Sozialgericht Reutlingen Entscheidung, 24. Nov. 2016 - S 8 AL 1678/15

24.11.2016

Tenor

1. Die Klage wird abgewiesen.

2. Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens.

3. Der Streitwert des Verfahrens wird auf 3136,33 EUR festgesetzt.

Tatbestand

 
Die Beteiligten streiten über die Erfüllung der Voraussetzungen zur Entrichtung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen seitens der Beklagten nach einem Insolvenzereignis.
Die Klägerin ist eine gesetzliche Kranken- und Pflegekasse und unterhielt im Zeitraum vom 01.07.2010 bis zum 31.08.2014 für eine Versicherte, welche als sozialversicherungspflichtig Beschäftigte für die Firma D... (im Weiteren: Arbeitgeberin), ein Versicherungskonto.
Bereits am 01.08.2009 wurde über das Vermögen der Arbeitgeberin ein Insolvenzverfahren eröffnet (AG Charlottenburg, Beschluss v. 01.08.2009, Az.: 36d IN 1977/09). Mit weiterem Beschluss vom 17.09.2010 wurde das Insolvenzverfahren aufgehoben, nachdem die Bestätigung eines Insolvenzplans rechtskräftig wurde. Die Überwachung der Insolvenzplanerfüllung für 36 Monate ab Oktober 2010 wurde angeordnet.
Mit Beschluss vom 13.11.2014 ordnete das Amtsgericht Charlottenburg wiederum die vorläufige Insolvenzverwaltung an (Az.: 36d IN 3977/14).
Der Insolvenzverwalter teilte der Beklagten dazu mit Schreiben vom 18.11.2014 mit, die Ansprüche der Gläubiger aus dem früheren Insolvenzplan seien noch nicht vollständig erfüllt (vgl. dazu auch das Insolvenzgutachten vom 04.02.2015).
Der Insolvenzverwalter konkretisierte dies im weiteren Verlauf insoweit, dass nach dem Insolvenzplan wären noch mindestens Beträge in Höhe von 139.475,17 EUR zu verteilen gewesen, darüber hinaus bestanden aufgrund der Nichteinhaltung der Regelungen des Insolvenzplanes Rückstände bei Maschinenlieferanten in Höhe von mindestens 300.000,00 EUR (vgl. Mitteilung des Insolvenzverwalters vom 28.09.2016 im Gerichtsverfahren).
Mit Beschluss vom 04.02.2015 eröffnete des Amtsgericht Charlottenburg schließlich erneut ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der Arbeitgeberin wegen Zahlungsunfähigkeit und Überschuldung.
Die Klägerin meldete gegenüber dem Insolvenzverwalter mit Schreiben vom 26.05.2015 eine Gesamtforderung von 12.704,51 EUR zur Insolvenztabelle an. Darin waren ausgebliebene Sozialversicherungsbeiträge für ihre Versicherte in Höhe von 11.098,71 EUR für die Zeit vom 01.10.2013 bis zum 31.08.2014 enthalten.
Mit weiterem Schreiben vom gleichen Tag beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Zahlung rückständiger Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die Zeit vom 01.06.2014 bis zum 31.08.2014 in Höhe von 3.136,33 EUR.
10 
Mit Bescheid vom 15.06.2015 lehnte die Beklagte die Zahlung ab, da die Zahlungsfähigkeit der Arbeitgeberin nach Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 01.08.2009 nicht wieder eingetreten sei.
11 
Hierauf hat die Klägerin am 13.07.2015 Klage beim hiesigen Gericht erhoben. Sit trägt vor, es spreche nichts für eine fortdauernde Zahlungsunfähigkeit der Arbeitgeberin vom 01.08.2009 bis zum 04.02.2015. So hätte diese die fälligen Sozialversicherungsbeiträge bis zum 30.09.2013 ohne Weiteres bezahlt. Diesbezüglich legt die Klägerin eine Beitragskontoübersicht vor.
12 
Die Klägerin beantragt:
13 
1. Der Bescheid der Beklagten vom 15.06.2015 wird aufgehoben.
14 
2. Die Beklagte wird zur Zahlung von Insolvenzgeld i.H.v. 3.136,33 EUR verurteilt.
15 
Die Beklagte beantragt:
16 
Die Klage wird abgewiesen.
17 
Zur Begründung trägt sie vor, da die Verpflichtungen aus dem Insolvenzplan nicht vollständig erfüllt worden seien, dürfe nicht von einer zwischenzeitlich wiederhergestellten Zahlungsfähigkeit ausgegangen werden.
18 
Das Gericht hat die Beteiligten zur Möglichkeit der Entscheidung ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid angehört.
19 
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf deren Schriftsätze, hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts auf die vorliegende Verfahrensakte der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
20 
Die Klage, über welche das Gericht nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid gem. § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden konnte, da der Sachverhalt geklärt ist und die Sache keine Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art aufweist, ist zulässig, aber unbegründet.
21 
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 SGG zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht beim sachlich und örtlich zuständigen Gericht erhoben. Vor Klageerhebung war die Durchführung eines Vorverfahrens nicht erforderlich, da ein Versicherungsträger einen eigenen Anspruch im Klageweg verfolgt, vgl. § 78 Abs. 1 Nr. 3 SGG.
22 
Die Klage ist jedoch unbegründet. Die angefochtene Entscheidung der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
23 
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Entrichtung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen für ihre bei der Firma D… bis zum 31.08.2014 beschäftigte Versicherte.
24 
Gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 SGB III zahlt die Beklagte auf Antrag der zuständigen Einzugsstelle - hier der Klägerin, vgl. § 28i Satz 1 SGB IV - mit Ausnahme bestimmter Säumniszuschläge und Stundungszinsen den Gesamtsozialversicherungsbeitrag nach § 28d SGB IV, der auf die Arbeitsentgelte für die letzten 3 dem Insolvenzereignis vorausgegangenen Monate des Arbeitsverhältnisses entfällt und bei Eintritt des Insolvenzereignisses noch nicht gezahlt worden ist.
25 
Im vorliegenden Fall begehrt die Klägerin die seitens der früheren Arbeitgeberin ihrer Versicherten noch nicht bezahlten Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die letzten 3 Monate des Arbeitsverhältnisses der Versicherten - hier mithin vom 01.06.2014 bis zum 31.08.2014 - von der Beklagten.
26 
Auch ein Insolvenzereignis liegt vor.
27 
Gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 SGB III gilt als Insolvenzereignis die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers, die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt.
28 
Dem Anspruch der Klägerin steht jedoch entgegen, dass die Arbeitgeberin seit dem Insolvenzverfahren aufgrund des Eröffnungsbeschlusses ihre Zahlungsfähigkeit nicht wiedererlangt hat.
29 
Bei Aufeinanderfolge mehrerer Insolvenzereignisse ist im Grundsatz das zeitlich erste für den Insolvenzgeldanspruch und damit auch für die nachfolgenden Ansprüche der Einzugsstellen auf Entrichtung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge maßgeblich (vgl. zu dieser Sperrwirkung des ersten Insolvenzereignisses BSG 1. 12. 1978 - 12 RAr 55/77 = SozR 4100 § 141b Nr. 6; BSG 19. 3. 1986 - 10 RAr 8/85 = SozR 4100 § 141b Nr. 37; BSG 11. 1. 1989 - 10 RAr 7/87 = SozR 4100 § 141b Nr. 43; NSG 22. 2. 1989 - 10 RAr 7/88 = SozR 4100 § 141b Nr. 45; BSG 17. 5. 1989 - 10 RAr 10/88 = SozR 4100 § 141b Nr. 46; BSG 30. 10. 1991 - 10 RAr 3/91 = BSGE 70, 9 ff. = SozR 3-4100 § 141b Nr. 3; BSG 6. 12. 2012 - B 11 AL 11/11 R = BSGE 112, 235 = SozR 4-4300 § 183 Nr. 14, jeweils Rz 16).
30 
Die Sperrwirkung des zunächst eingetretenen Insolvenzereignisses besteht nicht, wenn das zunächst eingetretene Insolvenzereignis vollständig beseitigt wurde. Die Voraussetzungen der Zahlungsunfähigkeit als allgemeiner Eröffnungsgrund nach § 17 Abs. 2 Satz 1Insolvenzordnung (InsO) liegen vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Die Zahlungsunfähigkeit ist nach der widerlegbaren Vermutung des § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Ob der Arbeitgeber die Zahlungsfähigkeit wiedererlangt hat, ist eine Frage des Einzelfalls. Nicht ausreichend ist es, wenn der Arbeitgeber einzelne Zahlungspflichten erfüllt, denn er bleibt zahlungsunfähig, solange er wegen eines Mangels an Zahlungsmitteln nicht in der Lage ist, seine fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen (BSG 22. 2. 1989 - 10 RAr 7/88 = SozR 4100 § 141b Nr. 45; BSG 21. 11. 2002 - B 11 AL 35/02 R = SozR 3-4300 § 183 Nr. 3). Kein ausreichender Anhaltspunkt für die zwischenzeitliche Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit ist der Umstand, dass Lohn und Gehalt weitergezahlt wurden (LSG Schleswig-Holstein 21. 2. 2003 - L 3 AL 66/02, veröffentlicht in juris). Entsprechend den zum Eintritt der Zahlungsunfähigkeit entwickelten Grundsätzen (vgl. Schmerbach in Frankfurter Kommentar zur InsO, 7. Aufl. 2013, § 17 Rz 19 ff.) wird man zudem fordern müssen, dass der Schuldner die Zahlungsfähigkeit für einen nicht unerheblichen Zeitraum wiedererlangt hat (Voelzke in: Hauck/Noftz, SGB, 02/16, § 165 SGB III, Rn. 62).
31 
Die Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit kann dabei nicht aus der Aufhebung des Insolvenzverfahrens wegen der Durchführung eines Insolvenzplanverfahrens gefolgert werden (vgl. BSG 21. 11. 2002 - B 11 AL 35/02 R = BSGE 90, 157 = SozR 3-4300 § 183 Nr. 3; BSG 17. 3. 2015 - B 11 AL 9/14 R = NZS 2015, 591).
32 
So ist von einer Fortdauer des aus Anlass des früheren Insolvenzereignisses eingetreten Zahlungsunfähigkeit jedenfalls dann auszugehen, wenn die im Insolvenzplan angeordnete Überwachung der Planerfüllung andauert. Wie das Bundessozialgericht klargestellt hat (Urteil vom 6. 12. 2012 - B 11 AL 11/11 R = BSGE 112, 235 = SozR 4-4300 § 183 Nr. 14), ist auch dann nicht immer von der Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit auszugehen, wenn der Insolvenzplan nicht überwacht wird. Ein einheitlicher Insolvenztatbestand mit Sperrwirkung liegt danach auch bei fehlender Planüberwachung vor, wenn der Schuldner die ihm nach dem Insolvenzplan aufgegebenen Zahlungen überhaupt nicht leisten kann und auch sonst nach der Aufhebung des ersten Insolvenzverfahrens bis zur Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens zu keinem Zeitpunkt die Fähigkeit wieder eingetreten ist, die fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen (Voelzke in: Hauck/Noftz, SGB, 02/16, § 165 SGB III, Rn. 63). Hierbei reicht die Zahlung von Löhnen und Gehältern für die Annahme dieser Fähigkeit nicht aus (s.o.).
33 
Wird noch vor vollständiger Erfüllung des Insolvenzplanes ein neues Insolvenzverfahren eröffnet, ist in der Regel nicht von wiederhergestellter Zahlungsfähigkeit auszugehen (vgl. BSG, Urteil v. 21.11.2002 – B 11 AL 35/02 R).
34 
Ausgehend von diesen Maßstäben hat die Arbeitgeberin nach dem Insolvenzereignis vom 01.08.2009, der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch das Amtsgericht Charlottenburg, ihre Zahlungsfähigkeit bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 04.02.2015 nicht wiedererlangt.
35 
Denn, wie sich aus den hier im Wege des Urkundenbeweises verwertbaren Erklärungen des Insolvenzverwalters vom 18.11.204 und vom 28.09.2016 ergibt, erfolgte die Beendigung des sich anschließenden Insolvenzplanverfahrens wegen Nichterfüllung der Planvorgaben, mithin insbesondere der dortigen Zahlungspflichten. Zum Zeitpunkt der Beendigung waren aus dem Insolvenzplan noch mindestens 139.475,17 EUR zu verteilen und es bestanden darüber hinaus weitere Rückstände in Höhe von mindestens 300.000,00 EUR.
36 
Eine Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit ergibt sich demgegenüber, wie bereits ausgeführt, nicht aus der (vorübergehenden) Zahlung von Löhnen und Gehältern, einschließlich der damit verbundenen Sozialversicherungsbeiträge. Tatsächlich ergibt sich aus der seitens der Klägerin vorgelegten Versicherungskontoübersicht, dass bereits im Januar 2011, ein halbes Jahr nach Aufnahme der Beschäftigung der Versicherten bei der Arbeitgeberin, Säumniszuschläge wegen nichtrechtzeitiger Entrichtung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge erhoben werden mussten. Bereits ab Mitte des Jahres 2011 – während des Überwachungszeitraums des Insolvenzplans - stellt sich die Erhebung von Säumniszuschlägen und Mahngebühren wegen ausbleibender, rechtzeitiger Beitragszahlungen als weitgehender Normalzustand dar, bis schließlich ab dem 01.10.2013 und damit unmittelbar nach Ende der angeordneten Planüberwachung am 30.09.2013 ein vollständiger Beitragszahlungsausfall eintrat.
37 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und orientiert sich am Verfahrensausgang.
38 
Der Streitwert ist auf 3.136,33 EUR festzusetzen, da die Klägerin eine Forderung in dieser Höhe erhebt. Nach § 197a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben, wenn - wie vorliegend - weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen (Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, Behinderte oder deren Sonderrechtsnachfolger) gehören.
39 
Gemäß § 3 Abs. 1 GKG richten sich die Gebühren nach dem Wert des Streitgegenstands (Streitwert). Nach § 52 Abs. 1 GKG ist der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, so ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs. 3 GKG).

Gründe

 
20 
Die Klage, über welche das Gericht nach Anhörung der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung durch Gerichtsbescheid gem. § 105 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) entscheiden konnte, da der Sachverhalt geklärt ist und die Sache keine Schwierigkeiten rechtlicher oder tatsächlicher Art aufweist, ist zulässig, aber unbegründet.
21 
Die Klage ist als kombinierte Anfechtungs- und Verpflichtungsklage im Sinne des § 54 Abs. 1 SGG zulässig, insbesondere ist sie form- und fristgerecht beim sachlich und örtlich zuständigen Gericht erhoben. Vor Klageerhebung war die Durchführung eines Vorverfahrens nicht erforderlich, da ein Versicherungsträger einen eigenen Anspruch im Klageweg verfolgt, vgl. § 78 Abs. 1 Nr. 3 SGG.
22 
Die Klage ist jedoch unbegründet. Die angefochtene Entscheidung der Beklagten ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten.
23 
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Entrichtung von Gesamtsozialversicherungsbeiträgen für ihre bei der Firma D… bis zum 31.08.2014 beschäftigte Versicherte.
24 
Gemäß § 175 Abs. 1 Satz 1 SGB III zahlt die Beklagte auf Antrag der zuständigen Einzugsstelle - hier der Klägerin, vgl. § 28i Satz 1 SGB IV - mit Ausnahme bestimmter Säumniszuschläge und Stundungszinsen den Gesamtsozialversicherungsbeitrag nach § 28d SGB IV, der auf die Arbeitsentgelte für die letzten 3 dem Insolvenzereignis vorausgegangenen Monate des Arbeitsverhältnisses entfällt und bei Eintritt des Insolvenzereignisses noch nicht gezahlt worden ist.
25 
Im vorliegenden Fall begehrt die Klägerin die seitens der früheren Arbeitgeberin ihrer Versicherten noch nicht bezahlten Gesamtsozialversicherungsbeiträge für die letzten 3 Monate des Arbeitsverhältnisses der Versicherten - hier mithin vom 01.06.2014 bis zum 31.08.2014 - von der Beklagten.
26 
Auch ein Insolvenzereignis liegt vor.
27 
Gemäß § 165 Abs. 1 Satz 2 SGB III gilt als Insolvenzereignis die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers, die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt.
28 
Dem Anspruch der Klägerin steht jedoch entgegen, dass die Arbeitgeberin seit dem Insolvenzverfahren aufgrund des Eröffnungsbeschlusses ihre Zahlungsfähigkeit nicht wiedererlangt hat.
29 
Bei Aufeinanderfolge mehrerer Insolvenzereignisse ist im Grundsatz das zeitlich erste für den Insolvenzgeldanspruch und damit auch für die nachfolgenden Ansprüche der Einzugsstellen auf Entrichtung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge maßgeblich (vgl. zu dieser Sperrwirkung des ersten Insolvenzereignisses BSG 1. 12. 1978 - 12 RAr 55/77 = SozR 4100 § 141b Nr. 6; BSG 19. 3. 1986 - 10 RAr 8/85 = SozR 4100 § 141b Nr. 37; BSG 11. 1. 1989 - 10 RAr 7/87 = SozR 4100 § 141b Nr. 43; NSG 22. 2. 1989 - 10 RAr 7/88 = SozR 4100 § 141b Nr. 45; BSG 17. 5. 1989 - 10 RAr 10/88 = SozR 4100 § 141b Nr. 46; BSG 30. 10. 1991 - 10 RAr 3/91 = BSGE 70, 9 ff. = SozR 3-4100 § 141b Nr. 3; BSG 6. 12. 2012 - B 11 AL 11/11 R = BSGE 112, 235 = SozR 4-4300 § 183 Nr. 14, jeweils Rz 16).
30 
Die Sperrwirkung des zunächst eingetretenen Insolvenzereignisses besteht nicht, wenn das zunächst eingetretene Insolvenzereignis vollständig beseitigt wurde. Die Voraussetzungen der Zahlungsunfähigkeit als allgemeiner Eröffnungsgrund nach § 17 Abs. 2 Satz 1Insolvenzordnung (InsO) liegen vor, wenn der Schuldner nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Die Zahlungsunfähigkeit ist nach der widerlegbaren Vermutung des § 17 Abs. 2 Satz 2 InsO in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat. Ob der Arbeitgeber die Zahlungsfähigkeit wiedererlangt hat, ist eine Frage des Einzelfalls. Nicht ausreichend ist es, wenn der Arbeitgeber einzelne Zahlungspflichten erfüllt, denn er bleibt zahlungsunfähig, solange er wegen eines Mangels an Zahlungsmitteln nicht in der Lage ist, seine fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen (BSG 22. 2. 1989 - 10 RAr 7/88 = SozR 4100 § 141b Nr. 45; BSG 21. 11. 2002 - B 11 AL 35/02 R = SozR 3-4300 § 183 Nr. 3). Kein ausreichender Anhaltspunkt für die zwischenzeitliche Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit ist der Umstand, dass Lohn und Gehalt weitergezahlt wurden (LSG Schleswig-Holstein 21. 2. 2003 - L 3 AL 66/02, veröffentlicht in juris). Entsprechend den zum Eintritt der Zahlungsunfähigkeit entwickelten Grundsätzen (vgl. Schmerbach in Frankfurter Kommentar zur InsO, 7. Aufl. 2013, § 17 Rz 19 ff.) wird man zudem fordern müssen, dass der Schuldner die Zahlungsfähigkeit für einen nicht unerheblichen Zeitraum wiedererlangt hat (Voelzke in: Hauck/Noftz, SGB, 02/16, § 165 SGB III, Rn. 62).
31 
Die Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit kann dabei nicht aus der Aufhebung des Insolvenzverfahrens wegen der Durchführung eines Insolvenzplanverfahrens gefolgert werden (vgl. BSG 21. 11. 2002 - B 11 AL 35/02 R = BSGE 90, 157 = SozR 3-4300 § 183 Nr. 3; BSG 17. 3. 2015 - B 11 AL 9/14 R = NZS 2015, 591).
32 
So ist von einer Fortdauer des aus Anlass des früheren Insolvenzereignisses eingetreten Zahlungsunfähigkeit jedenfalls dann auszugehen, wenn die im Insolvenzplan angeordnete Überwachung der Planerfüllung andauert. Wie das Bundessozialgericht klargestellt hat (Urteil vom 6. 12. 2012 - B 11 AL 11/11 R = BSGE 112, 235 = SozR 4-4300 § 183 Nr. 14), ist auch dann nicht immer von der Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit auszugehen, wenn der Insolvenzplan nicht überwacht wird. Ein einheitlicher Insolvenztatbestand mit Sperrwirkung liegt danach auch bei fehlender Planüberwachung vor, wenn der Schuldner die ihm nach dem Insolvenzplan aufgegebenen Zahlungen überhaupt nicht leisten kann und auch sonst nach der Aufhebung des ersten Insolvenzverfahrens bis zur Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens zu keinem Zeitpunkt die Fähigkeit wieder eingetreten ist, die fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen (Voelzke in: Hauck/Noftz, SGB, 02/16, § 165 SGB III, Rn. 63). Hierbei reicht die Zahlung von Löhnen und Gehältern für die Annahme dieser Fähigkeit nicht aus (s.o.).
33 
Wird noch vor vollständiger Erfüllung des Insolvenzplanes ein neues Insolvenzverfahren eröffnet, ist in der Regel nicht von wiederhergestellter Zahlungsfähigkeit auszugehen (vgl. BSG, Urteil v. 21.11.2002 – B 11 AL 35/02 R).
34 
Ausgehend von diesen Maßstäben hat die Arbeitgeberin nach dem Insolvenzereignis vom 01.08.2009, der Eröffnung des Insolvenzverfahrens durch das Amtsgericht Charlottenburg, ihre Zahlungsfähigkeit bis zur Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 04.02.2015 nicht wiedererlangt.
35 
Denn, wie sich aus den hier im Wege des Urkundenbeweises verwertbaren Erklärungen des Insolvenzverwalters vom 18.11.204 und vom 28.09.2016 ergibt, erfolgte die Beendigung des sich anschließenden Insolvenzplanverfahrens wegen Nichterfüllung der Planvorgaben, mithin insbesondere der dortigen Zahlungspflichten. Zum Zeitpunkt der Beendigung waren aus dem Insolvenzplan noch mindestens 139.475,17 EUR zu verteilen und es bestanden darüber hinaus weitere Rückstände in Höhe von mindestens 300.000,00 EUR.
36 
Eine Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit ergibt sich demgegenüber, wie bereits ausgeführt, nicht aus der (vorübergehenden) Zahlung von Löhnen und Gehältern, einschließlich der damit verbundenen Sozialversicherungsbeiträge. Tatsächlich ergibt sich aus der seitens der Klägerin vorgelegten Versicherungskontoübersicht, dass bereits im Januar 2011, ein halbes Jahr nach Aufnahme der Beschäftigung der Versicherten bei der Arbeitgeberin, Säumniszuschläge wegen nichtrechtzeitiger Entrichtung der Gesamtsozialversicherungsbeiträge erhoben werden mussten. Bereits ab Mitte des Jahres 2011 – während des Überwachungszeitraums des Insolvenzplans - stellt sich die Erhebung von Säumniszuschlägen und Mahngebühren wegen ausbleibender, rechtzeitiger Beitragszahlungen als weitgehender Normalzustand dar, bis schließlich ab dem 01.10.2013 und damit unmittelbar nach Ende der angeordneten Planüberwachung am 30.09.2013 ein vollständiger Beitragszahlungsausfall eintrat.
37 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs. 1 S. 1 SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) und orientiert sich am Verfahrensausgang.
38 
Der Streitwert ist auf 3.136,33 EUR festzusetzen, da die Klägerin eine Forderung in dieser Höhe erhebt. Nach § 197a des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes (GKG) erhoben, wenn - wie vorliegend - weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 SGG genannten Personen (Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, Behinderte oder deren Sonderrechtsnachfolger) gehören.
39 
Gemäß § 3 Abs. 1 GKG richten sich die Gebühren nach dem Wert des Streitgegenstands (Streitwert). Nach § 52 Abs. 1 GKG ist der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen. Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf gerichteten Verwaltungsakt, so ist deren Höhe maßgebend (§ 52 Abs. 3 GKG).

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Referenzen - Gesetze

Sozialgericht Reutlingen Entscheidung, 24. Nov. 2016 - S 8 AL 1678/15 zitiert 16 §§.

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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 52 Verfahren vor Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit


(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig

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(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskosten

Gerichtskostengesetz - GKG 2004 | § 3 Höhe der Kosten


(1) Die Gebühren richten sich nach dem Wert des Streitgegenstands (Streitwert), soweit nichts anderes bestimmt ist. (2) Kosten werden nach dem Kostenverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz erhoben.

Sozialgerichtsgesetz - SGG | § 183


Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kos

Insolvenzordnung - InsO | § 17 Zahlungsunfähigkeit


(1) Allgemeiner Eröffnungsgrund ist die Zahlungsunfähigkeit. (2) Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner sei

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(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Eines Vorverfahrens bedarf es nicht, wenn 1. ein Gesetz dies für besondere Fälle bestimmt oder2. der Verwaltungsakt v

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Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594) - SGB 3 | § 165 Anspruch


(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei einem Insolvenzereignis für die vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Als I

Sozialgesetzbuch (SGB) Drittes Buch (III) - Arbeitsförderung - (Artikel 1 des Gesetzes vom 24. März 1997, BGBl. I S. 594) - SGB 3 | § 175 Zahlung von Pflichtbeiträgen bei Insolvenzereignis


(1) Den Gesamtsozialversicherungsbeitrag nach § 28d des Vierten Buches, der auf Arbeitsentgelte für die letzten dem Insolvenzereignis vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses entfällt und bei Eintritt des Insolvenzereignisses noch nicht

Sozialgesetzbuch (SGB) Viertes Buch (IV) - Gemeinsame Vorschriften für die Sozialversicherung - (Artikel I des Gesetzes vom 23. Dezember 1976, BGBl. I S. 3845) - SGB 4 | § 28i Zuständige Einzugsstelle


Zuständige Einzugsstelle für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag ist die Krankenkasse, von der die Krankenversicherung durchgeführt wird. Für Beschäftigte, die bei keiner Krankenkasse versichert sind, werden Beiträge zur Rentenversicherung und zur A

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Sozialgericht Reutlingen Entscheidung, 24. Nov. 2016 - S 8 AL 1678/15 zitiert oder wird zitiert von 2 Urteil(en).

Sozialgericht Reutlingen Entscheidung, 24. Nov. 2016 - S 8 AL 1678/15 zitiert 2 Urteil(e) aus unserer Datenbank.

Bundessozialgericht Urteil, 17. März 2015 - B 11 AL 9/14 R

bei uns veröffentlicht am 17.03.2015

Tenor Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. April 2014 wird zurückgewiesen.

Bundessozialgericht Urteil, 06. Dez. 2012 - B 11 AL 11/11 R

bei uns veröffentlicht am 06.12.2012

Tenor Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 9. März 2011 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 24.

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(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Eines Vorverfahrens bedarf es nicht, wenn

1.
ein Gesetz dies für besondere Fälle bestimmt oder
2.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde, einer obersten Landesbehörde oder von dem Vorstand der Bundesagentur für Arbeit erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
3.
ein Land, ein Versicherungsträger oder einer seiner Verbände klagen will.

(2) (weggefallen)

(3) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Den Gesamtsozialversicherungsbeitrag nach § 28d des Vierten Buches, der auf Arbeitsentgelte für die letzten dem Insolvenzereignis vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses entfällt und bei Eintritt des Insolvenzereignisses noch nicht gezahlt worden ist, zahlt die Agentur für Arbeit auf Antrag der zuständigen Einzugsstelle; davon ausgenommen sind Säumniszuschläge, die infolge von Pflichtverletzungen des Arbeitgebers zu zahlen sind, sowie die Zinsen für dem Arbeitgeber gestundete Beiträge. Die Einzugsstelle hat der Agentur für Arbeit die Beiträge nachzuweisen und dafür zu sorgen, dass die Beschäftigungszeit und das beitragspflichtige Bruttoarbeitsentgelt einschließlich des Arbeitsentgelts, für das Beiträge nach Satz 1 gezahlt werden, dem zuständigen Rentenversicherungsträger mitgeteilt werden. Die §§ 166, 314, 323 Absatz 1 Satz 1 und § 327 Absatz 3 gelten entsprechend.

(2) Die Ansprüche auf die in Absatz 1 Satz 1 genannten Beiträge bleiben gegenüber dem Arbeitgeber bestehen. Soweit Zahlungen geleistet werden, hat die Einzugsstelle der Agentur für Arbeit die nach Absatz 1 Satz 1 gezahlten Beiträge zu erstatten.

Zuständige Einzugsstelle für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag ist die Krankenkasse, von der die Krankenversicherung durchgeführt wird. Für Beschäftigte, die bei keiner Krankenkasse versichert sind, werden Beiträge zur Rentenversicherung und zur Arbeitsförderung an die Einzugsstelle gezahlt, die der Arbeitgeber in entsprechender Anwendung des § 175 Absatz 3 Satz 2 des Fünften Buches gewählt hat. Zuständige Einzugsstelle ist in den Fällen des § 28f Absatz 2 die nach § 175 Absatz 3 Satz 4 des Fünften Buches bestimmte Krankenkasse. Zuständige Einzugsstelle ist in den Fällen des § 2 Absatz 3 die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See. Bei geringfügigen Beschäftigungen ist zuständige Einzugsstelle die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See als Träger der Rentenversicherung.

Die Beiträge in der Kranken- oder Rentenversicherung für einen kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten oder Hausgewerbetreibenden sowie der Beitrag aus Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem Recht der Arbeitsförderung werden als Gesamtsozialversicherungsbeitrag gezahlt. Satz 1 gilt auch für den Beitrag zur Pflegeversicherung für einen in der Krankenversicherung kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten. Die nicht nach dem Arbeitsentgelt zu bemessenden Beiträge in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung für einen kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten gelten zusammen mit den Beiträgen zur Rentenversicherung und Arbeitsförderung im Sinne des Satzes 1 ebenfalls als Gesamtsozialversicherungsbeitrag.

(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei einem Insolvenzereignis für die vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Als Insolvenzereignis gilt

1.
die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers,
2.
die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder
3.
die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt.
Auch bei einem ausländischen Insolvenzereignis haben im Inland beschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Anspruch auf Insolvenzgeld.

(2) Zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt gehören alle Ansprüche auf Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis. Als Arbeitsentgelt für Zeiten, in denen auch während der Freistellung eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht (§ 7 Absatz 1a des Vierten Buches), gilt der Betrag, der auf Grund der schriftlichen Vereinbarung zur Bestreitung des Lebensunterhalts im jeweiligen Zeitraum bestimmt war. Hat die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer einen Teil ihres oder seines Arbeitsentgelts nach § 1 Absatz 2 Nummer 3 des Betriebsrentengesetzes umgewandelt und wird dieser Entgeltteil in einem Pensionsfonds, in einer Pensionskasse oder in einer Direktversicherung angelegt, gilt die Entgeltumwandlung für die Berechnung des Insolvenzgeldes als nicht vereinbart, soweit der Arbeitgeber keine Beiträge an den Versorgungsträger abgeführt hat.

(3) Hat eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer in Unkenntnis eines Insolvenzereignisses weitergearbeitet oder die Arbeit aufgenommen, besteht der Anspruch auf Insolvenzgeld für die dem Tag der Kenntnisnahme vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses.

(4) Anspruch auf Insolvenzgeld hat auch der Erbe der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers.

(5) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, einen Beschluss des Insolvenzgerichts über die Abweisung des Antrags auf Insolvenzeröffnung mangels Masse dem Betriebsrat oder, wenn kein Betriebsrat besteht, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern unverzüglich bekannt zu geben.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 9. März 2011 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 24. Januar 2007 wird zurückgewiesen.

Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt Insolvenzgeld (Insg) für die Monate März, April und Mai 2003.

2

Die Klägerin war bei der E.K. GmbH (im Folgenden: Arbeitgeberin) als Vertriebsassistentin beschäftigt. Das zuständige Amtsgericht (AG) eröffnete mit Beschluss vom 29.6.2001 mit Wirkung zum 1.7.2001 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Arbeitgeberin. Die Beklagte bewilligte der Klägerin Insg für die Zeit vom 1.4. bis 30.6.2001.

3

Im Insolvenzverfahren legte die Arbeitgeberin einen von der L. Consult GmbH erstellten Insolvenzplan vom 7.11.2001 vor, dem die Gläubiger zustimmten und den das AG mit Beschluss vom 28.11.2001 bestätigte. Ziel des Insolvenzplans war die Wiederherstellung der Ertragsfähigkeit durch ein neues Unternehmenskonzept. Finanziert werden sollte der Neubeginn insbesondere durch den Verzicht der nachrangigen Gläubiger auf einen Großteil ihrer Forderungen in der Größenordnung von 9 Mio DM (90 % bzw 85 % bei verschiedenen Kleingläubigern). Die Auszahlung der nicht vom Verzicht betroffenen Beträge sollte überwiegend innerhalb eines Monats nach der auf die rechtskräftige Bestätigung des Insolvenzplans folgenden Verfahrensaufhebung nach § 258 Insolvenzordnung (InsO) vorgenommen werden. Eine Überwachung der Erfüllung des Insolvenzplans war nicht vorgesehen.

4

Die Aufhebung des Insolvenzverfahrens gemäß § 258 InsO erfolgte zum 31.12.2001, 24 Uhr (Beschluss des AG vom 28.12.2001). In weiteren Verfügungen des Beschlusses des AG vom 28.12.2001 wurde ua bestimmt, dass die Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters hinsichtlich bestimmter Anderkonten aufrechterhalten blieb, er weiter zur Einziehung bestimmter Forderungen und insoweit auch zur Befriedigung von Masseverbindlichkeiten berechtigt war, die Verfügungsbefugnis auch hinsichtlich der Ansprüche gegen eine eingeschaltete Factoring-Gesellschaft bestehen blieb und das Amt des Insolvenzverwalters erst mit vollständiger Befriedigung der zum 31.12.2001 bestehenden Massekosten und Masseverbindlichkeiten enden sollte. Die genannten Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse des Insolvenzverwalters wurden erst durch Beschluss des AG vom 30.5.2003 aufgehoben.

5

Am 21.5.2003 stellte die Arbeitgeberin erneut Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und führte zur Begründung aus, sie sei bei zwei Monaten Lohnrückstand für 70 Arbeitnehmer zahlungsunfähig; die durch den Insolvenzplan vorgegebenen Zahlungen hätten nicht erbracht werden können. Daraufhin bestellte das AG einen vorläufigen Insolvenzverwalter und beauftragte diesen mit der Erstellung eines Gutachtens. Nach Vorlage des Gutachtens vom 17.6.2003 mit dem Ergebnis, Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit seien zweifelsfrei gegeben, eröffnete das AG durch Beschluss vom 19.6.2003 erneut das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Arbeitgeberin.

6

Den am 28.5.2003 gestellten Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Insg wegen offener Entgeltansprüche für die Monate März, April und Mai 2003 lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, die Arbeitgeberin habe seit der 2001 eingetretenen Insolvenz ihre Zahlungsfähigkeit nicht wiedererlangt, sodass nur dieses Insolvenzereignis maßgeblich sei (Bescheid vom 4.7.2003; Widerspruchsbescheid vom 8.12.2003).

7

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 24.1.2007). Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG und die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin Insg für die Zeit vom 1.3. bis 30.5.2003 zu zahlen (Urteil vom 9.3.2011).

8

Es hat ua ausgeführt: Der Anspruch ergebe sich aus § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). Maßgebend sei das am 19.6.2003 eröffnete Insolvenzverfahren; die frühere Insolvenzeröffnung durch Beschluss vom 29.6.2001 entfalte keine Sperrwirkung. Zwar sei der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Fortdauer einer aus Anlass eines früheren Insolvenzereignisses eingetretenen Zahlungsunfähigkeit bei Überwachung der Planerfüllung zu folgen und es sei auch davon auszugehen, dass die Arbeitgeberin seit 2001 zu keinem Zeitpunkt Zahlungsfähigkeit wiedererlangt habe, weil sie insbesondere die im Insolvenzplan vorgesehenen Zahlungen nicht habe leisten können. Gleichwohl sei die erneute Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 19.6.2003 ein hinreichendes Insolvenzereignis. Denn § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III sei unter Beachtung der Richtlinie 80/987 EWG (RL 80/987) idF der Richtlinie 2002/74 EG (RL 2002/74) dahingehend auszulegen, dass ohne Überwachung der Planerfüllung auch ein nachfolgendes "formelles" Insolvenzereignis bei fortbestehender Insolvenz ausreichend sei, einen Anspruch auf Insg auszulösen, wenn durch den nationalen Gesetzgeber nachfolgende Insolvenzverfahren nicht mit dem vorhergehenden zu einem Gesamtverfahren zusammengefasst seien. Dies ergebe sich aus der Entstehungsgeschichte und der Systematik der genannten Richtlinie (RL). Einer Anwendung der RL stehe nicht der Umstand entgegen, dass nach der maßgebenden Fassung die Mitgliedstaaten die erforderlichen Vorschriften spätestens zum 8.10.2005 zu erlassen hätten. Aus den dokumentierten Erwägungen zu den RL 2002/74 folge, dass der Richtliniengeber einerseits die Arten der Insolvenzverfahren habe erweitern, andererseits aber auch dem nationalen Gesetzgeber die Möglichkeit habe eröffnen wollen, eine Mehrheit von Verfahren als einheitliches Gesamtverfahren zu behandeln. Dies bedeute im Umkehrschluss, dass grundsätzlich jedes formell definierte Insolvenzereignis geeignet sei, den Anspruch zu begründen.

9

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III und führt zur Begründung aus: Allein das Unterbleiben einer Anordnung der Überwachung der Planerfüllung berechtige nicht zu der Annahme, es sei eine neue Zahlungsunfähigkeit eingetreten. Obwohl das erste Insolvenzverfahren formell beendet worden sei, müsse auch unter den Umständen des vorliegenden Falls von einem einzigen Insolvenzverfahren ("Gesamtverfahren") ausgegangen werden. Für die Rechtsauffassung der Beklagten spreche auch, dass eine Initiative des Bundesrats, durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt eine gesetzliche Regelung iS der Auffassung des LSG einzuführen, nicht umgesetzt worden sei.

10

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG vom 9.3.2011 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG vom 24.1.2007 zurückzuweisen.

11

Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

12

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Wiederherstellung der klageabweisenden erstinstanzlichen Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 1 Sozialgerichtsgesetz).

14

1. Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Insg gemäß § 183 Abs 1 S 1 SGB III wegen des ab März 2003 ausgefallenen Arbeitsentgelts liegen nicht vor.

15

Maßgebend ist § 183 Abs 1 S 1 SGB III in der Fassung, die die Vorschrift durch das Gesetz zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 10.12.2001 (BGBl I 3443) erhalten hat und die bis 31.3.2012 unverändert geblieben ist (vgl auch ab 1.4.2012 § 165 SGB III idF des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011, BGBl I 2854). Danach hat ein im Inland beschäftigter Arbeitnehmer, der bei Eintritt eines Insolvenzereignisses für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt hat, Anspruch auf Insg. Insolvenzereignis ist nach § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III ua die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers. Durch den Beschluss des AG vom 19.6.2003 ist jedoch kein (neues) Insolvenzereignis eingetreten. Denn die Insolvenzeröffnung durch Beschluss des AG vom 29.6.2001 entfaltet insoweit eine Sperrwirkung, die einem neuen Anspruch entgegensteht.

16

Nach ständiger Rechtsprechung des BSG, an der der Senat festhält, tritt ein neues Insolvenzereignis nicht ein und kann folglich auch Ansprüche auf Insg nicht auslösen, solange die auf einem bestimmten Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers andauert (vgl BSGE 90, 157, 158 = SozR 3-4300 § 183 Nr 3; BSGE 100, 282, 284 = SozR 4-4300 § 183 Nr 9, RdNr 11, jeweils mwN). Von andauernder Zahlungsunfähigkeit ist so lange auszugehen, wie der Schuldner wegen eines nicht nur vorübergehenden Mangels an Zahlungsmitteln nicht in der Lage ist, seine fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen. Die Zahlungsunfähigkeit endet nicht schon dann, wenn der Schuldner wieder einzelnen Zahlungsverpflichtungen nachkommt (BSGE aaO).

17

Unter Beachtung dieser in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze und unter Berücksichtigung der tatsächlichen Feststellungen des LSG ist die Auffassung der Beklagten, die auf dem im Jahre 2001 eingetretenen Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit habe in der Folgezeit fortbestanden, nicht zu beanstanden. Das LSG hat unmissverständlich festgestellt, dass die jedenfalls seit Juni 2001 insolvente Arbeitgeberin der Klägerin auch danach zu keinem Zeitpunkt die Zahlungsfähigkeit wiedererlangt hat. Es hat die Entwicklung der wirtschaftlichen Situation der Arbeitgeberin insbesondere in der Zeit ab 2002 ausführlich dargestellt und im Ergebnis ausgeführt, dass die ursprüngliche Insolvenz aufgrund des fehlgeschlagenen Liquiditätskonzepts bis zur Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens noch nicht beendet war und dass die Arbeitgeberin zu keinem Zeitpunkt ausreichende Liquidität erlangt hatte, um ihre fälligen Geldschulden im Allgemeinen dauerhaft erfüllen zu können. Das durchgehende Fehlen von Zahlungsfähigkeit wird auch dadurch offenkundig, dass die Arbeitgeberin von Anfang an nicht in der Lage war, die im Insolvenzplan vorgesehenen Zahlungen zu leisten. Diese den Senat gemäß § 163 SGG bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG führen zwingend zur Sperrwirkung des Insolvenzereignisses aus dem Jahre 2001 mit der Folge, dass der Klägerin über das hierfür erhaltene Insg hinaus kein weiterer Anspruch zusteht.

18

Etwas anderes ergibt sich nicht aus den Feststellungen des LSG, wonach das erste Insolvenzverfahren nach Vorlage eines Insolvenzplans und Bestätigung des Plans durch das Insolvenzgericht zum 31.12.2001 aufgehoben wurde und eine Überwachung des Insolvenzplans durch den Insolvenzverwalter nicht vorgesehen war. Insoweit ist zunächst die Rechtsprechung des Senats zu beachten, wonach allein aus der Bestätigung eines Insolvenzplans und der Aufhebung des Insolvenzverfahrens noch nicht folgt, dass der zunächst eingetretene Insolvenzfall beseitigt wäre; denn die nur die Beteiligten des Insolvenzplanverfahrens betreffenden Wirkungen des Insolvenzplans nach Maßgabe des § 255 InsO werden hinfällig, wenn der Schuldner den Plan nicht erfüllt(BSGE 90, 157, 159 = SozR 3-4300 § 183 Nr 3). An dieser Rechtsprechung hält der Senat weiter fest.

19

Soweit der Senat darüber hinaus in der Vergangenheit für die Annahme fortdauernder Zahlungsunfähigkeit auf die andauernde Überwachung der Planerfüllung durch den Insolvenzverwalter abgestellt hat (BSGE 100, 282, 285 = SozR 4-4300 § 183 Nr 9, RdNr 14), ist hieraus nicht etwa zu folgern, dass immer von der Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit auszugehen wäre, wenn der Insolvenzplan nicht überwacht wird. Bei andauernder Planüberwachung wird lediglich besonders deutlich, dass insbesondere im Hinblick auf die fortbestehenden Befugnisse des Insolvenzverwalters von einer Wiedererlangung der Fähigkeit, fällige Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen, von vornherein keine Rede sein kann. Der Senat hat deshalb ausdrücklich offengelassen, wie in Fällen fehlender Überwachung zu verfahren ist (BSGE 90, 157, 161 = SozR 3-4300 § 183 Nr 3). Diese Rechtsprechung entwickelt der Senat in dem Sinne weiter, dass auch dann ein einheitlicher Insolvenztatbestand vorliegen kann, wenn keine Überwachung der Planerfüllung stattfindet. Dies ist anhand der Einzelumstände zu prüfen und im Streitfall von den Tatsachengerichten festzustellen. Wird - wie im vorliegenden Fall durch das LSG - eindeutig festgestellt, dass der Schuldner die ihm nach dem Insolvenzplan aufgegebenen Zahlungen überhaupt nicht leisten konnte und auch sonst nach der Aufhebung des ersten Insolvenzverfahrens (mit Ablauf des 31.12.2001) bis zur Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens (am 19.6.2003) zu keinem Zeitpunkt die Fähigkeit wieder eingetreten ist, die fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen, muss es bei der Sperrwirkung des Insolvenzereignisses bleiben.

20

2. Ein Anspruch auf Insg kann auch nicht - wie das LSG zu Recht ausgeführt hat - aus § 183 Abs 2 SGB III hergeleitet werden. Nach dieser Vorschrift kann ein Arbeitnehmer, der in Unkenntnis eines Insolvenzereignisses weitergearbeitet oder die Arbeit aufgenommen hat, Insg auch für die dem Tag der Kenntnisnahme vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses erhalten. Ein solcher Anspruch kommt unter den gegebenen Umständen nicht in Betracht. Denn der Klägerin war das maßgebliche Insolvenzereignis von 2001 bereits bekannt, da sie hierfür Insg erhalten hatte (vgl BSGE 100, 282, 285 f = SozR 4-4300 § 183 Nr 9, RdNr 16; vgl auch zur Vorgängervorschrift des § 141b Abs 4 Arbeitsförderungsgesetz - BSG SozR 3-4100 § 141e Nr 3).

21

3. Der Rechtsmeinung des LSG, § 183 SGB III sei "richtlinienkonform" dahingehend auszulegen, dass bei fehlender Planüberwachung auch ein nachfolgendes zweites "formelles" Insolvenzereignis für einen Anspruch auf Insg ausreiche, folgt der Senat nicht.

22

Die Ausführungen des LSG, der Umstand, dass von den Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der RL 80/987 idF der RL 2002/74 bis 8.10.2005 zu erlassen seien, stehe einer "sofortigen Anwendung" dieser Richtlinie nicht im Wege, stehen bereits nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Denn hiernach kommt der RL 2002/74 im Fall ihrer Nichtumsetzung unmittelbare Wirkung nur im Zusammenhang mit nach dem 8.10.2005 eingetretenen Insolvenzfällen zu (EuGH, Urteil vom 17.1.2008 - C-246/06 - EuGHE I 2008, 105, 1057; Urteil vom 10.3.2011 - C-477/09 - NJW 2011, 1791). Im vorliegenden Fall war jedoch der zweite (unbeachtliche) Insolvenzfall bereits durch Beschluss des AG vom 19.6.2003 eingetreten.

23

Unabhängig davon verkennt das LSG bei seiner Auslegung der RL 80/987 idF der RL 2002/74 den Regelungsgehalt des Art 2 der RL, der insbesondere definiert, wann ein Arbeitgeber als zahlungsunfähig "gilt". Dem Text des Art 2 Abs 1 in der hier maßgebenden Fassung (jetzt: EGRL 2008/94 vom 22.10.2008) sind aber keine ausdrücklichen Bestimmungen zu der im vorliegenden Fall streitigen Frage zu entnehmen, ob einem Arbeitnehmer, der bereits aus Anlass der Zahlungsunfähigkeit seines Arbeitgebers eine Garantieleistung iS der RL erhalten hat, bei andauernder Zahlungsunfähigkeit durch die zuständige Garantieeinrichtung erneut eine Leistung zu gewähren ist. Soweit aufgrund der Änderungen durch die RL 2002/74 von einem "Gesamtverfahren" sowie in Art 2 Abs 4 davon die Rede ist, dass die Mitgliedstaaten "nicht gehindert sind", den Schutz der Arbeitnehmer auch "auf andere Situationen der Zahlungsunfähigkeit" auszuweiten, erfordert dies jeweils den Erlass entsprechender Rechts- oder Verwaltungsvorschriften durch die Mitgliedstaaten, über die diese frei entscheiden können (vgl Abschnitt 5 der Erwägungen der RL 2002/74 EG und auch Abschnitt 4 der Erwägungen bzw Art 2 Abs 4 der Neufassung der RL durch die RL 2008/94/EG vom 22.10.2008, ABl L 283 vom 28.10.2008, S 36 ff).

24

Nicht zu folgen vermag der Senat dem LSG insbesondere, soweit es aus den Materialien zur Änderung der RL 80/987 durch die RL 2002/74 den Schluss zieht, jedes "formell definierte Insolvenzereignis" iS der RL 80/987 sei geeignet, einen Anspruch gegen die Garantieeinrichtung zu begründen. Das LSG verweist hierzu vor allem auf den "Gemeinsamen Standpunkt" des Rates vom 18.2.2002 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 22.5.2002, C 119 E/1), in dessen Abschnitt 5 - wortgleich übernommen in Abschnitt 5 der Erwägungen der RL 2002/74 EG - ausgeführt ist, es sei angebracht, mit dem Begriff der Zahlungsunfähigkeit "auch andere Insolvenzverfahren als Liquidationsverfahren zu erfassen", und die Mitgliedstaaten sollten "vorsehen können, dass für den Fall, dass das Vorliegen einer Insolvenz zu mehreren Insolvenzverfahren führt, die Situation so behandelt wird, als würde es sich um ein einziges Insolvenzverfahren handeln". Aus Sicht des Senats ist nicht nachvollziehbar, inwiefern dies "im Umkehrschluss" bedeuten soll, dass - mangels deutscher gesetzlicher Regelungen, die mehrere Insolvenzverfahren zu einem Gesamtverfahren zusammenfassen - im vorliegenden Fall die "formelle" Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens am 19.6.2003 einen neuen Anspruch auf Insg auslöst. Den Mitgliedstaaten räumen die Erwägungen die Möglichkeit ein, für die Zukunft auch andere Verfahren einzubeziehen und für diesen Fall einschränkend zu bestimmen, wann mehrere Verfahren als "einziges" Verfahren zu behandeln sind. Hieraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass ohne ausdrückliche Neuregelung zwei aufeinanderfolgende Insolvenzereignisse nicht als einheitliches Insolvenzereignis behandelt werden dürften, wenn zwischenzeitlich weiterhin Zahlungsunfähigkeit bestanden hat.

25

Für die Auffassung des LSG sprechen schließlich auch nicht die angeführten wirtschafts- und sozialpolitischen Erwägungen (S 34 des Urteilsumdrucks), die auch Äußerungen im Schrifttum zugrunde liegen (Frank/Heinrich NZI 2011, 569, 571 ff und NZS 2011, 689, 691). Es mag zwar wünschenswert sein, in Sanierungsfällen über den Schutz des § 183 Abs 2 SGB III hinaus auch Arbeitnehmern, die schon einmal Insg erhalten haben, eine zusätzliche Absicherung zuzubilligen. Unabhängig davon, dass im vorliegenden Fall die Sanierungsbemühungen offenbar von vornherein zum Scheitern verurteilt waren, kann derartigen Vorstellungen aber nur durch den Gesetzgeber entsprochen werden. Die mit der Einführung von Insolvenzplanverfahren verfolgten Zielsetzungen rechtfertigen es nicht, allein aufgrund der Bestätigung des Plans und der Aufhebung des Insolvenzverfahrens eine erneute Inanspruchnahme der Insg-Versicherung zu eröffnen; auch ist zu beachten, dass der Gesetzgeber mit den §§ 183 ff SGB III nicht die Ziele der InsO verfolgt(vgl dazu bereits BSGE 90, 157, 160 f = SozR 4-4300 § 183 Nr 3). Wie die aktuelle Entwicklung zeigt, hat sich der deutsche Gesetzgeber anlässlich der Überarbeitung und Neugestaltung des SGB III im Jahre 2011 insbesondere im Hinblick auf zu erwartende Mehrkosten für die umlagepflichtigen Arbeitgeber und mögliche Wettbewerbsverzerrungen gerade nicht dazu entschlossen, eine gesetzliche Regelung iS der Auffassung des LSG in das SGB III aufzunehmen (vgl Gegenäußerung der Bundesregierung zur - sich explizit auf die vorliegende Entscheidung des LSG beziehenden - Stellungnahme des Bundesrats zum Entwurf des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt, BT-Drucks 17/6853 S 18, zu Nr 2, und S 1 ff, zu Art 1 Nr 7a und Art 2 Nr 18).

26

4. Nach alledem steht das einschlägige europäische Recht der Anwendung des § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III iS der Rechtsprechung des BSG(s oben 1.) nicht entgegen. Der Senat ist nicht gehalten, die oben behandelten Fragen zur Auslegung der RL 80/987 idF der RL 2002/74 dem EuGH gemäß Art 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) vorzulegen. Denn insoweit liegt bereits hinreichend aussagekräftige Rechtsprechung des EuGH vor. Geklärt ist insbesondere, dass der RL unmittelbare Wirkung nur im Zusammenhang mit nach dem 8.10.2005 eingetretenen Insolvenzfällen zukommt (EuGH, Urteil vom 17.1.2008 - C-246/06 - EuGHE I 2008, 105; Urteil vom 10.3.2011 - C-477/09 - NJW 2011, 1791). Nicht ersichtlich ist, dass im vorliegenden Fall durch die Anwendung des § 183 SGB III entsprechend der Auffassung des Senats der allgemeine Grundsatz der Gleichheit und Nichtdiskriminierung(vgl EuGH, Urteil vom 12.12.2002 - C-442/00 - SozR 3-6084 Art 2 Nr 3; Urteil vom 7.9.2006 - C-81/05 - SozR 4-6084 Art 3 Nr 3; Urteil vom 17.1.2008 - C-246/06 - EuGHE I 2008, 105) verletzt sein könnte. So ist insbesondere die Differenzierung zwischen Personen, die - wie die Klägerin - aus Anlass der Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers schon einmal eine Garantieleistung erhalten haben, und Personen, die erstmalig eine solche Leistung beanspruchen (vgl § 183 Abs 2 SGB III aF; jetzt § 165 Abs 3 SGB III), sachlich gerechtfertigt.

27

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Allgemeiner Eröffnungsgrund ist die Zahlungsunfähigkeit.

(2) Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.

(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei einem Insolvenzereignis für die vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Als Insolvenzereignis gilt

1.
die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers,
2.
die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder
3.
die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt.
Auch bei einem ausländischen Insolvenzereignis haben im Inland beschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Anspruch auf Insolvenzgeld.

(2) Zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt gehören alle Ansprüche auf Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis. Als Arbeitsentgelt für Zeiten, in denen auch während der Freistellung eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht (§ 7 Absatz 1a des Vierten Buches), gilt der Betrag, der auf Grund der schriftlichen Vereinbarung zur Bestreitung des Lebensunterhalts im jeweiligen Zeitraum bestimmt war. Hat die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer einen Teil ihres oder seines Arbeitsentgelts nach § 1 Absatz 2 Nummer 3 des Betriebsrentengesetzes umgewandelt und wird dieser Entgeltteil in einem Pensionsfonds, in einer Pensionskasse oder in einer Direktversicherung angelegt, gilt die Entgeltumwandlung für die Berechnung des Insolvenzgeldes als nicht vereinbart, soweit der Arbeitgeber keine Beiträge an den Versorgungsträger abgeführt hat.

(3) Hat eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer in Unkenntnis eines Insolvenzereignisses weitergearbeitet oder die Arbeit aufgenommen, besteht der Anspruch auf Insolvenzgeld für die dem Tag der Kenntnisnahme vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses.

(4) Anspruch auf Insolvenzgeld hat auch der Erbe der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers.

(5) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, einen Beschluss des Insolvenzgerichts über die Abweisung des Antrags auf Insolvenzeröffnung mangels Masse dem Betriebsrat oder, wenn kein Betriebsrat besteht, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern unverzüglich bekannt zu geben.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. April 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt Insolvenzgeld (Insg) für die Zeit vom 1.12.2009 bis 28.2.2010.

2

Nachdem die B. GmbH (B GmbH), die ein Sägewerk betrieb, am 15.2.2010 bei dem zuständigen Amtsgericht (AG) Arnsberg einen erneuten Insolvenzantrag gestellt hatte, beantragte der Kläger, ein Arbeitnehmer der B GmbH, am 1.3.2010 bei der Beklagten die Zahlung von Insg wegen dieses später eröffneten Insolvenzverfahrens.

3

Über das Vermögen der B GmbH war bereits auf den Insolvenzantrag vom 1.2.2005 durch das zuständige AG ein Insolvenzverfahren eröffnet worden. Das AG hob das Verfahren nach Bestätigung des Insolvenzplans durch die Gläubiger am 7.4.2006 wieder auf. Der gestaltende Teil des Insolvenzplans sah vor, dass auf die Forderungen der ungesicherten Gläubiger eine Quote von 10 vH gezahlt wird und die Auszahlung auf der Grundlage des vom Insolvenzverwalter erstellten Verteilungsverzeichnisses zu verschiedenen Fälligkeitsterminen bis Ende 2008 erfolgen werde. Daneben war vorgesehen, dass weitere Zahlungen an die Gläubiger erfolgen sollten, falls sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens bessern und dieses in den Jahren 2007 bis 2010 Gewinne erwirtschaften sollte. Von diesen Gewinnen sollten ggf 50 vH an die Gläubiger ausgeschüttet werden. Die Erfüllung des Insolvenzplans überwachte der Insolvenzverwalter P. (P). Der Kläger hatte wegen dieses Insolvenzereignisses für die Zeit vom 1.11.2004 bis 31.1.2005 Insg erhalten.

4

Vor Aufhebung der Überwachung des Insolvenzplans stellte die B GmbH den Insolvenzantrag vom 15.2.2010. Der Kläger kündigte aufgrund der Lohnrückstände aus den Monaten Dezember 2009 sowie Januar und Februar 2010 sein Arbeitsverhältnis zum 28.2.2010. Das AG eröffnete das Insolvenzverfahren über das Vermögen der B GmbH (Beschluss vom 22.3.2010). Die Beklagte lehnte den Antrag auf Insg ab und verlangte einen hierauf gezahlten Vorschuss zurück (Bescheid vom 26.4.2010; Widerspruchsbescheid vom 4.6.2010).

5

Das Klageverfahren ist in beiden Instanzen ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 13.5.2011; Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10.4.2014). Die noch andauernde Überwachung der Planerfüllung durch den Insolvenzverwalter rechtfertige nicht die Annahme, die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers sei beendet und ein neues Insolvenzereignis könne eintreten. Dies gelte auch, wenn das erste Insolvenzverfahren nach rechtskräftiger Bestätigung des Insolvenzplans aufgehoben, die im Insolvenzplan festgelegte Quote in den folgenden Jahren gezahlt und der Insolvenzplan lediglich hinsichtlich des sog "Besserungsscheins" nicht erfüllt worden sei.

6

Der Kläger rügt mit seiner Revision die Verletzung des § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III), des Sozialstaatsprinzips aus Art 20 Abs 1 Grundgesetz (GG) und der Art 2 Abs 1 und 12a der EG-Richtlinie 2008/94 (RL 2008/94) vom 22.10.2008. Nach der Insolvenzordnung (InsO) bestehe neben der Möglichkeit der Gläubigerbefriedigung durch Liquidation des gesamtschuldnerischen Vermögens auch die Möglichkeit, eine Sanierung nach Maßgabe des mit den Gläubigern abgestimmten Insolvenzplans durchzuführen. Vorliegend sei durch den Beschluss des AG vom 7.4.2006 das erste Insolvenzverfahren aufgehoben worden und damit endgültig beendet gewesen. Ein zweites Insolvenzverfahren könne ab diesem Zeitpunkt eintreten. Die Überwachung der Planerfüllung durch den Insolvenzverwalter sei lediglich ein nachgelagertes Verfahren. Der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), wonach das Insolvenzverfahren arbeitsförderungsrechtlich andauere, solange die Planüberwachung angeordnet sei, sei nicht zu folgen. Aus dem Andauern der Planüberwachung könne nicht auf die Fortdauer der Zahlungsunfähigkeit geschlossen werden. § 183 Abs 1 SGB III sei zudem europarechtskonform so auszulegen, dass ein nachfolgendes Insolvenzereignis ausreiche, um einen weiteren Anspruch auf Insg auszulösen. Auch Art 20 GG gebiete, die Arbeitnehmer zu schützen. Es sei das Ziel dieser Art der Sanierung, die Arbeitsplätze in dem Betrieb zu erhalten. Die Auslegung des § 183 Abs 1 S 1 SGB III durch das LSG habe aber zur Folge, dass gerade das "schwächste Glied in der Kette", nämlich der Arbeitnehmer, mit dessen maßgeblicher Hilfe der Insolvenzplan erfüllt werde, völlig schutzlos bleibe. Auch sei zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber während der Fortführung des Betriebs die Insolvenzumlage zahlen müsse und hier auch gezahlt habe.

7

Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Abänderung der Urteile des LSG und des SG sowie des Bescheids der Beklagten vom 26.4.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.6.2010 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1.12.2009 bis 28.2.2010 Insolvenzgeld zu zahlen.

8

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Die Entscheidung des LSG sei auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der europarechtlichen Bestimmungen nicht zu beanstanden.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 Sozialgerichtsgesetz).

11

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 26.4.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.6.2010 (§ 95 SGG), der nach Begrenzung des Streitgegenstands in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nur noch angegriffen ist, soweit die Beklagte es abgelehnt hat, dem Kläger für die Zeit vom 1.12.2009 bis 28.2.2010 Insg zu zahlen. Das LSG hat die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des SG insoweit zu Recht zurückgewiesen. Die Anfechtungs- und Leistungsklage kann keinen Erfolg haben, weil der Kläger für den streitbefangenen Zeitraum keinen Anspruch auf Insg hat.

12

Nach § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Betriebsrentengesetzes und anderer Gesetze vom 2.12.2006 (BGBl I 2742; jetzt § 165 Abs 1 S 1 SGB III) haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insg, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben.

13

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Zwar ist durch den Beschluss des AG vom 22.3.2010 (wieder) ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der B GmbH eröffnet worden, sodass ein Insolvenzereignis iS der InsO vorliegt. Ein (neues) arbeitsförderungsrechtliches Insolvenzereignis iS des § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III ist damit jedoch nicht eingetreten, weil das frühere Insolvenzereignis - hier die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der B GmbH am 1.2.2005 - gegenüber dem Eintreten eines weiteren Insolvenzereignisses eine Sperrwirkung entfaltet. Diese hindert die Entstehung (§ 40 Abs 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch) eines erneuten Anspruchs auf Insg.

14

Nach der Rechtsprechung des Senats kann ein (neues) Insolvenzereignis nicht eintreten, solange die auf einem früheren Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers noch andauert (vgl BSGE 90, 157, 158 = SozR 3-4300 § 183 Nr 3 S 3). Für die Annahme wiedererlangter Zahlungsfähigkeit genügt es nicht, wenn der Arbeitgeber die Betriebstätigkeit fortführt und die laufenden Verbindlichkeiten, wie insbesondere die Lohnansprüche, befriedigt. Von andauernder Zahlungsunfähigkeit ist vielmehr so lange auszugehen, wie der Schuldner wegen eines nicht nur vorübergehenden Mangels an Zahlungsmitteln nicht in der Lage ist, seine fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen. Die Zahlungsunfähigkeit endet deshalb nicht schon dann, wenn der Schuldner einzelnen Zahlungsverpflichtungen wieder nachkommt (vgl BSGE 90, 157, 158 = SozR 3-4300 § 183 Nr 3 S 3; BSGE 100, 282 f RdNr 11 mwN = SozR 4-4300 § 183 Nr 9 S 39). Wird - wie im vorliegenden Fall durch das LSG - für den Senat bindend festgestellt (§ 163 SGG), dass der Schuldner zwar die ihm nach dem Insolvenzplan aufgegebene Quote leisten konnte, aber sonst nach der Aufhebung des ersten Insolvenzverfahrens bis zur Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens zu keinem Zeitpunkt die Fähigkeit wieder eingetreten ist, die fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen, bleibt es bei der Sperrwirkung des ersten Insolvenzereignisses.

15

Soweit der Kläger unter Verweis auf die Ausführungen des Zeugen P die Auffassung vertritt, dass aus dessen Aussage andere Schlüsse zu ziehen seien als sie das LSG gezogen hat, kann dies der Revision nicht zum Erfolg verhelfen. Der Senat ist an die Feststellungen des LSG gebunden, soweit gegen diese Feststellungen keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen erhoben worden sind (§ 163 SGG). Solche Rügen hat der Kläger, der schlicht seine Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des LSG setzt, nicht erhoben.

16

Allein die formale Beendigung des Insolvenzverfahrens bei gleichzeitiger Anordnung der Planüberwachung genügt nicht, um eine Wiederherstellung der allgemeinen Zahlungsfähigkeit des Gemeinschuldners zu begründen. Die Gläubiger verzichten bei dieser Art der Abwicklung eines Insolvenzereignisses auf den Großteil ihrer Forderungen nur, um den im Insolvenzplan vereinbarten (geringen) Teil der Forderung zu erhalten. Ihre Gesamtforderung kann aber insolvenzrechtlich wieder aufleben, wenn die Vereinbarungen des Insolvenzplans nicht erfüllt werden (vgl § 255 InsO; dazu BSGE 90, 157, 158 = SozR 3-4300 § 183 Nr 3 S 3).

17

An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Die Kritik des Klägers an dem fehlenden Schutz der Arbeitnehmer in einem solchen Fall rechtfertigt - wie das LSG zutreffend ausgeführt hat - keine andere Beurteilung. Der Gesetzgeber verfolgt - wie der Senat schon mehrfach entschieden hat - mit den §§ 183 f SGB III nicht die Ziele der InsO, sondern begründet eine Sicherung bestimmter Lohnforderungen im Falle einer Insolvenz des Arbeitsgebers (vgl BSG, Urteil vom 6.12.2012 - B 11 AL 11/11 R - BSGE 112, 235 = SozR 4-4300 § 183 Nr 14, RdNr 25). Die mit Einführung der Insolvenzplanverfahren verfolgten Zielsetzungen begründen - bezogen auf das Insg-Recht - nicht die Annahme, aufgrund der Bestätigung des Insolvenzplans und der Beendigung des Insolvenzverfahrens sei eine erneute Inanspruchnahme der Insg-Versicherung eröffnet (BSGE 90, 157 ff = SozR 3-4300 § 183 Nr 3). Vielmehr wird für die Dauer der Planüberwachung der Zusammenhang mit dem vorangegangenen Insolvenzverfahren durch die fortbestehenden Aufgaben und Befugnisse des Insolvenzverwalters, der Gläubigerversammlung und durch die Aufsicht des Insolvenzgerichts dokumentiert (vgl BSGE 100, 282 ff RdNr 14 = SozR 4-4300 § 183 Nr 9).

18

Es kann dahingestellt bleiben, ob ein Anspruch auf Insg dann neu entstehen kann, wenn zwischen dem ersten und zweiten Insolvenzereignis ein überwachter Insolvenzplan durchgeführt und ordnungsgemäß beendet worden ist (vgl Sächsisches LSG, Urteil vom 9.3.2011 - L 1 AL 241/06 - NZI 2011, 608 f; SG Karlsruhe, Urteil vom 8.5.2012 - S 16 AL 4404/10). Denn in dem hier zu entscheidenden Fall war die Planüberwachung bei Eintritt des weiteren Insolvenzereignisses gerade nicht ordnungsgemäß beendet (vgl zu der Problematik auch Frank/Heinrich, NZS 2011, 689).

19

Die Auslegung und Anwendung des § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III verstößt auch nicht gegen Vorgaben des europäischen Rechts(BSG, Urteil vom 6.12.2012 - B 11 AL 10/11 R - DB 2013, 1916 f). Die Auslegung und Anwendung des § 183 Abs 1 S 1 SGB III zu der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein früher eingetretenes Insolvenzereignis beendet ist und ein neues eintreten kann, wird durch das europäische Recht nicht präjudiziert.

20

Nach Art 2 Abs 1 der RL 2008/94 gilt ein Arbeitgeber als zahlungsunfähig, wenn die Eröffnung eines nach den Rechts- und Verwaltungsvorschriften eines Mitgliedstaates vorgeschriebenen Gesamtverfahrens beantragt worden ist, das die Insolvenz des Arbeitgebers voraussetzt und den teilweisen oder vollständigen Vermögensbeschlag gegen diesen Arbeitgeber sowie die Bestellung eines Verwalters oder einer Person, die eine ähnliche Funktion ausübt, zur Folge hat, und wenn entweder die aufgrund der genannten Rechts- und Verwaltungsvorschriften zuständige Behörde die Eröffnung des Verfahrens beschlossen oder festgestellt hat, dass das Unternehmen oder der Betrieb des Arbeitgebers endgültig stillgelegt worden ist und die Vermögensmasse nicht ausreicht, um die Eröffnung des Verfahrens zu rechtfertigen. Die Richtlinie knüpft also grundsätzlich an ein formelles Insolvenzereignis an und ermöglicht den Mitgliedstaaten nur die Zusammenfassung mehrerer formeller Insolvenzereignisse zu einem Gesamtverfahren, ordnet sie aber nicht an. Eine solche gesetzliche Regelung zur Zusammenfassung mehrerer formeller Insolvenzereignisse existiert im nationalen Recht aber gerade nicht (vgl hierzu BSGE 90, 157, 161 = SozR 3-4300 § 183 Nr 3 S 7; dazu auch: BR-Drucks 313/11, S 3 f, BT-Drucks 17/6853, S 18). Die europarechtliche Regelung schreibt auch nicht vor, dass und unter welchen Voraussetzungen ein bereits eingetretenes Insolvenzereignis arbeitsförderungsrechtlich abgeschlossen ist, um ein neues Insolvenzereignis annehmen zu können.

21

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 9. März 2011 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 24. Januar 2007 wird zurückgewiesen.

Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt Insolvenzgeld (Insg) für die Monate März, April und Mai 2003.

2

Die Klägerin war bei der E.K. GmbH (im Folgenden: Arbeitgeberin) als Vertriebsassistentin beschäftigt. Das zuständige Amtsgericht (AG) eröffnete mit Beschluss vom 29.6.2001 mit Wirkung zum 1.7.2001 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Arbeitgeberin. Die Beklagte bewilligte der Klägerin Insg für die Zeit vom 1.4. bis 30.6.2001.

3

Im Insolvenzverfahren legte die Arbeitgeberin einen von der L. Consult GmbH erstellten Insolvenzplan vom 7.11.2001 vor, dem die Gläubiger zustimmten und den das AG mit Beschluss vom 28.11.2001 bestätigte. Ziel des Insolvenzplans war die Wiederherstellung der Ertragsfähigkeit durch ein neues Unternehmenskonzept. Finanziert werden sollte der Neubeginn insbesondere durch den Verzicht der nachrangigen Gläubiger auf einen Großteil ihrer Forderungen in der Größenordnung von 9 Mio DM (90 % bzw 85 % bei verschiedenen Kleingläubigern). Die Auszahlung der nicht vom Verzicht betroffenen Beträge sollte überwiegend innerhalb eines Monats nach der auf die rechtskräftige Bestätigung des Insolvenzplans folgenden Verfahrensaufhebung nach § 258 Insolvenzordnung (InsO) vorgenommen werden. Eine Überwachung der Erfüllung des Insolvenzplans war nicht vorgesehen.

4

Die Aufhebung des Insolvenzverfahrens gemäß § 258 InsO erfolgte zum 31.12.2001, 24 Uhr (Beschluss des AG vom 28.12.2001). In weiteren Verfügungen des Beschlusses des AG vom 28.12.2001 wurde ua bestimmt, dass die Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters hinsichtlich bestimmter Anderkonten aufrechterhalten blieb, er weiter zur Einziehung bestimmter Forderungen und insoweit auch zur Befriedigung von Masseverbindlichkeiten berechtigt war, die Verfügungsbefugnis auch hinsichtlich der Ansprüche gegen eine eingeschaltete Factoring-Gesellschaft bestehen blieb und das Amt des Insolvenzverwalters erst mit vollständiger Befriedigung der zum 31.12.2001 bestehenden Massekosten und Masseverbindlichkeiten enden sollte. Die genannten Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse des Insolvenzverwalters wurden erst durch Beschluss des AG vom 30.5.2003 aufgehoben.

5

Am 21.5.2003 stellte die Arbeitgeberin erneut Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und führte zur Begründung aus, sie sei bei zwei Monaten Lohnrückstand für 70 Arbeitnehmer zahlungsunfähig; die durch den Insolvenzplan vorgegebenen Zahlungen hätten nicht erbracht werden können. Daraufhin bestellte das AG einen vorläufigen Insolvenzverwalter und beauftragte diesen mit der Erstellung eines Gutachtens. Nach Vorlage des Gutachtens vom 17.6.2003 mit dem Ergebnis, Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit seien zweifelsfrei gegeben, eröffnete das AG durch Beschluss vom 19.6.2003 erneut das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Arbeitgeberin.

6

Den am 28.5.2003 gestellten Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Insg wegen offener Entgeltansprüche für die Monate März, April und Mai 2003 lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, die Arbeitgeberin habe seit der 2001 eingetretenen Insolvenz ihre Zahlungsfähigkeit nicht wiedererlangt, sodass nur dieses Insolvenzereignis maßgeblich sei (Bescheid vom 4.7.2003; Widerspruchsbescheid vom 8.12.2003).

7

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 24.1.2007). Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG und die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin Insg für die Zeit vom 1.3. bis 30.5.2003 zu zahlen (Urteil vom 9.3.2011).

8

Es hat ua ausgeführt: Der Anspruch ergebe sich aus § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). Maßgebend sei das am 19.6.2003 eröffnete Insolvenzverfahren; die frühere Insolvenzeröffnung durch Beschluss vom 29.6.2001 entfalte keine Sperrwirkung. Zwar sei der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Fortdauer einer aus Anlass eines früheren Insolvenzereignisses eingetretenen Zahlungsunfähigkeit bei Überwachung der Planerfüllung zu folgen und es sei auch davon auszugehen, dass die Arbeitgeberin seit 2001 zu keinem Zeitpunkt Zahlungsfähigkeit wiedererlangt habe, weil sie insbesondere die im Insolvenzplan vorgesehenen Zahlungen nicht habe leisten können. Gleichwohl sei die erneute Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 19.6.2003 ein hinreichendes Insolvenzereignis. Denn § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III sei unter Beachtung der Richtlinie 80/987 EWG (RL 80/987) idF der Richtlinie 2002/74 EG (RL 2002/74) dahingehend auszulegen, dass ohne Überwachung der Planerfüllung auch ein nachfolgendes "formelles" Insolvenzereignis bei fortbestehender Insolvenz ausreichend sei, einen Anspruch auf Insg auszulösen, wenn durch den nationalen Gesetzgeber nachfolgende Insolvenzverfahren nicht mit dem vorhergehenden zu einem Gesamtverfahren zusammengefasst seien. Dies ergebe sich aus der Entstehungsgeschichte und der Systematik der genannten Richtlinie (RL). Einer Anwendung der RL stehe nicht der Umstand entgegen, dass nach der maßgebenden Fassung die Mitgliedstaaten die erforderlichen Vorschriften spätestens zum 8.10.2005 zu erlassen hätten. Aus den dokumentierten Erwägungen zu den RL 2002/74 folge, dass der Richtliniengeber einerseits die Arten der Insolvenzverfahren habe erweitern, andererseits aber auch dem nationalen Gesetzgeber die Möglichkeit habe eröffnen wollen, eine Mehrheit von Verfahren als einheitliches Gesamtverfahren zu behandeln. Dies bedeute im Umkehrschluss, dass grundsätzlich jedes formell definierte Insolvenzereignis geeignet sei, den Anspruch zu begründen.

9

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III und führt zur Begründung aus: Allein das Unterbleiben einer Anordnung der Überwachung der Planerfüllung berechtige nicht zu der Annahme, es sei eine neue Zahlungsunfähigkeit eingetreten. Obwohl das erste Insolvenzverfahren formell beendet worden sei, müsse auch unter den Umständen des vorliegenden Falls von einem einzigen Insolvenzverfahren ("Gesamtverfahren") ausgegangen werden. Für die Rechtsauffassung der Beklagten spreche auch, dass eine Initiative des Bundesrats, durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt eine gesetzliche Regelung iS der Auffassung des LSG einzuführen, nicht umgesetzt worden sei.

10

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG vom 9.3.2011 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG vom 24.1.2007 zurückzuweisen.

11

Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

12

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Wiederherstellung der klageabweisenden erstinstanzlichen Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 1 Sozialgerichtsgesetz).

14

1. Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Insg gemäß § 183 Abs 1 S 1 SGB III wegen des ab März 2003 ausgefallenen Arbeitsentgelts liegen nicht vor.

15

Maßgebend ist § 183 Abs 1 S 1 SGB III in der Fassung, die die Vorschrift durch das Gesetz zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 10.12.2001 (BGBl I 3443) erhalten hat und die bis 31.3.2012 unverändert geblieben ist (vgl auch ab 1.4.2012 § 165 SGB III idF des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011, BGBl I 2854). Danach hat ein im Inland beschäftigter Arbeitnehmer, der bei Eintritt eines Insolvenzereignisses für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt hat, Anspruch auf Insg. Insolvenzereignis ist nach § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III ua die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers. Durch den Beschluss des AG vom 19.6.2003 ist jedoch kein (neues) Insolvenzereignis eingetreten. Denn die Insolvenzeröffnung durch Beschluss des AG vom 29.6.2001 entfaltet insoweit eine Sperrwirkung, die einem neuen Anspruch entgegensteht.

16

Nach ständiger Rechtsprechung des BSG, an der der Senat festhält, tritt ein neues Insolvenzereignis nicht ein und kann folglich auch Ansprüche auf Insg nicht auslösen, solange die auf einem bestimmten Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers andauert (vgl BSGE 90, 157, 158 = SozR 3-4300 § 183 Nr 3; BSGE 100, 282, 284 = SozR 4-4300 § 183 Nr 9, RdNr 11, jeweils mwN). Von andauernder Zahlungsunfähigkeit ist so lange auszugehen, wie der Schuldner wegen eines nicht nur vorübergehenden Mangels an Zahlungsmitteln nicht in der Lage ist, seine fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen. Die Zahlungsunfähigkeit endet nicht schon dann, wenn der Schuldner wieder einzelnen Zahlungsverpflichtungen nachkommt (BSGE aaO).

17

Unter Beachtung dieser in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze und unter Berücksichtigung der tatsächlichen Feststellungen des LSG ist die Auffassung der Beklagten, die auf dem im Jahre 2001 eingetretenen Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit habe in der Folgezeit fortbestanden, nicht zu beanstanden. Das LSG hat unmissverständlich festgestellt, dass die jedenfalls seit Juni 2001 insolvente Arbeitgeberin der Klägerin auch danach zu keinem Zeitpunkt die Zahlungsfähigkeit wiedererlangt hat. Es hat die Entwicklung der wirtschaftlichen Situation der Arbeitgeberin insbesondere in der Zeit ab 2002 ausführlich dargestellt und im Ergebnis ausgeführt, dass die ursprüngliche Insolvenz aufgrund des fehlgeschlagenen Liquiditätskonzepts bis zur Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens noch nicht beendet war und dass die Arbeitgeberin zu keinem Zeitpunkt ausreichende Liquidität erlangt hatte, um ihre fälligen Geldschulden im Allgemeinen dauerhaft erfüllen zu können. Das durchgehende Fehlen von Zahlungsfähigkeit wird auch dadurch offenkundig, dass die Arbeitgeberin von Anfang an nicht in der Lage war, die im Insolvenzplan vorgesehenen Zahlungen zu leisten. Diese den Senat gemäß § 163 SGG bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG führen zwingend zur Sperrwirkung des Insolvenzereignisses aus dem Jahre 2001 mit der Folge, dass der Klägerin über das hierfür erhaltene Insg hinaus kein weiterer Anspruch zusteht.

18

Etwas anderes ergibt sich nicht aus den Feststellungen des LSG, wonach das erste Insolvenzverfahren nach Vorlage eines Insolvenzplans und Bestätigung des Plans durch das Insolvenzgericht zum 31.12.2001 aufgehoben wurde und eine Überwachung des Insolvenzplans durch den Insolvenzverwalter nicht vorgesehen war. Insoweit ist zunächst die Rechtsprechung des Senats zu beachten, wonach allein aus der Bestätigung eines Insolvenzplans und der Aufhebung des Insolvenzverfahrens noch nicht folgt, dass der zunächst eingetretene Insolvenzfall beseitigt wäre; denn die nur die Beteiligten des Insolvenzplanverfahrens betreffenden Wirkungen des Insolvenzplans nach Maßgabe des § 255 InsO werden hinfällig, wenn der Schuldner den Plan nicht erfüllt(BSGE 90, 157, 159 = SozR 3-4300 § 183 Nr 3). An dieser Rechtsprechung hält der Senat weiter fest.

19

Soweit der Senat darüber hinaus in der Vergangenheit für die Annahme fortdauernder Zahlungsunfähigkeit auf die andauernde Überwachung der Planerfüllung durch den Insolvenzverwalter abgestellt hat (BSGE 100, 282, 285 = SozR 4-4300 § 183 Nr 9, RdNr 14), ist hieraus nicht etwa zu folgern, dass immer von der Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit auszugehen wäre, wenn der Insolvenzplan nicht überwacht wird. Bei andauernder Planüberwachung wird lediglich besonders deutlich, dass insbesondere im Hinblick auf die fortbestehenden Befugnisse des Insolvenzverwalters von einer Wiedererlangung der Fähigkeit, fällige Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen, von vornherein keine Rede sein kann. Der Senat hat deshalb ausdrücklich offengelassen, wie in Fällen fehlender Überwachung zu verfahren ist (BSGE 90, 157, 161 = SozR 3-4300 § 183 Nr 3). Diese Rechtsprechung entwickelt der Senat in dem Sinne weiter, dass auch dann ein einheitlicher Insolvenztatbestand vorliegen kann, wenn keine Überwachung der Planerfüllung stattfindet. Dies ist anhand der Einzelumstände zu prüfen und im Streitfall von den Tatsachengerichten festzustellen. Wird - wie im vorliegenden Fall durch das LSG - eindeutig festgestellt, dass der Schuldner die ihm nach dem Insolvenzplan aufgegebenen Zahlungen überhaupt nicht leisten konnte und auch sonst nach der Aufhebung des ersten Insolvenzverfahrens (mit Ablauf des 31.12.2001) bis zur Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens (am 19.6.2003) zu keinem Zeitpunkt die Fähigkeit wieder eingetreten ist, die fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen, muss es bei der Sperrwirkung des Insolvenzereignisses bleiben.

20

2. Ein Anspruch auf Insg kann auch nicht - wie das LSG zu Recht ausgeführt hat - aus § 183 Abs 2 SGB III hergeleitet werden. Nach dieser Vorschrift kann ein Arbeitnehmer, der in Unkenntnis eines Insolvenzereignisses weitergearbeitet oder die Arbeit aufgenommen hat, Insg auch für die dem Tag der Kenntnisnahme vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses erhalten. Ein solcher Anspruch kommt unter den gegebenen Umständen nicht in Betracht. Denn der Klägerin war das maßgebliche Insolvenzereignis von 2001 bereits bekannt, da sie hierfür Insg erhalten hatte (vgl BSGE 100, 282, 285 f = SozR 4-4300 § 183 Nr 9, RdNr 16; vgl auch zur Vorgängervorschrift des § 141b Abs 4 Arbeitsförderungsgesetz - BSG SozR 3-4100 § 141e Nr 3).

21

3. Der Rechtsmeinung des LSG, § 183 SGB III sei "richtlinienkonform" dahingehend auszulegen, dass bei fehlender Planüberwachung auch ein nachfolgendes zweites "formelles" Insolvenzereignis für einen Anspruch auf Insg ausreiche, folgt der Senat nicht.

22

Die Ausführungen des LSG, der Umstand, dass von den Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der RL 80/987 idF der RL 2002/74 bis 8.10.2005 zu erlassen seien, stehe einer "sofortigen Anwendung" dieser Richtlinie nicht im Wege, stehen bereits nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Denn hiernach kommt der RL 2002/74 im Fall ihrer Nichtumsetzung unmittelbare Wirkung nur im Zusammenhang mit nach dem 8.10.2005 eingetretenen Insolvenzfällen zu (EuGH, Urteil vom 17.1.2008 - C-246/06 - EuGHE I 2008, 105, 1057; Urteil vom 10.3.2011 - C-477/09 - NJW 2011, 1791). Im vorliegenden Fall war jedoch der zweite (unbeachtliche) Insolvenzfall bereits durch Beschluss des AG vom 19.6.2003 eingetreten.

23

Unabhängig davon verkennt das LSG bei seiner Auslegung der RL 80/987 idF der RL 2002/74 den Regelungsgehalt des Art 2 der RL, der insbesondere definiert, wann ein Arbeitgeber als zahlungsunfähig "gilt". Dem Text des Art 2 Abs 1 in der hier maßgebenden Fassung (jetzt: EGRL 2008/94 vom 22.10.2008) sind aber keine ausdrücklichen Bestimmungen zu der im vorliegenden Fall streitigen Frage zu entnehmen, ob einem Arbeitnehmer, der bereits aus Anlass der Zahlungsunfähigkeit seines Arbeitgebers eine Garantieleistung iS der RL erhalten hat, bei andauernder Zahlungsunfähigkeit durch die zuständige Garantieeinrichtung erneut eine Leistung zu gewähren ist. Soweit aufgrund der Änderungen durch die RL 2002/74 von einem "Gesamtverfahren" sowie in Art 2 Abs 4 davon die Rede ist, dass die Mitgliedstaaten "nicht gehindert sind", den Schutz der Arbeitnehmer auch "auf andere Situationen der Zahlungsunfähigkeit" auszuweiten, erfordert dies jeweils den Erlass entsprechender Rechts- oder Verwaltungsvorschriften durch die Mitgliedstaaten, über die diese frei entscheiden können (vgl Abschnitt 5 der Erwägungen der RL 2002/74 EG und auch Abschnitt 4 der Erwägungen bzw Art 2 Abs 4 der Neufassung der RL durch die RL 2008/94/EG vom 22.10.2008, ABl L 283 vom 28.10.2008, S 36 ff).

24

Nicht zu folgen vermag der Senat dem LSG insbesondere, soweit es aus den Materialien zur Änderung der RL 80/987 durch die RL 2002/74 den Schluss zieht, jedes "formell definierte Insolvenzereignis" iS der RL 80/987 sei geeignet, einen Anspruch gegen die Garantieeinrichtung zu begründen. Das LSG verweist hierzu vor allem auf den "Gemeinsamen Standpunkt" des Rates vom 18.2.2002 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 22.5.2002, C 119 E/1), in dessen Abschnitt 5 - wortgleich übernommen in Abschnitt 5 der Erwägungen der RL 2002/74 EG - ausgeführt ist, es sei angebracht, mit dem Begriff der Zahlungsunfähigkeit "auch andere Insolvenzverfahren als Liquidationsverfahren zu erfassen", und die Mitgliedstaaten sollten "vorsehen können, dass für den Fall, dass das Vorliegen einer Insolvenz zu mehreren Insolvenzverfahren führt, die Situation so behandelt wird, als würde es sich um ein einziges Insolvenzverfahren handeln". Aus Sicht des Senats ist nicht nachvollziehbar, inwiefern dies "im Umkehrschluss" bedeuten soll, dass - mangels deutscher gesetzlicher Regelungen, die mehrere Insolvenzverfahren zu einem Gesamtverfahren zusammenfassen - im vorliegenden Fall die "formelle" Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens am 19.6.2003 einen neuen Anspruch auf Insg auslöst. Den Mitgliedstaaten räumen die Erwägungen die Möglichkeit ein, für die Zukunft auch andere Verfahren einzubeziehen und für diesen Fall einschränkend zu bestimmen, wann mehrere Verfahren als "einziges" Verfahren zu behandeln sind. Hieraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass ohne ausdrückliche Neuregelung zwei aufeinanderfolgende Insolvenzereignisse nicht als einheitliches Insolvenzereignis behandelt werden dürften, wenn zwischenzeitlich weiterhin Zahlungsunfähigkeit bestanden hat.

25

Für die Auffassung des LSG sprechen schließlich auch nicht die angeführten wirtschafts- und sozialpolitischen Erwägungen (S 34 des Urteilsumdrucks), die auch Äußerungen im Schrifttum zugrunde liegen (Frank/Heinrich NZI 2011, 569, 571 ff und NZS 2011, 689, 691). Es mag zwar wünschenswert sein, in Sanierungsfällen über den Schutz des § 183 Abs 2 SGB III hinaus auch Arbeitnehmern, die schon einmal Insg erhalten haben, eine zusätzliche Absicherung zuzubilligen. Unabhängig davon, dass im vorliegenden Fall die Sanierungsbemühungen offenbar von vornherein zum Scheitern verurteilt waren, kann derartigen Vorstellungen aber nur durch den Gesetzgeber entsprochen werden. Die mit der Einführung von Insolvenzplanverfahren verfolgten Zielsetzungen rechtfertigen es nicht, allein aufgrund der Bestätigung des Plans und der Aufhebung des Insolvenzverfahrens eine erneute Inanspruchnahme der Insg-Versicherung zu eröffnen; auch ist zu beachten, dass der Gesetzgeber mit den §§ 183 ff SGB III nicht die Ziele der InsO verfolgt(vgl dazu bereits BSGE 90, 157, 160 f = SozR 4-4300 § 183 Nr 3). Wie die aktuelle Entwicklung zeigt, hat sich der deutsche Gesetzgeber anlässlich der Überarbeitung und Neugestaltung des SGB III im Jahre 2011 insbesondere im Hinblick auf zu erwartende Mehrkosten für die umlagepflichtigen Arbeitgeber und mögliche Wettbewerbsverzerrungen gerade nicht dazu entschlossen, eine gesetzliche Regelung iS der Auffassung des LSG in das SGB III aufzunehmen (vgl Gegenäußerung der Bundesregierung zur - sich explizit auf die vorliegende Entscheidung des LSG beziehenden - Stellungnahme des Bundesrats zum Entwurf des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt, BT-Drucks 17/6853 S 18, zu Nr 2, und S 1 ff, zu Art 1 Nr 7a und Art 2 Nr 18).

26

4. Nach alledem steht das einschlägige europäische Recht der Anwendung des § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III iS der Rechtsprechung des BSG(s oben 1.) nicht entgegen. Der Senat ist nicht gehalten, die oben behandelten Fragen zur Auslegung der RL 80/987 idF der RL 2002/74 dem EuGH gemäß Art 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) vorzulegen. Denn insoweit liegt bereits hinreichend aussagekräftige Rechtsprechung des EuGH vor. Geklärt ist insbesondere, dass der RL unmittelbare Wirkung nur im Zusammenhang mit nach dem 8.10.2005 eingetretenen Insolvenzfällen zukommt (EuGH, Urteil vom 17.1.2008 - C-246/06 - EuGHE I 2008, 105; Urteil vom 10.3.2011 - C-477/09 - NJW 2011, 1791). Nicht ersichtlich ist, dass im vorliegenden Fall durch die Anwendung des § 183 SGB III entsprechend der Auffassung des Senats der allgemeine Grundsatz der Gleichheit und Nichtdiskriminierung(vgl EuGH, Urteil vom 12.12.2002 - C-442/00 - SozR 3-6084 Art 2 Nr 3; Urteil vom 7.9.2006 - C-81/05 - SozR 4-6084 Art 3 Nr 3; Urteil vom 17.1.2008 - C-246/06 - EuGHE I 2008, 105) verletzt sein könnte. So ist insbesondere die Differenzierung zwischen Personen, die - wie die Klägerin - aus Anlass der Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers schon einmal eine Garantieleistung erhalten haben, und Personen, die erstmalig eine solche Leistung beanspruchen (vgl § 183 Abs 2 SGB III aF; jetzt § 165 Abs 3 SGB III), sachlich gerechtfertigt.

27

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei einem Insolvenzereignis für die vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Als Insolvenzereignis gilt

1.
die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers,
2.
die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder
3.
die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt.
Auch bei einem ausländischen Insolvenzereignis haben im Inland beschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Anspruch auf Insolvenzgeld.

(2) Zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt gehören alle Ansprüche auf Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis. Als Arbeitsentgelt für Zeiten, in denen auch während der Freistellung eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht (§ 7 Absatz 1a des Vierten Buches), gilt der Betrag, der auf Grund der schriftlichen Vereinbarung zur Bestreitung des Lebensunterhalts im jeweiligen Zeitraum bestimmt war. Hat die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer einen Teil ihres oder seines Arbeitsentgelts nach § 1 Absatz 2 Nummer 3 des Betriebsrentengesetzes umgewandelt und wird dieser Entgeltteil in einem Pensionsfonds, in einer Pensionskasse oder in einer Direktversicherung angelegt, gilt die Entgeltumwandlung für die Berechnung des Insolvenzgeldes als nicht vereinbart, soweit der Arbeitgeber keine Beiträge an den Versorgungsträger abgeführt hat.

(3) Hat eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer in Unkenntnis eines Insolvenzereignisses weitergearbeitet oder die Arbeit aufgenommen, besteht der Anspruch auf Insolvenzgeld für die dem Tag der Kenntnisnahme vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses.

(4) Anspruch auf Insolvenzgeld hat auch der Erbe der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers.

(5) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, einen Beschluss des Insolvenzgerichts über die Abweisung des Antrags auf Insolvenzeröffnung mangels Masse dem Betriebsrat oder, wenn kein Betriebsrat besteht, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern unverzüglich bekannt zu geben.

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).

(1) Die Gebühren richten sich nach dem Wert des Streitgegenstands (Streitwert), soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Kosten werden nach dem Kostenverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz erhoben.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.

(1) Durch Klage kann die Aufhebung eines Verwaltungsakts oder seine Abänderung sowie die Verurteilung zum Erlaß eines abgelehnten oder unterlassenen Verwaltungsakts begehrt werden. Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, ist die Klage zulässig, wenn der Kläger behauptet, durch den Verwaltungsakt oder durch die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts beschwert zu sein.

(2) Der Kläger ist beschwert, wenn der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung eines Verwaltungsakts rechtswidrig ist. Soweit die Behörde, Körperschaft oder Anstalt des öffentlichen Rechts ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, ist Rechtswidrigkeit auch gegeben, wenn die gesetzlichen Grenzen dieses Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist.

(3) Eine Körperschaft oder eine Anstalt des öffentlichen Rechts kann mit der Klage die Aufhebung einer Anordnung der Aufsichtsbehörde begehren, wenn sie behauptet, daß die Anordnung das Aufsichtsrecht überschreite.

(4) Betrifft der angefochtene Verwaltungsakt eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, so kann mit der Klage neben der Aufhebung des Verwaltungsakts gleichzeitig die Leistung verlangt werden.

(5) Mit der Klage kann die Verurteilung zu einer Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht, auch dann begehrt werden, wenn ein Verwaltungsakt nicht zu ergehen hatte.

(1) Vor Erhebung der Anfechtungsklage sind Rechtmäßigkeit und Zweckmäßigkeit des Verwaltungsakts in einem Vorverfahren nachzuprüfen. Eines Vorverfahrens bedarf es nicht, wenn

1.
ein Gesetz dies für besondere Fälle bestimmt oder
2.
der Verwaltungsakt von einer obersten Bundesbehörde, einer obersten Landesbehörde oder von dem Vorstand der Bundesagentur für Arbeit erlassen worden ist, außer wenn ein Gesetz die Nachprüfung vorschreibt, oder
3.
ein Land, ein Versicherungsträger oder einer seiner Verbände klagen will.

(2) (weggefallen)

(3) Für die Verpflichtungsklage gilt Absatz 1 entsprechend, wenn der Antrag auf Vornahme des Verwaltungsakts abgelehnt worden ist.

(1) Den Gesamtsozialversicherungsbeitrag nach § 28d des Vierten Buches, der auf Arbeitsentgelte für die letzten dem Insolvenzereignis vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses entfällt und bei Eintritt des Insolvenzereignisses noch nicht gezahlt worden ist, zahlt die Agentur für Arbeit auf Antrag der zuständigen Einzugsstelle; davon ausgenommen sind Säumniszuschläge, die infolge von Pflichtverletzungen des Arbeitgebers zu zahlen sind, sowie die Zinsen für dem Arbeitgeber gestundete Beiträge. Die Einzugsstelle hat der Agentur für Arbeit die Beiträge nachzuweisen und dafür zu sorgen, dass die Beschäftigungszeit und das beitragspflichtige Bruttoarbeitsentgelt einschließlich des Arbeitsentgelts, für das Beiträge nach Satz 1 gezahlt werden, dem zuständigen Rentenversicherungsträger mitgeteilt werden. Die §§ 166, 314, 323 Absatz 1 Satz 1 und § 327 Absatz 3 gelten entsprechend.

(2) Die Ansprüche auf die in Absatz 1 Satz 1 genannten Beiträge bleiben gegenüber dem Arbeitgeber bestehen. Soweit Zahlungen geleistet werden, hat die Einzugsstelle der Agentur für Arbeit die nach Absatz 1 Satz 1 gezahlten Beiträge zu erstatten.

Zuständige Einzugsstelle für den Gesamtsozialversicherungsbeitrag ist die Krankenkasse, von der die Krankenversicherung durchgeführt wird. Für Beschäftigte, die bei keiner Krankenkasse versichert sind, werden Beiträge zur Rentenversicherung und zur Arbeitsförderung an die Einzugsstelle gezahlt, die der Arbeitgeber in entsprechender Anwendung des § 175 Absatz 3 Satz 2 des Fünften Buches gewählt hat. Zuständige Einzugsstelle ist in den Fällen des § 28f Absatz 2 die nach § 175 Absatz 3 Satz 4 des Fünften Buches bestimmte Krankenkasse. Zuständige Einzugsstelle ist in den Fällen des § 2 Absatz 3 die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See. Bei geringfügigen Beschäftigungen ist zuständige Einzugsstelle die Deutsche Rentenversicherung Knappschaft-Bahn-See als Träger der Rentenversicherung.

Die Beiträge in der Kranken- oder Rentenversicherung für einen kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten oder Hausgewerbetreibenden sowie der Beitrag aus Arbeitsentgelt aus einer versicherungspflichtigen Beschäftigung nach dem Recht der Arbeitsförderung werden als Gesamtsozialversicherungsbeitrag gezahlt. Satz 1 gilt auch für den Beitrag zur Pflegeversicherung für einen in der Krankenversicherung kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten. Die nicht nach dem Arbeitsentgelt zu bemessenden Beiträge in der landwirtschaftlichen Krankenversicherung für einen kraft Gesetzes versicherten Beschäftigten gelten zusammen mit den Beiträgen zur Rentenversicherung und Arbeitsförderung im Sinne des Satzes 1 ebenfalls als Gesamtsozialversicherungsbeitrag.

(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei einem Insolvenzereignis für die vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Als Insolvenzereignis gilt

1.
die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers,
2.
die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder
3.
die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt.
Auch bei einem ausländischen Insolvenzereignis haben im Inland beschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Anspruch auf Insolvenzgeld.

(2) Zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt gehören alle Ansprüche auf Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis. Als Arbeitsentgelt für Zeiten, in denen auch während der Freistellung eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht (§ 7 Absatz 1a des Vierten Buches), gilt der Betrag, der auf Grund der schriftlichen Vereinbarung zur Bestreitung des Lebensunterhalts im jeweiligen Zeitraum bestimmt war. Hat die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer einen Teil ihres oder seines Arbeitsentgelts nach § 1 Absatz 2 Nummer 3 des Betriebsrentengesetzes umgewandelt und wird dieser Entgeltteil in einem Pensionsfonds, in einer Pensionskasse oder in einer Direktversicherung angelegt, gilt die Entgeltumwandlung für die Berechnung des Insolvenzgeldes als nicht vereinbart, soweit der Arbeitgeber keine Beiträge an den Versorgungsträger abgeführt hat.

(3) Hat eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer in Unkenntnis eines Insolvenzereignisses weitergearbeitet oder die Arbeit aufgenommen, besteht der Anspruch auf Insolvenzgeld für die dem Tag der Kenntnisnahme vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses.

(4) Anspruch auf Insolvenzgeld hat auch der Erbe der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers.

(5) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, einen Beschluss des Insolvenzgerichts über die Abweisung des Antrags auf Insolvenzeröffnung mangels Masse dem Betriebsrat oder, wenn kein Betriebsrat besteht, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern unverzüglich bekannt zu geben.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 9. März 2011 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 24. Januar 2007 wird zurückgewiesen.

Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt Insolvenzgeld (Insg) für die Monate März, April und Mai 2003.

2

Die Klägerin war bei der E.K. GmbH (im Folgenden: Arbeitgeberin) als Vertriebsassistentin beschäftigt. Das zuständige Amtsgericht (AG) eröffnete mit Beschluss vom 29.6.2001 mit Wirkung zum 1.7.2001 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Arbeitgeberin. Die Beklagte bewilligte der Klägerin Insg für die Zeit vom 1.4. bis 30.6.2001.

3

Im Insolvenzverfahren legte die Arbeitgeberin einen von der L. Consult GmbH erstellten Insolvenzplan vom 7.11.2001 vor, dem die Gläubiger zustimmten und den das AG mit Beschluss vom 28.11.2001 bestätigte. Ziel des Insolvenzplans war die Wiederherstellung der Ertragsfähigkeit durch ein neues Unternehmenskonzept. Finanziert werden sollte der Neubeginn insbesondere durch den Verzicht der nachrangigen Gläubiger auf einen Großteil ihrer Forderungen in der Größenordnung von 9 Mio DM (90 % bzw 85 % bei verschiedenen Kleingläubigern). Die Auszahlung der nicht vom Verzicht betroffenen Beträge sollte überwiegend innerhalb eines Monats nach der auf die rechtskräftige Bestätigung des Insolvenzplans folgenden Verfahrensaufhebung nach § 258 Insolvenzordnung (InsO) vorgenommen werden. Eine Überwachung der Erfüllung des Insolvenzplans war nicht vorgesehen.

4

Die Aufhebung des Insolvenzverfahrens gemäß § 258 InsO erfolgte zum 31.12.2001, 24 Uhr (Beschluss des AG vom 28.12.2001). In weiteren Verfügungen des Beschlusses des AG vom 28.12.2001 wurde ua bestimmt, dass die Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters hinsichtlich bestimmter Anderkonten aufrechterhalten blieb, er weiter zur Einziehung bestimmter Forderungen und insoweit auch zur Befriedigung von Masseverbindlichkeiten berechtigt war, die Verfügungsbefugnis auch hinsichtlich der Ansprüche gegen eine eingeschaltete Factoring-Gesellschaft bestehen blieb und das Amt des Insolvenzverwalters erst mit vollständiger Befriedigung der zum 31.12.2001 bestehenden Massekosten und Masseverbindlichkeiten enden sollte. Die genannten Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse des Insolvenzverwalters wurden erst durch Beschluss des AG vom 30.5.2003 aufgehoben.

5

Am 21.5.2003 stellte die Arbeitgeberin erneut Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und führte zur Begründung aus, sie sei bei zwei Monaten Lohnrückstand für 70 Arbeitnehmer zahlungsunfähig; die durch den Insolvenzplan vorgegebenen Zahlungen hätten nicht erbracht werden können. Daraufhin bestellte das AG einen vorläufigen Insolvenzverwalter und beauftragte diesen mit der Erstellung eines Gutachtens. Nach Vorlage des Gutachtens vom 17.6.2003 mit dem Ergebnis, Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit seien zweifelsfrei gegeben, eröffnete das AG durch Beschluss vom 19.6.2003 erneut das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Arbeitgeberin.

6

Den am 28.5.2003 gestellten Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Insg wegen offener Entgeltansprüche für die Monate März, April und Mai 2003 lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, die Arbeitgeberin habe seit der 2001 eingetretenen Insolvenz ihre Zahlungsfähigkeit nicht wiedererlangt, sodass nur dieses Insolvenzereignis maßgeblich sei (Bescheid vom 4.7.2003; Widerspruchsbescheid vom 8.12.2003).

7

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 24.1.2007). Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG und die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin Insg für die Zeit vom 1.3. bis 30.5.2003 zu zahlen (Urteil vom 9.3.2011).

8

Es hat ua ausgeführt: Der Anspruch ergebe sich aus § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). Maßgebend sei das am 19.6.2003 eröffnete Insolvenzverfahren; die frühere Insolvenzeröffnung durch Beschluss vom 29.6.2001 entfalte keine Sperrwirkung. Zwar sei der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Fortdauer einer aus Anlass eines früheren Insolvenzereignisses eingetretenen Zahlungsunfähigkeit bei Überwachung der Planerfüllung zu folgen und es sei auch davon auszugehen, dass die Arbeitgeberin seit 2001 zu keinem Zeitpunkt Zahlungsfähigkeit wiedererlangt habe, weil sie insbesondere die im Insolvenzplan vorgesehenen Zahlungen nicht habe leisten können. Gleichwohl sei die erneute Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 19.6.2003 ein hinreichendes Insolvenzereignis. Denn § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III sei unter Beachtung der Richtlinie 80/987 EWG (RL 80/987) idF der Richtlinie 2002/74 EG (RL 2002/74) dahingehend auszulegen, dass ohne Überwachung der Planerfüllung auch ein nachfolgendes "formelles" Insolvenzereignis bei fortbestehender Insolvenz ausreichend sei, einen Anspruch auf Insg auszulösen, wenn durch den nationalen Gesetzgeber nachfolgende Insolvenzverfahren nicht mit dem vorhergehenden zu einem Gesamtverfahren zusammengefasst seien. Dies ergebe sich aus der Entstehungsgeschichte und der Systematik der genannten Richtlinie (RL). Einer Anwendung der RL stehe nicht der Umstand entgegen, dass nach der maßgebenden Fassung die Mitgliedstaaten die erforderlichen Vorschriften spätestens zum 8.10.2005 zu erlassen hätten. Aus den dokumentierten Erwägungen zu den RL 2002/74 folge, dass der Richtliniengeber einerseits die Arten der Insolvenzverfahren habe erweitern, andererseits aber auch dem nationalen Gesetzgeber die Möglichkeit habe eröffnen wollen, eine Mehrheit von Verfahren als einheitliches Gesamtverfahren zu behandeln. Dies bedeute im Umkehrschluss, dass grundsätzlich jedes formell definierte Insolvenzereignis geeignet sei, den Anspruch zu begründen.

9

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III und führt zur Begründung aus: Allein das Unterbleiben einer Anordnung der Überwachung der Planerfüllung berechtige nicht zu der Annahme, es sei eine neue Zahlungsunfähigkeit eingetreten. Obwohl das erste Insolvenzverfahren formell beendet worden sei, müsse auch unter den Umständen des vorliegenden Falls von einem einzigen Insolvenzverfahren ("Gesamtverfahren") ausgegangen werden. Für die Rechtsauffassung der Beklagten spreche auch, dass eine Initiative des Bundesrats, durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt eine gesetzliche Regelung iS der Auffassung des LSG einzuführen, nicht umgesetzt worden sei.

10

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG vom 9.3.2011 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG vom 24.1.2007 zurückzuweisen.

11

Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

12

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

13

Die Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Wiederherstellung der klageabweisenden erstinstanzlichen Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 1 Sozialgerichtsgesetz).

14

1. Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Insg gemäß § 183 Abs 1 S 1 SGB III wegen des ab März 2003 ausgefallenen Arbeitsentgelts liegen nicht vor.

15

Maßgebend ist § 183 Abs 1 S 1 SGB III in der Fassung, die die Vorschrift durch das Gesetz zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 10.12.2001 (BGBl I 3443) erhalten hat und die bis 31.3.2012 unverändert geblieben ist (vgl auch ab 1.4.2012 § 165 SGB III idF des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011, BGBl I 2854). Danach hat ein im Inland beschäftigter Arbeitnehmer, der bei Eintritt eines Insolvenzereignisses für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt hat, Anspruch auf Insg. Insolvenzereignis ist nach § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III ua die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers. Durch den Beschluss des AG vom 19.6.2003 ist jedoch kein (neues) Insolvenzereignis eingetreten. Denn die Insolvenzeröffnung durch Beschluss des AG vom 29.6.2001 entfaltet insoweit eine Sperrwirkung, die einem neuen Anspruch entgegensteht.

16

Nach ständiger Rechtsprechung des BSG, an der der Senat festhält, tritt ein neues Insolvenzereignis nicht ein und kann folglich auch Ansprüche auf Insg nicht auslösen, solange die auf einem bestimmten Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers andauert (vgl BSGE 90, 157, 158 = SozR 3-4300 § 183 Nr 3; BSGE 100, 282, 284 = SozR 4-4300 § 183 Nr 9, RdNr 11, jeweils mwN). Von andauernder Zahlungsunfähigkeit ist so lange auszugehen, wie der Schuldner wegen eines nicht nur vorübergehenden Mangels an Zahlungsmitteln nicht in der Lage ist, seine fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen. Die Zahlungsunfähigkeit endet nicht schon dann, wenn der Schuldner wieder einzelnen Zahlungsverpflichtungen nachkommt (BSGE aaO).

17

Unter Beachtung dieser in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze und unter Berücksichtigung der tatsächlichen Feststellungen des LSG ist die Auffassung der Beklagten, die auf dem im Jahre 2001 eingetretenen Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit habe in der Folgezeit fortbestanden, nicht zu beanstanden. Das LSG hat unmissverständlich festgestellt, dass die jedenfalls seit Juni 2001 insolvente Arbeitgeberin der Klägerin auch danach zu keinem Zeitpunkt die Zahlungsfähigkeit wiedererlangt hat. Es hat die Entwicklung der wirtschaftlichen Situation der Arbeitgeberin insbesondere in der Zeit ab 2002 ausführlich dargestellt und im Ergebnis ausgeführt, dass die ursprüngliche Insolvenz aufgrund des fehlgeschlagenen Liquiditätskonzepts bis zur Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens noch nicht beendet war und dass die Arbeitgeberin zu keinem Zeitpunkt ausreichende Liquidität erlangt hatte, um ihre fälligen Geldschulden im Allgemeinen dauerhaft erfüllen zu können. Das durchgehende Fehlen von Zahlungsfähigkeit wird auch dadurch offenkundig, dass die Arbeitgeberin von Anfang an nicht in der Lage war, die im Insolvenzplan vorgesehenen Zahlungen zu leisten. Diese den Senat gemäß § 163 SGG bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG führen zwingend zur Sperrwirkung des Insolvenzereignisses aus dem Jahre 2001 mit der Folge, dass der Klägerin über das hierfür erhaltene Insg hinaus kein weiterer Anspruch zusteht.

18

Etwas anderes ergibt sich nicht aus den Feststellungen des LSG, wonach das erste Insolvenzverfahren nach Vorlage eines Insolvenzplans und Bestätigung des Plans durch das Insolvenzgericht zum 31.12.2001 aufgehoben wurde und eine Überwachung des Insolvenzplans durch den Insolvenzverwalter nicht vorgesehen war. Insoweit ist zunächst die Rechtsprechung des Senats zu beachten, wonach allein aus der Bestätigung eines Insolvenzplans und der Aufhebung des Insolvenzverfahrens noch nicht folgt, dass der zunächst eingetretene Insolvenzfall beseitigt wäre; denn die nur die Beteiligten des Insolvenzplanverfahrens betreffenden Wirkungen des Insolvenzplans nach Maßgabe des § 255 InsO werden hinfällig, wenn der Schuldner den Plan nicht erfüllt(BSGE 90, 157, 159 = SozR 3-4300 § 183 Nr 3). An dieser Rechtsprechung hält der Senat weiter fest.

19

Soweit der Senat darüber hinaus in der Vergangenheit für die Annahme fortdauernder Zahlungsunfähigkeit auf die andauernde Überwachung der Planerfüllung durch den Insolvenzverwalter abgestellt hat (BSGE 100, 282, 285 = SozR 4-4300 § 183 Nr 9, RdNr 14), ist hieraus nicht etwa zu folgern, dass immer von der Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit auszugehen wäre, wenn der Insolvenzplan nicht überwacht wird. Bei andauernder Planüberwachung wird lediglich besonders deutlich, dass insbesondere im Hinblick auf die fortbestehenden Befugnisse des Insolvenzverwalters von einer Wiedererlangung der Fähigkeit, fällige Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen, von vornherein keine Rede sein kann. Der Senat hat deshalb ausdrücklich offengelassen, wie in Fällen fehlender Überwachung zu verfahren ist (BSGE 90, 157, 161 = SozR 3-4300 § 183 Nr 3). Diese Rechtsprechung entwickelt der Senat in dem Sinne weiter, dass auch dann ein einheitlicher Insolvenztatbestand vorliegen kann, wenn keine Überwachung der Planerfüllung stattfindet. Dies ist anhand der Einzelumstände zu prüfen und im Streitfall von den Tatsachengerichten festzustellen. Wird - wie im vorliegenden Fall durch das LSG - eindeutig festgestellt, dass der Schuldner die ihm nach dem Insolvenzplan aufgegebenen Zahlungen überhaupt nicht leisten konnte und auch sonst nach der Aufhebung des ersten Insolvenzverfahrens (mit Ablauf des 31.12.2001) bis zur Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens (am 19.6.2003) zu keinem Zeitpunkt die Fähigkeit wieder eingetreten ist, die fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen, muss es bei der Sperrwirkung des Insolvenzereignisses bleiben.

20

2. Ein Anspruch auf Insg kann auch nicht - wie das LSG zu Recht ausgeführt hat - aus § 183 Abs 2 SGB III hergeleitet werden. Nach dieser Vorschrift kann ein Arbeitnehmer, der in Unkenntnis eines Insolvenzereignisses weitergearbeitet oder die Arbeit aufgenommen hat, Insg auch für die dem Tag der Kenntnisnahme vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses erhalten. Ein solcher Anspruch kommt unter den gegebenen Umständen nicht in Betracht. Denn der Klägerin war das maßgebliche Insolvenzereignis von 2001 bereits bekannt, da sie hierfür Insg erhalten hatte (vgl BSGE 100, 282, 285 f = SozR 4-4300 § 183 Nr 9, RdNr 16; vgl auch zur Vorgängervorschrift des § 141b Abs 4 Arbeitsförderungsgesetz - BSG SozR 3-4100 § 141e Nr 3).

21

3. Der Rechtsmeinung des LSG, § 183 SGB III sei "richtlinienkonform" dahingehend auszulegen, dass bei fehlender Planüberwachung auch ein nachfolgendes zweites "formelles" Insolvenzereignis für einen Anspruch auf Insg ausreiche, folgt der Senat nicht.

22

Die Ausführungen des LSG, der Umstand, dass von den Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der RL 80/987 idF der RL 2002/74 bis 8.10.2005 zu erlassen seien, stehe einer "sofortigen Anwendung" dieser Richtlinie nicht im Wege, stehen bereits nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Denn hiernach kommt der RL 2002/74 im Fall ihrer Nichtumsetzung unmittelbare Wirkung nur im Zusammenhang mit nach dem 8.10.2005 eingetretenen Insolvenzfällen zu (EuGH, Urteil vom 17.1.2008 - C-246/06 - EuGHE I 2008, 105, 1057; Urteil vom 10.3.2011 - C-477/09 - NJW 2011, 1791). Im vorliegenden Fall war jedoch der zweite (unbeachtliche) Insolvenzfall bereits durch Beschluss des AG vom 19.6.2003 eingetreten.

23

Unabhängig davon verkennt das LSG bei seiner Auslegung der RL 80/987 idF der RL 2002/74 den Regelungsgehalt des Art 2 der RL, der insbesondere definiert, wann ein Arbeitgeber als zahlungsunfähig "gilt". Dem Text des Art 2 Abs 1 in der hier maßgebenden Fassung (jetzt: EGRL 2008/94 vom 22.10.2008) sind aber keine ausdrücklichen Bestimmungen zu der im vorliegenden Fall streitigen Frage zu entnehmen, ob einem Arbeitnehmer, der bereits aus Anlass der Zahlungsunfähigkeit seines Arbeitgebers eine Garantieleistung iS der RL erhalten hat, bei andauernder Zahlungsunfähigkeit durch die zuständige Garantieeinrichtung erneut eine Leistung zu gewähren ist. Soweit aufgrund der Änderungen durch die RL 2002/74 von einem "Gesamtverfahren" sowie in Art 2 Abs 4 davon die Rede ist, dass die Mitgliedstaaten "nicht gehindert sind", den Schutz der Arbeitnehmer auch "auf andere Situationen der Zahlungsunfähigkeit" auszuweiten, erfordert dies jeweils den Erlass entsprechender Rechts- oder Verwaltungsvorschriften durch die Mitgliedstaaten, über die diese frei entscheiden können (vgl Abschnitt 5 der Erwägungen der RL 2002/74 EG und auch Abschnitt 4 der Erwägungen bzw Art 2 Abs 4 der Neufassung der RL durch die RL 2008/94/EG vom 22.10.2008, ABl L 283 vom 28.10.2008, S 36 ff).

24

Nicht zu folgen vermag der Senat dem LSG insbesondere, soweit es aus den Materialien zur Änderung der RL 80/987 durch die RL 2002/74 den Schluss zieht, jedes "formell definierte Insolvenzereignis" iS der RL 80/987 sei geeignet, einen Anspruch gegen die Garantieeinrichtung zu begründen. Das LSG verweist hierzu vor allem auf den "Gemeinsamen Standpunkt" des Rates vom 18.2.2002 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 22.5.2002, C 119 E/1), in dessen Abschnitt 5 - wortgleich übernommen in Abschnitt 5 der Erwägungen der RL 2002/74 EG - ausgeführt ist, es sei angebracht, mit dem Begriff der Zahlungsunfähigkeit "auch andere Insolvenzverfahren als Liquidationsverfahren zu erfassen", und die Mitgliedstaaten sollten "vorsehen können, dass für den Fall, dass das Vorliegen einer Insolvenz zu mehreren Insolvenzverfahren führt, die Situation so behandelt wird, als würde es sich um ein einziges Insolvenzverfahren handeln". Aus Sicht des Senats ist nicht nachvollziehbar, inwiefern dies "im Umkehrschluss" bedeuten soll, dass - mangels deutscher gesetzlicher Regelungen, die mehrere Insolvenzverfahren zu einem Gesamtverfahren zusammenfassen - im vorliegenden Fall die "formelle" Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens am 19.6.2003 einen neuen Anspruch auf Insg auslöst. Den Mitgliedstaaten räumen die Erwägungen die Möglichkeit ein, für die Zukunft auch andere Verfahren einzubeziehen und für diesen Fall einschränkend zu bestimmen, wann mehrere Verfahren als "einziges" Verfahren zu behandeln sind. Hieraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass ohne ausdrückliche Neuregelung zwei aufeinanderfolgende Insolvenzereignisse nicht als einheitliches Insolvenzereignis behandelt werden dürften, wenn zwischenzeitlich weiterhin Zahlungsunfähigkeit bestanden hat.

25

Für die Auffassung des LSG sprechen schließlich auch nicht die angeführten wirtschafts- und sozialpolitischen Erwägungen (S 34 des Urteilsumdrucks), die auch Äußerungen im Schrifttum zugrunde liegen (Frank/Heinrich NZI 2011, 569, 571 ff und NZS 2011, 689, 691). Es mag zwar wünschenswert sein, in Sanierungsfällen über den Schutz des § 183 Abs 2 SGB III hinaus auch Arbeitnehmern, die schon einmal Insg erhalten haben, eine zusätzliche Absicherung zuzubilligen. Unabhängig davon, dass im vorliegenden Fall die Sanierungsbemühungen offenbar von vornherein zum Scheitern verurteilt waren, kann derartigen Vorstellungen aber nur durch den Gesetzgeber entsprochen werden. Die mit der Einführung von Insolvenzplanverfahren verfolgten Zielsetzungen rechtfertigen es nicht, allein aufgrund der Bestätigung des Plans und der Aufhebung des Insolvenzverfahrens eine erneute Inanspruchnahme der Insg-Versicherung zu eröffnen; auch ist zu beachten, dass der Gesetzgeber mit den §§ 183 ff SGB III nicht die Ziele der InsO verfolgt(vgl dazu bereits BSGE 90, 157, 160 f = SozR 4-4300 § 183 Nr 3). Wie die aktuelle Entwicklung zeigt, hat sich der deutsche Gesetzgeber anlässlich der Überarbeitung und Neugestaltung des SGB III im Jahre 2011 insbesondere im Hinblick auf zu erwartende Mehrkosten für die umlagepflichtigen Arbeitgeber und mögliche Wettbewerbsverzerrungen gerade nicht dazu entschlossen, eine gesetzliche Regelung iS der Auffassung des LSG in das SGB III aufzunehmen (vgl Gegenäußerung der Bundesregierung zur - sich explizit auf die vorliegende Entscheidung des LSG beziehenden - Stellungnahme des Bundesrats zum Entwurf des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt, BT-Drucks 17/6853 S 18, zu Nr 2, und S 1 ff, zu Art 1 Nr 7a und Art 2 Nr 18).

26

4. Nach alledem steht das einschlägige europäische Recht der Anwendung des § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III iS der Rechtsprechung des BSG(s oben 1.) nicht entgegen. Der Senat ist nicht gehalten, die oben behandelten Fragen zur Auslegung der RL 80/987 idF der RL 2002/74 dem EuGH gemäß Art 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) vorzulegen. Denn insoweit liegt bereits hinreichend aussagekräftige Rechtsprechung des EuGH vor. Geklärt ist insbesondere, dass der RL unmittelbare Wirkung nur im Zusammenhang mit nach dem 8.10.2005 eingetretenen Insolvenzfällen zukommt (EuGH, Urteil vom 17.1.2008 - C-246/06 - EuGHE I 2008, 105; Urteil vom 10.3.2011 - C-477/09 - NJW 2011, 1791). Nicht ersichtlich ist, dass im vorliegenden Fall durch die Anwendung des § 183 SGB III entsprechend der Auffassung des Senats der allgemeine Grundsatz der Gleichheit und Nichtdiskriminierung(vgl EuGH, Urteil vom 12.12.2002 - C-442/00 - SozR 3-6084 Art 2 Nr 3; Urteil vom 7.9.2006 - C-81/05 - SozR 4-6084 Art 3 Nr 3; Urteil vom 17.1.2008 - C-246/06 - EuGHE I 2008, 105) verletzt sein könnte. So ist insbesondere die Differenzierung zwischen Personen, die - wie die Klägerin - aus Anlass der Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers schon einmal eine Garantieleistung erhalten haben, und Personen, die erstmalig eine solche Leistung beanspruchen (vgl § 183 Abs 2 SGB III aF; jetzt § 165 Abs 3 SGB III), sachlich gerechtfertigt.

27

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Allgemeiner Eröffnungsgrund ist die Zahlungsunfähigkeit.

(2) Der Schuldner ist zahlungsunfähig, wenn er nicht in der Lage ist, die fälligen Zahlungspflichten zu erfüllen. Zahlungsunfähigkeit ist in der Regel anzunehmen, wenn der Schuldner seine Zahlungen eingestellt hat.

(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei einem Insolvenzereignis für die vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Als Insolvenzereignis gilt

1.
die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers,
2.
die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder
3.
die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt.
Auch bei einem ausländischen Insolvenzereignis haben im Inland beschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Anspruch auf Insolvenzgeld.

(2) Zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt gehören alle Ansprüche auf Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis. Als Arbeitsentgelt für Zeiten, in denen auch während der Freistellung eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht (§ 7 Absatz 1a des Vierten Buches), gilt der Betrag, der auf Grund der schriftlichen Vereinbarung zur Bestreitung des Lebensunterhalts im jeweiligen Zeitraum bestimmt war. Hat die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer einen Teil ihres oder seines Arbeitsentgelts nach § 1 Absatz 2 Nummer 3 des Betriebsrentengesetzes umgewandelt und wird dieser Entgeltteil in einem Pensionsfonds, in einer Pensionskasse oder in einer Direktversicherung angelegt, gilt die Entgeltumwandlung für die Berechnung des Insolvenzgeldes als nicht vereinbart, soweit der Arbeitgeber keine Beiträge an den Versorgungsträger abgeführt hat.

(3) Hat eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer in Unkenntnis eines Insolvenzereignisses weitergearbeitet oder die Arbeit aufgenommen, besteht der Anspruch auf Insolvenzgeld für die dem Tag der Kenntnisnahme vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses.

(4) Anspruch auf Insolvenzgeld hat auch der Erbe der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers.

(5) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, einen Beschluss des Insolvenzgerichts über die Abweisung des Antrags auf Insolvenzeröffnung mangels Masse dem Betriebsrat oder, wenn kein Betriebsrat besteht, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern unverzüglich bekannt zu geben.

Tenor

Die Revision des Klägers gegen das Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10. April 2014 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten des Revisionsverfahrens sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Der Kläger begehrt Insolvenzgeld (Insg) für die Zeit vom 1.12.2009 bis 28.2.2010.

2

Nachdem die B. GmbH (B GmbH), die ein Sägewerk betrieb, am 15.2.2010 bei dem zuständigen Amtsgericht (AG) Arnsberg einen erneuten Insolvenzantrag gestellt hatte, beantragte der Kläger, ein Arbeitnehmer der B GmbH, am 1.3.2010 bei der Beklagten die Zahlung von Insg wegen dieses später eröffneten Insolvenzverfahrens.

3

Über das Vermögen der B GmbH war bereits auf den Insolvenzantrag vom 1.2.2005 durch das zuständige AG ein Insolvenzverfahren eröffnet worden. Das AG hob das Verfahren nach Bestätigung des Insolvenzplans durch die Gläubiger am 7.4.2006 wieder auf. Der gestaltende Teil des Insolvenzplans sah vor, dass auf die Forderungen der ungesicherten Gläubiger eine Quote von 10 vH gezahlt wird und die Auszahlung auf der Grundlage des vom Insolvenzverwalter erstellten Verteilungsverzeichnisses zu verschiedenen Fälligkeitsterminen bis Ende 2008 erfolgen werde. Daneben war vorgesehen, dass weitere Zahlungen an die Gläubiger erfolgen sollten, falls sich die wirtschaftlichen Verhältnisse des Unternehmens bessern und dieses in den Jahren 2007 bis 2010 Gewinne erwirtschaften sollte. Von diesen Gewinnen sollten ggf 50 vH an die Gläubiger ausgeschüttet werden. Die Erfüllung des Insolvenzplans überwachte der Insolvenzverwalter P. (P). Der Kläger hatte wegen dieses Insolvenzereignisses für die Zeit vom 1.11.2004 bis 31.1.2005 Insg erhalten.

4

Vor Aufhebung der Überwachung des Insolvenzplans stellte die B GmbH den Insolvenzantrag vom 15.2.2010. Der Kläger kündigte aufgrund der Lohnrückstände aus den Monaten Dezember 2009 sowie Januar und Februar 2010 sein Arbeitsverhältnis zum 28.2.2010. Das AG eröffnete das Insolvenzverfahren über das Vermögen der B GmbH (Beschluss vom 22.3.2010). Die Beklagte lehnte den Antrag auf Insg ab und verlangte einen hierauf gezahlten Vorschuss zurück (Bescheid vom 26.4.2010; Widerspruchsbescheid vom 4.6.2010).

5

Das Klageverfahren ist in beiden Instanzen ohne Erfolg geblieben (Urteil des Sozialgerichts Dortmund vom 13.5.2011; Urteil des Landessozialgerichts Nordrhein-Westfalen vom 10.4.2014). Die noch andauernde Überwachung der Planerfüllung durch den Insolvenzverwalter rechtfertige nicht die Annahme, die Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers sei beendet und ein neues Insolvenzereignis könne eintreten. Dies gelte auch, wenn das erste Insolvenzverfahren nach rechtskräftiger Bestätigung des Insolvenzplans aufgehoben, die im Insolvenzplan festgelegte Quote in den folgenden Jahren gezahlt und der Insolvenzplan lediglich hinsichtlich des sog "Besserungsscheins" nicht erfüllt worden sei.

6

Der Kläger rügt mit seiner Revision die Verletzung des § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III), des Sozialstaatsprinzips aus Art 20 Abs 1 Grundgesetz (GG) und der Art 2 Abs 1 und 12a der EG-Richtlinie 2008/94 (RL 2008/94) vom 22.10.2008. Nach der Insolvenzordnung (InsO) bestehe neben der Möglichkeit der Gläubigerbefriedigung durch Liquidation des gesamtschuldnerischen Vermögens auch die Möglichkeit, eine Sanierung nach Maßgabe des mit den Gläubigern abgestimmten Insolvenzplans durchzuführen. Vorliegend sei durch den Beschluss des AG vom 7.4.2006 das erste Insolvenzverfahren aufgehoben worden und damit endgültig beendet gewesen. Ein zweites Insolvenzverfahren könne ab diesem Zeitpunkt eintreten. Die Überwachung der Planerfüllung durch den Insolvenzverwalter sei lediglich ein nachgelagertes Verfahren. Der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), wonach das Insolvenzverfahren arbeitsförderungsrechtlich andauere, solange die Planüberwachung angeordnet sei, sei nicht zu folgen. Aus dem Andauern der Planüberwachung könne nicht auf die Fortdauer der Zahlungsunfähigkeit geschlossen werden. § 183 Abs 1 SGB III sei zudem europarechtskonform so auszulegen, dass ein nachfolgendes Insolvenzereignis ausreiche, um einen weiteren Anspruch auf Insg auszulösen. Auch Art 20 GG gebiete, die Arbeitnehmer zu schützen. Es sei das Ziel dieser Art der Sanierung, die Arbeitsplätze in dem Betrieb zu erhalten. Die Auslegung des § 183 Abs 1 S 1 SGB III durch das LSG habe aber zur Folge, dass gerade das "schwächste Glied in der Kette", nämlich der Arbeitnehmer, mit dessen maßgeblicher Hilfe der Insolvenzplan erfüllt werde, völlig schutzlos bleibe. Auch sei zu berücksichtigen, dass der Arbeitgeber während der Fortführung des Betriebs die Insolvenzumlage zahlen müsse und hier auch gezahlt habe.

7

Der Kläger beantragt sinngemäß,
die Beklagte unter Abänderung der Urteile des LSG und des SG sowie des Bescheids der Beklagten vom 26.4.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.6.2010 zu verurteilen, ihm für die Zeit vom 1.12.2009 bis 28.2.2010 Insolvenzgeld zu zahlen.

8

Die Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

9

Die Entscheidung des LSG sei auf der Grundlage der höchstrichterlichen Rechtsprechung und der europarechtlichen Bestimmungen nicht zu beanstanden.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision des Klägers ist unbegründet (§ 170 Abs 1 S 1 Sozialgerichtsgesetz).

11

Gegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid der Beklagten vom 26.4.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4.6.2010 (§ 95 SGG), der nach Begrenzung des Streitgegenstands in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat nur noch angegriffen ist, soweit die Beklagte es abgelehnt hat, dem Kläger für die Zeit vom 1.12.2009 bis 28.2.2010 Insg zu zahlen. Das LSG hat die Berufung des Klägers gegen das klageabweisende Urteil des SG insoweit zu Recht zurückgewiesen. Die Anfechtungs- und Leistungsklage kann keinen Erfolg haben, weil der Kläger für den streitbefangenen Zeitraum keinen Anspruch auf Insg hat.

12

Nach § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Betriebsrentengesetzes und anderer Gesetze vom 2.12.2006 (BGBl I 2742; jetzt § 165 Abs 1 S 1 SGB III) haben Arbeitnehmer Anspruch auf Insg, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben.

13

Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt. Zwar ist durch den Beschluss des AG vom 22.3.2010 (wieder) ein Insolvenzverfahren über das Vermögen der B GmbH eröffnet worden, sodass ein Insolvenzereignis iS der InsO vorliegt. Ein (neues) arbeitsförderungsrechtliches Insolvenzereignis iS des § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III ist damit jedoch nicht eingetreten, weil das frühere Insolvenzereignis - hier die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der B GmbH am 1.2.2005 - gegenüber dem Eintreten eines weiteren Insolvenzereignisses eine Sperrwirkung entfaltet. Diese hindert die Entstehung (§ 40 Abs 1 Sozialgesetzbuch Erstes Buch) eines erneuten Anspruchs auf Insg.

14

Nach der Rechtsprechung des Senats kann ein (neues) Insolvenzereignis nicht eintreten, solange die auf einem früheren Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers noch andauert (vgl BSGE 90, 157, 158 = SozR 3-4300 § 183 Nr 3 S 3). Für die Annahme wiedererlangter Zahlungsfähigkeit genügt es nicht, wenn der Arbeitgeber die Betriebstätigkeit fortführt und die laufenden Verbindlichkeiten, wie insbesondere die Lohnansprüche, befriedigt. Von andauernder Zahlungsunfähigkeit ist vielmehr so lange auszugehen, wie der Schuldner wegen eines nicht nur vorübergehenden Mangels an Zahlungsmitteln nicht in der Lage ist, seine fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen. Die Zahlungsunfähigkeit endet deshalb nicht schon dann, wenn der Schuldner einzelnen Zahlungsverpflichtungen wieder nachkommt (vgl BSGE 90, 157, 158 = SozR 3-4300 § 183 Nr 3 S 3; BSGE 100, 282 f RdNr 11 mwN = SozR 4-4300 § 183 Nr 9 S 39). Wird - wie im vorliegenden Fall durch das LSG - für den Senat bindend festgestellt (§ 163 SGG), dass der Schuldner zwar die ihm nach dem Insolvenzplan aufgegebene Quote leisten konnte, aber sonst nach der Aufhebung des ersten Insolvenzverfahrens bis zur Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens zu keinem Zeitpunkt die Fähigkeit wieder eingetreten ist, die fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen, bleibt es bei der Sperrwirkung des ersten Insolvenzereignisses.

15

Soweit der Kläger unter Verweis auf die Ausführungen des Zeugen P die Auffassung vertritt, dass aus dessen Aussage andere Schlüsse zu ziehen seien als sie das LSG gezogen hat, kann dies der Revision nicht zum Erfolg verhelfen. Der Senat ist an die Feststellungen des LSG gebunden, soweit gegen diese Feststellungen keine zulässigen und begründeten Revisionsrügen erhoben worden sind (§ 163 SGG). Solche Rügen hat der Kläger, der schlicht seine Beweiswürdigung an die Stelle derjenigen des LSG setzt, nicht erhoben.

16

Allein die formale Beendigung des Insolvenzverfahrens bei gleichzeitiger Anordnung der Planüberwachung genügt nicht, um eine Wiederherstellung der allgemeinen Zahlungsfähigkeit des Gemeinschuldners zu begründen. Die Gläubiger verzichten bei dieser Art der Abwicklung eines Insolvenzereignisses auf den Großteil ihrer Forderungen nur, um den im Insolvenzplan vereinbarten (geringen) Teil der Forderung zu erhalten. Ihre Gesamtforderung kann aber insolvenzrechtlich wieder aufleben, wenn die Vereinbarungen des Insolvenzplans nicht erfüllt werden (vgl § 255 InsO; dazu BSGE 90, 157, 158 = SozR 3-4300 § 183 Nr 3 S 3).

17

An dieser Rechtsprechung hält der Senat fest. Die Kritik des Klägers an dem fehlenden Schutz der Arbeitnehmer in einem solchen Fall rechtfertigt - wie das LSG zutreffend ausgeführt hat - keine andere Beurteilung. Der Gesetzgeber verfolgt - wie der Senat schon mehrfach entschieden hat - mit den §§ 183 f SGB III nicht die Ziele der InsO, sondern begründet eine Sicherung bestimmter Lohnforderungen im Falle einer Insolvenz des Arbeitsgebers (vgl BSG, Urteil vom 6.12.2012 - B 11 AL 11/11 R - BSGE 112, 235 = SozR 4-4300 § 183 Nr 14, RdNr 25). Die mit Einführung der Insolvenzplanverfahren verfolgten Zielsetzungen begründen - bezogen auf das Insg-Recht - nicht die Annahme, aufgrund der Bestätigung des Insolvenzplans und der Beendigung des Insolvenzverfahrens sei eine erneute Inanspruchnahme der Insg-Versicherung eröffnet (BSGE 90, 157 ff = SozR 3-4300 § 183 Nr 3). Vielmehr wird für die Dauer der Planüberwachung der Zusammenhang mit dem vorangegangenen Insolvenzverfahren durch die fortbestehenden Aufgaben und Befugnisse des Insolvenzverwalters, der Gläubigerversammlung und durch die Aufsicht des Insolvenzgerichts dokumentiert (vgl BSGE 100, 282 ff RdNr 14 = SozR 4-4300 § 183 Nr 9).

18

Es kann dahingestellt bleiben, ob ein Anspruch auf Insg dann neu entstehen kann, wenn zwischen dem ersten und zweiten Insolvenzereignis ein überwachter Insolvenzplan durchgeführt und ordnungsgemäß beendet worden ist (vgl Sächsisches LSG, Urteil vom 9.3.2011 - L 1 AL 241/06 - NZI 2011, 608 f; SG Karlsruhe, Urteil vom 8.5.2012 - S 16 AL 4404/10). Denn in dem hier zu entscheidenden Fall war die Planüberwachung bei Eintritt des weiteren Insolvenzereignisses gerade nicht ordnungsgemäß beendet (vgl zu der Problematik auch Frank/Heinrich, NZS 2011, 689).

19

Die Auslegung und Anwendung des § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III verstößt auch nicht gegen Vorgaben des europäischen Rechts(BSG, Urteil vom 6.12.2012 - B 11 AL 10/11 R - DB 2013, 1916 f). Die Auslegung und Anwendung des § 183 Abs 1 S 1 SGB III zu der Frage, ob und unter welchen Voraussetzungen ein früher eingetretenes Insolvenzereignis beendet ist und ein neues eintreten kann, wird durch das europäische Recht nicht präjudiziert.

20

Nach Art 2 Abs 1 der RL 2008/94 gilt ein Arbeitgeber als zahlungsunfähig, wenn die Eröffnung eines nach den Rechts- und Verwaltungsvorschriften eines Mitgliedstaates vorgeschriebenen Gesamtverfahrens beantragt worden ist, das die Insolvenz des Arbeitgebers voraussetzt und den teilweisen oder vollständigen Vermögensbeschlag gegen diesen Arbeitgeber sowie die Bestellung eines Verwalters oder einer Person, die eine ähnliche Funktion ausübt, zur Folge hat, und wenn entweder die aufgrund der genannten Rechts- und Verwaltungsvorschriften zuständige Behörde die Eröffnung des Verfahrens beschlossen oder festgestellt hat, dass das Unternehmen oder der Betrieb des Arbeitgebers endgültig stillgelegt worden ist und die Vermögensmasse nicht ausreicht, um die Eröffnung des Verfahrens zu rechtfertigen. Die Richtlinie knüpft also grundsätzlich an ein formelles Insolvenzereignis an und ermöglicht den Mitgliedstaaten nur die Zusammenfassung mehrerer formeller Insolvenzereignisse zu einem Gesamtverfahren, ordnet sie aber nicht an. Eine solche gesetzliche Regelung zur Zusammenfassung mehrerer formeller Insolvenzereignisse existiert im nationalen Recht aber gerade nicht (vgl hierzu BSGE 90, 157, 161 = SozR 3-4300 § 183 Nr 3 S 7; dazu auch: BR-Drucks 313/11, S 3 f, BT-Drucks 17/6853, S 18). Die europarechtliche Regelung schreibt auch nicht vor, dass und unter welchen Voraussetzungen ein bereits eingetretenes Insolvenzereignis arbeitsförderungsrechtlich abgeschlossen ist, um ein neues Insolvenzereignis annehmen zu können.

21

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Abs 1 SGG.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Sächsischen Landessozialgerichts vom 9. März 2011 aufgehoben. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 24. Januar 2007 wird zurückgewiesen.

Kosten des Rechtsstreits sind nicht zu erstatten.

Tatbestand

1

Die Klägerin begehrt Insolvenzgeld (Insg) für die Monate März, April und Mai 2003.

2

Die Klägerin war bei der E.K. GmbH (im Folgenden: Arbeitgeberin) als Vertriebsassistentin beschäftigt. Das zuständige Amtsgericht (AG) eröffnete mit Beschluss vom 29.6.2001 mit Wirkung zum 1.7.2001 das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Arbeitgeberin. Die Beklagte bewilligte der Klägerin Insg für die Zeit vom 1.4. bis 30.6.2001.

3

Im Insolvenzverfahren legte die Arbeitgeberin einen von der L. Consult GmbH erstellten Insolvenzplan vom 7.11.2001 vor, dem die Gläubiger zustimmten und den das AG mit Beschluss vom 28.11.2001 bestätigte. Ziel des Insolvenzplans war die Wiederherstellung der Ertragsfähigkeit durch ein neues Unternehmenskonzept. Finanziert werden sollte der Neubeginn insbesondere durch den Verzicht der nachrangigen Gläubiger auf einen Großteil ihrer Forderungen in der Größenordnung von 9 Mio DM (90 % bzw 85 % bei verschiedenen Kleingläubigern). Die Auszahlung der nicht vom Verzicht betroffenen Beträge sollte überwiegend innerhalb eines Monats nach der auf die rechtskräftige Bestätigung des Insolvenzplans folgenden Verfahrensaufhebung nach § 258 Insolvenzordnung (InsO) vorgenommen werden. Eine Überwachung der Erfüllung des Insolvenzplans war nicht vorgesehen.

4

Die Aufhebung des Insolvenzverfahrens gemäß § 258 InsO erfolgte zum 31.12.2001, 24 Uhr (Beschluss des AG vom 28.12.2001). In weiteren Verfügungen des Beschlusses des AG vom 28.12.2001 wurde ua bestimmt, dass die Verfügungsbefugnis des Insolvenzverwalters hinsichtlich bestimmter Anderkonten aufrechterhalten blieb, er weiter zur Einziehung bestimmter Forderungen und insoweit auch zur Befriedigung von Masseverbindlichkeiten berechtigt war, die Verfügungsbefugnis auch hinsichtlich der Ansprüche gegen eine eingeschaltete Factoring-Gesellschaft bestehen blieb und das Amt des Insolvenzverwalters erst mit vollständiger Befriedigung der zum 31.12.2001 bestehenden Massekosten und Masseverbindlichkeiten enden sollte. Die genannten Verwaltungs- und Verfügungsbefugnisse des Insolvenzverwalters wurden erst durch Beschluss des AG vom 30.5.2003 aufgehoben.

5

Am 21.5.2003 stellte die Arbeitgeberin erneut Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens und führte zur Begründung aus, sie sei bei zwei Monaten Lohnrückstand für 70 Arbeitnehmer zahlungsunfähig; die durch den Insolvenzplan vorgegebenen Zahlungen hätten nicht erbracht werden können. Daraufhin bestellte das AG einen vorläufigen Insolvenzverwalter und beauftragte diesen mit der Erstellung eines Gutachtens. Nach Vorlage des Gutachtens vom 17.6.2003 mit dem Ergebnis, Überschuldung und Zahlungsunfähigkeit seien zweifelsfrei gegeben, eröffnete das AG durch Beschluss vom 19.6.2003 erneut das Insolvenzverfahren über das Vermögen der Arbeitgeberin.

6

Den am 28.5.2003 gestellten Antrag der Klägerin auf Bewilligung von Insg wegen offener Entgeltansprüche für die Monate März, April und Mai 2003 lehnte die Beklagte mit der Begründung ab, die Arbeitgeberin habe seit der 2001 eingetretenen Insolvenz ihre Zahlungsfähigkeit nicht wiedererlangt, sodass nur dieses Insolvenzereignis maßgeblich sei (Bescheid vom 4.7.2003; Widerspruchsbescheid vom 8.12.2003).

7

Das Sozialgericht (SG) hat die Klage abgewiesen (Urteil vom 24.1.2007). Das Landessozialgericht (LSG) hat das Urteil des SG und die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte verurteilt, an die Klägerin Insg für die Zeit vom 1.3. bis 30.5.2003 zu zahlen (Urteil vom 9.3.2011).

8

Es hat ua ausgeführt: Der Anspruch ergebe sich aus § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 Sozialgesetzbuch Drittes Buch (SGB III). Maßgebend sei das am 19.6.2003 eröffnete Insolvenzverfahren; die frühere Insolvenzeröffnung durch Beschluss vom 29.6.2001 entfalte keine Sperrwirkung. Zwar sei der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zur Fortdauer einer aus Anlass eines früheren Insolvenzereignisses eingetretenen Zahlungsunfähigkeit bei Überwachung der Planerfüllung zu folgen und es sei auch davon auszugehen, dass die Arbeitgeberin seit 2001 zu keinem Zeitpunkt Zahlungsfähigkeit wiedererlangt habe, weil sie insbesondere die im Insolvenzplan vorgesehenen Zahlungen nicht habe leisten können. Gleichwohl sei die erneute Eröffnung des Insolvenzverfahrens am 19.6.2003 ein hinreichendes Insolvenzereignis. Denn § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III sei unter Beachtung der Richtlinie 80/987 EWG (RL 80/987) idF der Richtlinie 2002/74 EG (RL 2002/74) dahingehend auszulegen, dass ohne Überwachung der Planerfüllung auch ein nachfolgendes "formelles" Insolvenzereignis bei fortbestehender Insolvenz ausreichend sei, einen Anspruch auf Insg auszulösen, wenn durch den nationalen Gesetzgeber nachfolgende Insolvenzverfahren nicht mit dem vorhergehenden zu einem Gesamtverfahren zusammengefasst seien. Dies ergebe sich aus der Entstehungsgeschichte und der Systematik der genannten Richtlinie (RL). Einer Anwendung der RL stehe nicht der Umstand entgegen, dass nach der maßgebenden Fassung die Mitgliedstaaten die erforderlichen Vorschriften spätestens zum 8.10.2005 zu erlassen hätten. Aus den dokumentierten Erwägungen zu den RL 2002/74 folge, dass der Richtliniengeber einerseits die Arten der Insolvenzverfahren habe erweitern, andererseits aber auch dem nationalen Gesetzgeber die Möglichkeit habe eröffnen wollen, eine Mehrheit von Verfahren als einheitliches Gesamtverfahren zu behandeln. Dies bedeute im Umkehrschluss, dass grundsätzlich jedes formell definierte Insolvenzereignis geeignet sei, den Anspruch zu begründen.

9

Mit der vom LSG zugelassenen Revision rügt die Beklagte eine Verletzung des § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III und führt zur Begründung aus: Allein das Unterbleiben einer Anordnung der Überwachung der Planerfüllung berechtige nicht zu der Annahme, es sei eine neue Zahlungsunfähigkeit eingetreten. Obwohl das erste Insolvenzverfahren formell beendet worden sei, müsse auch unter den Umständen des vorliegenden Falls von einem einzigen Insolvenzverfahren ("Gesamtverfahren") ausgegangen werden. Für die Rechtsauffassung der Beklagten spreche auch, dass eine Initiative des Bundesrats, durch das Gesetz zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt eine gesetzliche Regelung iS der Auffassung des LSG einzuführen, nicht umgesetzt worden sei.

10

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des LSG vom 9.3.2011 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des SG vom 24.1.2007 zurückzuweisen.

11

Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

12

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

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Die Revision der Beklagten ist im Sinne der Aufhebung des angefochtenen Urteils und der Wiederherstellung der klageabweisenden erstinstanzlichen Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 1 Sozialgerichtsgesetz).

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1. Die Voraussetzungen eines Anspruchs auf Insg gemäß § 183 Abs 1 S 1 SGB III wegen des ab März 2003 ausgefallenen Arbeitsentgelts liegen nicht vor.

15

Maßgebend ist § 183 Abs 1 S 1 SGB III in der Fassung, die die Vorschrift durch das Gesetz zur Reform der arbeitsmarktpolitischen Instrumente vom 10.12.2001 (BGBl I 3443) erhalten hat und die bis 31.3.2012 unverändert geblieben ist (vgl auch ab 1.4.2012 § 165 SGB III idF des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt vom 20.12.2011, BGBl I 2854). Danach hat ein im Inland beschäftigter Arbeitnehmer, der bei Eintritt eines Insolvenzereignisses für die vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt hat, Anspruch auf Insg. Insolvenzereignis ist nach § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III ua die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers. Durch den Beschluss des AG vom 19.6.2003 ist jedoch kein (neues) Insolvenzereignis eingetreten. Denn die Insolvenzeröffnung durch Beschluss des AG vom 29.6.2001 entfaltet insoweit eine Sperrwirkung, die einem neuen Anspruch entgegensteht.

16

Nach ständiger Rechtsprechung des BSG, an der der Senat festhält, tritt ein neues Insolvenzereignis nicht ein und kann folglich auch Ansprüche auf Insg nicht auslösen, solange die auf einem bestimmten Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers andauert (vgl BSGE 90, 157, 158 = SozR 3-4300 § 183 Nr 3; BSGE 100, 282, 284 = SozR 4-4300 § 183 Nr 9, RdNr 11, jeweils mwN). Von andauernder Zahlungsunfähigkeit ist so lange auszugehen, wie der Schuldner wegen eines nicht nur vorübergehenden Mangels an Zahlungsmitteln nicht in der Lage ist, seine fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen. Die Zahlungsunfähigkeit endet nicht schon dann, wenn der Schuldner wieder einzelnen Zahlungsverpflichtungen nachkommt (BSGE aaO).

17

Unter Beachtung dieser in der Rechtsprechung entwickelten Grundsätze und unter Berücksichtigung der tatsächlichen Feststellungen des LSG ist die Auffassung der Beklagten, die auf dem im Jahre 2001 eingetretenen Insolvenzereignis beruhende Zahlungsunfähigkeit habe in der Folgezeit fortbestanden, nicht zu beanstanden. Das LSG hat unmissverständlich festgestellt, dass die jedenfalls seit Juni 2001 insolvente Arbeitgeberin der Klägerin auch danach zu keinem Zeitpunkt die Zahlungsfähigkeit wiedererlangt hat. Es hat die Entwicklung der wirtschaftlichen Situation der Arbeitgeberin insbesondere in der Zeit ab 2002 ausführlich dargestellt und im Ergebnis ausgeführt, dass die ursprüngliche Insolvenz aufgrund des fehlgeschlagenen Liquiditätskonzepts bis zur Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens noch nicht beendet war und dass die Arbeitgeberin zu keinem Zeitpunkt ausreichende Liquidität erlangt hatte, um ihre fälligen Geldschulden im Allgemeinen dauerhaft erfüllen zu können. Das durchgehende Fehlen von Zahlungsfähigkeit wird auch dadurch offenkundig, dass die Arbeitgeberin von Anfang an nicht in der Lage war, die im Insolvenzplan vorgesehenen Zahlungen zu leisten. Diese den Senat gemäß § 163 SGG bindenden tatsächlichen Feststellungen des LSG führen zwingend zur Sperrwirkung des Insolvenzereignisses aus dem Jahre 2001 mit der Folge, dass der Klägerin über das hierfür erhaltene Insg hinaus kein weiterer Anspruch zusteht.

18

Etwas anderes ergibt sich nicht aus den Feststellungen des LSG, wonach das erste Insolvenzverfahren nach Vorlage eines Insolvenzplans und Bestätigung des Plans durch das Insolvenzgericht zum 31.12.2001 aufgehoben wurde und eine Überwachung des Insolvenzplans durch den Insolvenzverwalter nicht vorgesehen war. Insoweit ist zunächst die Rechtsprechung des Senats zu beachten, wonach allein aus der Bestätigung eines Insolvenzplans und der Aufhebung des Insolvenzverfahrens noch nicht folgt, dass der zunächst eingetretene Insolvenzfall beseitigt wäre; denn die nur die Beteiligten des Insolvenzplanverfahrens betreffenden Wirkungen des Insolvenzplans nach Maßgabe des § 255 InsO werden hinfällig, wenn der Schuldner den Plan nicht erfüllt(BSGE 90, 157, 159 = SozR 3-4300 § 183 Nr 3). An dieser Rechtsprechung hält der Senat weiter fest.

19

Soweit der Senat darüber hinaus in der Vergangenheit für die Annahme fortdauernder Zahlungsunfähigkeit auf die andauernde Überwachung der Planerfüllung durch den Insolvenzverwalter abgestellt hat (BSGE 100, 282, 285 = SozR 4-4300 § 183 Nr 9, RdNr 14), ist hieraus nicht etwa zu folgern, dass immer von der Wiedererlangung der Zahlungsfähigkeit auszugehen wäre, wenn der Insolvenzplan nicht überwacht wird. Bei andauernder Planüberwachung wird lediglich besonders deutlich, dass insbesondere im Hinblick auf die fortbestehenden Befugnisse des Insolvenzverwalters von einer Wiedererlangung der Fähigkeit, fällige Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen, von vornherein keine Rede sein kann. Der Senat hat deshalb ausdrücklich offengelassen, wie in Fällen fehlender Überwachung zu verfahren ist (BSGE 90, 157, 161 = SozR 3-4300 § 183 Nr 3). Diese Rechtsprechung entwickelt der Senat in dem Sinne weiter, dass auch dann ein einheitlicher Insolvenztatbestand vorliegen kann, wenn keine Überwachung der Planerfüllung stattfindet. Dies ist anhand der Einzelumstände zu prüfen und im Streitfall von den Tatsachengerichten festzustellen. Wird - wie im vorliegenden Fall durch das LSG - eindeutig festgestellt, dass der Schuldner die ihm nach dem Insolvenzplan aufgegebenen Zahlungen überhaupt nicht leisten konnte und auch sonst nach der Aufhebung des ersten Insolvenzverfahrens (mit Ablauf des 31.12.2001) bis zur Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens (am 19.6.2003) zu keinem Zeitpunkt die Fähigkeit wieder eingetreten ist, die fälligen Geldschulden im Allgemeinen zu erfüllen, muss es bei der Sperrwirkung des Insolvenzereignisses bleiben.

20

2. Ein Anspruch auf Insg kann auch nicht - wie das LSG zu Recht ausgeführt hat - aus § 183 Abs 2 SGB III hergeleitet werden. Nach dieser Vorschrift kann ein Arbeitnehmer, der in Unkenntnis eines Insolvenzereignisses weitergearbeitet oder die Arbeit aufgenommen hat, Insg auch für die dem Tag der Kenntnisnahme vorausgehenden drei Monate des Arbeitsverhältnisses erhalten. Ein solcher Anspruch kommt unter den gegebenen Umständen nicht in Betracht. Denn der Klägerin war das maßgebliche Insolvenzereignis von 2001 bereits bekannt, da sie hierfür Insg erhalten hatte (vgl BSGE 100, 282, 285 f = SozR 4-4300 § 183 Nr 9, RdNr 16; vgl auch zur Vorgängervorschrift des § 141b Abs 4 Arbeitsförderungsgesetz - BSG SozR 3-4100 § 141e Nr 3).

21

3. Der Rechtsmeinung des LSG, § 183 SGB III sei "richtlinienkonform" dahingehend auszulegen, dass bei fehlender Planüberwachung auch ein nachfolgendes zweites "formelles" Insolvenzereignis für einen Anspruch auf Insg ausreiche, folgt der Senat nicht.

22

Die Ausführungen des LSG, der Umstand, dass von den Mitgliedstaaten die erforderlichen Rechtsvorschriften zur Umsetzung der RL 80/987 idF der RL 2002/74 bis 8.10.2005 zu erlassen seien, stehe einer "sofortigen Anwendung" dieser Richtlinie nicht im Wege, stehen bereits nicht im Einklang mit der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs (EuGH). Denn hiernach kommt der RL 2002/74 im Fall ihrer Nichtumsetzung unmittelbare Wirkung nur im Zusammenhang mit nach dem 8.10.2005 eingetretenen Insolvenzfällen zu (EuGH, Urteil vom 17.1.2008 - C-246/06 - EuGHE I 2008, 105, 1057; Urteil vom 10.3.2011 - C-477/09 - NJW 2011, 1791). Im vorliegenden Fall war jedoch der zweite (unbeachtliche) Insolvenzfall bereits durch Beschluss des AG vom 19.6.2003 eingetreten.

23

Unabhängig davon verkennt das LSG bei seiner Auslegung der RL 80/987 idF der RL 2002/74 den Regelungsgehalt des Art 2 der RL, der insbesondere definiert, wann ein Arbeitgeber als zahlungsunfähig "gilt". Dem Text des Art 2 Abs 1 in der hier maßgebenden Fassung (jetzt: EGRL 2008/94 vom 22.10.2008) sind aber keine ausdrücklichen Bestimmungen zu der im vorliegenden Fall streitigen Frage zu entnehmen, ob einem Arbeitnehmer, der bereits aus Anlass der Zahlungsunfähigkeit seines Arbeitgebers eine Garantieleistung iS der RL erhalten hat, bei andauernder Zahlungsunfähigkeit durch die zuständige Garantieeinrichtung erneut eine Leistung zu gewähren ist. Soweit aufgrund der Änderungen durch die RL 2002/74 von einem "Gesamtverfahren" sowie in Art 2 Abs 4 davon die Rede ist, dass die Mitgliedstaaten "nicht gehindert sind", den Schutz der Arbeitnehmer auch "auf andere Situationen der Zahlungsunfähigkeit" auszuweiten, erfordert dies jeweils den Erlass entsprechender Rechts- oder Verwaltungsvorschriften durch die Mitgliedstaaten, über die diese frei entscheiden können (vgl Abschnitt 5 der Erwägungen der RL 2002/74 EG und auch Abschnitt 4 der Erwägungen bzw Art 2 Abs 4 der Neufassung der RL durch die RL 2008/94/EG vom 22.10.2008, ABl L 283 vom 28.10.2008, S 36 ff).

24

Nicht zu folgen vermag der Senat dem LSG insbesondere, soweit es aus den Materialien zur Änderung der RL 80/987 durch die RL 2002/74 den Schluss zieht, jedes "formell definierte Insolvenzereignis" iS der RL 80/987 sei geeignet, einen Anspruch gegen die Garantieeinrichtung zu begründen. Das LSG verweist hierzu vor allem auf den "Gemeinsamen Standpunkt" des Rates vom 18.2.2002 (Amtsblatt der Europäischen Gemeinschaften vom 22.5.2002, C 119 E/1), in dessen Abschnitt 5 - wortgleich übernommen in Abschnitt 5 der Erwägungen der RL 2002/74 EG - ausgeführt ist, es sei angebracht, mit dem Begriff der Zahlungsunfähigkeit "auch andere Insolvenzverfahren als Liquidationsverfahren zu erfassen", und die Mitgliedstaaten sollten "vorsehen können, dass für den Fall, dass das Vorliegen einer Insolvenz zu mehreren Insolvenzverfahren führt, die Situation so behandelt wird, als würde es sich um ein einziges Insolvenzverfahren handeln". Aus Sicht des Senats ist nicht nachvollziehbar, inwiefern dies "im Umkehrschluss" bedeuten soll, dass - mangels deutscher gesetzlicher Regelungen, die mehrere Insolvenzverfahren zu einem Gesamtverfahren zusammenfassen - im vorliegenden Fall die "formelle" Eröffnung des zweiten Insolvenzverfahrens am 19.6.2003 einen neuen Anspruch auf Insg auslöst. Den Mitgliedstaaten räumen die Erwägungen die Möglichkeit ein, für die Zukunft auch andere Verfahren einzubeziehen und für diesen Fall einschränkend zu bestimmen, wann mehrere Verfahren als "einziges" Verfahren zu behandeln sind. Hieraus kann jedoch nicht abgeleitet werden, dass ohne ausdrückliche Neuregelung zwei aufeinanderfolgende Insolvenzereignisse nicht als einheitliches Insolvenzereignis behandelt werden dürften, wenn zwischenzeitlich weiterhin Zahlungsunfähigkeit bestanden hat.

25

Für die Auffassung des LSG sprechen schließlich auch nicht die angeführten wirtschafts- und sozialpolitischen Erwägungen (S 34 des Urteilsumdrucks), die auch Äußerungen im Schrifttum zugrunde liegen (Frank/Heinrich NZI 2011, 569, 571 ff und NZS 2011, 689, 691). Es mag zwar wünschenswert sein, in Sanierungsfällen über den Schutz des § 183 Abs 2 SGB III hinaus auch Arbeitnehmern, die schon einmal Insg erhalten haben, eine zusätzliche Absicherung zuzubilligen. Unabhängig davon, dass im vorliegenden Fall die Sanierungsbemühungen offenbar von vornherein zum Scheitern verurteilt waren, kann derartigen Vorstellungen aber nur durch den Gesetzgeber entsprochen werden. Die mit der Einführung von Insolvenzplanverfahren verfolgten Zielsetzungen rechtfertigen es nicht, allein aufgrund der Bestätigung des Plans und der Aufhebung des Insolvenzverfahrens eine erneute Inanspruchnahme der Insg-Versicherung zu eröffnen; auch ist zu beachten, dass der Gesetzgeber mit den §§ 183 ff SGB III nicht die Ziele der InsO verfolgt(vgl dazu bereits BSGE 90, 157, 160 f = SozR 4-4300 § 183 Nr 3). Wie die aktuelle Entwicklung zeigt, hat sich der deutsche Gesetzgeber anlässlich der Überarbeitung und Neugestaltung des SGB III im Jahre 2011 insbesondere im Hinblick auf zu erwartende Mehrkosten für die umlagepflichtigen Arbeitgeber und mögliche Wettbewerbsverzerrungen gerade nicht dazu entschlossen, eine gesetzliche Regelung iS der Auffassung des LSG in das SGB III aufzunehmen (vgl Gegenäußerung der Bundesregierung zur - sich explizit auf die vorliegende Entscheidung des LSG beziehenden - Stellungnahme des Bundesrats zum Entwurf des Gesetzes zur Verbesserung der Eingliederungschancen am Arbeitsmarkt, BT-Drucks 17/6853 S 18, zu Nr 2, und S 1 ff, zu Art 1 Nr 7a und Art 2 Nr 18).

26

4. Nach alledem steht das einschlägige europäische Recht der Anwendung des § 183 Abs 1 S 1 Nr 1 SGB III iS der Rechtsprechung des BSG(s oben 1.) nicht entgegen. Der Senat ist nicht gehalten, die oben behandelten Fragen zur Auslegung der RL 80/987 idF der RL 2002/74 dem EuGH gemäß Art 267 des Vertrags über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) vorzulegen. Denn insoweit liegt bereits hinreichend aussagekräftige Rechtsprechung des EuGH vor. Geklärt ist insbesondere, dass der RL unmittelbare Wirkung nur im Zusammenhang mit nach dem 8.10.2005 eingetretenen Insolvenzfällen zukommt (EuGH, Urteil vom 17.1.2008 - C-246/06 - EuGHE I 2008, 105; Urteil vom 10.3.2011 - C-477/09 - NJW 2011, 1791). Nicht ersichtlich ist, dass im vorliegenden Fall durch die Anwendung des § 183 SGB III entsprechend der Auffassung des Senats der allgemeine Grundsatz der Gleichheit und Nichtdiskriminierung(vgl EuGH, Urteil vom 12.12.2002 - C-442/00 - SozR 3-6084 Art 2 Nr 3; Urteil vom 7.9.2006 - C-81/05 - SozR 4-6084 Art 3 Nr 3; Urteil vom 17.1.2008 - C-246/06 - EuGHE I 2008, 105) verletzt sein könnte. So ist insbesondere die Differenzierung zwischen Personen, die - wie die Klägerin - aus Anlass der Zahlungsunfähigkeit ihres Arbeitgebers schon einmal eine Garantieleistung erhalten haben, und Personen, die erstmalig eine solche Leistung beanspruchen (vgl § 183 Abs 2 SGB III aF; jetzt § 165 Abs 3 SGB III), sachlich gerechtfertigt.

27

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

(1) Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer haben Anspruch auf Insolvenzgeld, wenn sie im Inland beschäftigt waren und bei einem Insolvenzereignis für die vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses noch Ansprüche auf Arbeitsentgelt haben. Als Insolvenzereignis gilt

1.
die Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen des Arbeitgebers,
2.
die Abweisung des Antrags auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens mangels Masse oder
3.
die vollständige Beendigung der Betriebstätigkeit im Inland, wenn ein Antrag auf Eröffnung des Insolvenzverfahrens nicht gestellt worden ist und ein Insolvenzverfahren offensichtlich mangels Masse nicht in Betracht kommt.
Auch bei einem ausländischen Insolvenzereignis haben im Inland beschäftigte Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer einen Anspruch auf Insolvenzgeld.

(2) Zu den Ansprüchen auf Arbeitsentgelt gehören alle Ansprüche auf Bezüge aus dem Arbeitsverhältnis. Als Arbeitsentgelt für Zeiten, in denen auch während der Freistellung eine Beschäftigung gegen Arbeitsentgelt besteht (§ 7 Absatz 1a des Vierten Buches), gilt der Betrag, der auf Grund der schriftlichen Vereinbarung zur Bestreitung des Lebensunterhalts im jeweiligen Zeitraum bestimmt war. Hat die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer einen Teil ihres oder seines Arbeitsentgelts nach § 1 Absatz 2 Nummer 3 des Betriebsrentengesetzes umgewandelt und wird dieser Entgeltteil in einem Pensionsfonds, in einer Pensionskasse oder in einer Direktversicherung angelegt, gilt die Entgeltumwandlung für die Berechnung des Insolvenzgeldes als nicht vereinbart, soweit der Arbeitgeber keine Beiträge an den Versorgungsträger abgeführt hat.

(3) Hat eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer in Unkenntnis eines Insolvenzereignisses weitergearbeitet oder die Arbeit aufgenommen, besteht der Anspruch auf Insolvenzgeld für die dem Tag der Kenntnisnahme vorausgegangenen drei Monate des Arbeitsverhältnisses.

(4) Anspruch auf Insolvenzgeld hat auch der Erbe der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers.

(5) Der Arbeitgeber ist verpflichtet, einen Beschluss des Insolvenzgerichts über die Abweisung des Antrags auf Insolvenzeröffnung mangels Masse dem Betriebsrat oder, wenn kein Betriebsrat besteht, den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern unverzüglich bekannt zu geben.

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Gehört in einem Rechtszug weder der Kläger noch der Beklagte zu den in § 183 genannten Personen oder handelt es sich um ein Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2), werden Kosten nach den Vorschriften des Gerichtskostengesetzes erhoben; die §§ 184 bis 195 finden keine Anwendung; die §§ 154 bis 162 der Verwaltungsgerichtsordnung sind entsprechend anzuwenden. Wird die Klage zurückgenommen, findet § 161 Abs. 2 der Verwaltungsgerichtsordnung keine Anwendung.

(2) Dem Beigeladenen werden die Kosten außer in den Fällen des § 154 Abs. 3 der Verwaltungsgerichtsordnung auch auferlegt, soweit er verurteilt wird (§ 75 Abs. 5). Ist eine der in § 183 genannten Personen beigeladen, können dieser Kosten nur unter den Voraussetzungen von § 192 auferlegt werden. Aufwendungen des Beigeladenen werden unter den Voraussetzungen des § 191 vergütet; sie gehören nicht zu den Gerichtskosten.

(3) Die Absätze 1 und 2 gelten auch für Träger der Sozialhilfe einschließlich der Leistungen nach Teil 2 des Neunten Buches Sozialgesetzbuch, soweit sie an Erstattungsstreitigkeiten mit anderen Trägern beteiligt sind.

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).

(1) Die Gebühren richten sich nach dem Wert des Streitgegenstands (Streitwert), soweit nichts anderes bestimmt ist.

(2) Kosten werden nach dem Kostenverzeichnis der Anlage 1 zu diesem Gesetz erhoben.

(1) In Verfahren vor den Gerichten der Verwaltungs-, Finanz- und Sozialgerichtsbarkeit ist, soweit nichts anderes bestimmt ist, der Streitwert nach der sich aus dem Antrag des Klägers für ihn ergebenden Bedeutung der Sache nach Ermessen zu bestimmen.

(2) Bietet der Sach- und Streitstand für die Bestimmung des Streitwerts keine genügenden Anhaltspunkte, ist ein Streitwert von 5 000 Euro anzunehmen.

(3) Betrifft der Antrag des Klägers eine bezifferte Geldleistung oder einen hierauf bezogenen Verwaltungsakt, ist deren Höhe maßgebend. Hat der Antrag des Klägers offensichtlich absehbare Auswirkungen auf künftige Geldleistungen oder auf noch zu erlassende, auf derartige Geldleistungen bezogene Verwaltungsakte, ist die Höhe des sich aus Satz 1 ergebenden Streitwerts um den Betrag der offensichtlich absehbaren zukünftigen Auswirkungen für den Kläger anzuheben, wobei die Summe das Dreifache des Werts nach Satz 1 nicht übersteigen darf. In Verfahren in Kindergeldangelegenheiten vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit ist § 42 Absatz 1 Satz 1 und Absatz 3 entsprechend anzuwenden; an die Stelle des dreifachen Jahresbetrags tritt der einfache Jahresbetrag.

(4) In Verfahren

1.
vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit, mit Ausnahme der Verfahren nach § 155 Satz 2 der Finanzgerichtsordnung und der Verfahren in Kindergeldangelegenheiten, darf der Streitwert nicht unter 1 500 Euro,
2.
vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit und bei Rechtsstreitigkeiten nach dem Krankenhausfinanzierungsgesetz nicht über 2 500 000 Euro,
3.
vor den Gerichten der Verwaltungsgerichtsbarkeit über Ansprüche nach dem Vermögensgesetz nicht über 500 000 Euro und
4.
bei Rechtsstreitigkeiten nach § 36 Absatz 6 Satz 1 des Pflegeberufegesetzes nicht über 1 500 000 Euro
angenommen werden.

(5) Solange in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit der Wert nicht festgesetzt ist und sich der nach den Absätzen 3 und 4 Nummer 1 maßgebende Wert auch nicht unmittelbar aus den gerichtlichen Verfahrensakten ergibt, sind die Gebühren vorläufig nach dem in Absatz 4 Nummer 1 bestimmten Mindestwert zu bemessen.

(6) In Verfahren, die die Begründung, die Umwandlung, das Bestehen, das Nichtbestehen oder die Beendigung eines besoldeten öffentlich-rechtlichen Dienst- oder Amtsverhältnisses betreffen, ist Streitwert

1.
die Summe der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen, wenn Gegenstand des Verfahrens ein Dienst- oder Amtsverhältnis auf Lebenszeit ist,
2.
im Übrigen die Hälfte der für ein Kalenderjahr zu zahlenden Bezüge mit Ausnahme nicht ruhegehaltsfähiger Zulagen.
Maßgebend für die Berechnung ist das laufende Kalenderjahr. Bezügebestandteile, die vom Familienstand oder von Unterhaltsverpflichtungen abhängig sind, bleiben außer Betracht. Betrifft das Verfahren die Verleihung eines anderen Amts oder den Zeitpunkt einer Versetzung in den Ruhestand, ist Streitwert die Hälfte des sich nach den Sätzen 1 bis 3 ergebenden Betrags.

(7) Ist mit einem in Verfahren nach Absatz 6 verfolgten Klagebegehren ein aus ihm hergeleiteter vermögensrechtlicher Anspruch verbunden, ist nur ein Klagebegehren, und zwar das wertmäßig höhere, maßgebend.

(8) Dem Kläger steht gleich, wer sonst das Verfahren des ersten Rechtszugs beantragt hat.