. Die Behandlung dauert noch an, so dass auch - für die Zukunft - die Gewährung der Leistung selbst begehrt wird. Zutreffend hat die Klägerin darauf hingewiesen, dass die Klage im Hinblick auf eine Behandlung bei Frau S. und nicht in der Praxis E. wirksam geändert worden ist (§ 99 Abs. 1 SGG). Das hat das SG übersehen. Würde ein Anspruch der Klägerin auf die Übernahme bzw. Kostenerstattung der Behandlung bestehen, müsste das Urteil des SG aus diesem Grund abgeändert werden. Da das Klagebegehren aber insgesamt keinen Erfolg hat, bedarf es dessen nicht. Aus diesem Grund, aber auch weil die Behandlung noch andauert, hat der Senat auch von einer Bezifferung der Kosten, deren Erstattung begehrt wird, abgesehen (vgl. BSG, Urteil vom 22. April 2008, B 1 KR 22/07 R, für SozR vorgesehen).
24 
Für die geltend gemachte Kostenerstattung ist § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V die einzig denkbare Anspruchsgrundlage. Danach gilt: Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war.
25 
Der Kostenerstattungsanspruch reicht hierbei nicht weiter als der entsprechende Sachleistungsanspruch. Er setzt daher voraus, dass die selbst beschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in natura als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (BSG, Urteile vom 18. Mai 2004, B 1 KR 21/02 R, SozR 3-2500 § 13 Nr. 11, und vom 19. Oktober 2004, B 1 KR 27/02 R). Da diese Voraussetzung nicht erfüllt ist, besteht sowohl kein Anspruch auf eine Gewährung der Leistung (im Rahmen des Sachleistungsprinzips) wie auf Erstattung der bisher entstandenen Kosten.
26 
Der Senat lässt offen, ob hier eine behandlungsbedürftige Krankheit i. S. des § 27 Abs. 1 SGB V vorliegt. Nach der Rechtsprechung des BSG (zuletzt Urteil vom 28. Februar 2008, B 1 KR 19/07 R, SozR 4-2500 § 27 Nr. 14) können Versicherte Krankenbehandlung wegen - der hier in Frage kommenden Annahme einer - Entstellung nur beanspruchen, wenn sie objektiv an einer körperlichen Auffälligkeit von so beachtlicher Erheblichkeit leiden, dass sie die Teilhabe am Leben in der Gemeinschaft gefährdet. Das ist im Fall der Klägerin, die sich immerhin rasieren kann, nicht zwingend anzunehmen. Offen gelassen kann dabei auch, ob im Hinblick auf die Rechtsprechung des BSG zu Operationen Transsexueller (vgl. BSG, Urteil vom 6. August 1987, 3 RK 15/86, SozR 2200 § 182 Nr. 106; BSG, Urteil vom 19. Oktober 2004, B 1 KR 3/03 R, SozR 4-2500 § 27 Nr. 3) für die Epilation von Transsexuellen allgemein oder im Einzelfall ein großzügiger Maßstab anzulegen wäre, als bei Frauen, die als Frau geboren worden sind.
27 
Die bei der Klägerin durchgeführte Epilation ist im Hinblick darauf, dass sie im EBM (Abrechnungsziffern 02300, 10340) und auch in der Gebührenordnung für Ärzte (Abrechnungsziffern 742, 1323) aufgeführt ist, als ärztliche Behandlung (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1, § 28 Abs. 1 SGB V), nicht etwa als Heilmittel (§ 27 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3, § 32 SGB V) anzusehen (so auch SG Düsseldorf, Urteil vom 11. Dezember 2007, S 4 KR 78/07; vgl. auch BSG, Urteil vom 4. April 2006, B 1 KR 12/05 R, SozR 4-2500 § 27 Nr. 8 zur Abgrenzung anerkannter von neuen Behandlungsmethoden). Ärztliche Behandlungen dürfen aber nur von Ärzten erbracht werden (§ 15 Abs. 1 SGB V - sog. Arztvorbehalt). Frau S. ist keine Ärztin. Der Fall der Klägerin rechtfertigt nicht, von dieser Vorgabe abzuweichen.
28 
Die Geltung des Arztvorbehalts machen schon die Regelungen über die vom Versicherten an Stelle der Sachleistung gewählte Kostenerstattung - von der die Klägerin keinen Gebrauch gemacht hat - deutlich. Für diese bestimmen § 13 Abs. 2 Satz 6 und 7 SGB V, dass nicht im Vierten Kapitel genannte Leistungserbringer nur nach vorheriger Zustimmung der Krankenkasse in Anspruch genommen werden dürfen. Eine Zustimmung kann erteilt werden, wenn medizinische oder soziale Gründe eine Inanspruchnahme dieser Leistungserbringer rechtfertigen und eine zumindest gleichwertige Versorgung gewährleistet ist. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs. 15/1525, S. 80 zu Nr. 4 Buchstabe a Doppelbuchstabe aa) der durch das GKV-Modernisierungsgesetz vom 14. November 2003 (BGBl. I S. 2190) eingeführten Regelung (damals noch Satz 3 und 4) dürfen nicht im Vierten Kapitel genannte Berufsgruppen, die nicht die dort aufgeführten Voraussetzungen zur Teilnahme an der Versorgung der Versicherten zu Lasten der Krankenkassen erfüllen, nicht in Anspruch genommen werden. Beispielhaft werden Heilpraktiker genannt. Für Kosmetikerinnen muss dies erst recht gelten.
29 
Nach der Rechtsprechung des BSG ist daher eine Kostenerstattung an einen krankenversicherungsrechtlich nicht zugelassenen Leistungserbringer ausgeschlossen (BSG, Urteil vom 15. Mai 1997, 1 RK 4/96, SozR 3-2500; Urteil vom 2. November 2007, B 1 KR 14/07 R, für SozR vorgesehen). Nichtärztliche Behandler haben auch im Rahmen des Kostenerstattungsanspruchs keinen Anspruch auf eigenverantwortliche Behandlung von Versicherten (Hauck in: Peters, Handbuch der Krankenversicherung, § 13 SGB V, Rdnr. 179, 181). Der eng umgrenzte Kreis derjenigen, die für die gesetzliche Krankenversicherung Leistungen erbringen können, zeigt sich auch in den Regelungen über die im EU-Ausland zu Lasten einer deutschen Krankenkasse in Anspruch genommenen Leistungen. Handelt es sich nicht um eine ärztliche Krankenbehandlung setzt diese Inanspruchnahme neben einer entsprechenden ärztlichen Verordnung eine Qualifikation des ausländischen Leistungserbringers voraus, die der im Inland verlangten vergleichbar ist (BSG, Urteil vom 13. Juli 2004, B 1 KR 33/02 R, SozR 4-2500 § 13 Nr. 3).
30 
Die von der Klägerin begehrte Behandlung weist auch keinen Bezug zur Regelung des § 15 Abs. 1 Satz 2 SGB V auf. Danach dürfen Hilfeleistungen anderer Personen (als Ärzte) nur erbracht werden, wenn sie vom Arzt (oder Zahnarzt) angeordnet und verantwortet werden. Gemeint sind Hilfeleistungen anderer Personen, die dem Arzt zugerechnet werden und die er deshalb aufgrund seines Fachwissens verantwortet, d. h. überwacht und leitet (BSG, Urteil vom 10. Mai 1995, 1 RK 20/94, SozR 3-2500 § 28 Nr. 1). Derjenige, der die Hilfeleistung erbringt, steht in einem Unterordnungsverhältnis zu dem Arzt. Dieser deutliche Bezug zu einem Arzt fehlt bei einer in eigener Praxis und ohne ärztliche Anleitung tätig werdenden Kosmetikerin. Sie erbringt eine selbstständig und eigenverantwortliche Leistung, wie dies etwa auch bei Heilmittelerbringern der Fall ist (vgl. Wagner in: Krauskopf, Soziale Krankenversicherung/Pflegeversicherung, § 15 SGB V Rdnr. 5). Der Unterschied im Fachwissen und in der Verantwortung bei Erbringung der Leistung rechtfertigt auch eine unterschiedliche krankenversicherungsrechtliche Behandlung, weswegen kein Verstoß gegen Art. 3 Abs. 1 GG vorliegt.
31 
Der Senat räumt ein, dass es schwierig ist, einen ärztlichen Behandler für die begehrte Nadelepilation zu finden. Das muss jedoch ebenso hingenommen werden, wie der Umstand, dass für die Behandlung bei einem Arzt ein langer Zeitraum als bei einer Kosmetikerin anzusetzen ist. Der schnellere Fortschritt der Behandlung durch eine Kosmetikerin beruht allein darauf, dass diese in anderer Art und Weise abrechnet und deswegen pro Sitzung länger epiliert. Diese Unterschiede sind aber dem vertragsärztlichen System immanent. Sie berechtigen einen Versicherten nicht, die Leistung außerhalb desselben in Anspruch zu nehmen und die Kosten der Krankenkasse in Rechnung zu stellen. Ohnehin bestehen, worauf Dr. H. und Dr. H. nachvollziehbar hingewiesen haben, Unsicherheiten, die vom weiteren Behandlungsverlauf abhängen. Nicht ausgeschlossen erscheint sogar, da der Erfolg der Nadelepilation nach der Mehrheit der gehörten Ärzte nicht dauerhaft ist, die Notwendigkeit einer lebenslangen Behandlung.
32 
Der Umstand, dass Frau S. über größere Erfahrung in der Epilation Transsexueller verfügt als manche Hautärzte, begründet schon von vornherein nicht, vom Arztvorbehalt abzuweichen. Für die Kostenerstattung bei ärztlichen Behandlungen hat das BSG bereits entschieden, dass die mangelnde Vertrautheit mit einem bestimmten Krankheitsbild nicht ausreicht, um eine Leistung außerhalb der vertragsärztlichen Versorgung zu beanspruchen (BSG, Urteil vom 25. September 2000, B 1 KR 5/99 R, SozR 3-2500 § 13 Nr. 22). Das gilt im Verhältnis zu einer Kosmetikerin erst recht. Auch ein besonderes Vertrauensverhältnis zu einem bestimmten Arzt reicht nicht aus, um einen Nicht-Vertragsarzt in Anspruch nehmen zu dürfen (BSG, Urteil vom 23. November 1995, 1 RK 5/94, SozR 3-2500 § 13 Nr. 9). Das lässt sich ebenfalls auf das Verhältnis Vertragsarzt - Kosmetikerin übertragen.
33 
Verfassungsrechtliche Bedenken bestehen gegen den Arztvorbehalt nicht. Es ist anerkannt, dass auch aus den Grundrechten regelmäßig kein verfassungsrechtlicher Anspruch gegen die Krankenkassen auf Bereitstellung bestimmter und insbesondere spezieller Gesundheitsleistungen besteht. Die gesetzlichen Krankenkassen sind nicht von Verfassungs wegen gehalten, alles zu leisten, was an Mitteln zur Erhaltung oder Wiederherstellung der Gesundheit verfügbar ist. Zwar hat sich die Gestaltung des Leistungsrechts der gesetzlichen Krankenversicherung an der objektiv-rechtlichen Pflicht des Staates zu orientieren, sich schützend und fördernd vor die Rechtsgüter des Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG zu stellen. Entsprechende Leistungspflichten sind aber bisher nur in Fällen der Behandlung einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung angenommen worden (vgl. BVerfG, Beschluss vom 6. Dezember 2005, 1 BvR 347/98, SozR 4-2500 § 27 Nr. 5). Ein solcher Fall scheidet hier schon von vornherein aus. Daher besteht weder Anlass, Regelungen verfassungskonform auszulegen noch als verfassungswidrig anzusehen. Deswegen ist auch nicht nach Art. 100 Abs. 1 GG vorzugehen.
34 
Die Beklagte durfte daher die begehrte Leistung, die von Anfang an auf die Epilation durch eine Kosmetikerin ausgerichtet war, zu Recht ablehnen.
35 
Ein Fall einer unaufschiebbaren Leistung liegt gleichfalls nicht vor. Er verlangt, dass aus medizinischer Sicht keine Möglichkeit eines nennenswerten zeitlichen Aufschubs mehr bestand (BSG, Urteil vom 25. September 2000, a.a.O.). Das kann bei der hier streitigen Behandlung, die sich unabhängig von wem sie durchgeführt wird, über einen längeren Zeitraum hinzieht, nicht gesagt werden. Im Übrigen gilt auch in diesen Fällen der Arztvorbehalt. Ob für „echte Notfälle“ (im medizinischen Sinne) etwas anderes in Erwägung zu ziehen ist (vgl. Höfler in: Kasseler Kommentar, SGB V, § 13 Rdnr. 31), kann der Senat offen lassen. Denn ein solcher besteht bei der Klägerin nicht.
36 
Da das Urteil des SG aufzuheben ist, erledigt sich der Änderungsantrag der Klägerin.
37 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
38 
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht erfüllt sind.

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 26.06.2012 geändert. Die Klage wird abgewiesen. Die Beklagte hat der Klägerin die Kosten des Verfahrens zu erstatten.


1 2 3 4 5 6 7 8 9 10 11 12 13 14 15 16 17 18 19 20 21 22 23 24 25 26 27 28 29 30 31 32 33 34 35 36 37 38 39 40 41 42 43 44 45 46 47 48 49 50 51 52 53 54 55

(1) Das Urteil enthält

1.
die Bezeichnung der Beteiligten, ihrer gesetzlichen Vertreter und der Bevollmächtigten nach Namen, Wohnort und ihrer Stellung im Verfahren,
2.
die Bezeichnung des Gerichts und die Namen der Mitglieder, die bei der Entscheidung mitgewirkt haben,
3.
den Ort und Tag der mündlichen Verhandlung,
4.
die Urteilsformel,
5.
die gedrängte Darstellung des Tatbestands,
6.
die Entscheidungsgründe,
7.
die Rechtsmittelbelehrung.

(2) Die Darstellung des Tatbestands kann durch eine Bezugnahme auf den Inhalt der vorbereitenden Schriftsätze und auf die zu Protokoll erfolgten Feststellungen ersetzt werden, soweit sich aus ihnen der Sach- und Streitstand richtig und vollständig ergibt. In jedem Fall sind jedoch die erhobenen Ansprüche genügend zu kennzeichnen und die dazu vorgebrachten Angriffs- und Verteidigungsmittel ihrem Wesen nach hervorzuheben.

(3) Das Gericht kann von einer weiteren Darstellung der Entscheidungsgründe absehen, soweit es der Begründung des Verwaltungsaktes oder des Widerspruchsbescheides folgt und dies in seiner Entscheidung feststellt.

(4) Wird das Urteil in dem Termin, in dem die mündliche Verhandlung geschlossen worden ist, verkündet, so bedarf es des Tatbestandes und der Entscheidungsgründe nicht, wenn Kläger, Beklagter und sonstige rechtsmittelberechtigte Beteiligte auf Rechtsmittel gegen das Urteil verzichten.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.