Sozialgericht Landshut Urteil, 18. Juni 2019 - S 4 KR 9/19

bei uns veröffentlicht am18.06.2019

Gericht

Sozialgericht Landshut

Tenor

I. Der Bescheid vom 16.10.2018, geändert im Bescheid vom 08.11.2018 in Form des Widerspruchsbescheides vom 05.12.2018, Az. … ., wird aufgehoben.

II. Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von den Kosten der häuslichen Krankenpflege für den Zeitraum vom 22.10.2018 bis 31.12.2018 in Höhe von 315,22 EUR freizustellen sowie an die Klägerin 1.882,40 EUR zu bezahlen.

III. Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Tatbestand

Die Beteiligten streiten um die Kostenerstattung und Freistellung von den Kosten häuslicher Krankenpflege in Form von Medikamentenabgabe und Blutzuckermessungen vom 22.10.2018 bis 31.12.2018 während die Klägerin in einer ambulant betreuten Wohngruppe lebt.

1. Die am …1939 geborene Klägerin lebt seit dem 11.12.2016 in der ambulant betreuten Wohngemeinschaft II in dem „Seniorenservicehaus L.“ zusammen mit 11 weiteren Personen. In dem selben Gebäude befindet sich eine weitere Wohngemeinschaft mit maximal 12 Bewohnern.

Die Klägerin erhält Pflegeleistungen aus dem Pflegegrad 4. Leistungen der Pflegeversicherung werden im Rahmen der Sachleistung in Anspruch genommen. Die Pflegekasse zahlt auch den Wohngruppenzuschlag in Höhe von 214,00 €.

2. Dem Aufenthalt in der ambulant betreuten Wohngemeinschaft in dem „Seniorenservicehaus L.“ lagen folgende Verträge zugrunde:

Mit der Firma W. Service Wohnen GmbH schloss die Klägerin folgende Verträge:

- den Mietvertrag vom 11.12.2016 (Mietvertag), der u.a. folgende Regelungen enthält:

„Nr. 1.1: Dem Mieter wird der Raum Nr. A001, der aus dem beigefügten Lageplan ersichtlich ist, ausschließlich zu Wohnzwecken überlassen.“

Nr. 3.1: Die Miete (Netto-Kaltmiete) beträgt monatlich 418,12 Euro.

Nr. 4.1: Die Betriebskosten für den Raum A001 betragen 174,20 Euro als monatliche Pauschalzahlung.

Nr. 5.1: Bei Vertragsunterzeichnung leistet der Mieter eine Kaution in Höhe von drei Monatskaltmieten = 1.254,36 Euro.

Nr. 12.2: Die diesem Vertrag beigefügte Gemeinschaftsordnung, der Betreuungsvertrag und das Übergabeprotokoll sind Vertragsbestandteil.

- den Betreuungsvertrag vom 11.12.2016 (Betreuungsvertrag), der u.a. folgende Regelungen enthält:

„§ 2 Nr. 4: Die Leistungen der Betreuungskräfte umfassen insbesondere:

- Rufbereitschaft 24 Stunden

- Bereithaltung bzw. Vermittlung von pflegerischen Diensten;

- Gewährung von Erster Hilfe im Notfall und Vermittlung ärztlicher Hilfe;

- Verständigung von Angehörigen bei Notsituationen;

- Kooperation mit Ärzten;

- Hilfestellung in Behördenangelegenheiten;

- Entwicklung und Gestaltung einer Hausgemeinschaft;

- Information und Beratung der Angehörigen bzw. Betreuer;

- Wäscheservice…

- Zubereitung von täglich drei Haupt-, sowie bis zu drei Zwischenmahlzeiten mit alkoholfreien Getränken

- Reinigung der Wohnung;

§ 3 Nr. 1: Für die in § 2 bezeichneten Leistungen erhält der Träger vom Bewohner ein pauschales Entgelt in Höhe von monatlich € 1.150,00.“

Mit dem ambulanten Pflegedienst K. W. schloss die Versicherte außerdem einen Vertrag über ambulante pflegerische Leistungen vom 11.12.2016 (Pflegevertrag) mit folgendem Inhalt:

1.2. Die Leistungen des SGB V und deren Vergütungen ergeben sich dem Grunde nach aus der vom Pflegedienst mit der Krankenkasse des Kunden geschlossenen Vergütungsvereinbarung. Die vertragsärztlich verordneten Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V werden mit der auf der Rückseite dieser Verordnung vorgesehenen Unterschrift des Kunden jeweils Bestandteil des vertraglich vereinbarten Leistungsumfangs. Für nicht gesetzlich krankenversicherte Kunden, die ärztlich verordnete Leistungen der häuslichen Krankenpflege in Anspruch nehmen, ergeben sich die Vergütung dieser Leistungen aus einem Kostenvoranschlag den der Pflegedienst unverzüglich aushändigt.

1.3. Sachleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung - soweit bewilligt - und der Pflegeversicherung oder anderer Sozialleistungsträger werden vom Pflegedienst unmittelbar mit diesen abgerechnet. Die hinsichtlich der Leistungen der Pflegeversicherung verbleibenden Eigenanteile sowie die Leistungen der häuslichen Krankenpflege gegenüber nicht gesetzlich Versicherten werden dem Kunden in Rechnung gestellt.

1.4. Bewilligt die gesetzliche Krankenkasse ärztlich verordnete Leistungen nicht und will der Kunde diese dennoch in Anspruch nehmen, erstellt der Pflegedienst einen Kostenvoranschlag für diese Leistungen auf Basis der zwischen der jeweiligen gesetzlichen Krankenkasse und dem Pflegedienst vertraglich vereinbarten Vergütung. Die nicht bewilligten, aber aufgrund ärztlicher Anordnung weiterhin in Anspruch genommenen Leistungen hat der Kunde selbst zu bezahlen.

Mit der Vereinbarung zum Bewohnergremium der Wohngemeinschaft II des „Seniorenservicehauses L.“ der W. Service Wohnen GmbH vom 11.12.2016 (Bewohnergremiumsvereinbarung) regelten die Beteiligten das Verhältnis zwischen den Mietern, dem Vermieter dem Pflegedienst und dem Betreuungsdienst. Diese Vereinbarung enthält u.a. folgende Regelungen:

„§ 4 Zuständigkeit des Gremiums

1. Das Gremium entscheidet über die Angelegenheiten des Gemeinschaftslebens, z.B.“

Nutzung und Gestaltung der gemeinsamen Räume, gemeinschaftliche Anschaffungen,

ausnahmsweise Haustierhaltung, Reinigung der Gemeinschaftsräume, Gartenpflege usw. Sonderwünsche erhöhen die Kosten entsprechend.

2. Das Gremium ist an gesetzliche, behördliche und vertragliche Vorgaben gebunden,

die Voraussetzung bzw. Bedingung sind für die Betreuung und Pflege in der Wohngemeinschaft. Das Gremium hat keine Entscheidungskompetenz bzgl. des Betreuungskonzepts des Pflege- und Betreuungsdienstes.

§ 8 Betreuungsvertrag und Pflegevertrag

1. Für jeden Mieter ist mit einem Dienstleister ein individueller Betreuungs- und Pflegevertrag abzuschließen.

Das Bewohnergremium der Wohngemeinschaft des Seniorenservicehauses L. und die W. Service Wohnen GmbH haben am 13.11.2018 einen Vertrag über eine Präsenzkraftbestellung (Präsenzkraftbestellungsvereinbarung) geschlossen, mit folgendem Inhalt:

2.) Leistungen:

Die von den Präsenzkräften zu leistenden Tätigkeiten können sein:

- Organisatorische Unterstützung bei Ein- und Auszug von Bewohnern (nicht Möbeltransport)‚ regelmäßigen Betreuungsangeboten

- Kontakt zu ehrenamtlichen Helfern (Beschäftigungsprogramme)

- Beratung und lnformationsaustausch mit Bewohnern, Angehörigen,

- Vereinbarung von Terminen mit Dritten (z.B. Friseur, Fußpflege, Geistlichen etc.}

- Veröffentlichung von Informationen, Terminen etc (Pinnwand, Presse).

- Entgegennahme und Verteilung von Wareneingängen/Post für Bewohner

- Hilfestellung in Behördenangelegenheiten

- Vermittlung von Hausmeisterdiensten

- Kooperation mit Ärzten, Therapeuten und Apotheken

- Begleitung bei Arztvisiten und Umsetzung der Anweisungen des Arztes Individuelle Pflege- und Betreuungsleistungen sind nicht Gegenstand dieses Auftrages.

Fürsorgeleistungen nach dem SGB XII werden im Rahmen dieser Vereinbarung nicht erbracht.

3. Unter Vorlage einer ärztlichen Verordnung der Praxis Dres. S. E. und K. W.-M. vom 01.10.2018 beantragte der ambulante Krankenpflegedienst K. W. für die Klägerin häusliche Krankenpflege (HKP) in Form von Verabreichen von Medikamenten 7 x täglich/7 x wöchentlich, Blutzuckermessung 3 x täglich/7 x wöchentlich und Injektionen 3 x täglich/7 x wöchentlich für den Zeitraum vom 01.10.2018 bis 31.12.2018.

Mit Bescheid vom 16.10.2018 wurden Injektionen 3 x täglich/7 x wöchentlich für den Zeitraum vom 01.10.2018 bis 31.12.2018 genehmigt. Verabreichen von Medikamenten 7 x täglich/7 x wöchentlich, Blutzuckermessung 3 x täglich/7 x wöchentlich wurde letztmalig von 01.10.2018 bis 21.10.2018 bewilligt. Hierbei handele es sich um einfachste Behandlungspflege im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG), die in einem Haushalt grundsätzlich von jedem Erwachsenen erbracht werden könne. Dies sei analog auch auf die Kräfte der Wohngemeinschaften anzuwenden, die für die psychosoziale Betreuung und Begleitung für die Bewohner der Wohngemeinschaft zuständig sind.

Mit Schreiben vom 02.11.2018 legte die Klägerin Widerspruch ein. Mit der Vorgabe Behandlungspflege durch nicht geschulte Betreuungskräfte einer Wohngemeinschaft durchführen zu lassen, sei sie nicht einverstanden.

Mit weiterem Bescheid vom 08.11.2018 lehnte die Beklagte die Medikamentengabe und Blutzuckermessungen ab dem 22.10.2018 ab unter Wiederholung der Begründung des Bescheides vom 16.10.2018.

Mit Widerspruchsbescheid vom 05.12.2018 wies die Beklagte den Widerspruch zurück.

Ein Anspruch auf häusliche Krankenpflege bestehe auch in betreuten Wohngemeinschaften. Nach Rechtsprechung des BSG sei eine Behandlungspflege jedoch „nicht erforderlich“, wenn und insoweit die Bewohner bereits einen Anspruch auf die jeweilige Leistung gegen den Betreuungsdienst haben. Ein Anspruch dieser Art ergebe sich aus dem Betreuungsvertrag. Der Betreuungsvertrag mit der Firma W. Service Wohnen GmbH für die ambulante Wohngemeinschaft „Seniorenservicehaus.“ beinhalte unter § 2 als „direkte Leistung“ die Betreuung im „lebenspraktischen Bereich“, dazu gehöre auch die Gesundheitssorge. Die regelmäßige Einnahme von Medikamenten und das Blutzuckermessen seien in den Bereich der Gesundheitssorge einzuordnen. Eine besondere Qualifikation sei hierfür nicht erforderlich, so dass die Verrichtung von Präsenzkräften, auch ohne medizinische Vorkenntnisse jederzeit sichergestellt werden könne.

Somit sei eine Behandlungspflege im Bereich Medikamentenabgabe und Blutzuckermessen zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung nicht erforderlich im Sinne der Rechtsprechung, da sie bereits anderweitig sichergestellt sei.

4. Mit Schriftsatz vom 03.01.2019 hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin Klage erhoben und diese mit dem Schriftsatz vom 05.03.2019 begründet.

Diesen Schriftsätzen beigefügt waren der Mietvertrag vom 11.12.2016, der Pflegevertrag vom 11.12.2016, der Betreuungsvertrag vom 11.12.2016, die Bewohnergremiumsvereinbarung vom 11.12.2016, die Präsenzkraftbestellungsvereinbarung vom 13.11.2018 sowie die Rechnungen samt Leistungsnachweisen des ambulanten Krankenpflegedienstes K. W. für die Monate Oktober, November und Dezember 2018.

Anspruchsgrundlage sei § 37 Abs. 2 SGB V, da die Wohngemeinschaft, in welcher die Klägerin lebt, ein geeigneter Ort für die Erbringung der HKP sei. Insbesondere fände die Rechtsprechung des BSG zu den Einrichtungen der Eingliederungshilfe, Urteile vom 25.02.2015 - Az.: B 3 KR 10/14 R und B 3 KR 11/14, keine Anwendung. Der Anspruchsausschluss gemäß § 37 Abs. 3 SGB V greife nicht, denn im Haushalt der Klägerin lebe keine Person, die die benötigten Leistungen vorrangig zu erbringen hätte. Auch erfolge keine pauschale Abgeltung durch den Zuschlag nach § 38a SGB XI. Eine individuelle pflegerische Versorgung finde durch die Präsenzkraft nach § 38a SGB XI nicht statt.

Mit Schriftsatz vom 25.04.2019 hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin auf die aktuelle Entscheidung des Sozialgerichts Nürnberg, Beschluss vom 18.02.2019 - Az.: S 7 KR 1/19 ER hingewiesen.

Mit weiterem Schriftsatz vom 28.05.2019 hat die Prozessbevollmächtigte der Klägerin beschrieben, welches Personal sich zu welcher Zeit in der Wohngemeinschaft aufhält.

Von 06.00 bis ca. 10.00 oder 11.00 Uhr, je nach Bedarf, sei eine Pflegefachkraft anwesend, welche die Wohngemeinschaft im Rahmen ihrer Tour anfährt.

Von 07.30 Uhr bis 14.00 Uhr sei für beide im selben Haus geführten Wohngemeinschaften eine Hauswirtschaftskraft anwesend.

Von 07.30 Uhr bis 12.00 Uhr sei für beide Wohngemeinschaften eine Servicekraft vor Ort, welche sich mit Hauswirtschaft beschäftigt und insbesondere die Wäsche reinigt.

Von 08.00 Uhr bis 13.00 Uhr sei für beide Wohngemeinschaften eine Reinigungskraft zur Reinigung der Zimmer vor Ort.

Von 06.00 Uhr bis 14.00 Uhr und von 14.00 Uhr bis 20.30 Uhr sei pro Wohngemeinschaft jeweils eine Betreuungskraft in der WG.

Die Präsenzkraft sei ohne feste Zeiten, je nach Bedarf, in der Regel nachmittags in der WG. Je nach Pflegeaufwand gemäß SGB XI und SGB V komme eine Pflegekraft auf der regulären Tour mittags bzw. abends in der Wohngemeinschaft vorbei.

Von 20.30 Uhr bis 06.00 Uhr sei für beide Wohngemeinschaften eine Nachtschwester für nächtliche Toilettengänge und für Notfälle anwesend.

Am 18.06.2019 fand ein Termin zur mündlichen Verhandlung statt.

Die Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragt,

  • 1.Der Bescheid vom 16.10.2018, geändert im Bescheid vom 08.11.2018 in Form des Widerspruchsbescheides vom 05.12.2018, Az. .. … ., wird aufgehoben.

  • 2.Die Beklagte wird verurteilt, die Klägerin von den Kosten der häuslichen Krankenpflege für den Zeitraum vom 22.10.2018 bis 31.12.2018 in Höhe von 315,22 EUR freizustellen sowie an die Klägerin 1.882,40 EUR zu bezahlen.

  • 3.Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Die Beklagte verweist mit ihren Schriftsätzen vom 21.01.2019 und 15.04.2019 auf die Gründe des Widerspruchsbescheides.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird Bezug genommen auf die Verwaltungsakte der Beklagten sowie die gewechselten Schriftsätze der Beteiligten, die Sitzungsniederschrift und den übrigen Inhalt der Gerichtsakte.

Gründe

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Klägerin hat Anspruch auf Kostenfreistellung bzw. -erstattung von den Kosten der häuslichen Krankenpflege in Form von Medikamentenabgabe und Blutzuckermessungen vom 22.10.2018 bis 31.12.2018 gemäß § 13 Abs. 3 Satz 1 Alt. 2 SGB V. Danach wandelt sich der Sachleistungsanspruch in einen Kostenerstattungs- bzw. Kostenfreistellungsanspruch um, wenn die Krankenkasse einen Antrag des Versicherten auf Gewährung der Sachleistung häusliche Krankenpflege „zu Unrecht abgelehnt“ hat und dem Versicherten dadurch Kosten entstanden sind.

Der Anspruch auf Freistellung von den Kosten bzw. auf Kostenerstattung reicht dabei nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch. Er setzt also voraus, dass die selbst beschaffte Leistung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkasse allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen hat.

Nach der Ansicht der Kammer hat die Klägerin einen Anspruch auf die Gewährung von häuslicher Krankenpflege durch die Beklagte aus § 37 SGB V.

Eine ambulant betreute Wohngemeinschaft kann ein geeigneter Ort zur Erbringung von häuslicher Krankenpflege i.S. des § 37 SGB V sein (hierzu 1.), wenn die Einrichtung nicht selbst zur Erbringung medizinischer Behandlungspflege verpflichtet ist (hierzu 2.) und diese nicht regelmäßig als einfachste Maßnahme der Krankenpflege zu der von ambulant betreuten Wohngemeinschaften geschuldeten Leistung gehört (hierzu 3.).

1. Eine ambulant betreute Wohngemeinschaft kann ein geeigneter Ort zur Erbringung von häuslicher Krankenpflege i.S. des § 37 SGB V sein.

a. Nach § 37 Absatz 2 Satz 1 SGB V erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist.

Gemäß § 37 Abs. 3 SGB V besteht der Anspruch auf häusliche Krankenpflege nur, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang nicht pflegen und versorgen kann.

§ 37 Abs. 6 SGB V bestimmt, dass der Gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 festlegt, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 auch außerhalb des Haushalts und der Familie des Versicherten erbracht werden können.

Diesem Auftrag ist der Gemeinsame Bundesausschuss nachgekommen. In der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege (häusliche Krankenpflege-​Richtlinie) heißt es in § 1 Abs. 2 Satz 2, dass Anspruch auf häusliche Krankenpflege auch an sonstigen geeigneten Orten besteht, an denen sich die oder der Versicherte regelmäßig wiederkehrend aufhält und an denen die verordnete Maßnahme zuverlässig durchgeführt werden kann und für die Erbringung der einzelnen Maßnahme geeignete räumliche Verhältnisse vorliegen (z.B. im Hinblick auf hygienische Voraussetzungen, Wahrung der Intimsphäre, Beleuchtung), wenn die Leistung aus medizinisch-​pflegerischen Gründen während des Aufenthalts an diesem Ort notwendig ist. Orte im Sinne des Satz 2 können insbesondere Schulen, Kindergärten, betreute Wohnformen oder Arbeitsstätten sein. § 1 Absatz 5 regelt hierzu, dass für die Zeit des Aufenthalts in Einrichtungen, in denen nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtungen besteht (z.B. Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen, Pflegeheimen), häusliche Krankenpflege nicht verordnet werden kann.

Das BSG hat zuletzt in seinem Urteil vom 30.11.2017 - Az.: B 3 KR 11/16 R zur Regelung des „sonstigen geeigneten Ortes“ unter den Randnummern 24 bis 26 Folgendes hierzu ausgeführt:

„Der Senat hat in seiner Rechtsprechung (vor allem BSGE 118, 122 = SozR 4-​2500 § 37 Nr. 13, RdNr. 16 ff) bereits mehrmals die Regelung des § 37 Abs. 2 S. 1 SGB V aF (idF des GKV-​WSG) ausgelegt, durch die eine „vorsichtige Erweiterung“ des Haushaltsbegriffs in dieser Norm vorgenommen worden ist (vgl. Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung , BT-​Drucks 16/3100 S. 104 Zu Nummer 22 <§ 37> Zu den Buchstaben a und c). Danach enthält diese Norm keine gesetzliche Definition des „geeigneten Ortes“. Die Vorschrift zählt lediglich beispielhaft eine Anzahl nicht abschließend genannter „geeigneter Orte“ auf, an denen häusliche Krankenpflege möglich ist mit Rücksicht auf das gesetzliche Anliegen, neue Wohnformen in Wohngemeinschaften oder betreutes Wohnen zu fördern. Der Senat hat die Vorschrift dahingehend ausgelegt, dass dem Gesetzestext nicht (mehr) eine Beschränkung derart zu entnehmen ist, dass häusliche Krankenpflege etwa nur dann beansprucht werden kann, wenn noch ein Mindestmaß an eigener Haushaltsführung „oder ein Leben in der Familie“ vorliegt und wenn weitere Leistungen ggf. ambulant in Anspruch genommen werden können. Vor diesem Hintergrund hat der Senat selbst stationäre Einrichtungen als sonstige geeignete Orte im Sinne der häuslichen Krankenpflege in Betracht gezogen, in denen sich der Versicherte auf unabsehbare Zeit aufhält und betreut wird, ohne anderswo zu leben oder zu wohnen. Der Senat hat dazu aufgezeigt, dass die Übergänge von einer Wohngemeinschaft mit ambulanten Betreuungshilfen hin zu einer stationären Einrichtung fließend sein können, und längst nicht alle Formen des betreuten Wohnens eine größere Nähe zur eigenständigen Haushaltsführung aufweisen als eine herkömmliche stationäre Einrichtung. Auf die dadurch bedingte Schwierigkeit einer eindeutigen Zuordnung einer Einrichtung entweder als stationäres Heim oder als ambulantes Angebot mit Betreuungshilfen hat der Senat unter Berücksichtigung der fortschreitenden Entwicklung neuer Wohnformen hingewiesen.

Im Ergebnis hat der Senat den Anspruch auf Behandlungssicherungspflege unter Berücksichtigung des aufgezeigten gesetzlichen und gesetzeskonformen untergesetzlichen Regelwerks - mangels einer ausdrücklichen Definition des Tatbestandsmerkmals „geeigneter Ort“ - dahin konkretisiert, dass der Anspruch zunächst an allen geeigneten Orten besteht, an denen sich der Versicherte regelmäßig wiederkehrend aufhält, wenn die Leistung aus medizinisch-​pflegerischen Gründen während des Aufenthalts an diesem Ort notwendig ist. Einschränkungen in Bezug auf den Aufenthaltsort ergeben sich (1.) aus der Geeignetheit der räumlichen Verhältnisse und (2.) für die Zeit des Aufenthalts in Einrichtungen nur dann, wenn nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtung besteht (wie z.B. in Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen, Pflegeheimen). Ob ein solcher Anspruch besteht, muss die Krankenkasse im Einzelfall prüfen (vgl. zum Ganzen: BSGE 118, 122 = SozR 4-​2500 § 37 Nr. 13, RdNr. 16 ff; Parallelurteil vom 25.2.2015 - B 3 KR 10/14 R - Juris RdNr. 16 ff; Urteil vom 22.4.2015 - B 3 KR 16/14 R - Juris RdNr. 20 ff, NZS 2015, 617; vgl. auch Senatsbeschluss vom 16.3.2017 - B 3 KR 43/16 B - Juris). Daran hält der Senat fest.

Die vorstehend dargestellten Maßstäbe gelten auch für neue Wohnformen, wie das sog. „Service-​Wohnen“, mit dem üblicherweise verschiedene Möglichkeiten des organisierten Wohnens umschrieben werden. Hierzu zählen Wohnformen kombiniert mit Serviceleistungen, die entweder vor Ort (innerhalb des Wohnprojekts) bereitgestellt oder die durch externe Dienste erbracht werden. Neben einem Kauf- oder Mietvertrag schließen die Bewohner ergänzende Betreuungs- bzw. Service-​Verträge ab (vgl. Börner, in Igl/Felix , Schriftenreihe Sozialrecht und Sozialpolitik in Europa, Bd. 8, „Betreutes Wohnen“ in Abgrenzung zum Heimgesetz, Berlin, 2008, zugleich Diss, Kiel 2008, S. 22).“

b. Die Klägerin lebt in der ambulant betreuten Wohngemeinschaft II im „Seniorenservicehaus L.“. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 1 Abs. 2 Satz 2 häusliche Krankenpflege-​Richtlinie handelt es sich dabei um einen sonstigen geeigneten Ort. Die Klägerin hält sich nämlich dort regelmäßig wiederkehrend auf und die verordnete Maßnahme kann dort zuverlässig durchgeführt werden, weil für die Erbringung der einzelnen Maßnahmen geeignete räumliche Verhältnisse unzweifelhaft vorliegen und die verordneten Leistungen aus medizinisch-​pflegerischen Gründen während des Aufenthalts in der Wohngruppe notwendig sind.

Dem Grunde nach kann deshalb die Klägerin in der Wohngemeinschaft, in der sie dauerhaft lebt, einen Anspruch gegen die Beklagte auf Gewährung von häuslicher Krankenpflege in Form der Behandlungspflege haben.

2. Der Anspruch auf Gewährung von häuslicher Krankenpflege in Form der Behandlungspflege ist nicht dadurch ausgeschlossen, weil die Einrichtung selbst zur Erbringung medizinischer Behandlungspflege verpflichtet ist.

a. Das BSG hat im Urteil vom 25.02.2015 - Az.: B 3 KR 11/14 R zur Konstellation der häuslichen Pflege in einer Einrichtung der Eingliederungshilfe unter den Randnummern 23 und 24 im Hinblick auf die Verpflichtung zur Erbringung von medizinischer Behandlungspflege Folgendes entschieden:

„Erbringt der Träger der Sozialhilfe die Leistungen der Eingliederungshilfe in einer vollstationären Einrichtung (§ 13 SGB XII, zum Einrichtungsbegriff iS des SGB XII vgl. BSGE 106, 264 = SozR 4-​3500 § 19 Nr. 2 RdNr. 13) der Hilfe für behinderte Menschen, wird grundsätzlich der gesamte Bedarf des Hilfebedürftigen nach § 9 Abs. 1 SGB XII in der Einrichtung in einrichtungsspezifischer Weise befriedigt. Die Einrichtung übernimmt für den Hilfebedürftigen von dessen Aufnahme bis zur Entlassung die Gesamtverantwortung für seine tägliche Lebensführung (vgl. Luthe in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand November 2014, K § 13 RdNr. 58, 59 mwN). Leistungen der Eingliederungshilfe umfassen nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, § 26 SGB IX auch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, zu denen nach § 26 Abs. 2 SGB IX u.a. auch die Behandlung durch Angehörige von Heilberufen gehört, soweit deren Leistungen unter ärztlicher Aufsicht oder auf ärztliche Anordnung ausgeführt werden, wie es bei der häuslichen Krankenpflege der Fall ist. Nach § 55 Satz 1 SGB XII umfassen die Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen iS des § 43a SGB XI auch die Pflegeleistungen in der Einrichtung. Ist der behinderte Mensch allerdings so pflegebedürftig, dass die Pflege in der Einrichtung nicht sichergestellt werden kann, vereinbaren der Träger der Sozialhilfe und die zuständige Pflegekasse mit dem Einrichtungsträger, dass die Leistung in einer anderen Einrichtung erbracht wird, wobei den angemessenen Wünschen des behinderten Menschen Rechnung zu tragen ist (§ 55 Satz 2 SGB XII).

Danach hat der Träger der Sozialhilfe zwar letztlich alle Teilhabebedarfe der Eingliederungshilfe zu decken und kann dies durch Leistungen für Einrichtungen (§ 13 Abs. 1 SGB XII) gewährleisten, zu beachten ist aber der Nachrang der Sozialhilfe (§ 2 SGB XII). Leistungen anderer Sozialleistungsträger gehen grundsätzlich den Leistungen der Sozialhilfe vor (§ 2 Abs. 1 SGB XII), und auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach dem Recht der Sozialhilfe entsprechende Leistungen vorgesehen sind (§ 2 Abs. 2 Satz 2 SGB XII). Die medizinische Behandlungspflege ist Aufgabe der GKV, die daher diese Leistung vorrangig vor dem Träger der Sozialhilfe zu erbringen hat. Deshalb hat der Sozialhilfeträger im Verhältnis zur GKV nicht die Aufgabe, durch entsprechende Verträge mit den Einrichtungen der Eingliederungshilfe dafür zu sorgen, dass diese regelmäßig auch Leistungen der medizinischen Behandlungspflege erbringen. Die Verpflichtung der Einrichtung zur Übernahme der Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung sowie zur Deckung der Bedarfe in einrich-tungsspezifischer Weise weist den Einrichtungen daher keine weitergehenden Pflichten zu, als sie aufgrund ihrer Ausrichtung, des Eingliederungszwecks, dem sie dienen, und nach den Vereinbarungen nach §§ 75 ff SGB XII schulden. Einrichtungen der Eingliederungshilfe schulden danach regelmäßig selbst keine medizinischen Behandlungsmaßnahmen, sondern haben lediglich organisatorisch dafür Sorge zu tragen, dass die Bewohner der Einrichtung neben den von der Einrichtung selbst geschuldeten Leistungen auch solche anderer Träger in Anspruch nehmen können. So schulden solche Einrichtungen keine ärztliche Behandlung, sie haben aber ggf. Arztbesuche zu organisieren bzw. zu ermöglichen und die notwendigen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Gleiches gilt grundsätzlich auch für die medizinische Behandlungspflege, es sei denn, aus den Vereinbarungen nach den §§ 75 ff SGB XII ergeben sich weitergehende Leistungsverpflichtungen.“

Die Kammer folgt insoweit der vorstehend dargestellten Auffassung des BSG, wonach sich eine Einschränkung zur Leistungspflicht der Beklagten für medizinische Behandlungspflege ergibt, wenn ein Anspruch auf Behandlungspflege durch die Einrichtung besteht.

b. Die Klägerin hatte im streitgegenständlichen Zeitraum keinen gesetzlichen Anspruch auf Behandlungspflege gegen die Einrichtung.

Davon, dass es sich bei der Seniorenwohngemeinschaft um eine stationäre Pflegeinrichtung im Sinne des § 71 Abs. 2 SGB XI oder eine stationäre Einrichtung nach § 71 Abs. 4 SGB XI handelte, geht die Beklagte selbst nicht aus. Die Klägerin erhielt von der Pflegekasse häusliche Pflegeleistungen nach § 36 SGB XI. Ein Versorgungsvertrag i.S.d. §§ 71 Abs. 2 i.V.m. § 72 SGB XI wurde mit der Einrichtung seitens der Pflegekasse nicht abgeschlossen. Es gibt auch keine tatsächlichen Anhaltspunkte dafür, dass die personelle und sachliche Infrastruktur einer stationären Einrichtung bereitgehalten wurde.

Es bestand auch keine gesetzliche Verpflichtung wegen Unterbringung in einer „faktischen Pflegeeinrichtung“ (zur ähnlichen Wohnsituation wie hier vgl. LSG Baden-​Württemberg Urteil vom 21.7.2015 - L 11 KR 3010/14 - Juris, PflR 2016, 112). Insbesondere enthält der mit der Firma W. Service Wohnen GmbH geschlossene Mietvertrag zwar in Nr. 12.2 die Regelung, dass die diesem Vertrag beigefügte Gemeinschaftsordnung, der Betreuungsvertrag und das Übergabeprotokoll Vertragsbestandteil sind, aber eine vertraglich vereinbarte Verpflichtung zur exklusiv an einen bestimmten Leistungserbringer gebundenen Inanspruchnahme weiterer „Service“ - ​Leistungen bestand nicht.

c. Die Klägerin hatte im streitgegenständlichen Zeitraum keinen vertraglichen Anspruch auf Behandlungspflege gegen die Einrichtung.

Das BSG führte im Urteil vom 25.02.2015 - Az.: B 3 KR 11/14 R unter Randnummer 30 und in seinem Urteil vom 22.04.2015 - Az.: B 3 KR 16/14 R unter Randnummer 34 zum vertraglichen Anspruch auf Behandlungspflege Folgendes aus: „In Einrichtungen, die aufgrund entsprechender Verträge auch medizinische Behandlungspflege zu erbringen haben, besteht für Versicherte ein Anspruch hierauf gegen die Einrichtung „nach den gesetzlichen Bestimmungen“ im Sinne von I. 6. Satz 1 HKP-​Richtlinie. Denn wirksame und rechtmäßige vertragliche Regelungen können Ansprüche „nach gesetzlichen Bestimmungen“ begründen, soweit diese eine Regelung durch entsprechende Verträge ausdrücklich vorsehen. Daher wird in der Literatur und der Rechtsprechung nicht zwischen vertraglichen und gesetzlichen Ansprüchen auf Behandlungspflege gegen den Einrichtungsträger unterschieden (vgl. z.B. BSG SozR 4-​2500 § 37 Nr. 2 sowie Weber, NZS 2011, 650, 653; ausdrücklich auch LSG Sachsen-​Anhalt, Urteil vom 24.10.2012 - L 4 KR 30/10 - Juris; LSG Sachsen-​Anhalt, Beschluss vom 22.11.2011 - L 10 KR 32/11 B ER - Juris).“

Die Firma W. Service Wohnen GmbH ist vertraglich nicht verpflichtet, für die Klägerin Leistungen der Behandlungspflege zu erbringen.

Weder als Vermieterin noch als Trägerin der ambulant betreuten Wohngemeinschaft II im „Seniorenservicehaus L.“ ist die Firma W. Service Wohnen GmbH vertraglich zur Behandlungspflege verpflichtet, denn der Mietvertrag enthält als Leistungspflicht der Vermieterin nur die Wohnraumüberlassung und der Betreuungsvertrag beinhaltet als Leistungspflicht der Trägerin nur Betreuungsleistungen.

Darüber hinausgehende Leistungspflichten regeln weder der Mietvertrag noch der Betreuungsvertrag.

Der mit dem Pflegedienst K. W. geschlossene Pflegevertrag trifft auch Regelungen zu den Leistungen der häuslichen Krankenpflege.

Er sieht unter 1.2 vor, dass sich die Leistungen des SGB V und deren Vergütungen dem Grunde nach aus der vom Pflegedienst mit der Krankenkasse des Kunden geschlossenen Vergütungsvereinbarung ergeben. Die vertragsärztlich verordneten Leistungen der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V werden mit der auf der Rückseite dieser Verordnung vorgesehenen Unterschrift des Kunden jeweils Bestandteil des vertraglich vereinbarten Leistungsumfangs. Unter 1.3 bestimmt der Vertrag, dass die Sachleistungen der gesetzlichen Krankenversicherung - soweit bewilligt - vom Pflegedienst unmittelbar mit dieser abgerechnet werden. Weiter ist unter 1.4 geregelt, dass die nicht bewilligten, aber aufgrund ärztlicher Anordnung weiterhin in Anspruch genommene Leistungen der Kunde selbst zu bezahlen hat.

Damit bleiben die gegen die Krankenkasse bestehenden Ansprüche auf Leistungen der Behandlungspflege vorrangig.

3. Die Erbringung medizinischer Behandlungspflege gehört nicht regelmäßig als einfachste Maßnahme der Krankenpflege zu der von ambulant betreuten Wohngemeinschaften geschuldeten Leistung.

a. Das BSG hat im Urteil vom 25.02.2015 - Az.: B 3 KR 11/14 R unter Randnummer 28 hierzu Folgendes festgestellt:

„Die Leistungspflichten der Eingliederungseinrichtungen ergeben sich für deren Nutzer aus zivilrechtlichen Verträgen mit der Einrichtung und gegenüber dem Träger der Sozialhilfe ausschließlich aus dem SGB XII iVm den auf diesen gesetzlichen Grundlagen basierenden Verträgen (zum sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis BSGE 102, 1 = SozR 4-​1500 § 75 Nr. 9, RdNr. 15 ff). Entscheidend für die Leistungspflichten der Einrichtungen zur Hilfe behinderter Menschen ist danach das in den Vereinbarungen nach den §§ 75 ff SGB XII festgelegte Ziel und der Zweck der Einrichtung, ihr Aufgabenprofil, die vorgesehene sächliche und personelle Ausstattung sowie der zu betreuende Personenkreis. Handelt es sich danach z.B. um eine Einrichtung, deren vorrangige Aufgabe darin besteht, Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten zu leisten, die erforderlich und geeignet sind, behinderten Menschen die für sie erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen (vgl. § 55 Abs. 2 Nr. 3 SGB IX), gehören einfachste medizinische Maßnahmen (vgl. dazu auch BSG SozR 3-​2500 § 53 Nr. 10), die für Versicherte im eigenen Haushalt praktisch von jedem erwachsenen Haushaltsangehörigen erbracht werden können und keine medizinische Fachkunde erfordern, wie die Einnahme von Medikamenten und das Blutdruckmessen, regelmäßig der Natur der Sache nach zum Aufgabenkreis der Einrichtung. Sie sind mit der Gewährung von Eingliederungshilfe durch den Sozialhilfeträger in einer stationären Einrichtung untrennbar verbunden und daher objektiv bereits Bestandteil der Eingliederungshilfe. Dies gilt auch für betreute Wohnformen, wenn dort nach Inhalt und Umfang vergleichbare Eingliederungsleistungen erbracht werden. Zum Erwerb lebenspraktischer Kenntnisse und Fähigkeiten gehört auch die Hilfe bei der Führung eines gesunden Lebens einschließlich der Vermittlung von Einsicht für gesundheitsförderliches Verhalten allgemein und speziell für die Notwendigkeit bestimmter medizinischer Maßnahmen.“

b. Für die Kammer ist die vorliegende Konstellation der ambulant betreuten Wohngemeinschaft nicht vergleichbar mit der vom Bundessozialgericht entschiedenen Konstellation der häuslichen Pflege in einer Einrichtung der Eingliederungshilfe.

Die Argumentation des BSG, wonach einfachste Leistungen der häuslichen Krankenpflege immanenter Bestandteil der Eingliederungshilfe sind, geht davon aus, dass in einer Einrichtung eine Art Gesamtverantwortung für die Bewohner übernommen wird, die das Vorhalten von Personal- und Sachmitteln auf der Grundlage entsprechender Vereinbarungen mit den Sozialhilfeträgern nach §§ 75 SGB XII ff voraussetzt.

Diese Grundlage für die Entscheidungen des BSG findet in ambulant betreuten Wohngruppen kein Äquivalent. Weder die Präsenzkraft i.S.d. § 38a SGB XI i.V.m. der Präsenzkraftbestellungsvereinbarung noch die Betreuungskräfte i.S.d. Betreuungsvertrages stehen in einer vergleichbaren Pflichtenstellung gegenüber den Versicherten.

§ 38a Abs. 1 Nr. 3 SGB XI bestimmt zu der Präsenzkraft, dass „eine Person durch die Mitglieder der Wohngruppe gemeinschaftlich beauftragt ist, unabhängig von der individuellen pflegerischen Versorgung allgemeine organisatorische, verwaltende, betreuende oder das Gemeinschaftsleben fördernde Tätigkeiten zu verrichten oder die Wohngruppenmitglieder bei der Haushaltsführung zu unterstützen.“ Dieser Wortlaut der Vorschrift ordnet der Präsenzkraft ausdrücklich keine individuell pflegerischen Aufgaben zu. Die Tätigkeiten der Präsenzkraft müssen sich daher von der individuell pflegerischen Versorgung abgrenzen (vgl. Weber in NZS Heft 2/2019 Seite 55/56).

In Übereinstimmung hiermit regelt die Präsenzkraftbestellungsvereinbarung unter 2) zu den Leistungen, dass die von den Präsenzkräften zu Ieistenden Tätigkeiten sein können:

- Organisatorische Unterstützung bei Ein- und Auszug von Bewohnern (nicht Möbeltransport)‚ regelmäßigen Betreuungsangeboten

- Kontakt zu ehrenamtlichen Helfern (Beschäftigungsprogramme)

- Beratung und Informationsaustausch mit Bewohnern, Angehörigen,

- Vereinbarung von Terminen mit Dritten (z.B. Friseur, Fußpflege, Geistlichen etc.}

- Veröffentlichung von Informationen, Terminen etc (Pinnwand, Presse).

- Entgegennahme und Verteilung von Wareneingängen/Post für Bewohner

- Hilfestellung in Behördenangelegenheiten

- Vermittlung von Hausmeisterdiensten

- Kooperation mit Ärzten, Therapeuten und Apotheken

- Begleitung bei Arztvisiten und Umsetzung der Anweisungen des Arztes Klarstellend wird bestimmt, dass individuelle Pflege- und Betreuungsleistungen nicht Gegenstand dieses Auftrages sind.

§ 1 Nr. 5 des Betreuungsvertrages regelt Folgendes: „Die Bewohner werden rund um die Uhr von Betreuungskräften betreut die Anleitung und Hilfestellung für die gemeinsame Planung, Gestaltung und Bewältigung des Alltages geben. Soweit notwendig, übernimmt ein ambulanter Krankenpflegedienst die Versorgung mit pflegerischen Leistungen im Sinne der Kranken- und Pflegeversicherung auf der Grundlage eines gesondert abzuschließenden Vertrages.“

Somit werden Aufgaben auf individuell behandlungspflegerische Versorgung vom Betreuungsvertrag nicht erfasst, sondern sind gesonderten Vereinbarungen vorbehalten.

Anders als bei Einrichtungen der Eingliederungshilfe sind der Präsenzkraft vom Gesetzeswortlaut des § 38a SGB XI und den Regelungen der Präsenzkraftbestellungsvereinbarung sowie den Betreuungskräften von § 1 des Betreuungsvertrages keine individuellen pflegerischen Aufgaben zugewiesen, sodass es an einem Anknüpfungspunkt für die Zuordnung einfachster Maßnahmen der Krankenpflege in der ambulant betreuten Wohngemeinschaft II im „Seniorenservicehaus L.“ fehlt.

4. Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.

ra.de-Urteilsbesprechung zu Sozialgericht Landshut Urteil, 18. Juni 2019 - S 4 KR 9/19

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(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen ha

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Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kos

Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB 12 | § 75 Allgemeine Grundsätze


(1) Der Träger der Sozialhilfe darf Leistungen nach dem Siebten bis Neunten Kapitel mit Ausnahme der Leistungen der häuslichen Pflege, soweit diese gemäß § 64 durch Personen, die dem Pflegebedürftigen nahe stehen, oder als Nachbarschaftshilfe übernom

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(1) Sozialhilfe erhält nicht, wer sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozia

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(1) Versicherte erhalten in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen neben der ärztl

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(1) Ziel der Unterstützten Beschäftigung ist es, Leistungsberechtigten mit besonderem Unterstützungsbedarf eine angemessene, geeignete und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu ermöglichen und zu erhalten. Unterstützte Beschäftigung umfasst

Sozialgesetzbuch (SGB) - Elftes Buch (XI) - Soziale Pflegeversicherung (Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Mai 1994, BGBl. I S. 1014) - SGB 11 | § 72 Zulassung zur Pflege durch Versorgungsvertrag


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(1) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 bis 5 vereinbaren zur Sicherung der Zusammenarbeit nach § 25 Absatz 1 gemeinsame Empfehlungen. (2) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 bis 5 vereinbaren darüber hinaus geme

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(1) Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 haben bei häuslicher Pflege Anspruch auf körperbezogene Pflegemaßnahmen und pflegerische Betreuungsmaßnahmen sowie auf Hilfen bei der Haushaltsführung als Sachleistung (häusliche Pflegehilfe). Der Anspruch

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(1) Ambulante Pflegeeinrichtungen (Pflegedienste) im Sinne dieses Buches sind selbständig wirtschaftende Einrichtungen, die unter ständiger Verantwortung einer ausgebildeten Pflegefachkraft Pflegebedürftige in ihrer Wohnung mit Leistungen der häuslic

Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (XII) - Sozialhilfe - (Artikel 1 des Gesetzes vom 27. Dezember 2003, BGBl. I S. 3022) - SGB 12 | § 9 Sozialhilfe nach der Besonderheit des Einzelfalles


(1) Die Leistungen richten sich nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach der Art des Bedarfs, den örtlichen Verhältnissen, den eigenen Kräften und Mitteln der Person oder des Haushalts bei der Hilfe zum Lebensunterhalt. (2) Wünschen

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Sozialgesetzbuch (SGB) - Elftes Buch (XI) - Soziale Pflegeversicherung (Artikel 1 des Gesetzes vom 26. Mai 1994, BGBl. I S. 1014) - SGB 11 | § 38a Zusätzliche Leistungen für Pflegebedürftige in ambulant betreuten Wohngruppen


(1) Pflegebedürftige haben Anspruch auf einen pauschalen Zuschlag in Höhe von 214 Euro monatlich, wenn 1. sie mit mindestens zwei und höchstens elf weiteren Personen in einer ambulant betreuten Wohngruppe in einer gemeinsamen Wohnung zum Zweck der ge

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Für Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 in einer vollstationären Einrichtung im Sinne des § 71 Absatz 4 Nummer 1, in der die Teilhabe am Arbeitsleben, an Bildung oder die soziale Teilhabe, die schulische Ausbildung oder die Erziehung von Mensche

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(1) Versicherte erhalten in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen neben der ärztlichen Behandlung häusliche Krankenpflege durch geeignete Pflegekräfte, wenn Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht ausführbar ist, oder wenn sie durch die häusliche Krankenpflege vermieden oder verkürzt wird. § 10 der Werkstättenverordnung bleibt unberührt. Die häusliche Krankenpflege umfaßt die im Einzelfall erforderliche Grund- und Behandlungspflege sowie hauswirtschaftliche Versorgung. Der Anspruch besteht bis zu vier Wochen je Krankheitsfall. In begründeten Ausnahmefällen kann die Krankenkasse die häusliche Krankenpflege für einen längeren Zeitraum bewilligen, wenn der Medizinische Dienst (§ 275) festgestellt hat, daß dies aus den in Satz 1 genannten Gründen erforderlich ist.

(1a) Versicherte erhalten an geeigneten Orten im Sinne von Absatz 1 Satz 1 wegen schwerer Krankheit oder wegen akuter Verschlimmerung einer Krankheit, insbesondere nach einem Krankenhausaufenthalt, nach einer ambulanten Operation oder nach einer ambulanten Krankenhausbehandlung, soweit keine Pflegebedürftigkeit mit Pflegegrad 2, 3, 4 oder 5 im Sinne des Elften Buches vorliegt, die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung. Absatz 1 Satz 4 und 5 gilt entsprechend.

(2) Versicherte erhalten in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. § 10 der Werkstättenverordnung bleibt unberührt. Der Anspruch nach Satz 1 besteht über die dort genannten Fälle hinaus ausnahmsweise auch für solche Versicherte in zugelassenen Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 43 des Elften Buches, die auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, einen besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben; § 37c Absatz 3 gilt entsprechend. Die Satzung kann bestimmen, dass die Krankenkasse zusätzlich zur Behandlungspflege nach Satz 1 als häusliche Krankenpflege auch Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung erbringt. Die Satzung kann dabei Dauer und Umfang der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung nach Satz 4 bestimmen. Leistungen nach den Sätzen 4 und 5 sind nach Eintritt von Pflegebedürftigkeit mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne des Elften Buches nicht zulässig. Versicherte, die nicht auf Dauer in Einrichtungen nach § 71 Abs. 2 oder 4 des Elften Buches aufgenommen sind, erhalten Leistungen nach Satz 1 und den Sätzen 4 bis 6 auch dann, wenn ihr Haushalt nicht mehr besteht und ihnen nur zur Durchführung der Behandlungspflege vorübergehender Aufenthalt in einer Einrichtung oder in einer anderen geeigneten Unterkunft zur Verfügung gestellt wird. Versicherte erhalten in stationären Einrichtungen im Sinne des § 43a des Elften Buches Leistungen nach Satz 1, wenn der Bedarf an Behandlungspflege eine ständige Überwachung und Versorgung durch eine qualifizierte Pflegefachkraft erfordert.

(2a) Die gesetzliche Krankenversicherung beteiligt sich an den Kosten der medizinischen Behandlungspflege in vollstationären Pflegeeinrichtungen mit einem jährlichen Pauschalbetrag in Höhe von 640 Millionen Euro, der an den Ausgleichsfonds der sozialen Pflegeversicherung zu leisten ist. Die Zahlung erfolgt anteilig quartalsweise. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen erhebt hierzu von den Krankenkassen eine Umlage gemäß dem Anteil der Versicherten der Krankenkassen an der Gesamtzahl der Versicherten aller Krankenkassen. Das Nähere zum Umlageverfahren und zur Zahlung an die Pflegeversicherung bestimmt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen.

(2b) Die häusliche Krankenpflege nach den Absätzen 1 und 2 umfasst auch die ambulante Palliativversorgung. Für Leistungen der ambulanten Palliativversorgung ist regelmäßig ein begründeter Ausnahmefall im Sinne von Absatz 1 Satz 5 anzunehmen. § 37b Absatz 4 gilt für die häusliche Krankenpflege zur ambulanten Palliativversorgung entsprechend.

(3) Der Anspruch auf häusliche Krankenpflege besteht nur, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang nicht pflegen und versorgen kann.

(4) Kann die Krankenkasse keine Kraft für die häusliche Krankenpflege stellen oder besteht Grund, davon abzusehen, sind den Versicherten die Kosten für eine selbstbeschaffte Kraft in angemessener Höhe zu erstatten.

(5) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 3 ergebenden Betrag, begrenzt auf die für die ersten 28 Kalendertage der Leistungsinanspruchnahme je Kalenderjahr anfallenden Kosten an die Krankenkasse.

(6) Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in Richtlinien nach § 92 fest, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 auch außerhalb des Haushalts und der Familie des Versicherten erbracht werden können.

(7) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt in Richtlinien nach § 92 unter Berücksichtigung bestehender Therapieangebote das Nähere zur Versorgung von chronischen und schwer heilenden Wunden. Die Versorgung von chronischen und schwer heilenden Wunden kann auch in spezialisierten Einrichtungen an einem geeigneten Ort außerhalb der Häuslichkeit von Versicherten erfolgen.

(8) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt in der Richtlinie über die Verordnung häuslicher Krankenpflege nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Juli 2022 Rahmenvorgaben zu einzelnen nach dem Leistungsverzeichnis der Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 verordnungsfähigen Maßnahmen, bei denen Pflegefachkräfte, die die in den Rahmenempfehlungen nach § 132a Absatz 1 Satz 4 Nummer 7 geregelten Anforderungen erfüllen, innerhalb eines vertragsärztlich festgestellten Verordnungsrahmens selbst über die erforderliche Häufigkeit und Dauer bestimmen können, sowie Vorgaben zur Notwendigkeit eines erneuten Arztkontaktes und zur Information der Vertragsärztin oder des Vertragsarztes durch den Leistungserbringer über die erbrachten Maßnahmen.

(9) Zur Feststellung des tatsächlichen Ausgabenvolumens für die im Rahmen einer Versorgung nach Absatz 8 erbrachten Leistungen pseudonymisieren die Krankenkassen die Angaben zu den Ausgaben jeweils arztbezogen sowie versichertenbezogen. Sie übermitteln diese Angaben nach Durchführung der Abrechnungsprüfung dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen, der diese Daten für den Zweck der nach Absatz 10 durchzuführenden Evaluierung kassenartenübergreifend zusammenführt und diese Daten dem nach Absatz 10 Satz 2 beauftragten unabhängigen Dritten übermittelt. Das Nähere zur Datenübermittlung und zum Verfahren der Pseudonymisierung regelt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der beauftragte unabhängige Dritte nach Absatz 10 Satz 2 haben die ihnen nach Satz 2 übermittelten pseudonymisierten Daten spätestens ein Jahr nach Abschluss der Evaluierung zu löschen.

(10) Drei Jahre nach Inkrafttreten der Regelungen nach Absatz 8 evaluieren der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die in § 132a Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer unter Berücksichtigung der nach Absatz 9 Satz 2 übermittelten Daten insbesondere die mit der Versorgung nach Absatz 8 verbundenen Auswirkungen auf das Versorgungsgeschehen im Bereich der häuslichen Krankenpflege, die finanziellen Auswirkungen auf die Krankenkassen, die Wirtschaftlichkeit der Versorgung nach Absatz 8 sowie die Auswirkungen auf die Behandlungs- und Ergebnisqualität. Die Evaluierung hat durch einen durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die in § 132a Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer gemeinsam zu beauftragenden unabhängigen Dritten zu erfolgen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Hamburg vom 24. April 2014 und des Sozialgerichts Hamburg vom 6. Februar 2012 geändert und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird auf 6920,50 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die als örtlicher Sozialhilfeträger klagende Stadt macht gegen die beklagte Krankenkasse einen Erstattungsanspruch für Kosten geltend, die sie für die Versorgung eines Versicherten der Beklagten mit häuslicher Krankenpflege durch einen Pflegedienst getragen hat.

2

Der 1964 geborene M. H. (im Folgenden: Versicherter) lebte in der Zeit von Juni 2007 bis März 2009 in einer von der Beigeladenen betriebenen stationären Einrichtung zur sozialpädagogisch betreuten Unterbringung wohnungsloser Männer in H. Er litt ua an HIV, Hepatitis C, substituierter Drogenabhängigkeit und Enzephalitis mit Wesensveränderung. Die Klägerin kam im Rahmen der Eingliederungshilfe nach den §§ 53, 54 SGB XII für die Kosten der Unterbringung in der Einrichtung auf. Für den Versicherten war die Pflegestufe I festgestellt; er bezog Arbeitslosengeld II.

3

Für die Zeit vom 8.6.2007 bis 31.3.2009 verordnete der behandelnde Arzt dem Versicherten zur Medikamentengabe häusliche Krankenpflege, die von einem Pflegedienst erbracht wurde. Die Beklagte lehnte die Versorgung des Versicherten mit häuslicher Krankenpflege ab und empfahl ihm, sich an den örtlichen Träger der Sozialhilfe bzw die Pflegeeinrichtung zu wenden. Sie meint, Versicherte, die auf Dauer in Einrichtungen der Eingliederungshilfe ohne eigene Haushaltsführung untergebracht seien, hätten keinen Anspruch auf häusliche Krankenpflege gegen die Krankenkasse - jedenfalls solange nicht der Ausnahmefall eines besonders hohen Bedarfs an medizinischer Behandlungspflege für mindestens sechs Monate vorliege.

4

Die Klägerin trug die Kosten der häuslichen Krankenpflege im Rahmen ihrer Vorleistungspflicht; die Beklagte lehnte eine Kostenerstattung ab.

5

Das SG hat die Beklagte zur Zahlung in der beantragten Höhe (6920,50 Euro) nebst Zinsen verurteilt und die Berufung zugelassen (Urteil vom 6.2.2012); das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen (Urteil vom 24.4.2014). Es hat ausgeführt, die Klägerin habe nach § 104 Abs 1 SGB X einen Erstattungsanspruch gegen die beklagte Krankenkasse, da diese zur Gewährung häuslicher Krankenpflege vorrangig verpflichtet sei. Einrichtungen der Eingliederungshilfe könnten "sonst geeignete Orte" iS des § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V sein, wenn der Versicherte keinen Anspruch auf Leistungen der Behandlungspflege gegen den Einrichtungsträger habe. Dies ergebe sich aus der insoweit mit der Ermächtigungsgrundlage in Einklang stehenden Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege (Häusliche Krankenpflege-Richtlinie; im Folgenden: HKP-Richtlinie). Die Einrichtung, in der sich der Versicherte aufhalte, sei nicht zur Erbringung von Behandlungspflege verpflichtet. Der Zinsanspruch ergebe sich aus § 108 Abs 2 SGB X.

6

Mit ihrer Revision macht die beklagte Krankenkasse geltend, der Begriff "Haushalt" iS des § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V dürfe auch nach der Gesetzesänderung zum 1.4.2007 nicht undifferenziert ausgeweitet werden. Der Gesetzgeber habe lediglich eine vorsichtige Erweiterung des Haushaltsbegriffs, nicht aber seine vollständige Aufgabe bezweckt. Der Bezug der "häuslichen" Krankenpflege zu einem eigenen Haushalt des Versicherten dürfe nicht vollständig aufgegeben werden. Bei den im Gesetz ausdrücklich aufgeführten Einrichtungen handele es sich um solche, in denen sich die Versicherten nur zeitweise aufhielten, während ihr Lebensmittelpunkt im häuslichen Umfeld gewahrt bleibe. Für den Fall, dass ein eigener Haushalt nicht mehr bestehe, enthalte § 37 Abs 2 Satz 7 SGB V eine Ausnahmeregelung nur unter der Voraussetzung, dass sich der Versicherte nicht auf Dauer in einer Einrichtung aufhalte. Diese Vorschrift habe der Gesetzgeber unverändert beibehalten. Auf einen Anspruch des Versicherten gegen den Einrichtungsträger könne es zur Bestimmung des Leistungsumfangs nach § 37 Abs 2 SGB V nicht ankommen, sonst läge der Anspruch in der Hand der Partner der Verträge nach §§ 75 ff SGB XII, mit denen die Leistungspflichten des Einrichtungsträgers festgelegt würden. Die Leistungen der Eingliederungshilfe, für die der Sozialhilfeträger zuständig sei, umfassten auch Pflegeleistungen. Durch die von der Pflegekasse zu zahlende Pauschale (§ 43a SGB XI) seien diese Leistungen abgegolten. Damit werde ein "Konzept der Mischfinanzierung" verfolgt, um der Konfliktsituation zwischen dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Eingliederungshilfe und dem Nachranggrundsatz der Sozialhilfe im Wege eines Kompromisses gerecht zu werden. Schließlich gehöre die Hilfe zur Einnahme von Tabletten nach ärztlicher Anweisung regelmäßig zu der von Einrichtungen der Eingliederungshilfe geschuldeten Unterstützung bei den lebenspraktischen Verrichtungen.

7

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Hamburg vom 24. April 2014 und des Sozialgerichts Hamburg vom 6. Februar 2012 zu ändern und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat keinen Erstattungsanspruch gegen die beklagte Krankenkasse, weil der Versicherte im streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf häusliche Krankenpflege für das Herrichten und Verabreichen von Medikamenten gegen die Beklagte hatte. Zwar kann eine Einrichtung der Eingliederungshilfe ein geeigneter Ort zur Erbringung von häuslicher Krankenpflege iS des § 37 SGB V sein(hierzu 1.), wenn die Einrichtung nicht selbst zur Erbringung medizinischer Behandlungspflege verpflichtet ist (hierzu 2.); eine Hilfeleistung bei der oralen Einnahme von Tabletten nach ärztlicher Anweisung gehört aber regelmäßig zu der von Einrichtungen der Eingliederungshilfe geschuldeten pädagogischen Beratung, Betreuung und Unterstützung bei den lebenspraktischen Verrichtungen (hierzu 3.).

10

1. Nach § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V(idF des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26.3.2007, BGBl I 2007, 378) erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. Nach § 37 Abs 6 SGB V legt der G-BA in Richtlinien nach § 92 SGB V fest, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach den Abs 1 und 2 des § 37 SGB V auch außerhalb des Haushaltes und der Familie des Versicherten erbracht werden können.

11

a) Bis zum 31.3.2007 erhielten Versicherte häusliche Krankenpflege (nur) "in ihrem Haushalt oder ihrer Familie" (vgl § 37 Abs 1 und 2 SGB V idF des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003, BGBl I 2190). Schon nach § 185 RVO aus dem Jahr 1911 konnten solche Pflegeleistungen gewährt werden, wenn ein wichtiger Grund vorlag, "den Kranken in seinem Haushalt oder in seiner Familie zu belassen", und nicht im Krankenhaus zu behandeln. Seitdem war dieses Tatbestandsmerkmal bis zum 31.3.2007 nicht erweitert worden. Zu dieser Gesetzeslage hatte das BSG entschieden, dass es zwar - sofern nicht Krankenhausbehandlung oder vollstationäre Pflege vorliege - nicht auf den Aufenthaltsort des Versicherten ankomme und daher häusliche Krankenpflege auch während des Kindergarten- oder Schulbesuchs zu leisten sei (BSGE 90, 143 = SozR 3-2500 § 37 Nr 5 = SozR 3-1500 § 96 Nr 11); aufgrund des engen Wortlauts der Vorschrift sah sich die Rechtsprechung aber bis zur Änderung durch das GKV-WSG vom 26.3.2007 (BGBl I 2007, 378) daran gehindert, den Anspruch auf häusliche Krankenpflege darüber hinaus auch auf Zeiten des Aufenthalts in einer stationären Einrichtung auszudehnen (BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 5). Bei der Umschreibung des Aufenthaltsortes der Versicherten "in ihrem Haushalt oder ihrer Familie" ging es dem Gesetzgeber vor allem um die Abgrenzung zur Leistungserbringung im stationären Bereich. Schon in der Ursprungsfassung des § 185 RVO aus dem Jahr 1911 wurde der Begriff als Unterscheidung von der Krankenhausversorgung(vgl Poske, Hauspflege, 1990, S 70 ff, 112 ff) verwendet: "Die Kasse kann mit Zustimmung des Versicherten Hilfe und Wartung durch Krankenpfleger, Krankenschwestern oder andere Pfleger namentlich auch dann gewähren, wenn die Aufnahme des Kranken in ein Krankenhaus geboten, aber nicht ausführbar ist, oder ein wichtiger Grund vorliegt, den Kranken in seinem Haushalt oder seiner Familie zu belassen". Diese Formulierung wurde als Voraussetzung für den Anspruch auf Behandlungssicherungspflege übernommen, die zunächst als Satzungsleistung eingeführt (§ 185 Abs 1 Satz 2 RVO idF des Gesetzes zur Dämpfung der Ausgabenentwicklung und zur Strukturverbesserung in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 27.6.1977, BGBl I 1069; vgl zum Gesetzgebungsverfahren Zipperer, DOK 1978, 11, 20) und später in § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V(durch das Gesetz über die neunzehnte Anpassung der Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz sowie zur Änderung weiterer sozialrechtlicher Vorschriften vom 26.6.1990, BGBl I 1211) zum gesetzlichen Anspruch bestimmt wurde. Schon damals wurde die Notwendigkeit einer Abgrenzung zum stationären Bereich der Heimpflege diskutiert, und bei einem Daueraufenthalt in Einrichtungen der Alten- oder Behindertenhilfe sahen zahlreiche Autoren den Anspruch auf Fälle beschränkt, in denen die Einrichtung dem Versicherten (vertraglich) keine umfassende Versorgung schulde (vgl Hanau/Rolfs, VSSR 1993, 237, 252; Gerlach in Hauck/Noftz, SGB V, Stand: 1.8.1999, K § 37 RdNr 15; Höfler in Kasseler Komm, Bd 1, Stand: Einzelkommentierung Dezember 2004, § 37 SGB V RdNr 14). Nach der bis zum 31.3.2007 geltenden Gesetzesfassung war aber die vom Gesetzgeber beabsichtigte Abgrenzung zur stationären Krankenhausbehandlung in gleicher Weise geeignet, sonstige stationäre Einrichtungen von den Leistungen der häuslichen Krankenpflege auszunehmen (vgl BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 5). Der Gesetzgeber hatte noch bei der Änderung des § 37 Abs 2 Satz 2 SGB V durch dasGMG vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) keinen Handlungsbedarf dafür gesehen, Menschen in Einrichtungen der Behindertenhilfe ohne eigenen Haushalt Anspruch auf häusliche Krankenpflege einzuräumen. Nach dieser Regelung, die unverändert bis heute fortgilt (§ 37 Abs 2 Satz 7 SGB V), erhalten Versicherte, die nicht auf Dauer in Einrichtungen nach § 71 Abs 2 und 4 SGB XI aufgenommen sind, Leistungen der häuslichen Krankenpflege auch dann, wenn ihr Haushalt nicht mehr besteht und ihnen zur Durchführung der Behandlungspflege vorübergehender Aufenthalt in einer Einrichtung oder einer anderen geeigneten Unterkunft zur Verfügung gestellt wird. Bei dieser Regelung ging es insbesondere um die Sicherstellung medizinischer Behandlungspflege für alleinstehende Wohnungslose, um kostentreibende Krankenhauseinweisungen zu verhindern (vgl BT-Drucks 15/1525 S 90). Nach der Gesetzesbegründung wurde damit aber zugleich "klargestellt, dass bei Daueraufenthalt ohne eigenen Haushalt, zB in Heimen, weiterhin kein Anspruch auf Leistungen der Behandlungspflege besteht" (BT-Drucks 15/1525 S 90 zu Buchst a).

12

b) Erst mit dem GKV-WSG vom 26.3.2007 (BGBl I 2007, 378) hat der Gesetzgeber den Anspruch auf sonstige geeignete Orte, insbesondere betreute Wohnformen, Schulen, Kindergärten und bei besonders hohem Pflegebedarf auch auf Werkstätten für behinderte Menschen erweitert und dem G-BA aufgegeben festzulegen, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen der häuslichen Krankenpflege auch außerhalb des Haushaltes und der Familie des Versicherten erbracht werden können. In der Gesetzesbegründung ist hierzu ausgeführt, die Beschränkung der Leistungen zur häuslichen Krankenpflege auf Haushalt und Familie des Versicherten habe sich im Hinblick auf das Ziel, vorschnelle stationäre Einweisungen zu vermeiden, als kontraproduktiv erwiesen. Die Neuregelung bewirke durch eine vorsichtige Erweiterung des Haushaltsbegriffs, dass neue Wohnformen, Wohngemeinschaften und betreutes Wohnen hinsichtlich der Erbringung von häuslicher Krankenpflege gegenüber konventionellen Haushalten nicht benachteiligt würden. Betreute Wohnformen, deren Bewohner ambulante Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung erhalten, sollten verbesserte Angebote für ambulant Pflegebedürftige darstellen. Darüber hinaus werde im Hinblick auf bestimmte, eng begrenzte Personengruppen durch den erweiterten Haushaltsbegriff eine vorschnelle Einweisung in stationäre Einrichtungen verhindert. Ein "geeigneter Ort" für die Leistung häuslicher Krankenpflege durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) sei jedenfalls dann nicht gegeben, wenn sich der Versicherte in einer Einrichtung befinde, in der er nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung medizinischer Behandlungspflege durch die Einrichtung habe. Um die notwendige Flexibilität bei der Bestimmung der geeigneten Erbringungsorte zu wahren, werde auf eine gesetzliche Festlegung verzichtet und die nähere Ausgestaltung dem G-BA übertragen. Dieser Lösungsweg vermeide Lücken im Zwischenbereich von ambulanter und stationärer Versorgung (BT-Drucks 16/3100 S 104).

13

c) Der G-BA ist seinem Regelungsauftrag durch die zum 11.6.2008 in Kraft getretene Änderung der HKP-Richtlinie (HKP-Richtlinie idF vom 16.2.2000, zuletzt geändert am 17.1.2008/10.4.2008, veröffentlicht im BAnz 2008, Nr 84, S 2028, 2029 und 2030) nachgekommen. Unter I. 2. ist bestimmt:

        

"Häusliche Krankenpflege wird im Haushalt des Versicherten oder seiner Familie erbracht. Anspruch auf häusliche Krankenpflege besteht auch an sonstigen geeigneten Orten, an denen sich der Versicherte regelmäßig wiederkehrend aufhält und an denen

        

-       

die verordnete Maßnahme zuverlässig durchgeführt werden kann und

        

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für die Erbringung der einzelnen Maßnahmen geeignete räumliche Verhältnisse vorliegen (z. B. im Hinblick auf hygienische Voraussetzungen, Wahrung der Intimsphäre, Beleuchtung),

        

wenn die Leistung aus medizinisch-pflegerischen Gründen während des Aufenthaltes an diesem Ort notwendig ist. Orte im Sinne des Satz 2 können insbesondere Schulen, Kindergärten, betreute Wohnformen oder Arbeitsstätten sein."

Unter I. 6. ist bestimmt:

        

"Für die Zeit des Aufenthalts in Einrichtungen, in denen nach den gesetzlichen Be-stimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtungen besteht (z. B. Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen, Pflegeheimen), kann häusliche Krankenpflege nicht verordnet werden. Ob ein solcher Anspruch besteht, ist im Einzelfall durch die Krankenkassen zu prüfen.

                 
        

Abweichend davon kann häusliche Krankenpflege in Werkstätten für behinderte Menschen verordnet werden, wenn die Intensität oder Häufigkeit der in der Werkstatt zu erbringenden Pflege so hoch ist, dass nur durch den Einsatz einer Pflegefachkraft Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit vermieden oder das Ziel der ärztlichen Behandlung gesichert werden kann und die Werkstatt für behinderte Menschen nicht auf Grund des § 10 der Werkstättenverordnung verpflichtet ist, die Leistung selbst zu erbringen.

                 
        

Eine Verordnung von Behandlungspflege ist auch für Versicherte in Pflegeheimen zulässig, die auf Dauer, voraussichtlich für mindestens 6 Monate, einen besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben (§ 37 Abs. 2 S. 3 SGB V). Dies ist der Fall, wenn (…)."

14

Der G-BA hatte in seinem Beschlusstext ursprünglich folgende Regelung vorgesehen: "Für die Zeit des Aufenthaltes in Einrichtungen, in denen nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtungen besteht (zB Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen, Pflegeheimen oder Behinderteneinrichtungen), kann häusliche Krankenpflege nicht verordnet werden" (vgl https://www.g-ba.de/informationen/beschluesse/598/. Dort finden sich die "Tragenden Gründe zum Beschluss vom 17.1.2008" als PDF-Datei, Beschlusstext, S 9). Die ausdrückliche Aufführung der Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen ist trotz zahlreicher kritischer Stellungnahmen (aaO, S 12 ff) erst aufgrund einer Prüfung durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gemäß § 94 SGB V gestrichen worden(vgl https://www.g-ba.de/informationen/beschluesse/598/. Dort findet sich die "Prüfung gem. § 94 SGB V durch das BMG" als PDF-Datei, Schreiben vom 20.3.2008). Zudem wurde der Satz: "Ob ein solcher Anspruch besteht, ist im Einzelfall durch die Krankenkasse zu prüfen" aufgrund der Prüfung aufgenommen. Das BMG hat von einer Beanstandung der vorgesehenen Regelung nur unter der Auflage abgesehen, die Regelung bei nächster Gelegenheit so zu überarbeiten, dass Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen nicht grundsätzlich von der Verordnung häuslicher Krankenpflege ausgeschlossen werden und dass vom G-BA sichergestellt wird, dass die Regelung bis zu ihrer Überarbeitung ohne den grundsätzlichen Ausschluss von Behinderteneinrichtungen angewandt wird. Das BMG hat hierzu ausgeführt, eine rechtliche Begründung dafür, dass grundsätzlich in allen (dh in der Regel oder in der großen Mehrheit der nicht näher definierten) ambulanten und stationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen ein Anspruch auf Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtung bestehe, sei nicht ersichtlich. Die vom G-BA beschlossene Formulierung könne dazu führen, dass häusliche Krankenpflege für Versicherte in diesen Einrichtungen regelmäßig abgelehnt werde, ohne dass tatsächlich im Einzelfall geprüft werde, ob anderweitige Ansprüche auf die Erbringung von Behandlungspflege bestehen. Deshalb sei klarzustellen, dass im Einzelfall zu prüfen sei, ob nach gesetzlichen Bestimmungen ein Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtung bestehe.

15

d) Nach dem Regelungsgefüge, das sich aus den gesetzlichen Vorschriften iVm mit den Normen der HKP-Richtlinie ergibt, besteht der Anspruch zunächst an allen geeigneten Orten, an denen sich der Versicherte regelmäßig wiederkehrend aufhält, wenn die Leistung aus medizinisch pflegerischen Gründen während des Aufenthaltes an diesem Ort notwendig ist. Einschränkungen in Bezug auf den Aufenthaltsort ergeben sich - abgesehen von der Geeignetheit der räumlichen Verhältnisse - erst aus den Regelungen unter I. 6., dh für die Zeit des Aufenthaltes in Einrichtungen nur dann, wenn nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtung besteht (wie zB in Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen, Pflegeheimen). Ob ein solcher Anspruch besteht, ist im Einzelfall durch die Krankenkasse zu prüfen. Einrichtungen der Eingliederungshilfe werden in den HKP-Richtlinien den Krankenhäusern und Pflegeheimen ausdrücklich nicht (mehr) gleichgestellt. In dieser Fassung ist die HKP-Richtlinie gesetzeskonform.

16

e) Der Vorschrift des § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V und der Bezeichnung der dort nach der Verwendung des Begriffs "insbesondere" beispielhaft aufgeführten "geeigneten Orte" lässt sich nicht die Beschränkung entnehmen, häusliche Krankenpflege könne weiterhin nur beansprucht werden, wenn noch ein Mindestmaß eines eigenen Haushalts (oder ein Leben in der Familie) geführt wird, und weitere Leistungen ggf ambulant in Anspruch genommen werden. Gegen die Auffassung der Beklagten, eine stationäre Einrichtung, in der sich ein Versicherter dauerhaft aufhält, ohne an einem anderen Ort noch einen Haushalt zu führen oder in einem solchen zu leben, könne nie ein sonstiger geeigneter Ort iS des § 37 Abs 2 SGB V sein, sprechen die Gesetzesbegründung und der vom Gesetzgeber mit der Erweiterung des Anspruchs verfolgte Zweck. Auch dem Wortlaut der Vorschrift lässt sich eine solche Einschränkung nicht entnehmen.

17

Dem Gesetzgeber war es nach der Gesetzesbegründung zur Ausweitung des Anspruchs auf häusliche Krankenpflege auf sonstige geeignete Orte durch das GKV-WSG vom 26.3.2007 (BGBl I 2007, 378) ein besonderes Anliegen, Lücken im Zwischenbereich von ambulanter und stationärer Versorgung zu vermeiden. Bei ambulanten Einrichtungen, insbesondere auch bei ambulant betreuten Wohnformen, wird aber regelmäßig (allein oder gemeinsam mit anderen) ein eigener Haushalt geführt, sodass bereits vor der Gesetzesänderung auch für dort lebende Versicherte ein Anspruch auf häusliche Krankenpflege bestehen konnte. Zudem war nach der Rechtsprechung des BSG der Anspruch auch schon vor der Neuregelung zum 1.4.2007 nicht auf die Erbringung der Leistung in der Wohnung des Versicherten beschränkt; vielmehr konnte häusliche Krankenpflege auch in der Schule oder im Kindergarten erbracht werden (so ausdrücklich BSGE 90, 143 = SozR 3-2500 § 37 Nr 5 = SozR 3-1500 § 96 Nr 11). Wenn die vom Gesetzgeber beabsichtigte vorsichtige Erweiterung des Anspruchs auch auf sonstige geeignete Orte nicht weitgehend leerlaufen soll, müssen grundsätzlich auch die stationären Einrichtungen einbezogen werden, in denen sich ein Versicherter auf unabsehbare Zeit aufhält und betreut wird, ohne noch anderswo zu leben und zu wohnen. Die Beklagte hat Recht mit ihrer Auffassung, dass es in den bisher vom Senat entschiedenen Fällen darum ging, Versicherte auch in Einrichtungen wie Schulen und Kindergärten mit Krankenpflege zu versorgen, in denen sich diese lange, aber eben nicht ausschließlich im Sinne eines Lebensmittelpunktes aufhalten. Genau diese Situation sollte indessen durch die Neuregelung des § 37 Abs 2 SGB V erfasst werden, und zwar für die Konstellation, dass in der vollstationären Einrichtung keine umfassende pflegerische Versorgung stattfindet und gesetzlich auch nicht geschuldet wird. Denn nur dadurch kann dem Sinn und Zweck der Vorschrift, durch (ambulante) häusliche Krankenpflege vorschnelle stationäre Einweisungen zu vermeiden, entsprochen werden. Bei den zu vermeidenden stationären Einweisungen kann es sich nur um Einweisungen in Einrichtungen handeln, in denen die Versicherten medizinische Behandlungspflege erhalten, wie Krankenhäuser, medizinische Rehabilitationseinrichtungen oder Pflegeheime. Die Aufnahme in andere Einrichtungen, die regelmäßig schon nicht auf ärztliche Veranlassung erfolgt, kann (und soll) nicht durch die Erbringung ambulanter Leistungen der häuslichen Krankenpflege vermieden werden. Vielmehr soll die nach der Gesamtsituation des Versicherten sinnvolle Aufnahme zB in eine stationäre Einrichtung der Eingliederungshilfe nicht daran scheitern, dass zusätzlich zum Eingliederungsbedarf auch ein Bedarf an Krankenpflegeleistungen besteht, der von der Eingliederungseinrichtung nicht gedeckt werden kann. Es kann (auch) für die Krankenkasse wirtschaftlich sinnvoll sein, Versicherte in solchen Einrichtungen, in denen sie keinen Anspruch auf medizinische Behandlungspflege gegen die Einrichtung haben, mit häuslicher Krankenpflege zu versorgen, um eine vorschnelle Einweisung in ein Krankenhaus zu vermeiden.

18

Auch dem Wortlaut der Vorschrift lässt sich seit der Ausweitung des Anspruchs auf sonstige geeignete Orte nicht entnehmen, dass stationäre Einrichtungen etwa der Eingliederungshilfe dafür grundsätzlich nicht in Betracht kommen. Die beispielhafte Aufzählung enthält hierfür keine Anhaltspunkte. Der im Gesetz verwandte Begriff der "betreuten Wohnformen" ist gesetzlich nicht definiert. Die Übergänge von einer Wohngemeinschaft mit ambulanten Betreuungshilfen zu einer stationären Einrichtung sind inzwischen fließend. Daher werden in den Landesheimgesetzen neben stationären Einrichtungen regelmäßig auch andere Formen des betreuten Wohnens erfasst (vgl Weber NZS 2011, 650, 651 mwN), und längst nicht alle Formen des betreuten Wohnens weisen eine größere Nähe zur eigenständigen Haushaltsführung auf, als herkömmliche stationäre Einrichtungen. Eine eindeutige Zuordnung jeder Einrichtung entweder als stationäres Heim oder als ambulantes Angebot mit Betreuungshilfen, wird durch die andauernde Entwicklung neuer Wohnformen zunehmend schwierig. Auch in betreuten Wohnformen haben Versicherte keinen Anspruch auf häusliche Krankenpflege, wenn sie bereits Anspruch auf die Maßnahme durch die Einrichtung bzw den Betreuungsdienst haben, weil häusliche Krankenpflege dann nicht erforderlich ist. Gerade im Grenzbereich verschiedener Wohnformen ist es aber sachgerecht, nach dem Anspruch gegen die Einrichtung bzw den Betreuungsdienst zu differenzieren und nicht dem Begriff "betreute Wohnformen" eine Festlegung dahin zu entnehmen, dass in vollstationären Betreuungseinrichtungen keine häusliche Krankenpflege erbracht werden kann.

19

Es ist daher konsequent, den Anspruch auf häusliche Krankenpflege in Einrichtungen nur dann und insoweit zu beschränken, als nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung medizinischer Behandlungspflege durch die Einrichtung besteht. Der Gesetzgeber hat auf eine gesetzliche Festlegung der geeigneten Leistungsorte bewusst verzichtet. Er wollte damit im Hinblick auf die Vielzahl unterschiedlicher Einrichtungen jeglichen Eingriff in die bestehenden Strukturen der Einrichtungen und insbesondere in ihre Leistungspflichten im Hinblick auf die medizinische Behandlungspflege vermeiden und die Präzisierung der Einrichtungen, in denen die Versicherten Anspruch auf häusliche Krankenpflege nach dem SGB V haben, dem G-BA überlassen.

20

f) Die Richtlinien des G-BA haben normativen Charakter und sind für die Beteiligten verbindlich (BSG SozR 3-2500 § 135 Nr 21; BSG SozR 3-2500 § 92 Nr 12; BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5; BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 3; BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 7; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 8; vgl auch amtl Begründung zu den Ergänzungen von § 92 Abs 1 SGB V durch das GMG - BT-Drucks 15/1525 oder die Ergänzungen des Gesetzes zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung (AVWG) und des GKV-WSG). Der Senat hat keine Zweifel an der verfassungsrechtlichen Legitimation des G-BA als untergesetzlichem Normgeber in der Form, wie sie inzwischen gesetzlich festgelegt ist (so auch BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 22; BSGE 112, 251 = SozR 4-2500 § 106 Nr 38, RdNr 14; BSGE 111, 155 = SozR 4-2500 § 31 Nr 21, RdNr 26; vgl auch Beier in jurisPK-SGB V, Online-Ausgabe, § 92 SGB V, RdNr 31.1, Stand 25.6.2013).

21

2. Einrichtungen der Eingliederungshilfe sind nach den gesetzlichen Bestimmungen grundsätzlich nur soweit zur Erbringung von medizinischer Behandlungspflege verpflichtet, wie diese aufgrund der sächlichen und personellen Ausstattung von der Einrichtung erbracht werden kann.

22

a) Erbringt der Träger der Sozialhilfe die Leistungen der Eingliederungshilfe in einer vollstationären Einrichtung (§ 13 SGB XII, zum Einrichtungsbegriff iS des SGB XII vgl BSGE 106, 264 = SozR 4-3500 § 19 Nr 2, RdNr 13) der Hilfe für behinderte Menschen, wird grundsätzlich der gesamte Bedarf des Hilfebedürftigen nach § 9 Abs 1 SGB XII in der Einrichtung in einrichtungsspezifischer Weise befriedigt. Die Einrichtung übernimmt für den Hilfebedürftigen von dessen Aufnahme bis zur Entlassung die Gesamtverantwortung für seine tägliche Lebensführung (vgl Luthe in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand November 2014, K § 13 RdNr 58, 59 mwN). Leistungen der Eingliederungshilfe umfassen nach § 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII, § 26 SGB IX auch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, zu denen nach § 26 Abs 2 SGB IX ua auch die Behandlung durch Angehörige von Heilberufen gehört, soweit deren Leistungen unter ärztlicher Aufsicht oder auf ärztliche Anordnung ausgeführt werden, wie es bei der häuslichen Krankenpflege der Fall ist. Nach § 55 Satz 1 SGB XII umfassen die Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen iS des § 43a SGB XI auch die Pflegeleistungen in der Einrichtung. Ist der behinderte Mensch allerdings so pflegebedürftig, dass die Pflege in der Einrichtung nicht sichergestellt werden kann, vereinbaren der Träger der Sozialhilfe und die zuständige Pflegekasse mit dem Einrichtungsträger, dass die Leistung in einer anderen Einrichtung erbracht wird, wobei den angemessenen Wünschen des behinderten Menschen Rechnung zu tragen ist (§ 55 Satz 2 SGB XII).

23

b) Danach hat der Träger der Sozialhilfe zwar letztlich alle Teilhabebedarfe der Eingliederungshilfe zu decken und kann dies durch Leistungen für Einrichtungen (§ 13 Abs 1 SGB XII) gewährleisten, zu beachten ist aber der Nachrang der Sozialhilfe (§ 2 SGB XII). Leistungen anderer Sozialleistungsträger gehen grundsätzlich den Leistungen der Sozialhilfe vor (§ 2 Abs 1 SGB XII), und auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach dem Recht der Sozialhilfe entsprechende Leistungen vorgesehen sind (§ 2 Abs 2 Satz 2 SGB XII). Die medizinische Behandlungspflege ist Aufgabe der GKV, die daher diese Leistung vorrangig vor dem Träger der Sozialhilfe zu erbringen hat. Deshalb hat der Sozialhilfeträger im Verhältnis zur GKV nicht die Aufgabe, durch entsprechende Verträge mit den Einrichtungen der Eingliederungshilfe dafür zu sorgen, dass diese regelmäßig auch Leistungen der medizinischen Behandlungspflege erbringen. Die Verpflichtung der Einrichtung zur Übernahme der Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung sowie zur Deckung der Bedarfe in einrichtungsspezifischer Weise weist den Einrichtungen daher keine weitergehenden Pflichten zu, als sie aufgrund ihrer Ausrichtung, des Eingliederungszwecks, dem sie dienen, und nach den Vereinbarungen nach §§ 75 ff SGB XII schulden. Einrichtungen der Eingliederungshilfe schulden danach regelmäßig selbst keine medizinischen Behandlungsmaßnahmen, sondern haben lediglich organisatorisch dafür Sorge zu tragen, dass die Bewohner der Einrichtung neben den von der Einrichtung selbst geschuldeten Leistungen auch solche anderer Träger in Anspruch nehmen können. So schulden solche Einrichtungen keine ärztliche Behandlung, sie haben aber ggf Arztbesuche zu organisieren bzw zu ermöglichen und die notwendigen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Gleiches gilt grundsätzlich auch für die medizinische Behandlungspflege, es sei denn, aus den Vereinbarungen nach den §§ 75 ff SGB XII ergeben sich weitergehende Leistungsverpflichtungen.

24

c) Einrichtungen der Eingliederungshilfe sind auch nicht allein aufgrund der von den Pflegekassen für Pflegebedürftige nach § 43a Satz 1 SGB XI zu gewährenden pauschalen Abgeltung verpflichtet, grundsätzlich alle im Einzelfall notwendigen Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege zu erbringen. Nach § 43a Satz 1 SGB XI übernimmt die Pflegekasse zur Abgeltung der in § 43 Abs 2 SGB XI genannten Aufwendungen 10 vH des nach § 75 Abs 3 SGB XII vereinbarten Heimentgeltes für Pflegebedürftige in einer stationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen, in der die Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft, die schulische Ausbildung oder die Erziehung behinderter Menschen im Vordergrund des Einrichtungszwecks stehen(§ 71 Abs 4 SGB XI). Dabei dürfen aber die Aufwendungen der Pflegekasse im Einzelfall je Kalendermonat 256 Euro (ab 1.1.2015 266 Euro) nicht übersteigen (§ 43a Satz 2 SGB XI). Zu den in § 43 Abs 2 SGB XI genannten Aufwendungen gehören die pflegebedingten Aufwendungen, die Aufwendungen der sozialen Betreuung und die Aufwendungen für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege.

25

Trotz der ausdrücklichen Erwähnung auch der medizinischen Behandlungspflege zeigt die Verortung der Vorschrift im SGB XI, dass es dabei lediglich um die von der Pflegeversicherung abzudeckenden Bedarfe geht. Die Pauschale wird auch nur für Pflegebedürftige geleistet. Stationäre Pflegeeinrichtungen iS des § 71 Abs 2 und 4 SGB XI haben grundsätzlich auch medizinische Behandlungspflege zu erbringen; erst bei einem dauerhaften, voraussichtlich mindestens sechs Monate währenden besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben Versicherte in Pflegeheimen Anspruch auf häusliche Krankenpflege. Hier kommt es nicht zu einer Lücke zwischen ambulanter und stationärer Versorgung. Einrichtungen der Eingliederungshilfe schulden nach § 43a SGB XI zwar grundsätzlich Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung. Die medizinische Behandlungspflege iS des § 37 Abs 2 SGB V kann aber durch diese an die Pflegeversicherung gerichtete Vorschrift grundsätzlich nicht vom Zuständigkeitsbereich der GKV auf Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen übertragen werden. Dies ist schon deshalb ausgeschlossen, weil die Eingliederungseinrichtungen dann nur gegenüber pflegebedürftigen Bewohnern zur Erbringung von Behandlungspflege nach § 37 Abs 2 SGB V verpflichtet wären und auch nur für diese Personen das pauschalierte Entgelt erhalten(so im Ergebnis bereits BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 5 RdNr 9). Ansprüche auf medizinische Behandlungspflege können auch Versicherten zustehen, die nicht pflegebedürftig sind.

26

d) Das ergibt sich auch aus den Regelungen des § 55 SGB XII. Danach haben Einrichtungen der Eingliederungshilfe auch die (notwendigen) Pflegeleistungen zu erbringen. Wird der behinderte Mensch aber so pflegebedürftig, dass die Pflege in der Einrichtung nicht sichergestellt werden kann, vereinbaren der Träger der Sozialhilfe und die zuständige Pflegekasse mit dem Einrichtungsträger, dass die Leistung in einer anderen Einrichtung erbracht wird (§ 55 Satz 2 SGB XII). Auch diese Vorschrift knüpft zunächst nur an die Pflegebedürftigkeit und Pflege im Sinne des SGB XI an, nicht an Behandlungspflege. Insbesondere aus § 55 Satz 2 SGB XII ist aber abzuleiten, dass der Gesetzgeber nicht beabsichtigt hat, jede Einrichtung der Eingliederungshilfe personell und sächlich so auszustatten, dass sie neben der üblichen Pflege auch Leistungen der medizinischen Behandlungspflege erbringen kann. Trägerübergreifend betrachtet, wäre das unwirtschaftlich. Hilfen zur Grundpflege und zur hauswirtschaftlichen Versorgung können innerhalb bestimmter Grenzen regelmäßig von Personen erbracht werden, die diesbezüglich keine besondere Ausbildung haben. Hierzu gehören insbesondere die Hilfen bei den Verrichtungen des täglichen Lebens. Erst wenn es darum geht, aktivierende Pflege zu leisten, weitere Pflegebedürftigkeit zu verhüten oder akute Beschwerden zu lindern oder medizinische Behandlungspflege zu leisten, die nicht ohne Weiteres vom Personal einer Eingliederungseinrichtung erbracht werden kann, und die Pflege daher in der Einrichtung nicht mehr sichergestellt werden kann, ist der Hilfebedürftige in einer anderen Einrichtung unterzubringen.

27

e) Die Leistungspflichten der Eingliederungseinrichtungen ergeben sich für deren Nutzer aus zivilrechtlichen Verträgen mit der Einrichtung und gegenüber dem Träger der Sozialhilfe ausschließlich aus dem SGB XII iVm den auf diesen gesetzlichen Grundlagen basierenden Verträgen (zum sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis BSGE 102, 1 = SozR 4-1500 § 75 Nr 9, RdNr 15 ff). Entscheidend für die Leistungspflichten der Einrichtungen zur Hilfe behinderter Menschen ist danach das in den Vereinbarungen nach den §§ 75 ff SGB XII festgelegte Ziel und der Zweck der Einrichtung, ihr Aufgabenprofil, die vorgesehene sächliche und personelle Ausstattung sowie der zu betreuende Personenkreis. Handelt es sich danach zB um eine Einrichtung, deren vorrangige Aufgabe darin besteht, Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten zu leisten, die erforderlich und geeignet sind, behinderten Menschen die für sie erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen (vgl § 55 Abs 2 Nr 3 SGB IX), gehören einfachste medizinische Maßnahmen, die für Versicherte im eigenen Haushalt von jedem erwachsenen Haushaltsangehörigen erbracht werden können und keine medizinische Fachkunde erfordern, wie die Einnahme von Medikamenten, regelmäßig der Natur der Sache nach zum Aufgabenkreis der Einrichtung. Sie sind mit der Gewährung von Eingliederungshilfe durch den Sozialhilfeträger in einer stationären Einrichtung untrennbar verbunden und daher objektiv bereits Bestandteil der Eingliederungshilfe. Dies gilt auch für betreute Wohnformen, wenn dort nach Inhalt und Umfang vergleichbare Eingliederungsleistungen erbracht werden. Zum Erwerb lebenspraktischer Kenntnisse und Fähigkeiten gehört auch die Hilfe bei der Führung eines gesunden Lebens einschließlich der Vermittlung von Einsicht für gesundheitsförderliches Verhalten allgemein und speziell für die Notwendigkeit bestimmter medizinischer Maßnahmen. Bei den einfachsten Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege handelt es sich häufig, wie etwa beim An- und Ausziehen von Thrombosestrümpfen, um verrichtungsbezogene krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen, die ohnehin sowohl dem Aufgabenbereich der Kranken- als auch dem der Pflegeversicherung gleichermaßen zugeordnet und daher - soweit kein Fachpersonal erforderlich ist - auch bereits von der Pauschale nach § 43a SGB XI mitumfasst sind. Danach verläuft die Grenze der von einer Einrichtung geschuldeten Leistungen genau dort, wo diese vom Personal der Einrichtung der Eingliederungshilfe erbracht werden können und müssen. Muss die Einrichtung kein medizinisch ausgebildetes Personal vorhalten, sind regelmäßig nur einfachste Maßnahmen der Krankenpflege von der Einrichtung selbst zu erfüllen. Leistungspflichten, die nur von medizinisch ausgebildetem Fachpersonal erfüllt werden könnten, scheiden dann regelmäßig aus. Ist die Einrichtung hingegen nach ihrem Aufgabenprofil auf eine besondere Zielgruppe ausgerichtet, bei der ständig bestimmte behandlungspflegerische Maßnahmen erforderlich werden, und ist die Einrichtung deshalb entsprechend sächlich und personell auszustatten, hat sie diese behandlungspflegerischen Maßnahmen auch zu erbringen, weil ohne sie die Eingliederungsaufgabe im Hinblick auf die Zielgruppe der Einrichtung nicht erreicht werden kann. Es ist daher - so wie es die HKP-Richtlinie vorgibt - im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, ob die Einrichtung die konkrete behandlungspflegerische Maßnahme nach ihrem Aufgabenprofil, der Ausrichtung auf ein bestimmtes Bewohnerklientel und insbesondere aufgrund ihrer sächlichen und personellen Ausstattung selbst zu erbringen hat. Der Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe wird dadurch nicht betroffen, weil die sächliche und personelle Ausstattung dieser Einrichtungen für die Eingliederungsleistungen ohnehin vorzuhalten ist, die Gewährung von Eingliederungshilfe deutlich im Vordergrund steht und die Leistungen der Behandlungspflege dann untrennbarer Bestandteil der Eingliederungshilfe sind.

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f) Dieses Ergebnis führt zu einer Parallele zu den Pflegehilfsmitteln, die nach der Rechtsprechung des BSG (vgl hierzu BSGE 85, 287 = SozR 3-2500 § 33 Nr 37) von Einrichtungen vorzuhalten sind. Danach hat der Träger eines Pflegeheimes alle Hilfsmittel bereitzustellen, die zur sachgerechten Durchführung der in zugelassenen Pflegeheimen gewöhnlich anfallenden Pflegeleistungen erforderlich sind. Obwohl die Pflegeheime nach § 43 SGB XI nicht nur zur Pflege und sozialen Betreuung, sondern auch zur medizinischen Behandlungspflege verpflichtet sind, gehören Hilfsmittel, die der Durchführung von Behandlungspflege dienen, nur dann zu dem vom Heimträger vorzuhaltenden Inventar, wenn sich dies im Einzelfall aus dem Versorgungsvertrag bzw der Leistungs- oder Qualitätsvereinbarung ergibt. Die Vorhaltepflicht eines Pflegeheims, in dem überwiegend Pflegebedürftige nach der Pflegestufe I leben, sieht danach zB anders aus, als bei Pflegeheimen mit beatmungsbedürftigen Schwerstpflegebedürftigen oder Apallikern (BSGE 89, 271 = SozR 3-2500 § 33 Nr 43).

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g) In Einrichtungen, die aufgrund entsprechender Verträge auch medizinische Behandlungspflege zu erbringen haben, besteht für Versicherte ein Anspruch hierauf gegen die Einrichtung "nach den gesetzlichen Bestimmungen" im Sinne von I. 6. Satz 1 HKP-Richtlinie. Denn wirksame und rechtmäßige vertragliche Regelungen können Ansprüche "nach gesetzlichen Bestimmungen" begründen, soweit diese eine Regelung durch entsprechende Verträge ausdrücklich vorsehen. Daher wird in der Literatur und der Rechtsprechung nicht zwischen vertraglichen und gesetzlichen Ansprüchen auf Behandlungspflege gegen den Einrichtungsträger unterschieden (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 2 sowie Weber, NZS 2011, 650, 653; ausdrücklich auch LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 24.10.2012 - L 4 KR 30/10 - Juris; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22.11.2011 - L 10 KR 32/11 B ER - Juris).

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h) Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen grundsätzlich geeignete Orte für die Erbringung von häuslicher Krankenpflege nach § 37 SGB V durch die gesetzliche Krankenversicherung sein können, wenn der Versicherte im Einzelfall keinen Anspruch auf die Erbringung der Maßnahme durch die Einrichtung hat. Im Rahmen der von der Einrichtung geschuldeten Pflege hat diese grundsätzlich nur einfachste Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege zu erbringen, für die es keiner besonderen medizinischen Sachkunde oder medizinischer Fertigkeiten bedarf und die daher regelmäßig von dem in der Einrichtung beschäftigten Personal, wie von jedem erwachsenen Haushaltsangehörigen, ohne Weiteres ausgeführt werden können. Insoweit ist zur Abgrenzung auch § 37 Abs 3 SGB V heranzuziehen. Danach ist der Anspruch auf häusliche Krankenpflege ausgeschlossen, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang pflegen und versorgen kann. Das bedeutet nicht, wie die Klägerin meint, dass die Betreuer in den Eingliederungseinrichtungen damit in jeder Hinsicht pflegebereiten Haushaltsangehörigen iS des § 37 Abs 3 SGB V gleichgestellt werden. Soweit die Klägerin dies schon im Hinblick auf das "professionelle Selbstverständnis" der Mitarbeiter/innen der Einrichtungen ausschließen will, besteht Anlass zu dem Hinweis, dass sich dieses "Selbstverständnis" nur im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben entfalten kann. Im Übrigen entnimmt der Senat § 37 Abs 2 SGB V im hier maßgeblichen Zusammenhang nur, dass es nach den gesetzlichen Regelungen Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege gibt, die ohne medizinische Vorkenntnisse von Laien erbracht werden können. Das gilt auch für Mitarbeiter in Einrichtungen der Eingliederungshilfe. Dazu gehört zB regelmäßig die Gabe von Tabletten nach ärztlicher Anweisung, das Messen des Blutdrucks oder des Blutzuckergehalts, das Anziehen von Thrombosestrümpfen, das An- und Ablegen einfach zu handhabender Stützverbände, das Einreiben mit Salben (soweit es sich nicht um schwierige Wundversorgung handelt), die Verabreichung von Bädern uä.

31

Weitergehende medizinische Behandlungspflege schuldet die Einrichtung nur, wenn sich dies aus ihren Verträgen, ihrer Leistungsbeschreibung, ihrem Aufgabenspektrum auch unter Berücksichtigung ihrer Zielgruppe und ihrer sächlichen und personellen Ausstattung ergibt.

32

3. Nach dem sich aus der Vereinbarung nach § 75 Abs 3 SGB XII zwischen der Klägerin und der beigeladenen Einrichtung ergebenden Aufgabenspektrum der Einrichtung, ihrer Zielgruppe, der von ihr zu erbringenden Leistungen und vorzuhaltenden personellen Ausstattung handelt es sich um ein niederschwelliges Leistungsangebot für obdachlose Menschen mit einer psychischen Auffälligkeit(vgl Anlage 1 zur Vereinbarung nach § 75 Abs 3 SGB XII, 3.). Die von der Einrichtung zu leistenden Hilfen (vgl Anlage 1 zur Vereinbarung nach § 75 Abs 3 SGB XII, 4.) beziehen sich daher insbesondere auf Störungen in sozialen, psychischen und auch körperlichen Bereichen und bewegen sich somit ua auch in einem Grenzbereich zur Hilfe bei Krankheit. Ausdrücklich werden Hilfen bei der Gesundheitsversorgung benannt und darunter zB die Hilfestellung bei der Einhaltung der notwendigen gesundheitlichen Maßnahmen aufgeführt. Die Hilfe wird in Form von Beratung, Unterstützung, Förderung, Organisation, Planung sowie stellvertretender Ausführung gewährt (vgl Anlage 1 zur Vereinbarung nach § 75 Abs 3 SGB XII, 5.). Zur personellen Ausstattung gehört Fachpersonal aus den Bereichen Sozialarbeit, Sozialpädagogik und Pädagogik (vgl Anlage 1 zur Vereinbarung nach § 75 Abs 3 SGB XII, 6.).

33

Eine Hilfeleistung bei der oralen Einnahme von Tabletten nach ärztlicher Anweisung gehört danach zu der von der beigeladenen Einrichtung der Eingliederungshilfe geschuldeten pädagogischen Beratung, Betreuung und Unterstützung bei der Alltagsbewältigung und den lebenspraktischen Verrichtungen. Für das Herrichten und Verabreichen von Tabletten nach ärztlicher Anweisung ist regelmäßig keine medizinische Fachkunde erforderlich, und die in der Einrichtung tätigen, vorwiegend pädagogisch oder sozialpädagogisch ausgebildeten Mitarbeiter dürften nach kurzer Einweisung in der Lage sein, dafür zu sorgen, dass jeder Bewohner die ihm verordneten Medikamente entsprechend der ärztlichen Anordnung einnimmt. Denn für jeden Hilfeberechtigten ist ein individueller Hilfeplan aufzustellen. Darin kann auch die einzunehmende Medikation eingetragen werden, zumal nach der mit dem Versicherten abgeschlossenen Beratungs- und Betreuungsvereinbarung die notwendige, ärztlich verordnete Medikation einzuhalten ist.

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4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 und Abs 2 Satz 3 SGG iVm § 154 Abs 1, Abs 3 VwGO.

35

5. Der Streitwert ergibt sich aus § 197a Abs 1 SGG iVm §§ 47 Abs 1, 52 Abs 1, 3 GKG.

(1) Versicherte erhalten in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen neben der ärztlichen Behandlung häusliche Krankenpflege durch geeignete Pflegekräfte, wenn Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht ausführbar ist, oder wenn sie durch die häusliche Krankenpflege vermieden oder verkürzt wird. § 10 der Werkstättenverordnung bleibt unberührt. Die häusliche Krankenpflege umfaßt die im Einzelfall erforderliche Grund- und Behandlungspflege sowie hauswirtschaftliche Versorgung. Der Anspruch besteht bis zu vier Wochen je Krankheitsfall. In begründeten Ausnahmefällen kann die Krankenkasse die häusliche Krankenpflege für einen längeren Zeitraum bewilligen, wenn der Medizinische Dienst (§ 275) festgestellt hat, daß dies aus den in Satz 1 genannten Gründen erforderlich ist.

(1a) Versicherte erhalten an geeigneten Orten im Sinne von Absatz 1 Satz 1 wegen schwerer Krankheit oder wegen akuter Verschlimmerung einer Krankheit, insbesondere nach einem Krankenhausaufenthalt, nach einer ambulanten Operation oder nach einer ambulanten Krankenhausbehandlung, soweit keine Pflegebedürftigkeit mit Pflegegrad 2, 3, 4 oder 5 im Sinne des Elften Buches vorliegt, die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung. Absatz 1 Satz 4 und 5 gilt entsprechend.

(2) Versicherte erhalten in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. § 10 der Werkstättenverordnung bleibt unberührt. Der Anspruch nach Satz 1 besteht über die dort genannten Fälle hinaus ausnahmsweise auch für solche Versicherte in zugelassenen Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 43 des Elften Buches, die auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, einen besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben; § 37c Absatz 3 gilt entsprechend. Die Satzung kann bestimmen, dass die Krankenkasse zusätzlich zur Behandlungspflege nach Satz 1 als häusliche Krankenpflege auch Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung erbringt. Die Satzung kann dabei Dauer und Umfang der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung nach Satz 4 bestimmen. Leistungen nach den Sätzen 4 und 5 sind nach Eintritt von Pflegebedürftigkeit mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne des Elften Buches nicht zulässig. Versicherte, die nicht auf Dauer in Einrichtungen nach § 71 Abs. 2 oder 4 des Elften Buches aufgenommen sind, erhalten Leistungen nach Satz 1 und den Sätzen 4 bis 6 auch dann, wenn ihr Haushalt nicht mehr besteht und ihnen nur zur Durchführung der Behandlungspflege vorübergehender Aufenthalt in einer Einrichtung oder in einer anderen geeigneten Unterkunft zur Verfügung gestellt wird. Versicherte erhalten in stationären Einrichtungen im Sinne des § 43a des Elften Buches Leistungen nach Satz 1, wenn der Bedarf an Behandlungspflege eine ständige Überwachung und Versorgung durch eine qualifizierte Pflegefachkraft erfordert.

(2a) Die gesetzliche Krankenversicherung beteiligt sich an den Kosten der medizinischen Behandlungspflege in vollstationären Pflegeeinrichtungen mit einem jährlichen Pauschalbetrag in Höhe von 640 Millionen Euro, der an den Ausgleichsfonds der sozialen Pflegeversicherung zu leisten ist. Die Zahlung erfolgt anteilig quartalsweise. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen erhebt hierzu von den Krankenkassen eine Umlage gemäß dem Anteil der Versicherten der Krankenkassen an der Gesamtzahl der Versicherten aller Krankenkassen. Das Nähere zum Umlageverfahren und zur Zahlung an die Pflegeversicherung bestimmt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen.

(2b) Die häusliche Krankenpflege nach den Absätzen 1 und 2 umfasst auch die ambulante Palliativversorgung. Für Leistungen der ambulanten Palliativversorgung ist regelmäßig ein begründeter Ausnahmefall im Sinne von Absatz 1 Satz 5 anzunehmen. § 37b Absatz 4 gilt für die häusliche Krankenpflege zur ambulanten Palliativversorgung entsprechend.

(3) Der Anspruch auf häusliche Krankenpflege besteht nur, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang nicht pflegen und versorgen kann.

(4) Kann die Krankenkasse keine Kraft für die häusliche Krankenpflege stellen oder besteht Grund, davon abzusehen, sind den Versicherten die Kosten für eine selbstbeschaffte Kraft in angemessener Höhe zu erstatten.

(5) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 3 ergebenden Betrag, begrenzt auf die für die ersten 28 Kalendertage der Leistungsinanspruchnahme je Kalenderjahr anfallenden Kosten an die Krankenkasse.

(6) Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in Richtlinien nach § 92 fest, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 auch außerhalb des Haushalts und der Familie des Versicherten erbracht werden können.

(7) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt in Richtlinien nach § 92 unter Berücksichtigung bestehender Therapieangebote das Nähere zur Versorgung von chronischen und schwer heilenden Wunden. Die Versorgung von chronischen und schwer heilenden Wunden kann auch in spezialisierten Einrichtungen an einem geeigneten Ort außerhalb der Häuslichkeit von Versicherten erfolgen.

(8) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt in der Richtlinie über die Verordnung häuslicher Krankenpflege nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Juli 2022 Rahmenvorgaben zu einzelnen nach dem Leistungsverzeichnis der Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 verordnungsfähigen Maßnahmen, bei denen Pflegefachkräfte, die die in den Rahmenempfehlungen nach § 132a Absatz 1 Satz 4 Nummer 7 geregelten Anforderungen erfüllen, innerhalb eines vertragsärztlich festgestellten Verordnungsrahmens selbst über die erforderliche Häufigkeit und Dauer bestimmen können, sowie Vorgaben zur Notwendigkeit eines erneuten Arztkontaktes und zur Information der Vertragsärztin oder des Vertragsarztes durch den Leistungserbringer über die erbrachten Maßnahmen.

(9) Zur Feststellung des tatsächlichen Ausgabenvolumens für die im Rahmen einer Versorgung nach Absatz 8 erbrachten Leistungen pseudonymisieren die Krankenkassen die Angaben zu den Ausgaben jeweils arztbezogen sowie versichertenbezogen. Sie übermitteln diese Angaben nach Durchführung der Abrechnungsprüfung dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen, der diese Daten für den Zweck der nach Absatz 10 durchzuführenden Evaluierung kassenartenübergreifend zusammenführt und diese Daten dem nach Absatz 10 Satz 2 beauftragten unabhängigen Dritten übermittelt. Das Nähere zur Datenübermittlung und zum Verfahren der Pseudonymisierung regelt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der beauftragte unabhängige Dritte nach Absatz 10 Satz 2 haben die ihnen nach Satz 2 übermittelten pseudonymisierten Daten spätestens ein Jahr nach Abschluss der Evaluierung zu löschen.

(10) Drei Jahre nach Inkrafttreten der Regelungen nach Absatz 8 evaluieren der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die in § 132a Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer unter Berücksichtigung der nach Absatz 9 Satz 2 übermittelten Daten insbesondere die mit der Versorgung nach Absatz 8 verbundenen Auswirkungen auf das Versorgungsgeschehen im Bereich der häuslichen Krankenpflege, die finanziellen Auswirkungen auf die Krankenkassen, die Wirtschaftlichkeit der Versorgung nach Absatz 8 sowie die Auswirkungen auf die Behandlungs- und Ergebnisqualität. Die Evaluierung hat durch einen durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die in § 132a Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer gemeinsam zu beauftragenden unabhängigen Dritten zu erfolgen.

(1) Pflegebedürftige haben Anspruch auf einen pauschalen Zuschlag in Höhe von 214 Euro monatlich, wenn

1.
sie mit mindestens zwei und höchstens elf weiteren Personen in einer ambulant betreuten Wohngruppe in einer gemeinsamen Wohnung zum Zweck der gemeinschaftlich organisierten pflegerischen Versorgung leben und davon mindestens zwei weitere Personen pflegebedürftig im Sinne der §§ 14, 15 sind,
2.
sie Leistungen nach den §§ 36, 37, 38, 45a oder § 45b beziehen,
3.
eine Person durch die Mitglieder der Wohngruppe gemeinschaftlich beauftragt ist, unabhängig von der individuellen pflegerischen Versorgung allgemeine organisatorische, verwaltende, betreuende oder das Gemeinschaftsleben fördernde Tätigkeiten zu verrichten oder die Wohngruppenmitglieder bei der Haushaltsführung zu unterstützen, und
4.
keine Versorgungsform einschließlich teilstationärer Pflege vorliegt, in der ein Anbieter der Wohngruppe oder ein Dritter den Pflegebedürftigen Leistungen anbietet oder gewährleistet, die dem im jeweiligen Rahmenvertrag nach § 75 Absatz 1 für vollstationäre Pflege vereinbarten Leistungsumfang weitgehend entsprechen; der Anbieter einer ambulant betreuten Wohngruppe hat die Pflegebedürftigen vor deren Einzug in die Wohngruppe in geeigneter Weise darauf hinzuweisen, dass dieser Leistungsumfang von ihm oder einem Dritten nicht erbracht wird, sondern die Versorgung in der Wohngruppe auch durch die aktive Einbindung ihrer eigenen Ressourcen und ihres sozialen Umfelds sichergestellt werden kann.

Leistungen der Tages- und Nachtpflege gemäß § 41 können neben den Leistungen nach dieser Vorschrift nur in Anspruch genommen werden, wenn gegenüber der zuständigen Pflegekasse durch eine Prüfung des Medizinischen Dienstes nachgewiesen ist, dass die Pflege in der ambulant betreuten Wohngruppe ohne teilstationäre Pflege nicht in ausreichendem Umfang sichergestellt ist; dies gilt entsprechend für die Versicherten der privaten Pflege-Pflichtversicherung.

(2) Die Pflegekassen sind berechtigt, zur Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen bei dem Antragsteller folgende Daten zu verarbeiten und folgende Unterlagen anzufordern:

1.
eine formlose Bestätigung des Antragstellers, dass die Voraussetzungen nach Absatz 1 Nummer 1 erfüllt sind,
2.
die Adresse und das Gründungsdatum der Wohngruppe,
3.
den Mietvertrag einschließlich eines Grundrisses der Wohnung und den Pflegevertrag nach § 120,
4.
Vorname, Name, Anschrift und Telefonnummer sowie Unterschrift der Person nach Absatz 1 Nummer 3 und
5.
die vereinbarten Aufgaben der Person nach Absatz 1 Nummer 3.

Tenor

I. Die Antragsgegnerin wird verpflichtet, ab dem 02.01.2019 vorläufig für die Antragstellerin die Kosten häuslicher Krankenpflege in Form von Medikamentengabe 2 x täglich / 7 x wöchentlich zu übernehmen.

II. Diese Anordnung gilt längstens bis zum 31.12.2019, sofern die unter Ziffer I. aufgeführte Leistung ärztlich verordnet wird.

III. Die Antragsgegnerin hat der Antragstellerin ihre notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

Gründe

I.

Die Antragstellerin (Ast) begehrt die vorläufige Gewährung von Leistungen zur häuslichen Krankenpflege durch die Antragsgegnerin (Ag).

Die 1932 geborene Ast ist bei der Ag gesetzlich gegen Krankheit versichert. Sie ist an einer dementiellen Krankheit erkrankt und lebt in einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft im „Haus der D.“ in A-Stadt. Dort ist entsprechend dem mit der D. A-Stadt abgeschlossenen Betreuungsvertrag eine Präsenzkraft für 24 Stunden am Tag anwesend. Für ihren Sohn, Herrn A., ist eine Vorsorgevollmacht erteilt.

Am 17.09.2018 wurde der Ast von ihrem behandelnden Arzt häusliche Krankenpflege in Form von Medikamentengabe 2 * täglich / 7 * wöchentlich verordnet.

Mit Bescheid vom 12.10.2018 bewilligte die Ag diese Leistung zunächst.

In einem weiteren Bescheid vom 16.10.2018 hob die Ag jedoch die Bewilligung für die Zeit nach dem 19.10.2018 wieder auf. Es wurde ausgeführt, dass das Sozialgericht Bayreuth in einer Entscheidung vom 16.05.2018 festgelegt habe, dass abhängig vom Betreuungs-/Servicevertrag zwischen dem Träger der Einrichtung und dem Versicherten einfache Behandlungspflege im Sinne der BSG-Entscheidung vom 25.02.2015 Bestandteil der vom Betreiber der Wohngemeinschaft sicher zu stellenden Leistungen sei und damit nicht als Maßnahme der häuslichen Krankenpflege zu finanzieren sei. Aufgrund dieses richterlichen Urteils hebe man die Entscheidung vom 12.10.2018 auf.

Hiergegen erhob der Bevollmächtigte der Ast mit Schreiben vom 23.10.2018 Widerspruch.

Es wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass im Fokus des BSG-Urteils vom 25.02.2015 nicht die häusliche Krankenpflege in einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft, sondern häusliche Krankenpflege in einer stationären Einrichtung der Eingliederungshilfe stehe. Daraus die Ablehnung der Medikamentengabe in einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft abzuleiten, sei rechtlich fragwürdig und durch die Sozialgerichte klärungsbedürftig.

Seine Mutter lebe nicht ein einer „Einrichtung der Eingliederungshilfe“ oder „stationären Einrichtung“, sondern in einer ambulant betreuten Wohngemeinschaft, die die fünf Kriterien nach Art. 2 Abs. 3 S. 3 Nr. 1-5 PfleWogG erfülle. Der „Träger der Einrichtung“ sei das Mietergremium, das Gremium der Selbstbestimmung, als Gesellschaft des bürgerlichen Rechts. Zweck dieser Gesellschaft sei die Organisation des gemeinschaftlichen Zusammenlebens in einem gemeinsamen Haushalt sowie die Inanspruchnahme externer Pflege- und/oder Betreuungsleistungen. Das Mietergremium habe als gemeinsamen Dienstleister die D.station A-Stadt mit der Betreuung und der ambulanten Pflege der Mieter der Wohngemeinschaft beauftragt.

Laut der Ag sollten mit den 214,00 € des Wohngruppenzuschlags zum einen die zweckgebundenen Betreuungsleistungen und zugleich die Kosten für die Verordnung der Medikamentengabe finanziert werden. Dies sei zum einen nicht zulässig und auch nicht möglich, weil bei seiner Mutter 208,80 € (Kosten für die Medikamentengabe) zuzüglich der zusätzlichen Kosten für den Gemeinsamen Auftrag zur Gestellung einer Person nach § 38a SGB XI einen höheren Betrag ergeben würden als den Wohngruppenzuschlag von 214,00 €.

Mit Bescheid vom 28.11.2018 wies die Ag den Widerspruch der Ast zurück.

Nach den Entscheidungen des BSG vom 25.02.2015 (B 3 KR 10/14 R und B 3 KR 11/14 R) sowie der Entscheidung vom 22.04.2015 (B 3 KR 16/14 R) handle es sich bei der Medikamentengabe um einfachste Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege, die von jedem erwachsenen Haushaltsangehörigen ohne weiteres ausgeführt werden können, vgl. § 37 Abs. 3 SGB V.

Die Ast sei in einer Wohngemeinschaft untergebracht, für die ein Gesellschaftsvertrag nach §§ 705ff BGB abgeschlossen worden sei. Zudem sei ein Betreuungsvertrag mit der D. A-Stadt geschlossen worden. Aus diesem Vertrag gehe hervor, dass für die Ast ab dem 24.01.2018 täglich in der Zeit von 0 Uhr bis 24 Uhr eine Präsenzkraft zur Verfügung stehe.

Nach § 1 des Betreuungsvertrages erbringe die Präsenzkraft insbesondere Hilfestellungen bei Schriftverkehr und Kommunikation, Leistungen der gemeinschaftlichen sozialen Betreuung innerhalb der Wohngemeinschaft, Begleitung bei Exkursionen im Umfeld zur Teilnahme am sozialen Leben, Unterstützung beim gemeinen Zubereiten von Mahlzeiten, Unterstützung bei der sonstigen gemeinschaftlichen Haushaltsführung sowie Vermittlung von Sicherheit zur Nacht.

Die Präsenzkraft sei damit jedenfalls in der Lage, ggf. nach Anleitung, einfachste Maßnahmen - wie die Medikamentengabe - wie sie in einem Haushalt grundsätzlich von jedem Erwachsenen erbracht würden, durchzuführen.

Die Tatsache, dass am Ende des Betreuungsvertrags pflegerische und hauswirtschaftliche Leistungen ausgeschlossen seien, sei hierbei unschädlich.

Mit Schreiben vom 18.12.2018, bei Gericht eingegangen am 02.01.2019, erhob der Bevollmächtigte der Ast hiergegen Klage zum Sozialgericht Nürnberg, die unter dem Aktenzeichen S 7 KR 7/19 geführt wird.

Gleichzeitig wurde der Erlass einer einstweiligen Anordnung zur vorläufigen Weiterfinanzierung der Medikamentengabe, auch rückwirkend zum 20.10.2018, beantragt. Sollte die Ast die streitigen Leistungen in Höhe von ca. 200 € monatlich selbst finanzieren müssen, so wäre ihr aus finanziellen Gründen ein Verbleib in der Wohngruppe nicht mehr möglich.

Auf die Klage-/Antragsschrift vom 18.12.2018 wird verwiesen.

Auf Nachfrage der Vorsitzenden wurde mitgeteilt: Für das Folgequartal 1/2019 liege eine weitere Verordnung häuslicher Krankenpflege vor. Die Kostenübernahme sei seitens der Ag unter Verweis auf die im Bescheid vom 16.10.2018 genannten Gründe abgelehnt worden.

Die Ast beantragt (sinngemäß) die Antragsgegnerin vorläufig zu verpflichten, die Kosten der verordneten häuslichen Krankenpflege in Form von Medikamentengabe 2* täglich / 7 * wöchentlich auch über den 19.10.2018 hinaus zu übernehmen.

Die Ag beantragt den Antrag abzulehnen.

Wegen der Einzelheiten wird auf die Gerichtsakte sowie die Verwaltungsakte der Antragsgegnerin verwiesen.

II.

Der zulässige Antrag hat weitgehend Erfolg.

Das Gericht kann auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustandes die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte (§ 86 b Abs. 2 Satz 1 SGG - Sicherungsanordnung). Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn diese Regelung vor allem bei dauernden Rechtsverhältnissen nötig ist, um wesentliche Nachteile abzuwenden (§ 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG - Regelungsanordnung). Eine solche Regelungsanordnung wird im vorliegenden Fall beantragt. Die erforderlichen Tatsachen hierzu, insbesondere der Anordnungsanspruch und der Anordnungsgrund sind glaubhaft zu machen (§ 86 b Abs. 2 Satz 4 SGG i. V. m. § 920 der Zivilprozessordnung - ZPO).

Der Anordnungsanspruch betrifft die Rechtsposition, deren Durchsetzung in der Hauptsache begehrt wird. Der Anordnungsgrund beinhaltet die Eilbedürftigkeit der begehrten vorläufigen Regelung. Sind Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund nicht glaubhaft gemacht, ist der Antrag auf vorläufigen Rechtsschutz nicht begründet.

1. Der Antrag hat keinen Erfolg, soweit er auf Leistungen gerichtet ist, die bereits in der Vergangenheit liegen.

Aufgabe des vorläufigen Rechtsschutzes durch Erlass einer einstweiligen Anordnung ist es, dem Betroffenen lediglich diejenigen Mittel zur Verfügung zu stellen, die zur Behebung aktueller, d.h. gegenwärtig - noch - bestehender Notlagen notwendig sind. Regelungen über die einstweilige Bewilligung von Geldleistungen können daher grundsätzlich nur für die Gegenwart und die Zukunft, nicht aber für zurückliegende Zeiträume getroffen werden, weil in der Regel davon auszugehen ist, dass in der Vergangenheit liegende Notsituationen von dem Betroffenen bereits bewältigt worden sind (vgl. Krodel, Das sozialgerichtliche Eilverfahren, 2005, RdNr. 259 m.w.N.). Einen finanziellen Ausgleich für die Vergangenheit herbeizuführen, ist nicht Aufgabe des vorläufigen Rechtsschutzverfahrens.

2. Darüber hinaus hat die Ast jedoch einen Anordnungsanspruch für die Zukunft glaubhaft gemacht. Nach der Ansicht des Gerichts hat die Ast einen Anspruch auf die Gewährung von häuslicher Krankenpflege durch die Ag aus § 37 SGB V.

Dessen Absatz 2 Satz 1 lautet: „Versicherte erhalten in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist; der Anspruch umfasst verrichtungsbezogene krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen auch in den Fällen, in denen dieser Hilfebedarf bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach den §§ 14 und 15 SGB XI zu berücksichtigen ist.“ Gemäß § 37 Abs. 3 SGB V besteht der Anspruch auf häusliche Krankenpflege nur, soweit eine im Haushalt lebende Person dem Kranken in dem erforderlichen Umfang nicht pflegen und versorgen kann. § 37 Abs. 6 SGB V bestimmt, dass der Gemeinsame Bundesausschuss in Richtlinien nach § 92 festlegt, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 auch außerhalb des Haushalts und der Familie des Versicherten erbracht werden können. Diesem Auftrag ist der Gemeinsame Bundesausschuss nachgekommen:

In der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege (häusliche Krankenpflege-Richtlinie vom 17. September 2009) heißt es in § 1 Abs. 2 Satz 2: „Anspruch auf häusliche Krankenpflege besteht auch an sonstigen geeigneten Orten, an denen sich die oder der Versicherten regelmäßig wiederkehrend aufhält und an denen die verordnete Maßnahme zuverlässig durchgeführt werden kann und für die Erbringung der einzelnen Maßnahme geeignete räumliche Verhältnisse vorliegen (z.B. im Hinblick auf hygienische Voraussetzungen, Wahrung der Intimsphäre, Beleuchtung), wenn die Leistung aus medizinisch-pflegerischen Gründen während des Aufenthalts an diesem Ort notwendig ist. Orte im Sinne des Satz 2 können insbesondere Schulen, Kindergärten, betreute Wohnformen oder Arbeitsstätten sein“. In § 1 Absatz 6 heißt es, „für die Zeit des Aufenthalts in Einrichtungen, in denen nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtungen besteht (z.B. Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen, Pflegeheimen), kann häusliche Krankenpflege nicht verordnet werden“. § 1 Abs. 7 Satz 2 lautet: „Eine Verordnung von Behandlungspflege ist auch für Versicherte in Pflegeheimen zulässig, die auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, einen besonders hohen Bedarf an medizinischen Behandlungspflege haben (§ 37 Abs. 2 Satz 3 SGB V)“.

Die Ast lebt in der ambulant betreuten Demenz-Wohngemeinschaft im Haus der D., A-Stadt. Nach dem eindeutigen Wortlaut des § 1 Abs. 2 Satz 2 häusliche Krankenpflege-Richtlinie handelt es sich dabei um einen sonstigen geeigneten Ort. Die Ast hält sich nämlich dort regelmäßig wiederkehrend auf und die verordnete Maßnahme kann dort zuverlässig durchgeführt werden, weil für die Erbringung der einzelnen Maßnahmen geeignete räumliche Verhältnisse unzweifelhaft vorliegen und die verordneten Leistungen aus medizinisch-pflegerischen Gründen während des Aufenthalts in der Wohngruppe notwendig sind.

Dem Grunde nach hat deshalb die Ast also in der Wohngemeinschaft, in der sie dauerhaft lebt, einen Anspruch gegen die Ag auf Gewährung von häuslicher Krankenpflege in Form der Behandlungspflege. Inhalt und Umfang der als häusliche Krankenpflege in Form der Behandlungspflege verordnungsfähigen Versorgung bestimmt sich ebenfalls nach der häuslichen Krankenpflege-Richtlinie.

Die verordnete Maßnahme gehört unzweifelhaft auch zu den Leistungen der medizinischen Behandlungspflege.

Ein Anspruch ist auch nicht dadurch ausgeschlossen, weil sich bereits ein Anspruch aus dem Betreuungsvertrag mit dem Pflegedienst ergeben würde.

Nach der Rechtsprechung des BSG sind betreute Wohnformen nur dann „geeignete Orte“ im Sinne des § 37 Abs. 2 S. 1 SGB V für die Erbringung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege durch die gesetzliche Krankenversicherung, wenn der Versicherte während seines Aufenthalts dort nicht bereits einen Anspruch auf Erbringung von Krankenpflegeleistungen gegen die Einrichtung hat (BSG, Urt. v. 25. Februar 2015 - B 3 KR 11/14 R - Rdnr. 13, -B 3 KR 10/14 RRdnr. 12 und v. 22. April 2015 - B 3 KR 16/14 R - Rdnr. 17). Auch zählt das BSG zu den „betreuten Wohnformen“ in § 37 Abs. 2 S. 1 SGB V ausdrücklich nicht nur stationäre Einrichtungen, sondern auch Formen der Versorgung, in der nur ambulante Leistungen erbracht werden (vgl. nur BSG v. 25. Februar 2015 - B 3 KR 11/14 R - Rdnr. 19).

Die Übergänge von einer Wohngemeinschaft mit ambulanten Betreuungshilfen zu einer stationären Einrichtung sind inzwischen fließend. Daher werden in den Landesheimgesetzen neben stationären Einrichtungen regelmäßig auch andere Formen des betreuten Wohnens erfasst (vgl Weber NZS 2011, 650, 651 mwN), und längst nicht alle Formen des betreuten Wohnens weisen eine größere Nähe zur eigenständigen Haushaltsführung auf als herkömmliche stationäre Einrichtungen. Eine eindeutige Zuordnung jeder Einrichtung entweder als stationäres Heim oder als ambulantes Angebot mit Betreuungshilfen wird durch die andauernde Entwicklung neuer Wohnformen zunehmend schwierig. Auch in betreuten Wohnformen haben Versicherte keinen Anspruch auf häusliche Krankenpflege, wenn sie bereits Anspruch auf die Maßnahme durch die Einrichtung bzw den Betreuungsdienst haben, weil häusliche Krankenpflege dann nicht erforderlich ist. Gerade im Grenzbereich verschiedener Wohnformen ist es aber sachgerecht, nach dem Anspruch gegen die Einrichtung bzw den Betreuungsdienst zu differenzieren und nicht dem Begriff „betreute Wohnformen“ eine Festlegung dahin zu entnehmen, dass in vollstationären Betreuungseinrichtungen keine häusliche Krankenpflege erbracht werden kann.

Es ist daher konsequent, den Anspruch auf häusliche Krankenpflege in Einrichtungen nur dann und insoweit zu beschränken, als nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung medizinischer Behandlungspflege durch die Einrichtung selbst besteht (BSG v. 25.Februar 2015 aaO).

Für die Vorsitzende stellt sich die vorliegende Konstellation aber nicht vergleichbar mit der vom Bundessozialgericht entschiedenen Konstellation der häuslichen Pflege in einer Einrichtung der Eingliederungshilfe.

Erbringt der Träger der Sozialhilfe die Leistungen der Eingliederungshilfe in einer vollstationären Einrichtung (§ 13 SGB XII, zum Einrichtungsbegriff iS des SGB XII vgl BSGE 106, 264 = SozR 4-3500 § 19 Nr. 2 RdNr. 13) der Hilfe für behinderte Menschen, wird grundsätzlich der gesamte Bedarf des Hilfebedürftigen nach § 9 Abs. 1 SGB XII in der Einrichtung in einrichtungsspezifischer Weise befriedigt. Die Einrichtung übernimmt für den Hilfebedürftigen von dessen Aufnahme bis zur Entlassung die Gesamtverantwortung für seine tägliche Lebensführung (vgl Luthe in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand November 2014, K § 13 RdNr. 58, 59 mwN). Leistungen der Eingliederungshilfe umfassen nach § 54 Abs. 1 Satz 1 SGB XII, § 26 SGB IX auch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, zu denen nach § 26 Abs. 2 SGB IX ua auch die Behandlung durch Angehörige von Heilberufen gehört, soweit deren Leistungen unter ärztlicher Aufsicht oder auf ärztliche Anordnung ausgeführt werden, wie es bei der häuslichen Krankenpflege der Fall ist.

Letztlich kann aus dieser Zweckrichtung der rechtliche Schluss gezogen werden, dass sich hieraus bestimmte Leistungspflichten des Einrichtungsträgers herleiten lassen.

Entscheidend für die Leistungspflichten der Einrichtungen zur Hilfe behinderter Menschen ist danach das in den Vereinbarungen nach den §§ 75 ff SGB XII festgelegte Ziel und der Zweck der Einrichtung, ihr Aufgabenprofil, die vorgesehene sächliche und personelle Ausstattung sowie der zu betreuende Personenkreis. Handelt es sich danach zB um eine Einrichtung, deren vorrangige Aufgabe darin besteht, Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten zu leisten, die erforderlich und geeignet sind, behinderten Menschen die für sie erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen (vgl § 55 Abs. 2 Nr. 3 SGB IX), gehören einfachste medizinische Maßnahmen (vgl dazu auch BSG SozR 3-2500 § 53 Nr. 10), die für Versicherte im eigenen Haushalt praktisch von jedem erwachsenen Haushaltsangehörigen erbracht werden können und keine medizinische Fachkunde erfordern, wie die Einnahme von Medikamenten und das Blutdruckmessen, regelmäßig der Natur der Sache nach zum Aufgabenkreis der Einrichtung.

(BSG, Urteil vom 25. Februar 2015 - B 3 KR 11/14 R -, BSGE 118, 122-137, SozR 4-2500 § 37 Nr. 13, Rn. 28))

Das Gericht ging bei seinen Entscheidungen erkennbar davon aus, dass in einer Einrichtung eine Art Gesamtverantwortung für die Bewohner übernommen wird, die das Vorhalten von Personal- und Sachmitteln auf der Grundlage entsprechender Vereinbarungen mit den Sozialhilfeträgern nach § 75 ff. SGB XII voraussetzt und die, dies sei ergänzend angeführt, ordnungsrechtlich insbesondere zum Einsatz von Fachkräften - auch in der Nacht - führen (vgl. § 15 BayAVPfleWoqG). Grundlage für die Entscheidungen des BSG war mithin ein ganz anderer Typ Leistungsort, denn das so skizzierte Leistungsniveau erreichen Wohngruppen bzw. Wohngemeinschaften von vornherein nicht und dürfen dies auch gar nicht, wenn die Leistungsvoraussetzungen des § 38 a SGB XI erfüllt werden sollen.

Vorliegend gibt es nämlich keine „Einrichtung“ in dem oben dargestellten Sinne. Vielmehr ist der „Träger“ der Wohngemeinschaft das Mieter-Gremium, eine Gesellschaft bürgerlichen Rechts, deren Ziel es ist, den häuslichen, pflegerischen und/oder betreuerischen Alltag der Gesellschafterinnen und Gesellschafter gemeinsam im Hinblick auf ihren persönlichen Hilfsbedarf möglichst optimal in einem gemeinsamen Haushalt und die Inanspruchnahme externer Pflege- oder Betreuungsleistungen gegen Entgelt zu ermöglichen und wirtschaftlich zu gestalten.

Während es bei einer Einrichtung der Eingliederungshilfe also darum geht, einen entsprechenden Bedarf des Hilfsbedürftigen zu befriedigen, geht es bei der hier gewählten Wohnform somit um ein „Minus“, nämlich die Koordination der Bedarfsdeckung.

Dies erfolgt in der vorliegenden Konstellation im Wesentlichen durch zwei unterschiedliche Verträge, die zwischen „Betreuung“ (durch die Präsenzkraft) und die „Pflege“ unterscheiden.

Die Präsenzkraft erbringt gemäß dem Betreuungsvertrag Hilfen des täglichen Lebens, insbesondere

- Hilfestellungen bei Schriftverkehr und Kommunikation

- Leistungen der gemeinschaftlichen sozialen Betreuung innerhalb der Wohngemeinschaft

- Organisation gemeinschaftlicher Aktivitäten innerhalb der Wohngemeinschaft

- Begleitung von Mietern bei Exkursionen im Umfeld zur Teilnahme am sozialen Leben

- Unterstützung beim gemeinschaftlichen Zubereiten von Mahlzeiten

- Unterstützung bei der sonstigen gemeinschaftlichen Haushaltsführung

- Vermittlung von Sicherheit bei Nacht.

Aus dem Pflegevertrag wiederum ergibt sich wiederum die Verpflichtung des Leistungserbringers, den Leistungsnehmer nach Art und Schwere der Pflegebedürftigkeit entsprechend der in Anspruch genommenen Leistungen zu pflegen und hauswirtschaftlich zu versorgen.

Diese Differenzierung entspricht gerade auch der Differenzierung, die das Bundessozialgericht in seiner Rechtsprechung zu § 38a Abs. 1 Nr. 3 SGB XI vorgegeben hat: Wird der Wohngruppenzuschlag für die Tätigkeiten eines ambulanten Pflegedienstes (§ 36 SGB XI) in Anspruch genommen, muss sichergestellt sein, dass sich die nach § 38a Abs. 1 Nr. 3 SGB XI zu erledigenden Aufgaben hinreichend deutlich von der benötigten individuellen pflegerischen Versorgung unterscheiden.

(BSG, Urteil vom 18. Februar 2016 - B 3 P 5/14 R -, BSGE 120, 271-281, SozR 4-3300 § 38a Nr. 1, Rn. 29))

Gerade wegen dieser deutlichen Trennung von psychosozialer und pflegerischer Versorgung ist nach Ansicht der Vorsitzenden jedoch dem Urteil des SG Bayreuth vom 16.05.2018 () nicht zu folgen. Dieses schließt aus der potentiellen Qualifikation der Präsenzkräfte für die häusliche Krankenpflege auf einen Anspruch des Leistungsnehmers hierauf. Die Tatsache, dass nach § 2 (am Ende) des Betreuungsvertrags Leistungen nach § 37 SGB V und pflegerische/hauswirtschaftliche Leistungen nach SGB XI ausgeschlossen seien, sei hierbei unschädlich. Denn nach Gesetz und Rechtsprechung habe die Klägerin einen Anspruch hierauf gegen den Vertragspartner, der für Erbringung der Betreuungsleistung in der ambulant betreuten Wohngemeinschaft, zuständig ist, so dass der vertragliche Ausschluss nach § 32 SGB I nichtig sei (SG Bayreuth, Gerichtsbescheid vom 16. Mai 2018 - -, Rn. 49, juris)

Dies würde jedoch dazu führen, dass die Präsenzkraft die vielfältigen Aufgaben häuslicher Krankenpflege neben ihren eigentlichen, vertraglich geschuldeten Tätigkeiten gar nicht bewältigen könnte. Für bis zu 12 Bewohner wären im Zweifel zeitgleich Leistungen wie die Blutdruck- und Blutzuckermessung, Inhalationen, das Auflegen von Kälteträgern, das Richten von Medikamenten, die Gabe von Medikamenten, das An- und Ausziehen von Thrombosestrümpfen, das Richten von Injektionen zur Selbstapplikation, Einreibungen, medizinische Bäder, das An- und Ablegen von einfachen Stützverbänden oder auch das Durchführen der Sanierung von MRSA-Trägern bei gesicherter Diagnose vorzunehmen. Damit wäre eine einzelne Präsenzkraft ganz offenkundig überfordert. Letztlich würden dadurch die unterschiedlichen Aufgabenbereiche, die vertraglich genau voneinander abgegrenzt werden sollten, wieder vermengt und das Aufgabenprofil der Präsenzkraft erheblich erweitert.

Die Versorgungssituation entspricht insofern auch weder derjenigen innerhalb der Familie iSd § 37 Abs. 3 SGB V, in der im Zweifelsfall nur eine einzelne Person gepflegt wird, noch derjenigen in einer stationären Einrichtung, die über eine entsprechende Personalmenge verfügt. Im Übrigen dürften auch die Qualitätsanforderungen, die berechtigterweise an ambulante Pflegedienste gestellt werden, von einer Präsenzkraft angesichts des für diese geltenden Anforderungsprofils kaum einzuhalten sein (so auch Weber in NZS 2019, 52, BAYERN.RECHT).

3. Die Ast hat auch einen Anordnungsgrund glaubhaft gemacht.

Für die hier begehrte Regelungsanordnung erfordert ein Anordnungsgrund deren Notwendigkeit zur Abwendung wesentlicher Nachteile. Es gilt im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes den Antragsteller vor vollendete Tatsachen zu bewahren, bevor er wirksamen Rechtsschutz erlangen kann (vgl. Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 86b Rn. 28).

Es kann dahin gestellt bleiben, ob die hier vorliegenden gewichtigen Gründe für die Annahme eines Anordnungsanspruchs bereits die Anforderungen an den Anordnungsgrund vermindern (vgl. LSG Niedersachsen-Bremen, Beschluss vom 27. Juli 2010, L 1 KR 281/10 B, Rz. 34 - zitiert nach juris; Keller, in: Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 9. Auflage, § 86b Rn. 29). Der Erlass einer einstweiligen Anordnung ist jedenfalls notwendig zur Abwendung wesentlicher Nachteile der Ast.

Nach den glaubhaften Ausführungen ihres Bevollmächtigten entstehen momentan laufende Kosten in Höhe von über 200 € monatlich. Eine neue Verordnung für das 1. Quartal 2019 wurde vorgelegt. Ein Verbleib der Ast in der Wohngemeinschaft wäre aus diesem Grund mittelfristig gefährdet.

Ab Antragstellung (Eingang 02.01.2019) war die Ag daher zur weiteren Übernahme der Leistungen zu verpflichten. Entsprechend dem vorläufigen Charakter einer einstweiligen Anordnung war es sachgerecht, eine Befristung für einen überschaubaren Zeitraum auszusprechen.

Die Kostenfolge ergibt sich aus § 193 SGG.

(1) Versicherte erhalten in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen neben der ärztlichen Behandlung häusliche Krankenpflege durch geeignete Pflegekräfte, wenn Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht ausführbar ist, oder wenn sie durch die häusliche Krankenpflege vermieden oder verkürzt wird. § 10 der Werkstättenverordnung bleibt unberührt. Die häusliche Krankenpflege umfaßt die im Einzelfall erforderliche Grund- und Behandlungspflege sowie hauswirtschaftliche Versorgung. Der Anspruch besteht bis zu vier Wochen je Krankheitsfall. In begründeten Ausnahmefällen kann die Krankenkasse die häusliche Krankenpflege für einen längeren Zeitraum bewilligen, wenn der Medizinische Dienst (§ 275) festgestellt hat, daß dies aus den in Satz 1 genannten Gründen erforderlich ist.

(1a) Versicherte erhalten an geeigneten Orten im Sinne von Absatz 1 Satz 1 wegen schwerer Krankheit oder wegen akuter Verschlimmerung einer Krankheit, insbesondere nach einem Krankenhausaufenthalt, nach einer ambulanten Operation oder nach einer ambulanten Krankenhausbehandlung, soweit keine Pflegebedürftigkeit mit Pflegegrad 2, 3, 4 oder 5 im Sinne des Elften Buches vorliegt, die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung. Absatz 1 Satz 4 und 5 gilt entsprechend.

(2) Versicherte erhalten in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. § 10 der Werkstättenverordnung bleibt unberührt. Der Anspruch nach Satz 1 besteht über die dort genannten Fälle hinaus ausnahmsweise auch für solche Versicherte in zugelassenen Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 43 des Elften Buches, die auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, einen besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben; § 37c Absatz 3 gilt entsprechend. Die Satzung kann bestimmen, dass die Krankenkasse zusätzlich zur Behandlungspflege nach Satz 1 als häusliche Krankenpflege auch Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung erbringt. Die Satzung kann dabei Dauer und Umfang der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung nach Satz 4 bestimmen. Leistungen nach den Sätzen 4 und 5 sind nach Eintritt von Pflegebedürftigkeit mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne des Elften Buches nicht zulässig. Versicherte, die nicht auf Dauer in Einrichtungen nach § 71 Abs. 2 oder 4 des Elften Buches aufgenommen sind, erhalten Leistungen nach Satz 1 und den Sätzen 4 bis 6 auch dann, wenn ihr Haushalt nicht mehr besteht und ihnen nur zur Durchführung der Behandlungspflege vorübergehender Aufenthalt in einer Einrichtung oder in einer anderen geeigneten Unterkunft zur Verfügung gestellt wird. Versicherte erhalten in stationären Einrichtungen im Sinne des § 43a des Elften Buches Leistungen nach Satz 1, wenn der Bedarf an Behandlungspflege eine ständige Überwachung und Versorgung durch eine qualifizierte Pflegefachkraft erfordert.

(2a) Die gesetzliche Krankenversicherung beteiligt sich an den Kosten der medizinischen Behandlungspflege in vollstationären Pflegeeinrichtungen mit einem jährlichen Pauschalbetrag in Höhe von 640 Millionen Euro, der an den Ausgleichsfonds der sozialen Pflegeversicherung zu leisten ist. Die Zahlung erfolgt anteilig quartalsweise. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen erhebt hierzu von den Krankenkassen eine Umlage gemäß dem Anteil der Versicherten der Krankenkassen an der Gesamtzahl der Versicherten aller Krankenkassen. Das Nähere zum Umlageverfahren und zur Zahlung an die Pflegeversicherung bestimmt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen.

(2b) Die häusliche Krankenpflege nach den Absätzen 1 und 2 umfasst auch die ambulante Palliativversorgung. Für Leistungen der ambulanten Palliativversorgung ist regelmäßig ein begründeter Ausnahmefall im Sinne von Absatz 1 Satz 5 anzunehmen. § 37b Absatz 4 gilt für die häusliche Krankenpflege zur ambulanten Palliativversorgung entsprechend.

(3) Der Anspruch auf häusliche Krankenpflege besteht nur, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang nicht pflegen und versorgen kann.

(4) Kann die Krankenkasse keine Kraft für die häusliche Krankenpflege stellen oder besteht Grund, davon abzusehen, sind den Versicherten die Kosten für eine selbstbeschaffte Kraft in angemessener Höhe zu erstatten.

(5) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 3 ergebenden Betrag, begrenzt auf die für die ersten 28 Kalendertage der Leistungsinanspruchnahme je Kalenderjahr anfallenden Kosten an die Krankenkasse.

(6) Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in Richtlinien nach § 92 fest, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 auch außerhalb des Haushalts und der Familie des Versicherten erbracht werden können.

(7) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt in Richtlinien nach § 92 unter Berücksichtigung bestehender Therapieangebote das Nähere zur Versorgung von chronischen und schwer heilenden Wunden. Die Versorgung von chronischen und schwer heilenden Wunden kann auch in spezialisierten Einrichtungen an einem geeigneten Ort außerhalb der Häuslichkeit von Versicherten erfolgen.

(8) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt in der Richtlinie über die Verordnung häuslicher Krankenpflege nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Juli 2022 Rahmenvorgaben zu einzelnen nach dem Leistungsverzeichnis der Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 verordnungsfähigen Maßnahmen, bei denen Pflegefachkräfte, die die in den Rahmenempfehlungen nach § 132a Absatz 1 Satz 4 Nummer 7 geregelten Anforderungen erfüllen, innerhalb eines vertragsärztlich festgestellten Verordnungsrahmens selbst über die erforderliche Häufigkeit und Dauer bestimmen können, sowie Vorgaben zur Notwendigkeit eines erneuten Arztkontaktes und zur Information der Vertragsärztin oder des Vertragsarztes durch den Leistungserbringer über die erbrachten Maßnahmen.

(9) Zur Feststellung des tatsächlichen Ausgabenvolumens für die im Rahmen einer Versorgung nach Absatz 8 erbrachten Leistungen pseudonymisieren die Krankenkassen die Angaben zu den Ausgaben jeweils arztbezogen sowie versichertenbezogen. Sie übermitteln diese Angaben nach Durchführung der Abrechnungsprüfung dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen, der diese Daten für den Zweck der nach Absatz 10 durchzuführenden Evaluierung kassenartenübergreifend zusammenführt und diese Daten dem nach Absatz 10 Satz 2 beauftragten unabhängigen Dritten übermittelt. Das Nähere zur Datenübermittlung und zum Verfahren der Pseudonymisierung regelt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der beauftragte unabhängige Dritte nach Absatz 10 Satz 2 haben die ihnen nach Satz 2 übermittelten pseudonymisierten Daten spätestens ein Jahr nach Abschluss der Evaluierung zu löschen.

(10) Drei Jahre nach Inkrafttreten der Regelungen nach Absatz 8 evaluieren der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die in § 132a Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer unter Berücksichtigung der nach Absatz 9 Satz 2 übermittelten Daten insbesondere die mit der Versorgung nach Absatz 8 verbundenen Auswirkungen auf das Versorgungsgeschehen im Bereich der häuslichen Krankenpflege, die finanziellen Auswirkungen auf die Krankenkassen, die Wirtschaftlichkeit der Versorgung nach Absatz 8 sowie die Auswirkungen auf die Behandlungs- und Ergebnisqualität. Die Evaluierung hat durch einen durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die in § 132a Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer gemeinsam zu beauftragenden unabhängigen Dritten zu erfolgen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. November 2015 aufgehoben.

Die Sache wird zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Im Streit steht ein Anspruch auf Freistellung von Kosten für häusliche Krankenpflege.

2

Die Klägerin ist die Tochter des am 6.10.2012 verstorbenen Versicherten, der bei der beklagten Krankenkasse versichert war. Sie war auch seine Betreuerin für die Aufgabenkreise Gesundheitsfürsorge und Aufenthaltsbestimmung. Der Versicherte erlitt am 22.6.2012 einen akuten Hinterwandinfarkt mit bleibendem Hirnschaden und apallischem Syndrom. Zunächst wurde er bei fortdauernder maschineller Beatmungsnotwendigkeit und künstlicher Ernährung in einer Klinik in V. stationär behandelt. Eine anschließende Rückkehr in den zuvor mit seiner Ehefrau gemeinsam bewohnten Haushalt in K. war nicht möglich. Am 20.8.2012 wurde für den Versicherten unter Vorlage der ärztlichen Verordnung vom 15.8.2012 ein Antrag auf Gewährung häuslicher Krankenpflege ("24h-Intensiv/Krankenpflege") ab 28.8.2012 gestellt. Weitere ärztliche Verordnungen für eine "Rund-um-die-Uhr-Krankenpflege" (mit Beatmung, Absaugen, Vitalparameterkontrolle, Monitorisierung und Tracheostomaversorgung) folgten für die Zeit bis 30.12.2012.

3

Die Klägerin schloss für den Versicherten zum 28.8.2012 mit der S. GmbH K. (seit Juli 2013 firmierend als I. GmbH) einen Wohnungs-Mietvertrag auf unbestimmte Zeit über ein Zimmer in einem Zwei-Zimmer-Appartement mit Nutzung von Gemeinschaftsräumen (Küche und Bad) in der Seniorenresidenz in N. Der Versicherte lebte dort nach seiner Entlassung aus der Klinik in V. ab 4.9.2012 in dem angemieteten Zimmer, wo er bis zum Tag seines Ablebens am 6.10.2012 rund um die Uhr (24 Stunden) von dem Pflegedienst I.-Ambulant GmbH versorgt wurde; die Gesellschaftsanteile dieser GmbH hielt zu 50 vH die S. GmbH. Ein am 13.9.2012 durch den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung (MDK) vor Ort erstelltes sozialmedizinisches Gutachten kam zu dem Ergebnis, dass der Versicherte bereits ab August 2012 in die Pflegestufe III (aF) einzustufen sei.

4

Die Beklagte lehnte den Antrag auf häusliche Krankenpflege ab, weil der Versicherte keinen eigenen Haushalt iS von § 37 Abs 2 SGB V habe. Es liege vielmehr eine heimähnliche stationäre Versorgung vor (Bescheid vom 31.8.2012). Der Widerspruch, mit dem die Klägerin einwandte, dass die Pflegesituation dem Wunsch ihres Vaters entspreche, auf keinen Fall in ein Pflegeheim zu müssen, und dass die neue Wohnung seine "Häuslichkeit" sei, blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 6.12.2012).

5

Die I.-Ambulant GmbH stellte der Beklagten für erbrachte Pflegeleistungen im Zeitraum vom 4.9.2012 bis zum 6.10.2012 insgesamt 20 910,59 Euro in Rechnung. Das SG hat die auf Freistellung von den Kosten in dieser Höhe gerichtete Klage abgewiesen (Urteil vom 13.11.2014). Auf die Berufung der Klägerin hat das LSG das Urteil des SG und den angefochtenen Bescheid aufgehoben. Es hat die Beklagte verurteilt, die Erben des Versicherten von den Kosten der häuslichen Krankenpflege in voller Höhe freizustellen, weil der Versicherte einen entsprechenden Sachleistungsanspruch gehabt habe. Die Klägerin sei berechtigt, den Anspruch für die Erbengemeinschaft geltend zu machen. Der Leistungsanspruch bestehe nach § 37 Abs 2 S 1 SGB V iVm der Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) über die Verordnung häuslicher Krankenpflege in der vertragsärztlichen Versorgung (HKP-RL). Die erforderliche häusliche Krankenpflege sei an einem geeigneten Ort iS dieser Vorschriften erbracht worden. Einschränkungen des Aufenthaltsorts ergäben sich - abgesehen von der hier vorliegenden Geeignetheit der räumlichen Verhältnisse - lediglich aus § 1 Abs 6 HKP-RL, dh für die Zeit des Aufenthalts in Einrichtungen, wenn dort Anspruch auf Behandlungspflege durch die Einrichtung bestehe. Die Seniorenresidenz sei weder ein "verdecktes Pflegeheim" noch eine stationäre Pflegeeinrichtung iS von § 71 Abs 2 SGB XI. Die von der Klägerin als Betreuerin gewählte Wohnform des sog Service-Wohnens widerspreche insbesondere nicht dem Landesrecht (Landesgesetz über Wohnformen und Teilhabe des Landes Rheinland-Pfalz vom 22.12.2009, GVBl 399). Der Versicherte, der in einem abgeschlossenen Wohnraum versorgt worden sei, habe Unterstützungsleistungen, wie die Vermittlung von Dienst- oder Pflegeleistungen, Hausmeisterdienst oder Notrufeinrichtungen, anbieterfrei wählen können. Wohnformen mit lediglich allgemeinen Unterstützungsleistungen (Service-Wohnen) unterlägen nicht dem Geltungsbereich des Landesgesetzes (Urteil vom 19.11.2015).

6

Hiergegen richtet sich die Revision der Beklagten. Sie rügt die Verletzung materiellen Rechts und die Verletzung der Amtsermittlungspflicht (§ 103 SGG). Das LSG habe § 37 Abs 2 S 1 SGB V iVm § 1 Abs 2 HKP-RL sowie die allgemeinen Grundsätze der Vertragsauslegung(§§ 133, 157, § 242 BGB) im Hinblick auf das Tatbestandsmerkmal "sonst an einem geeigneten Ort" unzutreffend ausgelegt. Der Klägerin stehe daher kein Kostenfreistellungsanspruch zu. Dem Berufungsurteil fehlten notwendige Abgrenzungen zur stationären Unterbringung. Mit der Änderung von § 37 Abs 2 S 1 SGB V(idF des GKV-WSG zum 1.4.2007) habe der Gesetzgeber keine schrankenlose Erweiterung der "geeigneten Orte" bezweckt. Jedenfalls scheide ein Anspruch auf häusliche Krankenpflege aus, wenn eine stationäre Unterbringung des Versicherten erforderlich sei. Das LSG habe auch nicht hinreichend berücksichtigt, dass eine Konstruktion zur Umgehung der rechtlichen Anforderungen an eine stationäre Pflegeeinrichtung gewählt worden sei. Dadurch habe es an der freien Wählbarkeit eines Leistungserbringers für die häusliche Krankenpflege gefehlt. Das "Service-Wohnen" sei nicht aus medizinisch-pflegerischen Gründen, sondern wegen der Erbringung der ambulanten häuslichen Krankenpflege durch den mit dem Einrichtungsträger gesellschaftsrechtlich verwobenen ambulanten Pflegedienst erfolgt. Das LSG sei unzutreffend von der fehlenden Anwendbarkeit von § 3 LWTG ausgegangen; denn die gesellschaftsrechtlichen Verflechtungen zwischen der Vermieterin des Wohnraums und dem ambulanten Pflegedienst hätten dem Versicherten keine Wahlfreiheit im Hinblick auf den Leistungserbringer ermöglicht. Das "Service-Wohnen" sei faktisch eine stationäre Pflegeeinrichtung ohne erforderliche Zulassung. Das LSG habe die Umstände dazu näher aufklären müssen. Hilfsweise beruft sich die Beklagte auf die zwischenzeitlich eingetretene Verjährung der Forderung, von der die Klägerin Freistellung verlangt.

7

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Rheinland-Pfalz vom 19. November 2015 aufzuheben und die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Koblenz vom 13. November 2014 zurückzuweisen.

8

Die Klägerin beantragt,
die Revision der Beklagten zurückzuweisen.

9

Sie hält das Berufungsurteil für zutreffend.

Entscheidungsgründe

10

Die zulässige Revision der beklagten Krankenkasse ist im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung der Sache an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG).

11

Der Senat kann mangels ausreichender - und von der Beklagten teilweise auch zutreffend gerügter - Feststellungen des LSG nicht abschließend beurteilen, ob und inwieweit die Klägerin als Miterbin - zudem ehemalige Betreuerin - ihres Vaters (dem Versicherten) zu Gunsten der Erbengemeinschaft mit Erfolg einen Kostenerstattungs- bzw Freistellungsanspruch wegen der Versorgung des Versicherten mit häuslicher Krankenpflege geltend machen kann. Das angefochtene Urteil ist daher aufzuheben und die Sache zurückzuverweisen.

12

1. Die Klägerin ist im Rechtsstreit aktivlegitimiert. Sie ist als gemeinschaftliche Erbin des verstorbenen Versicherten seine Rechtsnachfolgerin geworden. Die Klägerin bzw die Miterben waren nach den bindenden Feststellungen des LSG (§ 163 SGG) keine Sonderrechtsnachfolger iS von § 56 SGB I. Der mögliche Kostenerstattungs- bzw Freistellungsanspruch könnte daher nach den Vorschriften des BGB (§ 1922 Abs 1, § 2039) auf die Klägerin bzw die Miterben übergegangen sein (§§ 58, 59 SGB I, vgl dazu BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 10 RdNr 13 ff).

13

2. Als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Kostenfreistellungsanspruch scheidet von vornherein § 6 Abs 6 der Richtlinie über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege aus(HKP-RL vom 17.9.2009, BAnz vom 9.2.2010 bzw vom 21.10.2010, BAnz vom 14.1.2011, 339), der Versicherte von den Kosten der Krankenpflege zumindest in einem gewissen Umfang freistellen kann. Nach dieser Vorschrift hat die Krankenkasse zwar bis zur Entscheidung über die Genehmigung die Kosten für die vertragsärztlich verordneten und vom Pflegedienst erbrachten Leistungen entsprechend der vereinbarten Vergütung nach § 132a Abs 2 SGB V zu tragen, wenn die Verordnung spätestens an dem dritten der Ausstellung folgenden Arbeitstag der Krankenkasse vorgelegt wird(vgl dazu näher BSGE 121, 119 = SozR 4-2500 § 37 Nr 14, RdNr 14 ff; BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 12 RdNr 12 ff). Nach den insoweit unangegriffenen bindenden Feststelllungen des LSG hatte der Pflegedienst bis zum Zeitpunkt der Ablehnungsentscheidung (31.8.2012) hier aber noch keine Leistungen der häuslichen Krankenpflege erbracht.

14

3. Der Senat kann auf der Grundlage der Feststellungen des LSG nicht beurteilen, ob § 37 Abs 4 SGB V(dazu im Folgenden unter a) oder § 13 Abs 3 S 1 SGB V(dazu unter b) als Rechtsgrundlage für den geltend gemachten Kostenfreistellungsanspruch in Betracht kommen. Diese Anspruchsgrundlagen können nebeneinander zur Anwendung kommen, da sie unterschiedliche Konstellationen betreffen. Beide setzen jedoch einen Sachleistungsanspruch auf häusliche Krankenpflege nach § 37 Abs 1 bis 3 SGB V voraus, dessen Vorliegen der Senat ebenfalls mangels hinreichender Feststellungen des LSG nicht beurteilen kann (dazu 4. bis 9.).

15

a) Nach § 37 Abs 4 SGB V(idF des Gesetzes zur Strukturreform im Gesundheitswesen vom 20.12.1988, BGBl I 2477) sind den Versicherten die Kosten für eine selbstbeschaffte Kraft in angemessener Höhe zu erstatten, wenn die Krankenkasse keine Kraft für die häusliche Krankenpflege stellen kann (Alt 1) oder Grund besteht, davon abzusehen (Alt 2). Die Norm setzt voraus, dass der Versicherte zunächst einen Antrag auf Gewährung der Sachleistung an die Krankenkasse gerichtet hat. Ist eine der vorgenannten Alternativen erfüllt, wandelt sich der die häusliche Krankenpflege betreffende Sachleistungsanspruch in einen Kostenerstattungsanspruch um (vgl nur BSGE 50, 73, 75 = SozR 2200 § 185 Nr 4 S 8). Die Norm erfasst Fälle, in denen die Krankenkasse die Sachleistung nicht erbringen kann, weil sie zB nach der ersten Alternative über keine ausreichende Anzahl von geeigneten Pflegekräften verfügt, oder wenn nach der zweiten Alternative der Versicherte zB in seiner Person liegende Gründe aufweist, aufgrund derer nur eine spezielle Pflegekraft in Betracht kommt, die auch nicht vertraglich gegenüber der Krankenkasse gebunden sein muss (vgl BSG aaO, vgl auch Padé in Schlegel/Voelzke, jurisPK-SGB V, 3. Aufl 2016, § 37 RdNr 77). Ob ein Sachleistungsanspruch der Klägerin aufgrund des am 20.8.2012 unter Vorlage einer ärztlichen Verordnung vom 15.8.2012 gestellten Antrags auf häusliche Krankenpflege nach § 37 Abs 4 SGB V in Betracht kommt, haben weder die Beklagte noch die Vorinstanzen geprüft. Dies wird im wiedereröffneten Berufungsverfahren nachzuholen sein.

16

b) Daneben kommt ein Kostenfreistellungsanspruch nach § 13 Abs 3 S 1 SGB V(idF des Gesetzes vom 19.6.2001, BGBl I 1046) in Betracht. Danach wandelt sich der Sachleistungsanspruch in einen Kostenerstattungs- bzw Kostenfreistellungsanspruch um, wenn eine "unaufschiebbare Leistung" nicht rechtzeitig von der Krankenkasse erbracht werden konnte, dh wenn ein Fall vorliegt, der es dem Versicherten unmöglich macht, den mit der Antragstellung beginnenden regelmäßigen Beschaffungsweg zu beschreiten (Alt 1, dazu aa) oder wenn die Krankenkasse einen Antrag des Versicherten auf Gewährung der Sachleistung häusliche Krankenpflege "zu Unrecht abgelehnt" hat (Alt 2, dazu bb) und dem Versicherten dadurch Kosten entstanden sind, weil er sich - hier - gezwungen sah, sich eine Krankenpflegeperson selbst zu beschaffen.

17

aa) Ein Anspruch nach § 13 Abs 3 S 1 Alt 1 SGB V scheidet nach den insoweit nicht mit Verfahrensrügen angegriffenen Tatsachenfeststellungen des LSG aus, weil kein Fall der Unaufschiebbarkeit vorlag. Für den Versicherten wurden Leistungen bei der Beklagten am 20.8.2012 beantragt, die die Beklagte schon am 31.8.2012 abgelehnt hatte, bevor der ambulante Pflegedienst ab 4.9.2012 die streitigen häuslichen Krankenpflegeleistungen erbrachte.

18

bb) Ob ein Anwendungsfall von § 13 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB V vorliegt, kann der Senat nicht abschließend beurteilen. Über den ausdrücklich geregelten Anwendungsbereich des Kostenerstattungsanspruchs hinaus ist § 13 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB V zwar auch auf Fälle der Kostenfreistellung anzuwenden(stRspr, vgl zB BSGE 113, 241 = SozR 4-2500 § 13 Nr 29, RdNr 10 mwN). Ein Anspruch besteht aber nur dann, wenn zwischen der rechtswidrigen Ablehnung der Sachleistung durch die Krankenkasse und dem Kostennachteil des Versicherten ein Ursachenzusammenhang besteht (stRspr, vgl zB BSGE 96, 161 = SozR 4-2500 § 13 Nr 8, RdNr 23; BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 13 Nr 12, RdNr 12). An einem solchen Kausalzusammenhang fehlt es, wenn der Versicherte sich unabhängig davon, wie die Entscheidung der Krankenkasse ausfällt, von vornherein auf eine bestimmte Art der Krankenbehandlung durch einen bestimmten Leistungserbringer festgelegt hatte und fest entschlossen war, sich die Leistung selbst dann zu beschaffen, wenn die Krankenkasse den Antrag ablehnen sollte (stRspr, vgl nur BSGE 111, 289 = SozR 4-2500 § 27 Nr 23, RdNr 35; BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 20 RdNr 29). Das LSG hat keine Feststellungen dazu getroffen, wann die Klägerin als seinerzeitige Betreuerin des Versicherten den ambulanten Pflegedienst verbindlich mit der Leistungserbringung beauftragt hatte und ob sie auf diesen konkreten Leistungserbringer von vornherein festgelegt war. Anspruchshindernd wäre insofern bereits ein unbedingtes Verpflichtungsgeschäft im Verhältnis zwischen Versichertem und Leistungserbringer. Denn die Krankenkasse muss zunächst die rein faktische Möglichkeit haben, sich mit dem Leistungsbegehren zu befassen, es zu prüfen und ggf Behandlungsalternativen aufzuzeigen, bevor eine Selbstbeschaffung mit Kostenerstattungsanspruch in Betracht kommt (vgl zum Ganzen näher BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 10 RdNr 22; BSGE 98, 26 = SozR 4-2500 § 13 Nr 12; vgl ferner jüngst BSG Urteil vom 11.5.2017 - B 3 KR 30/15 R - SozR 4-2500 § 13 Nr 34 RdNr 46 f, auch zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen; vgl auch Senatsbeschluss vom 28.9.2017 - B 3 KR 7/17 B - zur Veröffentlichung in SozR vorgesehen).

19

Da der Kostenfreistellungsanspruch nach § 13 Abs 3 S 1 Alt 2 SGB V nicht weiter als ein entsprechender Naturalleistungsanspruch reicht, setzt er voraus, dass die selbstbeschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkasse allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen hat(stRspr, vgl BSGE 79, 125, 126 f = SozR 3-2500 § 13 Nr 11 S 51 f; BSGE 97, 190 = SozR 4-2500 § 27 Nr 12, RdNr 11; BSGE 100, 103 = SozR 4-2500 § 31 Nr 9, RdNr 13; BSGE 111, 137 = SozR 4-2500 § 13 Nr 25, RdNr 15).

20

4. Der Senat kann - auf der Grundlage der von der Beklagten verfahrensrechtlich einwandfrei und teilweise auch inhaltlich zu Recht mit der Verfahrensrüge der mangelnden Sachaufklärung (§ 103 SGG) angegriffenen Feststellungen des LSG - nicht beurteilen, ob der Versicherte in der streitigen Zeit nach den Umständen Anspruch auf Kostenerstattung bzw -freistellung für eine grundsätzlich dem Leistungsrecht der gesetzlichen Krankenversicherung unterfallende ambulante Leistung der häuslichen Krankenpflege nach § 37 SGB V hatte. Es bedarf insoweit insbesondere unter Berücksichtigung der nachfolgend unter a) und b) dargestellten Regelungen weiterer Ermittlungen dazu, ob der Versicherte in der streitigen Zeit an einem "sonstigen geeigneten Ort" versorgt worden ist.

21

a) Nach § 27 Abs 1 S 1 SGB V(idF des Gesetzes vom 21.7.2012, BGBI I 1601) haben Versicherte (nur) Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfasst nach § 27 Abs 1 S 2 Nr 4 SGB V ua häusliche Krankenpflege und Haushaltshilfe. Nach § 37 Abs 2 S 1 SGB V(hier idF des bis 31.12.2016 geltenden und im Falle der Klägerin noch einschlägigen GKV-Wettbewerbsstärkungsgesetzes - vom 26.3.2007, BGBl I 378 - aF) erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist (Behandlungssicherungspflege); der Anspruch umfasst verrichtungsbezogene krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen auch in den Fällen, in denen dieser Pflegebedarf bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach den §§ 14 und 15 SGB XI aF zu berücksichtigen ist. Die Satzung kann nach § 37 Abs 2 S 4 SGB V(idF des GKV-WSG, aaO) bestimmen, dass die Krankenkasse zusätzlich zur Behandlungspflege als häusliche Krankenpflege auch Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung erbringt. Die Satzung kann nach § 37 Abs 2 S 5 SGB V(idF des GKV-WSG) dabei Dauer und Umfang der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung bestimmen. Nach § 37 Abs 2 S 6 SGB V(idF des GKV-WSG) sind Leistungen nach § 37 Abs 2 S 4 und S 5 SGB V nach Eintritt von Pflegebedürftigkeit iS des SGB XI nicht zulässig. Nach § 37 Abs 6 SGB V(idF des GKV-WSG) legt der GBA in Richtlinien nach § 92 SGB V fest, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach § 37 Abs 1 und 2 SGB V noch außerhalb des Haushalts und der Familie des Versicherten erbracht werden können.

22

b) Der GBA hat in Umsetzung seiner gesetzlichen Verpflichtung in der Richtlinie über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege (HKP-RL vom 17.9.2009, BAnz vom 9.2.2010 bzw vom 21.10.2010, BAnz vom 14.1.2011, 339) unter § 1 Abs 2 S 2 HKP-RL nähere Festlegungen vorgenommen und Folgendes bestimmt:

        

"Anspruch auf häusliche Krankenpflege besteht auch an sonstigen geeigneten Orten, an denen sich die oder der Versicherte regelmäßig wiederkehrend aufhält und an denen

        

-       

die verordnete Maßnahme zuverlässig durchgeführt werden kann und

        

-       

für die Erbringung der einzelnen Maßnahmen geeignete räumliche Verhältnisse vorliegen (zB im Hinblick auf die hygienische Voraussetzungen, Wahrung der Intimsphäre, Beleuchtung),

        

wenn die Leistung aus medizinisch-pflegerischen Gründen während des Aufenthalts an diesem Ort notwendig ist. Orte iS des S 2 können insbesondere Schulen, Kindergärten, betreute Wohnformen oder Arbeitsstätten sein (……)."

23

5. Ausgehend davon bedarf es vor allem Ermittlungen zu der Frage, ob dem Versicherten häusliche Krankenpflege an einem "sonstigen geeigneten Ort" zuteil wurde.

24

Der Senat hat in seiner Rechtsprechung (vor allem BSGE 118, 122 = SozR 4-2500 § 37 Nr 13, RdNr 16 ff) bereits mehrmals die Regelung des § 37 Abs 2 S 1 SGB V aF(idF des GKV-WSG) ausgelegt, durch die eine "vorsichtige Erweiterung" des Haushaltsbegriffs in dieser Norm vorgenommen worden ist (vgl Gesetzentwurf der Fraktionen der CDU/CSU und SPD Entwurf eines Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung , BT-Drucks 16/3100 S 104 Zu Nummer 22 <§ 37> Zu den Buchstaben a und c). Danach enthält diese Norm keine gesetzliche Definition des "geeigneten Ortes". Die Vorschrift zählt lediglich beispielhaft eine Anzahl nicht abschließend genannter "geeigneter Orte" auf, an denen häusliche Krankenpflege möglich ist mit Rücksicht auf das gesetzliche Anliegen, neue Wohnformen in Wohngemeinschaften oder betreutes Wohnen zu fördern. Der Senat hat die Vorschrift dahingehend ausgelegt, dass dem Gesetzestext nicht (mehr) eine Beschränkung derart zu entnehmen ist, dass häusliche Krankenpflege etwa nur dann beansprucht werden kann, wenn noch ein Mindestmaß an eigener Haushaltsführung "oder ein Leben in der Familie" vorliegt und wenn weitere Leistungen ggf ambulant in Anspruch genommen werden können. Vor diesem Hintergrund hat der Senat selbst stationäre Einrichtungen als sonstige geeignete Orte im Sinne der häuslichen Krankenpflege in Betracht gezogen, in denen sich der Versicherte auf unabsehbare Zeit aufhält und betreut wird, ohne anderswo zu leben oder zu wohnen. Der Senat hat dazu aufgezeigt, dass die Übergänge von einer Wohngemeinschaft mit ambulanten Betreuungshilfen hin zu einer stationären Einrichtung fließend sein können, und längst nicht alle Formen des betreuten Wohnens eine größere Nähe zur eigenständigen Haushaltsführung aufweisen als eine herkömmliche stationäre Einrichtung. Auf die dadurch bedingte Schwierigkeit einer eindeutigen Zuordnung einer Einrichtung entweder als stationäres Heim oder als ambulantes Angebot mit Betreuungshilfen hat der Senat unter Berücksichtigung der fortschreitenden Entwicklung neuer Wohnformen hingewiesen.

25

Im Ergebnis hat der Senat den Anspruch auf Behandlungssicherungspflege unter Berücksichtigung des aufgezeigten gesetzlichen und gesetzeskonformen untergesetzlichen Regelwerks - mangels einer ausdrücklichen Definition des Tatbestandsmerkmals "geeigneter Ort" - dahin konkretisiert, dass der Anspruch zunächst an allen geeigneten Orten besteht, an denen sich der Versicherte regelmäßig wiederkehrend aufhält, wenn die Leistung aus medizinisch-pflegerischen Gründen während des Aufenthalts an diesem Ort notwendig ist. Einschränkungen in Bezug auf den Aufenthaltsort ergeben sich (1.) aus der Geeignetheit der räumlichen Verhältnisse und (2.) für die Zeit des Aufenthalts in Einrichtungen nur dann, wenn nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtung besteht (wie zB in Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen, Pflegeheimen). Ob ein solcher Anspruch besteht, muss die Krankenkasse im Einzelfall prüfen (vgl zum Ganzen: BSGE 118, 122 = SozR 4-2500 § 37 Nr 13, RdNr 16 ff; Parallelurteil vom 25.2.2015 - B 3 KR 10/14 R - Juris RdNr 16 ff; Urteil vom 22.4.2015 - B 3 KR 16/14 R - Juris RdNr 20 ff, NZS 2015, 617; vgl auch Senatsbeschluss vom 16.3.2017 - B 3 KR 43/16 B - Juris). Daran hält der Senat fest.

26

6. Die vorstehend dargestellten Maßstäbe gelten auch für neue Wohnformen, wie das sog "Service-Wohnen", mit dem üblicherweise verschiedene Möglichkeiten des organisierten Wohnens umschrieben werden. Hierzu zählen Wohnformen kombiniert mit Serviceleistungen, die entweder vor Ort (innerhalb des Wohnprojekts) bereitgestellt oder die durch externe Dienste erbracht werden. Neben einem Kauf- oder Mietvertrag schließen die Bewohner ergänzende Betreuungs- bzw Service-Verträge ab (vgl Börner, in Igl/Felix , Schriftenreihe Sozialrecht und Sozialpolitik in Europa, Bd 8, "Betreutes Wohnen" in Abgrenzung zum Heimgesetz, Berlin, 2008, zugleich Diss, Kiel 2008, S 22).

27

Der Senat kann offen lassen, welche Art des Wohnens im Falle des Versicherten konkret vorlag bzw ob es sich überhaupt um eine Art des so definierten "Service-Wohnens" handelte. Denn Maßstab für die Beurteilung des geeigneten Wohnens im Rahmen der häuslichen Krankenpflege ist nicht die bloße Bezeichnung einer (neuen) Wohnform, sondern allein, ob die gewählte Wohnform der Sache nach inhaltlich ein (sonstiger) geeigneter Ort iS von § 37 Abs 2 SGB V unter Beachtung der og gesetzlichen und untergesetzlichen Vorgaben ist. Dies lässt sich nur unter Berücksichtigung aller tatsächlicher Umstände des Wohnens und der damit verbundenen Pflege- und Betreuungssituation im Einzelfall beurteilen. Ausgehend davon scheidet das Vorliegen eines allgemein "geeigneten Ortes" nach der bereits vorliegenden Rechtsprechung des Senats - und auch unter Berücksichtigung des Beklagtenvorbringens - hier nicht von vornherein aus.

28

a) Das LSG hat in revisionsrechtlich nicht zu beanstandender Weise festgestellt, dass die S. GmbH als Vermieterin vertraglich nicht verpflichtet war, für den Versicherten Leistungen der Behandlungssicherungspflege zu erbringen. Entgegen der Ansicht der Beklagten bestand hierzu auch keine gesetzliche Verpflichtung, auch nicht wegen Unterbringung in einer "faktischen Pflegeeinrichtung" (zur ähnlichen Wohnsituation wie hier vgl LSG Baden-Württemberg Urteil vom 21.7.2015 - L 11 KR 3010/14 - Juris, PflR 2016, 112). Nach den unangegriffenen Feststellungen des LSG befand sich der Versicherte während der maßgeblichen Zeit dauerhaft in dem angemieteten Zimmer in der Seniorenresidenz; eine Einrichtung, die keine zugelassene stationäre Pflegeeinrichtung iS von §§ 71, 72 SGB XI war. Eine Wohn- bzw Pflegemöglichkeit in der zuvor mit seiner Ehefrau bewohnten Wohnung bestand nicht mehr. Die Unterbringung in dem neu angemieteten Wohnraum war mithin die einzige "Häuslichkeit" für den Versicherten. Eine häusliche 24-Stunden Intensiv-Krankenpflege war aufgrund ärztlicher Verordnung medizinisch erforderlich und eine stationäre Krankenhausbehandlung war nicht mehr notwendig. Der mit der S. GmbH geschlossene Wohnungs-Mietvertrag enthielt außer der Wohnraumüberlassung auf unbestimmte Dauer keine darüber hinausgehende Leistungspflicht der Vermieterin. Insbesondere enthielt der Vertrag keine Verpflichtung zur exklusiv an einen bestimmten Leistungserbringer gebundenen Inanspruchnahme weiterer "Service"-Leistungen, die die Vermieterin als Betreiberin der Seniorenresidenz im Rahmen des Wohnens in ihrer Werbung in der Residenz optional anbot.

29

b) Dem steht auch nicht die Senatsrechtsprechung entgegen, dass keine häusliche Krankenpflege im Rechtssinne des SGB V vorliegt, wenn ein schwer behindertes Kleinkind getrennt von Eltern und Geschwistern in einer durch den Pflegedienst eigens dafür angemieteten Wohnung außerhalb des Familienhaushalts rund um die Uhr von dem Pflegedienst nicht nur gepflegt, sondern rundum versorgt und betreut wird. Die Erweiterung von § 37 Abs 2 S 1 SGB V (idF des GKV-WSG, aaO) um die Wendung "sonst an einem geeigneten Ort" lag dieser Rechtsprechung des Senats noch nicht zugrunde, sondern beruhte auf früheren Gesetzesfassungen von § 37 Abs 2 SGB V, die noch einen "eigenen Haushalt" erforderten(vgl BSGE 121, 119 = SozR 4-2500 § 37 Nr 14, RdNr 19; BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 5). Im Übrigen war die dort vom Pflegedienst begründete Wohnsituation des Kleinkindes - getrennt von der bestehenden Wohnung der Familie bei sich aufdrängender notwendiger stationärer Unterbringung - mit den vorliegend vom LSG festgestellten familiären Umständen nicht vergleichbar. Der Senat hat im Übrigen bei erwachsenen schwerstpflegebedürftigen Versicherten, die rund um die Uhr zu versorgen waren, ohne dass akute stationäre Krankenhausbehandlung erforderlich war, schon wiederholt entschieden, dass ambulante Krankenpflege in häuslicher Umgebung bei Wahrung und Beachtung bestimmter Vorgaben und Standards möglich ist (vgl BSGE 106, 173 = SozR 4-2500 § 37 Nr 11; BSGE 83, 254 = SozR 3-2500 § 37 Nr 1 ).

30

c) Aus dem Vorbringen der Beklagten, dass eine "heimähnliche Unterbringung" im Sinne des rheinland-pfälzischen Landesrechts vorgelegen habe, folgt nichts anderes.

31

Die heimrechtliche Qualifizierung einer Unterbringung ist nicht entscheidend für die Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen von häuslicher Krankenpflege (vgl Luthe in Hauck/Noftz, SGB V, Stand August 2016, K § 37 RdNr 55; Richter, GuP 2013, 226, 231). Im Übrigen hat das LSG das revisionsrechtlich grundsätzlich nicht inhaltlich zu prüfende (§ 162 SGG)Landesrecht (hier: LWTG des Landes Rheinland-Pfalz) im Hinblick auf die heimrechtliche Unterbringung rechtlich gewürdigt und keine Rechtsverletzung festgestellt, weil das Landesrecht wegen der hier gewählten vertraglichen Gestaltung der Unterbringung des Versicherten nicht einschlägig war. Das LSG hat vielmehr gerade umgekehrt festgestellt, dass im Falle des Versicherten eine freie Wählbarkeit von Unterstützungsleistungen und deren Anbietern aufgrund der vereinbarten Vertragskonstruktion bestand. Selbst das bundesrechtliche Heimgesetz (§ 1 Abs 2 S 3 HeimG) ist im Übrigen nur dann anzuwenden, wenn Mieter vertraglich verpflichtet sind, Verpflegung und weitergehende Betreuungsleistungen von bestimmten Anbietern anzunehmen. Dies aber hat das LSG ausgeschlossen und nach den Umständen keine strukturelle Abhängigkeit zwischen der Erbringung von ambulanten Pflegediensten und der gewählten Wohnform bejaht. Der Heimvertrag enthält aber typischerweise sowohl private mietvertragliche (Unterkunft) als auch dienstvertragliche (Verpflegung und Betreuung) Elemente (zur Zulässigkeit solcher Verträge, vgl zB BGH Urteil vom 23.2.2006 - III ZR 167/05 - Juris). Das Heimgesetz bezweckt in erster Linie den Schutz der Heimbewohner und stellt der Heimaufsicht ein ordnungsrechtliches Instrumentarium zur Seite, das Maßnahmen bis hin zur Schließung der Einrichtung vorsieht (vgl erneut Börner, aaO, S 53 ff, 72). Ein dem (Landes-)Heimrecht unterfallendes Vertragsobjekt und Vertragswerk lag aber nach den revisionsrechtlich nicht zu überprüfenden Feststellungen des LSG mithin nicht vor. Daher können auch die von der Beklagten vorgetragenen gesellschaftsrechtlichen Verflechtungen zwischen dem ambulanten Pflegedienst einerseits und der Vermieterin des Wohnraums andererseits hier dahingestellt bleiben. Auf diese kommt es unter der Berücksichtigung der vom LSG als "frei wählbar" festgestellten Pflege- und Unterstützungsleistungen auch nach dem Landesrecht nicht an (vgl § 3 Abs 3, § 4 Abs 2 LWTG).

32

d) Ebenso wenig greift der Einwand der Beklagten, dass der Versicherte Entscheidungen eigenverantwortlich nicht mehr habe treffen können. Denn die Klägerin war gerichtlich bestellte gesetzliche Betreuerin des Versicherten für die Aufgabenkreise Gesundheitsfürsorge und Aufenthaltsbestimmung. Sie durfte daher für den Versicherten den Pflegeort und die Auswahl der Pflegeleistungen bestimmen und ist dem - plausiblen und revisionsrechtlich nicht in Zweifel zu ziehenden - zu Lebzeiten ihres Vaters geäußerten Wunsch nachgekommen, ihn nicht in einem Pflegeheim unterzubringen. Dieses Wunschrecht war auch leistungsrechtlich von der beklagten Krankenkasse zu berücksichtigen (vgl § 33 S 2 SGB I). Es korrespondiert mit dem verfassungsrechtlich in Art 2 Abs 1 iVm Art 1 Abs 1 GG verankerten Selbstbestimmungsrecht (vgl dazu Richter, GuP 2013, 226, 231).

33

7. Der Senat kann allerdings auf der Grundlage der - mit Erfolg von der Beklagten mit Verfahrensrügen (§ 103 SGG) angegriffenen - Feststellungen des LSG das Bestehen des Kostenfreistellungsanspruchs aus weiteren Gründen nicht abschließend selbst beurteilen. Es kann nämlich entgegen der Einschätzung des LSG nicht angenommen werden, dass die von der Klägerin gewählte Wohnung, in der der Versicherte mit einem weiteren schwerstpflegebedürftigen Patienten zuletzt versorgt wurde, im konkreten Fall in tatsächlicher Hinsicht ein geeigneter Ort war, an dem die Pflegemaßnahmen zuverlässig durchgeführt werden konnten und der dem qualitativen Standard an räumliche Verhältnisse zur ordnungsgemäßen Erbringung medizinischer Behandlungssicherungspflege entsprach. Das LSG hätte sich insoweit gedrängt sehen müssen, die örtlichen Verhältnisse im Hinblick auf die Vorgaben zur Geeignetheit des Ortes für die medizinische Behandlungssicherungspflege näher aufzuklären (s § 1 Abs 2 HKP-RL, vgl oben 4.b). Insbesondere hat sich das LSG nicht mit dem Inhalt des MDK-Gutachtens vom 13.9.2012 auseinandergesetzt, in dem die Pflege- und Versorgungssituation des Versicherten vor Ort untersucht wurde.

34

Der MDK beschrieb den Gesundheitszustand des Versicherten vor Ort als komatös, nicht ansprechbar und dauernd beatmungspflichtig. Der Gutachter äußerte Zweifel an der ausreichenden Versorgung des Versicherten und bemängelte, dass wegen drohender oder bereits eingetretener Überforderung von Pflegepersonen die häusliche Pflege nicht in geeigneter Weise sichergestellt und daher eine vollstationäre Pflege erforderlich gewesen sei. Die nicht näher begründete Annahme des LSG, der Versicherte sei gleichwohl tatsächlich an einem geeigneten Ort gepflegt worden, trägt vor diesem Hintergrund nicht. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird das LSG diese gutachterlichen Einschätzungen im Hinblick auf die Geeignetheit der räumlichen Verhältnisse für eine 24 Stunden-Intensivpflege überprüfen müssen. Insbesondere ist in den Blick zu nehmen, ob die hygienischen Voraussetzungen, die Intimsphäre, die räumliche Ausstattung und die Gegebenheiten vor Ort mit räumlicher Nähe zu einem weiteren in ähnlicher Weise gesundheitlich stark beeinträchtigten Patienten geeignet waren, um eine Rund-um-die-Uhr-Intensivversorgung mit dem notwendigen medizinisch-pflegerischen qualitativen Standard vor Ort sicherzustellen.

35

8. Im wiedereröffneten Berufungsverfahren wird das LSG auch die gesamte Pflege- und Versorgungssituation des Versicherten in der streitigen Zeit aufzuklären haben. Das LSG hat darüber hinaus keinerlei Feststellungen getroffen im Hinblick auf den von der Klägerin bereits am 20.8.2012 gestellten Antrag auf Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung und der Einschätzung des Gutachters des MDK, dass bei dem Versicherten bereits seit August 2012 Pflegebedürftigkeit der Pflegestufe III (aF) vorgelegen habe. Unklar ist daher, ob und welche Leistungen von der Pflegekasse zu welchem Zeitpunkt bewilligt bzw bezogen wurden und wer (außerhalb der häuslichen Krankenpflege) die Grundpflege und die hauswirtschaftliche Versorgung des Versicherten nach den Anforderungen des Rechts der sozialen Pfegeversicherung durchführte. Sollten die weiteren Ermittlungen des LSG die Geeignetheit der Räumlichkeiten iS von § 37 Abs 2 SGB V(idF des GKV-WSG) für den Anspruch auf häusliche Krankenpflege ergeben, wären weiter nähere Feststellungen erforderlich, um zu klären, ob wirklich eine Behandlungspflege im Umfang von 24 Stunden allein auf Kosten der beklagten Krankenkasse in Betracht kam oder auch Leistungen der Pflegekasse erbracht wurden und insoweit eine Kostenbeteiligung der Pflegeversicherung in Ansatz zu bringen ist (vgl grundlegend zur Kostenverteilung zwischen Krankenkasse und Pflegekasse bei rund um die Uhr erforderlicher häuslichen Krankenpflege und zugleich erbrachter Grundpflege BSGE 106, 173 = SozR 4-2500 § 37 Nr 11). In diesem Fall wäre die Pflegekasse zum Rechtsstreit notwendig beizuladen, weil über den geltend gemachten Kostenfreistellungsanspruch im Verhältnis zu beiden Leistungsträgern nur einheitlich entschieden werden könnte (§ 75 Abs 2 Halbs 1 SGG).

36

a) Der Senat hat für den Personenkreis von schwerstpflegebedürftigen Dauerbeatmungspatienten bei rund um die Uhr erforderlicher häuslicher Krankenpflege darauf hingewiesen, dass mit der Regelung von § 37 Abs 2 S 1 SGB V(idF des GKV-WSG) für alle verrichtungsbezogenen Maßnahmen der Behandlungspflege eine Doppelzuständigkeit von Krankenkassen und Pflegekassen geschaffen worden ist (vgl BSGE 106, 173 = SozR 4-2500 § 37 Nr 11, RdNr 22 ff; vgl auch Nolte in Kasseler Komm, § 37 SGB V RdNr 23h, Stand Einzelkommentierung Juli 2017). Die Doppelzuständigkeit betrifft nur die Behandlungssicherungspflege nach § 37 Abs 2 SGB V. Bei der Behandlungssicherungspflege kann die Krankenkasse zwar in ihrer Satzung bestimmen, dass neben der Behandlungspflege auch Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung erbracht werden und in welcher Dauer und welchem Umfang dies der Fall ist (§ 37 Abs 2 S 4 und 5 SGB V idF des GKV-WSG, aaO). Diese Zusatzleistungen sind nach der ausdrücklichen Anordnung in § 37 Abs 2 S 6 SGB V(idF des GKV-WSG) jedoch ausgeschlossen, wenn Pflegebedürftigkeit iS des SGB XI eingetreten ist. Bei gleichzeitiger Erbringung der Leistungen von Behandlungssicherungspflege nach § 37 Abs 2 S 1 SGB V(idF des GKV-WSG) und Leistungen aus der sozialen Pflegeversicherung bei häuslicher Pflege (§§ 36 ff SGB XI aF) durch dieselbe Fachkraft bzw denselben Pflegedienst muss daher eine Kostenaufteilung zwischen Krankenkasse und Pflegekasse erfolgen, die dem Grundsatz der Parallelität und Gleichrangigkeit beider Ansprüche Rechnung trägt (vgl BSG aaO RdNr 22 ff unter Aufgabe von BSGE 83, 254 = SozR 3-2500 § 37 Nr 1§ 37 abs 2 sgb v für die zeit ab 1.1.2004>).

37

b) Sollten die weiteren Feststellungen des LSG die Geeignetheit der Räumlichkeiten für die Behandlungssicherungspflege ergeben und sollten alle hier relevanten Pflegeleistungen (einschließlich der Grundpflege, ggf hauswirtschaftliche Versorgung) durch eine Fachkraft bzw denselben Pflegedienst erbracht worden sein, würde der krankenversicherungsrechtliche Anspruch auf Behandlungssicherungspflege durch einen Sachleistungsanspruch nach § 36 SGB XI aF gegenüber der Pflegekasse(vgl auch § 13 Abs 2 SGB XI)ergänzt, der aber nur die "reine" Grundpflege, also die Grundpflegemaßnahmen des § 14 Abs 4 Nr 1 bis 3 SGB XI aF mit Ausnahme der schon von § 37 Abs 2 S 1 SGB V(idF des GKV-WSG) erfassten verrichtungsbezogenen Behandlungspflegemaßnahmen, sowie die hauswirtschaftliche Versorgung umfasst. Insoweit ist die GKV nicht leistungsverpflichtet (vgl § 37 Abs 2 S 6 SGB V idF des GKV-WSG). Die Ansprüche aus der GKV nach § 37 Abs 2 SGB V und aus der Pflegeversicherung nach § 36 SGB XI aF stehen insofern gleichberechtigt nebeneinander(vgl BSGE 106, 173 = SozR 4-2500 § 37 Nr 11, RdNr 27 ff). Überdies hat der Senat in seiner Rechtsprechung auch darauf hingewiesen, dass der Versicherte eine etwaige Eigenbeteiligung an den Kosten der häuslichen Krankenpflege nach § 37 Abs 5 SGB V(idF des GKV-WSG) nicht dadurch vermeiden kann, dass auf die Beantragung der Pflegesachleistungen bei der Pflegekasse verzichtet oder dass der entsprechende Leistungsantrag wieder zurückgenommen wird, um sich auf diese Weise alle von der Fachkraft zum Einheitspreis erbrachten Pflegeleistungen allein auf Kosten der Krankenkasse zu verschaffen. Dieser Weg steht einem Versicherten nicht offen, weil das Verbot, bei der Behandlungssicherungspflege für die Grundpflege und die hauswirtschaftliche Versorgung aufzukommen (§ 37 Abs 2 S 6 SGB V idF des GKV-WSG), nicht an den Bezug von Leistungen nach dem SGB XI, sondern ausdrücklich nur an den "Eintritt von Pflegebedürftigkeit" anknüpft (vgl BSGE 106, 173 = SozR 4-2500 § 37 Nr 11, RdNr 33).

38

Im wiedereröffneten Berufungsverfahren müsste das LSG daher - sofern hier alle Leistungen von einem Pflegedienst erbracht worden sind - das MDK-Gutachten vom 13.9.2012 im Hinblick auf die dort ermittelten Zeitanteile für Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung einerseits und verrichtungsbezogene krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen andererseits auswerten und trennen, um eine exakte zeit- und kostenmäßige Abgrenzung zwischen den Zuständigkeitsbereichen der Krankenkasse und der Pflegekasse für den streitigen Betrag vornehmen zu können. Der Senat hat dazu bereits Rechenmodelle aufgezeigt, wie in einem solchen Fall eine sachgerechte Kostenaufteilung erfolgen kann (vgl BSGE 106, 173 = SozR 4-2500 § 37 Nr 11, RdNr 27 ff; dazu auch Nolte in Kasseler Komm, aaO, § 37 SGB V RdNr 23j). Um über die Höhe des Freistellungsanspruchs abschließend entscheiden zu können, müssen zudem Tatsachen zur Zuzahlungspflicht des Versicherten nach § 37 Abs 5 SGB V iVm § 61 S 3 SGB V nachermittelt werden.

39

9. Soweit die Beklagte schließlich in ihrem Vorbringen meint, dass dem Freistellungsanspruch die Einrede der Verjährung im Hinblick auf die "Hauptforderung" des ambulanten Pflegedienstes gegen die Klägerin entgegenstehe, muss dem nicht weiter nachgegangen werden. Auf den Gesichtspunkt der Verjährung weist die Beklagte erstmals im Revisionsverfahren hin, führt aber gleichzeitig aus, dass die Klägerin diese Einrede noch gar nicht erhoben habe. Daher kann auch dahinstehen, ob es hierauf für den Kostenfreistellungsanspruch gegenüber der Beklagten überhaupt ankommen kann (vgl auch BSG SozR 4-2500 § 13 Nr 10 RdNr 20 f). Auch wenn das LSG keine Tatsachen zu vertraglichen Vereinbarungen zwischen der Klägerin und dem ambulanten Pflegedienst festgestellt hat, ist es im Übrigen naheliegend, dass die Vergütungsforderung nach den Umständen hier vertraglich jedenfalls solange gestundet war, bis der vorliegende Rechtsstreit über den Freistellungsanspruch geklärt ist.

40

Der Freistellungsanspruch gegen die Beklagte nach dem SGB V wäre jedenfalls nicht verjährt, weil er der vierjährigen Verjährungsfrist nach § 45 Abs 1 SGB I unterliegt. Nach § 45 Abs 2 SGB I iVm § 199 Abs 1 Nr 1 BGB beginnt die regelmäßige Verjährung mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Der von der Klägerin erhobene Anspruch geht auf das Jahr 2012 zurück. Die Verjährung ist insoweit allerdings durch eine Rechtsverfolgung gehemmt, da die Klägerin bereits in 2013 vor dem SG Klage erhoben hat. Die vierjährige Verjährungsfrist gilt im Übrigen auch für die Rechtsbeziehungen bzw Vergütungsforderungen zwischen Leistungserbringern und Krankenkassen (vgl BSG SozR 4-2500 § 69 Nr 1 RdNr 7 und Nr 10 RdNr 13).

41

10. Das LSG wird im neu eröffneten Berufungsverfahren auch über die Kosten des Revisionsverfahrens mit zu entscheiden haben.

(1) Versicherte erhalten in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen neben der ärztlichen Behandlung häusliche Krankenpflege durch geeignete Pflegekräfte, wenn Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht ausführbar ist, oder wenn sie durch die häusliche Krankenpflege vermieden oder verkürzt wird. § 10 der Werkstättenverordnung bleibt unberührt. Die häusliche Krankenpflege umfaßt die im Einzelfall erforderliche Grund- und Behandlungspflege sowie hauswirtschaftliche Versorgung. Der Anspruch besteht bis zu vier Wochen je Krankheitsfall. In begründeten Ausnahmefällen kann die Krankenkasse die häusliche Krankenpflege für einen längeren Zeitraum bewilligen, wenn der Medizinische Dienst (§ 275) festgestellt hat, daß dies aus den in Satz 1 genannten Gründen erforderlich ist.

(1a) Versicherte erhalten an geeigneten Orten im Sinne von Absatz 1 Satz 1 wegen schwerer Krankheit oder wegen akuter Verschlimmerung einer Krankheit, insbesondere nach einem Krankenhausaufenthalt, nach einer ambulanten Operation oder nach einer ambulanten Krankenhausbehandlung, soweit keine Pflegebedürftigkeit mit Pflegegrad 2, 3, 4 oder 5 im Sinne des Elften Buches vorliegt, die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung. Absatz 1 Satz 4 und 5 gilt entsprechend.

(2) Versicherte erhalten in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. § 10 der Werkstättenverordnung bleibt unberührt. Der Anspruch nach Satz 1 besteht über die dort genannten Fälle hinaus ausnahmsweise auch für solche Versicherte in zugelassenen Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 43 des Elften Buches, die auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, einen besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben; § 37c Absatz 3 gilt entsprechend. Die Satzung kann bestimmen, dass die Krankenkasse zusätzlich zur Behandlungspflege nach Satz 1 als häusliche Krankenpflege auch Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung erbringt. Die Satzung kann dabei Dauer und Umfang der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung nach Satz 4 bestimmen. Leistungen nach den Sätzen 4 und 5 sind nach Eintritt von Pflegebedürftigkeit mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne des Elften Buches nicht zulässig. Versicherte, die nicht auf Dauer in Einrichtungen nach § 71 Abs. 2 oder 4 des Elften Buches aufgenommen sind, erhalten Leistungen nach Satz 1 und den Sätzen 4 bis 6 auch dann, wenn ihr Haushalt nicht mehr besteht und ihnen nur zur Durchführung der Behandlungspflege vorübergehender Aufenthalt in einer Einrichtung oder in einer anderen geeigneten Unterkunft zur Verfügung gestellt wird. Versicherte erhalten in stationären Einrichtungen im Sinne des § 43a des Elften Buches Leistungen nach Satz 1, wenn der Bedarf an Behandlungspflege eine ständige Überwachung und Versorgung durch eine qualifizierte Pflegefachkraft erfordert.

(2a) Die gesetzliche Krankenversicherung beteiligt sich an den Kosten der medizinischen Behandlungspflege in vollstationären Pflegeeinrichtungen mit einem jährlichen Pauschalbetrag in Höhe von 640 Millionen Euro, der an den Ausgleichsfonds der sozialen Pflegeversicherung zu leisten ist. Die Zahlung erfolgt anteilig quartalsweise. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen erhebt hierzu von den Krankenkassen eine Umlage gemäß dem Anteil der Versicherten der Krankenkassen an der Gesamtzahl der Versicherten aller Krankenkassen. Das Nähere zum Umlageverfahren und zur Zahlung an die Pflegeversicherung bestimmt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen.

(2b) Die häusliche Krankenpflege nach den Absätzen 1 und 2 umfasst auch die ambulante Palliativversorgung. Für Leistungen der ambulanten Palliativversorgung ist regelmäßig ein begründeter Ausnahmefall im Sinne von Absatz 1 Satz 5 anzunehmen. § 37b Absatz 4 gilt für die häusliche Krankenpflege zur ambulanten Palliativversorgung entsprechend.

(3) Der Anspruch auf häusliche Krankenpflege besteht nur, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang nicht pflegen und versorgen kann.

(4) Kann die Krankenkasse keine Kraft für die häusliche Krankenpflege stellen oder besteht Grund, davon abzusehen, sind den Versicherten die Kosten für eine selbstbeschaffte Kraft in angemessener Höhe zu erstatten.

(5) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 3 ergebenden Betrag, begrenzt auf die für die ersten 28 Kalendertage der Leistungsinanspruchnahme je Kalenderjahr anfallenden Kosten an die Krankenkasse.

(6) Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in Richtlinien nach § 92 fest, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 auch außerhalb des Haushalts und der Familie des Versicherten erbracht werden können.

(7) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt in Richtlinien nach § 92 unter Berücksichtigung bestehender Therapieangebote das Nähere zur Versorgung von chronischen und schwer heilenden Wunden. Die Versorgung von chronischen und schwer heilenden Wunden kann auch in spezialisierten Einrichtungen an einem geeigneten Ort außerhalb der Häuslichkeit von Versicherten erfolgen.

(8) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt in der Richtlinie über die Verordnung häuslicher Krankenpflege nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Juli 2022 Rahmenvorgaben zu einzelnen nach dem Leistungsverzeichnis der Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 verordnungsfähigen Maßnahmen, bei denen Pflegefachkräfte, die die in den Rahmenempfehlungen nach § 132a Absatz 1 Satz 4 Nummer 7 geregelten Anforderungen erfüllen, innerhalb eines vertragsärztlich festgestellten Verordnungsrahmens selbst über die erforderliche Häufigkeit und Dauer bestimmen können, sowie Vorgaben zur Notwendigkeit eines erneuten Arztkontaktes und zur Information der Vertragsärztin oder des Vertragsarztes durch den Leistungserbringer über die erbrachten Maßnahmen.

(9) Zur Feststellung des tatsächlichen Ausgabenvolumens für die im Rahmen einer Versorgung nach Absatz 8 erbrachten Leistungen pseudonymisieren die Krankenkassen die Angaben zu den Ausgaben jeweils arztbezogen sowie versichertenbezogen. Sie übermitteln diese Angaben nach Durchführung der Abrechnungsprüfung dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen, der diese Daten für den Zweck der nach Absatz 10 durchzuführenden Evaluierung kassenartenübergreifend zusammenführt und diese Daten dem nach Absatz 10 Satz 2 beauftragten unabhängigen Dritten übermittelt. Das Nähere zur Datenübermittlung und zum Verfahren der Pseudonymisierung regelt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der beauftragte unabhängige Dritte nach Absatz 10 Satz 2 haben die ihnen nach Satz 2 übermittelten pseudonymisierten Daten spätestens ein Jahr nach Abschluss der Evaluierung zu löschen.

(10) Drei Jahre nach Inkrafttreten der Regelungen nach Absatz 8 evaluieren der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die in § 132a Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer unter Berücksichtigung der nach Absatz 9 Satz 2 übermittelten Daten insbesondere die mit der Versorgung nach Absatz 8 verbundenen Auswirkungen auf das Versorgungsgeschehen im Bereich der häuslichen Krankenpflege, die finanziellen Auswirkungen auf die Krankenkassen, die Wirtschaftlichkeit der Versorgung nach Absatz 8 sowie die Auswirkungen auf die Behandlungs- und Ergebnisqualität. Die Evaluierung hat durch einen durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die in § 132a Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer gemeinsam zu beauftragenden unabhängigen Dritten zu erfolgen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten werden die Urteile des Landessozialgerichts Hamburg vom 24. April 2014 und des Sozialgerichts Hamburg vom 6. Februar 2012 geändert und die Klage abgewiesen.

Die Klägerin trägt die Kosten des Verfahrens mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen.

Der Streitwert wird auf 6920,50 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die als örtlicher Sozialhilfeträger klagende Stadt macht gegen die beklagte Krankenkasse einen Erstattungsanspruch für Kosten geltend, die sie für die Versorgung eines Versicherten der Beklagten mit häuslicher Krankenpflege durch einen Pflegedienst getragen hat.

2

Der 1964 geborene M. H. (im Folgenden: Versicherter) lebte in der Zeit von Juni 2007 bis März 2009 in einer von der Beigeladenen betriebenen stationären Einrichtung zur sozialpädagogisch betreuten Unterbringung wohnungsloser Männer in H. Er litt ua an HIV, Hepatitis C, substituierter Drogenabhängigkeit und Enzephalitis mit Wesensveränderung. Die Klägerin kam im Rahmen der Eingliederungshilfe nach den §§ 53, 54 SGB XII für die Kosten der Unterbringung in der Einrichtung auf. Für den Versicherten war die Pflegestufe I festgestellt; er bezog Arbeitslosengeld II.

3

Für die Zeit vom 8.6.2007 bis 31.3.2009 verordnete der behandelnde Arzt dem Versicherten zur Medikamentengabe häusliche Krankenpflege, die von einem Pflegedienst erbracht wurde. Die Beklagte lehnte die Versorgung des Versicherten mit häuslicher Krankenpflege ab und empfahl ihm, sich an den örtlichen Träger der Sozialhilfe bzw die Pflegeeinrichtung zu wenden. Sie meint, Versicherte, die auf Dauer in Einrichtungen der Eingliederungshilfe ohne eigene Haushaltsführung untergebracht seien, hätten keinen Anspruch auf häusliche Krankenpflege gegen die Krankenkasse - jedenfalls solange nicht der Ausnahmefall eines besonders hohen Bedarfs an medizinischer Behandlungspflege für mindestens sechs Monate vorliege.

4

Die Klägerin trug die Kosten der häuslichen Krankenpflege im Rahmen ihrer Vorleistungspflicht; die Beklagte lehnte eine Kostenerstattung ab.

5

Das SG hat die Beklagte zur Zahlung in der beantragten Höhe (6920,50 Euro) nebst Zinsen verurteilt und die Berufung zugelassen (Urteil vom 6.2.2012); das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen und die Revision zugelassen (Urteil vom 24.4.2014). Es hat ausgeführt, die Klägerin habe nach § 104 Abs 1 SGB X einen Erstattungsanspruch gegen die beklagte Krankenkasse, da diese zur Gewährung häuslicher Krankenpflege vorrangig verpflichtet sei. Einrichtungen der Eingliederungshilfe könnten "sonst geeignete Orte" iS des § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V sein, wenn der Versicherte keinen Anspruch auf Leistungen der Behandlungspflege gegen den Einrichtungsträger habe. Dies ergebe sich aus der insoweit mit der Ermächtigungsgrundlage in Einklang stehenden Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege (Häusliche Krankenpflege-Richtlinie; im Folgenden: HKP-Richtlinie). Die Einrichtung, in der sich der Versicherte aufhalte, sei nicht zur Erbringung von Behandlungspflege verpflichtet. Der Zinsanspruch ergebe sich aus § 108 Abs 2 SGB X.

6

Mit ihrer Revision macht die beklagte Krankenkasse geltend, der Begriff "Haushalt" iS des § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V dürfe auch nach der Gesetzesänderung zum 1.4.2007 nicht undifferenziert ausgeweitet werden. Der Gesetzgeber habe lediglich eine vorsichtige Erweiterung des Haushaltsbegriffs, nicht aber seine vollständige Aufgabe bezweckt. Der Bezug der "häuslichen" Krankenpflege zu einem eigenen Haushalt des Versicherten dürfe nicht vollständig aufgegeben werden. Bei den im Gesetz ausdrücklich aufgeführten Einrichtungen handele es sich um solche, in denen sich die Versicherten nur zeitweise aufhielten, während ihr Lebensmittelpunkt im häuslichen Umfeld gewahrt bleibe. Für den Fall, dass ein eigener Haushalt nicht mehr bestehe, enthalte § 37 Abs 2 Satz 7 SGB V eine Ausnahmeregelung nur unter der Voraussetzung, dass sich der Versicherte nicht auf Dauer in einer Einrichtung aufhalte. Diese Vorschrift habe der Gesetzgeber unverändert beibehalten. Auf einen Anspruch des Versicherten gegen den Einrichtungsträger könne es zur Bestimmung des Leistungsumfangs nach § 37 Abs 2 SGB V nicht ankommen, sonst läge der Anspruch in der Hand der Partner der Verträge nach §§ 75 ff SGB XII, mit denen die Leistungspflichten des Einrichtungsträgers festgelegt würden. Die Leistungen der Eingliederungshilfe, für die der Sozialhilfeträger zuständig sei, umfassten auch Pflegeleistungen. Durch die von der Pflegekasse zu zahlende Pauschale (§ 43a SGB XI) seien diese Leistungen abgegolten. Damit werde ein "Konzept der Mischfinanzierung" verfolgt, um der Konfliktsituation zwischen dem Grundsatz der Einheitlichkeit der Eingliederungshilfe und dem Nachranggrundsatz der Sozialhilfe im Wege eines Kompromisses gerecht zu werden. Schließlich gehöre die Hilfe zur Einnahme von Tabletten nach ärztlicher Anweisung regelmäßig zu der von Einrichtungen der Eingliederungshilfe geschuldeten Unterstützung bei den lebenspraktischen Verrichtungen.

7

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Hamburg vom 24. April 2014 und des Sozialgerichts Hamburg vom 6. Februar 2012 zu ändern und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist begründet. Die Klägerin hat keinen Erstattungsanspruch gegen die beklagte Krankenkasse, weil der Versicherte im streitigen Zeitraum keinen Anspruch auf häusliche Krankenpflege für das Herrichten und Verabreichen von Medikamenten gegen die Beklagte hatte. Zwar kann eine Einrichtung der Eingliederungshilfe ein geeigneter Ort zur Erbringung von häuslicher Krankenpflege iS des § 37 SGB V sein(hierzu 1.), wenn die Einrichtung nicht selbst zur Erbringung medizinischer Behandlungspflege verpflichtet ist (hierzu 2.); eine Hilfeleistung bei der oralen Einnahme von Tabletten nach ärztlicher Anweisung gehört aber regelmäßig zu der von Einrichtungen der Eingliederungshilfe geschuldeten pädagogischen Beratung, Betreuung und Unterstützung bei den lebenspraktischen Verrichtungen (hierzu 3.).

10

1. Nach § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V(idF des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26.3.2007, BGBl I 2007, 378) erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. Nach § 37 Abs 6 SGB V legt der G-BA in Richtlinien nach § 92 SGB V fest, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach den Abs 1 und 2 des § 37 SGB V auch außerhalb des Haushaltes und der Familie des Versicherten erbracht werden können.

11

a) Bis zum 31.3.2007 erhielten Versicherte häusliche Krankenpflege (nur) "in ihrem Haushalt oder ihrer Familie" (vgl § 37 Abs 1 und 2 SGB V idF des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003, BGBl I 2190). Schon nach § 185 RVO aus dem Jahr 1911 konnten solche Pflegeleistungen gewährt werden, wenn ein wichtiger Grund vorlag, "den Kranken in seinem Haushalt oder in seiner Familie zu belassen", und nicht im Krankenhaus zu behandeln. Seitdem war dieses Tatbestandsmerkmal bis zum 31.3.2007 nicht erweitert worden. Zu dieser Gesetzeslage hatte das BSG entschieden, dass es zwar - sofern nicht Krankenhausbehandlung oder vollstationäre Pflege vorliege - nicht auf den Aufenthaltsort des Versicherten ankomme und daher häusliche Krankenpflege auch während des Kindergarten- oder Schulbesuchs zu leisten sei (BSGE 90, 143 = SozR 3-2500 § 37 Nr 5 = SozR 3-1500 § 96 Nr 11); aufgrund des engen Wortlauts der Vorschrift sah sich die Rechtsprechung aber bis zur Änderung durch das GKV-WSG vom 26.3.2007 (BGBl I 2007, 378) daran gehindert, den Anspruch auf häusliche Krankenpflege darüber hinaus auch auf Zeiten des Aufenthalts in einer stationären Einrichtung auszudehnen (BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 5). Bei der Umschreibung des Aufenthaltsortes der Versicherten "in ihrem Haushalt oder ihrer Familie" ging es dem Gesetzgeber vor allem um die Abgrenzung zur Leistungserbringung im stationären Bereich. Schon in der Ursprungsfassung des § 185 RVO aus dem Jahr 1911 wurde der Begriff als Unterscheidung von der Krankenhausversorgung(vgl Poske, Hauspflege, 1990, S 70 ff, 112 ff) verwendet: "Die Kasse kann mit Zustimmung des Versicherten Hilfe und Wartung durch Krankenpfleger, Krankenschwestern oder andere Pfleger namentlich auch dann gewähren, wenn die Aufnahme des Kranken in ein Krankenhaus geboten, aber nicht ausführbar ist, oder ein wichtiger Grund vorliegt, den Kranken in seinem Haushalt oder seiner Familie zu belassen". Diese Formulierung wurde als Voraussetzung für den Anspruch auf Behandlungssicherungspflege übernommen, die zunächst als Satzungsleistung eingeführt (§ 185 Abs 1 Satz 2 RVO idF des Gesetzes zur Dämpfung der Ausgabenentwicklung und zur Strukturverbesserung in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 27.6.1977, BGBl I 1069; vgl zum Gesetzgebungsverfahren Zipperer, DOK 1978, 11, 20) und später in § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V(durch das Gesetz über die neunzehnte Anpassung der Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz sowie zur Änderung weiterer sozialrechtlicher Vorschriften vom 26.6.1990, BGBl I 1211) zum gesetzlichen Anspruch bestimmt wurde. Schon damals wurde die Notwendigkeit einer Abgrenzung zum stationären Bereich der Heimpflege diskutiert, und bei einem Daueraufenthalt in Einrichtungen der Alten- oder Behindertenhilfe sahen zahlreiche Autoren den Anspruch auf Fälle beschränkt, in denen die Einrichtung dem Versicherten (vertraglich) keine umfassende Versorgung schulde (vgl Hanau/Rolfs, VSSR 1993, 237, 252; Gerlach in Hauck/Noftz, SGB V, Stand: 1.8.1999, K § 37 RdNr 15; Höfler in Kasseler Komm, Bd 1, Stand: Einzelkommentierung Dezember 2004, § 37 SGB V RdNr 14). Nach der bis zum 31.3.2007 geltenden Gesetzesfassung war aber die vom Gesetzgeber beabsichtigte Abgrenzung zur stationären Krankenhausbehandlung in gleicher Weise geeignet, sonstige stationäre Einrichtungen von den Leistungen der häuslichen Krankenpflege auszunehmen (vgl BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 5). Der Gesetzgeber hatte noch bei der Änderung des § 37 Abs 2 Satz 2 SGB V durch dasGMG vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) keinen Handlungsbedarf dafür gesehen, Menschen in Einrichtungen der Behindertenhilfe ohne eigenen Haushalt Anspruch auf häusliche Krankenpflege einzuräumen. Nach dieser Regelung, die unverändert bis heute fortgilt (§ 37 Abs 2 Satz 7 SGB V), erhalten Versicherte, die nicht auf Dauer in Einrichtungen nach § 71 Abs 2 und 4 SGB XI aufgenommen sind, Leistungen der häuslichen Krankenpflege auch dann, wenn ihr Haushalt nicht mehr besteht und ihnen zur Durchführung der Behandlungspflege vorübergehender Aufenthalt in einer Einrichtung oder einer anderen geeigneten Unterkunft zur Verfügung gestellt wird. Bei dieser Regelung ging es insbesondere um die Sicherstellung medizinischer Behandlungspflege für alleinstehende Wohnungslose, um kostentreibende Krankenhauseinweisungen zu verhindern (vgl BT-Drucks 15/1525 S 90). Nach der Gesetzesbegründung wurde damit aber zugleich "klargestellt, dass bei Daueraufenthalt ohne eigenen Haushalt, zB in Heimen, weiterhin kein Anspruch auf Leistungen der Behandlungspflege besteht" (BT-Drucks 15/1525 S 90 zu Buchst a).

12

b) Erst mit dem GKV-WSG vom 26.3.2007 (BGBl I 2007, 378) hat der Gesetzgeber den Anspruch auf sonstige geeignete Orte, insbesondere betreute Wohnformen, Schulen, Kindergärten und bei besonders hohem Pflegebedarf auch auf Werkstätten für behinderte Menschen erweitert und dem G-BA aufgegeben festzulegen, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen der häuslichen Krankenpflege auch außerhalb des Haushaltes und der Familie des Versicherten erbracht werden können. In der Gesetzesbegründung ist hierzu ausgeführt, die Beschränkung der Leistungen zur häuslichen Krankenpflege auf Haushalt und Familie des Versicherten habe sich im Hinblick auf das Ziel, vorschnelle stationäre Einweisungen zu vermeiden, als kontraproduktiv erwiesen. Die Neuregelung bewirke durch eine vorsichtige Erweiterung des Haushaltsbegriffs, dass neue Wohnformen, Wohngemeinschaften und betreutes Wohnen hinsichtlich der Erbringung von häuslicher Krankenpflege gegenüber konventionellen Haushalten nicht benachteiligt würden. Betreute Wohnformen, deren Bewohner ambulante Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung erhalten, sollten verbesserte Angebote für ambulant Pflegebedürftige darstellen. Darüber hinaus werde im Hinblick auf bestimmte, eng begrenzte Personengruppen durch den erweiterten Haushaltsbegriff eine vorschnelle Einweisung in stationäre Einrichtungen verhindert. Ein "geeigneter Ort" für die Leistung häuslicher Krankenpflege durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) sei jedenfalls dann nicht gegeben, wenn sich der Versicherte in einer Einrichtung befinde, in der er nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung medizinischer Behandlungspflege durch die Einrichtung habe. Um die notwendige Flexibilität bei der Bestimmung der geeigneten Erbringungsorte zu wahren, werde auf eine gesetzliche Festlegung verzichtet und die nähere Ausgestaltung dem G-BA übertragen. Dieser Lösungsweg vermeide Lücken im Zwischenbereich von ambulanter und stationärer Versorgung (BT-Drucks 16/3100 S 104).

13

c) Der G-BA ist seinem Regelungsauftrag durch die zum 11.6.2008 in Kraft getretene Änderung der HKP-Richtlinie (HKP-Richtlinie idF vom 16.2.2000, zuletzt geändert am 17.1.2008/10.4.2008, veröffentlicht im BAnz 2008, Nr 84, S 2028, 2029 und 2030) nachgekommen. Unter I. 2. ist bestimmt:

        

"Häusliche Krankenpflege wird im Haushalt des Versicherten oder seiner Familie erbracht. Anspruch auf häusliche Krankenpflege besteht auch an sonstigen geeigneten Orten, an denen sich der Versicherte regelmäßig wiederkehrend aufhält und an denen

        

-       

die verordnete Maßnahme zuverlässig durchgeführt werden kann und

        

-       

für die Erbringung der einzelnen Maßnahmen geeignete räumliche Verhältnisse vorliegen (z. B. im Hinblick auf hygienische Voraussetzungen, Wahrung der Intimsphäre, Beleuchtung),

        

wenn die Leistung aus medizinisch-pflegerischen Gründen während des Aufenthaltes an diesem Ort notwendig ist. Orte im Sinne des Satz 2 können insbesondere Schulen, Kindergärten, betreute Wohnformen oder Arbeitsstätten sein."

Unter I. 6. ist bestimmt:

        

"Für die Zeit des Aufenthalts in Einrichtungen, in denen nach den gesetzlichen Be-stimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtungen besteht (z. B. Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen, Pflegeheimen), kann häusliche Krankenpflege nicht verordnet werden. Ob ein solcher Anspruch besteht, ist im Einzelfall durch die Krankenkassen zu prüfen.

                 
        

Abweichend davon kann häusliche Krankenpflege in Werkstätten für behinderte Menschen verordnet werden, wenn die Intensität oder Häufigkeit der in der Werkstatt zu erbringenden Pflege so hoch ist, dass nur durch den Einsatz einer Pflegefachkraft Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit vermieden oder das Ziel der ärztlichen Behandlung gesichert werden kann und die Werkstatt für behinderte Menschen nicht auf Grund des § 10 der Werkstättenverordnung verpflichtet ist, die Leistung selbst zu erbringen.

                 
        

Eine Verordnung von Behandlungspflege ist auch für Versicherte in Pflegeheimen zulässig, die auf Dauer, voraussichtlich für mindestens 6 Monate, einen besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben (§ 37 Abs. 2 S. 3 SGB V). Dies ist der Fall, wenn (…)."

14

Der G-BA hatte in seinem Beschlusstext ursprünglich folgende Regelung vorgesehen: "Für die Zeit des Aufenthaltes in Einrichtungen, in denen nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtungen besteht (zB Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen, Pflegeheimen oder Behinderteneinrichtungen), kann häusliche Krankenpflege nicht verordnet werden" (vgl https://www.g-ba.de/informationen/beschluesse/598/. Dort finden sich die "Tragenden Gründe zum Beschluss vom 17.1.2008" als PDF-Datei, Beschlusstext, S 9). Die ausdrückliche Aufführung der Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen ist trotz zahlreicher kritischer Stellungnahmen (aaO, S 12 ff) erst aufgrund einer Prüfung durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gemäß § 94 SGB V gestrichen worden(vgl https://www.g-ba.de/informationen/beschluesse/598/. Dort findet sich die "Prüfung gem. § 94 SGB V durch das BMG" als PDF-Datei, Schreiben vom 20.3.2008). Zudem wurde der Satz: "Ob ein solcher Anspruch besteht, ist im Einzelfall durch die Krankenkasse zu prüfen" aufgrund der Prüfung aufgenommen. Das BMG hat von einer Beanstandung der vorgesehenen Regelung nur unter der Auflage abgesehen, die Regelung bei nächster Gelegenheit so zu überarbeiten, dass Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen nicht grundsätzlich von der Verordnung häuslicher Krankenpflege ausgeschlossen werden und dass vom G-BA sichergestellt wird, dass die Regelung bis zu ihrer Überarbeitung ohne den grundsätzlichen Ausschluss von Behinderteneinrichtungen angewandt wird. Das BMG hat hierzu ausgeführt, eine rechtliche Begründung dafür, dass grundsätzlich in allen (dh in der Regel oder in der großen Mehrheit der nicht näher definierten) ambulanten und stationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen ein Anspruch auf Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtung bestehe, sei nicht ersichtlich. Die vom G-BA beschlossene Formulierung könne dazu führen, dass häusliche Krankenpflege für Versicherte in diesen Einrichtungen regelmäßig abgelehnt werde, ohne dass tatsächlich im Einzelfall geprüft werde, ob anderweitige Ansprüche auf die Erbringung von Behandlungspflege bestehen. Deshalb sei klarzustellen, dass im Einzelfall zu prüfen sei, ob nach gesetzlichen Bestimmungen ein Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtung bestehe.

15

d) Nach dem Regelungsgefüge, das sich aus den gesetzlichen Vorschriften iVm mit den Normen der HKP-Richtlinie ergibt, besteht der Anspruch zunächst an allen geeigneten Orten, an denen sich der Versicherte regelmäßig wiederkehrend aufhält, wenn die Leistung aus medizinisch pflegerischen Gründen während des Aufenthaltes an diesem Ort notwendig ist. Einschränkungen in Bezug auf den Aufenthaltsort ergeben sich - abgesehen von der Geeignetheit der räumlichen Verhältnisse - erst aus den Regelungen unter I. 6., dh für die Zeit des Aufenthaltes in Einrichtungen nur dann, wenn nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtung besteht (wie zB in Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen, Pflegeheimen). Ob ein solcher Anspruch besteht, ist im Einzelfall durch die Krankenkasse zu prüfen. Einrichtungen der Eingliederungshilfe werden in den HKP-Richtlinien den Krankenhäusern und Pflegeheimen ausdrücklich nicht (mehr) gleichgestellt. In dieser Fassung ist die HKP-Richtlinie gesetzeskonform.

16

e) Der Vorschrift des § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V und der Bezeichnung der dort nach der Verwendung des Begriffs "insbesondere" beispielhaft aufgeführten "geeigneten Orte" lässt sich nicht die Beschränkung entnehmen, häusliche Krankenpflege könne weiterhin nur beansprucht werden, wenn noch ein Mindestmaß eines eigenen Haushalts (oder ein Leben in der Familie) geführt wird, und weitere Leistungen ggf ambulant in Anspruch genommen werden. Gegen die Auffassung der Beklagten, eine stationäre Einrichtung, in der sich ein Versicherter dauerhaft aufhält, ohne an einem anderen Ort noch einen Haushalt zu führen oder in einem solchen zu leben, könne nie ein sonstiger geeigneter Ort iS des § 37 Abs 2 SGB V sein, sprechen die Gesetzesbegründung und der vom Gesetzgeber mit der Erweiterung des Anspruchs verfolgte Zweck. Auch dem Wortlaut der Vorschrift lässt sich eine solche Einschränkung nicht entnehmen.

17

Dem Gesetzgeber war es nach der Gesetzesbegründung zur Ausweitung des Anspruchs auf häusliche Krankenpflege auf sonstige geeignete Orte durch das GKV-WSG vom 26.3.2007 (BGBl I 2007, 378) ein besonderes Anliegen, Lücken im Zwischenbereich von ambulanter und stationärer Versorgung zu vermeiden. Bei ambulanten Einrichtungen, insbesondere auch bei ambulant betreuten Wohnformen, wird aber regelmäßig (allein oder gemeinsam mit anderen) ein eigener Haushalt geführt, sodass bereits vor der Gesetzesänderung auch für dort lebende Versicherte ein Anspruch auf häusliche Krankenpflege bestehen konnte. Zudem war nach der Rechtsprechung des BSG der Anspruch auch schon vor der Neuregelung zum 1.4.2007 nicht auf die Erbringung der Leistung in der Wohnung des Versicherten beschränkt; vielmehr konnte häusliche Krankenpflege auch in der Schule oder im Kindergarten erbracht werden (so ausdrücklich BSGE 90, 143 = SozR 3-2500 § 37 Nr 5 = SozR 3-1500 § 96 Nr 11). Wenn die vom Gesetzgeber beabsichtigte vorsichtige Erweiterung des Anspruchs auch auf sonstige geeignete Orte nicht weitgehend leerlaufen soll, müssen grundsätzlich auch die stationären Einrichtungen einbezogen werden, in denen sich ein Versicherter auf unabsehbare Zeit aufhält und betreut wird, ohne noch anderswo zu leben und zu wohnen. Die Beklagte hat Recht mit ihrer Auffassung, dass es in den bisher vom Senat entschiedenen Fällen darum ging, Versicherte auch in Einrichtungen wie Schulen und Kindergärten mit Krankenpflege zu versorgen, in denen sich diese lange, aber eben nicht ausschließlich im Sinne eines Lebensmittelpunktes aufhalten. Genau diese Situation sollte indessen durch die Neuregelung des § 37 Abs 2 SGB V erfasst werden, und zwar für die Konstellation, dass in der vollstationären Einrichtung keine umfassende pflegerische Versorgung stattfindet und gesetzlich auch nicht geschuldet wird. Denn nur dadurch kann dem Sinn und Zweck der Vorschrift, durch (ambulante) häusliche Krankenpflege vorschnelle stationäre Einweisungen zu vermeiden, entsprochen werden. Bei den zu vermeidenden stationären Einweisungen kann es sich nur um Einweisungen in Einrichtungen handeln, in denen die Versicherten medizinische Behandlungspflege erhalten, wie Krankenhäuser, medizinische Rehabilitationseinrichtungen oder Pflegeheime. Die Aufnahme in andere Einrichtungen, die regelmäßig schon nicht auf ärztliche Veranlassung erfolgt, kann (und soll) nicht durch die Erbringung ambulanter Leistungen der häuslichen Krankenpflege vermieden werden. Vielmehr soll die nach der Gesamtsituation des Versicherten sinnvolle Aufnahme zB in eine stationäre Einrichtung der Eingliederungshilfe nicht daran scheitern, dass zusätzlich zum Eingliederungsbedarf auch ein Bedarf an Krankenpflegeleistungen besteht, der von der Eingliederungseinrichtung nicht gedeckt werden kann. Es kann (auch) für die Krankenkasse wirtschaftlich sinnvoll sein, Versicherte in solchen Einrichtungen, in denen sie keinen Anspruch auf medizinische Behandlungspflege gegen die Einrichtung haben, mit häuslicher Krankenpflege zu versorgen, um eine vorschnelle Einweisung in ein Krankenhaus zu vermeiden.

18

Auch dem Wortlaut der Vorschrift lässt sich seit der Ausweitung des Anspruchs auf sonstige geeignete Orte nicht entnehmen, dass stationäre Einrichtungen etwa der Eingliederungshilfe dafür grundsätzlich nicht in Betracht kommen. Die beispielhafte Aufzählung enthält hierfür keine Anhaltspunkte. Der im Gesetz verwandte Begriff der "betreuten Wohnformen" ist gesetzlich nicht definiert. Die Übergänge von einer Wohngemeinschaft mit ambulanten Betreuungshilfen zu einer stationären Einrichtung sind inzwischen fließend. Daher werden in den Landesheimgesetzen neben stationären Einrichtungen regelmäßig auch andere Formen des betreuten Wohnens erfasst (vgl Weber NZS 2011, 650, 651 mwN), und längst nicht alle Formen des betreuten Wohnens weisen eine größere Nähe zur eigenständigen Haushaltsführung auf, als herkömmliche stationäre Einrichtungen. Eine eindeutige Zuordnung jeder Einrichtung entweder als stationäres Heim oder als ambulantes Angebot mit Betreuungshilfen, wird durch die andauernde Entwicklung neuer Wohnformen zunehmend schwierig. Auch in betreuten Wohnformen haben Versicherte keinen Anspruch auf häusliche Krankenpflege, wenn sie bereits Anspruch auf die Maßnahme durch die Einrichtung bzw den Betreuungsdienst haben, weil häusliche Krankenpflege dann nicht erforderlich ist. Gerade im Grenzbereich verschiedener Wohnformen ist es aber sachgerecht, nach dem Anspruch gegen die Einrichtung bzw den Betreuungsdienst zu differenzieren und nicht dem Begriff "betreute Wohnformen" eine Festlegung dahin zu entnehmen, dass in vollstationären Betreuungseinrichtungen keine häusliche Krankenpflege erbracht werden kann.

19

Es ist daher konsequent, den Anspruch auf häusliche Krankenpflege in Einrichtungen nur dann und insoweit zu beschränken, als nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung medizinischer Behandlungspflege durch die Einrichtung besteht. Der Gesetzgeber hat auf eine gesetzliche Festlegung der geeigneten Leistungsorte bewusst verzichtet. Er wollte damit im Hinblick auf die Vielzahl unterschiedlicher Einrichtungen jeglichen Eingriff in die bestehenden Strukturen der Einrichtungen und insbesondere in ihre Leistungspflichten im Hinblick auf die medizinische Behandlungspflege vermeiden und die Präzisierung der Einrichtungen, in denen die Versicherten Anspruch auf häusliche Krankenpflege nach dem SGB V haben, dem G-BA überlassen.

20

f) Die Richtlinien des G-BA haben normativen Charakter und sind für die Beteiligten verbindlich (BSG SozR 3-2500 § 135 Nr 21; BSG SozR 3-2500 § 92 Nr 12; BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5; BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 3; BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 7; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 8; vgl auch amtl Begründung zu den Ergänzungen von § 92 Abs 1 SGB V durch das GMG - BT-Drucks 15/1525 oder die Ergänzungen des Gesetzes zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung (AVWG) und des GKV-WSG). Der Senat hat keine Zweifel an der verfassungsrechtlichen Legitimation des G-BA als untergesetzlichem Normgeber in der Form, wie sie inzwischen gesetzlich festgelegt ist (so auch BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 22; BSGE 112, 251 = SozR 4-2500 § 106 Nr 38, RdNr 14; BSGE 111, 155 = SozR 4-2500 § 31 Nr 21, RdNr 26; vgl auch Beier in jurisPK-SGB V, Online-Ausgabe, § 92 SGB V, RdNr 31.1, Stand 25.6.2013).

21

2. Einrichtungen der Eingliederungshilfe sind nach den gesetzlichen Bestimmungen grundsätzlich nur soweit zur Erbringung von medizinischer Behandlungspflege verpflichtet, wie diese aufgrund der sächlichen und personellen Ausstattung von der Einrichtung erbracht werden kann.

22

a) Erbringt der Träger der Sozialhilfe die Leistungen der Eingliederungshilfe in einer vollstationären Einrichtung (§ 13 SGB XII, zum Einrichtungsbegriff iS des SGB XII vgl BSGE 106, 264 = SozR 4-3500 § 19 Nr 2, RdNr 13) der Hilfe für behinderte Menschen, wird grundsätzlich der gesamte Bedarf des Hilfebedürftigen nach § 9 Abs 1 SGB XII in der Einrichtung in einrichtungsspezifischer Weise befriedigt. Die Einrichtung übernimmt für den Hilfebedürftigen von dessen Aufnahme bis zur Entlassung die Gesamtverantwortung für seine tägliche Lebensführung (vgl Luthe in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand November 2014, K § 13 RdNr 58, 59 mwN). Leistungen der Eingliederungshilfe umfassen nach § 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII, § 26 SGB IX auch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, zu denen nach § 26 Abs 2 SGB IX ua auch die Behandlung durch Angehörige von Heilberufen gehört, soweit deren Leistungen unter ärztlicher Aufsicht oder auf ärztliche Anordnung ausgeführt werden, wie es bei der häuslichen Krankenpflege der Fall ist. Nach § 55 Satz 1 SGB XII umfassen die Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen iS des § 43a SGB XI auch die Pflegeleistungen in der Einrichtung. Ist der behinderte Mensch allerdings so pflegebedürftig, dass die Pflege in der Einrichtung nicht sichergestellt werden kann, vereinbaren der Träger der Sozialhilfe und die zuständige Pflegekasse mit dem Einrichtungsträger, dass die Leistung in einer anderen Einrichtung erbracht wird, wobei den angemessenen Wünschen des behinderten Menschen Rechnung zu tragen ist (§ 55 Satz 2 SGB XII).

23

b) Danach hat der Träger der Sozialhilfe zwar letztlich alle Teilhabebedarfe der Eingliederungshilfe zu decken und kann dies durch Leistungen für Einrichtungen (§ 13 Abs 1 SGB XII) gewährleisten, zu beachten ist aber der Nachrang der Sozialhilfe (§ 2 SGB XII). Leistungen anderer Sozialleistungsträger gehen grundsätzlich den Leistungen der Sozialhilfe vor (§ 2 Abs 1 SGB XII), und auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach dem Recht der Sozialhilfe entsprechende Leistungen vorgesehen sind (§ 2 Abs 2 Satz 2 SGB XII). Die medizinische Behandlungspflege ist Aufgabe der GKV, die daher diese Leistung vorrangig vor dem Träger der Sozialhilfe zu erbringen hat. Deshalb hat der Sozialhilfeträger im Verhältnis zur GKV nicht die Aufgabe, durch entsprechende Verträge mit den Einrichtungen der Eingliederungshilfe dafür zu sorgen, dass diese regelmäßig auch Leistungen der medizinischen Behandlungspflege erbringen. Die Verpflichtung der Einrichtung zur Übernahme der Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung sowie zur Deckung der Bedarfe in einrichtungsspezifischer Weise weist den Einrichtungen daher keine weitergehenden Pflichten zu, als sie aufgrund ihrer Ausrichtung, des Eingliederungszwecks, dem sie dienen, und nach den Vereinbarungen nach §§ 75 ff SGB XII schulden. Einrichtungen der Eingliederungshilfe schulden danach regelmäßig selbst keine medizinischen Behandlungsmaßnahmen, sondern haben lediglich organisatorisch dafür Sorge zu tragen, dass die Bewohner der Einrichtung neben den von der Einrichtung selbst geschuldeten Leistungen auch solche anderer Träger in Anspruch nehmen können. So schulden solche Einrichtungen keine ärztliche Behandlung, sie haben aber ggf Arztbesuche zu organisieren bzw zu ermöglichen und die notwendigen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Gleiches gilt grundsätzlich auch für die medizinische Behandlungspflege, es sei denn, aus den Vereinbarungen nach den §§ 75 ff SGB XII ergeben sich weitergehende Leistungsverpflichtungen.

24

c) Einrichtungen der Eingliederungshilfe sind auch nicht allein aufgrund der von den Pflegekassen für Pflegebedürftige nach § 43a Satz 1 SGB XI zu gewährenden pauschalen Abgeltung verpflichtet, grundsätzlich alle im Einzelfall notwendigen Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege zu erbringen. Nach § 43a Satz 1 SGB XI übernimmt die Pflegekasse zur Abgeltung der in § 43 Abs 2 SGB XI genannten Aufwendungen 10 vH des nach § 75 Abs 3 SGB XII vereinbarten Heimentgeltes für Pflegebedürftige in einer stationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen, in der die Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft, die schulische Ausbildung oder die Erziehung behinderter Menschen im Vordergrund des Einrichtungszwecks stehen(§ 71 Abs 4 SGB XI). Dabei dürfen aber die Aufwendungen der Pflegekasse im Einzelfall je Kalendermonat 256 Euro (ab 1.1.2015 266 Euro) nicht übersteigen (§ 43a Satz 2 SGB XI). Zu den in § 43 Abs 2 SGB XI genannten Aufwendungen gehören die pflegebedingten Aufwendungen, die Aufwendungen der sozialen Betreuung und die Aufwendungen für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege.

25

Trotz der ausdrücklichen Erwähnung auch der medizinischen Behandlungspflege zeigt die Verortung der Vorschrift im SGB XI, dass es dabei lediglich um die von der Pflegeversicherung abzudeckenden Bedarfe geht. Die Pauschale wird auch nur für Pflegebedürftige geleistet. Stationäre Pflegeeinrichtungen iS des § 71 Abs 2 und 4 SGB XI haben grundsätzlich auch medizinische Behandlungspflege zu erbringen; erst bei einem dauerhaften, voraussichtlich mindestens sechs Monate währenden besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben Versicherte in Pflegeheimen Anspruch auf häusliche Krankenpflege. Hier kommt es nicht zu einer Lücke zwischen ambulanter und stationärer Versorgung. Einrichtungen der Eingliederungshilfe schulden nach § 43a SGB XI zwar grundsätzlich Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung. Die medizinische Behandlungspflege iS des § 37 Abs 2 SGB V kann aber durch diese an die Pflegeversicherung gerichtete Vorschrift grundsätzlich nicht vom Zuständigkeitsbereich der GKV auf Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen übertragen werden. Dies ist schon deshalb ausgeschlossen, weil die Eingliederungseinrichtungen dann nur gegenüber pflegebedürftigen Bewohnern zur Erbringung von Behandlungspflege nach § 37 Abs 2 SGB V verpflichtet wären und auch nur für diese Personen das pauschalierte Entgelt erhalten(so im Ergebnis bereits BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 5 RdNr 9). Ansprüche auf medizinische Behandlungspflege können auch Versicherten zustehen, die nicht pflegebedürftig sind.

26

d) Das ergibt sich auch aus den Regelungen des § 55 SGB XII. Danach haben Einrichtungen der Eingliederungshilfe auch die (notwendigen) Pflegeleistungen zu erbringen. Wird der behinderte Mensch aber so pflegebedürftig, dass die Pflege in der Einrichtung nicht sichergestellt werden kann, vereinbaren der Träger der Sozialhilfe und die zuständige Pflegekasse mit dem Einrichtungsträger, dass die Leistung in einer anderen Einrichtung erbracht wird (§ 55 Satz 2 SGB XII). Auch diese Vorschrift knüpft zunächst nur an die Pflegebedürftigkeit und Pflege im Sinne des SGB XI an, nicht an Behandlungspflege. Insbesondere aus § 55 Satz 2 SGB XII ist aber abzuleiten, dass der Gesetzgeber nicht beabsichtigt hat, jede Einrichtung der Eingliederungshilfe personell und sächlich so auszustatten, dass sie neben der üblichen Pflege auch Leistungen der medizinischen Behandlungspflege erbringen kann. Trägerübergreifend betrachtet, wäre das unwirtschaftlich. Hilfen zur Grundpflege und zur hauswirtschaftlichen Versorgung können innerhalb bestimmter Grenzen regelmäßig von Personen erbracht werden, die diesbezüglich keine besondere Ausbildung haben. Hierzu gehören insbesondere die Hilfen bei den Verrichtungen des täglichen Lebens. Erst wenn es darum geht, aktivierende Pflege zu leisten, weitere Pflegebedürftigkeit zu verhüten oder akute Beschwerden zu lindern oder medizinische Behandlungspflege zu leisten, die nicht ohne Weiteres vom Personal einer Eingliederungseinrichtung erbracht werden kann, und die Pflege daher in der Einrichtung nicht mehr sichergestellt werden kann, ist der Hilfebedürftige in einer anderen Einrichtung unterzubringen.

27

e) Die Leistungspflichten der Eingliederungseinrichtungen ergeben sich für deren Nutzer aus zivilrechtlichen Verträgen mit der Einrichtung und gegenüber dem Träger der Sozialhilfe ausschließlich aus dem SGB XII iVm den auf diesen gesetzlichen Grundlagen basierenden Verträgen (zum sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis BSGE 102, 1 = SozR 4-1500 § 75 Nr 9, RdNr 15 ff). Entscheidend für die Leistungspflichten der Einrichtungen zur Hilfe behinderter Menschen ist danach das in den Vereinbarungen nach den §§ 75 ff SGB XII festgelegte Ziel und der Zweck der Einrichtung, ihr Aufgabenprofil, die vorgesehene sächliche und personelle Ausstattung sowie der zu betreuende Personenkreis. Handelt es sich danach zB um eine Einrichtung, deren vorrangige Aufgabe darin besteht, Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten zu leisten, die erforderlich und geeignet sind, behinderten Menschen die für sie erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen (vgl § 55 Abs 2 Nr 3 SGB IX), gehören einfachste medizinische Maßnahmen, die für Versicherte im eigenen Haushalt von jedem erwachsenen Haushaltsangehörigen erbracht werden können und keine medizinische Fachkunde erfordern, wie die Einnahme von Medikamenten, regelmäßig der Natur der Sache nach zum Aufgabenkreis der Einrichtung. Sie sind mit der Gewährung von Eingliederungshilfe durch den Sozialhilfeträger in einer stationären Einrichtung untrennbar verbunden und daher objektiv bereits Bestandteil der Eingliederungshilfe. Dies gilt auch für betreute Wohnformen, wenn dort nach Inhalt und Umfang vergleichbare Eingliederungsleistungen erbracht werden. Zum Erwerb lebenspraktischer Kenntnisse und Fähigkeiten gehört auch die Hilfe bei der Führung eines gesunden Lebens einschließlich der Vermittlung von Einsicht für gesundheitsförderliches Verhalten allgemein und speziell für die Notwendigkeit bestimmter medizinischer Maßnahmen. Bei den einfachsten Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege handelt es sich häufig, wie etwa beim An- und Ausziehen von Thrombosestrümpfen, um verrichtungsbezogene krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen, die ohnehin sowohl dem Aufgabenbereich der Kranken- als auch dem der Pflegeversicherung gleichermaßen zugeordnet und daher - soweit kein Fachpersonal erforderlich ist - auch bereits von der Pauschale nach § 43a SGB XI mitumfasst sind. Danach verläuft die Grenze der von einer Einrichtung geschuldeten Leistungen genau dort, wo diese vom Personal der Einrichtung der Eingliederungshilfe erbracht werden können und müssen. Muss die Einrichtung kein medizinisch ausgebildetes Personal vorhalten, sind regelmäßig nur einfachste Maßnahmen der Krankenpflege von der Einrichtung selbst zu erfüllen. Leistungspflichten, die nur von medizinisch ausgebildetem Fachpersonal erfüllt werden könnten, scheiden dann regelmäßig aus. Ist die Einrichtung hingegen nach ihrem Aufgabenprofil auf eine besondere Zielgruppe ausgerichtet, bei der ständig bestimmte behandlungspflegerische Maßnahmen erforderlich werden, und ist die Einrichtung deshalb entsprechend sächlich und personell auszustatten, hat sie diese behandlungspflegerischen Maßnahmen auch zu erbringen, weil ohne sie die Eingliederungsaufgabe im Hinblick auf die Zielgruppe der Einrichtung nicht erreicht werden kann. Es ist daher - so wie es die HKP-Richtlinie vorgibt - im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, ob die Einrichtung die konkrete behandlungspflegerische Maßnahme nach ihrem Aufgabenprofil, der Ausrichtung auf ein bestimmtes Bewohnerklientel und insbesondere aufgrund ihrer sächlichen und personellen Ausstattung selbst zu erbringen hat. Der Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe wird dadurch nicht betroffen, weil die sächliche und personelle Ausstattung dieser Einrichtungen für die Eingliederungsleistungen ohnehin vorzuhalten ist, die Gewährung von Eingliederungshilfe deutlich im Vordergrund steht und die Leistungen der Behandlungspflege dann untrennbarer Bestandteil der Eingliederungshilfe sind.

28

f) Dieses Ergebnis führt zu einer Parallele zu den Pflegehilfsmitteln, die nach der Rechtsprechung des BSG (vgl hierzu BSGE 85, 287 = SozR 3-2500 § 33 Nr 37) von Einrichtungen vorzuhalten sind. Danach hat der Träger eines Pflegeheimes alle Hilfsmittel bereitzustellen, die zur sachgerechten Durchführung der in zugelassenen Pflegeheimen gewöhnlich anfallenden Pflegeleistungen erforderlich sind. Obwohl die Pflegeheime nach § 43 SGB XI nicht nur zur Pflege und sozialen Betreuung, sondern auch zur medizinischen Behandlungspflege verpflichtet sind, gehören Hilfsmittel, die der Durchführung von Behandlungspflege dienen, nur dann zu dem vom Heimträger vorzuhaltenden Inventar, wenn sich dies im Einzelfall aus dem Versorgungsvertrag bzw der Leistungs- oder Qualitätsvereinbarung ergibt. Die Vorhaltepflicht eines Pflegeheims, in dem überwiegend Pflegebedürftige nach der Pflegestufe I leben, sieht danach zB anders aus, als bei Pflegeheimen mit beatmungsbedürftigen Schwerstpflegebedürftigen oder Apallikern (BSGE 89, 271 = SozR 3-2500 § 33 Nr 43).

29

g) In Einrichtungen, die aufgrund entsprechender Verträge auch medizinische Behandlungspflege zu erbringen haben, besteht für Versicherte ein Anspruch hierauf gegen die Einrichtung "nach den gesetzlichen Bestimmungen" im Sinne von I. 6. Satz 1 HKP-Richtlinie. Denn wirksame und rechtmäßige vertragliche Regelungen können Ansprüche "nach gesetzlichen Bestimmungen" begründen, soweit diese eine Regelung durch entsprechende Verträge ausdrücklich vorsehen. Daher wird in der Literatur und der Rechtsprechung nicht zwischen vertraglichen und gesetzlichen Ansprüchen auf Behandlungspflege gegen den Einrichtungsträger unterschieden (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 2 sowie Weber, NZS 2011, 650, 653; ausdrücklich auch LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 24.10.2012 - L 4 KR 30/10 - Juris; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22.11.2011 - L 10 KR 32/11 B ER - Juris).

30

h) Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen grundsätzlich geeignete Orte für die Erbringung von häuslicher Krankenpflege nach § 37 SGB V durch die gesetzliche Krankenversicherung sein können, wenn der Versicherte im Einzelfall keinen Anspruch auf die Erbringung der Maßnahme durch die Einrichtung hat. Im Rahmen der von der Einrichtung geschuldeten Pflege hat diese grundsätzlich nur einfachste Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege zu erbringen, für die es keiner besonderen medizinischen Sachkunde oder medizinischer Fertigkeiten bedarf und die daher regelmäßig von dem in der Einrichtung beschäftigten Personal, wie von jedem erwachsenen Haushaltsangehörigen, ohne Weiteres ausgeführt werden können. Insoweit ist zur Abgrenzung auch § 37 Abs 3 SGB V heranzuziehen. Danach ist der Anspruch auf häusliche Krankenpflege ausgeschlossen, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang pflegen und versorgen kann. Das bedeutet nicht, wie die Klägerin meint, dass die Betreuer in den Eingliederungseinrichtungen damit in jeder Hinsicht pflegebereiten Haushaltsangehörigen iS des § 37 Abs 3 SGB V gleichgestellt werden. Soweit die Klägerin dies schon im Hinblick auf das "professionelle Selbstverständnis" der Mitarbeiter/innen der Einrichtungen ausschließen will, besteht Anlass zu dem Hinweis, dass sich dieses "Selbstverständnis" nur im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben entfalten kann. Im Übrigen entnimmt der Senat § 37 Abs 2 SGB V im hier maßgeblichen Zusammenhang nur, dass es nach den gesetzlichen Regelungen Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege gibt, die ohne medizinische Vorkenntnisse von Laien erbracht werden können. Das gilt auch für Mitarbeiter in Einrichtungen der Eingliederungshilfe. Dazu gehört zB regelmäßig die Gabe von Tabletten nach ärztlicher Anweisung, das Messen des Blutdrucks oder des Blutzuckergehalts, das Anziehen von Thrombosestrümpfen, das An- und Ablegen einfach zu handhabender Stützverbände, das Einreiben mit Salben (soweit es sich nicht um schwierige Wundversorgung handelt), die Verabreichung von Bädern uä.

31

Weitergehende medizinische Behandlungspflege schuldet die Einrichtung nur, wenn sich dies aus ihren Verträgen, ihrer Leistungsbeschreibung, ihrem Aufgabenspektrum auch unter Berücksichtigung ihrer Zielgruppe und ihrer sächlichen und personellen Ausstattung ergibt.

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3. Nach dem sich aus der Vereinbarung nach § 75 Abs 3 SGB XII zwischen der Klägerin und der beigeladenen Einrichtung ergebenden Aufgabenspektrum der Einrichtung, ihrer Zielgruppe, der von ihr zu erbringenden Leistungen und vorzuhaltenden personellen Ausstattung handelt es sich um ein niederschwelliges Leistungsangebot für obdachlose Menschen mit einer psychischen Auffälligkeit(vgl Anlage 1 zur Vereinbarung nach § 75 Abs 3 SGB XII, 3.). Die von der Einrichtung zu leistenden Hilfen (vgl Anlage 1 zur Vereinbarung nach § 75 Abs 3 SGB XII, 4.) beziehen sich daher insbesondere auf Störungen in sozialen, psychischen und auch körperlichen Bereichen und bewegen sich somit ua auch in einem Grenzbereich zur Hilfe bei Krankheit. Ausdrücklich werden Hilfen bei der Gesundheitsversorgung benannt und darunter zB die Hilfestellung bei der Einhaltung der notwendigen gesundheitlichen Maßnahmen aufgeführt. Die Hilfe wird in Form von Beratung, Unterstützung, Förderung, Organisation, Planung sowie stellvertretender Ausführung gewährt (vgl Anlage 1 zur Vereinbarung nach § 75 Abs 3 SGB XII, 5.). Zur personellen Ausstattung gehört Fachpersonal aus den Bereichen Sozialarbeit, Sozialpädagogik und Pädagogik (vgl Anlage 1 zur Vereinbarung nach § 75 Abs 3 SGB XII, 6.).

33

Eine Hilfeleistung bei der oralen Einnahme von Tabletten nach ärztlicher Anweisung gehört danach zu der von der beigeladenen Einrichtung der Eingliederungshilfe geschuldeten pädagogischen Beratung, Betreuung und Unterstützung bei der Alltagsbewältigung und den lebenspraktischen Verrichtungen. Für das Herrichten und Verabreichen von Tabletten nach ärztlicher Anweisung ist regelmäßig keine medizinische Fachkunde erforderlich, und die in der Einrichtung tätigen, vorwiegend pädagogisch oder sozialpädagogisch ausgebildeten Mitarbeiter dürften nach kurzer Einweisung in der Lage sein, dafür zu sorgen, dass jeder Bewohner die ihm verordneten Medikamente entsprechend der ärztlichen Anordnung einnimmt. Denn für jeden Hilfeberechtigten ist ein individueller Hilfeplan aufzustellen. Darin kann auch die einzunehmende Medikation eingetragen werden, zumal nach der mit dem Versicherten abgeschlossenen Beratungs- und Betreuungsvereinbarung die notwendige, ärztlich verordnete Medikation einzuhalten ist.

34

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a Abs 1 und Abs 2 Satz 3 SGG iVm § 154 Abs 1, Abs 3 VwGO.

35

5. Der Streitwert ergibt sich aus § 197a Abs 1 SGG iVm §§ 47 Abs 1, 52 Abs 1, 3 GKG.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 12. März 2014 - L 4 KR 119/12 - aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Gewährung häuslicher Krankenpflege zur Injektion von Insulin und zur Messung des Blutzuckergehaltes in einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen.

2

Der 1942 geborene, bei der Beklagten versicherte Kläger steht unter gesetzlicher Betreuung und lebt in einer von der Beigeladenen zu 2. betriebenen vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen. Er ist dort, nachdem er bis zu seinem 67. Lebensjahr in einer Werkstatt gearbeitet und seit langem in einer Wohngruppe der Einrichtung gelebt hat, nunmehr in einer neu gegründeten Wohngruppe für Senioren in der gleichen Einrichtung untergebracht, um eine ganztägige Betreuung zu gewährleisten. Die Kosten hierfür trägt der zu 1. beigeladene Sozialhilfeträger im Rahmen der Eingliederungshilfe. Der Kläger ist pflegebedürftig und leidet ua unter insulinpflichtigem Diabetes mellitus Typ II.

3

Für die Zeit vom 26.9.2010 bis 30.6.2011 verordnete ihm der behandelnde Arzt häusliche Krankenpflege zur Injektion von Insulin und für das Messen des Blutzuckerspiegels, zunächst wegen stark schwankender Werte, viermal täglich, später nur noch für zweimal tägliche Messungen und einmal tägliche Injektionen. Die Insulininjektionen werden ihm von einem Pflegedienst verabreicht, die Blutzuckermessungen werden teilweise auch von den Betreuern der Wohngruppe durchgeführt. Bei einem Messwert von über 300 sind diese angehalten, unverzüglich den Pflegedienst zu benachrichtigen. Seit Mai 2011 trägt der zu 1. beigeladene Sozialhilfeträger die Kosten des Pflegedienstes.

4

Die Beklagte lehnte die beantragte Erbringung häuslicher Krankenpflege regelmäßig ab (Bescheide vom 14.10.2010, 26.11.2010 und 2.5.2011 jeweils in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 2.2.2011, 6.2.2011 und 4.8.2011), da die Kosten der medizinischen Behandlungspflege nach § 43a Satz 1 SGB XI durch die Pflegekasse abgegolten würden, die nach dieser Vorschrift 10 % des nach § 75 Abs 3 SGB XII vereinbarten Heimentgeltes, maximal 256 Euro monatlich(§ 43a Satz 2 SGB XI) an den Heimträger zu entrichten habe. Diese Regelung sei abschließend und umfasse auch die Leistungen der medizinischen Behandlungspflege. Soweit Einrichtungen externe Pflegedienste beauftragten, sei eine Kostenerstattung gegebenenfalls mit dem Sozialhilfeträger zu regeln.

5

Der Kläger hat zur Begründung seiner Klage vorgetragen, er habe gegen den Einrichtungsträger keinen Anspruch auf Behandlungspflege. Sollte gegen die Beklagte ein solcher Anspruch nicht bestehen, wäre jedenfalls der beigeladene Sozialhilfeträger zur Kostenübernahme verpflichtet.

6

Der beigeladene Sozialhilfeträger hat im Klageverfahren ausgeführt, der Aufenthalt in einer stationären Einrichtung könne dem Anspruch auf häusliche Krankenpflege nach § 37 Abs 6 SGB V iVm der Häuslichen Krankenpflege-Richtlinie (HKP-Richtlinie) nur entgegenstehen, wenn ein Anspruch auf Behandlungspflege gegen den Träger der Einrichtung bestehe. Das sei vorliegend nicht der Fall.

7

Das SG hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 26.9.2010 bis 30.6.2011 häusliche Krankenpflege (Behandlungspflege) in Form von Blutzuckertests und Insulininjektionen jeweils viermal täglich und siebenmal wöchentlich zu leisten (Gerichtsbescheid vom 15.3.2012). Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 12.3.2014). Es hat ausgeführt, die von der Beigeladenen zu 2. betriebene Wohneinrichtung, in welcher der Kläger lebe, sei ein geeigneter Ort iS des § 37 Abs 2 SGB V, weil diese selbst dem Kläger keine Behandlungspflege schulde. Es könne offenbleiben, ob diese Wohneinrichtung eine besondere Ausprägung des betreuten Wohnens iS von § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V darstelle, da jedenfalls stationäre Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen, in denen die Versicherten keinen Anspruch auf Behandlungspflege haben, aufgrund ihrer Gemeinsamkeiten mit den betreuten Wohnformen als geeignete Orte im Sinne dieser Vorschrift anzusehen seien. Der Begriff des "betreuten Wohnens" sei gesetzlich nicht definiert und die Übergänge von einer Wohngemeinschaft mit Betreuungshilfe zu einer stationären Einrichtung seien in Abhängigkeit der Fähigkeiten der Bewohner fließend. Der Kläger habe nach dem Wohnstättenvertrag keinen Anspruch auf Behandlungspflege gegen die Einrichtung. Nach diesem Vertrag sei die Einrichtung verpflichtet, im Rahmen der medizinischen Versorgung lediglich eine Begleitung zu Arztbesuchen und externen Therapien sicherzustellen sowie die Einnahme von Medikamenten entsprechend einer schriftlichen ärztlichen Verordnung zu gewährleisten und den Kläger bei Krankheit, soweit kein Klinikaufenthalt erforderlich sei, zu versorgen. Zur Injektion von Insulin oder zu Blutzuckermessungen sei die Einrichtung nicht verpflichtet.

8

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte einen Verstoß gegen die Regelungen des § 37 Abs 2 SGB V iVm der HKP-Richtlinie sowie des § 43a SGB XI iVm § 43 Abs 2 Satz 1 SGB XI. Eine stationäre Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen sei nicht mit einer Einrichtung des betreuten Wohnens vergleichbar, in der Pflegebedürftige ambulante Leistungen der Pflegeversicherung erhielten und sich die Hilfe auch auf die Führung eines eigenen Haushaltes erstrecke. In stationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen werde kein eigener Haushalt geführt; die Leistungen würden entsprechend dem ganzheitlichen Ansatz der Eingliederungshilfe vollstationär vom Einrichtungsträger erbracht. Durch den Verweis in § 43a SGB XI auf § 43 Abs 2 Satz 1 SGB XI entspreche der Leistungsumfang dem der stationären Pflegeeinrichtungen und umfasse daher auch Behandlungspflegeleistungen. Der Sozialhilfeträger könne sich nicht durch den Abschluss von Verträgen mit den Eingliederungseinrichtungen über die Bestimmungen des SGB XI hinwegsetzen.

9

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 12. März 2014 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 15. März 2012 zu ändern und die Klagen abzuweisen.

10

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Er nimmt auf die seiner Ansicht nach zutreffenden Ausführungen des Bayerischen LSG Bezug.

12

Der Beigeladene zu 1. schließt sich ebenfalls den Ausführungen des Bayerischen LSG an und betont die fließenden Übergänge im Bereich verschiedener Formen des betreuten Wohnens. In Bayern unterlägen sowohl ambulant als auch stationär betreute Wohnformen dem Gesetz zur Regelung der Pflege, Betreuungs- und Wohnqualität im Alter und bei Behinderung und stellten damit Varianten ein und derselben Wohnform dar. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) habe eine Regelung der HKP-Richtlinie (Punkt I.4, Abs 1 Nr 6 der HKP-Richtlinie) beanstandet, nach der in Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen häusliche Krankenpflege nicht verordnet werden konnte, worauf diese Regelung gestrichen worden sei. Zudem verstoße es gegen die UN-Behindertenrechtskonvention und missachte das Wunsch- und Wahlrecht der Betroffenen aus § 9 Abs 2 SGB IX, wenn Menschen mit Behinderungen wegen ihres Bedarfs an medizinischer Behandlungspflege die Einrichtung nach § 55 Satz 2 SGB XII wechseln müssten, wenn diese die Behandlungspflege nicht sicherstellen könne.

13

Auch der Beigeladene zu 2. schließt sich den Ausführungen des Bayerischen LSG an und betont, dass die Einrichtung nach den Leistungsvereinbarungen mit dem Beigeladenen zu 1. keine medizinische Behandlungspflege schulde. Diese sei nach den aktuellen Vereinbarungen sogar ausdrücklich vom Inhalt ausgenommen. Die Einrichtung erbringe Leistungen der Eingliederungshilfe, die auf eine Förderung der Bewohner und die Verwirklichung ihres Teilhabeanspruchs gerichtet seien. Dem Kläger schulde sie "Hilfe bei Krankheit" nur in folgender Form:
- "Arzt- und Therapeutenbesuche: die Mitarbeiter begleiten die Bewohner
- Einnehmen der Medizin nach ärztlicher Verordnung
- Unterstützung des gesunden Lebens".
Zum Personal der Einrichtung gehörten daher auch keine ausgebildeten Krankenpflegekräfte.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision der Beklagten ist im Sinne einer Zurückverweisung begründet. Der Kläger hatte zwar grundsätzlich auch während er in der Einrichtung der Eingliederungshilfe lebte Anspruch auf häusliche Krankenpflege durch die Beklagte (hierzu 1.). Der Anspruch reicht aber nur soweit, wie die Einrichtung nicht selbst zur Erbringung der erforderlichen Maßnahmen der Behandlungspflege verpflichtet ist (hierzu 2.) und umfasst daher hier zwar die Injektion von Insulin, nicht aber das Messen der Blutzuckerwerte (hierzu 3.). Die Zurückverweisung ist erforderlich, weil das Berufungsgericht nicht festgestellt hat, in welchen Zeiträumen wie häufig täglich Insulin injiziert werden musste, in welchem Umfang die Leistung tatsächlich erbracht wurde und ob und ggf in welcher Höhe dem Kläger hierfür Kosten entstanden sind. Da der Leistungszeitraum in der Vergangenheit liegt, kann der Kläger nur noch Kostenerstattung geltend machen (hierzu 4.).

15

1. Nach § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V(idF des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26.3.2007, BGBl I 378) erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. Nach § 37 Abs 6 SGB V legt der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) in Richtlinien nach § 92 SGB V fest, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach den Abs 1 und 2 des § 37 SGB V auch außerhalb des Haushaltes und der Familie des Versicherten erbracht werden können.

16

a) Bis zum 31.3.2007 erhielten Versicherte häusliche Krankenpflege (nur) "in ihrem Haushalt oder ihrer Familie" (vgl § 37 Abs 1 und 2 SGB V idF des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003, BGBl I 2190). Schon nach § 185 RVO aus dem Jahr 1911 konnten solche Pflegeleistungen gewährt werden, wenn ein wichtiger Grund vorlag, "den Kranken in seinem Haushalt oder in seiner Familie zu belassen", und nicht im Krankenhaus zu behandeln. Seitdem war dieses Tatbestandsmerkmal bis zum 31.3.2007 nicht erweitert worden. Zu dieser Gesetzeslage hatte das BSG entschieden, dass es zwar - sofern nicht Krankenhausbehandlung oder vollstationäre Pflege vorliege - nicht auf den Aufenthaltsort des Versicherten ankomme und daher häusliche Krankenpflege auch während des Kindergarten- oder Schulbesuchs zu leisten sei (BSGE 90, 143 = SozR 3-2500 § 37 Nr 5 = SozR 3-1500 § 96 Nr 11); aufgrund des engen Wortlauts der Vorschrift sah sich die Rechtsprechung aber bis zur Änderung durch das GKV-WSG vom 26.3.2007 (BGBl I 378) daran gehindert, den Anspruch auf häusliche Krankenpflege darüber hinaus auch auf Zeiten des Aufenthalts in einer stationären Einrichtung auszudehnen (BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 5). Bei der Umschreibung des Aufenthaltsortes der Versicherten "in ihrem Haushalt oder ihrer Familie" ging es dem Gesetzgeber vor allem um die Abgrenzung zur Leistungserbringung im stationären Bereich. Schon in der Ursprungsfassung des § 185 RVO aus dem Jahr 1911 wurde der Begriff als Unterscheidung von der Krankenhausversorgung(vgl Poske, Hauspflege, 1990, S 70 ff, 112 ff) verwendet: "Die Kasse kann mit Zustimmung des Versicherten Hilfe und Wartung durch Krankenpfleger, Krankenschwestern oder andere Pfleger namentlich auch dann gewähren, wenn die Aufnahme des Kranken in ein Krankenhaus geboten, aber nicht ausführbar ist, oder ein wichtiger Grund vorliegt, den Kranken in seinem Haushalt oder seiner Familie zu belassen." Diese Formulierung wurde als Voraussetzung für den Anspruch auf Behandlungssicherungspflege übernommen, die zunächst als Satzungsleistung eingeführt (§ 185 Abs 1 Satz 2 RVO idF des Gesetzes zur Dämpfung der Ausgabenentwicklung und zur Strukturverbesserung in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 27.6.1977, BGBl I 1069; vgl zum Gesetzgebungsverfahren Zipperer, DOK 1978, 11, 20) und später in § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V(durch das Gesetz über die neunzehnte Anpassung der Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz sowie zur Änderung weiterer sozialrechtlicher Vorschriften vom 26.6.1990, BGBl I 1211) zum gesetzlichen Anspruch bestimmt wurde. Schon damals wurde die Notwendigkeit einer Abgrenzung zum stationären Bereich der Heimpflege diskutiert, und bei einem Daueraufenthalt in Einrichtungen der Alten- oder Behindertenhilfe sahen zahlreiche Autoren den Anspruch auf Fälle beschränkt, in denen die Einrichtung dem Versicherten (vertraglich) keine umfassende Versorgung schulde (vgl Hanau/Rolfs, VSSR 1993, 237, 252; Gerlach in Hauck/Noftz, SGB V, Stand August 1999, K § 37 RdNr 15; Höfler in Kasseler Komm, Bd 1, Stand Einzelkommentierung Dezember 2004, § 37 SGB V RdNr 14). Nach der bis zum 31.3.2007 geltenden Gesetzesfassung war aber die vom Gesetzgeber beabsichtigte Abgrenzung zur stationären Krankenhausbehandlung in gleicher Weise geeignet, sonstige stationäre Einrichtungen von den Leistungen der häuslichen Krankenpflege auszunehmen (vgl BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 5). Der Gesetzgeber hatte noch bei der Änderung des § 37 Abs 2 Satz 2 SGB V durch das GMG vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) keinen Handlungsbedarf dafür gesehen, Menschen in Einrichtungen der Behindertenhilfe ohne eigenen Haushalt Anspruch auf häusliche Krankenpflege einzuräumen. Nach dieser Regelung, die unverändert bis heute fortgilt (§ 37 Abs 2 Satz 7 SGB V), erhalten Versicherte, die nicht auf Dauer in Einrichtungen nach § 71 Abs 2 und 4 SGB XI aufgenommen sind, Leistungen der häuslichen Krankenpflege auch dann, wenn ihr Haushalt nicht mehr besteht und ihnen zur Durchführung der Behandlungspflege vorübergehender Aufenthalt in einer Einrichtung oder einer anderen geeigneten Unterkunft zur Verfügung gestellt wird. Bei dieser Regelung ging es insbesondere um die Sicherstellung medizinischer Behandlungspflege für alleinstehende Wohnungslose, um kostentreibende Krankenhauseinweisungen zu verhindern (vgl BT-Drucks 15/1525 S 90). Nach der Gesetzesbegründung wurde damit aber zugleich "klargestellt, dass bei Daueraufenthalt ohne eigenen Haushalt, zB in Heimen, weiterhin kein Anspruch auf Leistungen der Behandlungspflege besteht" (BT-Drucks 15/1525 S 90 zu Buchst a).

17

b) Erst mit dem GKV-WSG vom 26.3.2007 (BGBl I 378) hat der Gesetzgeber den Anspruch auf sonstige geeignete Orte, insbesondere betreute Wohnformen, Schulen, Kindergärten und bei besonders hohem Pflegebedarf auch auf Werkstätten für behinderte Menschen erweitert und dem GBA aufgegeben festzulegen, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen der häuslichen Krankenpflege auch außerhalb des Haushaltes und der Familie des Versicherten erbracht werden können. In der Gesetzesbegründung ist hierzu ausgeführt, die Beschränkung der Leistungen zur häuslichen Krankenpflege auf Haushalt und Familie des Versicherten habe sich im Hinblick auf das Ziel, vorschnelle stationäre Einweisungen zu vermeiden, als kontraproduktiv erwiesen. Die Neuregelung bewirke durch eine vorsichtige Erweiterung des Haushaltsbegriffs, dass neue Wohnformen, Wohngemeinschaften und betreutes Wohnen hinsichtlich der Erbringung von häuslicher Krankenpflege gegenüber konventionellen Haushalten nicht benachteiligt würden. Betreute Wohnformen, deren Bewohner ambulante Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung erhalten, sollten verbesserte Angebote für ambulant Pflegebedürftige darstellen. Darüber hinaus werde im Hinblick auf bestimmte, eng begrenzte Personengruppen durch den erweiterten Haushaltsbegriff eine vorschnelle Einweisung in stationäre Einrichtungen verhindert. Ein "geeigneter Ort" für die Leistung häuslicher Krankenpflege durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) sei jedenfalls dann nicht gegeben, wenn sich der Versicherte in einer Einrichtung befinde, in der er nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung medizinischer Behandlungspflege durch die Einrichtung habe. Um die notwendige Flexibilität bei der Bestimmung der geeigneten Erbringungsorte zu wahren, werde auf eine gesetzliche Festlegung verzichtet und die nähere Ausgestaltung dem GBA übertragen. Dieser Lösungsweg vermeide Lücken im Zwischenbereich von ambulanter und stationärer Versorgung (BT-Drucks 16/3100 S 104).

18

c) Der GBA ist seinem Regelungsauftrag durch die zum 11.6.2008 in Kraft getretene Änderung der HKP-Richtlinie (HKP-Richtlinie idF vom 16.2.2000, zuletzt geändert am 17.1.2008/10.4.2008, veröffentlicht im BAnz 2008, Nr 84, S 2028, 2029 und 2030) nachgekommen. Unter I.2 ist bestimmt:

        

"Häusliche Krankenpflege wird im Haushalt des Versicherten oder seiner Familie erbracht. Anspruch auf häusliche Krankenpflege besteht auch an sonstigen geeigneten Orten, an denen sich der Versicherte regelmäßig wiederkehrend aufhält und an denen

        

-       

die verordnete Maßnahme zuverlässig durchgeführt werden kann und

        

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für die Erbringung der einzelnen Maßnahmen geeignete räumliche Verhältnisse vorliegen (z. B. im Hinblick auf hygienische Voraussetzungen, Wahrung der Intimsphäre, Beleuchtung),

        

wenn die Leistung aus medizinisch-pflegerischen Gründen während des Aufenthaltes an diesem Ort notwendig ist. Orte im Sinne des Satzes 2 können insbesondere Schulen, Kindergärten, betreute Wohnformen oder Arbeitsstätten sein."

Unter I.6 ist bestimmt:

        

"Für die Zeit des Aufenthalts in Einrichtungen, in denen nach den gesetzlichen Be-stimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtungen besteht (z. B. Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen, Pflegeheimen), kann häusliche Krankenpflege nicht verordnet werden. Ob ein solcher Anspruch besteht, ist im Einzelfall durch die Krankenkassen zu prüfen.

                 
        

Abweichend davon kann häusliche Krankenpflege in Werkstätten für behinderte Menschen verordnet werden, wenn die Intensität oder Häufigkeit der in der Werkstatt zu erbringenden Pflege so hoch ist, dass nur durch den Einsatz einer Pflegefachkraft Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit vermieden oder das Ziel der ärztlichen Behandlung gesichert werden kann und die Werkstatt für behinderte Menschen nicht auf Grund des § 10 der Werkstättenverordnung verpflichtet ist, die Leistung selbst zu erbringen.

                 
        

Eine Verordnung von Behandlungspflege ist auch für Versicherte in Pflegeheimen zulässig, die auf Dauer, voraussichtlich für mindestens 6 Monate, einen besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben (§ 37 Abs. 2 Satz SGB V). Dies ist der Fall, wenn (…)."

19

Der GBA hatte in seinem Beschlusstext ursprünglich folgende Regelung vorgesehen: "Für die Zeit des Aufenthaltes in Einrichtungen, in denen nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtungen besteht (z.B. Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen, Pflegeheimen oder Behinderteneinrichtungen), kann häusliche Krankenpflege nicht verordnet werden" (vgl https://www.g-ba.de/informationen/beschluesse/598/; dort finden sich die "Tragenden Gründe zum Beschluss vom 17.1.2008" als PDF-Datei, Beschlusstext, S 9). Die ausdrückliche Aufführung der Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen ist trotz zahlreicher kritischer Stellungnahmen (aaO, S 12 ff) erst aufgrund einer Prüfung durch das BMG gemäß § 94 SGB V gestrichen worden(vgl https://www.g-ba.de/informationen/beschluesse/598/; dort findet sich die "Prüfung gem. § 94 SGB V durch das BMG" als PDF-Datei, Schreiben vom 20.3.2008). Zudem wurde der Satz: "Ob ein solcher Anspruch besteht, ist im Einzelfall durch die Krankenkasse zu prüfen" aufgrund der Prüfung aufgenommen. Das BMG hat von einer Beanstandung der vorgesehenen Regelung nur unter der Auflage abgesehen, die Regelung bei nächster Gelegenheit so zu überarbeiten, dass Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen nicht grundsätzlich von der Verordnung häuslicher Krankenpflege ausgeschlossen werden und dass vom GBA sichergestellt wird, dass die Regelung bis zu ihrer Überarbeitung ohne den grundsätzlichen Ausschluss von Behinderteneinrichtungen angewandt wird. Das BMG hat hierzu ausgeführt, eine rechtliche Begründung dafür, dass grundsätzlich in allen (dh in der Regel oder in der großen Mehrheit der nicht näher definierten) ambulanten und stationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen ein Anspruch auf Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtung bestehe, sei nicht ersichtlich. Die vom GBA beschlossene Formulierung könne dazu führen, dass häusliche Krankenpflege für Versicherte in diesen Einrichtungen regelmäßig abgelehnt werde, ohne dass tatsächlich im Einzelfall geprüft werde, ob anderweitige Ansprüche auf die Erbringung von Behandlungspflege bestehen. Deshalb sei klarzustellen, dass im Einzelfall zu prüfen sei, ob nach gesetzlichen Bestimmungen ein Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtung bestehe.

20

d) Nach dem Regelungsgefüge, das sich aus den gesetzlichen Vorschriften iVm den Normen der HKP-Richtlinie ergibt, besteht der Anspruch zunächst an allen geeigneten Orten, an denen sich der Versicherte regelmäßig wiederkehrend aufhält, wenn die Leistung aus medizinisch pflegerischen Gründen während des Aufenthaltes an diesem Ort notwendig ist. Einschränkungen in Bezug auf den Aufenthaltsort ergeben sich - abgesehen von der Geeignetheit der räumlichen Verhältnisse - erst aus den Regelungen unter I.6, dh für die Zeit des Aufenthaltes in Einrichtungen nur dann, wenn nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtung besteht (wie zB in Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen, Pflegeheimen). Ob ein solcher Anspruch besteht, ist im Einzelfall durch die Krankenkasse zu prüfen. Einrichtungen der Eingliederungshilfe werden in den HKP-Richtlinien den Krankenhäusern und Pflegeheimen ausdrücklich nicht (mehr) gleichgestellt. In dieser Fassung ist die HKP-Richtlinie gesetzeskonform.

21

e) Der Vorschrift des § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V und der Bezeichnung der dort nach der Verwendung des Begriffs "insbesondere" beispielhaft aufgeführten "geeigneten Orte" lässt sich nicht die Beschränkung entnehmen, häusliche Krankenpflege könne weiterhin nur beansprucht werden, wenn noch ein Mindestmaß eines eigenen Haushalts (oder ein Leben in der Familie) geführt wird, und weitere Leistungen ggf ambulant in Anspruch genommen werden. Gegen die Auffassung der Beklagten, eine stationäre Einrichtung, in der sich ein Versicherter dauerhaft aufhält, ohne an einem anderen Ort noch einen Haushalt zu führen oder in einem solchen zu leben, könne nie ein sonstiger geeigneter Ort iS des § 37 Abs 2 SGB V sein, sprechen die Gesetzesbegründung und der vom Gesetzgeber mit der Erweiterung des Anspruchs verfolgte Zweck. Auch dem Wortlaut der Vorschrift lässt sich eine solche Einschränkung nicht entnehmen.

22

Dem Gesetzgeber war es nach der Gesetzesbegründung zur Ausweitung des Anspruchs auf häusliche Krankenpflege auf sonstige geeignete Orte durch das GKV-WSG vom 26.3.2007 (BGBl I 378) ein besonderes Anliegen, Lücken im Zwischenbereich von ambulanter und stationärer Versorgung zu vermeiden. Bei ambulanten Einrichtungen, insbesondere auch bei ambulant betreuten Wohnformen, wird aber regelmäßig (allein oder gemeinsam mit anderen) ein eigener Haushalt geführt, sodass bereits vor der Gesetzesänderung auch für dort lebende Versicherte ein Anspruch auf häusliche Krankenpflege bestehen konnte. Zudem war nach der Rechtsprechung des BSG der Anspruch auch schon vor der Neuregelung zum 1.4.2007 nicht auf die Erbringung der Leistung in der Wohnung des Versicherten beschränkt; vielmehr konnte häusliche Krankenpflege auch in der Schule oder im Kindergarten erbracht werden (so ausdrücklich BSGE 90, 143 = SozR 3-2500 § 37 Nr 5 = SozR 3-1500 § 96 Nr 11). Wenn die vom Gesetzgeber beabsichtigte vorsichtige Erweiterung des Anspruchs auch auf sonstige geeignete Orte nicht weitgehend leerlaufen soll, müssen grundsätzlich auch die stationären Einrichtungen einbezogen werden, in denen sich ein Versicherter auf unabsehbare Zeit aufhält und betreut wird, ohne noch anderswo zu leben und zu wohnen. Die Beklagte hat Recht mit ihrer Auffassung, dass es in den bisher vom Senat entschiedenen Fällen darum ging, Versicherte auch in Einrichtungen wie Schulen und Kindergärten mit Krankenpflege zu versorgen, in denen sich diese lange, aber eben nicht ausschließlich im Sinne eines Lebensmittelpunktes aufhalten. Genau diese Situation sollte indessen durch die Neuregelung des § 37 Abs 2 SGB V erfasst werden, und zwar für die Konstellation, dass in der vollstationären Einrichtung keine umfassende pflegerische Versorgung stattfindet und gesetzlich auch nicht geschuldet wird. Denn nur dadurch kann dem Sinn und Zweck der Vorschrift, durch (ambulante) häusliche Krankenpflege vorschnelle stationäre Einweisungen zu vermeiden, entsprochen werden. Bei den zu vermeidenden stationären Einweisungen kann es sich nur um Einweisungen in Einrichtungen handeln, in denen die Versicherten medizinische Behandlungspflege erhalten, wie Krankenhäuser, medizinische Rehabilitationseinrichtungen oder Pflegeheime. Die Aufnahme in andere Einrichtungen, die regelmäßig schon nicht auf ärztliche Veranlassung erfolgt, kann (und soll) nicht durch die Erbringung ambulanter Leistungen der häuslichen Krankenpflege vermieden werden. Vielmehr soll die nach der Gesamtsituation des Versicherten sinnvolle Aufnahme zB in eine stationäre Einrichtung der Eingliederungshilfe nicht daran scheitern, dass zusätzlich zum Eingliederungsbedarf auch ein Bedarf an Krankenpflegeleistungen besteht, der von der Eingliederungseinrichtung nicht gedeckt werden kann. Es kann (auch) für die Krankenkasse wirtschaftlich sinnvoll sein, Versicherte in solchen Einrichtungen, in denen sie keinen Anspruch auf medizinische Behandlungspflege gegen die Einrichtung haben, mit häuslicher Krankenpflege zu versorgen, um eine vorschnelle Einweisung in ein Krankenhaus zu vermeiden.

23

Auch dem Wortlaut der Vorschrift lässt sich seit der Ausweitung des Anspruchs auf sonstige geeignete Orte nicht entnehmen, dass stationäre Einrichtungen etwa der Eingliederungshilfe dafür grundsätzlich nicht in Betracht kommen. Die beispielhafte Aufzählung enthält hierfür keine Anhaltspunkte. Der im Gesetz verwandte Begriff der "betreuten Wohnformen" ist gesetzlich nicht definiert. Die Übergänge von einer Wohngemeinschaft mit ambulanten Betreuungshilfen zu einer stationären Einrichtung sind inzwischen fließend. Daher werden in den Landesheimgesetzen neben stationären Einrichtungen regelmäßig auch andere Formen des betreuten Wohnens erfasst (vgl Weber NZS 2011, 650, 651 mwN), und längst nicht alle Formen des betreuten Wohnens weisen eine größere Nähe zur eigenständigen Haushaltsführung auf, als herkömmliche stationäre Einrichtungen. Eine eindeutige Zuordnung jeder Einrichtung entweder als stationäres Heim oder als ambulantes Angebot mit Betreuungshilfen, wird durch die andauernde Entwicklung neuer Wohnformen zunehmend schwierig. Auch in betreuten Wohnformen haben Versicherte keinen Anspruch auf häusliche Krankenpflege, wenn sie bereits Anspruch auf die Maßnahme durch die Einrichtung bzw den Betreuungsdienst haben, weil häusliche Krankenpflege dann nicht erforderlich ist. Gerade im Grenzbereich verschiedener Wohnformen ist es aber sachgerecht, nach dem Anspruch gegen die Einrichtung bzw den Betreuungsdienst zu differenzieren und nicht dem Begriff "betreute Wohnformen" eine Festlegung dahin zu entnehmen, dass in vollstationären Betreuungseinrichtungen keine häusliche Krankenpflege erbracht werden kann.

24

Es ist daher konsequent, den Anspruch auf häusliche Krankenpflege in Einrichtungen nur dann und insoweit zu beschränken, als nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung medizinischer Behandlungspflege durch die Einrichtung besteht. Der Gesetzgeber hat auf eine gesetzliche Festlegung der geeigneten Leistungsorte bewusst verzichtet. Er wollte damit im Hinblick auf die Vielzahl unterschiedlicher Einrichtungen jeglichen Eingriff in die bestehenden Strukturen der Einrichtungen und insbesondere in ihre Leistungspflichten im Hinblick auf die medizinische Behandlungspflege vermeiden und die Präzisierung der Einrichtungen, in denen die Versicherten Anspruch auf häusliche Krankenpflege nach dem SGB V haben, dem GBA überlassen.

25

f) Die Richtlinien des GBA haben normativen Charakter und sind für die Beteiligten verbindlich (BSG SozR 3-2500 § 135 Nr 21; BSG SozR 3-2500 § 92 Nr 12; BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5; BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 3; BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 7; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 8; vgl auch amtl Begründung zu den Ergänzungen von § 92 Abs 1 SGB V durch das GMG - BT-Drucks 15/1525 oder die Ergänzungen des Gesetzes zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung des GKV-WSG). Der Senat hat keine Zweifel an der verfassungsrechtlichen Legitimation des GBA als untergesetzlichem Normgeber in der Form, wie sie inzwischen gesetzlich festgelegt ist (so auch BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 22; BSGE 112, 251 = SozR 4-2500 § 106 Nr 38, RdNr 14; BSGE 111, 155 = SozR 4-2500 § 31 Nr 21, RdNr 26; vgl auch Beier in jurisPK-SGB V, Online-Ausgabe, § 92 SGB V RdNr 31.1, Stand Juni 2013).

26

2. Einrichtungen der Eingliederungshilfe sind nach den gesetzlichen Bestimmungen grundsätzlich nur soweit zur Erbringung von medizinischer Behandlungspflege verpflichtet, wie diese aufgrund der sächlichen und personellen Ausstattung von der Einrichtung erbracht werden kann.

27

a) Erbringt der Träger der Sozialhilfe die Leistungen der Eingliederungshilfe in einer vollstationären Einrichtung (§ 13 SGB XII, zum Einrichtungsbegriff iS des SGB XII vgl BSGE 106, 264 = SozR 4-3500 § 19 Nr 2, RdNr 13) der Hilfe für behinderte Menschen, wird grundsätzlich der gesamte Bedarf des Hilfebedürftigen nach § 9 Abs 1 SGB XII in der Einrichtung in einrichtungsspezifischer Weise befriedigt. Die Einrichtung übernimmt für den Hilfebedürftigen von dessen Aufnahme bis zur Entlassung die Gesamtverantwortung für seine tägliche Lebensführung (vgl Luthe in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand November 2014, K § 13 RdNr 58, 59 mwN). Leistungen der Eingliederungshilfe umfassen nach § 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII, § 26 SGB IX auch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, zu denen nach § 26 Abs 2 SGB IX ua auch die Behandlung durch Angehörige von Heilberufen gehört, soweit deren Leistungen unter ärztlicher Aufsicht oder auf ärztliche Anordnung ausgeführt werden, wie es bei der häuslichen Krankenpflege der Fall ist. Nach § 55 Satz 1 SGB XII umfassen die Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen iS des § 43a SGB XI auch die Pflegeleistungen in der Einrichtung. Ist der behinderte Mensch allerdings so pflegebedürftig, dass die Pflege in der Einrichtung nicht sichergestellt werden kann, vereinbaren der Träger der Sozialhilfe und die zuständige Pflegekasse mit dem Einrichtungsträger, dass die Leistung in einer anderen Einrichtung erbracht wird, wobei den angemessenen Wünschen des behinderten Menschen Rechnung zu tragen ist (§ 55 Satz 2 SGB XII).

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b) Danach hat der Träger der Sozialhilfe zwar letztlich alle Teilhabebedarfe der Eingliederungshilfe zu decken und kann dies durch Leistungen für Einrichtungen (§ 13 Abs 1 SGB XII) gewährleisten, zu beachten ist aber der Nachrang der Sozialhilfe (§ 2 SGB XII). Leistungen anderer Sozialleistungsträger gehen grundsätzlich den Leistungen der Sozialhilfe vor (§ 2 Abs 1 SGB XII), und auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach dem Recht der Sozialhilfe entsprechende Leistungen vorgesehen sind (§ 2 Abs 2 Satz 2 SGB XII). Die medizinische Behandlungspflege ist Aufgabe der GKV, die daher diese Leistung vorrangig vor dem Träger der Sozialhilfe zu erbringen hat. Deshalb hat der Sozialhilfeträger im Verhältnis zur GKV nicht die Aufgabe, durch entsprechende Verträge mit den Einrichtungen der Eingliederungshilfe dafür zu sorgen, dass diese regelmäßig auch Leistungen der medizinischen Behandlungspflege erbringen. Die Verpflichtung der Einrichtung zur Übernahme der Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung sowie zur Deckung der Bedarfe in einrichtungsspezifischer Weise weist den Einrichtungen daher keine weitergehenden Pflichten zu, als sie aufgrund ihrer Ausrichtung, des Eingliederungszwecks, dem sie dienen, und nach den Vereinbarungen nach §§ 75 ff SGB XII schulden. Einrichtungen der Eingliederungshilfe schulden danach regelmäßig selbst keine medizinischen Behandlungsmaßnahmen, sondern haben lediglich organisatorisch dafür Sorge zu tragen, dass die Bewohner der Einrichtung neben den von der Einrichtung selbst geschuldeten Leistungen auch solche anderer Träger in Anspruch nehmen können. So schulden solche Einrichtungen keine ärztliche Behandlung, sie haben aber ggf Arztbesuche zu organisieren bzw zu ermöglichen und die notwendigen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Gleiches gilt grundsätzlich auch für die medizinische Behandlungspflege, es sei denn, aus den Vereinbarungen nach den §§ 75 ff SGB XII ergeben sich weitergehende Leistungsverpflichtungen.

29

c) Einrichtungen der Eingliederungshilfe sind auch nicht allein aufgrund der von den Pflegekassen für Pflegebedürftige nach § 43a Satz 1 SGB XI zu gewährenden pauschalen Abgeltung verpflichtet, grundsätzlich alle im Einzelfall notwendigen Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege zu erbringen. Nach § 43a Satz 1 SGB XI übernimmt die Pflegekasse zur Abgeltung der in § 43 Abs 2 SGB XI genannten Aufwendungen 10 vH des nach § 75 Abs 3 SGB XII vereinbarten Heimentgeltes für Pflegebedürftige in einer stationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen, in der die Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft, die schulische Ausbildung oder die Erziehung behinderter Menschen im Vordergrund des Einrichtungszwecks stehen(§ 71 Abs 4 SGB XI). Dabei dürfen aber die Aufwendungen der Pflegekasse im Einzelfall je Kalendermonat 256 Euro (ab 1.1.2015 266 Euro) nicht übersteigen (§ 43a Satz 2 SGB XI). Zu den in § 43 Abs 2 SGB XI genannten Aufwendungen gehören die pflegebedingten Aufwendungen, die Aufwendungen der sozialen Betreuung und die Aufwendungen für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege.

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Trotz der ausdrücklichen Erwähnung auch der medizinischen Behandlungspflege zeigt die Verortung der Vorschrift im SGB XI, dass es dabei lediglich um die von der Pflegeversicherung abzudeckenden Bedarfe geht. Die Pauschale wird auch nur für Pflegebedürftige geleistet. Stationäre Pflegeeinrichtungen iS des § 71 Abs 2 und 4 SGB XI haben grundsätzlich auch medizinische Behandlungspflege zu erbringen; erst bei einem dauerhaften, voraussichtlich mindestens sechs Monate währenden besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben Versicherte in Pflegeheimen Anspruch auf häusliche Krankenpflege. Hier kommt es nicht zu einer Lücke zwischen ambulanter und stationärer Versorgung. Einrichtungen der Eingliederungshilfe schulden nach § 43a SGB XI zwar grundsätzlich Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung. Die medizinische Behandlungspflege iS des § 37 Abs 2 SGB V kann aber durch diese an die Pflegeversicherung gerichtete Vorschrift grundsätzlich nicht vom Zuständigkeitsbereich der GKV auf Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen übertragen werden. Dies ist schon deshalb ausgeschlossen, weil die Eingliederungseinrichtungen dann nur gegenüber pflegebedürftigen Bewohnern zur Erbringung von Behandlungspflege nach § 37 Abs 2 SGB V verpflichtet wären und auch nur für diese Personen das pauschalierte Entgelt erhalten(so im Ergebnis bereits BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 5 RdNr 9). Ansprüche auf medizinische Behandlungspflege können auch Versicherten zustehen, die nicht pflegebedürftig sind.

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d) Das ergibt sich auch aus den Regelungen des § 55 SGB XII. Danach haben Einrichtungen der Eingliederungshilfe auch die (notwendigen) Pflegeleistungen zu erbringen. Wird der behinderte Mensch aber so pflegebedürftig, dass die Pflege in der Einrichtung nicht sichergestellt werden kann, vereinbaren der Träger der Sozialhilfe und die zuständige Pflegekasse mit dem Einrichtungsträger, dass die Leistung in einer anderen Einrichtung erbracht wird (§ 55 Satz 2 SGB XII). Auch diese Vorschrift knüpft zunächst nur an die Pflegebedürftigkeit und Pflege iS des SGB XI an, nicht an Behandlungspflege. Insbesondere aus § 55 Satz 2 SGB XII ist aber abzuleiten, dass der Gesetzgeber nicht beabsichtigt hat, jede Einrichtung der Eingliederungshilfe personell und sächlich so auszustatten, dass sie neben der üblichen Pflege auch Leistungen der medizinischen Behandlungspflege erbringen kann. Trägerübergreifend betrachtet, wäre das unwirtschaftlich. Hilfen zur Grundpflege und zur hauswirtschaftlichen Versorgung können innerhalb bestimmter Grenzen regelmäßig von Personen erbracht werden, die diesbezüglich keine besondere Ausbildung haben. Hierzu gehören insbesondere die Hilfen bei den Verrichtungen des täglichen Lebens. Erst wenn es darum geht, aktivierende Pflege zu leisten, weitere Pflegebedürftigkeit zu verhüten oder akute Beschwerden zu lindern oder medizinische Behandlungspflege zu leisten, die nicht ohne Weiteres vom Personal einer Eingliederungseinrichtung erbracht werden kann, und die Pflege daher in der Einrichtung nicht mehr sichergestellt werden kann, ist der Hilfebedürftige in einer anderen Einrichtung unterzubringen.

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e) Die Leistungspflichten der Eingliederungseinrichtungen ergeben sich für deren Nutzer aus zivilrechtlichen Verträgen mit der Einrichtung und gegenüber dem Träger der Sozialhilfe ausschließlich aus dem SGB XII iVm den auf diesen gesetzlichen Grundlagen basierenden Verträgen (zum sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis BSGE 102, 1 = SozR 4-1500 § 75 Nr 9, RdNr 15 ff). Entscheidend für die Leistungspflichten der Einrichtungen zur Hilfe behinderter Menschen ist danach das in den Vereinbarungen nach den §§ 75 ff SGB XII festgelegte Ziel und der Zweck der Einrichtung, ihr Aufgabenprofil, die vorgesehene sächliche und personelle Ausstattung sowie der zu betreuende Personenkreis. Handelt es sich danach zB um eine Einrichtung, deren vorrangige Aufgabe darin besteht, Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten zu leisten, die erforderlich und geeignet sind, behinderten Menschen die für sie erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen (vgl § 55 Abs 2 Nr 3 SGB IX), gehören einfachste medizinische Maßnahmen, die für Versicherte im eigenen Haushalt von jedem erwachsenen Haushaltsangehörigen erbracht werden können und keine medizinische Fachkunde erfordern, wie die Einnahme von Medikamenten, regelmäßig der Natur der Sache nach zum Aufgabenkreis der Einrichtung. Sie sind mit der Gewährung von Eingliederungshilfe durch den Sozialhilfeträger in einer stationären Einrichtung untrennbar verbunden und daher objektiv bereits Bestandteil der Eingliederungshilfe. Dies gilt auch für betreute Wohnformen, wenn dort nach Inhalt und Umfang vergleichbare Eingliederungsleistungen erbracht werden. Zum Erwerb lebenspraktischer Kenntnisse und Fähigkeiten gehört auch die Hilfe bei der Führung eines gesunden Lebens einschließlich der Vermittlung von Einsicht für gesundheitsförderliches Verhalten allgemein und speziell für die Notwendigkeit bestimmter medizinischer Maßnahmen. Bei den einfachsten Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege handelt es sich häufig, wie etwa beim An- und Ausziehen von Thrombosestrümpfen, um verrichtungsbezogene krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen, die ohnehin sowohl dem Aufgabenbereich der Kranken- als auch dem der Pflegeversicherung gleichermaßen zugeordnet und daher - soweit kein Fachpersonal erforderlich ist - auch bereits von der Pauschale nach § 43a SGB XI mitumfasst sind. Danach verläuft die Grenze der von einer Einrichtung geschuldeten Leistungen genau dort, wo diese vom Personal der Einrichtung der Eingliederungshilfe erbracht werden können und müssen. Muss die Einrichtung kein medizinisch ausgebildetes Personal vorhalten, sind regelmäßig nur einfachste Maßnahmen der Krankenpflege von der Einrichtung selbst zu erfüllen. Leistungspflichten, die nur von medizinisch ausgebildetem Fachpersonal erfüllt werden könnten, scheiden dann aus. Ist die Einrichtung hingegen nach ihrem Aufgabenprofil auf eine besondere Zielgruppe ausgerichtet, bei der ständig bestimmte behandlungspflegerische Maßnahmen erforderlich werden, und ist die Einrichtung deshalb entsprechend sächlich und personell auszustatten, hat sie diese behandlungspflegerischen Maßnahmen auch zu erbringen, weil ohne sie die Eingliederungsaufgabe im Hinblick auf die Zielgruppe der Einrichtung nicht erreicht werden kann. Es ist daher - so wie es die HKP-Richtlinie vorgibt - im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, ob die Einrichtung die konkrete behandlungspflegerische Maßnahme nach ihrem Aufgabenprofil, der Ausrichtung auf ein bestimmtes Bewohnerklientel und insbesondere aufgrund ihrer sächlichen und personellen Ausstattung selbst zu erbringen hat. Der Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe wird dadurch nicht betroffen, weil die sächliche und personelle Ausstattung dieser Einrichtungen für die Eingliederungsleistungen ohnehin vorzuhalten ist, die Gewährung von Eingliederungshilfe deutlich im Vordergrund steht und die Leistungen der Behandlungspflege dann untrennbarer Bestandteil der Eingliederungshilfe sind.

33

f) Dieses Ergebnis führt zu einer Parallele zu den Pflegehilfsmitteln, die nach der Rechtsprechung des BSG (vgl hierzu BSGE 85, 287 = SozR 3-2500 § 33 Nr 37) von Einrichtungen vorzuhalten sind. Danach hat der Träger eines Pflegeheimes alle Hilfsmittel bereitzustellen, die zur sachgerechten Durchführung der in zugelassenen Pflegeheimen gewöhnlich anfallenden Pflegeleistungen erforderlich sind. Obwohl die Pflegeheime nach § 43 SGB XI nicht nur zur Pflege und sozialen Betreuung, sondern auch zur medizinischen Behandlungspflege verpflichtet sind, gehören Hilfsmittel, die der Durchführung von Behandlungspflege dienen, nur dann zu dem vom Heimträger vorzuhaltenden Inventar, wenn sich dies im Einzelfall aus dem Versorgungsvertrag bzw der Leistungs- oder Qualitätsvereinbarung ergibt. Die Vorhaltepflicht eines Pflegeheims, in dem überwiegend Pflegebedürftige nach der Pflegestufe I leben, sieht danach zB anders aus, als bei Pflegeheimen mit beatmungsbedürftigen Schwerstpflegebedürftigen oder Apallikern (BSGE 89, 271 = SozR 3-2500 § 33 Nr 43).

34

g) In Einrichtungen, die aufgrund entsprechender Verträge auch medizinische Behandlungspflege zu erbringen haben, besteht für Versicherte ein Anspruch hierauf gegen die Einrichtung "nach den gesetzlichen Bestimmungen" iS von I.6 Satz 1 HKP-Richtlinie. Denn wirksame und rechtmäßige vertragliche Regelungen können Ansprüche "nach gesetzlichen Bestimmungen" begründen, soweit diese eine Regelung durch entsprechende Verträge ausdrücklich vorsehen. Daher wird in der Literatur und der Rechtsprechung nicht zwischen vertraglichen und gesetzlichen Ansprüchen auf Behandlungspflege gegen den Einrichtungsträger unterschieden (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 2 sowie Weber, NZS 2011, 650, 653; ausdrücklich auch LSG Sachsen-Anhalt Urteil vom 24.10.2012 - L 4 KR 30/10 - Juris; LSG Sachsen-Anhalt Beschluss vom 22.11.2011 - L 10 KR 32/11 B ER - Juris).

35

h) Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen grundsätzlich geeignete Orte für die Erbringung von häuslicher Krankenpflege nach § 37 SGB V durch die GKV sein können, wenn der Versicherte im Einzelfall keinen Anspruch auf die Erbringung der Maßnahme durch die Einrichtung hat. Im Rahmen der von der Einrichtung geschuldeten Pflege hat diese grundsätzlich nur einfachste Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege zu erbringen, für die es keiner besonderen medizinischen Sachkunde oder medizinischer Fertigkeiten bedarf und die daher regelmäßig von dem in der Einrichtung beschäftigten Personal, wie von jedem erwachsenen Haushaltsangehörigen, ohne Weiteres ausgeführt werden können. Insoweit ist zur Abgrenzung auch § 37 Abs 3 SGB V heranzuziehen. Danach ist der Anspruch auf häusliche Krankenpflege ausgeschlossen, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang pflegen und versorgen kann. Das bedeutet nicht, dass die Betreuer in den Eingliederungseinrichtungen damit in jeder Hinsicht pflegebereiten Haushaltsangehörigen iS des § 37 Abs 3 SGB V gleichgestellt werden. Der Senat entnimmt § 37 Abs 2 SGB V im hier maßgeblichen Zusammenhang nur, dass es nach den gesetzlichen Regelungen Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege gibt, die ohne medizinische Vorkenntnisse von Laien erbracht werden können. Das gilt auch für Mitarbeiter in Einrichtungen der Eingliederungshilfe. Dazu gehört zB regelmäßig die Gabe von Tabletten nach ärztlicher Anweisung, das Messen des Blutdrucks oder des Blutzuckergehalts, das Anziehen von Thrombosestrümpfen, das An- und Ablegen einfach zu handhabender Stützverbände, das Einreiben mit Salben (soweit es sich nicht um schwierige Wundversorgung handelt), die Verabreichung von Bädern uÄ.

36

Weitergehende medizinische Behandlungspflege schuldet die Einrichtung nur, wenn sich dies aus ihren Verträgen, ihrer Leistungsbeschreibung, ihrem Aufgabenspektrum auch unter Berücksichtigung ihrer Zielgruppe und ihrer sächlichen und personellen Ausstattung ergibt.

37

3. Nach diesen Grundsätzen hat die Einrichtung vorliegend zwar mit ihrem Personal beim Kläger die erforderlichen Blutzuckermessungen selbst vorzunehmen, sie ist aber nicht verpflichtet, dem Kläger auch Insulininjektionen zu verabreichen.

38

Nach dem Bayerischen Rahmenvertrag gemäß § 79 Abs 1 SGB XII vom 15.6.2004, an dessen Abschluss der Beigeladene zu 1. als überörtlicher Sozialhilfeträger und der Landesverband der Beigeladenen zu 2. beteiligt waren, leisten die Einrichtungen Hilfe nach dem individuellen Bedarf des Hilfeempfängers in einem den §§ 1 und 9 SGB XII entsprechenden Umfang(§ 7). Nach der auf dieser Grundlage zwischen den beiden Beigeladenen geschlossenen Leistungsvereinbarung nach §§ 75 ff SGB XII betreut die Einrichtung, in welcher der Kläger lebt, nach § 43a SGB XI auch Menschen mit Pflegestufe und ist auf Personen mit mittlerer bis schwerer Behinderung ausgerichtet, die (auch altersbedingt) nicht in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen oder einer Förderstätte aufgenommen werden. Die Einrichtung nimmt keine Personen mit einem vorrangigen Pflegebedarf nach dem SGB XI oder mit einem dauerhaften medizinischen Versorgungs- und Überwachungsbedarf auf. Die Aufgabe der Einrichtung besteht im Wesentlichen darin, den Hilfebedürftigen Assistenz und Begleitung im Alltag zu leisten unter Berücksichtigung ihrer Selbstbestimmung, Selbstverantwortung und der Weiterentwicklung ihrer Persönlichkeit. Zur Personalausstattung der Einrichtung ist neben der Leitung durch eine/einen Dipl Sozialpädagogin/en (FH), der Verwaltung, der Hauswirtschaft und dem technischen Dienst ein Fachdienst aus Dipl Sozialpädagogen mit einem nach Hilfebedarfsgruppen gestaffelten Personalschlüssel vorgesehen. Die Fachkraftquote liegt bei 62,5 %. Fachkräfte sind Heilerziehungspfleger, Heilpädagogen, Erzieher, Gesundheits- und Krankenpfleger, Altenpfleger und Personal mit vergleichbarer Qualifikation.

39

Danach ist die Einrichtung nicht verpflichtet, medizinisch ausgebildetes Personal vorzuhalten; sie kann ihren Verpflichtungen auch mit lediglich pädagogisch ausgebildetem Personal nachkommen. Medizinische Versorgung schuldet die Einrichtung grundsätzlich nicht. Allerdings sollte sie mit ihrem Personal jedenfalls zu den einfachsten Maßnahmen der Behandlungspflege, die in einem Haushalt grundsätzlich von jedem Erwachsenen erbracht werden können, in der Lage sein. Sie betreut auch pflegebedürftige Menschen und solche mit schweren Behinderungen. Bei diesem Personenkreis gehören zur Assistenz und Begleitung im Alltag immer auch Handgriffe und Maßnahmen einfachster Art, die aus medizinischen Gründen erforderlich sind. Deshalb kann die Einrichtung als Fachkräfte auch Personal mit medizinisch-pflegerischen Kenntnissen einsetzen.

40

Zum Messen des Blutzuckers wird ein Tropfen Blut - meist aus einer Fingerkuppe - gewonnen und mit einem Blutzuckermessgerät aufgefangen, das daraufhin den Blutzuckerspiegel anzeigt. Dieses Verfahren kann grundsätzlich von jedem Erwachsenen ohne medizinische Kenntnisse oder Fertigkeiten durchgeführt werden. Es birgt keine nennenswerten Infektions- oder Verletzungsgefahren. Das Personal der vom Beigeladenen zu 2. betriebenen Einrichtung hat die Blutzuckermessungen offenbar über lange Zeiträume beim Kläger durchgeführt. Das Messen des Blutzuckergehaltes gehört für Bewohner, die an insulinpflichtigem Diabetes mellitus leiden, zu der von der Einrichtung geschuldeten Unterstützung eines gesunden Lebens und ist daher untrennbarer Bestandteil der Eingliederungshilfe. Denn es geht insoweit insbesondere auch um die Vermittlung von Einsicht in die Notwendigkeit der Maßnahme sowie die Förderung von Eigenständigkeit und Mithilfe bei der Durchführung oder zumindest das Vermeiden von Abwehrreaktionen. Insoweit betrifft die Maßnahme auch die Selbstbestimmung, Selbstverantwortung und Weiterentwicklung der Persönlichkeit des Klägers als Kernaufgabe der Einrichtung, der sie sich nicht deshalb entziehen kann, weil es sich um eine Maßnahme handelt, die aus medizinischen Gründen erforderlich ist. Soweit die Maßnahme keine medizinischen Fachkenntnisse oder Fertigkeiten voraussetzt, ist sie daher von dem Personal der Eingliederungseinrichtung zu erbringen. Die Mitarbeiter der Einrichtung haben lediglich die vom Blutzuckermessgerät angezeigten Messergebnisse festzuhalten und dem behandelnden Arzt bzw medizinischen Pflegedienst zur Verfügung zu stellen, die ihre Maßnahmen darauf ausrichten können. Bei kritischen Messwerten kann - wie in der Vergangenheit auch praktiziert wurde - der Pflegedienst, ggf auch der Notarzt benachrichtigt werden. Nicht entscheidend ist, wie häufig Blutzuckermessungen erforderlich sind. Weitere medizinische Maßnahmen werden in diesem Zusammenhang vom Personal der Einrichtung nicht erwartet. Der in der Leistungsvereinbarung enthaltene ausdrückliche Ausschluss von Leistungen der medizinischen Behandlungspflege steht dem nicht entgegen, da das Messen des Blutzuckergehaltes für insulinpflichtige Diabetiker als Bestandteil der Eingliederungshilfe zu erbringen ist.

41

Die Injektion von Insulin ist hingegen eine behandlungspflegerische Maßnahme, die zwar von erwachsenen Patienten regelmäßig selbst durchgeführt werden kann; hierfür sind aber erhebliche medizinische Kenntnisse erforderlich, die den Patienten, die die Injektionen selbst durchführen, zuvor vermittelt werden. Insulin wird ins Unterhautfettgewebe gespritzt. Das Einführen der Injektionsnadel in das Unterhautfettgewebe stellt schon als solches einen Eingriff in den Körper dar. Es sind Kenntnisse über günstige Injektionsregionen sowie das Wechseln der Injektionsstellen erforderlich. Wird ohne ausreichende Regenerationszeit allzu häufig dieselbe Einstichstelle genutzt, kann es zu ungewollten Haut- und Fettgewebsveränderungen kommen. Dosis und Art des verordneten Insulins (zu unterscheiden sind insbesondere schnell wirkende Insuline und solche mit einer längerfristigen Wirkung) sollten regelmäßig in Absprache zwischen Arzt und Patient entsprechend der Blutzuckermesswerte sowie des Ess- und Bewegungsverhaltens angepasst werden, wobei dem Patienten ein bedarfsabhängiger Beurteilungsspielraum eingeräumt werden kann. Denn den Bedarf kann ein entsprechend interessierter, geschulter und im Umgang mit seiner Erkrankung erfahrener erwachsener Patient am besten selbst einschätzen. Von Dritten erfordert der sachgerechte Umgang mit solchen medizinischen Beurteilungsspielräumen beachtliche medizinische Kenntnisse, über die regelmäßig nur medizinisches Fachpersonal verfügt. Da die Einrichtung des Beigeladenen zu 2. kein medizinisches Fachpersonal vorhalten muss, schuldet sie dem Kläger nicht die Verabreichung von Insulininjektionen.

42

4. Die Zurückverweisung ist erforderlich, weil das Berufungsgericht nicht festgestellt hat, in welchen Zeiträumen wie häufig täglich Insulin injiziert werden musste, in welchem Umfang die Leistung tatsächlich erbracht wurde und ob und ggf in welcher Höhe dem Kläger hierfür Kosten entstanden sind. Diese Feststellungen wird das LSG nachzuholen haben. Da der Leistungszeitraum in der Vergangenheit liegt, kann der Kläger nur noch Kostenerstattung oder Freistellung von den Kosten geltend machen. Das Anliegen des Klägers kann anders nicht verstanden werden. Auf die Erstattung tatsächlich aufgewandter Kosten bzw auf eine Freistellung von gestundeten Verpflichtungen hat der Kläger nach § 13 Abs 3 SGB V Anspruch, soweit der Pflegedienst häusliche Krankenpflege zur Injektion von Insulin erbracht hat und soweit und so häufig dies medizinisch erforderlich war, weil die Beklagte diese Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Das LSG wird deshalb festzustellen haben, in welcher Höhe der Kläger für häusliche Krankenpflege zur Injektion von Insulin Kosten selbst getragen hat, oder er für den streitigen Leistungszeitraum noch berechtigten Kostenforderungen ausgesetzt ist und ggf den Tenor auf Kostenerstattung oder Freistellung von Kosten in entsprechender Höhe zu korrigieren haben.

43

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 24. April 2014 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen, soweit Kostenerstattung für die Zeit von Oktober 2008 bis August 2009 beansprucht wird. Im Übrigen wird das Urteil geändert und die Klage abgewiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 18 289,54 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die als örtlicher Sozialhilfeträger klagende Stadt macht gegen die beklagte Krankenkasse einen Anspruch auf Erstattung von Kosten geltend, die sie für die Versorgung eines Versicherten der Beklagten mit häuslicher Krankenpflege durch einen Pflegedienst in der Zeit von Oktober 2008 bis Mai 2011 getragen hat.

2

Die beigeladene Wohltätigkeitsorganisation, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, ist Trägerin des J.-J.-H. (JJH) in H., einer stationären sozialtherapeutischen Einrichtung der Wohnungslosenhilfe mit 71 Plätzen, in der wohnungslosen Männern mit psychischen Auffälligkeiten eine sozialpädagogisch betreute Unterbringung angeboten wird. In der Zeit vom 20.10.2008 bis 31.5.2011 lebte dort ein Versicherter der beklagten Krankenkasse (R. R., geboren 1956), der seit 1996 mit kleineren Unterbrechungen obdachlos war. Der Versicherte litt unter mehreren, teilweise schon chronifizierten Krankheiten (Herzrhythmusstörungen, Geschwür am Außenknöchel des rechten Fußes, Gastritis), die ständiger Behandlung bedurften. Er bezog Arbeitslosengeld II und erhielt seine Unterbringung im JJH auf Kosten der Klägerin als Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach §§ 67 ff SGB XII. Pflegebedürftigkeit nach §§ 14, 15 SGB XI war nicht festgestellt. Seit dem 1.6.2011 lebt er als mittlerweile "trockener" Alkoholiker wieder in einer eigenen Wohnung.

3

Aufgrund vertragsärztlicher Verordnungen erhielt der Versicherte während der gesamten Zeit des Aufenthalts im JJH häusliche Krankenpflege zur Sicherung des Ziels der ambulanten ärztlichen Behandlung (§ 37 Abs 2 SGB V) durch einen Pflegedienst (Ambulante Krankenpflege H. GbR), und zwar durchgängig zweimal täglich durch das Herrichten und Verabreichen von vier und zeitweise sogar fünf Medikamenten. Der Blutdruck musste täglich einmal (Oktober 2008 bis Februar 2009), im März 2009 täglich dreimal und sodann bis Juni 2009 täglich zweimal gemessen werden; danach waren regelmäßige Blutdruckmessungen nicht mehr erforderlich. Dazu kamen vorübergehend Injektionen (März bis Juni 2009). Ferner waren wegen des Geschwürs am Fuß zeitweise auch tägliche Verbandwechsel erforderlich (Oktober bis Dezember 2008 sowie März bis August 2009). Die Kosten in Höhe von insgesamt 18 289,54 Euro hat die Klägerin getragen, nachdem die Beklagte die bei ihr quartalsweise beantragten Kostenübernahmen jeweils abgelehnt hatte.

4

Die Beklagte verweigert die begehrte Kostenerstattung, weil sie die Voraussetzungen des § 37 Abs 2 SGB V als nicht erfüllt ansieht. Bei einem Daueraufenthalt in einer Einrichtung der Eingliederungshilfe ohne eigene Haushaltsführung des Versicherten bestehe gegenüber der Krankenkasse grundsätzlich kein Anspruch auf häusliche Behandlungssicherungspflege. Der Ausnahmefall eines besonders hohen Bedarfs an medizinischer Behandlungspflege für mindestens sechs Monate liege nicht vor. Die Behandlungspflege des Versicherten habe daher die Klägerin als eigene sozialhilferechtliche Leistung sicherstellen müssen.

5

Das SG hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 18 289,54 Euro nebst Zinsen zu zahlen (Urteil vom 20.2.2012). Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 24.4.2014). Es hat ausgeführt, die Klägerin habe nach § 104 Abs 1 SGB X einen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte, weil diese zur Gewährung häuslicher Krankenpflege vorrangig verpflichtet sei. Einrichtungen der Eingliederungshilfe könnten "sonst geeignete Orte" iS des § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V sein, wenn der Versicherte keinen Anspruch auf Leistungen der Behandlungspflege gegen den Einrichtungsträger habe und eine Leistungspflicht der Pflegekasse nach § 43a SGB XI schon mangels Pflegebedürftigkeit des Versicherten(§§ 14, 15 SGB XI) ausscheide. Dies ergebe sich aus der insoweit mit der Ermächtigungsgrundlage in Einklang stehenden Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege (Häusliche Krankenpflege-Richtlinie; im Folgenden: HKP-Richtlinie). Die Einrichtung, in der sich der Versicherte aufgehalten habe, sei nicht zur Erbringung von Behandlungspflege verpflichtet. Etwas anderes gelte auch nicht bei den oralen Medikamentengaben und den Blutdruckmessungen als einfachsten Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege. Der Zinsanspruch ergebe sich aus § 108 Abs 2 SGB X.

6

Mit ihrer Revision macht die Beklagte geltend, der Begriff "Haushalt" iS des § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V dürfe auch nach der Gesetzesänderung zum 1.4.2007 nicht undifferenziert ausgeweitet werden. Der Gesetzgeber habe lediglich eine vorsichtige Erweiterung des Haushaltsbegriffs, nicht aber seine vollständige Aufgabe bezweckt. Der Bezug der "häuslichen" Krankenpflege zu einem eigenen Haushalt des Versicherten dürfe nicht vollständig aufgegeben werden. Bei den im Gesetz ausdrücklich aufgeführten Einrichtungen handele es sich um solche, in denen sich die Versicherten nur zeitweise aufhielten, während ihr Lebensmittelpunkt im häuslichen Umfeld gewahrt bleibe. Für den Fall, dass - wie hier - ein eigener Haushalt nicht mehr bestehe, enthalte § 37 Abs 2 Satz 7 SGB V eine Ausnahmeregelung nur unter der Voraussetzung, dass sich der Versicherte nicht auf Dauer in einer Einrichtung aufhalte. Diese Vorschrift habe der Gesetzgeber unverändert beibehalten. Auf einen Anspruch des Versicherten gegen den Einrichtungsträger könne es zur Bestimmung des Leistungsumfangs nach § 37 Abs 2 SGB V nicht ankommen, sonst läge der Anspruch in der Hand der Partner der Verträge nach §§ 75 ff SGB XII, mit denen die Leistungspflichten des Einrichtungsträgers festgelegt würden. Für die vom LSG angenommene Absicht des Gesetzgebers auf Lückenschluss zwischen ambulanter und stationärer Behandlungspflege mit vollständiger Entlastung der Sozialhilfeträger von den Kosten der häuslichen Krankenpflege bei Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gebe es keine hinreichenden Anhaltspunkte. Im Übrigen gehöre zumindest die Hilfe zur Einnahme von Tabletten nach ärztlicher Anweisung sowie das Blutdruckmessen regelmäßig zu der von Einrichtungen der Eingliederungshilfe geschuldeten Unterstützung bei den lebenspraktischen Verrichtungen.

7

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Hamburg vom 24. April 2014 und des Sozialgerichts Hamburg vom 20. Februar 2012 zu ändern und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist begründet, soweit der Erstattungsanspruch den Zeitraum von September 2009 bis Mai 2011 betrifft. In dieser Zeit bestand die häusliche Krankenpflege ausschließlich in der Hilfestellung bei der Einnahme von Medikamenten, wofür dem Pflegedienst 9971,42 Euro gezahlt worden waren. Der Klägerin steht insoweit kein Erstattungsanspruch gegen die Beklagte zu, weil der Versicherte seinerseits keinen Anspruch auf häusliche Krankenpflege für das Herrichten und Verabreichen von Medikamenten gegen die Beklagte hatte. Zwar kann eine Einrichtung der Eingliederungshilfe ein geeigneter Ort zur Erbringung von häuslicher Krankenpflege iS des § 37 SGB V sein(hierzu 1.), wenn die Einrichtung nicht selbst zur Erbringung medizinischer Behandlungspflege verpflichtet ist (hierzu 2.). Eine Hilfeleistung bei der oralen Einnahme von Tabletten nach ärztlicher Anweisung gehört aber - ebenso wie zB die Unterstützung beim Blutdruckmessen - regelmäßig zu der von Einrichtungen der Eingliederungshilfe geschuldeten pädagogischen Beratung, Betreuung und Unterstützung bei den lebenspraktischen Verrichtungen (hierzu 3.).

10

Die Revision der Beklagten führt hingegen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG), soweit der Erstattungsanspruch den Zeitraum von Oktober 2008 bis August 2009 umfasst. Die Klage ist begründet, soweit sich die geltend gemachten Aufwendungen auf die verabreichten Injektionen (März bis Juni 2009) und die Verbandwechsel wegen des Geschwürs am Fuß (Oktober bis Dezember 2008 sowie März bis August 2009) beziehen. Da in dieser Zeit aber auch ständig Hilfeleistungen bei der Medikamenteneinnahme und beim Blutdruckmessen angefallen sind, und in den Rechnungen des Pflegedienstes die hierfür berechneten Kosten, die nicht erstattungsfähig sind, aufgrund der Abrechnung nach Leistungskomplexen nicht gesondert ausgewiesen sind, musste der Rechtsstreit insoweit an das LSG zurückverwiesen werden, um die zur exakten Berechnung des Erstattungsanspruchs notwendigen Feststellungen zu den Kosten der Injektionen und der Verbandwechsel nachzuholen.

11

1. Nach § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V(idF des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26.3.2007, BGBl I 2007, 378) erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist (Behandlungssicherungspflege). Nach § 37 Abs 6 SGB V legt der G-BA in Richtlinien nach § 92 SGB V fest, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach den Abs 1 und 2 des § 37 SGB V auch außerhalb des Haushaltes und der Familie des Versicherten erbracht werden können.

12

a) Bis zum 31.3.2007 erhielten Versicherte häusliche Krankenpflege (nur) "in ihrem Haushalt oder ihrer Familie" (vgl § 37 Abs 1 und 2 SGB V idF des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003, BGBl I 2190). Schon nach § 185 RVO aus dem Jahr 1911 konnten solche Pflegeleistungen gewährt werden, wenn ein wichtiger Grund vorlag, "den Kranken in seinem Haushalt oder in seiner Familie zu belassen" und nicht im Krankenhaus zu behandeln. Seitdem war dieses Tatbestandsmerkmal bis zum 31.3.2007 nicht erweitert worden. Zu dieser Gesetzeslage hatte das BSG entschieden, dass es zwar - sofern nicht Krankenhausbehandlung oder vollstationäre Pflege vorliege - nicht auf den Aufenthaltsort des Versicherten ankomme und daher häusliche Krankenpflege auch während des Kindergarten- oder Schulbesuchs zu leisten sei (BSGE 90, 143 = SozR 3-2500 § 37 Nr 5 = SozR 3-1500 § 96 Nr 11). Aufgrund des engen Wortlauts der Vorschrift sah sich die Rechtsprechung aber bis zur Änderung durch das GKV-WSG vom 26.3.2007 (BGBl I 2007, 378) daran gehindert, den Anspruch auf häusliche Krankenpflege darüber hinaus auch auf Zeiten des Aufenthalts in einer stationären Einrichtung auszudehnen (BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 5). Bei der Umschreibung des Aufenthaltsortes der Versicherten "in ihrem Haushalt oder ihrer Familie" ging es dem Gesetzgeber vor allem um die Abgrenzung zur Leistungserbringung im stationären Bereich. Schon in der Ursprungsfassung des § 185 RVO aus dem Jahr 1911 wurde der Begriff als Unterscheidung von der Krankenhausversorgung(vgl Poske, Hauspflege, 1990, S 70 ff, 112 ff) verwendet: "Die Kasse kann mit Zustimmung des Versicherten Hilfe und Wartung durch Krankenpfleger, Krankenschwestern oder andere Pfleger namentlich auch dann gewähren, wenn die Aufnahme des Kranken in ein Krankenhaus geboten, aber nicht ausführbar ist, oder ein wichtiger Grund vorliegt, den Kranken in seinem Haushalt oder seiner Familie zu belassen". Diese Formulierung wurde als Voraussetzung für den Anspruch auf Behandlungssicherungspflege übernommen, die zunächst als Satzungsleistung eingeführt (§ 185 Abs 1 Satz 2 RVO idF des Gesetzes zur Dämpfung der Ausgabenentwicklung und zur Strukturverbesserung in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 27.6.1977, BGBl I 1069; vgl zum Gesetzgebungsverfahren Zipperer, DOK 1978, 11, 20) und später in § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V(durch das Gesetz über die neunzehnte Anpassung der Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz sowie zur Änderung weiterer sozialrechtlicher Vorschriften vom 26.6.1990, BGBl I 1211) zum gesetzlichen Anspruch bestimmt wurde. Schon damals wurde die Notwendigkeit einer Abgrenzung zum stationären Bereich der Heimpflege diskutiert, und bei einem Daueraufenthalt in Einrichtungen der Alten- oder Behindertenhilfe sahen zahlreiche Autoren den Anspruch auf Fälle beschränkt, in denen die Einrichtung dem Versicherten (vertraglich) keine umfassende Versorgung schulde (vgl Hanau/Rolfs, VSSR 1993, 237, 252; Gerlach in Hauck/Noftz, SGB V, Stand: 1.8.1999, K § 37 RdNr 15; Höfler in Kasseler Komm, Bd 1, Stand: Einzelkommentierung Dezember 2004, § 37 SGB V RdNr 14). Nach der bis zum 31.3.2007 geltenden Gesetzesfassung war aber die vom Gesetzgeber beabsichtigte Abgrenzung zur stationären Krankenhausbehandlung in gleicher Weise geeignet, sonstige stationäre Einrichtungen von den Leistungen der häuslichen Krankenpflege auszunehmen (vgl BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 5). Der Gesetzgeber hatte noch bei der Änderung des § 37 Abs 2 Satz 2 SGB V durch das GMG vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) keinen Handlungsbedarf dafür gesehen, Menschen in Einrichtungen der Behindertenhilfe ohne eigenen Haushalt Anspruch auf häusliche Krankenpflege einzuräumen. Nach dieser Regelung, die unverändert bis heute fortgilt (§ 37 Abs 2 Satz 7 SGB V), erhalten Versicherte, die nicht auf Dauer in Einrichtungen nach § 71 Abs 2 und 4 SGB XI aufgenommen sind, Leistungen der häuslichen Krankenpflege auch dann, wenn ihr Haushalt nicht mehr besteht und ihnen zur Durchführung der Behandlungspflege vorübergehender Aufenthalt in einer Einrichtung oder einer anderen geeigneten Unterkunft zur Verfügung gestellt wird. Bei dieser Regelung ging es insbesondere um die Sicherstellung medizinischer Behandlungspflege für alleinstehende Wohnungslose, um kostentreibende Krankenhauseinweisungen zu verhindern (vgl BT-Drucks 15/1525 S 90). Nach der Gesetzesbegründung wurde damit aber zugleich "klargestellt, dass bei Daueraufenthalt ohne eigenen Haushalt, zB in Heimen, weiterhin kein Anspruch auf Leistungen der Behandlungspflege besteht" (BT-Drucks 15/1525 S 90 zu Buchst a).

13

b) Erst mit dem GKV-WSG vom 26.3.2007 (BGBl I 2007, 378) hat der Gesetzgeber den Anspruch auf sonstige geeignete Orte, insbesondere betreute Wohnformen, Schulen, Kindergärten und bei besonders hohem Pflegebedarf auch auf Werkstätten für behinderte Menschen erweitert und dem G-BA aufgegeben festzulegen, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen der häuslichen Krankenpflege auch außerhalb des Haushaltes und der Familie des Versicherten erbracht werden können. In der Gesetzesbegründung ist hierzu ausgeführt, die Beschränkung der Leistungen zur häuslichen Krankenpflege auf Haushalt und Familie des Versicherten habe sich im Hinblick auf das Ziel, vorschnelle stationäre Einweisungen zu vermeiden, als kontraproduktiv erwiesen. Die Neuregelung bewirke durch eine vorsichtige Erweiterung des Haushaltsbegriffs, dass neue Wohnformen, Wohngemeinschaften und betreutes Wohnen hinsichtlich der Erbringung von häuslicher Krankenpflege gegenüber konventionellen Haushalten nicht benachteiligt würden. Betreute Wohnformen, deren Bewohner ambulante Leistungen der sozialen Pflegeversicherung erhalten, sollten verbesserte Angebote für ambulant Pflegebedürftige darstellen. Darüber hinaus werde im Hinblick auf bestimmte, eng begrenzte Personengruppen durch den erweiterten Haushaltsbegriff eine vorschnelle Einweisung in stationäre Einrichtungen verhindert. Ein "geeigneter Ort" für die Leistung häuslicher Krankenpflege durch die GKV sei jedenfalls dann nicht gegeben, wenn sich der Versicherte in einer Einrichtung befinde, in der er nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung medizinischer Behandlungspflege durch die Einrichtung selbst habe. Um die notwendige Flexibilität bei der Bestimmung der geeigneten Erbringungsorte zu wahren, werde auf eine gesetzliche Festlegung verzichtet und die nähere Ausgestaltung dem G-BA übertragen. Dieser Lösungsweg vermeide Lücken im Zwischenbereich von ambulanter und stationärer Versorgung (BT-Drucks 16/3100 S 104).

14

c) Der G-BA ist seinem Regelungsauftrag durch die zum 11.6.2008 in Kraft getretene Änderung der HKP-Richtlinie (HKP-Richtlinie idF vom 16.2.2000, zuletzt geändert am 17.1.2008/10.4.2008, veröffentlicht im BAnz 2008, Nr 84, S 2028, 2029 und 2030) nachgekommen. Unter I. 2. ist bestimmt:
"Häusliche Krankenpflege wird im Haushalt des Versicherten oder seiner Familie erbracht. Anspruch auf häusliche Krankenpflege besteht auch an sonstigen geeigneten Orten, an denen sich der Versicherte regelmäßig wiederkehrend aufhält und an denen
- die verordnete Maßnahme zuverlässig durchgeführt werden kann und
- für die Erbringung der einzelnen Maßnahmen geeignete räumliche Verhältnisse vorliegen (z. B. im Hinblick auf hygienische Voraussetzungen, Wahrung der Intimsphäre, Beleuchtung),
wenn die Leistung aus medizinisch-pflegerischen Gründen während des Aufenthaltes an diesem Ort notwendig ist. Orte im Sinne des Satz 2 können insbesondere Schulen, Kindergärten, betreute Wohnformen oder Arbeitsstätten sein."
Unter I. 6. ist bestimmt:
"Für die Zeit des Aufenthalts in Einrichtungen, in denen nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtungen besteht (z. B. Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen, Pflegeheimen), kann häusliche Krankenpflege nicht verordnet werden. Ob ein solcher Anspruch besteht, ist im Einzelfall durch die Krankenkassen zu prüfen. Abweichend davon kann häusliche Krankenpflege in Werkstätten für behinderte Menschen verordnet werden, wenn die Intensität oder Häufigkeit der in der Werkstatt zu erbringenden Pflege so hoch ist, dass nur durch den Einsatz einer Pflegefachkraft Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit vermieden oder das Ziel der ärztlichen Behandlung gesichert werden kann und die Werkstatt für behinderte Menschen nicht auf Grund des § 10 der Werkstättenverordnung verpflichtet ist, die Leistung selbst zu erbringen. Eine Verordnung von Behandlungspflege ist auch für Versicherte in Pflegeheimen zulässig, die auf Dauer, voraussichtlich für mindestens 6 Monate, einen besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben (§ 37 Abs. 2 S. 3 SGB V). Dies ist der Fall, wenn (…)."

15

Der G-BA hatte in seinem Beschlusstext ursprünglich folgende Regelung vorgesehen: "Für die Zeit des Aufenthaltes in Einrichtungen, in denen nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtungen besteht (zB Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen, Pflegeheimen oder Behinderteneinrichtungen), kann häusliche Krankenpflege nicht verordnet werden" (vgl https://www.g-ba.de/informationen/beschluesse/598/. Dort finden sich die "Tragenden Gründe zum Beschluss vom 17.1.2008" als PDF-Datei, Beschlusstext, S 9). Die ausdrückliche Aufführung der Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen ist trotz zahlreicher kritischer Stellungnahmen (aaO, S 12 ff) erst aufgrund einer Prüfung durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gemäß § 94 SGB V gestrichen worden(vgl https://www.g-ba.de/informationen/beschluesse/598/. Dort findet sich die "Prüfung gem. § 94 SGB V durch das BMG" als PDF-Datei, Schreiben vom 20.3.2008). Zudem wurde der Satz: "Ob ein solcher Anspruch besteht, ist im Einzelfall durch die Krankenkasse zu prüfen" aufgrund der Prüfung aufgenommen. Das BMG hat von einer Beanstandung der vorgesehenen Regelung nur unter der Auflage abgesehen, die Regelung bei nächster Gelegenheit so zu überarbeiten, dass Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen nicht grundsätzlich von der Verordnung häuslicher Krankenpflege ausgeschlossen werden und dass vom G-BA sichergestellt wird, dass die Regelung bis zu ihrer Überarbeitung ohne den grundsätzlichen Ausschluss von Behinderteneinrichtungen angewandt wird. Das BMG hat hierzu ausgeführt, eine rechtliche Begründung dafür, dass grundsätzlich in allen (dh in der Regel oder in der großen Mehrheit der nicht näher definierten) ambulanten und stationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen ein Anspruch auf Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtung bestehe, sei nicht ersichtlich. Die vom G-BA beschlossene Formulierung könne dazu führen, dass häusliche Krankenpflege für Versicherte in diesen Einrichtungen regelmäßig abgelehnt werde, ohne dass tatsächlich im Einzelfall geprüft werde, ob anderweitige Ansprüche auf die Erbringung von Behandlungspflege bestehen. Deshalb sei klarzustellen, dass im Einzelfall zu prüfen sei, ob nach gesetzlichen Bestimmungen ein Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtung bestehe.

16

d) Nach dem Regelungsgefüge, das sich aus den gesetzlichen Vorschriften iVm mit den Normen der HKP-Richtlinie ergibt, besteht der Anspruch zunächst an allen geeigneten Orten, an denen sich der Versicherte regelmäßig wiederkehrend aufhält, wenn die Leistung aus medizinisch-pflegerischen Gründen während des Aufenthaltes an diesem Ort notwendig ist. Einschränkungen in Bezug auf den Aufenthaltsort ergeben sich - abgesehen von der Geeignetheit der räumlichen Verhältnisse - erst aus den Regelungen unter I. 6., dh für die Zeit des Aufenthaltes in Einrichtungen nur dann, wenn nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtung besteht (wie zB in Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen, Pflegeheimen). Ob ein solcher Anspruch besteht, ist im Einzelfall durch die Krankenkasse zu prüfen. Einrichtungen der Eingliederungshilfe werden in den HKP-Richtlinien den Krankenhäusern und Pflegeheimen ausdrücklich nicht (mehr) gleichgestellt. In dieser Fassung ist die HKP-Richtlinie gesetzeskonform.

17

e) Der Vorschrift des § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V und der Bezeichnung der dort nach der Verwendung des Begriffs "insbesondere" beispielhaft aufgeführten "geeigneten Orte" lässt sich nicht die Beschränkung entnehmen, häusliche Krankenpflege könne weiterhin nur beansprucht werden, wenn noch ein Mindestmaß eines eigenen Haushalts (oder ein Leben in der Familie) geführt wird, und weitere Leistungen ggf ambulant in Anspruch genommen werden. Gegen die Auffassung der Beklagten, eine stationäre Einrichtung, in der sich ein Versicherter dauerhaft aufhält, ohne an einem anderen Ort noch einen Haushalt zu führen oder in einem solchen zu leben, könne nie ein sonstiger geeigneter Ort iS des § 37 Abs 2 SGB V sein, sprechen die Gesetzesbegründung und der vom Gesetzgeber mit der Erweiterung des Anspruchs verfolgte Zweck. Auch dem Wortlaut der Vorschrift lässt sich eine solche Einschränkung nicht entnehmen.

18

Dem Gesetzgeber war es nach der Gesetzesbegründung zur Ausweitung des Anspruchs auf häusliche Krankenpflege auf sonstige geeignete Orte durch das GKV-WSG vom 26.3.2007 (BGBl I 2007, 378) ein besonderes Anliegen, Lücken im Zwischenbereich von ambulanter und stationärer Versorgung zu vermeiden. Bei ambulanten Einrichtungen, insbesondere auch bei ambulant betreuten Wohnformen, wird aber regelmäßig (allein oder gemeinsam mit anderen) ein eigener Haushalt geführt, sodass bereits vor der Gesetzesänderung auch für dort lebende Versicherte ein Anspruch auf häusliche Krankenpflege bestehen konnte. Zudem war nach der Rechtsprechung des BSG der Anspruch auch schon vor der Neuregelung zum 1.4.2007 nicht auf die Erbringung der Leistung in der Wohnung des Versicherten beschränkt; vielmehr konnte häusliche Krankenpflege auch in der Schule oder im Kindergarten erbracht werden (so ausdrücklich BSGE 90, 143 = SozR 3-2500 § 37 Nr 5 = SozR 3-1500 § 96 Nr 11). Wenn die vom Gesetzgeber beabsichtigte vorsichtige Erweiterung des Anspruchs auch auf sonstige geeignete Orte nicht weitgehend leerlaufen soll, müssen grundsätzlich auch die stationären Einrichtungen einbezogen werden, in denen sich ein Versicherter auf unabsehbare Zeit aufhält und betreut wird, ohne noch anderswo zu leben und zu wohnen. Die Beklagte hat Recht mit ihrer Auffassung, dass es in den bisher vom Senat entschiedenen Fällen darum ging, Versicherte auch in Einrichtungen wie Schulen und Kindergärten mit Krankenpflege zu versorgen, in denen sich diese lange, aber eben nicht ausschließlich im Sinne eines Lebensmittelpunktes aufhalten. Genau diese Situation sollte indessen durch die Neuregelung des § 37 Abs 2 SGB V erfasst werden, und zwar für die Konstellation, dass in der vollstationären Einrichtung keine umfassende pflegerische Versorgung stattfindet und gesetzlich auch nicht geschuldet wird. Denn nur dadurch kann dem Sinn und Zweck der Vorschrift, durch (ambulante) häusliche Krankenpflege vorschnelle stationäre Einweisungen zu vermeiden, entsprochen werden. Bei den zu vermeidenden stationären Einweisungen kann es sich nur um Einweisungen in Einrichtungen handeln, in denen die Versicherten medizinische Behandlungspflege erhalten, wie Krankenhäuser, medizinische Rehabilitationseinrichtungen oder Pflegeheime. Die Aufnahme in andere Einrichtungen, die regelmäßig schon nicht auf ärztliche Veranlassung erfolgt, kann (und soll) nicht durch die Erbringung ambulanter Leistungen der häuslichen Krankenpflege vermieden werden. Vielmehr soll die nach der Gesamtsituation des Versicherten sinnvolle Aufnahme zB in eine stationäre Einrichtung der Eingliederungshilfe nicht daran scheitern, dass zusätzlich zum Eingliederungsbedarf auch ein Bedarf an Krankenpflegeleistungen besteht, der von der Eingliederungseinrichtung nicht gedeckt werden kann. Es kann (auch) für die Krankenkasse wirtschaftlich sinnvoll sein, Versicherte in solchen Einrichtungen, in denen sie keinen Anspruch auf medizinische Behandlungspflege gegen die Einrichtung haben, mit häuslicher Krankenpflege zu versorgen, um eine vorschnelle Einweisung in ein Krankenhaus zu vermeiden.

19

Auch dem Wortlaut der Vorschrift lässt sich seit der Ausweitung des Anspruchs auf sonstige geeignete Orte nicht entnehmen, dass stationäre Einrichtungen etwa der Eingliederungshilfe dafür grundsätzlich nicht in Betracht kommen. Die beispielhafte Aufzählung enthält hierfür keine Anhaltspunkte. Der im Gesetz verwandte Begriff der "betreuten Wohnformen" ist gesetzlich nicht definiert. Die Übergänge von einer Wohngemeinschaft mit ambulanten Betreuungshilfen zu einer stationären Einrichtung sind inzwischen fließend. Daher werden in den Landesheimgesetzen neben stationären Einrichtungen regelmäßig auch andere Formen des betreuten Wohnens erfasst (vgl Weber NZS 2011, 650, 651 mwN), und längst nicht alle Formen des betreuten Wohnens weisen eine größere Nähe zur eigenständigen Haushaltsführung auf als herkömmliche stationäre Einrichtungen. Eine eindeutige Zuordnung jeder Einrichtung entweder als stationäres Heim oder als ambulantes Angebot mit Betreuungshilfen wird durch die andauernde Entwicklung neuer Wohnformen zunehmend schwierig. Auch in betreuten Wohnformen haben Versicherte keinen Anspruch auf häusliche Krankenpflege, wenn sie bereits Anspruch auf die Maßnahme durch die Einrichtung bzw den Betreuungsdienst haben, weil häusliche Krankenpflege dann nicht erforderlich ist. Gerade im Grenzbereich verschiedener Wohnformen ist es aber sachgerecht, nach dem Anspruch gegen die Einrichtung bzw den Betreuungsdienst zu differenzieren und nicht dem Begriff "betreute Wohnformen" eine Festlegung dahin zu entnehmen, dass in vollstationären Betreuungseinrichtungen keine häusliche Krankenpflege erbracht werden kann.

20

Es ist daher konsequent, den Anspruch auf häusliche Krankenpflege in Einrichtungen nur dann und insoweit zu beschränken, als nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung medizinischer Behandlungspflege durch die Einrichtung selbst besteht. Der Gesetzgeber hat auf eine gesetzliche Festlegung der geeigneten Leistungsorte bewusst verzichtet. Er wollte damit im Hinblick auf die Vielzahl unterschiedlicher Einrichtungen jeglichen Eingriff in die bestehenden Strukturen der Einrichtungen und insbesondere in ihre Leistungspflichten im Hinblick auf die medizinische Behandlungspflege vermeiden und die Präzisierung der Einrichtungen, in denen die Versicherten Anspruch auf häusliche Krankenpflege nach dem SGB V haben, dem G-BA überlassen.

21

f) Die Richtlinien des G-BA haben normativen Charakter und sind für die Beteiligten verbindlich (BSG SozR 3-2500 § 135 Nr 21; BSG SozR 3-2500 § 92 Nr 12; BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5; BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 3; BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 7; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 8; vgl auch amtl Begründung zu den Ergänzungen von § 92 Abs 1 SGB V durch das GMG - BT-Drucks 15/1525 oder die Ergänzungen des Gesetzes zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung und des GKV-WSG). Der Senat hat keine Zweifel an der verfassungsrechtlichen Legitimation des G-BA als untergesetzlichem Normgeber in der Form, wie sie inzwischen gesetzlich festgelegt ist (so auch BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 22; BSGE 112, 251 = SozR 4-2500 § 106 Nr 38, RdNr 14; BSGE 111, 155 = SozR 4-2500 § 31 Nr 21, RdNr 26; vgl auch Beier in jurisPK-SGB V, online-Ausgabe § 92 SGB V, RdNr 31.1, Stand 25.6.2013).

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2. Einrichtungen der Eingliederungshilfe sind nach den gesetzlichen Bestimmungen grundsätzlich nur soweit zur Erbringung von medizinischer Behandlungspflege verpflichtet, wie diese aufgrund der sächlichen und personellen Ausstattung von der Einrichtung erbracht werden kann.

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a) Erbringt der Träger der Sozialhilfe die Leistungen der Eingliederungshilfe in einer vollstationären Einrichtung (§ 13 SGB XII, zum Einrichtungsbegriff iS des SGB XII vgl BSGE 106, 264 = SozR 4-3500 § 19 Nr 2 RdNr 13) der Hilfe für behinderte Menschen, wird grundsätzlich der gesamte Bedarf des Hilfebedürftigen nach § 9 Abs 1 SGB XII in der Einrichtung in einrichtungsspezifischer Weise befriedigt. Die Einrichtung übernimmt für den Hilfebedürftigen von dessen Aufnahme bis zur Entlassung die Gesamtverantwortung für seine tägliche Lebensführung (vgl Luthe in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand November 2014, K § 13 RdNr 58, 59 mwN). Leistungen der Eingliederungshilfe umfassen nach § 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII, § 26 SGB IX auch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, zu denen nach § 26 Abs 2 SGB IX ua auch die Behandlung durch Angehörige von Heilberufen gehört, soweit deren Leistungen unter ärztlicher Aufsicht oder auf ärztliche Anordnung ausgeführt werden, wie es bei der häuslichen Krankenpflege der Fall ist. Nach § 55 Satz 1 SGB XII umfassen die Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen iS des § 43a SGB XI auch die Pflegeleistungen in der Einrichtung. Ist der behinderte Mensch allerdings so pflegebedürftig, dass die Pflege in der Einrichtung nicht sichergestellt werden kann, vereinbaren der Träger der Sozialhilfe und die zuständige Pflegekasse mit dem Einrichtungsträger, dass die Leistung in einer anderen Einrichtung erbracht wird, wobei den angemessenen Wünschen des behinderten Menschen Rechnung zu tragen ist (§ 55 Satz 2 SGB XII).

24

b) Danach hat der Träger der Sozialhilfe zwar letztlich alle Teilhabebedarfe der Eingliederungshilfe zu decken und kann dies durch Leistungen für Einrichtungen (§ 13 Abs 1 SGB XII) gewährleisten, zu beachten ist aber der Nachrang der Sozialhilfe (§ 2 SGB XII). Leistungen anderer Sozialleistungsträger gehen grundsätzlich den Leistungen der Sozialhilfe vor (§ 2 Abs 1 SGB XII), und auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach dem Recht der Sozialhilfe entsprechende Leistungen vorgesehen sind (§ 2 Abs 2 Satz 2 SGB XII). Die medizinische Behandlungspflege ist Aufgabe der GKV, die daher diese Leistung vorrangig vor dem Träger der Sozialhilfe zu erbringen hat. Deshalb hat der Sozialhilfeträger im Verhältnis zur GKV nicht die Aufgabe, durch entsprechende Verträge mit den Einrichtungen der Eingliederungshilfe dafür zu sorgen, dass diese regelmäßig auch Leistungen der medizinischen Behandlungspflege erbringen. Die Verpflichtung der Einrichtung zur Übernahme der Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung sowie zur Deckung der Bedarfe in einrichtungsspezifischer Weise weist den Einrichtungen daher keine weitergehenden Pflichten zu, als sie aufgrund ihrer Ausrichtung, des Eingliederungszwecks, dem sie dienen, und nach den Vereinbarungen nach §§ 75 ff SGB XII schulden. Einrichtungen der Eingliederungshilfe schulden danach regelmäßig selbst keine medizinischen Behandlungsmaßnahmen, sondern haben lediglich organisatorisch dafür Sorge zu tragen, dass die Bewohner der Einrichtung neben den von der Einrichtung selbst geschuldeten Leistungen auch solche anderer Träger in Anspruch nehmen können. So schulden solche Einrichtungen keine ärztliche Behandlung, sie haben aber ggf Arztbesuche zu organisieren bzw zu ermöglichen und die notwendigen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Gleiches gilt grundsätzlich auch für die medizinische Behandlungspflege, es sei denn, aus den Vereinbarungen nach den §§ 75 ff SGB XII ergeben sich weitergehende Leistungsverpflichtungen.

25

c) Einrichtungen der Eingliederungshilfe sind auch nicht allein aufgrund der von den Pflegekassen für Pflegebedürftige nach § 43a Satz 1 SGB XI zu gewährenden pauschalen Abgeltung verpflichtet, grundsätzlich alle im Einzelfall notwendigen Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege zu erbringen. Nach § 43a Satz 1 SGB XI übernimmt die Pflegekasse zur Abgeltung der in § 43 Abs 2 SGB XI genannten Aufwendungen 10 vH des nach § 75 Abs 3 SGB XII vereinbarten Heimentgeltes für Pflegebedürftige in einer stationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen, in der die Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft, die schulische Ausbildung oder die Erziehung behinderter Menschen im Vordergrund des Einrichtungszwecks stehen(§ 71 Abs 4 SGB XI). Dabei dürfen aber die Aufwendungen der Pflegekasse im Einzelfall je Kalendermonat 256 Euro (ab 1.1.2015 266 Euro) nicht übersteigen (§ 43a Satz 2 SGB XI). Zu den in § 43 Abs 2 SGB XI genannten Aufwendungen gehören die pflegebedingten Aufwendungen, die Aufwendungen der sozialen Betreuung und die Aufwendungen für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege.

26

Trotz der ausdrücklichen Erwähnung auch der medizinischen Behandlungspflege zeigt die Verortung der Vorschrift im SGB XI, dass es dabei lediglich um die von der Pflegeversicherung abzudeckenden Bedarfe geht. Die Pauschale wird auch nur für Pflegebedürftige (§§ 14, 15 SGB XI) geleistet. Stationäre Pflegeeinrichtungen iS des § 71 Abs 2 und 4 SGB XI haben grundsätzlich auch medizinische Behandlungspflege zu erbringen; erst bei einem dauerhaften, voraussichtlich mindestens sechs Monate währenden besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben Versicherte in Pflegeheimen Anspruch auf häusliche Krankenpflege. Hier kommt es nicht zu einer Lücke zwischen ambulanter und stationärer Versorgung. Einrichtungen der Eingliederungshilfe schulden nach § 43a SGB XI zwar grundsätzlich Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung. Die medizinische Behandlungspflege iS des § 37 Abs 2 SGB V kann aber durch diese an die Pflegeversicherung gerichtete Vorschrift grundsätzlich nicht vom Zuständigkeitsbereich der GKV auf Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen übertragen werden. Dies ist schon deshalb ausgeschlossen, weil die Eingliederungseinrichtungen dann nur gegenüber pflegebedürftigen Bewohnern zur Erbringung von Behandlungspflege nach § 37 Abs 2 SGB V verpflichtet wären und auch nur für diese Personen das pauschalierte Entgelt erhalten(so im Ergebnis bereits BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 5 RdNr 9). Ansprüche auf medizinische Behandlungspflege können auch Versicherten zustehen, die - wie hier - nicht pflegebedürftig sind.

27

d) Das ergibt sich auch aus den Regelungen des § 55 SGB XII. Danach haben Einrichtungen der Eingliederungshilfe auch die (notwendigen) Pflegeleistungen zu erbringen. Wird der behinderte Mensch aber so pflegebedürftig, dass die Pflege in der Einrichtung nicht sichergestellt werden kann, vereinbaren der Träger der Sozialhilfe und die zuständige Pflegekasse mit dem Einrichtungsträger, dass die Leistung in einer anderen Einrichtung erbracht wird (§ 55 Satz 2 SGB XII). Auch diese Vorschrift knüpft zunächst nur an die Pflegebedürftigkeit und Pflege im Sinne des SGB XI an, nicht an Behandlungspflege. Insbesondere aus § 55 Satz 2 SGB XII ist aber abzuleiten, dass der Gesetzgeber nicht beabsichtigt hat, jede Einrichtung der Eingliederungshilfe personell und sächlich so auszustatten, dass sie neben der üblichen Pflege auch Leistungen der medizinischen Behandlungspflege erbringen kann. Trägerübergreifend betrachtet wäre das unwirtschaftlich. Hilfen zur Grundpflege und zur hauswirtschaftlichen Versorgung können innerhalb bestimmter Grenzen regelmäßig von Personen erbracht werden, die diesbezüglich keine besondere Ausbildung haben. Hierzu gehören insbesondere die Hilfen bei den Verrichtungen des täglichen Lebens. Erst wenn es darum geht, aktivierende Pflege zu leisten, weitere Pflegebedürftigkeit zu verhüten oder akute Beschwerden zu lindern oder medizinische Behandlungspflege zu leisten, die nicht ohne Weiteres vom Personal einer Eingliederungseinrichtung erbracht werden kann, und die Pflege daher in der Einrichtung nicht mehr sichergestellt werden kann, ist der Hilfebedürftige in einer anderen Einrichtung unterzubringen.

28

e) Die Leistungspflichten der Eingliederungseinrichtungen ergeben sich für deren Nutzer aus zivilrechtlichen Verträgen mit der Einrichtung und gegenüber dem Träger der Sozialhilfe ausschließlich aus dem SGB XII iVm den auf diesen gesetzlichen Grundlagen basierenden Verträgen (zum sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis BSGE 102, 1 = SozR 4-1500 § 75 Nr 9, RdNr 15 ff). Entscheidend für die Leistungspflichten der Einrichtungen zur Hilfe behinderter Menschen ist danach das in den Vereinbarungen nach den §§ 75 ff SGB XII festgelegte Ziel und der Zweck der Einrichtung, ihr Aufgabenprofil, die vorgesehene sächliche und personelle Ausstattung sowie der zu betreuende Personenkreis. Handelt es sich danach zB um eine Einrichtung, deren vorrangige Aufgabe darin besteht, Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten zu leisten, die erforderlich und geeignet sind, behinderten Menschen die für sie erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen (vgl § 55 Abs 2 Nr 3 SGB IX), gehören einfachste medizinische Maßnahmen (vgl dazu auch BSG SozR 3-2500 § 53 Nr 10), die für Versicherte im eigenen Haushalt praktisch von jedem erwachsenen Haushaltsangehörigen erbracht werden können und keine medizinische Fachkunde erfordern, wie die Einnahme von Medikamenten und das Blutdruckmessen, regelmäßig der Natur der Sache nach zum Aufgabenkreis der Einrichtung. Sie sind mit der Gewährung von Eingliederungshilfe durch den Sozialhilfeträger in einer stationären Einrichtung untrennbar verbunden und daher objektiv bereits Bestandteil der Eingliederungshilfe. Dies gilt auch für betreute Wohnformen, wenn dort nach Inhalt und Umfang vergleichbare Eingliederungsleistungen erbracht werden. Zum Erwerb lebenspraktischer Kenntnisse und Fähigkeiten gehört auch die Hilfe bei der Führung eines gesunden Lebens einschließlich der Vermittlung von Einsicht für gesundheitsförderliches Verhalten allgemein und speziell für die Notwendigkeit bestimmter medizinischer Maßnahmen. Bei den einfachsten Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege handelt es sich häufig, wie etwa beim An- und Ausziehen von Thrombosestrümpfen, um verrichtungsbezogene krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen, die ohnehin sowohl dem Aufgabenbereich der Krankenversicherung als auch dem der Pflegeversicherung gleichermaßen zugeordnet und daher - soweit kein Fachpersonal erforderlich ist - auch bereits von der Pauschale nach § 43a SGB XI mitumfasst sind. Danach verläuft die Grenze der von einer Einrichtung geschuldeten Leistungen genau dort, wo diese vom Personal der Einrichtung der Eingliederungshilfe erbracht werden können und müssen. Muss die Einrichtung kein medizinisch ausgebildetes Personal vorhalten, sind regelmäßig nur einfachste Maßnahmen der Krankenpflege von der Einrichtung selbst zu erfüllen. Leistungspflichten, die nur von medizinisch ausgebildetem Fachpersonal erfüllt werden könnten, scheiden dann regelmäßig aus. Ist die Einrichtung hingegen nach ihrem Aufgabenprofil auf eine besondere Zielgruppe ausgerichtet, bei der ständig bestimmte behandlungspflegerische Maßnahmen erforderlich werden, und ist die Einrichtung deshalb entsprechend sächlich und personell auszustatten, hat sie diese behandlungspflegerischen Maßnahmen auch zu erbringen, weil ohne sie die Eingliederungsaufgabe im Hinblick auf die Zielgruppe der Einrichtung nicht erreicht werden kann. Es ist daher - so wie es die HKP-Richtlinie vorgibt - im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, ob die Einrichtung die konkrete behandlungspflegerische Maßnahme nach ihrem Aufgabenprofil, der Ausrichtung auf ein bestimmtes Bewohnerklientel und insbesondere aufgrund ihrer sächlichen und personellen Ausstattung selbst zu erbringen hat. Der Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe wird dadurch nicht betroffen, weil die sächliche und personelle Ausstattung dieser Einrichtungen für die Eingliederungsleistungen ohnehin vorzuhalten ist, die Gewährung von Eingliederungshilfe deutlich im Vordergrund steht und die Leistungen der Behandlungspflege dann untrennbarer Bestandteil der Eingliederungshilfe sind.

29

f) Dieses Ergebnis führt zu einer Parallele zu den Pflegehilfsmitteln, die nach der Rechtsprechung des BSG (vgl hierzu BSGE 85, 287 = SozR 3-2500 § 33 Nr 37) von Einrichtungen vorzuhalten sind. Danach hat der Träger eines Pflegeheimes alle Hilfsmittel bereitzustellen, die zur sachgerechten Durchführung der in zugelassenen Pflegeheimen gewöhnlich anfallenden Pflegeleistungen erforderlich sind. Obwohl die Pflegeheime nach § 43 SGB XI nicht nur zur Pflege und sozialen Betreuung, sondern auch zur medizinischen Behandlungspflege verpflichtet sind, gehören Hilfsmittel, die der Durchführung von Behandlungspflege dienen, nur dann zu dem vom Heimträger vorzuhaltenden Inventar, wenn sich dies im Einzelfall aus dem Versorgungsvertrag bzw der Leistungs- oder Qualitätsvereinbarung ergibt. Die Vorhaltepflicht eines Pflegeheims, in dem überwiegend Pflegebedürftige nach der Pflegestufe I leben, sieht danach zB anders aus als bei Pflegeheimen mit beatmungsbedürftigen Schwerstpflegebedürftigen oder Apallikern (BSGE 89, 271 = SozR 3-2500 § 33 Nr 43).

30

g) In Einrichtungen, die aufgrund entsprechender Verträge auch medizinische Behandlungspflege zu erbringen haben, besteht für Versicherte ein Anspruch hierauf gegen die Einrichtung "nach den gesetzlichen Bestimmungen" im Sinne von I. 6. Satz 1 HKP-Richtlinie. Denn wirksame und rechtmäßige vertragliche Regelungen können Ansprüche "nach gesetzlichen Bestimmungen" begründen, soweit diese eine Regelung durch entsprechende Verträge ausdrücklich vorsehen. Daher wird in der Literatur und der Rechtsprechung nicht zwischen vertraglichen und gesetzlichen Ansprüchen auf Behandlungspflege gegen den Einrichtungsträger unterschieden (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 2 sowie Weber, NZS 2011, 650, 653; ausdrücklich auch LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 24.10.2012 - L 4 KR 30/10 - Juris; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22.11.2011 - L 10 KR 32/11 B ER - Juris).

31

h) Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen grundsätzlich geeignete Orte für die Erbringung von häuslicher Krankenpflege nach § 37 SGB V durch die gesetzliche Krankenversicherung sein können, wenn der Versicherte im Einzelfall keinen Anspruch auf die Erbringung der Maßnahme durch die Einrichtung hat. Im Rahmen der von der Einrichtung geschuldeten Pflege hat diese grundsätzlich nur einfachste Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege zu erbringen, für die es keiner besonderen medizinischen Sachkunde oder medizinischer Fertigkeiten bedarf und die daher regelmäßig von dem in der Einrichtung beschäftigten Personal, wie von jedem erwachsenen Haushaltsangehörigen, ohne Weiteres ausgeführt werden können. Insoweit ist zur Abgrenzung auch § 37 Abs 3 SGB V heranzuziehen. Danach ist der Anspruch auf häusliche Krankenpflege ausgeschlossen, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang pflegen und versorgen kann. Das bedeutet nicht, wie die Klägerin meint, dass die Betreuer in den Eingliederungseinrichtungen damit in jeder Hinsicht pflegebereiten Haushaltsangehörigen iS des § 37 Abs 3 SGB V gleichgestellt werden. Soweit die Klägerin dies schon im Hinblick auf das "professionelle Selbstverständnis" der Mitarbeiter/innen der Einrichtungen ausschließen will, besteht Anlass zu dem Hinweis, dass sich dieses "Selbstverständnis" nur im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben entfalten kann. Im Übrigen entnimmt der Senat § 37 Abs 2 SGB V im hier maßgeblichen Zusammenhang nur, dass es nach den gesetzlichen Regelungen Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege gibt, die ohne medizinische Vorkenntnisse von Laien erbracht werden können. Das gilt auch für Mitarbeiter in Einrichtungen der Eingliederungshilfe. Dazu gehört zB regelmäßig die Gabe von Tabletten nach ärztlicher Anweisung, das Messen des Blutdrucks oder des Blutzuckergehalts, das Anziehen von Thrombosestrümpfen, das An- und Ablegen einfach zu handhabender Stützverbände, das Einreiben mit Salben (soweit es sich nicht um schwierige Wundversorgung handelt), die Verabreichung von Bädern. Weitergehende medizinische Behandlungspflege schuldet die Einrichtung hingegen nur, wenn sich dies aus ihren Verträgen, ihrer Leistungsbeschreibung, ihrem Aufgabenspektrum auch unter Berücksichtigung ihrer Zielgruppe und ihrer sächlichen und personellen Ausstattung ergibt. Die Injektionen und die Verbandwechsel bei der medizinischen Versorgung eines Fußgeschwürs gehören danach in der Regel nicht zum Aufgabenbereich von Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe.

32

3. Nach dem sich aus der Vereinbarung nach § 75 Abs 3 SGB XII zwischen der Klägerin und dem beigeladenen Einrichtungsträger ergebenden Aufgabenspektrum der Einrichtung, ihrer Zielgruppe, der von ihr zu erbringenden Leistungen und vorzuhaltenden personellen Ausstattung handelt es sich um ein niederschwelliges Leistungsangebot für obdachlose Menschen mit einer psychischen Auffälligkeit(vgl Anlage 1 zur Vereinbarung nach § 75 Abs 3 SGB XII, 3.). Die von der Einrichtung zu leistenden Hilfen (vgl Anlage 1 zur Vereinbarung nach § 75 Abs 3 SGB XII, 4.) beziehen sich daher insbesondere auf Störungen in sozialen, psychischen und auch körperlichen Bereichen und bewegen sich somit ua auch in einem Grenzbereich zur Hilfe bei Krankheit. Ausdrücklich werden Hilfen bei der Gesundheitsversorgung benannt und darunter zB die Hilfestellung bei der Einhaltung der notwendigen gesundheitlichen Maßnahmen aufgeführt. Die Hilfe wird in Form von Beratung, Unterstützung, Förderung, Organisation, Planung sowie stellvertretender Ausführung gewährt (vgl Anlage 1 zur Vereinbarung nach § 75 Abs 3 SGB XII, 5.). Zur personellen Ausstattung gehört Fachpersonal aus den Bereichen Sozialarbeit, Sozialpädagogik und Pädagogik (vgl Anlage 1 zur Vereinbarung nach § 75 Abs 3 SGB XII, 6.).

33

Eine Hilfeleistung bei der oralen Einnahme von Tabletten nach ärztlicher Anweisung sowie beim Blutdruckmessen gehört danach zu der von dem beigeladenen Einrichtungsträger im JJH geschuldeten pädagogischen Beratung, Betreuung und Unterstützung bei der Alltagsbewältigung und den lebenspraktischen Verrichtungen. Für das Herrichten und Verabreichen von Tabletten nach ärztlicher Anweisung und das Blutdruckmessen ist regelmäßig keine medizinische Fachkunde erforderlich, und die in der Einrichtung tätigen, vorwiegend pädagogisch oder sozialpädagogisch ausgebildeten Mitarbeiter dürften nach kurzer Einweisung in der Lage sein, dafür zu sorgen, dass jeder Bewohner die ihm verordneten Medikamente entsprechend der ärztlichen Anordnung einnimmt und ggf seinen Blutdruck misst bzw messen lässt. Denn für jeden Hilfeberechtigten ist ein individueller Hilfeplan aufzustellen. Darin kann auch die einzunehmende Medikation eingetragen werden, zumal nach der mit dem Versicherten abgeschlossenen Beratungs- und Betreuungsvereinbarung die notwendige, ärztlich verordnete Medikation einzuhalten ist.

34

Der Erstattungsanspruch der Klägerin beschränkt sich somit auf jene Kosten, die zur häuslichen Krankenpflege in Form der Verabreichung der Injektionen und der regelmäßigen Verbandwechsel aufgewendet worden sind; denn nur insoweit bestand ein Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen die Beklagte nach § 37 Abs 2 SGB V. Die Leistung häuslicher Krankenpflege in Form der Hilfe bei der oralen Einnahme von Medikamenten und beim Blutdruckmessen ist von der Beklagten hingegen zu Recht abgelehnt worden, weil diese Maßnahmen in die Zuständigkeit der von der Beigeladenen betriebenen Einrichtung fielen. Die Höhe der erstattungsfähigen Kosten wird nunmehr das LSG zu ermitteln haben.

35

4. Das LSG hat im Zuge des erneut durchzuführenden Berufungsverfahrens auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden.

36

5. Der Streitwert ergibt sich aus § 197a Abs 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 47 Abs 1, § 52 Abs 1, 3 GKG.

(1) Die Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel können entsprechend den Erfordernissen des Einzelfalles für die Deckung des Bedarfs außerhalb von Einrichtungen (ambulante Leistungen), für teilstationäre oder stationäre Einrichtungen (teilstationäre oder stationäre Leistungen) erbracht werden. Vorrang haben ambulante Leistungen vor teilstationären und stationären Leistungen sowie teilstationäre vor stationären Leistungen. Der Vorrang der ambulanten Leistung gilt nicht, wenn eine Leistung für eine geeignete stationäre Einrichtung zumutbar und eine ambulante Leistung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden ist. Bei der Entscheidung ist zunächst die Zumutbarkeit zu prüfen. Dabei sind die persönlichen, familiären und örtlichen Umstände angemessen zu berücksichtigen. Bei Unzumutbarkeit ist ein Kostenvergleich nicht vorzunehmen.

(2) Einrichtungen im Sinne des Absatzes 1 sind alle Einrichtungen, die der Pflege, der Behandlung oder sonstigen nach diesem Buch zu deckenden Bedarfe oder der Erziehung dienen.

(1) Die Leistungen richten sich nach der Besonderheit des Einzelfalles, insbesondere nach der Art des Bedarfs, den örtlichen Verhältnissen, den eigenen Kräften und Mitteln der Person oder des Haushalts bei der Hilfe zum Lebensunterhalt.

(2) Wünschen der Leistungsberechtigten, die sich auf die Gestaltung der Leistung richten, soll entsprochen werden, soweit sie angemessen sind. Wünschen der Leistungsberechtigten, den Bedarf stationär oder teilstationär zu decken, soll nur entsprochen werden, wenn dies nach der Besonderheit des Einzelfalles erforderlich ist, weil anders der Bedarf nicht oder nicht ausreichend gedeckt werden kann und wenn mit der Einrichtung Vereinbarungen nach den Vorschriften des Zehnten Kapitels dieses Buches bestehen. Der Träger der Sozialhilfe soll in der Regel Wünschen nicht entsprechen, deren Erfüllung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden wäre.

(3) Auf Wunsch der Leistungsberechtigten sollen sie in einer Einrichtung untergebracht werden, in der sie durch Geistliche ihres Bekenntnisses betreut werden können.

(1) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 bis 5 vereinbaren zur Sicherung der Zusammenarbeit nach § 25 Absatz 1 gemeinsame Empfehlungen.

(2) Die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 1 bis 5 vereinbaren darüber hinaus gemeinsame Empfehlungen,

1.
welche Maßnahmen nach § 3 geeignet sind, um den Eintritt einer Behinderung zu vermeiden,
2.
in welchen Fällen und in welcher Weise rehabilitationsbedürftigen Menschen notwendige Leistungen zur Teilhabe angeboten werden, insbesondere, um eine durch eine Chronifizierung von Erkrankungen bedingte Behinderung zu verhindern,
3.
über die einheitliche Ausgestaltung des Teilhabeplanverfahrens,
4.
in welcher Weise die Bundesagentur für Arbeit nach § 54 zu beteiligen ist,
5.
wie Leistungen zur Teilhabe nach den §§ 14 und 15 koordiniert werden,
6.
in welcher Weise und in welchem Umfang Selbsthilfegruppen, -organisationen und -kontaktstellen, die sich die Prävention, Rehabilitation, Früherkennung und Bewältigung von Krankheiten und Behinderungen zum Ziel gesetzt haben, gefördert werden,
7.
für Grundsätze der Instrumente zur Ermittlung des Rehabilitationsbedarfs nach § 13,
8.
in welchen Fällen und in welcher Weise der behandelnde Hausarzt oder Facharzt und der Betriebs- oder Werksarzt in die Einleitung und Ausführung von Leistungen zur Teilhabe einzubinden sind,
9.
zu einem Informationsaustausch mit Beschäftigten mit Behinderungen, Arbeitgebern und den in § 166 genannten Vertretungen zur möglichst frühzeitigen Erkennung des individuellen Bedarfs voraussichtlich erforderlicher Leistungen zur Teilhabe sowie
10.
über ihre Zusammenarbeit mit Sozialdiensten und vergleichbaren Stellen.

(3) Bestehen für einen Rehabilitationsträger Rahmenempfehlungen auf Grund gesetzlicher Vorschriften und soll bei den gemeinsamen Empfehlungen von diesen abgewichen werden oder sollen die gemeinsamen Empfehlungen Gegenstände betreffen, die nach den gesetzlichen Vorschriften Gegenstand solcher Rahmenempfehlungen werden sollen, stellt der Rehabilitationsträger das Einvernehmen mit den jeweiligen Partnern der Rahmenempfehlungen sicher.

(4) Die Träger der Renten-, Kranken- und Unfallversicherung können sich bei der Vereinbarung der gemeinsamen Empfehlungen durch ihre Spitzenverbände vertreten lassen. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen schließt die gemeinsamen Empfehlungen auch als Spitzenverband Bund der Pflegekassen ab, soweit die Aufgaben der Pflegekassen von den gemeinsamen Empfehlungen berührt sind.

(5) An der Vorbereitung der gemeinsamen Empfehlungen werden die Träger der Eingliederungshilfe und der öffentlichen Jugendhilfe über die Bundesvereinigung der Kommunalen Spitzenverbände, die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Landesjugendämter sowie die Integrationsämter in Bezug auf Leistungen und sonstige Hilfen für schwerbehinderte Menschen nach Teil 3 über die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen beteiligt. Die Träger der Eingliederungshilfe und der öffentlichen Jugendhilfe orientieren sich bei der Wahrnehmung ihrer Aufgaben nach diesem Buch an den vereinbarten Empfehlungen oder können diesen beitreten.

(6) Die Verbände von Menschen mit Behinderungen einschließlich der Verbände der Freien Wohlfahrtspflege, der Selbsthilfegruppen und der Interessenvertretungen von Frauen mit Behinderungen sowie die für die Wahrnehmung der Interessen der ambulanten und stationären Rehabilitationseinrichtungen auf Bundesebene maßgeblichen Spitzenverbände werden an der Vorbereitung der gemeinsamen Empfehlungen beteiligt. Ihren Anliegen wird bei der Ausgestaltung der Empfehlungen nach Möglichkeit Rechnung getragen. Die Empfehlungen berücksichtigen auch die besonderen Bedürfnisse von Frauen und Kindern mit Behinderungen oder von Behinderung bedrohter Frauen und Kinder.

(7) Die beteiligten Rehabilitationsträger vereinbaren die gemeinsamen Empfehlungen im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation im Benehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Ländern auf der Grundlage eines von ihnen innerhalb der Bundesarbeitsgemeinschaft vorbereiteten Vorschlags. Der oder die Bundesbeauftragte für den Datenschutz und die Informationsfreiheit wird beteiligt. Hat das Bundesministerium für Arbeit und Soziales zu einem Vorschlag aufgefordert, legt die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation den Vorschlag innerhalb von sechs Monaten vor. Dem Vorschlag wird gefolgt, wenn ihm berechtigte Interessen eines Rehabilitationsträgers nicht entgegenstehen. Einwände nach Satz 4 sind innerhalb von vier Wochen nach Vorlage des Vorschlags auszuräumen.

(8) Die Rehabilitationsträger teilen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation alle zwei Jahre ihre Erfahrungen mit den gemeinsamen Empfehlungen mit, die Träger der Renten-, Kranken- und Unfallversicherung über ihre Spitzenverbände. Die Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation stellt dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales und den Ländern eine Zusammenfassung zur Verfügung.

(9) Die gemeinsamen Empfehlungen können durch die regional zuständigen Rehabilitationsträger konkretisiert werden.

Für Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 in einer vollstationären Einrichtung im Sinne des § 71 Absatz 4 Nummer 1, in der die Teilhabe am Arbeitsleben, an Bildung oder die soziale Teilhabe, die schulische Ausbildung oder die Erziehung von Menschen mit Behinderungen im Vordergrund des Einrichtungszwecks stehen, übernimmt die Pflegekasse zur Abgeltung der in § 43 Absatz 2 genannten Aufwendungen 15 Prozent der nach Teil 2 Kapitel 8 des Neunten Buches vereinbarten Vergütung. Die Aufwendungen der Pflegekasse dürfen im Einzelfall je Kalendermonat 266 Euro nicht überschreiten. Die Sätze 1 und 2 gelten auch für Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 in Räumlichkeiten im Sinne des § 71 Absatz 4 Nummer 3, die Leistungen der Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen nach Teil 2 des Neunten Buches erhalten. Wird für die Tage, an denen die Pflegebedürftigen im Sinne der Sätze 1 und 3 zu Hause gepflegt und betreut werden, anteiliges Pflegegeld beansprucht, gelten die Tage der An- und Abreise als volle Tage der häuslichen Pflege.

(1) Die Leistungen nach dem Fünften bis Neunten Kapitel können entsprechend den Erfordernissen des Einzelfalles für die Deckung des Bedarfs außerhalb von Einrichtungen (ambulante Leistungen), für teilstationäre oder stationäre Einrichtungen (teilstationäre oder stationäre Leistungen) erbracht werden. Vorrang haben ambulante Leistungen vor teilstationären und stationären Leistungen sowie teilstationäre vor stationären Leistungen. Der Vorrang der ambulanten Leistung gilt nicht, wenn eine Leistung für eine geeignete stationäre Einrichtung zumutbar und eine ambulante Leistung mit unverhältnismäßigen Mehrkosten verbunden ist. Bei der Entscheidung ist zunächst die Zumutbarkeit zu prüfen. Dabei sind die persönlichen, familiären und örtlichen Umstände angemessen zu berücksichtigen. Bei Unzumutbarkeit ist ein Kostenvergleich nicht vorzunehmen.

(2) Einrichtungen im Sinne des Absatzes 1 sind alle Einrichtungen, die der Pflege, der Behandlung oder sonstigen nach diesem Buch zu deckenden Bedarfe oder der Erziehung dienen.

(1) Sozialhilfe erhält nicht, wer sich vor allem durch Einsatz seiner Arbeitskraft, seines Einkommens und seines Vermögens selbst helfen kann oder wer die erforderliche Leistung von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen, erhält.

(2) Verpflichtungen anderer, insbesondere Unterhaltspflichtiger oder der Träger anderer Sozialleistungen, bleiben unberührt. Auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach dem Recht der Sozialhilfe entsprechende Leistungen vorgesehen sind.

(1) Ambulante Pflegeeinrichtungen (Pflegedienste) im Sinne dieses Buches sind selbständig wirtschaftende Einrichtungen, die unter ständiger Verantwortung einer ausgebildeten Pflegefachkraft Pflegebedürftige in ihrer Wohnung mit Leistungen der häuslichen Pflegehilfe im Sinne des § 36 versorgen.

(1a) Auf ambulante Betreuungseinrichtungen, die für Pflegebedürftige dauerhaft pflegerische Betreuungsmaßnahmen und Hilfen bei der Haushaltsführung erbringen (Betreuungsdienste), sind die Vorschriften dieses Buches, die für Pflegedienste gelten, entsprechend anzuwenden, soweit keine davon abweichende Regelung bestimmt ist.

(2) Stationäre Pflegeeinrichtungen (Pflegeheime) im Sinne dieses Buches sind selbständig wirtschaftende Einrichtungen, in denen Pflegebedürftige:

1.
unter ständiger Verantwortung einer ausgebildeten Pflegefachkraft gepflegt werden,
2.
ganztägig (vollstationär) oder tagsüber oder nachts (teilstationär) untergebracht und verpflegt werden können.

(3) Für die Anerkennung als verantwortliche Pflegefachkraft im Sinne der Absätze 1 und 2 ist neben dem Abschluss einer Ausbildung als

1.
Pflegefachfrau oder Pflegefachmann,
2.
Gesundheits- und Krankenpflegerin oder Gesundheits- und Krankenpfleger,
3.
Gesundheits- und Kinderkrankenpflegerin oder Gesundheits- und Kinderkrankenpfleger oder
4.
Altenpflegerin oder Altenpfleger
eine praktische Berufserfahrung in dem erlernten Ausbildungsberuf von zwei Jahren innerhalb der letzten acht Jahre erforderlich. Bei ambulanten Pflegeeinrichtungen, die überwiegend behinderte Menschen pflegen und betreuen, gelten auch nach Landesrecht ausgebildete Heilerziehungspflegerinnen und Heilerziehungspfleger sowie Heilerzieherinnen und Heilerzieher mit einer praktischen Berufserfahrung von zwei Jahren innerhalb der letzten acht Jahre als ausgebildete Pflegefachkraft. Bei Betreuungsdiensten kann anstelle der verantwortlichen Pflegefachkraft eine entsprechend qualifizierte, fachlich geeignete und zuverlässige Fachkraft mit praktischer Berufserfahrung im erlernten Beruf von zwei Jahren innerhalb der letzten acht Jahre (verantwortliche Fachkraft) eingesetzt werden. Die Rahmenfrist nach den Sätzen 1, 2 oder 3 beginnt acht Jahre vor dem Tag, zu dem die verantwortliche Pflegefachkraft im Sinne des Absatzes 1 oder 2 bestellt werden soll. Für die Anerkennung als verantwortliche Pflegefachkraft ist ferner Voraussetzung, dass eine Weiterbildungsmaßnahme für leitende Funktionen mit einer Mindeststundenzahl, die 460 Stunden nicht unterschreiten soll, erfolgreich durchgeführt wurde. Anerkennungen als verantwortliche Fachkraft, die im Rahmen der Durchführung des Modellvorhabens zur Erprobung von Leistungen der häuslichen Betreuung durch Betreuungsdienste erfolgt sind, gelten fort. Für die Anerkennung einer verantwortlichen Fachkraft ist ferner ab dem 1. Januar 2023 ebenfalls Voraussetzung, dass eine Weiterbildungsmaßnahme im Sinne von Satz 5 durchgeführt wurde.

(4) Keine Pflegeeinrichtungen im Sinne des Absatzes 2 sind

1.
stationäre Einrichtungen, in denen die Leistungen zur medizinischen Vorsorge, zur medizinischen Rehabilitation, zur Teilhabe am Arbeitsleben, zur Teilhabe an Bildung oder zur sozialen Teilhabe, die schulische Ausbildung oder die Erziehung kranker Menschen oder von Menschen mit Behinderungen im Vordergrund des Zweckes der Einrichtung stehen,
2.
Krankenhäuser sowie
3.
Räumlichkeiten,
a)
in denen der Zweck des Wohnens von Menschen mit Behinderungen und der Erbringung von Leistungen der Eingliederungshilfe für diese im Vordergrund steht,
b)
auf deren Überlassung das Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz Anwendung findet und
c)
in denen der Umfang der Gesamtversorgung der dort wohnenden Menschen mit Behinderungen durch Leistungserbringer regelmäßig einen Umfang erreicht, der weitgehend der Versorgung in einer vollstationären Einrichtung entspricht; bei einer Versorgung der Menschen mit Behinderungen sowohl in Räumlichkeiten im Sinne der Buchstaben a und b als auch in Einrichtungen im Sinne der Nummer 1 ist eine Gesamtbetrachtung anzustellen, ob der Umfang der Versorgung durch Leistungserbringer weitgehend der Versorgung in einer vollstationären Einrichtung entspricht.

(5) Mit dem Ziel, eine einheitliche Rechtsanwendung zu fördern, erlässt der Spitzenverband Bund der Pflegekassen spätestens bis zum 1. Juli 2019 Richtlinien zur näheren Abgrenzung, wann die in Absatz 4 Nummer 3 Buchstabe c in der ab dem 1. Januar 2020 geltenden Fassung genannten Merkmale vorliegen und welche Kriterien bei der Prüfung dieser Merkmale mindestens heranzuziehen sind. Die Richtlinien nach Satz 1 sind im Benehmen mit dem Verband der privaten Krankenversicherung e. V., der Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe und den kommunalen Spitzenverbänden auf Bundesebene zu beschließen; die Länder, die Bundesarbeitsgemeinschaft der Freien Wohlfahrtspflege sowie die Vereinigungen der Träger der Pflegeeinrichtungen auf Bundesebene sind zu beteiligen. Für die Richtlinien nach Satz 1 gilt § 17 Absatz 2 entsprechend mit der Maßgabe, dass das Bundesministerium für Gesundheit die Genehmigung im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales erteilt und die Genehmigung als erteilt gilt, wenn die Richtlinien nicht innerhalb von zwei Monaten, nachdem sie dem Bundesministerium für Gesundheit vorgelegt worden sind, beanstandet werden.

(1) Pflegebedürftige der Pflegegrade 2 bis 5 haben bei häuslicher Pflege Anspruch auf körperbezogene Pflegemaßnahmen und pflegerische Betreuungsmaßnahmen sowie auf Hilfen bei der Haushaltsführung als Sachleistung (häusliche Pflegehilfe). Der Anspruch umfasst pflegerische Maßnahmen in den in § 14 Absatz 2 genannten Bereichen Mobilität, kognitive und kommunikative Fähigkeiten, Verhaltensweisen und psychische Problemlagen, Selbstversorgung, Bewältigung von und selbständiger Umgang mit krankheits- oder therapiebedingten Anforderungen und Belastungen sowie Gestaltung des Alltagslebens und sozialer Kontakte.

(2) Häusliche Pflegehilfe wird erbracht, um Beeinträchtigungen der Selbständigkeit oder der Fähigkeiten des Pflegebedürftigen so weit wie möglich durch pflegerische Maßnahmen zu beseitigen oder zu mindern und eine Verschlimmerung der Pflegebedürftigkeit zu verhindern. Bestandteil der häuslichen Pflegehilfe ist auch die pflegefachliche Anleitung von Pflegebedürftigen und Pflegepersonen. Pflegerische Betreuungsmaßnahmen umfassen Unterstützungsleistungen zur Bewältigung und Gestaltung des alltäglichen Lebens im häuslichen Umfeld, insbesondere

1.
bei der Bewältigung psychosozialer Problemlagen oder von Gefährdungen,
2.
bei der Orientierung, bei der Tagesstrukturierung, bei der Kommunikation, bei der Aufrechterhaltung sozialer Kontakte und bei bedürfnisgerechten Beschäftigungen im Alltag sowie
3.
durch Maßnahmen zur kognitiven Aktivierung.

(3) Der Anspruch auf häusliche Pflegehilfe umfasst je Kalendermonat

1.
für Pflegebedürftige des Pflegegrades 2 Leistungen bis zu einem Gesamtwert von 724 Euro,
2.
für Pflegebedürftige des Pflegegrades 3 Leistungen bis zu einem Gesamtwert von 1 363 Euro,
3.
für Pflegebedürftige des Pflegegrades 4 Leistungen bis zu einem Gesamtwert von 1 693 Euro,
4.
für Pflegebedürftige des Pflegegrades 5 Leistungen bis zu einem Gesamtwert von 2 095 Euro.

(4) Häusliche Pflegehilfe ist auch zulässig, wenn Pflegebedürftige nicht in ihrem eigenen Haushalt gepflegt werden; sie ist nicht zulässig, wenn Pflegebedürftige in einer stationären Pflegeeinrichtung oder in einer Einrichtung oder in Räumlichkeiten im Sinne des § 71 Absatz 4 gepflegt werden. Häusliche Pflegehilfe wird durch geeignete Pflegekräfte erbracht, die entweder von der Pflegekasse oder bei ambulanten Pflegeeinrichtungen, mit denen die Pflegekasse einen Versorgungsvertrag abgeschlossen hat, angestellt sind. Auch durch Einzelpersonen, mit denen die Pflegekasse einen Vertrag nach § 77 Absatz 1 abgeschlossen hat, kann häusliche Pflegehilfe als Sachleistung erbracht werden. Mehrere Pflegebedürftige können häusliche Pflegehilfe gemeinsam in Anspruch nehmen.

(1) Die Pflegekassen dürfen ambulante und stationäre Pflege nur durch Pflegeeinrichtungen gewähren, mit denen ein Versorgungsvertrag besteht (zugelassene Pflegeeinrichtungen). In dem Versorgungsvertrag sind Art, Inhalt und Umfang der allgemeinen Pflegeleistungen (§ 84 Abs. 4) festzulegen, die von der Pflegeeinrichtung während der Dauer des Vertrages für die Versicherten zu erbringen sind (Versorgungsauftrag).

(2) Der Versorgungsvertrag wird zwischen dem Träger der Pflegeeinrichtung oder einer vertretungsberechtigten Vereinigung gleicher Träger und den Landesverbänden der Pflegekassen im Einvernehmen mit den überörtlichen Trägern der Sozialhilfe im Land abgeschlossen, soweit nicht nach Landesrecht der örtliche Träger für die Pflegeeinrichtung zuständig ist; für mehrere oder alle selbständig wirtschaftenden Einrichtungen (§ 71 Abs. 1 und 2) einschließlich für einzelne, eingestreute Pflegeplätze eines Pflegeeinrichtungsträgers, die vor Ort organisatorisch miteinander verbunden sind, kann, insbesondere zur Sicherstellung einer quartiersnahen Unterstützung zwischen den verschiedenen Versorgungsbereichen, ein einheitlicher Versorgungsvertrag (Gesamtversorgungsvertrag) geschlossen werden. Er ist für die Pflegeeinrichtung und für alle Pflegekassen im Inland unmittelbar verbindlich. Bei Betreuungsdiensten nach § 71 Absatz 1a sind bereits vorliegende Vereinbarungen aus der Durchführung des Modellvorhabens zur Erprobung von Leistungen der häuslichen Betreuung durch Betreuungsdienste zu beachten.

(3) Versorgungsverträge dürfen nur mit Pflegeeinrichtungen abgeschlossen werden, die

1.
den Anforderungen des § 71 genügen,
2.
die Gewähr für eine leistungsfähige und wirtschaftliche pflegerische Versorgung bieten und die Vorgaben des Absatzes 3a oder Absatzes 3b erfüllen,
3.
sich verpflichten, nach Maßgabe der Vereinbarungen nach § 113 einrichtungsintern ein Qualitätsmanagement einzuführen und weiterzuentwickeln,
4.
sich verpflichten, die ordnungsgemäße Durchführung von Qualitätsprüfungen zu ermöglichen,
5.
sich verpflichten, an dem Verfahren zur Übermittlung von Daten nach § 35 Absatz 6 des Infektionsschutzgesetzes teilzunehmen, sofern es sich bei ihnen um stationäre Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 71 Absatz 2 handelt;
ein Anspruch auf Abschluß eines Versorgungsvertrages besteht, soweit und solange die Pflegeeinrichtung diese Voraussetzungen erfüllt. Bei notwendiger Auswahl zwischen mehreren geeigneten Pflegeeinrichtungen sollen die Versorgungsverträge vorrangig mit freigemeinnützigen und privaten Trägern abgeschlossen werden. Bei ambulanten Pflegediensten ist in den Versorgungsverträgen der Einzugsbereich festzulegen, in dem die Leistungen ressourcenschonend und effizient zu erbringen sind.

(3a) Ab dem 1. September 2022 dürfen Versorgungsverträge nur mit Pflegeeinrichtungen abgeschlossen werden, die ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die Leistungen der Pflege oder Betreuung von Pflegebedürftigen erbringen, Gehälter zahlen, die in Tarifverträgen oder kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen vereinbart ist, an die die jeweiligen Pflegeeinrichtungen gebunden sind.

(3b) Mit Pflegeeinrichtungen, die nicht an Tarifverträge oder kirchliche Arbeitsrechtsregelungen für ihre Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Leistungen der Pflege oder Betreuung von Pflegebedürftigen erbringen, gebunden sind, dürfen Versorgungsverträge ab dem 1. September 2022 nur abgeschlossen werden, wenn diese Pflegeeinrichtungen ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die Leistungen der Pflege oder Betreuung für Pflegebedürftige erbringen, eine Entlohnung zahlen, die

1.
die Höhe der Entlohnung eines Tarifvertrags nicht unterschreitet, dessen räumlicher, zeitlicher, fachlicher und persönlicher Geltungsbereich eröffnet ist,
2.
die Höhe der Entlohnung eines Tarifvertrags nicht unterschreitet, dessen fachlicher Geltungsbereich mindestens eine andere Pflegeeinrichtung in der Region erfasst, in der die Pflegeeinrichtung betrieben wird, und dessen zeitlicher und persönlicher Geltungsbereich eröffnet ist,
3.
die Höhe der Entlohnung von Nummer 1 oder Nummer 2 entsprechenden kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen nicht unterschreitet oder
4.
hinsichtlich der Entlohnungsbestandteile nach Satz 2 Nummer 1 bis 5, die den Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern der in § 82c Absatz 2 Satz 4 genannten Qualifikationsgruppen jeweils im Durchschnitt gezahlt werden, die Höhe der jeweiligen regional üblichen Entlohnungsniveaus nach § 82c Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 und hinsichtlich der pflegetypischen Zuschläge nach Satz 2 Nummer 6, die den in Satz 1 genannten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern im Durchschnitt gezahlt werden, die Höhe der regional üblichen Niveaus der pflegetypischen Zuschläge nach § 82c Absatz 2 Satz 2 Nummer 3, jeweils in der nach § 82c Absatz 5 veröffentlichten Höhe, nicht unterschreitet.
Zur Entlohnung im Sinne dieses Gesetzes zählen
1.
der Grundlohn,
2.
regelmäßige Jahressonderzahlungen,
3.
vermögenswirksame Leistungen des Arbeitgebers,
4.
pflegetypische Zulagen,
5.
der Lohn für Bereitschaftsdienst und Rufbereitschaft sowie
6.
pflegetypische Zuschläge.
Pflegetypische Zuschläge im Sinne von Satz 2 Nummer 6 sind Nachtzuschläge, Sonntagszuschläge und Feiertagszuschläge. Diese sind von den Pflegeeinrichtungen im Fall von Satz 1 Nummer 4 unter den folgenden Voraussetzungen zu zahlen:
1.
Nachtzuschläge für eine Tätigkeit in der Nacht, mindestens im Zeitraum zwischen 23 und 6 Uhr,
2.
Sonntagszuschläge für eine Tätigkeit an Sonntagen im Zeitraum zwischen 0 und 24 Uhr,
3.
Feiertagszuschläge für eine Tätigkeit an gesetzlichen Feiertagen im Zeitraum zwischen 0 und 24 Uhr.
Die in Satz 1 genannten Pflegeeinrichtungen haben die Entlohnung im Sinne von Satz 1, soweit mit ihr die Voraussetzungen nach dieser Vorschrift erfüllt werden, in Geld zu zahlen. Tritt im Fall von Satz 1 Nummer 1 bis 3 eine Änderung im Hinblick auf die in dem jeweiligen Tarifvertrag oder in den jeweiligen kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen vereinbarte Entlohnung ein, haben die in Satz 1 genannten Pflegeeinrichtungen die erforderlichen Anpassungen der von ihnen gezahlten Entlohnung spätestens innerhalb von zwei Monaten vorzunehmen, nachdem die jeweilige Änderung nach § 82c Absatz 5 veröffentlicht wurde. Erhöhen sich im Fall von Satz 1 Nummer 4 die nach § 82c Absatz 5 veröffentlichten regional üblichen Entlohnungsniveaus nach § 82c Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 oder die nach § 82c Absatz 5 veröffentlichten regional üblichen Niveaus der pflegetypischen Zuschläge nach § 82c Absatz 2 Satz 2 Nummer 3, haben die Pflegeeinrichtungen ihren Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern, die Leistungen der Pflege oder Betreuung für Pflegebedürftige erbringen, die höhere Entlohnung im Zeitraum ab dem 1. Dezember 2022 spätestens ab dem 1. Februar 2023, nach dem 1. Februar 2023 jeweils spätestens ab dem 1. Januar des Jahres, das auf die Veröffentlichung der Werte nach § 82c Absatz 5 folgt, zu zahlen. Zur Erfüllung der Vorgaben von Satz 1 Nummer 4 sind im Zeitraum vom 1. September 2022 bis zum 31. Januar 2023 die aufgrund der Mitteilung nach Absatz 3e in der am 20. Juli 2021 geltenden Fassung und auf der Grundlage von § 82c Absatz 5 in der am 20. Juli 2021 geltenden Fassung veröffentlichten regional üblichen Entgeltniveaus in drei Qualifikationsgruppen und pflegetypischen Zuschläge nach den Sätzen 3 und Satz 4 maßgebend.

(3c) Der Spitzenverband Bund der Pflegekassen legt in Richtlinien, erstmals bis zum Ablauf des 30. September 2021, das Nähere insbesondere zu den Verfahrens- und Prüfgrundsätzen für die Einhaltung der Vorgaben der Absätze 3a und 3b sowie zu den nach Absatz 3e Satz 1 Nummer 2 erforderlichen Angaben fest. In den Richtlinien ist auch festzulegen, welche Folgen eintreten, wenn eine Pflegeeinrichtung ihre Mitteilungspflicht nach Absatz 3d Satz 2 oder Absatz 3e nicht, nicht richtig, nicht vollständig oder nicht rechtzeitig erfüllt. Die in den Richtlinien vorgesehenen Folgen müssen verhältnismäßig sein und im Einzelfall durch den jeweiligen Landesverband der Pflegekassen gegenüber der Pflegeeinrichtung verhältnismäßig angewendet werden. Bei der Festlegung hat der Spitzenverband Bund der Pflegekassen die Bundesarbeitsgemeinschaft der überörtlichen Träger der Sozialhilfe und der Eingliederungshilfe zu beteiligen. Die Richtlinien werden erst wirksam, wenn das Bundesministerium für Gesundheit sie im Einvernehmen mit dem Bundesministerium für Arbeit und Soziales genehmigt. Beanstandungen des Bundesministeriums für Gesundheit sind innerhalb der von ihm gesetzten Frist zu beheben. Die Richtlinien sind für die Pflegekassen und ihre Verbände sowie für die Pflegeeinrichtungen verbindlich.

(3d) Pflegeeinrichtungen haben den Landesverbänden der Pflegekassen zur Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen des Absatzes 3a oder des Absatzes 3b mitzuteilen,

1.
an welchen Tarifvertrag oder an welche kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen sie gebunden sind,
2.
welcher Tarifvertrag oder welche kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen in den Fällen des Absatzes 3b Satz 1 Nummer 1 bis 3 für sie maßgebend ist oder sind oder
3.
ob im Fall des Absatzes 3b Satz 1 Nummer 4 die veröffentlichte Höhe der regional üblichen Entlohnungsniveaus nach § 82c Absatz 2 Satz 2 Nummer 2 und die veröffentlichte Höhe der regional üblichen Niveaus der pflegetypischen Zuschläge nach § 82c Absatz 2 Satz 2 Nummer 3 für sie maßgebend sind.
Im Jahr 2022 sind alle Pflegeeinrichtungen verpflichtet, den Landesverbänden der Pflegekassen die in Satz 1 in der am 20. Juli 2021 geltenden Fassung genannten Angaben spätestens bis zum Ablauf des 28. Februar 2022 mitzuteilen. Die Mitteilung nach Satz 2 gilt, sofern die Pflegeeinrichtung dem nicht widerspricht, als Antrag auf entsprechende Anpassung des Versorgungsvertrags mit Wirkung zum 1. September 2022.

(3e) Pflegeeinrichtungen, die im Sinne von Absatz 3a an Tarifverträge oder an kirchliche Arbeitsrechtsregelungen gebunden sind, haben dem jeweiligen Landesverband der Pflegekassen bis zum Ablauf des 31. August jeden Jahres Folgendes mitzuteilen:

1.
an welchen Tarifvertrag oder an welche kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen sie gebunden sind,
2.
Angaben über die sich aus diesen Tarifverträgen oder kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen ergebende am 1. August des Jahres gezahlte Entlohnung der Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer, die Leistungen der Pflege oder Betreuung von Pflegebedürftigen erbringen, soweit diese Angaben zur Feststellung des Vorliegens der Voraussetzungen nach den Absätzen 3a und 3b oder zur Ermittlung des oder der regional üblichen Entlohnungsniveaus sowie der regional üblichen Niveaus der pflegetypischen Zuschläge nach § 82c Absatz 2 Satz 2 erforderlich sind.
Der Mitteilung ist die jeweils am 1. August des Jahres geltende durchgeschriebene Fassung des mitgeteilten Tarifvertrags oder der mitgeteilten kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen beizufügen. Tritt nach der Mitteilung nach Satz 1 eine Änderung im Hinblick auf die Wirksamkeit oder den Inhalt des mitgeteilten Tarifvertrags oder der mitgeteilten kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen ein, haben die in Satz 1 genannten Pflegeeinrichtungen dem jeweiligen Landesverband der Pflegekassen diese Änderung unverzüglich mitzuteilen und dem jeweiligen Landesverband der Pflegekassen unverzüglich die aktuelle, durchgeschriebene Fassung des geänderten Tarifvertrags oder der geänderten kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen zu übermitteln.

(3f) Das Bundesministerium für Gesundheit evaluiert unter Beteiligung des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales bis zum 31. Dezember 2025 die Wirkungen der Regelungen der Absätze 3a und 3b und des § 82c.

(3g) Versorgungsverträge, die mit Pflegeeinrichtungen vor dem 1. September 2022 abgeschlossen wurden, sind spätestens bis zum Ablauf des 31. August 2022 mit Wirkung ab dem 1. September 2022 an die Vorgaben des Absatzes 3a oder des Absatzes 3b anzupassen.

(4) Mit Abschluß des Versorgungsvertrages wird die Pflegeeinrichtung für die Dauer des Vertrages zur pflegerischen Versorgung der Versicherten zugelassen. Die zugelassene Pflegeeinrichtung ist im Rahmen ihres Versorgungsauftrages zur pflegerischen Versorgung der Versicherten verpflichtet; dazu gehört bei ambulanten Pflegediensten auch die Durchführung von Beratungseinsätzen nach § 37 Absatz 3 auf Anforderung des Pflegebedürftigen. Die Pflegekassen sind verpflichtet, die Leistungen der Pflegeeinrichtung nach Maßgabe des Achten Kapitels zu vergüten.

(5) (aufgehoben)

Tenor

Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 28.05.2014 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt auch die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren.

Tatbestand

 
Die Klägerin begehrt die Freistellung von Kosten iHv 2.640,54 EUR, die sie für häusliche Krankenpflege durch einen ambulanten Pflegedienst hatte.
Die 1961 geborene Klägerin, die bei der Beklagten im Wege der Familienversicherung krankenversichert ist, leidet an einem apallischen Syndrom (sog Wachkoma). Pflegestufe II ist anerkannt. Bis 09.03.2012 war die Klägerin in der vollstationären Pflegeeinrichtung Haus M. in B. untergebracht. Die Klägerin erhält keine Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII).
Seit 09.03.2012 ist die Klägerin im Haus C. in M. untergebracht, das der Beigeladene, ein eingetragener Verein, 2010 erworben und behindertengerecht umgebaut hat. Seit 01.03.2012 bietet das Haus für Patienten mit schweren Schädelhirnverletzungen teilmöblierte Zimmer, einen Aufenthaltsbereich, eine voll ausgestattete Küche, Bäder und WC sowie einen Garten. Angehörige haben die Möglichkeit, im Zimmer des Bewohners zu übernachten. Das Haus C. bietet Platz für fünf Dauerbewohner (Wachkomapatienten) sowie einen Platz für Verhinderungspflege und ein Gästezimmer. In einer Resolution der Gründungsmitglieder der Wohngemeinschaft Haus C., zu denen auch der Betreuer der Klägerin gehört, wird als erklärtes Ziel ein häusliches Umfeld mit familiären Strukturen und gemeinsamen Unternehmungen bezeichnet.
Der Beigeladene hat an die Klägerin mit Mietvertrag vom 09.03.2012 ein teilmöbliertes Zimmer vermietet mit Mitbenutzung der Gemeinschaftsräume (Miete 620 EUR, Nebenkosten 160 EUR). Daneben haben sich die Mitglieder der Wohngemeinschaft Haus C. als Anlage 1 zum Mietvertrag vertraglich zu einer (Auftraggeber)Gemeinschaft zusammengeschlossen, um das Miteinander in der Wohngemeinschaft zu gestalten, gemeinsame Interessen gegenüber Dritten zu vertreten und die Gemeinschaft betreffende Geschäfte abzuschließen. Geregelt ist insbesondere unter Ziffer 2f die gemeinschaftliche Beauftragung des/der Pflegedienste(s) zur Durchführung von Pflege- und Betreuungsleistungen sowie hauswirtschaftliche Dienstleistungen iSd SGB XI, SGB V, SGB XII und weiterer Hilfen. Nach Ziffer 3g erfolgen die Entscheidungen der Gemeinschaft nach dem Mehrheitsprinzip; zur Herstellung einer Entscheidung ist eine 2/3-Mehrheit der stimmberechtigten Teilnehmer erforderlich. Jedes Mitglied ist nach Ziffer 3h verpflichtet, die Mehrheitsentscheidungen, die ggf auch gegen seinen Willen erfolgen, zu akzeptieren und sich an der Umsetzung zu beteiligen, beispielsweise einen Pflegevertrag zu kündigen und stattdessen einen neuen Vertrag mit dem von der Mehrheit der Gemeinschaft ausgewählten Pflegedienst abzuschließen.
Am 07.03.2012 schloss die Klägerin mit dem Pflegedienst des D. T. einen Vertrag über die Erbringung ambulanter Pflege und hauswirtschaftlicher Versorgung. Dieser sah ua folgende Regelungen vor:
§ 1 Gegenstand des Vertrags
(1) Ziel des Vertrags ist, dem Leistungsnehmer in der häuslichen Umgebung unter Wahrung seiner Menschenwürde zur Erhaltung und Aktivierung der eigenständigen Lebensführung sowie zur Erhaltung und Wiederherstellung individueller Fähigkeiten Hilfe zu gewähren. …
(2) Der Pflegedienst wird im Rahmen der gesetzlichen Regelungen des SGB V sowie des SGB XI dem Leistungsnehmer im Einzelfall eine fachlich kompetente und bedarfsgerechte Pflege und hauswirtschaftliche Versorgung unter Wahrung seiner Selbstständigkeit und Achtung seiner Persönlichkeit erbringen. …
§ 2 Leistungen des Pflegedienstes
10 
(1) Art, Inhalt und Umfang der Leistungen werden entsprechend dem jeweils gültigen Rahmenvertrag gemäß § 75 SGB XI für die ambulante Pflege und dem Vertrag gemäß §§ 132, 132a SGB V und den Leistungsvereinbarungen (Anlagen 1-2) erbracht. …
11 
(2) Der Pflegedienst bietet neben den Leistungen nach SGB V und SGB XI weitere Leistungen an. Diese werden in Anlage 3 vereinbart. Es gelten die Regelungen dieses Vertrags.
(3) …
12 
(4) Leistungen der Behandlungspflege (SGB V) werden lt ärztlicher Verordnung nach Maßgabe der Genehmigung durch die Krankenkasse erbracht. Vom Arzt verordnete und von der Krankenkasse genehmigte Leistungen gelten als vereinbart, sofern der Leistungsnehmer nicht widerspricht. Nimmt der Leistungsnehmer nicht verordnete oder von der Krankenkasse nicht genehmigte Leistungen in Anspruch, so hat er diese selbst zu bezahlen. Die Leistungen sollen in diesem Fall in der Leistungsvereinbarung SGB V (Anlage 2) vereinbart werden.
13 
§ 3 Mitwirkungspflichten
14 
(1) Leistungen zu Lasten der Kranken- oder Pflegekasse sowie eines Sozialhilfeträgers setzen die Mitwirkung des Leistungsnehmers als versicherte Person bzw als anspruchsberechtigte Person voraus. Der Leistungsnehmer stellt für die im Rahmen dieses Vertrags vom Pflegedienst zu erbringenden Leistungen die notwendigen Anträge und holt die Genehmigung zu der ärztlichen Verordnung für die im Rahmen dieses Vertrags vom Pflegedienst zu erbringenden Leistungen vom jeweiligen Kostenträger ein.
15 
§ 5 Abrechnung mit den Sozialleistungsträgern
16 
(1) Leistungen, die direkt mit der Pflegekasse oder der Krankenkasse abgerechnet werden können, werden vom Pflegedienst dem jeweiligen Kostenträger direkt in Rechnung gestellt.
17 
§ 6 Abrechnung mit dem Leistungsnehmer
18 
(1) Soweit Leistungen nicht von den Kranken- und Pflegekassen bzw dem zuständigen Sozialhilfeträger übernommen werden, sind diese vom Leistungsnehmer selbst zu bezahlen…
19 
Das Landratsamt T., Abteilung Gesundheit-Heimaufsicht, führte in einem Schreiben an den Beigeladenen vom 30.06.2011 zum Status der Wohngemeinschaft für Menschen mit erworbenen Schädel-Hirnverletzungen M. aus, dass zum aktuellen Zeitpunkt davon ausgegangen werde, dass die Wohngemeinschaft für Menschen mit erworbenen Schädelhirnverletzungen in M. eine Wohngemeinschaft außerhalb des Heimgesetzes Baden-Württemberg darstelle. Auch im Rahmen nachfolgender Überprüfungen in den Folgejahren blieb die Heimaufsicht dabei, dass es sich bei der Wohngemeinschaft Haus C. nicht um eine unter das Heimgesetz fallende Einrichtung handele.
20 
Der Allgemeinarzt Dr. S. verordnete der Klägerin am 24.02.2012 häusliche Krankenpflege für den Zeitraum 09.03. bis 31.05.2012 zur Sicherung der ambulanten ärztlichen Behandlung in Form von Medikamentenverabreichung dreimal täglich und Versorgung bei PEG einmal täglich jeweils sieben Tage die Woche (Eingang bei der Beklagten am 05.03.2012). Entsprechende Folgeverordnungen wurden laufend ausgestellt.
21 
Mit Bescheid vom 06.03.2012 lehnte die Beklagte die Gewährung häuslicher Krankenpflege für den Zeitraum 09.03. bis 31.05.2012 ab. Das Haus C. können nicht als ambulant betreute Wohnform anerkannt werden. Nach den gesetzlichen Bestimmungen könne häusliche Krankenpflege nur in einem Haushalt geleistet werden.
22 
Mit Widerspruch vom 14.03.2012 machten die Bevollmächtigten der Klägerin geltend, es handele sich bei der Wohngemeinschaft Haus C. um eine ambulant betreute Wohnform oder zumindest einen sonstigen geeigneten Ort zur Leistungserbringung. Gegenüber dem Beigeladenen habe die Klägerin keinen Anspruch auf Erbringung von Behandlungspflege. Das Landratsamt T. habe die Wohngemeinschaft als außerhalb des Landesheimgesetzes stehende Wohnform eingestuft. Mit der Neufassung der Anspruchsvoraussetzungen im Jahr 2007 sei beabsichtigt worden, ambulant betreute Wohnformen gegenüber konventionellen Haushalten gleichzustellen und hierdurch vorzeitige stationäre Einweisungen zu vermeiden.
23 
Mit Widerspruchsbescheid vom 26.07.2012 wies die Beklagte den Widerspruch zurück. Das Haus C. sei kein geeigneter Ort iSv § 37 SGB V, vielmehr handele es sich um eine nicht zugelassene vollstationäre Einrichtung. Ein wesentliches Unterscheidungskriterium zwischen stationärer Wohnform und ambulant betreutem Wohnen sei die Unabhängigkeit der vertraglichen Bedingungen hinsichtlich des Wohnens und der weitergehenden pflegerischen oder betreuenden Versorgung. Das Prinzip der Selbstbestimmtheit sei das entscheidende Kriterium für eine ambulant betreute Wohngemeinschaft. Bei ausschließlich schwer und schwerst pflegebedürftigen Bewohnern in einer Wohngemeinschaft gestalte sich das Zusammenleben fremdbestimmt. Angehörige könnten das Selbstbestimmungsrecht der Bewohner nur dann ausüben, wenn sie mit in der Wohngemeinschaft lebten; für die Bewohner sei eine eigene Haushaltsführung nicht möglich. Der Pflegedienst sei nicht frei wählbar. Der Pflegebedarf der Klägerin erfordere eine Rund-um-die-Uhr-Versorgung, wie sie in einer stationären Einrichtung vorgehalten werde. Im Haus C. stehe nicht das gemeinsame selbstbestimmte Leben im Vordergrund, sondern die pflegerische Versorgung der Bewohner.
24 
Hiergegen richtet sich die am 08.08.2012 zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhobene Klage. Es handele sich vorliegend um eine ambulant betreute Wohnform und damit einen qualifizierten Leistungserbringungsort iSd gesetzlichen Vorgaben. Die Wohngemeinschaft sei nicht von einem Pflegedienst, sondern von Bewohnern und deren Angehörigen ins Leben gerufen worden. Die Klägerin habe gegenüber dem Beigeladenen keinen Anspruch auf Behandlungspflege, dieser sei lediglich Vermieter. Durch die Bewohner bzw deren Angehörige könne der Pflegedienst frei gewählt werden. Über die einheitliche Inanspruchnahme des D.-Pflegedienstes habe die Mietergemeinschaft durch Gemeinschaftsbeschluss entschieden. Die Inanspruchnahme desselben Pflegedienstes diene der Erzielung von Synergieeffekten und werde durch den Gesetzgeber ausdrücklich gefördert. Das Landratsamt T. habe eine außerhalb des Heimgesetzes stehende Wohnform bestätigt. Im Übrigen könne das Landesheimgesetz den Anspruch auf häusliche Krankenpflege nicht konkretisieren, weshalb es auf die heimrechtliche Qualifizierung nicht ankomme. Mit der Annahme, dass die Versorgung von Bewohnern mit hohem grundpflegerischen Hilfebedarf ein hohes Maß an Struktur-, Prozess- und Ergebnisqualität verlange, vermenge die Beklagte das Heimrecht mit dem Recht der gesetzlichen Krankenversicherung. Es sei nicht Aufgabe der Beklagten, mit der Verweigerung von Leistungen heimaufsichtsrechtliche Befugnisse wahrzunehmen. Im Übrigen würden in der Wohngemeinschaft Qualitätsstandards eingehalten, die über die für stationäre Pflegeeinrichtungen geltenden Standards hinausgingen. Die Beklagte verhalte sich widersprüchlich und schaffe eine Versorgungslücke, indem sie einerseits als Pflegekasse Leistungen für ambulante Pflege erbringe und andererseits im Bereich der häuslichen Krankenpflege eine ambulant betreute Wohnform nicht anerkenne. Die Klägerin hat mit Schreiben vom 19.11.2013 Rechnungen und Leistungsnachweise des Pflegedienstes vorgelegt.
25 
Mit Urteil vom 28.05.2014 hat das SG die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, die Klägerin von den Kosten häuslicher Krankenpflege im Zeitraum 09.03. bis 31.05.2012 iHv 2.640,54 EUR freizustellen. Weitere Verordnungszeiträume seien nicht in das Verfahren einzubeziehen. Der Anspruch der Klägerin ergebe sich aus § 13 Abs 3 SGB V. Die Beklagte habe die Gewährung häuslicher Krankenpflege zu Unrecht abgelehnt. Durch die Neufassung des § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V mWz 01.04.2007 könne häusliche Krankenpflege neben dem Haushalt auch an einem anderen geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen in Anspruch genommen werden. Die Frage, ob die Erbringung häuslicher Krankenpflege in einer Einrichtung, die unter die heimrechtlichen Vorschriften falle, zulässig sei, bedürfe keiner Entscheidung, denn das Landratsamt T. habe festgestellt, dass es sich bei der Wohngemeinschaft im Haus C. nicht um eine unter das Heimgesetz fallende Form des betreuten Wohnens handele. Die Voraussetzungen für einen geeigneten Ort iSv § 37 Abs 1 Satz 2 SGB V seien erfüllt, insbesondere habe die Klägerin gegen den Beigeladenen als Vermieter keinen Anspruch auf die Erbringung medizinischer Behandlungspflege. Der Mietvertrag sei mit der Erbringung von Pflegeleistungen weder tatsächlich noch konditional verknüpft, vielmehr schließe jeder Bewohner einen gesonderten Pflegevertrag. Die Wahlfreiheit der Bewohner sei insoweit nicht eingeschränkt. Die Vereinbarung eines gemeinsamen Pflegedienstes entspreche dem gemeinsamen Interesse der Gemeinschaft, eine möglichst hohe zeitliche und fachliche Kontinuität im Rahmen der Pflege zu gewähren und Synergieeffekte zu nutzen. Der Umstand, dass die Bewohner zu einer eigenständigen Haushaltsführung nicht in der Lage seien, stehe dem Anspruch auf häusliche Krankenpflege nicht entgegen. Das Vorliegen eines Haushalts werde vom Gesetz für den geeigneten Ort iSv § 37 Abs 1 Satz 1 SGB V nicht gefordert, auch das von der Beklagten herangeführte Prinzip der Selbstbestimmung könne insoweit nicht als Kriterium herangezogen werden. Die Einhaltung der erforderlichen Qualitätsstandards liege in der Aufgabe der Heimaufsicht und des Medizinischen Dienstes der Krankenversicherung und werde durch turnusmäßige Kontrollen überprüft. Seit der Gründung im Jahr 2012 seien Mängel in der pflegerischen Versorgung der Bewohner des Haus C. weder dokumentiert noch vorgetragen. Die Frage, ob Anspruch auf Leistungen der häuslichen Krankenpflege bestehe, könne nicht davon abhängen, ob in der Gesamtschau ausreichend Indizien für eine stationäre Einrichtung vorlägen. Die heimrechtliche Qualifizierung weise keinen inhaltlichen Bezug zur Erbringung häuslicher Krankenpflege auf.
26 
Gegen das ihr am 23.06.2014 zugestellte Urteil richtet sich die am 18.07.2014 eingelegte Berufung der Beklagten. Die Auslegung des Begriffs „geeigneter Ort“ durch das SG gehe zu weit. Durch die Erweiterung des Haushaltsbegriffs sollten nach der Gesetzesbegründung vorschnelle stationäre Einweisungen vermieden werden. Die Begründung zeige, dass die Vorschrift des § 37 Abs 2 Satz 1 1. Hs SGB V nach wie vor auf die „Häuslichkeit“ der Einrichtung abstelle. Erforderlich sei daher weiterhin, dass die betreffende Person in einer abgeschlossenen Wohnung lebe und in der Gestaltung der persönlichen Lebensführung weitgehend unabhängig sei. Wohnformen, in denen lediglich ein Einzelzimmer mit der Möglichkeit zur Nutzung der Gemeinschaftsräume bewohnt werde, fehle es an der Häuslichkeit. Gegen die Annahme eines Haushalts spreche, dass die Einrichtung den Bewohnern eine Art Rundumversorgung anbiete bzw die Erwartung hervorrufe, es werde eine Versorgungssicherheit vergleichbar mit einem Heim geboten. Außerdem spreche gegen die Annahme eines geeigneten Ortes, dass tatsächlich eine stationäre Pflegeeinrichtung vorliegen dürfte, die jedoch nicht über einen Versorgungsvertrag nach § 72 SGB XI verfüge. Eine strukturelle Abhängigkeit von Wohnraumüberlassung und Betreuungsleistungen trotz getrennter Verträge liege bei eingeschränkter freier Wählbarkeit der Pflege- und Betreuungsleistungen vor und spreche für das Vorliegen einer stationären Einrichtung. Vorliegend bestehe faktisch keine freie Wählbarkeit, da für alle Bewohner einheitlich die Betreuung durch den Pflegedienst des D. T. erfolge. Zudem seien Wachkomapatienten schwerstpflegebedürftig und nicht in der Lage, ein eigenständiges, selbstverantwortetes Leben zu führen, wie es für eine betreute Wohngemeinschaft typisch sei. Das Angebot im Haus C. entspreche einer stationären Einrichtung, die hier ohne entsprechenden Versorgungsvertrag nach § 72 SGB XI vorliege. Das Haus C. sei somit kein anderer geeigneter Ort iSv § 37 SGB V.
27 
Die Beklagte beantragt,
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das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 28.05.2014 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
29 
Die Klägerin beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
31 
Der Gesetzgeber habe mit der Neufassung des § 37 Abs 2 SGB V ausdrücklich auch die Einbeziehung von Wohngemeinschaften für Menschen mit speziellen Pflege- und Betreuungsbedarfen in die geeigneten Orte des § 37 Abs 2 SGB V bezweckt. Dies gelte insbesondere für Wohngemeinschaften für Menschen mit Demenzerkrankungen oder eben auch für Menschen im Wachkoma. Typisches Merkmal solcher Wohngemeinschaften sei, dass nur ein Zimmer bewohnt werde und die Gemeinschaftsräume zur gemeinsamen Nutzung zur Verfügung stünden. Habe der Gesetzgeber Wohngemeinschaften in dieser typischen Erscheinungsform ausdrücklich aufnehmen wollen, könne den übrigen Formulierungen in der Gesetzesbegründung nicht entnommen werden, dass ein umfassender eigener Haushalt mit privater Nutzung aller Räume geführt werden müsse (unter Hinweis auf Senatsurteil vom 17.12.2013, L 11 KR 4070/11, juris). Den Begriff einer stationären Pflegeeinrichtung ohne pflegeversicherungsrechtliche Zulassung gebe es im Zusammenhang mit § 37 SGB V nicht. Entscheidend sei allein, ob die Bewohner gegen den Einrichtungsträger Anspruch auf Leistungen der medizinischen Behandlungspflege habe – was hier unstreitig nicht der Fall sei. Durch die rechtskräftige Beurteilung der zuständigen Heimaufsicht stehe zudem fest, dass hier keine stationäre Einrichtung im heimrechtlichen Sinne vorliege. Die Ausführungen der Beklagten zur selbstständigen Lebensführung beruhten auf einem falschen Verständnis. Benötigten Menschen mit Demenz oder im Wachkoma eine rechtliche Betreuung, könne daraus nicht gefolgert werden, dass keine selbstbestimmte Lebensführung vorliege. Es seien lediglich Entscheidung im notwendigen Umfang durch die Betreuungspersonen zu treffen.
32 
Der Beigeladene hat sich im Berufungsverfahren nicht geäußert und keinen Antrag gestellt.
33 
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Rechtszüge und die Verwaltungsakten der Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

 
34 
Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
35 
Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz) eingelegte Berufung ist statthaft (§ 143 SGG) und damit zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Das SG hat den angefochtenen Bescheid vom 06.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.07.2012 zu Recht aufgehoben, denn dieser ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Freistellung von den im streitigen Zeitraum 09.03. bis 31.05.2012 entstandenen Kosten für häusliche Krankenpflege iHv 2.640,54 EUR.
36 
Die Klage ist als Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) zulässig. Der Anspruch der Klägerin ist in zulässiger Weise auf die Freistellung von Kosten für eine selbst beschaffte Leistung gerichtet, weil sie die Leistung erhalten, aber den in Rechnung gestellten Betrag noch nicht bezahlt hat. Ein solcher Anspruch ist mit der Leistungsklage geltend zu machen. Auch dieser Anspruch ist – wie hier geschehen - zu beziffern, weil die Leistung bereits abgerechnet wurde (vgl BSG 17.06.2010, B 3 KR 7/09, R, BSGE 106, 173).
37 
Anspruchsgrundlage ist § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V (idF vom 26.03.2007, BGBl I, 378). Diese auf die Erstattung vom Versicherten bereits gezahlter Kosten zugeschnittenen Bestimmungen sind bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen entsprechend anzuwenden, wenn die Verpflichtung bereits entstanden ist, der Versicherte aber noch nicht gezahlt hat (Urteil des Senats vom 26.11.2013, L 11 KR 3362/12; LSG Baden-Württemberg 01.03.2013, L 4 KR 3797/11). Statt einer Erstattung kann er dann die Bezahlung seiner Schuld durch den Versicherungsträger verlangen (ständige Rechtsprechung zB BSG 10.02. 2000, B 3 KR 26/99 R, 17.06. 2010, B 3 KR 7/09 R, beide in juris). Danach sind die Kosten in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (Alt 1) oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (Alt 2) und dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, soweit die Leistung notwendig war. Mit dieser Regelung wird der Grundsatz des Sach- und Dienstleistungsanspruchs nach § 2 Abs 2 Satz 1 SGB V für die Fälle ergänzt, in denen die Krankenkasse eine geschuldete Leistung nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung stellen kann (BSG 02.11.2007, B 1 KR 14/07 R, BSGE 99, 180 = SozR 4-2500 § 13 Nr 15). Der Naturalleistungsanspruch des Versicherten wandelt sich um in einen Kostenerstattungsanspruch bzw soweit die Kosten tatsächlich noch nicht beglichen sind, in einen Anspruch des Versicherten auf Freistellung von den Kosten. Der Freistellungsanspruch nach § 13 Abs 3 SGB V reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse. Er setzt voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung des BSG 14.12.2006, B 1 KR 12/06 R, SozR 4-2500 § 31 Nr 8; BSG 27.03.2007, B 1 KR 17/06 R, juris).
38 
Dies ist hier der Fall, die Klägerin hatte einen Anspruch gegen die Beklagte auf Versorgung mit häuslicher Krankenpflege. Die Beklagte hat die Gewährung häuslicher Krankenpflege zu Unrecht abgelehnt. Die erforderliche Kausalität zwischen Leistungsablehnung und Kostenverursachung („dadurch“) ist gegeben; die Voraussetzungen für die Bewilligung der Leistung lagen vor.
39 
Nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach Satz 2 Nr 4 dieser Vorschrift umfasst die Krankenbehandlung ua auch häusliche Krankenpflege und Haushaltshilfe. Nach § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V ab dem 01.04.2007 geltenden Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbs-Stärkungs-Gesetz GKV-WSG vom 26.03.2007, BGBl I S 378) erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist; der Anspruch umfasst verrichtungsbezogene krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen auch in den Fällen, in denen dieser Pflegebedarf bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach den §§ 14 und 15 SGB XI zu berücksichtigen ist. Gemäß § 37 Abs 6 SGB V legt der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) in Richtlinien nach § 92 SGB V fest, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 auch außerhalb des Haushalts und der Familie des Versicherten erbracht werden können. Er bestimmt darüber hinaus das Nähere über Art und Inhalt der verrichtungsbezogenen krankheitsspezifischen Pflegemaßnahmen nach § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V.
40 
Durch die Neufassung des § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V mit Wirkung zum 01.04.2007 kann häusliche Krankenpflege neben dem Haushalt oder der Familie auch an einem anderen geeigneten Ort insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen in Anspruch genommen werden. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs 16/3100 S 104) hat sich die Beschränkung der Leistung zur häuslichen Krankenpflege auf Haushalt und Familie des Versicherten im Hinblick auf das Ziel, vorschnelle stationäre Einweisungen zu vermeiden, als kontraproduktiv erwiesen. Die Neuregelung solle, so die weitere Gesetzesbegründung, durch vorsichtige Erweiterung des Haushaltsbegriffes bewirken, dass in der gesetzlichen Krankenversicherung neue Wohnformen, Wohngemeinschaften und betreutes Wohnen hinsichtlich der Erbringung von häuslicher Krankenpflege gegenüber konventionellen Haushalten nicht benachteiligt werden. Betreute Wohnformen, deren Bewohner ambulante Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung erhalten, sollen verbesserte Angebote für ambulant Pflegebedürftige darstellen; dem werde durch die Änderung Rechnung getragen. Darüber hinaus werde im Hinblick auf bestimmte, eng begrenzte Personengruppen durch die Erweiterung des Haushaltsbegriffs eine vorschnelle Einweisung in stationäre Einrichtung verhindert. Ein „geeigneter Ort“ für die Leistung der häuslichen Krankenpflege durch die gesetzliche Krankenversicherung sei jedenfalls dann nicht gegeben, wenn sich der Versicherte in einer Einrichtung befinde, in der er nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung medizinischer Behandlungspflege durch die Einrichtung habe.
41 
In Umsetzung seiner Verpflichtung hat der GBA in der Richtlinie über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege (HKP-Richtlinie vom 17.09.2009, BAnz Nr 21a vom 09.02.2010, Beilage; idF vom 21.10.2010, BAnz 2011 Nr 16 vom 14.01.2011 S 339) in § 1 Abs 2 Satz 2 folgende Regelung getroffen:
42 
Häusliche Krankenpflege wird im Haushalt des Versicherten oder seiner Familie erbracht. Anspruch auf häusliche Krankenpflege besteht auch an sonstigen geeigneten Orten, an denen sich der Versicherte regelmäßig wiederkehrend aufhält und an denen
43 
- die verordnete Maßnahme zuverlässig durchgeführt werden kann und
- für die Erbringung der einzelnen Maßnahmen geeignete räumliche Verhältnisse vorliegen (zB im Hinblick auf hygienische Voraussetzungen, Wahrung der Intimsphäre, Beleuchtung),
- wenn die Leistung aus medizinisch-pflegerischen Gründen während des Aufenthaltes an diesem Ort notwendig ist. Orte im Sinne des Satz 2 können insbesondere Schulen, Kindergärten, betreute Wohnformen oder Arbeitsstätten sein.
44 
Nach § 1 Abs 6 HKP-Richtlinien gilt: Für die Zeit des Aufenthalts in Einrichtungen, in denen nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtungen besteht (zB Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen, Pflegeheimen), kann häusliche Krankenpflege nicht verordnet werden. Ob ein solcher Anspruch besteht, ist im Einzelfall durch die Krankenkassen zu prüfen. Abweichend davon kann häusliche Krankenpflege in Werkstätten für behinderte Menschen verordnet werden, wenn die Intensität oder Häufigkeit der in der Werkstatt zu erbringenden Pflege so hoch ist, dass nur durch den Einsatz einer Pflegefachkraft Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit vermieden oder das Ziel der ärztlichen Behandlung gesichert werden kann und die Werkstatt für behinderte Menschen nicht auf Grund des § 10 der Werkstättenverordnung verpflichtet ist, die Leistung selbst zu erbringen (§ 1 Abs 7 Satz 1 HKP-Richtlinien). Eine Verordnung von Behandlungspflege ist auch für Versicherte in Pflegeheimen zulässig, die auf Dauer, voraussichtlich für mindestens 6 Monate, einen besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben (§ 37 Abs 2 Satz 3 SGB V). Dies ist der Fall, wenn …(§ 1 Abs 7 Sätze 2 und 3 HKP-Richtlinien).
45 
Aus dem Regelungsgefüge von gesetzlichen Vorschriften und den Normen der HKP-Richtlinie ergibt sich, dass der Anspruch an allen geeigneten Orten besteht, an denen sich der Versicherte regelmäßig aufhält, wenn die Leistung aus medizinisch pflegerischen Gründen während des Aufenthalts an diesem Ort notwendig ist. Einschränkungen ergeben sich – abgesehen von der Geeignetheit der räumlichen Verhältnisse – erst aus den Regelungen des § 1 Abs 6 HKP-Richtlinien, dh für die Zeit des Aufenthalts in Einrichtungen nur dann, wenn nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtung besteht. Dies ist im Einzelfall zu prüfen. Einrichtungen der Eingliederungshilfe werden in den HKP-Richtlinien den Krankenhäusern und Pflegeheimen ausdrücklich nicht (mehr) gleichgestellt (BSG 25.02.2015, B 3 KR 10/14 R, juris).
46 
Die Wohngemeinschaft Haus C. erfüllt nach den Feststellungen des Senats die Voraussetzungen für einen geeigneten Ort iSv § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V. Nach dem Mietvertrag steht der Klägerin ein teilmöbliertes Zimmer zur Alleinbenutzung zur Verfügung und sie hat Mitbenutzungsrechte an den Gemeinschaftsräumen (Aufenthaltsbereich, Küche, Bäder, Garten). Eine Beschränkung des Anspruchs auf Fälle, in denen noch ein Mindestmaß eines eigenen Haushalts oder ein Leben in der Familie geführt wird, lässt sich der aktuellen Gesetzesfassung nicht entnehmen (BSG 25.02.2015, B 3 KR 10/14 R, juris RdNr 17). Es ist daher nicht entscheidend, ob die Klägerin selbst noch eigenverantwortliche Entscheidungen treffen kann.
47 
Entscheidend ist vielmehr, dass die Klägerin gegen den Beigeladenen keinen Anspruch auf Erbringung von Leistungen der Behandlungspflege hat. Ein gesetzlicher Anspruch auf Behandlungspflege besteht nicht. Ob ein vertraglicher Anspruch auf Behandlungspflege die Wertung des Haus C. als geeigneten Ort iSv § 37 SGB V ausschließt, kann offen bleiben, denn ein solcher Anspruch hat ebenfalls nicht bestanden. In dem vorliegenden Mietvertrag wurde Behandlungspflege offensichtlich nicht vereinbart. Der mit dem Pflegedienst des D. T. geschlossene Vertrag über die Erbringung ambulanter Pflege und hauswirtschaftlicher Versorgung sieht in § 2 Abs 4 vor, dass Leistungen der Behandlungspflege lt ärztlicher Verordnung nach Maßgabe der Genehmigung durch die Krankenkasse erbracht werden. Vom Arzt verordnete und von der Krankenkasse genehmigte Leistungen gelten als vereinbart, sofern der Leistungsnehmer nicht widerspricht. Nimmt der Leistungsnehmer nicht verordnete oder von der Krankenkasse nicht genehmigte Leistungen in Anspruch, so hat er diese selbst zu bezahlen. Hinsichtlich der Kostentragung sieht § 5 Abs 1 des Vertrags ausdrücklich vor, dass Leistungen, die direkt mit der Pflegekasse oder der Krankenkasse abgerechnet werden können, vom Pflegedienst dem jeweiligen Kostenträger direkt in Rechnung gestellt werden. Damit bleiben die gegen die Krankenkasse bestehenden Ansprüche auf Leistungen der Behandlungspflege vorrangig. Zudem ist der Vertrag über die Erbringung ambulanter Pflege und hauswirtschaftlicher Versorgung rechtlich nicht konditional mit dem Mietvertrag verknüpft. Es besteht daher kein Anspruch gegen den Beigeladenen als Vermieter. Auch die örtliche Geeignetheit ist gegeben. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die häusliche Krankenpflege in den Räumen des Hauses C. nicht zuverlässig und unter Beachtung der hygienischen und sonstigen Anforderungen gemäß § 1 Abs 2 Satz 2 HKP-Richtlinie durchgeführt werden kann, dies wird auch von der Beklagten nicht behauptet.
48 
Keine andere Beurteilung ergibt sich aus der Argumentation der Beklagten, bei dem Haus C. handele es sich tatsächlich um eine stationäre Pflegeeinrichtung ohne Versorgungsvertrag nach § 72 SGB XI. Die heimrechtliche Qualifizierung ist kein geeignetes Abgrenzungskriterium, da sie keinen Bezug zur häuslichen Krankenpflege hat (vgl Luthe in Hauck/Noftz, Stand 02/15, SGB V, § 37 RdNr 52; Padé in jurisPK-SGB V § 37 RdNr 32). Davon abgesehen teilt der Senat aufgrund der Feststellungen und Überprüfungen der zuständigen Heimaufsicht deren Auffassung, dass das Haus C. nicht dem Landesheimgesetz (LHeimG) unterfällt. Heime sind gemäß § 1 Abs 1 Satz 2 LHeimG Einrichtungen, die dem Zweck dienen, ältere Menschen oder volljährige pflegebedürftige oder psychisch kranke oder behinderte Menschen aufzunehmen, ihnen Wohnraum zu überlassen sowie Betreuung und Verpflegung zur Verfügung zu stellen oder vorzuhalten, und die in ihrem Bestand von Wechsel und Zahl der Bewohner unabhängig sind und entgeltlich betrieben werden. Nach § 1 Abs 2 LHeimG ist das Gesetz nicht auf betreutes Wohnen anzuwenden, wenn die Mieter vertraglich lediglich dazu verpflichtet sind, allgemeine Betreuungsleistungen wie Notrufdienste, die Vermittlung von Dienst- und Pflegeleistungen oder Informationen und Beratungsleistungen von bestimmten Anbietern anzunehmen und die darüber hinausgehenden Betreuungs- und Pflegeleistungen von den Bewohnern frei wählbar sind. Betreutes Wohnen im Sinne dieses Gesetzes ist eine Wohnform, bei der Vermieter von abgeschlossenen Wohnungen durch Verträge mit Dritten oder auf andere Weise sicherstellen, dass den Mietern nebst der Überlassung des Wohnraums allgemeine Betreuungsleistungen angeboten werden. Nach § 1 Abs 7 LHeimG gilt dieses Gesetz nicht für Wohngemeinschaften für Pflegebedürftige, wenn sie strukturell von Dritten unabhängig sind. Das ist der Fall, wenn die Mitglieder der Wohngemeinschaft alle Angelegenheiten der Wohngemeinschaft in einer Auftraggebergemeinschaft selbst regeln. Die Wahlfreiheit bezüglich der Betreuungsleistungen darf nicht beschränkt werden. Eine Beschränkung liegt insbesondere dann vor, wenn Vermieter und Pflegedienstleister identisch sind oder rechtlich oder faktisch verbunden sind.
49 
Das Landratsamt T., Abteilung Gesundheit – Heimaufsicht ist auch nach mehrfacher Überprüfung des Hauses C. unter Berücksichtigung der geschlossenen Verträge, von Protokollen der Sitzungen der Auftraggebergemeinschaft und Rücksprache mit deren Mitgliedern bei der Beurteilung geblieben, dass das Haus C. eine Wohngemeinschaft für Pflegebedürftige ist, die nicht unter das LHeimG fällt. Dabei hat die Heimaufsicht entsprechend dem LHeimG als maßgebendes Abgrenzungsmerkmal auf die strukturelle Unabhängigkeit von Dritten abgestellt. Dieses Kriterium ist hier erfüllt, da die Angelegenheiten der Wohngemeinschaft von dieser selbst über eine Auftraggebergemeinschaft geregelt werden und die Wahlfreiheit hinsichtlich der Betreuungsleistungen nicht beschränkt ist. Die vom Gesetz geforderte Wahlfreiheit ist nicht deshalb in Frage zu stellen, weil der Pflegedienst im Wege von Mehrheitsentscheidungen gewählt wird. In der Gesetzesbegründung zu § 1 Abs 7 LHeimG wird vor dem Hintergrund der bezweckten Synergieeffekte durch ein gemeinschaftliches Pflegearrangement der Wohngemeinschaft ausdrücklich klargestellt, dass die Wahlfreiheit als kollektive Wahlfreiheit der Auftraggeber zu verstehen ist und insoweit nur die Unabhängigkeit der Auftraggebergemeinschaft von Dritten wie dem Vermieter oder einem Pflegedienstleister gefordert wird (Landtag von Baden-Württemberg, Drs 14/2535 S 31). Soweit von der Heimaufsicht noch Mängel in der Dokumentation der Beschlüsse der Auftraggebergemeinschaft beanstandet werden (zB Schreiben vom 25.02.2013), ändert dies – auch nach Auffassung der Heimaufsicht - an der Gesamtbeurteilung nichts.
50 
An der medizinischen Erforderlichkeit der verordneten Leistungen der Behandlungspflege (Medikamentengabe und PEG-Versorgung) zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung bestehen keine Zweifel; dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.
51 
Von dem Erstattungsbetrag sind keine Abzüge nach §§ 37 Abs 5, 61 Satz 3 SGB V zu machen, da die Klägerin nach Mitteilung der Beklagten im streitigen Zeitraum von Zuzahlungen nach § 62 SGB V befreit war.
52 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
53 
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.

Gründe

 
34 
Die Berufung der Beklagten hat keinen Erfolg.
35 
Die form- und fristgerecht (§ 151 Abs 1 Sozialgerichtsgesetz) eingelegte Berufung ist statthaft (§ 143 SGG) und damit zulässig, in der Sache jedoch nicht begründet. Das SG hat den angefochtenen Bescheid vom 06.03.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 26.07.2012 zu Recht aufgehoben, denn dieser ist rechtswidrig und verletzt die Klägerin in ihren Rechten. Die Klägerin hat einen Anspruch auf Freistellung von den im streitigen Zeitraum 09.03. bis 31.05.2012 entstandenen Kosten für häusliche Krankenpflege iHv 2.640,54 EUR.
36 
Die Klage ist als Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs 4 SGG) zulässig. Der Anspruch der Klägerin ist in zulässiger Weise auf die Freistellung von Kosten für eine selbst beschaffte Leistung gerichtet, weil sie die Leistung erhalten, aber den in Rechnung gestellten Betrag noch nicht bezahlt hat. Ein solcher Anspruch ist mit der Leistungsklage geltend zu machen. Auch dieser Anspruch ist – wie hier geschehen - zu beziffern, weil die Leistung bereits abgerechnet wurde (vgl BSG 17.06.2010, B 3 KR 7/09, R, BSGE 106, 173).
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Anspruchsgrundlage ist § 13 Abs 3 Satz 1 SGB V (idF vom 26.03.2007, BGBl I, 378). Diese auf die Erstattung vom Versicherten bereits gezahlter Kosten zugeschnittenen Bestimmungen sind bei Vorliegen der sonstigen Voraussetzungen entsprechend anzuwenden, wenn die Verpflichtung bereits entstanden ist, der Versicherte aber noch nicht gezahlt hat (Urteil des Senats vom 26.11.2013, L 11 KR 3362/12; LSG Baden-Württemberg 01.03.2013, L 4 KR 3797/11). Statt einer Erstattung kann er dann die Bezahlung seiner Schuld durch den Versicherungsträger verlangen (ständige Rechtsprechung zB BSG 10.02. 2000, B 3 KR 26/99 R, 17.06. 2010, B 3 KR 7/09 R, beide in juris). Danach sind die Kosten in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war, wenn die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen konnte (Alt 1) oder eine Leistung zu Unrecht abgelehnt hat (Alt 2) und dadurch dem Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden sind, soweit die Leistung notwendig war. Mit dieser Regelung wird der Grundsatz des Sach- und Dienstleistungsanspruchs nach § 2 Abs 2 Satz 1 SGB V für die Fälle ergänzt, in denen die Krankenkasse eine geschuldete Leistung nicht oder nicht rechtzeitig zur Verfügung stellen kann (BSG 02.11.2007, B 1 KR 14/07 R, BSGE 99, 180 = SozR 4-2500 § 13 Nr 15). Der Naturalleistungsanspruch des Versicherten wandelt sich um in einen Kostenerstattungsanspruch bzw soweit die Kosten tatsächlich noch nicht beglichen sind, in einen Anspruch des Versicherten auf Freistellung von den Kosten. Der Freistellungsanspruch nach § 13 Abs 3 SGB V reicht nicht weiter als ein entsprechender Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen seine Krankenkasse. Er setzt voraus, dass die selbst beschaffte Behandlung zu den Leistungen gehört, welche die Krankenkassen allgemein in Natur als Sach- oder Dienstleistung zu erbringen haben (ständige Rechtsprechung des BSG 14.12.2006, B 1 KR 12/06 R, SozR 4-2500 § 31 Nr 8; BSG 27.03.2007, B 1 KR 17/06 R, juris).
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Dies ist hier der Fall, die Klägerin hatte einen Anspruch gegen die Beklagte auf Versorgung mit häuslicher Krankenpflege. Die Beklagte hat die Gewährung häuslicher Krankenpflege zu Unrecht abgelehnt. Die erforderliche Kausalität zwischen Leistungsablehnung und Kostenverursachung („dadurch“) ist gegeben; die Voraussetzungen für die Bewilligung der Leistung lagen vor.
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Nach § 27 Abs 1 Satz 1 SGB V haben Versicherte Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Nach Satz 2 Nr 4 dieser Vorschrift umfasst die Krankenbehandlung ua auch häusliche Krankenpflege und Haushaltshilfe. Nach § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V ab dem 01.04.2007 geltenden Fassung des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV-Wettbewerbs-Stärkungs-Gesetz GKV-WSG vom 26.03.2007, BGBl I S 378) erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist; der Anspruch umfasst verrichtungsbezogene krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen auch in den Fällen, in denen dieser Pflegebedarf bei der Feststellung der Pflegebedürftigkeit nach den §§ 14 und 15 SGB XI zu berücksichtigen ist. Gemäß § 37 Abs 6 SGB V legt der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) in Richtlinien nach § 92 SGB V fest, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 auch außerhalb des Haushalts und der Familie des Versicherten erbracht werden können. Er bestimmt darüber hinaus das Nähere über Art und Inhalt der verrichtungsbezogenen krankheitsspezifischen Pflegemaßnahmen nach § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V.
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Durch die Neufassung des § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V mit Wirkung zum 01.04.2007 kann häusliche Krankenpflege neben dem Haushalt oder der Familie auch an einem anderen geeigneten Ort insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen in Anspruch genommen werden. Nach der Gesetzesbegründung (BT-Drs 16/3100 S 104) hat sich die Beschränkung der Leistung zur häuslichen Krankenpflege auf Haushalt und Familie des Versicherten im Hinblick auf das Ziel, vorschnelle stationäre Einweisungen zu vermeiden, als kontraproduktiv erwiesen. Die Neuregelung solle, so die weitere Gesetzesbegründung, durch vorsichtige Erweiterung des Haushaltsbegriffes bewirken, dass in der gesetzlichen Krankenversicherung neue Wohnformen, Wohngemeinschaften und betreutes Wohnen hinsichtlich der Erbringung von häuslicher Krankenpflege gegenüber konventionellen Haushalten nicht benachteiligt werden. Betreute Wohnformen, deren Bewohner ambulante Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung erhalten, sollen verbesserte Angebote für ambulant Pflegebedürftige darstellen; dem werde durch die Änderung Rechnung getragen. Darüber hinaus werde im Hinblick auf bestimmte, eng begrenzte Personengruppen durch die Erweiterung des Haushaltsbegriffs eine vorschnelle Einweisung in stationäre Einrichtung verhindert. Ein „geeigneter Ort“ für die Leistung der häuslichen Krankenpflege durch die gesetzliche Krankenversicherung sei jedenfalls dann nicht gegeben, wenn sich der Versicherte in einer Einrichtung befinde, in der er nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung medizinischer Behandlungspflege durch die Einrichtung habe.
41 
In Umsetzung seiner Verpflichtung hat der GBA in der Richtlinie über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege (HKP-Richtlinie vom 17.09.2009, BAnz Nr 21a vom 09.02.2010, Beilage; idF vom 21.10.2010, BAnz 2011 Nr 16 vom 14.01.2011 S 339) in § 1 Abs 2 Satz 2 folgende Regelung getroffen:
42 
Häusliche Krankenpflege wird im Haushalt des Versicherten oder seiner Familie erbracht. Anspruch auf häusliche Krankenpflege besteht auch an sonstigen geeigneten Orten, an denen sich der Versicherte regelmäßig wiederkehrend aufhält und an denen
43 
- die verordnete Maßnahme zuverlässig durchgeführt werden kann und
- für die Erbringung der einzelnen Maßnahmen geeignete räumliche Verhältnisse vorliegen (zB im Hinblick auf hygienische Voraussetzungen, Wahrung der Intimsphäre, Beleuchtung),
- wenn die Leistung aus medizinisch-pflegerischen Gründen während des Aufenthaltes an diesem Ort notwendig ist. Orte im Sinne des Satz 2 können insbesondere Schulen, Kindergärten, betreute Wohnformen oder Arbeitsstätten sein.
44 
Nach § 1 Abs 6 HKP-Richtlinien gilt: Für die Zeit des Aufenthalts in Einrichtungen, in denen nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtungen besteht (zB Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen, Pflegeheimen), kann häusliche Krankenpflege nicht verordnet werden. Ob ein solcher Anspruch besteht, ist im Einzelfall durch die Krankenkassen zu prüfen. Abweichend davon kann häusliche Krankenpflege in Werkstätten für behinderte Menschen verordnet werden, wenn die Intensität oder Häufigkeit der in der Werkstatt zu erbringenden Pflege so hoch ist, dass nur durch den Einsatz einer Pflegefachkraft Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit vermieden oder das Ziel der ärztlichen Behandlung gesichert werden kann und die Werkstatt für behinderte Menschen nicht auf Grund des § 10 der Werkstättenverordnung verpflichtet ist, die Leistung selbst zu erbringen (§ 1 Abs 7 Satz 1 HKP-Richtlinien). Eine Verordnung von Behandlungspflege ist auch für Versicherte in Pflegeheimen zulässig, die auf Dauer, voraussichtlich für mindestens 6 Monate, einen besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben (§ 37 Abs 2 Satz 3 SGB V). Dies ist der Fall, wenn …(§ 1 Abs 7 Sätze 2 und 3 HKP-Richtlinien).
45 
Aus dem Regelungsgefüge von gesetzlichen Vorschriften und den Normen der HKP-Richtlinie ergibt sich, dass der Anspruch an allen geeigneten Orten besteht, an denen sich der Versicherte regelmäßig aufhält, wenn die Leistung aus medizinisch pflegerischen Gründen während des Aufenthalts an diesem Ort notwendig ist. Einschränkungen ergeben sich – abgesehen von der Geeignetheit der räumlichen Verhältnisse – erst aus den Regelungen des § 1 Abs 6 HKP-Richtlinien, dh für die Zeit des Aufenthalts in Einrichtungen nur dann, wenn nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtung besteht. Dies ist im Einzelfall zu prüfen. Einrichtungen der Eingliederungshilfe werden in den HKP-Richtlinien den Krankenhäusern und Pflegeheimen ausdrücklich nicht (mehr) gleichgestellt (BSG 25.02.2015, B 3 KR 10/14 R, juris).
46 
Die Wohngemeinschaft Haus C. erfüllt nach den Feststellungen des Senats die Voraussetzungen für einen geeigneten Ort iSv § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V. Nach dem Mietvertrag steht der Klägerin ein teilmöbliertes Zimmer zur Alleinbenutzung zur Verfügung und sie hat Mitbenutzungsrechte an den Gemeinschaftsräumen (Aufenthaltsbereich, Küche, Bäder, Garten). Eine Beschränkung des Anspruchs auf Fälle, in denen noch ein Mindestmaß eines eigenen Haushalts oder ein Leben in der Familie geführt wird, lässt sich der aktuellen Gesetzesfassung nicht entnehmen (BSG 25.02.2015, B 3 KR 10/14 R, juris RdNr 17). Es ist daher nicht entscheidend, ob die Klägerin selbst noch eigenverantwortliche Entscheidungen treffen kann.
47 
Entscheidend ist vielmehr, dass die Klägerin gegen den Beigeladenen keinen Anspruch auf Erbringung von Leistungen der Behandlungspflege hat. Ein gesetzlicher Anspruch auf Behandlungspflege besteht nicht. Ob ein vertraglicher Anspruch auf Behandlungspflege die Wertung des Haus C. als geeigneten Ort iSv § 37 SGB V ausschließt, kann offen bleiben, denn ein solcher Anspruch hat ebenfalls nicht bestanden. In dem vorliegenden Mietvertrag wurde Behandlungspflege offensichtlich nicht vereinbart. Der mit dem Pflegedienst des D. T. geschlossene Vertrag über die Erbringung ambulanter Pflege und hauswirtschaftlicher Versorgung sieht in § 2 Abs 4 vor, dass Leistungen der Behandlungspflege lt ärztlicher Verordnung nach Maßgabe der Genehmigung durch die Krankenkasse erbracht werden. Vom Arzt verordnete und von der Krankenkasse genehmigte Leistungen gelten als vereinbart, sofern der Leistungsnehmer nicht widerspricht. Nimmt der Leistungsnehmer nicht verordnete oder von der Krankenkasse nicht genehmigte Leistungen in Anspruch, so hat er diese selbst zu bezahlen. Hinsichtlich der Kostentragung sieht § 5 Abs 1 des Vertrags ausdrücklich vor, dass Leistungen, die direkt mit der Pflegekasse oder der Krankenkasse abgerechnet werden können, vom Pflegedienst dem jeweiligen Kostenträger direkt in Rechnung gestellt werden. Damit bleiben die gegen die Krankenkasse bestehenden Ansprüche auf Leistungen der Behandlungspflege vorrangig. Zudem ist der Vertrag über die Erbringung ambulanter Pflege und hauswirtschaftlicher Versorgung rechtlich nicht konditional mit dem Mietvertrag verknüpft. Es besteht daher kein Anspruch gegen den Beigeladenen als Vermieter. Auch die örtliche Geeignetheit ist gegeben. Es bestehen keinerlei Anhaltspunkte dafür, dass die häusliche Krankenpflege in den Räumen des Hauses C. nicht zuverlässig und unter Beachtung der hygienischen und sonstigen Anforderungen gemäß § 1 Abs 2 Satz 2 HKP-Richtlinie durchgeführt werden kann, dies wird auch von der Beklagten nicht behauptet.
48 
Keine andere Beurteilung ergibt sich aus der Argumentation der Beklagten, bei dem Haus C. handele es sich tatsächlich um eine stationäre Pflegeeinrichtung ohne Versorgungsvertrag nach § 72 SGB XI. Die heimrechtliche Qualifizierung ist kein geeignetes Abgrenzungskriterium, da sie keinen Bezug zur häuslichen Krankenpflege hat (vgl Luthe in Hauck/Noftz, Stand 02/15, SGB V, § 37 RdNr 52; Padé in jurisPK-SGB V § 37 RdNr 32). Davon abgesehen teilt der Senat aufgrund der Feststellungen und Überprüfungen der zuständigen Heimaufsicht deren Auffassung, dass das Haus C. nicht dem Landesheimgesetz (LHeimG) unterfällt. Heime sind gemäß § 1 Abs 1 Satz 2 LHeimG Einrichtungen, die dem Zweck dienen, ältere Menschen oder volljährige pflegebedürftige oder psychisch kranke oder behinderte Menschen aufzunehmen, ihnen Wohnraum zu überlassen sowie Betreuung und Verpflegung zur Verfügung zu stellen oder vorzuhalten, und die in ihrem Bestand von Wechsel und Zahl der Bewohner unabhängig sind und entgeltlich betrieben werden. Nach § 1 Abs 2 LHeimG ist das Gesetz nicht auf betreutes Wohnen anzuwenden, wenn die Mieter vertraglich lediglich dazu verpflichtet sind, allgemeine Betreuungsleistungen wie Notrufdienste, die Vermittlung von Dienst- und Pflegeleistungen oder Informationen und Beratungsleistungen von bestimmten Anbietern anzunehmen und die darüber hinausgehenden Betreuungs- und Pflegeleistungen von den Bewohnern frei wählbar sind. Betreutes Wohnen im Sinne dieses Gesetzes ist eine Wohnform, bei der Vermieter von abgeschlossenen Wohnungen durch Verträge mit Dritten oder auf andere Weise sicherstellen, dass den Mietern nebst der Überlassung des Wohnraums allgemeine Betreuungsleistungen angeboten werden. Nach § 1 Abs 7 LHeimG gilt dieses Gesetz nicht für Wohngemeinschaften für Pflegebedürftige, wenn sie strukturell von Dritten unabhängig sind. Das ist der Fall, wenn die Mitglieder der Wohngemeinschaft alle Angelegenheiten der Wohngemeinschaft in einer Auftraggebergemeinschaft selbst regeln. Die Wahlfreiheit bezüglich der Betreuungsleistungen darf nicht beschränkt werden. Eine Beschränkung liegt insbesondere dann vor, wenn Vermieter und Pflegedienstleister identisch sind oder rechtlich oder faktisch verbunden sind.
49 
Das Landratsamt T., Abteilung Gesundheit – Heimaufsicht ist auch nach mehrfacher Überprüfung des Hauses C. unter Berücksichtigung der geschlossenen Verträge, von Protokollen der Sitzungen der Auftraggebergemeinschaft und Rücksprache mit deren Mitgliedern bei der Beurteilung geblieben, dass das Haus C. eine Wohngemeinschaft für Pflegebedürftige ist, die nicht unter das LHeimG fällt. Dabei hat die Heimaufsicht entsprechend dem LHeimG als maßgebendes Abgrenzungsmerkmal auf die strukturelle Unabhängigkeit von Dritten abgestellt. Dieses Kriterium ist hier erfüllt, da die Angelegenheiten der Wohngemeinschaft von dieser selbst über eine Auftraggebergemeinschaft geregelt werden und die Wahlfreiheit hinsichtlich der Betreuungsleistungen nicht beschränkt ist. Die vom Gesetz geforderte Wahlfreiheit ist nicht deshalb in Frage zu stellen, weil der Pflegedienst im Wege von Mehrheitsentscheidungen gewählt wird. In der Gesetzesbegründung zu § 1 Abs 7 LHeimG wird vor dem Hintergrund der bezweckten Synergieeffekte durch ein gemeinschaftliches Pflegearrangement der Wohngemeinschaft ausdrücklich klargestellt, dass die Wahlfreiheit als kollektive Wahlfreiheit der Auftraggeber zu verstehen ist und insoweit nur die Unabhängigkeit der Auftraggebergemeinschaft von Dritten wie dem Vermieter oder einem Pflegedienstleister gefordert wird (Landtag von Baden-Württemberg, Drs 14/2535 S 31). Soweit von der Heimaufsicht noch Mängel in der Dokumentation der Beschlüsse der Auftraggebergemeinschaft beanstandet werden (zB Schreiben vom 25.02.2013), ändert dies – auch nach Auffassung der Heimaufsicht - an der Gesamtbeurteilung nichts.
50 
An der medizinischen Erforderlichkeit der verordneten Leistungen der Behandlungspflege (Medikamentengabe und PEG-Versorgung) zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung bestehen keine Zweifel; dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.
51 
Von dem Erstattungsbetrag sind keine Abzüge nach §§ 37 Abs 5, 61 Satz 3 SGB V zu machen, da die Klägerin nach Mitteilung der Beklagten im streitigen Zeitraum von Zuzahlungen nach § 62 SGB V befreit war.
52 
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
53 
Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 24. April 2014 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen, soweit Kostenerstattung für die Zeit von Oktober 2008 bis August 2009 beansprucht wird. Im Übrigen wird das Urteil geändert und die Klage abgewiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 18 289,54 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die als örtlicher Sozialhilfeträger klagende Stadt macht gegen die beklagte Krankenkasse einen Anspruch auf Erstattung von Kosten geltend, die sie für die Versorgung eines Versicherten der Beklagten mit häuslicher Krankenpflege durch einen Pflegedienst in der Zeit von Oktober 2008 bis Mai 2011 getragen hat.

2

Die beigeladene Wohltätigkeitsorganisation, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, ist Trägerin des J.-J.-H. (JJH) in H., einer stationären sozialtherapeutischen Einrichtung der Wohnungslosenhilfe mit 71 Plätzen, in der wohnungslosen Männern mit psychischen Auffälligkeiten eine sozialpädagogisch betreute Unterbringung angeboten wird. In der Zeit vom 20.10.2008 bis 31.5.2011 lebte dort ein Versicherter der beklagten Krankenkasse (R. R., geboren 1956), der seit 1996 mit kleineren Unterbrechungen obdachlos war. Der Versicherte litt unter mehreren, teilweise schon chronifizierten Krankheiten (Herzrhythmusstörungen, Geschwür am Außenknöchel des rechten Fußes, Gastritis), die ständiger Behandlung bedurften. Er bezog Arbeitslosengeld II und erhielt seine Unterbringung im JJH auf Kosten der Klägerin als Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach §§ 67 ff SGB XII. Pflegebedürftigkeit nach §§ 14, 15 SGB XI war nicht festgestellt. Seit dem 1.6.2011 lebt er als mittlerweile "trockener" Alkoholiker wieder in einer eigenen Wohnung.

3

Aufgrund vertragsärztlicher Verordnungen erhielt der Versicherte während der gesamten Zeit des Aufenthalts im JJH häusliche Krankenpflege zur Sicherung des Ziels der ambulanten ärztlichen Behandlung (§ 37 Abs 2 SGB V) durch einen Pflegedienst (Ambulante Krankenpflege H. GbR), und zwar durchgängig zweimal täglich durch das Herrichten und Verabreichen von vier und zeitweise sogar fünf Medikamenten. Der Blutdruck musste täglich einmal (Oktober 2008 bis Februar 2009), im März 2009 täglich dreimal und sodann bis Juni 2009 täglich zweimal gemessen werden; danach waren regelmäßige Blutdruckmessungen nicht mehr erforderlich. Dazu kamen vorübergehend Injektionen (März bis Juni 2009). Ferner waren wegen des Geschwürs am Fuß zeitweise auch tägliche Verbandwechsel erforderlich (Oktober bis Dezember 2008 sowie März bis August 2009). Die Kosten in Höhe von insgesamt 18 289,54 Euro hat die Klägerin getragen, nachdem die Beklagte die bei ihr quartalsweise beantragten Kostenübernahmen jeweils abgelehnt hatte.

4

Die Beklagte verweigert die begehrte Kostenerstattung, weil sie die Voraussetzungen des § 37 Abs 2 SGB V als nicht erfüllt ansieht. Bei einem Daueraufenthalt in einer Einrichtung der Eingliederungshilfe ohne eigene Haushaltsführung des Versicherten bestehe gegenüber der Krankenkasse grundsätzlich kein Anspruch auf häusliche Behandlungssicherungspflege. Der Ausnahmefall eines besonders hohen Bedarfs an medizinischer Behandlungspflege für mindestens sechs Monate liege nicht vor. Die Behandlungspflege des Versicherten habe daher die Klägerin als eigene sozialhilferechtliche Leistung sicherstellen müssen.

5

Das SG hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 18 289,54 Euro nebst Zinsen zu zahlen (Urteil vom 20.2.2012). Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 24.4.2014). Es hat ausgeführt, die Klägerin habe nach § 104 Abs 1 SGB X einen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte, weil diese zur Gewährung häuslicher Krankenpflege vorrangig verpflichtet sei. Einrichtungen der Eingliederungshilfe könnten "sonst geeignete Orte" iS des § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V sein, wenn der Versicherte keinen Anspruch auf Leistungen der Behandlungspflege gegen den Einrichtungsträger habe und eine Leistungspflicht der Pflegekasse nach § 43a SGB XI schon mangels Pflegebedürftigkeit des Versicherten(§§ 14, 15 SGB XI) ausscheide. Dies ergebe sich aus der insoweit mit der Ermächtigungsgrundlage in Einklang stehenden Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege (Häusliche Krankenpflege-Richtlinie; im Folgenden: HKP-Richtlinie). Die Einrichtung, in der sich der Versicherte aufgehalten habe, sei nicht zur Erbringung von Behandlungspflege verpflichtet. Etwas anderes gelte auch nicht bei den oralen Medikamentengaben und den Blutdruckmessungen als einfachsten Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege. Der Zinsanspruch ergebe sich aus § 108 Abs 2 SGB X.

6

Mit ihrer Revision macht die Beklagte geltend, der Begriff "Haushalt" iS des § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V dürfe auch nach der Gesetzesänderung zum 1.4.2007 nicht undifferenziert ausgeweitet werden. Der Gesetzgeber habe lediglich eine vorsichtige Erweiterung des Haushaltsbegriffs, nicht aber seine vollständige Aufgabe bezweckt. Der Bezug der "häuslichen" Krankenpflege zu einem eigenen Haushalt des Versicherten dürfe nicht vollständig aufgegeben werden. Bei den im Gesetz ausdrücklich aufgeführten Einrichtungen handele es sich um solche, in denen sich die Versicherten nur zeitweise aufhielten, während ihr Lebensmittelpunkt im häuslichen Umfeld gewahrt bleibe. Für den Fall, dass - wie hier - ein eigener Haushalt nicht mehr bestehe, enthalte § 37 Abs 2 Satz 7 SGB V eine Ausnahmeregelung nur unter der Voraussetzung, dass sich der Versicherte nicht auf Dauer in einer Einrichtung aufhalte. Diese Vorschrift habe der Gesetzgeber unverändert beibehalten. Auf einen Anspruch des Versicherten gegen den Einrichtungsträger könne es zur Bestimmung des Leistungsumfangs nach § 37 Abs 2 SGB V nicht ankommen, sonst läge der Anspruch in der Hand der Partner der Verträge nach §§ 75 ff SGB XII, mit denen die Leistungspflichten des Einrichtungsträgers festgelegt würden. Für die vom LSG angenommene Absicht des Gesetzgebers auf Lückenschluss zwischen ambulanter und stationärer Behandlungspflege mit vollständiger Entlastung der Sozialhilfeträger von den Kosten der häuslichen Krankenpflege bei Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gebe es keine hinreichenden Anhaltspunkte. Im Übrigen gehöre zumindest die Hilfe zur Einnahme von Tabletten nach ärztlicher Anweisung sowie das Blutdruckmessen regelmäßig zu der von Einrichtungen der Eingliederungshilfe geschuldeten Unterstützung bei den lebenspraktischen Verrichtungen.

7

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Hamburg vom 24. April 2014 und des Sozialgerichts Hamburg vom 20. Februar 2012 zu ändern und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist begründet, soweit der Erstattungsanspruch den Zeitraum von September 2009 bis Mai 2011 betrifft. In dieser Zeit bestand die häusliche Krankenpflege ausschließlich in der Hilfestellung bei der Einnahme von Medikamenten, wofür dem Pflegedienst 9971,42 Euro gezahlt worden waren. Der Klägerin steht insoweit kein Erstattungsanspruch gegen die Beklagte zu, weil der Versicherte seinerseits keinen Anspruch auf häusliche Krankenpflege für das Herrichten und Verabreichen von Medikamenten gegen die Beklagte hatte. Zwar kann eine Einrichtung der Eingliederungshilfe ein geeigneter Ort zur Erbringung von häuslicher Krankenpflege iS des § 37 SGB V sein(hierzu 1.), wenn die Einrichtung nicht selbst zur Erbringung medizinischer Behandlungspflege verpflichtet ist (hierzu 2.). Eine Hilfeleistung bei der oralen Einnahme von Tabletten nach ärztlicher Anweisung gehört aber - ebenso wie zB die Unterstützung beim Blutdruckmessen - regelmäßig zu der von Einrichtungen der Eingliederungshilfe geschuldeten pädagogischen Beratung, Betreuung und Unterstützung bei den lebenspraktischen Verrichtungen (hierzu 3.).

10

Die Revision der Beklagten führt hingegen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG), soweit der Erstattungsanspruch den Zeitraum von Oktober 2008 bis August 2009 umfasst. Die Klage ist begründet, soweit sich die geltend gemachten Aufwendungen auf die verabreichten Injektionen (März bis Juni 2009) und die Verbandwechsel wegen des Geschwürs am Fuß (Oktober bis Dezember 2008 sowie März bis August 2009) beziehen. Da in dieser Zeit aber auch ständig Hilfeleistungen bei der Medikamenteneinnahme und beim Blutdruckmessen angefallen sind, und in den Rechnungen des Pflegedienstes die hierfür berechneten Kosten, die nicht erstattungsfähig sind, aufgrund der Abrechnung nach Leistungskomplexen nicht gesondert ausgewiesen sind, musste der Rechtsstreit insoweit an das LSG zurückverwiesen werden, um die zur exakten Berechnung des Erstattungsanspruchs notwendigen Feststellungen zu den Kosten der Injektionen und der Verbandwechsel nachzuholen.

11

1. Nach § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V(idF des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26.3.2007, BGBl I 2007, 378) erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist (Behandlungssicherungspflege). Nach § 37 Abs 6 SGB V legt der G-BA in Richtlinien nach § 92 SGB V fest, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach den Abs 1 und 2 des § 37 SGB V auch außerhalb des Haushaltes und der Familie des Versicherten erbracht werden können.

12

a) Bis zum 31.3.2007 erhielten Versicherte häusliche Krankenpflege (nur) "in ihrem Haushalt oder ihrer Familie" (vgl § 37 Abs 1 und 2 SGB V idF des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003, BGBl I 2190). Schon nach § 185 RVO aus dem Jahr 1911 konnten solche Pflegeleistungen gewährt werden, wenn ein wichtiger Grund vorlag, "den Kranken in seinem Haushalt oder in seiner Familie zu belassen" und nicht im Krankenhaus zu behandeln. Seitdem war dieses Tatbestandsmerkmal bis zum 31.3.2007 nicht erweitert worden. Zu dieser Gesetzeslage hatte das BSG entschieden, dass es zwar - sofern nicht Krankenhausbehandlung oder vollstationäre Pflege vorliege - nicht auf den Aufenthaltsort des Versicherten ankomme und daher häusliche Krankenpflege auch während des Kindergarten- oder Schulbesuchs zu leisten sei (BSGE 90, 143 = SozR 3-2500 § 37 Nr 5 = SozR 3-1500 § 96 Nr 11). Aufgrund des engen Wortlauts der Vorschrift sah sich die Rechtsprechung aber bis zur Änderung durch das GKV-WSG vom 26.3.2007 (BGBl I 2007, 378) daran gehindert, den Anspruch auf häusliche Krankenpflege darüber hinaus auch auf Zeiten des Aufenthalts in einer stationären Einrichtung auszudehnen (BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 5). Bei der Umschreibung des Aufenthaltsortes der Versicherten "in ihrem Haushalt oder ihrer Familie" ging es dem Gesetzgeber vor allem um die Abgrenzung zur Leistungserbringung im stationären Bereich. Schon in der Ursprungsfassung des § 185 RVO aus dem Jahr 1911 wurde der Begriff als Unterscheidung von der Krankenhausversorgung(vgl Poske, Hauspflege, 1990, S 70 ff, 112 ff) verwendet: "Die Kasse kann mit Zustimmung des Versicherten Hilfe und Wartung durch Krankenpfleger, Krankenschwestern oder andere Pfleger namentlich auch dann gewähren, wenn die Aufnahme des Kranken in ein Krankenhaus geboten, aber nicht ausführbar ist, oder ein wichtiger Grund vorliegt, den Kranken in seinem Haushalt oder seiner Familie zu belassen". Diese Formulierung wurde als Voraussetzung für den Anspruch auf Behandlungssicherungspflege übernommen, die zunächst als Satzungsleistung eingeführt (§ 185 Abs 1 Satz 2 RVO idF des Gesetzes zur Dämpfung der Ausgabenentwicklung und zur Strukturverbesserung in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 27.6.1977, BGBl I 1069; vgl zum Gesetzgebungsverfahren Zipperer, DOK 1978, 11, 20) und später in § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V(durch das Gesetz über die neunzehnte Anpassung der Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz sowie zur Änderung weiterer sozialrechtlicher Vorschriften vom 26.6.1990, BGBl I 1211) zum gesetzlichen Anspruch bestimmt wurde. Schon damals wurde die Notwendigkeit einer Abgrenzung zum stationären Bereich der Heimpflege diskutiert, und bei einem Daueraufenthalt in Einrichtungen der Alten- oder Behindertenhilfe sahen zahlreiche Autoren den Anspruch auf Fälle beschränkt, in denen die Einrichtung dem Versicherten (vertraglich) keine umfassende Versorgung schulde (vgl Hanau/Rolfs, VSSR 1993, 237, 252; Gerlach in Hauck/Noftz, SGB V, Stand: 1.8.1999, K § 37 RdNr 15; Höfler in Kasseler Komm, Bd 1, Stand: Einzelkommentierung Dezember 2004, § 37 SGB V RdNr 14). Nach der bis zum 31.3.2007 geltenden Gesetzesfassung war aber die vom Gesetzgeber beabsichtigte Abgrenzung zur stationären Krankenhausbehandlung in gleicher Weise geeignet, sonstige stationäre Einrichtungen von den Leistungen der häuslichen Krankenpflege auszunehmen (vgl BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 5). Der Gesetzgeber hatte noch bei der Änderung des § 37 Abs 2 Satz 2 SGB V durch das GMG vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) keinen Handlungsbedarf dafür gesehen, Menschen in Einrichtungen der Behindertenhilfe ohne eigenen Haushalt Anspruch auf häusliche Krankenpflege einzuräumen. Nach dieser Regelung, die unverändert bis heute fortgilt (§ 37 Abs 2 Satz 7 SGB V), erhalten Versicherte, die nicht auf Dauer in Einrichtungen nach § 71 Abs 2 und 4 SGB XI aufgenommen sind, Leistungen der häuslichen Krankenpflege auch dann, wenn ihr Haushalt nicht mehr besteht und ihnen zur Durchführung der Behandlungspflege vorübergehender Aufenthalt in einer Einrichtung oder einer anderen geeigneten Unterkunft zur Verfügung gestellt wird. Bei dieser Regelung ging es insbesondere um die Sicherstellung medizinischer Behandlungspflege für alleinstehende Wohnungslose, um kostentreibende Krankenhauseinweisungen zu verhindern (vgl BT-Drucks 15/1525 S 90). Nach der Gesetzesbegründung wurde damit aber zugleich "klargestellt, dass bei Daueraufenthalt ohne eigenen Haushalt, zB in Heimen, weiterhin kein Anspruch auf Leistungen der Behandlungspflege besteht" (BT-Drucks 15/1525 S 90 zu Buchst a).

13

b) Erst mit dem GKV-WSG vom 26.3.2007 (BGBl I 2007, 378) hat der Gesetzgeber den Anspruch auf sonstige geeignete Orte, insbesondere betreute Wohnformen, Schulen, Kindergärten und bei besonders hohem Pflegebedarf auch auf Werkstätten für behinderte Menschen erweitert und dem G-BA aufgegeben festzulegen, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen der häuslichen Krankenpflege auch außerhalb des Haushaltes und der Familie des Versicherten erbracht werden können. In der Gesetzesbegründung ist hierzu ausgeführt, die Beschränkung der Leistungen zur häuslichen Krankenpflege auf Haushalt und Familie des Versicherten habe sich im Hinblick auf das Ziel, vorschnelle stationäre Einweisungen zu vermeiden, als kontraproduktiv erwiesen. Die Neuregelung bewirke durch eine vorsichtige Erweiterung des Haushaltsbegriffs, dass neue Wohnformen, Wohngemeinschaften und betreutes Wohnen hinsichtlich der Erbringung von häuslicher Krankenpflege gegenüber konventionellen Haushalten nicht benachteiligt würden. Betreute Wohnformen, deren Bewohner ambulante Leistungen der sozialen Pflegeversicherung erhalten, sollten verbesserte Angebote für ambulant Pflegebedürftige darstellen. Darüber hinaus werde im Hinblick auf bestimmte, eng begrenzte Personengruppen durch den erweiterten Haushaltsbegriff eine vorschnelle Einweisung in stationäre Einrichtungen verhindert. Ein "geeigneter Ort" für die Leistung häuslicher Krankenpflege durch die GKV sei jedenfalls dann nicht gegeben, wenn sich der Versicherte in einer Einrichtung befinde, in der er nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung medizinischer Behandlungspflege durch die Einrichtung selbst habe. Um die notwendige Flexibilität bei der Bestimmung der geeigneten Erbringungsorte zu wahren, werde auf eine gesetzliche Festlegung verzichtet und die nähere Ausgestaltung dem G-BA übertragen. Dieser Lösungsweg vermeide Lücken im Zwischenbereich von ambulanter und stationärer Versorgung (BT-Drucks 16/3100 S 104).

14

c) Der G-BA ist seinem Regelungsauftrag durch die zum 11.6.2008 in Kraft getretene Änderung der HKP-Richtlinie (HKP-Richtlinie idF vom 16.2.2000, zuletzt geändert am 17.1.2008/10.4.2008, veröffentlicht im BAnz 2008, Nr 84, S 2028, 2029 und 2030) nachgekommen. Unter I. 2. ist bestimmt:
"Häusliche Krankenpflege wird im Haushalt des Versicherten oder seiner Familie erbracht. Anspruch auf häusliche Krankenpflege besteht auch an sonstigen geeigneten Orten, an denen sich der Versicherte regelmäßig wiederkehrend aufhält und an denen
- die verordnete Maßnahme zuverlässig durchgeführt werden kann und
- für die Erbringung der einzelnen Maßnahmen geeignete räumliche Verhältnisse vorliegen (z. B. im Hinblick auf hygienische Voraussetzungen, Wahrung der Intimsphäre, Beleuchtung),
wenn die Leistung aus medizinisch-pflegerischen Gründen während des Aufenthaltes an diesem Ort notwendig ist. Orte im Sinne des Satz 2 können insbesondere Schulen, Kindergärten, betreute Wohnformen oder Arbeitsstätten sein."
Unter I. 6. ist bestimmt:
"Für die Zeit des Aufenthalts in Einrichtungen, in denen nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtungen besteht (z. B. Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen, Pflegeheimen), kann häusliche Krankenpflege nicht verordnet werden. Ob ein solcher Anspruch besteht, ist im Einzelfall durch die Krankenkassen zu prüfen. Abweichend davon kann häusliche Krankenpflege in Werkstätten für behinderte Menschen verordnet werden, wenn die Intensität oder Häufigkeit der in der Werkstatt zu erbringenden Pflege so hoch ist, dass nur durch den Einsatz einer Pflegefachkraft Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit vermieden oder das Ziel der ärztlichen Behandlung gesichert werden kann und die Werkstatt für behinderte Menschen nicht auf Grund des § 10 der Werkstättenverordnung verpflichtet ist, die Leistung selbst zu erbringen. Eine Verordnung von Behandlungspflege ist auch für Versicherte in Pflegeheimen zulässig, die auf Dauer, voraussichtlich für mindestens 6 Monate, einen besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben (§ 37 Abs. 2 S. 3 SGB V). Dies ist der Fall, wenn (…)."

15

Der G-BA hatte in seinem Beschlusstext ursprünglich folgende Regelung vorgesehen: "Für die Zeit des Aufenthaltes in Einrichtungen, in denen nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtungen besteht (zB Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen, Pflegeheimen oder Behinderteneinrichtungen), kann häusliche Krankenpflege nicht verordnet werden" (vgl https://www.g-ba.de/informationen/beschluesse/598/. Dort finden sich die "Tragenden Gründe zum Beschluss vom 17.1.2008" als PDF-Datei, Beschlusstext, S 9). Die ausdrückliche Aufführung der Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen ist trotz zahlreicher kritischer Stellungnahmen (aaO, S 12 ff) erst aufgrund einer Prüfung durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gemäß § 94 SGB V gestrichen worden(vgl https://www.g-ba.de/informationen/beschluesse/598/. Dort findet sich die "Prüfung gem. § 94 SGB V durch das BMG" als PDF-Datei, Schreiben vom 20.3.2008). Zudem wurde der Satz: "Ob ein solcher Anspruch besteht, ist im Einzelfall durch die Krankenkasse zu prüfen" aufgrund der Prüfung aufgenommen. Das BMG hat von einer Beanstandung der vorgesehenen Regelung nur unter der Auflage abgesehen, die Regelung bei nächster Gelegenheit so zu überarbeiten, dass Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen nicht grundsätzlich von der Verordnung häuslicher Krankenpflege ausgeschlossen werden und dass vom G-BA sichergestellt wird, dass die Regelung bis zu ihrer Überarbeitung ohne den grundsätzlichen Ausschluss von Behinderteneinrichtungen angewandt wird. Das BMG hat hierzu ausgeführt, eine rechtliche Begründung dafür, dass grundsätzlich in allen (dh in der Regel oder in der großen Mehrheit der nicht näher definierten) ambulanten und stationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen ein Anspruch auf Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtung bestehe, sei nicht ersichtlich. Die vom G-BA beschlossene Formulierung könne dazu führen, dass häusliche Krankenpflege für Versicherte in diesen Einrichtungen regelmäßig abgelehnt werde, ohne dass tatsächlich im Einzelfall geprüft werde, ob anderweitige Ansprüche auf die Erbringung von Behandlungspflege bestehen. Deshalb sei klarzustellen, dass im Einzelfall zu prüfen sei, ob nach gesetzlichen Bestimmungen ein Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtung bestehe.

16

d) Nach dem Regelungsgefüge, das sich aus den gesetzlichen Vorschriften iVm mit den Normen der HKP-Richtlinie ergibt, besteht der Anspruch zunächst an allen geeigneten Orten, an denen sich der Versicherte regelmäßig wiederkehrend aufhält, wenn die Leistung aus medizinisch-pflegerischen Gründen während des Aufenthaltes an diesem Ort notwendig ist. Einschränkungen in Bezug auf den Aufenthaltsort ergeben sich - abgesehen von der Geeignetheit der räumlichen Verhältnisse - erst aus den Regelungen unter I. 6., dh für die Zeit des Aufenthaltes in Einrichtungen nur dann, wenn nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtung besteht (wie zB in Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen, Pflegeheimen). Ob ein solcher Anspruch besteht, ist im Einzelfall durch die Krankenkasse zu prüfen. Einrichtungen der Eingliederungshilfe werden in den HKP-Richtlinien den Krankenhäusern und Pflegeheimen ausdrücklich nicht (mehr) gleichgestellt. In dieser Fassung ist die HKP-Richtlinie gesetzeskonform.

17

e) Der Vorschrift des § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V und der Bezeichnung der dort nach der Verwendung des Begriffs "insbesondere" beispielhaft aufgeführten "geeigneten Orte" lässt sich nicht die Beschränkung entnehmen, häusliche Krankenpflege könne weiterhin nur beansprucht werden, wenn noch ein Mindestmaß eines eigenen Haushalts (oder ein Leben in der Familie) geführt wird, und weitere Leistungen ggf ambulant in Anspruch genommen werden. Gegen die Auffassung der Beklagten, eine stationäre Einrichtung, in der sich ein Versicherter dauerhaft aufhält, ohne an einem anderen Ort noch einen Haushalt zu führen oder in einem solchen zu leben, könne nie ein sonstiger geeigneter Ort iS des § 37 Abs 2 SGB V sein, sprechen die Gesetzesbegründung und der vom Gesetzgeber mit der Erweiterung des Anspruchs verfolgte Zweck. Auch dem Wortlaut der Vorschrift lässt sich eine solche Einschränkung nicht entnehmen.

18

Dem Gesetzgeber war es nach der Gesetzesbegründung zur Ausweitung des Anspruchs auf häusliche Krankenpflege auf sonstige geeignete Orte durch das GKV-WSG vom 26.3.2007 (BGBl I 2007, 378) ein besonderes Anliegen, Lücken im Zwischenbereich von ambulanter und stationärer Versorgung zu vermeiden. Bei ambulanten Einrichtungen, insbesondere auch bei ambulant betreuten Wohnformen, wird aber regelmäßig (allein oder gemeinsam mit anderen) ein eigener Haushalt geführt, sodass bereits vor der Gesetzesänderung auch für dort lebende Versicherte ein Anspruch auf häusliche Krankenpflege bestehen konnte. Zudem war nach der Rechtsprechung des BSG der Anspruch auch schon vor der Neuregelung zum 1.4.2007 nicht auf die Erbringung der Leistung in der Wohnung des Versicherten beschränkt; vielmehr konnte häusliche Krankenpflege auch in der Schule oder im Kindergarten erbracht werden (so ausdrücklich BSGE 90, 143 = SozR 3-2500 § 37 Nr 5 = SozR 3-1500 § 96 Nr 11). Wenn die vom Gesetzgeber beabsichtigte vorsichtige Erweiterung des Anspruchs auch auf sonstige geeignete Orte nicht weitgehend leerlaufen soll, müssen grundsätzlich auch die stationären Einrichtungen einbezogen werden, in denen sich ein Versicherter auf unabsehbare Zeit aufhält und betreut wird, ohne noch anderswo zu leben und zu wohnen. Die Beklagte hat Recht mit ihrer Auffassung, dass es in den bisher vom Senat entschiedenen Fällen darum ging, Versicherte auch in Einrichtungen wie Schulen und Kindergärten mit Krankenpflege zu versorgen, in denen sich diese lange, aber eben nicht ausschließlich im Sinne eines Lebensmittelpunktes aufhalten. Genau diese Situation sollte indessen durch die Neuregelung des § 37 Abs 2 SGB V erfasst werden, und zwar für die Konstellation, dass in der vollstationären Einrichtung keine umfassende pflegerische Versorgung stattfindet und gesetzlich auch nicht geschuldet wird. Denn nur dadurch kann dem Sinn und Zweck der Vorschrift, durch (ambulante) häusliche Krankenpflege vorschnelle stationäre Einweisungen zu vermeiden, entsprochen werden. Bei den zu vermeidenden stationären Einweisungen kann es sich nur um Einweisungen in Einrichtungen handeln, in denen die Versicherten medizinische Behandlungspflege erhalten, wie Krankenhäuser, medizinische Rehabilitationseinrichtungen oder Pflegeheime. Die Aufnahme in andere Einrichtungen, die regelmäßig schon nicht auf ärztliche Veranlassung erfolgt, kann (und soll) nicht durch die Erbringung ambulanter Leistungen der häuslichen Krankenpflege vermieden werden. Vielmehr soll die nach der Gesamtsituation des Versicherten sinnvolle Aufnahme zB in eine stationäre Einrichtung der Eingliederungshilfe nicht daran scheitern, dass zusätzlich zum Eingliederungsbedarf auch ein Bedarf an Krankenpflegeleistungen besteht, der von der Eingliederungseinrichtung nicht gedeckt werden kann. Es kann (auch) für die Krankenkasse wirtschaftlich sinnvoll sein, Versicherte in solchen Einrichtungen, in denen sie keinen Anspruch auf medizinische Behandlungspflege gegen die Einrichtung haben, mit häuslicher Krankenpflege zu versorgen, um eine vorschnelle Einweisung in ein Krankenhaus zu vermeiden.

19

Auch dem Wortlaut der Vorschrift lässt sich seit der Ausweitung des Anspruchs auf sonstige geeignete Orte nicht entnehmen, dass stationäre Einrichtungen etwa der Eingliederungshilfe dafür grundsätzlich nicht in Betracht kommen. Die beispielhafte Aufzählung enthält hierfür keine Anhaltspunkte. Der im Gesetz verwandte Begriff der "betreuten Wohnformen" ist gesetzlich nicht definiert. Die Übergänge von einer Wohngemeinschaft mit ambulanten Betreuungshilfen zu einer stationären Einrichtung sind inzwischen fließend. Daher werden in den Landesheimgesetzen neben stationären Einrichtungen regelmäßig auch andere Formen des betreuten Wohnens erfasst (vgl Weber NZS 2011, 650, 651 mwN), und längst nicht alle Formen des betreuten Wohnens weisen eine größere Nähe zur eigenständigen Haushaltsführung auf als herkömmliche stationäre Einrichtungen. Eine eindeutige Zuordnung jeder Einrichtung entweder als stationäres Heim oder als ambulantes Angebot mit Betreuungshilfen wird durch die andauernde Entwicklung neuer Wohnformen zunehmend schwierig. Auch in betreuten Wohnformen haben Versicherte keinen Anspruch auf häusliche Krankenpflege, wenn sie bereits Anspruch auf die Maßnahme durch die Einrichtung bzw den Betreuungsdienst haben, weil häusliche Krankenpflege dann nicht erforderlich ist. Gerade im Grenzbereich verschiedener Wohnformen ist es aber sachgerecht, nach dem Anspruch gegen die Einrichtung bzw den Betreuungsdienst zu differenzieren und nicht dem Begriff "betreute Wohnformen" eine Festlegung dahin zu entnehmen, dass in vollstationären Betreuungseinrichtungen keine häusliche Krankenpflege erbracht werden kann.

20

Es ist daher konsequent, den Anspruch auf häusliche Krankenpflege in Einrichtungen nur dann und insoweit zu beschränken, als nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung medizinischer Behandlungspflege durch die Einrichtung selbst besteht. Der Gesetzgeber hat auf eine gesetzliche Festlegung der geeigneten Leistungsorte bewusst verzichtet. Er wollte damit im Hinblick auf die Vielzahl unterschiedlicher Einrichtungen jeglichen Eingriff in die bestehenden Strukturen der Einrichtungen und insbesondere in ihre Leistungspflichten im Hinblick auf die medizinische Behandlungspflege vermeiden und die Präzisierung der Einrichtungen, in denen die Versicherten Anspruch auf häusliche Krankenpflege nach dem SGB V haben, dem G-BA überlassen.

21

f) Die Richtlinien des G-BA haben normativen Charakter und sind für die Beteiligten verbindlich (BSG SozR 3-2500 § 135 Nr 21; BSG SozR 3-2500 § 92 Nr 12; BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5; BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 3; BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 7; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 8; vgl auch amtl Begründung zu den Ergänzungen von § 92 Abs 1 SGB V durch das GMG - BT-Drucks 15/1525 oder die Ergänzungen des Gesetzes zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung und des GKV-WSG). Der Senat hat keine Zweifel an der verfassungsrechtlichen Legitimation des G-BA als untergesetzlichem Normgeber in der Form, wie sie inzwischen gesetzlich festgelegt ist (so auch BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 22; BSGE 112, 251 = SozR 4-2500 § 106 Nr 38, RdNr 14; BSGE 111, 155 = SozR 4-2500 § 31 Nr 21, RdNr 26; vgl auch Beier in jurisPK-SGB V, online-Ausgabe § 92 SGB V, RdNr 31.1, Stand 25.6.2013).

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2. Einrichtungen der Eingliederungshilfe sind nach den gesetzlichen Bestimmungen grundsätzlich nur soweit zur Erbringung von medizinischer Behandlungspflege verpflichtet, wie diese aufgrund der sächlichen und personellen Ausstattung von der Einrichtung erbracht werden kann.

23

a) Erbringt der Träger der Sozialhilfe die Leistungen der Eingliederungshilfe in einer vollstationären Einrichtung (§ 13 SGB XII, zum Einrichtungsbegriff iS des SGB XII vgl BSGE 106, 264 = SozR 4-3500 § 19 Nr 2 RdNr 13) der Hilfe für behinderte Menschen, wird grundsätzlich der gesamte Bedarf des Hilfebedürftigen nach § 9 Abs 1 SGB XII in der Einrichtung in einrichtungsspezifischer Weise befriedigt. Die Einrichtung übernimmt für den Hilfebedürftigen von dessen Aufnahme bis zur Entlassung die Gesamtverantwortung für seine tägliche Lebensführung (vgl Luthe in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand November 2014, K § 13 RdNr 58, 59 mwN). Leistungen der Eingliederungshilfe umfassen nach § 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII, § 26 SGB IX auch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, zu denen nach § 26 Abs 2 SGB IX ua auch die Behandlung durch Angehörige von Heilberufen gehört, soweit deren Leistungen unter ärztlicher Aufsicht oder auf ärztliche Anordnung ausgeführt werden, wie es bei der häuslichen Krankenpflege der Fall ist. Nach § 55 Satz 1 SGB XII umfassen die Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen iS des § 43a SGB XI auch die Pflegeleistungen in der Einrichtung. Ist der behinderte Mensch allerdings so pflegebedürftig, dass die Pflege in der Einrichtung nicht sichergestellt werden kann, vereinbaren der Träger der Sozialhilfe und die zuständige Pflegekasse mit dem Einrichtungsträger, dass die Leistung in einer anderen Einrichtung erbracht wird, wobei den angemessenen Wünschen des behinderten Menschen Rechnung zu tragen ist (§ 55 Satz 2 SGB XII).

24

b) Danach hat der Träger der Sozialhilfe zwar letztlich alle Teilhabebedarfe der Eingliederungshilfe zu decken und kann dies durch Leistungen für Einrichtungen (§ 13 Abs 1 SGB XII) gewährleisten, zu beachten ist aber der Nachrang der Sozialhilfe (§ 2 SGB XII). Leistungen anderer Sozialleistungsträger gehen grundsätzlich den Leistungen der Sozialhilfe vor (§ 2 Abs 1 SGB XII), und auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach dem Recht der Sozialhilfe entsprechende Leistungen vorgesehen sind (§ 2 Abs 2 Satz 2 SGB XII). Die medizinische Behandlungspflege ist Aufgabe der GKV, die daher diese Leistung vorrangig vor dem Träger der Sozialhilfe zu erbringen hat. Deshalb hat der Sozialhilfeträger im Verhältnis zur GKV nicht die Aufgabe, durch entsprechende Verträge mit den Einrichtungen der Eingliederungshilfe dafür zu sorgen, dass diese regelmäßig auch Leistungen der medizinischen Behandlungspflege erbringen. Die Verpflichtung der Einrichtung zur Übernahme der Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung sowie zur Deckung der Bedarfe in einrichtungsspezifischer Weise weist den Einrichtungen daher keine weitergehenden Pflichten zu, als sie aufgrund ihrer Ausrichtung, des Eingliederungszwecks, dem sie dienen, und nach den Vereinbarungen nach §§ 75 ff SGB XII schulden. Einrichtungen der Eingliederungshilfe schulden danach regelmäßig selbst keine medizinischen Behandlungsmaßnahmen, sondern haben lediglich organisatorisch dafür Sorge zu tragen, dass die Bewohner der Einrichtung neben den von der Einrichtung selbst geschuldeten Leistungen auch solche anderer Träger in Anspruch nehmen können. So schulden solche Einrichtungen keine ärztliche Behandlung, sie haben aber ggf Arztbesuche zu organisieren bzw zu ermöglichen und die notwendigen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Gleiches gilt grundsätzlich auch für die medizinische Behandlungspflege, es sei denn, aus den Vereinbarungen nach den §§ 75 ff SGB XII ergeben sich weitergehende Leistungsverpflichtungen.

25

c) Einrichtungen der Eingliederungshilfe sind auch nicht allein aufgrund der von den Pflegekassen für Pflegebedürftige nach § 43a Satz 1 SGB XI zu gewährenden pauschalen Abgeltung verpflichtet, grundsätzlich alle im Einzelfall notwendigen Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege zu erbringen. Nach § 43a Satz 1 SGB XI übernimmt die Pflegekasse zur Abgeltung der in § 43 Abs 2 SGB XI genannten Aufwendungen 10 vH des nach § 75 Abs 3 SGB XII vereinbarten Heimentgeltes für Pflegebedürftige in einer stationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen, in der die Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft, die schulische Ausbildung oder die Erziehung behinderter Menschen im Vordergrund des Einrichtungszwecks stehen(§ 71 Abs 4 SGB XI). Dabei dürfen aber die Aufwendungen der Pflegekasse im Einzelfall je Kalendermonat 256 Euro (ab 1.1.2015 266 Euro) nicht übersteigen (§ 43a Satz 2 SGB XI). Zu den in § 43 Abs 2 SGB XI genannten Aufwendungen gehören die pflegebedingten Aufwendungen, die Aufwendungen der sozialen Betreuung und die Aufwendungen für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege.

26

Trotz der ausdrücklichen Erwähnung auch der medizinischen Behandlungspflege zeigt die Verortung der Vorschrift im SGB XI, dass es dabei lediglich um die von der Pflegeversicherung abzudeckenden Bedarfe geht. Die Pauschale wird auch nur für Pflegebedürftige (§§ 14, 15 SGB XI) geleistet. Stationäre Pflegeeinrichtungen iS des § 71 Abs 2 und 4 SGB XI haben grundsätzlich auch medizinische Behandlungspflege zu erbringen; erst bei einem dauerhaften, voraussichtlich mindestens sechs Monate währenden besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben Versicherte in Pflegeheimen Anspruch auf häusliche Krankenpflege. Hier kommt es nicht zu einer Lücke zwischen ambulanter und stationärer Versorgung. Einrichtungen der Eingliederungshilfe schulden nach § 43a SGB XI zwar grundsätzlich Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung. Die medizinische Behandlungspflege iS des § 37 Abs 2 SGB V kann aber durch diese an die Pflegeversicherung gerichtete Vorschrift grundsätzlich nicht vom Zuständigkeitsbereich der GKV auf Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen übertragen werden. Dies ist schon deshalb ausgeschlossen, weil die Eingliederungseinrichtungen dann nur gegenüber pflegebedürftigen Bewohnern zur Erbringung von Behandlungspflege nach § 37 Abs 2 SGB V verpflichtet wären und auch nur für diese Personen das pauschalierte Entgelt erhalten(so im Ergebnis bereits BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 5 RdNr 9). Ansprüche auf medizinische Behandlungspflege können auch Versicherten zustehen, die - wie hier - nicht pflegebedürftig sind.

27

d) Das ergibt sich auch aus den Regelungen des § 55 SGB XII. Danach haben Einrichtungen der Eingliederungshilfe auch die (notwendigen) Pflegeleistungen zu erbringen. Wird der behinderte Mensch aber so pflegebedürftig, dass die Pflege in der Einrichtung nicht sichergestellt werden kann, vereinbaren der Träger der Sozialhilfe und die zuständige Pflegekasse mit dem Einrichtungsträger, dass die Leistung in einer anderen Einrichtung erbracht wird (§ 55 Satz 2 SGB XII). Auch diese Vorschrift knüpft zunächst nur an die Pflegebedürftigkeit und Pflege im Sinne des SGB XI an, nicht an Behandlungspflege. Insbesondere aus § 55 Satz 2 SGB XII ist aber abzuleiten, dass der Gesetzgeber nicht beabsichtigt hat, jede Einrichtung der Eingliederungshilfe personell und sächlich so auszustatten, dass sie neben der üblichen Pflege auch Leistungen der medizinischen Behandlungspflege erbringen kann. Trägerübergreifend betrachtet wäre das unwirtschaftlich. Hilfen zur Grundpflege und zur hauswirtschaftlichen Versorgung können innerhalb bestimmter Grenzen regelmäßig von Personen erbracht werden, die diesbezüglich keine besondere Ausbildung haben. Hierzu gehören insbesondere die Hilfen bei den Verrichtungen des täglichen Lebens. Erst wenn es darum geht, aktivierende Pflege zu leisten, weitere Pflegebedürftigkeit zu verhüten oder akute Beschwerden zu lindern oder medizinische Behandlungspflege zu leisten, die nicht ohne Weiteres vom Personal einer Eingliederungseinrichtung erbracht werden kann, und die Pflege daher in der Einrichtung nicht mehr sichergestellt werden kann, ist der Hilfebedürftige in einer anderen Einrichtung unterzubringen.

28

e) Die Leistungspflichten der Eingliederungseinrichtungen ergeben sich für deren Nutzer aus zivilrechtlichen Verträgen mit der Einrichtung und gegenüber dem Träger der Sozialhilfe ausschließlich aus dem SGB XII iVm den auf diesen gesetzlichen Grundlagen basierenden Verträgen (zum sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis BSGE 102, 1 = SozR 4-1500 § 75 Nr 9, RdNr 15 ff). Entscheidend für die Leistungspflichten der Einrichtungen zur Hilfe behinderter Menschen ist danach das in den Vereinbarungen nach den §§ 75 ff SGB XII festgelegte Ziel und der Zweck der Einrichtung, ihr Aufgabenprofil, die vorgesehene sächliche und personelle Ausstattung sowie der zu betreuende Personenkreis. Handelt es sich danach zB um eine Einrichtung, deren vorrangige Aufgabe darin besteht, Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten zu leisten, die erforderlich und geeignet sind, behinderten Menschen die für sie erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen (vgl § 55 Abs 2 Nr 3 SGB IX), gehören einfachste medizinische Maßnahmen (vgl dazu auch BSG SozR 3-2500 § 53 Nr 10), die für Versicherte im eigenen Haushalt praktisch von jedem erwachsenen Haushaltsangehörigen erbracht werden können und keine medizinische Fachkunde erfordern, wie die Einnahme von Medikamenten und das Blutdruckmessen, regelmäßig der Natur der Sache nach zum Aufgabenkreis der Einrichtung. Sie sind mit der Gewährung von Eingliederungshilfe durch den Sozialhilfeträger in einer stationären Einrichtung untrennbar verbunden und daher objektiv bereits Bestandteil der Eingliederungshilfe. Dies gilt auch für betreute Wohnformen, wenn dort nach Inhalt und Umfang vergleichbare Eingliederungsleistungen erbracht werden. Zum Erwerb lebenspraktischer Kenntnisse und Fähigkeiten gehört auch die Hilfe bei der Führung eines gesunden Lebens einschließlich der Vermittlung von Einsicht für gesundheitsförderliches Verhalten allgemein und speziell für die Notwendigkeit bestimmter medizinischer Maßnahmen. Bei den einfachsten Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege handelt es sich häufig, wie etwa beim An- und Ausziehen von Thrombosestrümpfen, um verrichtungsbezogene krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen, die ohnehin sowohl dem Aufgabenbereich der Krankenversicherung als auch dem der Pflegeversicherung gleichermaßen zugeordnet und daher - soweit kein Fachpersonal erforderlich ist - auch bereits von der Pauschale nach § 43a SGB XI mitumfasst sind. Danach verläuft die Grenze der von einer Einrichtung geschuldeten Leistungen genau dort, wo diese vom Personal der Einrichtung der Eingliederungshilfe erbracht werden können und müssen. Muss die Einrichtung kein medizinisch ausgebildetes Personal vorhalten, sind regelmäßig nur einfachste Maßnahmen der Krankenpflege von der Einrichtung selbst zu erfüllen. Leistungspflichten, die nur von medizinisch ausgebildetem Fachpersonal erfüllt werden könnten, scheiden dann regelmäßig aus. Ist die Einrichtung hingegen nach ihrem Aufgabenprofil auf eine besondere Zielgruppe ausgerichtet, bei der ständig bestimmte behandlungspflegerische Maßnahmen erforderlich werden, und ist die Einrichtung deshalb entsprechend sächlich und personell auszustatten, hat sie diese behandlungspflegerischen Maßnahmen auch zu erbringen, weil ohne sie die Eingliederungsaufgabe im Hinblick auf die Zielgruppe der Einrichtung nicht erreicht werden kann. Es ist daher - so wie es die HKP-Richtlinie vorgibt - im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, ob die Einrichtung die konkrete behandlungspflegerische Maßnahme nach ihrem Aufgabenprofil, der Ausrichtung auf ein bestimmtes Bewohnerklientel und insbesondere aufgrund ihrer sächlichen und personellen Ausstattung selbst zu erbringen hat. Der Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe wird dadurch nicht betroffen, weil die sächliche und personelle Ausstattung dieser Einrichtungen für die Eingliederungsleistungen ohnehin vorzuhalten ist, die Gewährung von Eingliederungshilfe deutlich im Vordergrund steht und die Leistungen der Behandlungspflege dann untrennbarer Bestandteil der Eingliederungshilfe sind.

29

f) Dieses Ergebnis führt zu einer Parallele zu den Pflegehilfsmitteln, die nach der Rechtsprechung des BSG (vgl hierzu BSGE 85, 287 = SozR 3-2500 § 33 Nr 37) von Einrichtungen vorzuhalten sind. Danach hat der Träger eines Pflegeheimes alle Hilfsmittel bereitzustellen, die zur sachgerechten Durchführung der in zugelassenen Pflegeheimen gewöhnlich anfallenden Pflegeleistungen erforderlich sind. Obwohl die Pflegeheime nach § 43 SGB XI nicht nur zur Pflege und sozialen Betreuung, sondern auch zur medizinischen Behandlungspflege verpflichtet sind, gehören Hilfsmittel, die der Durchführung von Behandlungspflege dienen, nur dann zu dem vom Heimträger vorzuhaltenden Inventar, wenn sich dies im Einzelfall aus dem Versorgungsvertrag bzw der Leistungs- oder Qualitätsvereinbarung ergibt. Die Vorhaltepflicht eines Pflegeheims, in dem überwiegend Pflegebedürftige nach der Pflegestufe I leben, sieht danach zB anders aus als bei Pflegeheimen mit beatmungsbedürftigen Schwerstpflegebedürftigen oder Apallikern (BSGE 89, 271 = SozR 3-2500 § 33 Nr 43).

30

g) In Einrichtungen, die aufgrund entsprechender Verträge auch medizinische Behandlungspflege zu erbringen haben, besteht für Versicherte ein Anspruch hierauf gegen die Einrichtung "nach den gesetzlichen Bestimmungen" im Sinne von I. 6. Satz 1 HKP-Richtlinie. Denn wirksame und rechtmäßige vertragliche Regelungen können Ansprüche "nach gesetzlichen Bestimmungen" begründen, soweit diese eine Regelung durch entsprechende Verträge ausdrücklich vorsehen. Daher wird in der Literatur und der Rechtsprechung nicht zwischen vertraglichen und gesetzlichen Ansprüchen auf Behandlungspflege gegen den Einrichtungsträger unterschieden (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 2 sowie Weber, NZS 2011, 650, 653; ausdrücklich auch LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 24.10.2012 - L 4 KR 30/10 - Juris; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22.11.2011 - L 10 KR 32/11 B ER - Juris).

31

h) Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen grundsätzlich geeignete Orte für die Erbringung von häuslicher Krankenpflege nach § 37 SGB V durch die gesetzliche Krankenversicherung sein können, wenn der Versicherte im Einzelfall keinen Anspruch auf die Erbringung der Maßnahme durch die Einrichtung hat. Im Rahmen der von der Einrichtung geschuldeten Pflege hat diese grundsätzlich nur einfachste Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege zu erbringen, für die es keiner besonderen medizinischen Sachkunde oder medizinischer Fertigkeiten bedarf und die daher regelmäßig von dem in der Einrichtung beschäftigten Personal, wie von jedem erwachsenen Haushaltsangehörigen, ohne Weiteres ausgeführt werden können. Insoweit ist zur Abgrenzung auch § 37 Abs 3 SGB V heranzuziehen. Danach ist der Anspruch auf häusliche Krankenpflege ausgeschlossen, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang pflegen und versorgen kann. Das bedeutet nicht, wie die Klägerin meint, dass die Betreuer in den Eingliederungseinrichtungen damit in jeder Hinsicht pflegebereiten Haushaltsangehörigen iS des § 37 Abs 3 SGB V gleichgestellt werden. Soweit die Klägerin dies schon im Hinblick auf das "professionelle Selbstverständnis" der Mitarbeiter/innen der Einrichtungen ausschließen will, besteht Anlass zu dem Hinweis, dass sich dieses "Selbstverständnis" nur im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben entfalten kann. Im Übrigen entnimmt der Senat § 37 Abs 2 SGB V im hier maßgeblichen Zusammenhang nur, dass es nach den gesetzlichen Regelungen Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege gibt, die ohne medizinische Vorkenntnisse von Laien erbracht werden können. Das gilt auch für Mitarbeiter in Einrichtungen der Eingliederungshilfe. Dazu gehört zB regelmäßig die Gabe von Tabletten nach ärztlicher Anweisung, das Messen des Blutdrucks oder des Blutzuckergehalts, das Anziehen von Thrombosestrümpfen, das An- und Ablegen einfach zu handhabender Stützverbände, das Einreiben mit Salben (soweit es sich nicht um schwierige Wundversorgung handelt), die Verabreichung von Bädern. Weitergehende medizinische Behandlungspflege schuldet die Einrichtung hingegen nur, wenn sich dies aus ihren Verträgen, ihrer Leistungsbeschreibung, ihrem Aufgabenspektrum auch unter Berücksichtigung ihrer Zielgruppe und ihrer sächlichen und personellen Ausstattung ergibt. Die Injektionen und die Verbandwechsel bei der medizinischen Versorgung eines Fußgeschwürs gehören danach in der Regel nicht zum Aufgabenbereich von Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe.

32

3. Nach dem sich aus der Vereinbarung nach § 75 Abs 3 SGB XII zwischen der Klägerin und dem beigeladenen Einrichtungsträger ergebenden Aufgabenspektrum der Einrichtung, ihrer Zielgruppe, der von ihr zu erbringenden Leistungen und vorzuhaltenden personellen Ausstattung handelt es sich um ein niederschwelliges Leistungsangebot für obdachlose Menschen mit einer psychischen Auffälligkeit(vgl Anlage 1 zur Vereinbarung nach § 75 Abs 3 SGB XII, 3.). Die von der Einrichtung zu leistenden Hilfen (vgl Anlage 1 zur Vereinbarung nach § 75 Abs 3 SGB XII, 4.) beziehen sich daher insbesondere auf Störungen in sozialen, psychischen und auch körperlichen Bereichen und bewegen sich somit ua auch in einem Grenzbereich zur Hilfe bei Krankheit. Ausdrücklich werden Hilfen bei der Gesundheitsversorgung benannt und darunter zB die Hilfestellung bei der Einhaltung der notwendigen gesundheitlichen Maßnahmen aufgeführt. Die Hilfe wird in Form von Beratung, Unterstützung, Förderung, Organisation, Planung sowie stellvertretender Ausführung gewährt (vgl Anlage 1 zur Vereinbarung nach § 75 Abs 3 SGB XII, 5.). Zur personellen Ausstattung gehört Fachpersonal aus den Bereichen Sozialarbeit, Sozialpädagogik und Pädagogik (vgl Anlage 1 zur Vereinbarung nach § 75 Abs 3 SGB XII, 6.).

33

Eine Hilfeleistung bei der oralen Einnahme von Tabletten nach ärztlicher Anweisung sowie beim Blutdruckmessen gehört danach zu der von dem beigeladenen Einrichtungsträger im JJH geschuldeten pädagogischen Beratung, Betreuung und Unterstützung bei der Alltagsbewältigung und den lebenspraktischen Verrichtungen. Für das Herrichten und Verabreichen von Tabletten nach ärztlicher Anweisung und das Blutdruckmessen ist regelmäßig keine medizinische Fachkunde erforderlich, und die in der Einrichtung tätigen, vorwiegend pädagogisch oder sozialpädagogisch ausgebildeten Mitarbeiter dürften nach kurzer Einweisung in der Lage sein, dafür zu sorgen, dass jeder Bewohner die ihm verordneten Medikamente entsprechend der ärztlichen Anordnung einnimmt und ggf seinen Blutdruck misst bzw messen lässt. Denn für jeden Hilfeberechtigten ist ein individueller Hilfeplan aufzustellen. Darin kann auch die einzunehmende Medikation eingetragen werden, zumal nach der mit dem Versicherten abgeschlossenen Beratungs- und Betreuungsvereinbarung die notwendige, ärztlich verordnete Medikation einzuhalten ist.

34

Der Erstattungsanspruch der Klägerin beschränkt sich somit auf jene Kosten, die zur häuslichen Krankenpflege in Form der Verabreichung der Injektionen und der regelmäßigen Verbandwechsel aufgewendet worden sind; denn nur insoweit bestand ein Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen die Beklagte nach § 37 Abs 2 SGB V. Die Leistung häuslicher Krankenpflege in Form der Hilfe bei der oralen Einnahme von Medikamenten und beim Blutdruckmessen ist von der Beklagten hingegen zu Recht abgelehnt worden, weil diese Maßnahmen in die Zuständigkeit der von der Beigeladenen betriebenen Einrichtung fielen. Die Höhe der erstattungsfähigen Kosten wird nunmehr das LSG zu ermitteln haben.

35

4. Das LSG hat im Zuge des erneut durchzuführenden Berufungsverfahrens auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden.

36

5. Der Streitwert ergibt sich aus § 197a Abs 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 47 Abs 1, § 52 Abs 1, 3 GKG.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 12. März 2014 - L 4 KR 119/12 - aufgehoben und die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an dieses Gericht zurückverwiesen.

Tatbestand

1

Streitig ist die Gewährung häuslicher Krankenpflege zur Injektion von Insulin und zur Messung des Blutzuckergehaltes in einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen.

2

Der 1942 geborene, bei der Beklagten versicherte Kläger steht unter gesetzlicher Betreuung und lebt in einer von der Beigeladenen zu 2. betriebenen vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen. Er ist dort, nachdem er bis zu seinem 67. Lebensjahr in einer Werkstatt gearbeitet und seit langem in einer Wohngruppe der Einrichtung gelebt hat, nunmehr in einer neu gegründeten Wohngruppe für Senioren in der gleichen Einrichtung untergebracht, um eine ganztägige Betreuung zu gewährleisten. Die Kosten hierfür trägt der zu 1. beigeladene Sozialhilfeträger im Rahmen der Eingliederungshilfe. Der Kläger ist pflegebedürftig und leidet ua unter insulinpflichtigem Diabetes mellitus Typ II.

3

Für die Zeit vom 26.9.2010 bis 30.6.2011 verordnete ihm der behandelnde Arzt häusliche Krankenpflege zur Injektion von Insulin und für das Messen des Blutzuckerspiegels, zunächst wegen stark schwankender Werte, viermal täglich, später nur noch für zweimal tägliche Messungen und einmal tägliche Injektionen. Die Insulininjektionen werden ihm von einem Pflegedienst verabreicht, die Blutzuckermessungen werden teilweise auch von den Betreuern der Wohngruppe durchgeführt. Bei einem Messwert von über 300 sind diese angehalten, unverzüglich den Pflegedienst zu benachrichtigen. Seit Mai 2011 trägt der zu 1. beigeladene Sozialhilfeträger die Kosten des Pflegedienstes.

4

Die Beklagte lehnte die beantragte Erbringung häuslicher Krankenpflege regelmäßig ab (Bescheide vom 14.10.2010, 26.11.2010 und 2.5.2011 jeweils in der Fassung der Widerspruchsbescheide vom 2.2.2011, 6.2.2011 und 4.8.2011), da die Kosten der medizinischen Behandlungspflege nach § 43a Satz 1 SGB XI durch die Pflegekasse abgegolten würden, die nach dieser Vorschrift 10 % des nach § 75 Abs 3 SGB XII vereinbarten Heimentgeltes, maximal 256 Euro monatlich(§ 43a Satz 2 SGB XI) an den Heimträger zu entrichten habe. Diese Regelung sei abschließend und umfasse auch die Leistungen der medizinischen Behandlungspflege. Soweit Einrichtungen externe Pflegedienste beauftragten, sei eine Kostenerstattung gegebenenfalls mit dem Sozialhilfeträger zu regeln.

5

Der Kläger hat zur Begründung seiner Klage vorgetragen, er habe gegen den Einrichtungsträger keinen Anspruch auf Behandlungspflege. Sollte gegen die Beklagte ein solcher Anspruch nicht bestehen, wäre jedenfalls der beigeladene Sozialhilfeträger zur Kostenübernahme verpflichtet.

6

Der beigeladene Sozialhilfeträger hat im Klageverfahren ausgeführt, der Aufenthalt in einer stationären Einrichtung könne dem Anspruch auf häusliche Krankenpflege nach § 37 Abs 6 SGB V iVm der Häuslichen Krankenpflege-Richtlinie (HKP-Richtlinie) nur entgegenstehen, wenn ein Anspruch auf Behandlungspflege gegen den Träger der Einrichtung bestehe. Das sei vorliegend nicht der Fall.

7

Das SG hat die Beklagte verurteilt, dem Kläger für die Zeit vom 26.9.2010 bis 30.6.2011 häusliche Krankenpflege (Behandlungspflege) in Form von Blutzuckertests und Insulininjektionen jeweils viermal täglich und siebenmal wöchentlich zu leisten (Gerichtsbescheid vom 15.3.2012). Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 12.3.2014). Es hat ausgeführt, die von der Beigeladenen zu 2. betriebene Wohneinrichtung, in welcher der Kläger lebe, sei ein geeigneter Ort iS des § 37 Abs 2 SGB V, weil diese selbst dem Kläger keine Behandlungspflege schulde. Es könne offenbleiben, ob diese Wohneinrichtung eine besondere Ausprägung des betreuten Wohnens iS von § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V darstelle, da jedenfalls stationäre Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen, in denen die Versicherten keinen Anspruch auf Behandlungspflege haben, aufgrund ihrer Gemeinsamkeiten mit den betreuten Wohnformen als geeignete Orte im Sinne dieser Vorschrift anzusehen seien. Der Begriff des "betreuten Wohnens" sei gesetzlich nicht definiert und die Übergänge von einer Wohngemeinschaft mit Betreuungshilfe zu einer stationären Einrichtung seien in Abhängigkeit der Fähigkeiten der Bewohner fließend. Der Kläger habe nach dem Wohnstättenvertrag keinen Anspruch auf Behandlungspflege gegen die Einrichtung. Nach diesem Vertrag sei die Einrichtung verpflichtet, im Rahmen der medizinischen Versorgung lediglich eine Begleitung zu Arztbesuchen und externen Therapien sicherzustellen sowie die Einnahme von Medikamenten entsprechend einer schriftlichen ärztlichen Verordnung zu gewährleisten und den Kläger bei Krankheit, soweit kein Klinikaufenthalt erforderlich sei, zu versorgen. Zur Injektion von Insulin oder zu Blutzuckermessungen sei die Einrichtung nicht verpflichtet.

8

Mit ihrer Revision rügt die Beklagte einen Verstoß gegen die Regelungen des § 37 Abs 2 SGB V iVm der HKP-Richtlinie sowie des § 43a SGB XI iVm § 43 Abs 2 Satz 1 SGB XI. Eine stationäre Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen sei nicht mit einer Einrichtung des betreuten Wohnens vergleichbar, in der Pflegebedürftige ambulante Leistungen der Pflegeversicherung erhielten und sich die Hilfe auch auf die Führung eines eigenen Haushaltes erstrecke. In stationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen werde kein eigener Haushalt geführt; die Leistungen würden entsprechend dem ganzheitlichen Ansatz der Eingliederungshilfe vollstationär vom Einrichtungsträger erbracht. Durch den Verweis in § 43a SGB XI auf § 43 Abs 2 Satz 1 SGB XI entspreche der Leistungsumfang dem der stationären Pflegeeinrichtungen und umfasse daher auch Behandlungspflegeleistungen. Der Sozialhilfeträger könne sich nicht durch den Abschluss von Verträgen mit den Eingliederungseinrichtungen über die Bestimmungen des SGB XI hinwegsetzen.

9

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Bayerischen Landessozialgerichts vom 12. März 2014 und den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts München vom 15. März 2012 zu ändern und die Klagen abzuweisen.

10

Der Kläger beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

11

Er nimmt auf die seiner Ansicht nach zutreffenden Ausführungen des Bayerischen LSG Bezug.

12

Der Beigeladene zu 1. schließt sich ebenfalls den Ausführungen des Bayerischen LSG an und betont die fließenden Übergänge im Bereich verschiedener Formen des betreuten Wohnens. In Bayern unterlägen sowohl ambulant als auch stationär betreute Wohnformen dem Gesetz zur Regelung der Pflege, Betreuungs- und Wohnqualität im Alter und bei Behinderung und stellten damit Varianten ein und derselben Wohnform dar. Das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) habe eine Regelung der HKP-Richtlinie (Punkt I.4, Abs 1 Nr 6 der HKP-Richtlinie) beanstandet, nach der in Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen häusliche Krankenpflege nicht verordnet werden konnte, worauf diese Regelung gestrichen worden sei. Zudem verstoße es gegen die UN-Behindertenrechtskonvention und missachte das Wunsch- und Wahlrecht der Betroffenen aus § 9 Abs 2 SGB IX, wenn Menschen mit Behinderungen wegen ihres Bedarfs an medizinischer Behandlungspflege die Einrichtung nach § 55 Satz 2 SGB XII wechseln müssten, wenn diese die Behandlungspflege nicht sicherstellen könne.

13

Auch der Beigeladene zu 2. schließt sich den Ausführungen des Bayerischen LSG an und betont, dass die Einrichtung nach den Leistungsvereinbarungen mit dem Beigeladenen zu 1. keine medizinische Behandlungspflege schulde. Diese sei nach den aktuellen Vereinbarungen sogar ausdrücklich vom Inhalt ausgenommen. Die Einrichtung erbringe Leistungen der Eingliederungshilfe, die auf eine Förderung der Bewohner und die Verwirklichung ihres Teilhabeanspruchs gerichtet seien. Dem Kläger schulde sie "Hilfe bei Krankheit" nur in folgender Form:
- "Arzt- und Therapeutenbesuche: die Mitarbeiter begleiten die Bewohner
- Einnehmen der Medizin nach ärztlicher Verordnung
- Unterstützung des gesunden Lebens".
Zum Personal der Einrichtung gehörten daher auch keine ausgebildeten Krankenpflegekräfte.

Entscheidungsgründe

14

Die Revision der Beklagten ist im Sinne einer Zurückverweisung begründet. Der Kläger hatte zwar grundsätzlich auch während er in der Einrichtung der Eingliederungshilfe lebte Anspruch auf häusliche Krankenpflege durch die Beklagte (hierzu 1.). Der Anspruch reicht aber nur soweit, wie die Einrichtung nicht selbst zur Erbringung der erforderlichen Maßnahmen der Behandlungspflege verpflichtet ist (hierzu 2.) und umfasst daher hier zwar die Injektion von Insulin, nicht aber das Messen der Blutzuckerwerte (hierzu 3.). Die Zurückverweisung ist erforderlich, weil das Berufungsgericht nicht festgestellt hat, in welchen Zeiträumen wie häufig täglich Insulin injiziert werden musste, in welchem Umfang die Leistung tatsächlich erbracht wurde und ob und ggf in welcher Höhe dem Kläger hierfür Kosten entstanden sind. Da der Leistungszeitraum in der Vergangenheit liegt, kann der Kläger nur noch Kostenerstattung geltend machen (hierzu 4.).

15

1. Nach § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V(idF des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26.3.2007, BGBl I 378) erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. Nach § 37 Abs 6 SGB V legt der Gemeinsame Bundesausschuss (GBA) in Richtlinien nach § 92 SGB V fest, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach den Abs 1 und 2 des § 37 SGB V auch außerhalb des Haushaltes und der Familie des Versicherten erbracht werden können.

16

a) Bis zum 31.3.2007 erhielten Versicherte häusliche Krankenpflege (nur) "in ihrem Haushalt oder ihrer Familie" (vgl § 37 Abs 1 und 2 SGB V idF des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003, BGBl I 2190). Schon nach § 185 RVO aus dem Jahr 1911 konnten solche Pflegeleistungen gewährt werden, wenn ein wichtiger Grund vorlag, "den Kranken in seinem Haushalt oder in seiner Familie zu belassen", und nicht im Krankenhaus zu behandeln. Seitdem war dieses Tatbestandsmerkmal bis zum 31.3.2007 nicht erweitert worden. Zu dieser Gesetzeslage hatte das BSG entschieden, dass es zwar - sofern nicht Krankenhausbehandlung oder vollstationäre Pflege vorliege - nicht auf den Aufenthaltsort des Versicherten ankomme und daher häusliche Krankenpflege auch während des Kindergarten- oder Schulbesuchs zu leisten sei (BSGE 90, 143 = SozR 3-2500 § 37 Nr 5 = SozR 3-1500 § 96 Nr 11); aufgrund des engen Wortlauts der Vorschrift sah sich die Rechtsprechung aber bis zur Änderung durch das GKV-WSG vom 26.3.2007 (BGBl I 378) daran gehindert, den Anspruch auf häusliche Krankenpflege darüber hinaus auch auf Zeiten des Aufenthalts in einer stationären Einrichtung auszudehnen (BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 5). Bei der Umschreibung des Aufenthaltsortes der Versicherten "in ihrem Haushalt oder ihrer Familie" ging es dem Gesetzgeber vor allem um die Abgrenzung zur Leistungserbringung im stationären Bereich. Schon in der Ursprungsfassung des § 185 RVO aus dem Jahr 1911 wurde der Begriff als Unterscheidung von der Krankenhausversorgung(vgl Poske, Hauspflege, 1990, S 70 ff, 112 ff) verwendet: "Die Kasse kann mit Zustimmung des Versicherten Hilfe und Wartung durch Krankenpfleger, Krankenschwestern oder andere Pfleger namentlich auch dann gewähren, wenn die Aufnahme des Kranken in ein Krankenhaus geboten, aber nicht ausführbar ist, oder ein wichtiger Grund vorliegt, den Kranken in seinem Haushalt oder seiner Familie zu belassen." Diese Formulierung wurde als Voraussetzung für den Anspruch auf Behandlungssicherungspflege übernommen, die zunächst als Satzungsleistung eingeführt (§ 185 Abs 1 Satz 2 RVO idF des Gesetzes zur Dämpfung der Ausgabenentwicklung und zur Strukturverbesserung in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 27.6.1977, BGBl I 1069; vgl zum Gesetzgebungsverfahren Zipperer, DOK 1978, 11, 20) und später in § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V(durch das Gesetz über die neunzehnte Anpassung der Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz sowie zur Änderung weiterer sozialrechtlicher Vorschriften vom 26.6.1990, BGBl I 1211) zum gesetzlichen Anspruch bestimmt wurde. Schon damals wurde die Notwendigkeit einer Abgrenzung zum stationären Bereich der Heimpflege diskutiert, und bei einem Daueraufenthalt in Einrichtungen der Alten- oder Behindertenhilfe sahen zahlreiche Autoren den Anspruch auf Fälle beschränkt, in denen die Einrichtung dem Versicherten (vertraglich) keine umfassende Versorgung schulde (vgl Hanau/Rolfs, VSSR 1993, 237, 252; Gerlach in Hauck/Noftz, SGB V, Stand August 1999, K § 37 RdNr 15; Höfler in Kasseler Komm, Bd 1, Stand Einzelkommentierung Dezember 2004, § 37 SGB V RdNr 14). Nach der bis zum 31.3.2007 geltenden Gesetzesfassung war aber die vom Gesetzgeber beabsichtigte Abgrenzung zur stationären Krankenhausbehandlung in gleicher Weise geeignet, sonstige stationäre Einrichtungen von den Leistungen der häuslichen Krankenpflege auszunehmen (vgl BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 5). Der Gesetzgeber hatte noch bei der Änderung des § 37 Abs 2 Satz 2 SGB V durch das GMG vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) keinen Handlungsbedarf dafür gesehen, Menschen in Einrichtungen der Behindertenhilfe ohne eigenen Haushalt Anspruch auf häusliche Krankenpflege einzuräumen. Nach dieser Regelung, die unverändert bis heute fortgilt (§ 37 Abs 2 Satz 7 SGB V), erhalten Versicherte, die nicht auf Dauer in Einrichtungen nach § 71 Abs 2 und 4 SGB XI aufgenommen sind, Leistungen der häuslichen Krankenpflege auch dann, wenn ihr Haushalt nicht mehr besteht und ihnen zur Durchführung der Behandlungspflege vorübergehender Aufenthalt in einer Einrichtung oder einer anderen geeigneten Unterkunft zur Verfügung gestellt wird. Bei dieser Regelung ging es insbesondere um die Sicherstellung medizinischer Behandlungspflege für alleinstehende Wohnungslose, um kostentreibende Krankenhauseinweisungen zu verhindern (vgl BT-Drucks 15/1525 S 90). Nach der Gesetzesbegründung wurde damit aber zugleich "klargestellt, dass bei Daueraufenthalt ohne eigenen Haushalt, zB in Heimen, weiterhin kein Anspruch auf Leistungen der Behandlungspflege besteht" (BT-Drucks 15/1525 S 90 zu Buchst a).

17

b) Erst mit dem GKV-WSG vom 26.3.2007 (BGBl I 378) hat der Gesetzgeber den Anspruch auf sonstige geeignete Orte, insbesondere betreute Wohnformen, Schulen, Kindergärten und bei besonders hohem Pflegebedarf auch auf Werkstätten für behinderte Menschen erweitert und dem GBA aufgegeben festzulegen, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen der häuslichen Krankenpflege auch außerhalb des Haushaltes und der Familie des Versicherten erbracht werden können. In der Gesetzesbegründung ist hierzu ausgeführt, die Beschränkung der Leistungen zur häuslichen Krankenpflege auf Haushalt und Familie des Versicherten habe sich im Hinblick auf das Ziel, vorschnelle stationäre Einweisungen zu vermeiden, als kontraproduktiv erwiesen. Die Neuregelung bewirke durch eine vorsichtige Erweiterung des Haushaltsbegriffs, dass neue Wohnformen, Wohngemeinschaften und betreutes Wohnen hinsichtlich der Erbringung von häuslicher Krankenpflege gegenüber konventionellen Haushalten nicht benachteiligt würden. Betreute Wohnformen, deren Bewohner ambulante Leistungen der gesetzlichen Pflegeversicherung erhalten, sollten verbesserte Angebote für ambulant Pflegebedürftige darstellen. Darüber hinaus werde im Hinblick auf bestimmte, eng begrenzte Personengruppen durch den erweiterten Haushaltsbegriff eine vorschnelle Einweisung in stationäre Einrichtungen verhindert. Ein "geeigneter Ort" für die Leistung häuslicher Krankenpflege durch die gesetzliche Krankenversicherung (GKV) sei jedenfalls dann nicht gegeben, wenn sich der Versicherte in einer Einrichtung befinde, in der er nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung medizinischer Behandlungspflege durch die Einrichtung habe. Um die notwendige Flexibilität bei der Bestimmung der geeigneten Erbringungsorte zu wahren, werde auf eine gesetzliche Festlegung verzichtet und die nähere Ausgestaltung dem GBA übertragen. Dieser Lösungsweg vermeide Lücken im Zwischenbereich von ambulanter und stationärer Versorgung (BT-Drucks 16/3100 S 104).

18

c) Der GBA ist seinem Regelungsauftrag durch die zum 11.6.2008 in Kraft getretene Änderung der HKP-Richtlinie (HKP-Richtlinie idF vom 16.2.2000, zuletzt geändert am 17.1.2008/10.4.2008, veröffentlicht im BAnz 2008, Nr 84, S 2028, 2029 und 2030) nachgekommen. Unter I.2 ist bestimmt:

        

"Häusliche Krankenpflege wird im Haushalt des Versicherten oder seiner Familie erbracht. Anspruch auf häusliche Krankenpflege besteht auch an sonstigen geeigneten Orten, an denen sich der Versicherte regelmäßig wiederkehrend aufhält und an denen

        

-       

die verordnete Maßnahme zuverlässig durchgeführt werden kann und

        

-       

für die Erbringung der einzelnen Maßnahmen geeignete räumliche Verhältnisse vorliegen (z. B. im Hinblick auf hygienische Voraussetzungen, Wahrung der Intimsphäre, Beleuchtung),

        

wenn die Leistung aus medizinisch-pflegerischen Gründen während des Aufenthaltes an diesem Ort notwendig ist. Orte im Sinne des Satzes 2 können insbesondere Schulen, Kindergärten, betreute Wohnformen oder Arbeitsstätten sein."

Unter I.6 ist bestimmt:

        

"Für die Zeit des Aufenthalts in Einrichtungen, in denen nach den gesetzlichen Be-stimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtungen besteht (z. B. Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen, Pflegeheimen), kann häusliche Krankenpflege nicht verordnet werden. Ob ein solcher Anspruch besteht, ist im Einzelfall durch die Krankenkassen zu prüfen.

                 
        

Abweichend davon kann häusliche Krankenpflege in Werkstätten für behinderte Menschen verordnet werden, wenn die Intensität oder Häufigkeit der in der Werkstatt zu erbringenden Pflege so hoch ist, dass nur durch den Einsatz einer Pflegefachkraft Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit vermieden oder das Ziel der ärztlichen Behandlung gesichert werden kann und die Werkstatt für behinderte Menschen nicht auf Grund des § 10 der Werkstättenverordnung verpflichtet ist, die Leistung selbst zu erbringen.

                 
        

Eine Verordnung von Behandlungspflege ist auch für Versicherte in Pflegeheimen zulässig, die auf Dauer, voraussichtlich für mindestens 6 Monate, einen besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben (§ 37 Abs. 2 Satz SGB V). Dies ist der Fall, wenn (…)."

19

Der GBA hatte in seinem Beschlusstext ursprünglich folgende Regelung vorgesehen: "Für die Zeit des Aufenthaltes in Einrichtungen, in denen nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtungen besteht (z.B. Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen, Pflegeheimen oder Behinderteneinrichtungen), kann häusliche Krankenpflege nicht verordnet werden" (vgl https://www.g-ba.de/informationen/beschluesse/598/; dort finden sich die "Tragenden Gründe zum Beschluss vom 17.1.2008" als PDF-Datei, Beschlusstext, S 9). Die ausdrückliche Aufführung der Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen ist trotz zahlreicher kritischer Stellungnahmen (aaO, S 12 ff) erst aufgrund einer Prüfung durch das BMG gemäß § 94 SGB V gestrichen worden(vgl https://www.g-ba.de/informationen/beschluesse/598/; dort findet sich die "Prüfung gem. § 94 SGB V durch das BMG" als PDF-Datei, Schreiben vom 20.3.2008). Zudem wurde der Satz: "Ob ein solcher Anspruch besteht, ist im Einzelfall durch die Krankenkasse zu prüfen" aufgrund der Prüfung aufgenommen. Das BMG hat von einer Beanstandung der vorgesehenen Regelung nur unter der Auflage abgesehen, die Regelung bei nächster Gelegenheit so zu überarbeiten, dass Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen nicht grundsätzlich von der Verordnung häuslicher Krankenpflege ausgeschlossen werden und dass vom GBA sichergestellt wird, dass die Regelung bis zu ihrer Überarbeitung ohne den grundsätzlichen Ausschluss von Behinderteneinrichtungen angewandt wird. Das BMG hat hierzu ausgeführt, eine rechtliche Begründung dafür, dass grundsätzlich in allen (dh in der Regel oder in der großen Mehrheit der nicht näher definierten) ambulanten und stationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen ein Anspruch auf Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtung bestehe, sei nicht ersichtlich. Die vom GBA beschlossene Formulierung könne dazu führen, dass häusliche Krankenpflege für Versicherte in diesen Einrichtungen regelmäßig abgelehnt werde, ohne dass tatsächlich im Einzelfall geprüft werde, ob anderweitige Ansprüche auf die Erbringung von Behandlungspflege bestehen. Deshalb sei klarzustellen, dass im Einzelfall zu prüfen sei, ob nach gesetzlichen Bestimmungen ein Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtung bestehe.

20

d) Nach dem Regelungsgefüge, das sich aus den gesetzlichen Vorschriften iVm den Normen der HKP-Richtlinie ergibt, besteht der Anspruch zunächst an allen geeigneten Orten, an denen sich der Versicherte regelmäßig wiederkehrend aufhält, wenn die Leistung aus medizinisch pflegerischen Gründen während des Aufenthaltes an diesem Ort notwendig ist. Einschränkungen in Bezug auf den Aufenthaltsort ergeben sich - abgesehen von der Geeignetheit der räumlichen Verhältnisse - erst aus den Regelungen unter I.6, dh für die Zeit des Aufenthaltes in Einrichtungen nur dann, wenn nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtung besteht (wie zB in Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen, Pflegeheimen). Ob ein solcher Anspruch besteht, ist im Einzelfall durch die Krankenkasse zu prüfen. Einrichtungen der Eingliederungshilfe werden in den HKP-Richtlinien den Krankenhäusern und Pflegeheimen ausdrücklich nicht (mehr) gleichgestellt. In dieser Fassung ist die HKP-Richtlinie gesetzeskonform.

21

e) Der Vorschrift des § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V und der Bezeichnung der dort nach der Verwendung des Begriffs "insbesondere" beispielhaft aufgeführten "geeigneten Orte" lässt sich nicht die Beschränkung entnehmen, häusliche Krankenpflege könne weiterhin nur beansprucht werden, wenn noch ein Mindestmaß eines eigenen Haushalts (oder ein Leben in der Familie) geführt wird, und weitere Leistungen ggf ambulant in Anspruch genommen werden. Gegen die Auffassung der Beklagten, eine stationäre Einrichtung, in der sich ein Versicherter dauerhaft aufhält, ohne an einem anderen Ort noch einen Haushalt zu führen oder in einem solchen zu leben, könne nie ein sonstiger geeigneter Ort iS des § 37 Abs 2 SGB V sein, sprechen die Gesetzesbegründung und der vom Gesetzgeber mit der Erweiterung des Anspruchs verfolgte Zweck. Auch dem Wortlaut der Vorschrift lässt sich eine solche Einschränkung nicht entnehmen.

22

Dem Gesetzgeber war es nach der Gesetzesbegründung zur Ausweitung des Anspruchs auf häusliche Krankenpflege auf sonstige geeignete Orte durch das GKV-WSG vom 26.3.2007 (BGBl I 378) ein besonderes Anliegen, Lücken im Zwischenbereich von ambulanter und stationärer Versorgung zu vermeiden. Bei ambulanten Einrichtungen, insbesondere auch bei ambulant betreuten Wohnformen, wird aber regelmäßig (allein oder gemeinsam mit anderen) ein eigener Haushalt geführt, sodass bereits vor der Gesetzesänderung auch für dort lebende Versicherte ein Anspruch auf häusliche Krankenpflege bestehen konnte. Zudem war nach der Rechtsprechung des BSG der Anspruch auch schon vor der Neuregelung zum 1.4.2007 nicht auf die Erbringung der Leistung in der Wohnung des Versicherten beschränkt; vielmehr konnte häusliche Krankenpflege auch in der Schule oder im Kindergarten erbracht werden (so ausdrücklich BSGE 90, 143 = SozR 3-2500 § 37 Nr 5 = SozR 3-1500 § 96 Nr 11). Wenn die vom Gesetzgeber beabsichtigte vorsichtige Erweiterung des Anspruchs auch auf sonstige geeignete Orte nicht weitgehend leerlaufen soll, müssen grundsätzlich auch die stationären Einrichtungen einbezogen werden, in denen sich ein Versicherter auf unabsehbare Zeit aufhält und betreut wird, ohne noch anderswo zu leben und zu wohnen. Die Beklagte hat Recht mit ihrer Auffassung, dass es in den bisher vom Senat entschiedenen Fällen darum ging, Versicherte auch in Einrichtungen wie Schulen und Kindergärten mit Krankenpflege zu versorgen, in denen sich diese lange, aber eben nicht ausschließlich im Sinne eines Lebensmittelpunktes aufhalten. Genau diese Situation sollte indessen durch die Neuregelung des § 37 Abs 2 SGB V erfasst werden, und zwar für die Konstellation, dass in der vollstationären Einrichtung keine umfassende pflegerische Versorgung stattfindet und gesetzlich auch nicht geschuldet wird. Denn nur dadurch kann dem Sinn und Zweck der Vorschrift, durch (ambulante) häusliche Krankenpflege vorschnelle stationäre Einweisungen zu vermeiden, entsprochen werden. Bei den zu vermeidenden stationären Einweisungen kann es sich nur um Einweisungen in Einrichtungen handeln, in denen die Versicherten medizinische Behandlungspflege erhalten, wie Krankenhäuser, medizinische Rehabilitationseinrichtungen oder Pflegeheime. Die Aufnahme in andere Einrichtungen, die regelmäßig schon nicht auf ärztliche Veranlassung erfolgt, kann (und soll) nicht durch die Erbringung ambulanter Leistungen der häuslichen Krankenpflege vermieden werden. Vielmehr soll die nach der Gesamtsituation des Versicherten sinnvolle Aufnahme zB in eine stationäre Einrichtung der Eingliederungshilfe nicht daran scheitern, dass zusätzlich zum Eingliederungsbedarf auch ein Bedarf an Krankenpflegeleistungen besteht, der von der Eingliederungseinrichtung nicht gedeckt werden kann. Es kann (auch) für die Krankenkasse wirtschaftlich sinnvoll sein, Versicherte in solchen Einrichtungen, in denen sie keinen Anspruch auf medizinische Behandlungspflege gegen die Einrichtung haben, mit häuslicher Krankenpflege zu versorgen, um eine vorschnelle Einweisung in ein Krankenhaus zu vermeiden.

23

Auch dem Wortlaut der Vorschrift lässt sich seit der Ausweitung des Anspruchs auf sonstige geeignete Orte nicht entnehmen, dass stationäre Einrichtungen etwa der Eingliederungshilfe dafür grundsätzlich nicht in Betracht kommen. Die beispielhafte Aufzählung enthält hierfür keine Anhaltspunkte. Der im Gesetz verwandte Begriff der "betreuten Wohnformen" ist gesetzlich nicht definiert. Die Übergänge von einer Wohngemeinschaft mit ambulanten Betreuungshilfen zu einer stationären Einrichtung sind inzwischen fließend. Daher werden in den Landesheimgesetzen neben stationären Einrichtungen regelmäßig auch andere Formen des betreuten Wohnens erfasst (vgl Weber NZS 2011, 650, 651 mwN), und längst nicht alle Formen des betreuten Wohnens weisen eine größere Nähe zur eigenständigen Haushaltsführung auf, als herkömmliche stationäre Einrichtungen. Eine eindeutige Zuordnung jeder Einrichtung entweder als stationäres Heim oder als ambulantes Angebot mit Betreuungshilfen, wird durch die andauernde Entwicklung neuer Wohnformen zunehmend schwierig. Auch in betreuten Wohnformen haben Versicherte keinen Anspruch auf häusliche Krankenpflege, wenn sie bereits Anspruch auf die Maßnahme durch die Einrichtung bzw den Betreuungsdienst haben, weil häusliche Krankenpflege dann nicht erforderlich ist. Gerade im Grenzbereich verschiedener Wohnformen ist es aber sachgerecht, nach dem Anspruch gegen die Einrichtung bzw den Betreuungsdienst zu differenzieren und nicht dem Begriff "betreute Wohnformen" eine Festlegung dahin zu entnehmen, dass in vollstationären Betreuungseinrichtungen keine häusliche Krankenpflege erbracht werden kann.

24

Es ist daher konsequent, den Anspruch auf häusliche Krankenpflege in Einrichtungen nur dann und insoweit zu beschränken, als nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung medizinischer Behandlungspflege durch die Einrichtung besteht. Der Gesetzgeber hat auf eine gesetzliche Festlegung der geeigneten Leistungsorte bewusst verzichtet. Er wollte damit im Hinblick auf die Vielzahl unterschiedlicher Einrichtungen jeglichen Eingriff in die bestehenden Strukturen der Einrichtungen und insbesondere in ihre Leistungspflichten im Hinblick auf die medizinische Behandlungspflege vermeiden und die Präzisierung der Einrichtungen, in denen die Versicherten Anspruch auf häusliche Krankenpflege nach dem SGB V haben, dem GBA überlassen.

25

f) Die Richtlinien des GBA haben normativen Charakter und sind für die Beteiligten verbindlich (BSG SozR 3-2500 § 135 Nr 21; BSG SozR 3-2500 § 92 Nr 12; BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5; BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 3; BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 7; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 8; vgl auch amtl Begründung zu den Ergänzungen von § 92 Abs 1 SGB V durch das GMG - BT-Drucks 15/1525 oder die Ergänzungen des Gesetzes zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung des GKV-WSG). Der Senat hat keine Zweifel an der verfassungsrechtlichen Legitimation des GBA als untergesetzlichem Normgeber in der Form, wie sie inzwischen gesetzlich festgelegt ist (so auch BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 22; BSGE 112, 251 = SozR 4-2500 § 106 Nr 38, RdNr 14; BSGE 111, 155 = SozR 4-2500 § 31 Nr 21, RdNr 26; vgl auch Beier in jurisPK-SGB V, Online-Ausgabe, § 92 SGB V RdNr 31.1, Stand Juni 2013).

26

2. Einrichtungen der Eingliederungshilfe sind nach den gesetzlichen Bestimmungen grundsätzlich nur soweit zur Erbringung von medizinischer Behandlungspflege verpflichtet, wie diese aufgrund der sächlichen und personellen Ausstattung von der Einrichtung erbracht werden kann.

27

a) Erbringt der Träger der Sozialhilfe die Leistungen der Eingliederungshilfe in einer vollstationären Einrichtung (§ 13 SGB XII, zum Einrichtungsbegriff iS des SGB XII vgl BSGE 106, 264 = SozR 4-3500 § 19 Nr 2, RdNr 13) der Hilfe für behinderte Menschen, wird grundsätzlich der gesamte Bedarf des Hilfebedürftigen nach § 9 Abs 1 SGB XII in der Einrichtung in einrichtungsspezifischer Weise befriedigt. Die Einrichtung übernimmt für den Hilfebedürftigen von dessen Aufnahme bis zur Entlassung die Gesamtverantwortung für seine tägliche Lebensführung (vgl Luthe in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand November 2014, K § 13 RdNr 58, 59 mwN). Leistungen der Eingliederungshilfe umfassen nach § 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII, § 26 SGB IX auch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, zu denen nach § 26 Abs 2 SGB IX ua auch die Behandlung durch Angehörige von Heilberufen gehört, soweit deren Leistungen unter ärztlicher Aufsicht oder auf ärztliche Anordnung ausgeführt werden, wie es bei der häuslichen Krankenpflege der Fall ist. Nach § 55 Satz 1 SGB XII umfassen die Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen iS des § 43a SGB XI auch die Pflegeleistungen in der Einrichtung. Ist der behinderte Mensch allerdings so pflegebedürftig, dass die Pflege in der Einrichtung nicht sichergestellt werden kann, vereinbaren der Träger der Sozialhilfe und die zuständige Pflegekasse mit dem Einrichtungsträger, dass die Leistung in einer anderen Einrichtung erbracht wird, wobei den angemessenen Wünschen des behinderten Menschen Rechnung zu tragen ist (§ 55 Satz 2 SGB XII).

28

b) Danach hat der Träger der Sozialhilfe zwar letztlich alle Teilhabebedarfe der Eingliederungshilfe zu decken und kann dies durch Leistungen für Einrichtungen (§ 13 Abs 1 SGB XII) gewährleisten, zu beachten ist aber der Nachrang der Sozialhilfe (§ 2 SGB XII). Leistungen anderer Sozialleistungsträger gehen grundsätzlich den Leistungen der Sozialhilfe vor (§ 2 Abs 1 SGB XII), und auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach dem Recht der Sozialhilfe entsprechende Leistungen vorgesehen sind (§ 2 Abs 2 Satz 2 SGB XII). Die medizinische Behandlungspflege ist Aufgabe der GKV, die daher diese Leistung vorrangig vor dem Träger der Sozialhilfe zu erbringen hat. Deshalb hat der Sozialhilfeträger im Verhältnis zur GKV nicht die Aufgabe, durch entsprechende Verträge mit den Einrichtungen der Eingliederungshilfe dafür zu sorgen, dass diese regelmäßig auch Leistungen der medizinischen Behandlungspflege erbringen. Die Verpflichtung der Einrichtung zur Übernahme der Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung sowie zur Deckung der Bedarfe in einrichtungsspezifischer Weise weist den Einrichtungen daher keine weitergehenden Pflichten zu, als sie aufgrund ihrer Ausrichtung, des Eingliederungszwecks, dem sie dienen, und nach den Vereinbarungen nach §§ 75 ff SGB XII schulden. Einrichtungen der Eingliederungshilfe schulden danach regelmäßig selbst keine medizinischen Behandlungsmaßnahmen, sondern haben lediglich organisatorisch dafür Sorge zu tragen, dass die Bewohner der Einrichtung neben den von der Einrichtung selbst geschuldeten Leistungen auch solche anderer Träger in Anspruch nehmen können. So schulden solche Einrichtungen keine ärztliche Behandlung, sie haben aber ggf Arztbesuche zu organisieren bzw zu ermöglichen und die notwendigen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Gleiches gilt grundsätzlich auch für die medizinische Behandlungspflege, es sei denn, aus den Vereinbarungen nach den §§ 75 ff SGB XII ergeben sich weitergehende Leistungsverpflichtungen.

29

c) Einrichtungen der Eingliederungshilfe sind auch nicht allein aufgrund der von den Pflegekassen für Pflegebedürftige nach § 43a Satz 1 SGB XI zu gewährenden pauschalen Abgeltung verpflichtet, grundsätzlich alle im Einzelfall notwendigen Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege zu erbringen. Nach § 43a Satz 1 SGB XI übernimmt die Pflegekasse zur Abgeltung der in § 43 Abs 2 SGB XI genannten Aufwendungen 10 vH des nach § 75 Abs 3 SGB XII vereinbarten Heimentgeltes für Pflegebedürftige in einer stationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen, in der die Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft, die schulische Ausbildung oder die Erziehung behinderter Menschen im Vordergrund des Einrichtungszwecks stehen(§ 71 Abs 4 SGB XI). Dabei dürfen aber die Aufwendungen der Pflegekasse im Einzelfall je Kalendermonat 256 Euro (ab 1.1.2015 266 Euro) nicht übersteigen (§ 43a Satz 2 SGB XI). Zu den in § 43 Abs 2 SGB XI genannten Aufwendungen gehören die pflegebedingten Aufwendungen, die Aufwendungen der sozialen Betreuung und die Aufwendungen für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege.

30

Trotz der ausdrücklichen Erwähnung auch der medizinischen Behandlungspflege zeigt die Verortung der Vorschrift im SGB XI, dass es dabei lediglich um die von der Pflegeversicherung abzudeckenden Bedarfe geht. Die Pauschale wird auch nur für Pflegebedürftige geleistet. Stationäre Pflegeeinrichtungen iS des § 71 Abs 2 und 4 SGB XI haben grundsätzlich auch medizinische Behandlungspflege zu erbringen; erst bei einem dauerhaften, voraussichtlich mindestens sechs Monate währenden besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben Versicherte in Pflegeheimen Anspruch auf häusliche Krankenpflege. Hier kommt es nicht zu einer Lücke zwischen ambulanter und stationärer Versorgung. Einrichtungen der Eingliederungshilfe schulden nach § 43a SGB XI zwar grundsätzlich Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung. Die medizinische Behandlungspflege iS des § 37 Abs 2 SGB V kann aber durch diese an die Pflegeversicherung gerichtete Vorschrift grundsätzlich nicht vom Zuständigkeitsbereich der GKV auf Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen übertragen werden. Dies ist schon deshalb ausgeschlossen, weil die Eingliederungseinrichtungen dann nur gegenüber pflegebedürftigen Bewohnern zur Erbringung von Behandlungspflege nach § 37 Abs 2 SGB V verpflichtet wären und auch nur für diese Personen das pauschalierte Entgelt erhalten(so im Ergebnis bereits BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 5 RdNr 9). Ansprüche auf medizinische Behandlungspflege können auch Versicherten zustehen, die nicht pflegebedürftig sind.

31

d) Das ergibt sich auch aus den Regelungen des § 55 SGB XII. Danach haben Einrichtungen der Eingliederungshilfe auch die (notwendigen) Pflegeleistungen zu erbringen. Wird der behinderte Mensch aber so pflegebedürftig, dass die Pflege in der Einrichtung nicht sichergestellt werden kann, vereinbaren der Träger der Sozialhilfe und die zuständige Pflegekasse mit dem Einrichtungsträger, dass die Leistung in einer anderen Einrichtung erbracht wird (§ 55 Satz 2 SGB XII). Auch diese Vorschrift knüpft zunächst nur an die Pflegebedürftigkeit und Pflege iS des SGB XI an, nicht an Behandlungspflege. Insbesondere aus § 55 Satz 2 SGB XII ist aber abzuleiten, dass der Gesetzgeber nicht beabsichtigt hat, jede Einrichtung der Eingliederungshilfe personell und sächlich so auszustatten, dass sie neben der üblichen Pflege auch Leistungen der medizinischen Behandlungspflege erbringen kann. Trägerübergreifend betrachtet, wäre das unwirtschaftlich. Hilfen zur Grundpflege und zur hauswirtschaftlichen Versorgung können innerhalb bestimmter Grenzen regelmäßig von Personen erbracht werden, die diesbezüglich keine besondere Ausbildung haben. Hierzu gehören insbesondere die Hilfen bei den Verrichtungen des täglichen Lebens. Erst wenn es darum geht, aktivierende Pflege zu leisten, weitere Pflegebedürftigkeit zu verhüten oder akute Beschwerden zu lindern oder medizinische Behandlungspflege zu leisten, die nicht ohne Weiteres vom Personal einer Eingliederungseinrichtung erbracht werden kann, und die Pflege daher in der Einrichtung nicht mehr sichergestellt werden kann, ist der Hilfebedürftige in einer anderen Einrichtung unterzubringen.

32

e) Die Leistungspflichten der Eingliederungseinrichtungen ergeben sich für deren Nutzer aus zivilrechtlichen Verträgen mit der Einrichtung und gegenüber dem Träger der Sozialhilfe ausschließlich aus dem SGB XII iVm den auf diesen gesetzlichen Grundlagen basierenden Verträgen (zum sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis BSGE 102, 1 = SozR 4-1500 § 75 Nr 9, RdNr 15 ff). Entscheidend für die Leistungspflichten der Einrichtungen zur Hilfe behinderter Menschen ist danach das in den Vereinbarungen nach den §§ 75 ff SGB XII festgelegte Ziel und der Zweck der Einrichtung, ihr Aufgabenprofil, die vorgesehene sächliche und personelle Ausstattung sowie der zu betreuende Personenkreis. Handelt es sich danach zB um eine Einrichtung, deren vorrangige Aufgabe darin besteht, Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten zu leisten, die erforderlich und geeignet sind, behinderten Menschen die für sie erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen (vgl § 55 Abs 2 Nr 3 SGB IX), gehören einfachste medizinische Maßnahmen, die für Versicherte im eigenen Haushalt von jedem erwachsenen Haushaltsangehörigen erbracht werden können und keine medizinische Fachkunde erfordern, wie die Einnahme von Medikamenten, regelmäßig der Natur der Sache nach zum Aufgabenkreis der Einrichtung. Sie sind mit der Gewährung von Eingliederungshilfe durch den Sozialhilfeträger in einer stationären Einrichtung untrennbar verbunden und daher objektiv bereits Bestandteil der Eingliederungshilfe. Dies gilt auch für betreute Wohnformen, wenn dort nach Inhalt und Umfang vergleichbare Eingliederungsleistungen erbracht werden. Zum Erwerb lebenspraktischer Kenntnisse und Fähigkeiten gehört auch die Hilfe bei der Führung eines gesunden Lebens einschließlich der Vermittlung von Einsicht für gesundheitsförderliches Verhalten allgemein und speziell für die Notwendigkeit bestimmter medizinischer Maßnahmen. Bei den einfachsten Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege handelt es sich häufig, wie etwa beim An- und Ausziehen von Thrombosestrümpfen, um verrichtungsbezogene krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen, die ohnehin sowohl dem Aufgabenbereich der Kranken- als auch dem der Pflegeversicherung gleichermaßen zugeordnet und daher - soweit kein Fachpersonal erforderlich ist - auch bereits von der Pauschale nach § 43a SGB XI mitumfasst sind. Danach verläuft die Grenze der von einer Einrichtung geschuldeten Leistungen genau dort, wo diese vom Personal der Einrichtung der Eingliederungshilfe erbracht werden können und müssen. Muss die Einrichtung kein medizinisch ausgebildetes Personal vorhalten, sind regelmäßig nur einfachste Maßnahmen der Krankenpflege von der Einrichtung selbst zu erfüllen. Leistungspflichten, die nur von medizinisch ausgebildetem Fachpersonal erfüllt werden könnten, scheiden dann aus. Ist die Einrichtung hingegen nach ihrem Aufgabenprofil auf eine besondere Zielgruppe ausgerichtet, bei der ständig bestimmte behandlungspflegerische Maßnahmen erforderlich werden, und ist die Einrichtung deshalb entsprechend sächlich und personell auszustatten, hat sie diese behandlungspflegerischen Maßnahmen auch zu erbringen, weil ohne sie die Eingliederungsaufgabe im Hinblick auf die Zielgruppe der Einrichtung nicht erreicht werden kann. Es ist daher - so wie es die HKP-Richtlinie vorgibt - im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, ob die Einrichtung die konkrete behandlungspflegerische Maßnahme nach ihrem Aufgabenprofil, der Ausrichtung auf ein bestimmtes Bewohnerklientel und insbesondere aufgrund ihrer sächlichen und personellen Ausstattung selbst zu erbringen hat. Der Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe wird dadurch nicht betroffen, weil die sächliche und personelle Ausstattung dieser Einrichtungen für die Eingliederungsleistungen ohnehin vorzuhalten ist, die Gewährung von Eingliederungshilfe deutlich im Vordergrund steht und die Leistungen der Behandlungspflege dann untrennbarer Bestandteil der Eingliederungshilfe sind.

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f) Dieses Ergebnis führt zu einer Parallele zu den Pflegehilfsmitteln, die nach der Rechtsprechung des BSG (vgl hierzu BSGE 85, 287 = SozR 3-2500 § 33 Nr 37) von Einrichtungen vorzuhalten sind. Danach hat der Träger eines Pflegeheimes alle Hilfsmittel bereitzustellen, die zur sachgerechten Durchführung der in zugelassenen Pflegeheimen gewöhnlich anfallenden Pflegeleistungen erforderlich sind. Obwohl die Pflegeheime nach § 43 SGB XI nicht nur zur Pflege und sozialen Betreuung, sondern auch zur medizinischen Behandlungspflege verpflichtet sind, gehören Hilfsmittel, die der Durchführung von Behandlungspflege dienen, nur dann zu dem vom Heimträger vorzuhaltenden Inventar, wenn sich dies im Einzelfall aus dem Versorgungsvertrag bzw der Leistungs- oder Qualitätsvereinbarung ergibt. Die Vorhaltepflicht eines Pflegeheims, in dem überwiegend Pflegebedürftige nach der Pflegestufe I leben, sieht danach zB anders aus, als bei Pflegeheimen mit beatmungsbedürftigen Schwerstpflegebedürftigen oder Apallikern (BSGE 89, 271 = SozR 3-2500 § 33 Nr 43).

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g) In Einrichtungen, die aufgrund entsprechender Verträge auch medizinische Behandlungspflege zu erbringen haben, besteht für Versicherte ein Anspruch hierauf gegen die Einrichtung "nach den gesetzlichen Bestimmungen" iS von I.6 Satz 1 HKP-Richtlinie. Denn wirksame und rechtmäßige vertragliche Regelungen können Ansprüche "nach gesetzlichen Bestimmungen" begründen, soweit diese eine Regelung durch entsprechende Verträge ausdrücklich vorsehen. Daher wird in der Literatur und der Rechtsprechung nicht zwischen vertraglichen und gesetzlichen Ansprüchen auf Behandlungspflege gegen den Einrichtungsträger unterschieden (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 2 sowie Weber, NZS 2011, 650, 653; ausdrücklich auch LSG Sachsen-Anhalt Urteil vom 24.10.2012 - L 4 KR 30/10 - Juris; LSG Sachsen-Anhalt Beschluss vom 22.11.2011 - L 10 KR 32/11 B ER - Juris).

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h) Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen grundsätzlich geeignete Orte für die Erbringung von häuslicher Krankenpflege nach § 37 SGB V durch die GKV sein können, wenn der Versicherte im Einzelfall keinen Anspruch auf die Erbringung der Maßnahme durch die Einrichtung hat. Im Rahmen der von der Einrichtung geschuldeten Pflege hat diese grundsätzlich nur einfachste Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege zu erbringen, für die es keiner besonderen medizinischen Sachkunde oder medizinischer Fertigkeiten bedarf und die daher regelmäßig von dem in der Einrichtung beschäftigten Personal, wie von jedem erwachsenen Haushaltsangehörigen, ohne Weiteres ausgeführt werden können. Insoweit ist zur Abgrenzung auch § 37 Abs 3 SGB V heranzuziehen. Danach ist der Anspruch auf häusliche Krankenpflege ausgeschlossen, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang pflegen und versorgen kann. Das bedeutet nicht, dass die Betreuer in den Eingliederungseinrichtungen damit in jeder Hinsicht pflegebereiten Haushaltsangehörigen iS des § 37 Abs 3 SGB V gleichgestellt werden. Der Senat entnimmt § 37 Abs 2 SGB V im hier maßgeblichen Zusammenhang nur, dass es nach den gesetzlichen Regelungen Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege gibt, die ohne medizinische Vorkenntnisse von Laien erbracht werden können. Das gilt auch für Mitarbeiter in Einrichtungen der Eingliederungshilfe. Dazu gehört zB regelmäßig die Gabe von Tabletten nach ärztlicher Anweisung, das Messen des Blutdrucks oder des Blutzuckergehalts, das Anziehen von Thrombosestrümpfen, das An- und Ablegen einfach zu handhabender Stützverbände, das Einreiben mit Salben (soweit es sich nicht um schwierige Wundversorgung handelt), die Verabreichung von Bädern uÄ.

36

Weitergehende medizinische Behandlungspflege schuldet die Einrichtung nur, wenn sich dies aus ihren Verträgen, ihrer Leistungsbeschreibung, ihrem Aufgabenspektrum auch unter Berücksichtigung ihrer Zielgruppe und ihrer sächlichen und personellen Ausstattung ergibt.

37

3. Nach diesen Grundsätzen hat die Einrichtung vorliegend zwar mit ihrem Personal beim Kläger die erforderlichen Blutzuckermessungen selbst vorzunehmen, sie ist aber nicht verpflichtet, dem Kläger auch Insulininjektionen zu verabreichen.

38

Nach dem Bayerischen Rahmenvertrag gemäß § 79 Abs 1 SGB XII vom 15.6.2004, an dessen Abschluss der Beigeladene zu 1. als überörtlicher Sozialhilfeträger und der Landesverband der Beigeladenen zu 2. beteiligt waren, leisten die Einrichtungen Hilfe nach dem individuellen Bedarf des Hilfeempfängers in einem den §§ 1 und 9 SGB XII entsprechenden Umfang(§ 7). Nach der auf dieser Grundlage zwischen den beiden Beigeladenen geschlossenen Leistungsvereinbarung nach §§ 75 ff SGB XII betreut die Einrichtung, in welcher der Kläger lebt, nach § 43a SGB XI auch Menschen mit Pflegestufe und ist auf Personen mit mittlerer bis schwerer Behinderung ausgerichtet, die (auch altersbedingt) nicht in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderungen oder einer Förderstätte aufgenommen werden. Die Einrichtung nimmt keine Personen mit einem vorrangigen Pflegebedarf nach dem SGB XI oder mit einem dauerhaften medizinischen Versorgungs- und Überwachungsbedarf auf. Die Aufgabe der Einrichtung besteht im Wesentlichen darin, den Hilfebedürftigen Assistenz und Begleitung im Alltag zu leisten unter Berücksichtigung ihrer Selbstbestimmung, Selbstverantwortung und der Weiterentwicklung ihrer Persönlichkeit. Zur Personalausstattung der Einrichtung ist neben der Leitung durch eine/einen Dipl Sozialpädagogin/en (FH), der Verwaltung, der Hauswirtschaft und dem technischen Dienst ein Fachdienst aus Dipl Sozialpädagogen mit einem nach Hilfebedarfsgruppen gestaffelten Personalschlüssel vorgesehen. Die Fachkraftquote liegt bei 62,5 %. Fachkräfte sind Heilerziehungspfleger, Heilpädagogen, Erzieher, Gesundheits- und Krankenpfleger, Altenpfleger und Personal mit vergleichbarer Qualifikation.

39

Danach ist die Einrichtung nicht verpflichtet, medizinisch ausgebildetes Personal vorzuhalten; sie kann ihren Verpflichtungen auch mit lediglich pädagogisch ausgebildetem Personal nachkommen. Medizinische Versorgung schuldet die Einrichtung grundsätzlich nicht. Allerdings sollte sie mit ihrem Personal jedenfalls zu den einfachsten Maßnahmen der Behandlungspflege, die in einem Haushalt grundsätzlich von jedem Erwachsenen erbracht werden können, in der Lage sein. Sie betreut auch pflegebedürftige Menschen und solche mit schweren Behinderungen. Bei diesem Personenkreis gehören zur Assistenz und Begleitung im Alltag immer auch Handgriffe und Maßnahmen einfachster Art, die aus medizinischen Gründen erforderlich sind. Deshalb kann die Einrichtung als Fachkräfte auch Personal mit medizinisch-pflegerischen Kenntnissen einsetzen.

40

Zum Messen des Blutzuckers wird ein Tropfen Blut - meist aus einer Fingerkuppe - gewonnen und mit einem Blutzuckermessgerät aufgefangen, das daraufhin den Blutzuckerspiegel anzeigt. Dieses Verfahren kann grundsätzlich von jedem Erwachsenen ohne medizinische Kenntnisse oder Fertigkeiten durchgeführt werden. Es birgt keine nennenswerten Infektions- oder Verletzungsgefahren. Das Personal der vom Beigeladenen zu 2. betriebenen Einrichtung hat die Blutzuckermessungen offenbar über lange Zeiträume beim Kläger durchgeführt. Das Messen des Blutzuckergehaltes gehört für Bewohner, die an insulinpflichtigem Diabetes mellitus leiden, zu der von der Einrichtung geschuldeten Unterstützung eines gesunden Lebens und ist daher untrennbarer Bestandteil der Eingliederungshilfe. Denn es geht insoweit insbesondere auch um die Vermittlung von Einsicht in die Notwendigkeit der Maßnahme sowie die Förderung von Eigenständigkeit und Mithilfe bei der Durchführung oder zumindest das Vermeiden von Abwehrreaktionen. Insoweit betrifft die Maßnahme auch die Selbstbestimmung, Selbstverantwortung und Weiterentwicklung der Persönlichkeit des Klägers als Kernaufgabe der Einrichtung, der sie sich nicht deshalb entziehen kann, weil es sich um eine Maßnahme handelt, die aus medizinischen Gründen erforderlich ist. Soweit die Maßnahme keine medizinischen Fachkenntnisse oder Fertigkeiten voraussetzt, ist sie daher von dem Personal der Eingliederungseinrichtung zu erbringen. Die Mitarbeiter der Einrichtung haben lediglich die vom Blutzuckermessgerät angezeigten Messergebnisse festzuhalten und dem behandelnden Arzt bzw medizinischen Pflegedienst zur Verfügung zu stellen, die ihre Maßnahmen darauf ausrichten können. Bei kritischen Messwerten kann - wie in der Vergangenheit auch praktiziert wurde - der Pflegedienst, ggf auch der Notarzt benachrichtigt werden. Nicht entscheidend ist, wie häufig Blutzuckermessungen erforderlich sind. Weitere medizinische Maßnahmen werden in diesem Zusammenhang vom Personal der Einrichtung nicht erwartet. Der in der Leistungsvereinbarung enthaltene ausdrückliche Ausschluss von Leistungen der medizinischen Behandlungspflege steht dem nicht entgegen, da das Messen des Blutzuckergehaltes für insulinpflichtige Diabetiker als Bestandteil der Eingliederungshilfe zu erbringen ist.

41

Die Injektion von Insulin ist hingegen eine behandlungspflegerische Maßnahme, die zwar von erwachsenen Patienten regelmäßig selbst durchgeführt werden kann; hierfür sind aber erhebliche medizinische Kenntnisse erforderlich, die den Patienten, die die Injektionen selbst durchführen, zuvor vermittelt werden. Insulin wird ins Unterhautfettgewebe gespritzt. Das Einführen der Injektionsnadel in das Unterhautfettgewebe stellt schon als solches einen Eingriff in den Körper dar. Es sind Kenntnisse über günstige Injektionsregionen sowie das Wechseln der Injektionsstellen erforderlich. Wird ohne ausreichende Regenerationszeit allzu häufig dieselbe Einstichstelle genutzt, kann es zu ungewollten Haut- und Fettgewebsveränderungen kommen. Dosis und Art des verordneten Insulins (zu unterscheiden sind insbesondere schnell wirkende Insuline und solche mit einer längerfristigen Wirkung) sollten regelmäßig in Absprache zwischen Arzt und Patient entsprechend der Blutzuckermesswerte sowie des Ess- und Bewegungsverhaltens angepasst werden, wobei dem Patienten ein bedarfsabhängiger Beurteilungsspielraum eingeräumt werden kann. Denn den Bedarf kann ein entsprechend interessierter, geschulter und im Umgang mit seiner Erkrankung erfahrener erwachsener Patient am besten selbst einschätzen. Von Dritten erfordert der sachgerechte Umgang mit solchen medizinischen Beurteilungsspielräumen beachtliche medizinische Kenntnisse, über die regelmäßig nur medizinisches Fachpersonal verfügt. Da die Einrichtung des Beigeladenen zu 2. kein medizinisches Fachpersonal vorhalten muss, schuldet sie dem Kläger nicht die Verabreichung von Insulininjektionen.

42

4. Die Zurückverweisung ist erforderlich, weil das Berufungsgericht nicht festgestellt hat, in welchen Zeiträumen wie häufig täglich Insulin injiziert werden musste, in welchem Umfang die Leistung tatsächlich erbracht wurde und ob und ggf in welcher Höhe dem Kläger hierfür Kosten entstanden sind. Diese Feststellungen wird das LSG nachzuholen haben. Da der Leistungszeitraum in der Vergangenheit liegt, kann der Kläger nur noch Kostenerstattung oder Freistellung von den Kosten geltend machen. Das Anliegen des Klägers kann anders nicht verstanden werden. Auf die Erstattung tatsächlich aufgewandter Kosten bzw auf eine Freistellung von gestundeten Verpflichtungen hat der Kläger nach § 13 Abs 3 SGB V Anspruch, soweit der Pflegedienst häusliche Krankenpflege zur Injektion von Insulin erbracht hat und soweit und so häufig dies medizinisch erforderlich war, weil die Beklagte diese Leistung zu Unrecht abgelehnt hat. Das LSG wird deshalb festzustellen haben, in welcher Höhe der Kläger für häusliche Krankenpflege zur Injektion von Insulin Kosten selbst getragen hat, oder er für den streitigen Leistungszeitraum noch berechtigten Kostenforderungen ausgesetzt ist und ggf den Tenor auf Kostenerstattung oder Freistellung von Kosten in entsprechender Höhe zu korrigieren haben.

43

5. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Tenor

1. Das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 5. Februar 2010 wird aufgehoben.

Es wird festgestellt, dass die Bescheide der Beklagten vom 18. Juni und 29. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. August 2009 rechtswidrig sind und die Beklagte verpflichtet gewesen ist, dem Kläger für die Zeit vom 26. Februar 2009 bis 15. Juni 2010 häusliche Krankenpflege zur Injektion von Thrombosespritzen zu bewilligen, soweit diese ärztlich verordnet waren.

2. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers und der Beigeladenen zu 1 zu tragen.

Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten. 3.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand

1

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte oder der Beigeladene zu 1 verpflichtet gewesen ist, dem Kläger häusliche Krankenpflege zur Verabreichung subkutaner Injektionen von Heparin bzw. Clexane 40 zu gewähren.

2

Der 1962 geborene, bei der Beklagten krankenversicherte Kläger leidet an einem frühkindlichen Hirnschaden. Er benötigt Hilfe beim Gehen, Essen, Waschen und Ankleiden und leidet insbesondere unter Stand- und Gangstörungen mit deutlichen koordinativen Defiziten. Arbeiten, auch mit einfachen Werkzeugen, kann er nur im grobmotorischen Bereich verrichten. Er lebt in einem von der Beigeladenen zu 2 betriebenen Wohnheim für Menschen mit geistiger Behinderung. Vom Beigeladenen zu 1, dem überörtlichen Träger der Sozialhilfe, erhält er Eingliederungshilfe gemäß §§ 53, 54 Zwölftes Buch Sozialgesetzbuch – Sozialhilfe (SGB XII).

3

Für die Zeit vom 26. Februar bis 10. März 2009 verordnete die Hausärztin S. häusliche Krankenpflege anstelle von Krankenhausbehandlung für subkutane Injektionen mit Heparin 7500 IE je zweimal täglich. Anschließend verordnete der Facharzt für Allgemeinmedizin G. ununterbrochen für den Zeitraum vom 20. März 2009 bis zum 15. Juni 2010 weiterhin häusliche Krankenpflege für einmal täglich erforderliche subkutane Injektionen mit Clexane 40 zur Sicherung der ambulanten ärztlichen Behandlung. Ein zugelassener Pflegedienst erbrachte die häusliche Krankenpflege entsprechend den Verordnungen.

4

Auf Nachfrage der Beklagten teilte die Beigeladene zu 2 mit, bei ihrer Einrichtung handle es sich um eine Wohnstätte der Eingliederungshilfe (Wohnheim mit Werkstatt für behinderte Menschen), die dem Heimgesetz unterliege. Entsprechend der geltenden Leistungs- und Vergütungsvereinbarung nach § 75 SGB XII und der Konzeption der Einrichtung werde kein qualifiziertes medizinisches Fachpersonal, sondern fast ausschließlich pädagogisch ausgebildetes Personal beschäftigt, so dass die Erbringung ärztlich verordneter Behandlungspflege (das Setzen einer Injektion) durch die Mitarbeiter der Wohneinrichtung nicht möglich sei. Verrichtungen der Behandlungspflege seien bisher stets durch einen Pflegedienst erbracht worden, dessen Kosten die Krankenkasse übernommen habe.

5

Mit Bescheid vom 18. Juni 2009 lehnte die Beklagte den Antrag auf Kostenübernahme für häusliche Krankenpflege gegenüber dem Kläger ab, da bei Unterbringung in einem Heim im Sinne des Heimgesetzes kein Anspruch auf Behandlungspflege nach § 37 Abs. 2 Satz 1 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) gegen die Krankenkasse bestehe. Die Ausdehnung des Anwendungsbereiches der häuslichen Krankenpflege habe der Gesetzgeber nur für betreute Wohnformen, nicht für Heime vorgesehen. Ggf. bestehe ein Anspruch auf Leistungen nach dem SGB XII.

6

Dagegen legte der Kläger am 13. Juli 2009 Widerspruch ein, da die in der Einrichtung erbrachten pflegerischen Leistungen sich lediglich auf den lebenspraktischen Bereich, nicht auf die Behandlungspflege erstreckten. Die Mitarbeiter seien pädagogische Fachkräfte und verfügten über keine examinierte medizinische Ausbildung. Die Medikamentengabe sei ärztlich verordnet und könne nicht durch eine im Haushalt bzw. im Wohnheim lebende Person erbracht werden. Auf Grund der Einschränkungen seiner Sehfähigkeit sowie seiner Fähigkeiten in geistigen und motorischen Bereichen sei er nicht in der Lage, sich die verordneten Injektionen selbst zu setzen.

7

Er sandte den ablehnenden Bescheid der Beklagten und sein Widerspruchsschreiben auch an den Beigeladenen zu 1. Dort beantragte der Pflegedienst am 14. Juli 2009 telefonisch die Kostenübernahme und übersandte Unterlagen über die erbrachten Leistungen und monatliche Kosten in Höhe von 186,00 EUR für das Verabreichen der Thrombosespritzen. Die Beklagte übergab die Originalverordnungen dem Beigeladenen zu 1.

8

Nachdem die Beklagte den Antrag des Klägers bezüglich der Verordnung für Juli 2009 mit Bescheid vom 29. Juli 2009 abgelehnt und dem Kläger mitgeteilt hatte, ein erneuter Widerspruch sei nicht notwendig, da sich der Widerspruch vom 13. Juli 2009 auch gegen die Ablehnung der Kostenübernahme für weitere gleichartige Verordnungen richte, wies die Widerspruchsstelle der Beklagten den Widerspruch mit Bescheid vom 26. August 2009 zurück. Zur Begründung führte sie aus: Die Einrichtung, in welcher der Kläger wohne, sei kein sonstiger "geeigneter Ort" zur Erbringung der häuslichen Krankenpflege im Sinne des § 37 Abs. 1 Satz 1 bzw. Abs. 2 Satz 1 SGB V. Der Gesetzgeber habe den Anwendungsbereich der Vorschrift über den eigenen Haushalt hinaus ausgedehnt auf geeignete Orte, insbesondere auf betreute Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch auf Werkstätten für behinderte Menschen. Hätte der Gesetzgeber eine darüber hinausgehende Ausdehnung auch auf Heime beabsichtigt, hätte es nahe gelegen, dies ausdrücklich zu formulieren. In einer dem Heimgesetz unterliegenden Einrichtung bestehe kein Anspruch auf Leistungen der häuslichen Krankenpflege.

9

Am 16. September 2009 beantragte der Kläger die Kostenübernahme für die häusliche Krankenpflege bei der Beigeladene zu 1, die den Antrag mit Bescheid vom 21. September 2009 ablehnte, da kein Anspruch auf Erbringung medizinischer Behandlungspflege durch die Einrichtung bestehe. Nach § 37 SGB V schulde die Krankenkasse Leistungen der qualifizierten medizinischen Behandlungspflege, die durch medizinisches Fachpersonal zu erbringen sei, wenn nach den gesetzlichen Bestimmungen kein Anspruch auf Behandlungspflege durch die Einrichtung bestehe. Nach der gemäß dem SGB XII geschlossenen Vergütungsvereinbarung beschäftige das Wohnheim kein medizinisches Personal. Daher sei es durchaus ein geeigneter Ort zur Erbringung von häuslicher Krankenpflege durch die gesetzliche Krankenkasse. Dagegen legte der Kläger am 25. September 2009 Widerspruch ein.

10

Am gleichen Tag beantragte der Kläger beim Sozialgericht Magdeburg den Erlass einer einstweiligen Anordnung, um die Beklagte vorläufig bis zu einer Entscheidung in der Hauptsache zu verpflichten, die Kosten der häuslichen Krankenpflege entsprechend den ärztlichen Verordnungen zu übernehmen. Die entsprechende Klage in der Hauptsache hat er ebenfalls am gleichen Tag erhoben und zur Begründung ausgeführt: Das Verabreichen einer Injektion setze qualifizierte medizinische Kenntnisse voraus und sei daher nicht mit dem Anlegen von Salbenverbänden oder ähnlichen einfachen medizinischen Tätigkeiten vergleichbar. Die Beigeladene zu 2 sei rechtlich nicht verpflichtet und auch personell nicht in der Lage, die Injektionen zu setzen. Der Kläger könne dies aufgrund seiner Erkrankungen auch nicht selbst. Nach § 1 Abs. 2 des Heimvertrages handle es sich bei der Wohnstätte um eine Einrichtung, in der die gesellschaftliche Eingliederung von Menschen mit Behinderung im Vordergrund stehe. Ein Versorgungsvertrag mit der Pflegekasse bestehe daher nicht. Mit Ausnahme von besonderen Betreuungsleistungen nach § 43 a Elftes Buch Sozialgesetzbuch – Soziale Pflegeversicherung (SGB XI) könnten daher mit der Pflegekasse abrechenbare Pflegeleistungen nicht erbracht werden. Die Einrichtung biete neben Wohnraum, Verpflegung und hauswirtschaftlicher Versorgung Betreuungsleistungen in Form von lebenspraktischer Anleitung, besonderen psychosozialen und pflegerischen Hilfen und Freizeitgestaltung an. Den Heimvertrag hat er beigefügt. Der Gesetzgeber habe § 37 SGB V mit Wirkung vom 1. April 2007 neu geregelt und die bis dahin geltende Beschränkung des Anspruchs auf häusliche Krankenpflege in einem "eigenen Haushalt" aufgegeben, um Lücken im Zwischenbereich von ambulanter und stationärer Versorgung zu schließen. Die Neuregelung sei unter Nennung von Regelbeispielen offen formuliert. Nach § 37 Abs. 6 SGB V sei es Aufgabe des Gemeinsamen Bundesausschusses (GBA) in Richtlinien nach § 92 SGB V festzulegen, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach § 37 Abs. 1 und 2 SGB V auch außerhalb des Haushaltes und der Familie des Versicherten erbracht werden könnten. Nach diesen Richtlinien müsse ein "geeigneter Ort" die hygienischen Voraussetzungen erfüllen, die Intimsphäre wahren und es müsse eine ausreichende Beleuchtung vorhanden sein. Diese Voraussetzungen seien gegeben. Würde die Rechtsansicht der Beklagten zu Grunde gelegt, käme es darauf an, zu welcher Uhrzeit die Behandlung erfolge. Denn der Kläger besuche auch die Werkstatt für behinderte Menschen, die unstrittig ein "geeigneter Ort" im Sinne von § 37 SGB V sei. Der Sozialhilfeträger sei grundsätzlich nachrangig verpflichtet und der Kläger selbst könne die Kosten für den Pflegedienst nicht aufbringen.

11

Die Beklagte hat vorgetragen: Im Hinblick auf die in § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V beispielhaft aufgeführten Orte könnten Heime nicht als sonstige "geeignete Orte" gelten. Vielmehr müsse eine Vergleichbarkeit mit den beispielhaft genannten Orten gegeben sein. Da der Gesetzgeber nur die betreuten Wohnformen aufzähle, fielen vollstationäre Einrichtungen oder Heime nicht in den Anwendungsbereich der Vorschrift. Für diese Auslegung spreche auch, dass mit der Vorschrift vorschnelle stationäre Einweisungen vermieden werden sollen. Wenn die erforderliche Behandlungspflege in einer vollstationären Einrichtung der Behindertenhilfe nicht gesichert sei, komme regelmäßig keine stationäre Krankenhausbehandlung, sondern eine Verlegung in ein Pflegeheim in Betracht.

12

Das Sozialgericht Magdeburg hat den Beigeladenen zu 1 mit Beschluss vom 13. Oktober 2009 im Wege einer Zwischenentscheidung verpflichtet, dem Kläger ab 24. September 2009 vorläufig bis zu einer Entscheidung in diesem Verfahren kalendertäglich 6,37 EUR für das Verabreichen von Thrombosespritzen zu zahlen.

13

Der Beigeladene zu 1 hat den Widerspruch des Klägers gegen den Bescheid vom 21. September 2009 mit Widerspruchbescheid vom 9. Februar 2010 mit der Begründung zurückgewiesen, in der mit dem Einrichtungsträger geschlossenen Vergütungsvereinbarung seien keine Kosten für medizinische Behandlungspflege enthalten. Die Richtlinien des GBA zur häuslichen Krankenpflege enthielten eine beispielhafte Aufzählung von Einrichtungen, in denen häusliche Krankenpflege nicht verordnet werden könne. Dies gelte jedoch nicht für Einrichtungen der Behindertenhilfe. Hier sei vielmehr eine Einzelfallprüfung seitens der Krankenkasse erforderlich, ob aufgrund einer entsprechenden Leistungsvereinbarung Behandlungspflege von der Einrichtung oder häusliche Krankenpflege von der gesetzlichen Krankenversicherung zu leisten sei. Mangels entsprechender Leistungsvereinbarung sei die Krankenversicherung leistungspflichtig.

14

Im Hauptsacheverfahren hat das Sozialgericht Magdeburg mit Urteil vom 5. Februar 2010 den Beigeladenen zu 1 unter Aufhebung des Bescheides vom 21. September 2009 verurteilt, die Kosten für die einmal tägliche Injektion von Thrombosespritzen beim Kläger ab 26. Februar 2009 zu übernehmen. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und zur Begründung ausgeführt: Das Bundessozialgericht (BSG) habe für die vor dem 1. April 2007 geltende Fassung des § 37 Abs. 2 Satz 2 SGB V klargestellt, dass ein in einem Heim lebender Versicherter keinen eigenen Haushalt und daher keinen Anspruch auf häusliche Krankenpflege habe (BSG, Urt. v. 01.09.2005 – B 3 KR 19/04 R, zitiert nach juris). Der Gesetzgeber habe den Anwendungsbereich des § 37 Abs. 1 und 2 SGB V in Kenntnis dieser Rechtsprechung auf sonstige geeignete Orte erweitert, die beispielhaft aufgezählt seien. Die Unterbringung in einem Heim sei darin nicht erwähnt. Die Aufzählung mache deutlich, dass es lediglich um Orte gehe, an denen die Versicherten weiterhin im eigenen häuslichen Bereich untergebracht seien, ggf. mit Unterstützung durch entsprechende Betreuung. In einem Heim sei daher keine häusliche Krankenpflege zu erbringen. Der Kläger habe aus dem Heimvertrag auch keinen Anspruch auf medizinische Versorgung mit Thrombosespritzen gegen den Träger des Wohnheims. Daher habe der Beigeladene zu 1 in diesem Umfang Eingliederungshilfe zu gewähren. Über den Rahmenvertrag habe er jedoch die Möglichkeit, den Leistungsumfang des Heims zu erweitern.

15

Gegen das dem Beigeladenen zu 1 am 10. März 2010 zugestellte Urteil hat er am 9. April 2010 Berufung eingelegt und ausgeführt: Stationäre Einrichtungen der Eingliederungshilfe seien "sonstige geeignete Orte" zur Erbringung von Leistungen der häuslichen Krankenpflege im Sinne des § 37 Abs. 2 SGB V, weshalb die Beklagte leistungspflichtig sei. Die häusliche Krankenpflege diene der Sicherstellung der ambulanten ärztlichen Versorgung nach dem SGB V, die auch den Bewohnern stationärer Einrichtungen der Eingliederungshilfe zu gewähren sei. Eine stationäre Versorgung im Sinne des SGB V finde ausschließlich in stationären Einrichtungen des SGB V wie Krankenhäusern oder Reha-Einrichtungen statt. Es stelle eine nicht zu rechtfertigende Benachteiligung von Menschen mit Behinderung und damit einen Verstoß gegen Art. 3 Abs. 3 Satz 2 Grundgesetz dar, wenn ihnen häusliche Krankenpflege nur deshalb verwehrt werde, weil sie in einer stationären Einrichtung der Eingliederungshilfe wohnten. Der Sozialhilfeträger müsse nur für Kosten aufkommen, die der Bewohner selbst nicht tragen könne. Nach den Richtlinie des GBA über die Verordnung von "häuslicher Krankenpflege", die sich an der Gesetzesbegründung orientiere, sei ein Anspruch auf häusliche Krankenpflege nur ausgeschlossen, wenn nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf Behandlungspflege durch die Einrichtung bestehe (z.B. in Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen, Pflegeheimen). Einrichtungen der Eingliederungshilfe seien jedoch gesetzlich nicht zur Erbringung von Leistungen der Behandlungspflege verpflichtet. Auf mögliche vertragliche Ansprüche gegenüber dem Einrichtungsträger, die hier ebenfalls nicht bestünden, komme es danach nicht an. Nach dem aktuellen Rahmenvertrag habe die Einrichtung Behandlungspflege lediglich dann zu leisten, wenn diese nicht in die Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenkasse falle. Schließlich seien Einrichtungen der Eingliederungshilfe auch nicht von dem für stationäre Pflegeeinrichtungen nach dem SGB XI bestehenden grundsätzlichen Ausschluss von Leistungen der häuslichen Krankenpflege erfasst. Der Kläger erhalte keine Leistungen nach § 43a SGB XI. Nach der neueren Entwicklung der Rechtsprechung könnten zwar "einfache Maßnahmen" der medizinischen Behandlungspflege noch vom Leistungsspektrum der Einrichtungen umfasst sein. Die Abgrenzung zwischen medizinischer Behandlungspflege im Sinne des § 37 SGB V und "einfachen Maßnahmen" der Behandlungspflege dürfe aber nicht allzu komplex sein. Zudem fehle es Patienten mit geistiger Behinderung häufig an der Einsichtsfähigkeit und damit an der notwendigen Kooperationsbereitschaft, so dass – jedenfalls bei einem Eingriff in die körperliche Unversehrtheit – medizinisch ausgebildetes Fachpersonal notwendig sei. Schließlich dürfe das Heimpersonal Injektionen nur nach entsprechender medizinischer Schulung, insbesondere dem Erwerb eines sog. "Spritzenscheins" verabreichen und die Beigeladene zu 2 sei nicht verpflichtet, medizinisch geschultes Personal vorzuhalten. Sollte die Beklagte dennoch nicht zur Leistung verpflichtet sein, schulde die Beigeladene zu 2 die Leistung.

16

Der Beigeladene zu 1 beantragt,

17

das Urteil des Sozialgerichts Magdeburg vom 5. Februar 2010 aufzuheben;

18

hilfsweise,

19

die Einholung eines Sachverständigengutachtens zum Beweis der Tatsache, dass die Verabreichung von Thromboseinjektionen durch die Beigeladene zu 2 einen Spritzenschein im Sinne der Anlage BG 8 zum Schriftsatz der Beigeladenen zu 1 vom 19.10.2012 voraussetzt.

20

Der Kläger beantragt,

21

festzustellen, dass die Bescheide der Beklagten vom 18. Juni und 29. Juli 2009 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26. August 2009 rechtswidrig sind und die Beklagte verpflichtet gewesen ist, ihm in der Zeit vom 26. Februar 2009 bis 15. Juni 2010 häusliche Krankenpflege zur Injektion von Thrombosespritzen entsprechend den ärztlichen Verordnungen zu bewilligen.

22

Er hat ausgeführt, aus dem Heimvertrag ergebe sich aufgrund der Intensität und Häufigkeit der Leistung keine Verpflichtung des Heimträgers die Thrombosespritzen zu verabreichen. Dieser sei nicht verpflichtet, Krankenpfleger zu beschäftigen, weshalb im Heim lediglich Erzieher, Heimerzieher und Hilfskräfte tätig seien. Selbst gesunde Personen injizierten sich regelmäßig die Thrombosespritzen nicht selbst. Das Setzen einer Spritze durch nicht entsprechend geschultes Personal sei haftungsrechtlich problematisch und nicht mit der Hilfestellung bei der Einnahme von Medikamenten oder dem Verabreichen von Salben vergleichbar. Daher sei die Beklagte und nicht der Heimträger zur Erbringung von häuslicher Krankenpflege verpflichtet.

23

Die Beklagte beantragt,

24

die Klage abzuweisen.

25

Sie hat ausgeführt: Zwar könne sich der Kläger die Spritzen möglicherweise nicht selbst injizieren und bedürfe hierzu einer Hilfestellung, er habe aber Anspruch auf die im Heim vorgehaltenen pflegerischen Leistungen nach den §§ 53, 54 SGB XII, für welche die Beigeladene zu 2 Personal vorhalten müsse. Dieses Personal müsse auch in der Lage sein, dem Kläger einmal täglich eine Thrombosespritze zu verabreichen. Es handele sich bei dem verordneten Medikament Clexane 40 um ein Fertigspritzenprodukt, das im Allgemeinen dem Patienten selbst zum täglichen Spritzen überlassen werde. Besondere medizinische Fachkenntnisse oder medizinisch geschultes Personal sei hierfür nicht erforderlich. Wenn der Patient selbst nicht in der Lage sei, sich die Injektion zu setzen, könne dies auch durch Angehörige erfolgen, die entsprechend eingewiesen worden seien. Das gelte in gleicher Weise für das Heimpersonal. Der Heimträger habe mit Abschluss des Betreuungsvertrages die Verpflichtung übernommen, sich um den Kläger besonders zu bemühen. Auch pflegerische Hilfen seien Bestandteil des Vertrages. Die Verordnung von häuslicher Krankenpflege sei daher nicht erforderlich. Da dem Betreuer die Fürsorge für den Kläger obliege, müsse er ihm die notwendigen Leistungen zukommen lassen und eine ggf. notwendige Zustimmung zur Durchführung der Leistung durch das Heimpersonal erteilen. Die Beklagte hat zudem auf die Vorschriften der §§ 11 Abs. 1 Heimgesetz und 10 Werkstättenverordnung hingewiesen.

26

Der Senat hat mit Beschluss vom 9. Januar 2002 den Träger der Wohneinrichtung zum Verfahren beigeladen (Beigeladene zu 2). Dieser hat die Konzeption der Einrichtung zu den Akten gereicht und hält sich nicht für leistungspflichtig. Er stellt keinen Antrag.

27

Der Allgemeinmediziner G. hat auf Nachfrage des Senats mit Schreiben vom 17. Februar 2012 und 27. März 2012 mitgeteilt, die Verordnung des Medikamentes Clexane sei aufgrund eines erhöhten Thromboserisikos nach einer Bauchoperation einmal täglich medizinisch notwendig gewesen. Die Injektion werde subkutan in die Bauchdecke gegeben. Besonderer medizinischer Kenntnisse oder einer bestimmten Ausbildung bedürfe es für die Verabreichung des Medikamentes nicht, es müsse aber eine Einweisung erfolgen. Dieses oder ein wirkstoffgleiches Medikament könne nicht anders und nicht von medizinisch nicht ausgebildetem Personal verabreicht werden, denn das Setzen einer Injektion sei nicht Teil des Arbeitsvertrages des Heimpersonals.

28

Die Gerichtsakten des Hauptsacheverfahrens und des einstweiligen Rechtsschutzverfahrens und die Verwaltungsakten der Beklagten und der Beigeladenen zu 1 haben vorgelegen und waren Gegenstand der mündlichen Verhandlung. Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhaltes und des Sachvortrages der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Verwaltungsakten ergänzend verwiesen.

Entscheidungsgründe

29

1. Die Berufung des Beigeladenen zu 1 ist zulässig.

30

Beigeladene können Rechtsmittel einlegen, soweit sie durch das Urteil beschwert sind. Das ergibt sich aus der auch für die Beigeladenen geltenden Bindungswirkung von Urteilen nach § 141 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) (vgl. Leitherer in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 75 Rn. 19 m. w. N.). Soweit der Beigeladene zu 1 mit der erstinstanzlichen Entscheidung nach § 75 Abs. 5 SGG verurteilt worden ist, steht ihm daher das Rechtsmittel der Berufung zu. Ein Beigeladener kann jedoch keinen eigenen Klageanspruch geltend machen (BSG, Urt. v. 11.07.1974 – 4 RJ 339/73, zitiert nach juris). Daher hat der Beigeladene zu 1 seinen Antrag auf Anregung des Senats auf die Aufhebung des sozialgerichtlichen Urteils begrenzt. In diesem Umfang ist der gestellte Antrag zulässig.

31

2. Ebenfalls zulässig ist das Weiterverfolgen des klägerischen Begehrens im Wege der Fortsetzungsfeststellungsklage nach § 131 Abs. 1 Satz 3 SGG.

32

a) Der die Gewährung von häuslicher Krankenpflege ablehnende Verwaltungsakt der Beklagten hat sich während des Berufungsverfahrens erledigt, da der Kläger über den 15. Juni 2010 hinaus keiner häuslichen Krankenpflege mehr bedurfte. Eine Umstellung seiner Klage auf Kostenerstattung oder Freistellung von Kostenverpflichtungen nach § 13 Abs. 3 SGB V bzw. § 15 Neuntes Buch Sozialgesetzbuch – Rehabilitation und Teilhabe behinderter Menschen (SGB IX) ist nicht möglich. Denn bisher hat nicht der Kläger, sondern der Beigeladene zu 1 die Kosten des Krankenpflegedienstes teilweise getragen. Der Pflegedienst richtet auch die noch offenen Forderungen – bei weiterer Bedürftigkeit des Klägers und entsprechendem Antrag sowohl des Klägers selbst als auch des Pflegedienstes beim Beigeladenen zu 1 – nicht gegen den Kläger. Wegen der grundsätzlichen Haltung der Beklagten, Heimbewohnern gegenüber nicht zur Leistung von häuslicher Krankenpflege verpflichtet zu sein, hat der Kläger aber ein berechtigtes Interesse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Leistungsablehnung. Es kann mit einiger Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, dass der Kläger dauerhaft in einem solchen Heim lebt und erneut auf die Gewährung von häuslicher Krankenpflege angewiesen sein wird. Damit besteht eine ausreichend konkrete Wiederholungsgefahr (vgl. hierzu Keller in Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 10. Aufl. 2012, § 131 Rn. 10b). Zudem erledigt sich der Anspruch auf die Gewährung häuslicher Krankenpflege typischerweise kurzfristig. Dem Kläger darf dadurch nicht der Rechtsschutz versagt werden. Denn der Sozialhilfeträger ist nicht – auch nicht nachrangig – verpflichtet, häusliche Krankenpflege zu gewähren, sondern kann auch auf andere Weise – zum Beispiel durch geeignetes Heimpersonal, ggf. auch durch die Unterbringung des Klägers in einer anderen Einrichtung (§§ 54, 55 SGB XII) – die Erbringung der ärztlich verordneten Leistungen sicherstellen. Ein Rechtsschutzinteresse an der Feststellung der Rechtswidrigkeit der Leistungsablehnung durch die Beklagte kann daher nicht verneint werden.

33

b) Der Kläger kann die Fortsetzungsfeststellungsklage im Berufungsverfahren weiter verfolgen, ohne dass es auf das Vorliegen der Voraussetzungen einer Anschlussberufung ankommt. Ist – wie im vorliegenden Fall – erstinstanzlich nicht der Beklagte, sondern ein Beigeladener zur Leistung verurteilt worden, hält das Berufungsgericht davon abweichend aber den Beklagten für leistungspflichtig, hat es nach der Rechtsprechung des BSG nicht nur die Verurteilung des Beigeladenen aufzuheben, sondern auch den Beklagten zu verurteilen, ohne dass es eines ausdrücklichen Antrags eines Beteiligten bedarf (BSG, Urt. v. 13.07.2010 – B 8 SO 14/09 R, zitiert nach juris). Denn die Verurteilung eines beigeladenen Trägers erfolgt nur subsidiär gegenüber einer Verurteilung des Beklagten. Das Rechtsmittelgericht muss über alle infrage kommenden prozessualen Ansprüche entscheiden können, auch wenn nur der (unterliegende) Beigeladene ein Rechtsmittel eingelegt hat (BSG, Urt. v. 13.07.2010, a.a.O.). Diese Auslegung und Anwendung von § 75 Abs. 2 und 5 SGG verhindert, dass die Abweisung der Klage gegen den Beklagten in Rechtskraft erwächst. Auch ohne ausdrücklichen Antrag des Klägers hat das Gericht nach § 123 SGG über die erhobenen Ansprüche (das prozessuale Begehren) zu entscheiden, ohne an die Fassung der Anträge gebunden zu sein.

34

3. Die Berufung des Beigeladenen zu 1 sowie die Fortsetzungsfeststellungsklage des Klägers sind begründet.

35

Die Bescheide der Beklagten vom 18. Juni und 29. Juli 2009 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26. August 2009 sind rechtswidrig und die Beklagte ist verpflichtet gewesen, dem Kläger in der Zeit vom 26. Februar 2009 bis 10. März 2009 und in der Zeit vom 20. März 2009 bis 15. Juni 2010 häusliche Krankenpflege zur Injektion von Thrombosespritzen entsprechend den ärztlichen Verordnungen zu gewähren. Die nur nachrangig eingreifende Leistungspflicht des Beigeladenen zu 1 kommt daher nicht zum Tragen.

36

Der Anspruch auf die Gewährung von häuslicher Krankenpflege durch die gesetzliche Krankenversicherung ist in § 37 SGB V in Verbindung mit den hierzu erlassenen Richtlinien des GBA über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege (Krankenpflege–RL) geregelt. Für den im Streit stehenden Zeitraum vom 26. Februar 2009 bis 15. Juni 2010 kommt § 37 SGB V in der seit 1. April 2007 geltenden Fassung durch das Gesetz zur Änderung medizinprodukterechtlicher und anderer Vorschriften (MPÄndG) vom 14. Juni 2007 (BGBl. I 2007, S. 1066) zur Anwendung. Die Krankenpflege–RL ist für den Streitzeitraum in der Fassung vom 16. Februar 2000 (Bundesanzeiger 2000, Nr. 91 S. 8878, erlassen noch vom Bundesausschuss der Ärzte und Krankenkassen, an dessen Stelle zum 1.1.2004 der GBA getreten ist), geändert am 17. Januar 2008/10. April 2008 und in Kraft getreten am 11. Juni 2008 (Bundesanzeiger 2008, Nr. 84 S. 2028, 2029 und 2030) anwendbar. Die am 10. Februar 2010 in Kraft getretene Fassung der Richtlinie vom 17. September 2009 hat für den vorliegenden Streitgegenstand keine Änderungen gebracht. Im Folgenden wird daher stets auf die oben genannten Fassungen Bezug genommen.

37

Nach § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. Der Anspruch nach dieser Vorschrift besteht über die dort genannten Fälle hinaus ausnahmsweise auch für solche Versicherten in zugelassenen Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 43 SGB XI, die auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, einen besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben (§ 37 Abs. 2 Satz 3 SGB V). Der GBA legt in Richtlinien nach § 92 SGB V fest, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 auch außerhalb des Haushaltes und der Familie des Versicherten erbracht werden können und bestimmt das Nähere über Art und Inhalt der verrichtungsbezogenen krankheitsspezifischen Pflegemaßnahmen nach Abs. 2 Satz 1 (§ 37 Abs. 6 SGB V).

38

Die Krankenpflege–RL enthält unter I. 2. folgende Regelung:

39

Häusliche Krankenpflege wird im Haushalt des Versicherten oder seiner Familie erbracht. Anspruch auf häusliche Krankenpflege besteht auch an sonstigen geeigneten Orten, an denen sich der Versicherte regelmäßig wiederkehrend aufhält und an denen

40

die verordnete Maßnahme zuverlässig durchgeführt werden kann und

41

für die Erbringung der einzelnen Maßnahmen geeignete räumliche Verhältnisse vorliegen (z. B. im Hinblick auf hygienische Voraussetzungen, Wahrung der Intimsphäre, Beleuchtung),

42

wenn die Leistung aus medizinisch-pflegerischen Gründen während des Aufenthaltes an diesem Ort notwendig ist. Orte im Sinne des Satz 2 können insbesondere Schulen, Kindergärten, betreute Wohnformen oder Arbeitsstätten sein.

43

I. 6. Krankenpflege–RL lautet:

44

Für die Zeit des Aufenthalts in Einrichtungen, in denen nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtungen besteht (z. B. Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen, Pflegeheimen), kann häusliche Krankenpflege nicht verordnet werden. Ob ein solcher Anspruch besteht, ist im Einzelfall durch die Krankenkassen zu prüfen.

45

Abweichend davon kann häusliche Krankenpflege in Werkstätten für behinderte Menschen verordnet werden, wenn die Intensität oder Häufigkeit der in der Werkstatt zu erbringenden Pflege so hoch ist, dass nur durch den Einsatz einer Pflegefachkraft Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit vermieden oder das Ziel der ärztlichen Behandlung gesichert werden kann und die Werkstatt für behinderte Menschen nicht auf Grund des § 10 der Werkstättenverordnung verpflichtet ist, die Leistung selbst zu erbringen.

46

Eine Verordnung von Behandlungspflege ist auch für Versicherte in Pflegeheimen zulässig, die auf Dauer, voraussichtlich für mindestens 6 Monate, einen besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben (§ 37 Abs. 2 S. 3 SGB V). ( )

47

a) Das von der Beigeladenen zu 2 betriebene Wohnheim ist ein zur Erbringung von häuslicher Krankenpflege "geeigneter Ort" im Sinne von § 37 Abs. 2 SGB V.

48

aa) Das Wohnheim der Beigeladenen zu 2 für Menschen mit Behinderungen ist eine Einrichtung der Eingliederungshilfe und gehört nicht zu den in den genannten Vorschriften ausdrücklich aufgeführten Orten. Die Aufzählungen sind aber ausdrücklich nur beispielhaft und daher nicht abschließend. Es ist deshalb durch Auslegung zu ermitteln, ob das Wohnheim – wie die ausdrücklich aufgeführten Schulen, Kindergärten, betreuten Wohnformen und Arbeitsstätten – zu den grundsätzlich für die Erbringung der Maßnahmen geeigneten Orten im Sinne von § 37 Abs. 2 und Abs. 6 SGB V in Verbindung mit I. 2. Krankenpflege–RL gehört. Eine solche Zuordnung kann nach I. 6. Krankenpflege–RL nicht erfolgen, wenn es sich bei dem Wohnheim um eine Einrichtung handelt, in der nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtung besteht (wie z. B. in Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen und Pflegeheimen). Insoweit bestehen an der Rechtmäßigkeit der Krankenpflege–RL keine Zweifel.

49

bb) In der von der Beigeladenen zu 2 betriebenen Wohnstätte besteht nach den gesetzlichen Bestimmungen kein Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtung.

50

(1) Anders als z. B. in Krankenhäusern ist die medizinische Behandlungspflege in stationären Einrichtungen der Eingliederungshilfe nicht bereits nach dem Zweck der Einrichtung von der gesetzlichen Leistungspflicht des Einrichtungsträgers umfasst. Die Eingliederungshilfe dient vor allem der Förderung der Selbstbestimmung behinderter Menschen, indem sie ihnen die Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft ermöglicht bzw. erleichtert (vgl. Wahrendorf in Grube/Wahrendorf, SGB XII, 3. Auflage, § 53 Rdnr. 1). Während die notwendige Assistenz bei der Verrichtung der Körperpflege, der Ernährung und Mobilität sowie der hauswirtschaftlichen Versorgung vom Leistungsumfang des Einrichtungsträgers umfasst ist, gilt dies nicht für Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege, die in den Bereich der Krankenversicherung fällt. Dementsprechend bleiben bei der Kalkulation der Grundpauschale und der Maßnahmepauschale nach § 23 Nr. 1 Rahmenvertrag gemäß § 79 SGB XII für das Land Sachsen-Anhalt die Versorgung mit Arzneimitteln und alle der Leistungspflicht der Krankenversicherung unterliegenden Leistungen unberücksichtigt und Krankenhilfe im Rahmen des SGB XII kann vom überörtlichen Träger der Sozialhilfe gesondert abgegolten werden (§ 24 Nr. 6 Rahmenvertrag gemäß § 79 SGB XII für das Land Sachsen-Anhalt).

51

Ein Anspruch ergibt sich auch nicht aus dem von der Beklagten angeführten § 11 Heimgesetz. Danach darf ein Heim nur betrieben werden, wenn der Träger und die Leitung unter anderem eine angemessene Qualität der Betreuung der Bewohnerinnen und Bewohner, auch soweit sie pflegebedürftig sind, in dem Heim selbst oder in angemessener anderer Weise einschließlich der Pflege nach dem allgemein anerkannten Stand medizinisch-pflegerischer Erkenntnisse sowie die ärztliche und gesundheitliche Betreuung sichern (§ 11 Abs. 1 Nr. 3 Heimgesetz). Die Sicherstellung angemessener Pflege sowie ärztlicher und gesundheitlicher Betreuung bedeutet aber nicht, dass der Heimträger verpflichtet wäre, alle notwendigen pflegerischen, ärztlichen und gesundheitlichen Leistungen selbst oder auf eigene Kosten zu erbringen. Im Hinblick auf die Sicherstellung der ärztlichen Betreuung ist dies inhaltlich offensichtlich. Die Vorschrift enthält keine Aussage dazu, wer jeweils zur Leistungserbringung verpflichtet ist, sondern besagt nur, dass der Heimträger und die Leitung sicherzustellen haben, dass die genannten Leistungen im Heim selbst oder in angemessener anderer Weise erbracht werden (können). Soweit sich nicht aus anderen Regelungen ergibt, dass der Heimträger auch die Erbringung der Leistung selbst schuldet, ist dem Sicherstellungsauftrag nach § 11 Abs. 1 Nr. 3 Heimgesetz regelmäßig bereits durch die Schaffung entsprechender räumlicher und organisatorischer Voraussetzungen (z. B. Notrufmöglichkeiten, Terminvereinbarungen, Organisation der Beförderung, Zugangsmöglichkeiten für Leistungserbringer u. ä.) genüge getan.

52

(2) Ein Anspruch "nach den gesetzlichen Bestimmungen" im Sinne von I. 6. Satz 1 Krankenpflege–RL kann auch ein vertraglicher Anspruch sein (vgl. LSG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 22.11.2011 – L 10 KR 32/11 B ER, zitiert nach juris). Denn wirksame und rechtmäßige vertragliche Regelungen können Ansprüche "nach gesetzlichen Bestimmungen" begründen, soweit diese eine Regelung durch entsprechende Verträge ausdrücklich vorsehen. Daher wird in der Literatur und der Rechtsprechung – soweit ersichtlich – nicht zwischen vertraglichen und gesetzlichen Ansprüchen auf Behandlungspflege gegen den Einrichtungsträger unterschieden (vgl. nur BSG, Urt. v. 28.05.2003 – B 3 KR 32/02 R; LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 24.02.2010 – L 9 KR 23/10 B ER sowie Beschl. v. 03.03.2011 – L 9 KR 284/10 B – jeweils zitiert nach juris, sowie Lieber, NZS 2011, S. 650 (653)).

53

Die Berücksichtigung der Vorschriften des SGB V lässt keine andere Auslegung der im Rang unterhalb der gesetzlichen Vorschriften stehenden Krankenpflege-RL zu, denn die Erbringung von häuslicher Krankenpflege ist nicht notwendig, wenn der Versicherte bereits einen Anspruch auf die erforderlichen Hilfestellungen gegenüber dem Einrichtungsträger hat. Dies ist unabhängig davon, ob sich ein solcher Anspruch aus den gesetzlichen oder aus rechtmäßigen vertraglichen Bestimmungen ergibt. Bereits aus dem in § 12 Abs. 1 SGB V normierten Wirtschaftlichkeitsgebot ergibt sich, dass Leistungen der Krankenversicherung nur erbracht werden dürfen, soweit sie notwendig sind. Auch § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V setzt die Erforderlichkeit der häuslichen Krankenpflege zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung voraus. Zudem ist der Anspruch auf Leistungen der häusliche Krankenpflege gegen die Krankenkasse auch für die in einem Haushalt lebenden Versicherten grundsätzlich subsidiär gegenüber der Möglichkeit, die Leistung über eine im Haushalt lebende Person zu erhalten (§ 37 Abs. 3 SGB V). Der zunächst nur für Versicherte, die in ihrem Haushalt oder ihrer Familie leben vorgesehene Anspruch auf häusliche Krankenpflege (so die Rechtslage bis zum Inkrafttreten des GKV-ModernisierungsG mit Wirkung vom 01.01.2004) ist erst später auf andere geeignete Orte ausgedehnt worden. Entsprechend der gesetzlich festgeschriebenen Subsidiarität des Anspruchs nach § 37 Abs. 3 SGB V kann auch ein anderer Ort nur dann für die Erbringung der Leistung durch die Krankenkasse geeignet sein, wenn dort die medizinische Pflege und Versorgung in dem erforderlichen Umfang nicht bereits mit dem nach den vertraglichen Bestimmungen dort beschäftigten Personal geschuldet ist (so bereits LSG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 22.11.2011 – L 10 KR 32/11 B ER, zitiert nach juris).

54

(3) Ein Anspruch auf die Erbringung von häuslicher Krankenpflege ergibt sich nicht aus vertraglichen Bestimmungen. Die Beigeladene zu 2 schuldet weder dem Kläger selbst die Injektion von Thrombosespritzen noch dem Beigeladenen zu 1 die Erbringung dieser Leistung an den Kläger.

55

Nach dem mit Wirkung zum 21. Dezember 2004 zwischen der Beigeladenen zu 2 und dem Kläger geschlossenen Heimvertrag ist die Wohnstätte eine Einrichtung, in der nach ihrem Zweck die gesellschaftliche Eingliederung von Menschen mit Behinderung im Vordergrund steht. Die Einrichtung überlässt dem Kläger Wohnraum (§ 3) und erbringt insbesondere Leistungen der Verpflegung (§ 4), der hauswirtschaftlichen Versorgung (§ 5) und der Betreuung (§ 6). Insbesondere bei den Betreuungsleistungen wird auf den Landesrahmenvertrag und die vom Sozialhilfeträger finanzierten Leistungen Bezug zugenommen. In diesem Rahmen werden nach § 6 Abs. 1 Heimvertrag folgende Leistungen vorgehalten:

56

lebenspraktische Anleitung

57

besondere psychosoziale Hilfen

58

pflegerische Hilfen

59

Bildung

60

Freizeitgestaltung.

61

Das Erbringen von medizinischer Behandlungspflege gehört danach nicht zum Leistungsspektrum der Beigeladenen zu 2. Anders als in dem zwischen den Beteiligten geschlossenen Heimvertrag von September 1998 (vgl. dort § 1 Abs. 2 h) wird in dem aktuellen Heimvertrag eine medizinisch-pflegerische Versorgung nicht erwähnt. Durch die Begrenzung der geschuldeten Betreuungsleistungen auf den Umfang des Rahmenvertrages und die vom Sozialhilfeträger finanzierten Leistungen wird deutlich, dass der Leistungsanspruch nicht über das hinausgehen kann, was der Heimträger mit dem danach vorzuhaltenden Personal zu leisten in der Lage ist. Die Beigeladene zu 2 beschäftigt entsprechend der Leistungsvereinbarung mit dem Beigeladenen zu 1 und dem Rahmenvertrag überwiegend pädagogisch ausgebildete Mitarbeiter. Dementsprechend weist sie in ihrer Konzeption vom 29. November 2000 ausdrücklich darauf hin, dass medizinisches Fachpersonal nicht vorgehalten wird. Nach § 23 Nr. 1 Rahmenvertrag gemäß § 79 SGB XII für das Land Sachsen-Anhalt bleiben bei der Kalkulation der Grundpauschale und der Maßnahmepauschale die Versorgung mit Arzneimitteln und alle der Leistungspflicht der Krankenversicherung unterliegenden Leistungen unberücksichtigt. Nach § 24 Nr. 6 Rahmenvertrag gemäß § 79 SGB XII für das Land Sachsen-Anhalt kann Krankenhilfe im Rahmen des SGB XII vom überörtlichen Träger der Sozialhilfe gesondert abgegolten werden. Danach besteht auf vertraglicher Ebene grundsätzlich kein Anspruch auf die Erbringung von medizinischer Behandlungspflege gegen die Beigeladene zu 2.

62

Die Injektion von Thrombosespritzen ist eine Maßnahme der medizinischen Behandlungspflege (Behandlungssicherungspflege). Allerdings könnte die Injektion von Thrombosespritzen dennoch von der Beigeladenen zu 2 geschuldet sein, wenn diese Maßnahme zugleich zu den von ihr geschuldeten Leistungen nach § 6 Heimvertrag gehört. Dies ist jedoch nicht der Fall. Denn anders als die Gabe von Tabletten zur oralen Einnahme nach ärztlicher Anweisung (vgl. hierzu LSG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 22.11.2011 – L 10 KR 32/11 B ER sowie LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 24.02.2010 – L 9 KR 23/10 B ER – jeweils zitiert nach juris) gehört die Injektion einer Thrombosespritze nicht zu dem überwiegend pädagogisch geprägten Leistungsspektrum der Beigeladenen zu 2. Die Injektion einer Spritze geht über das hinaus, was unter "lebenspraktische Anleitung" im Sinne des § 6 Abs. 1 Heimvertrag zu verstehen ist. Das Setzen einer Spritze gehört nach allgemeinem Verständnis nicht mehr zu den für das alltägliche Leben erforderlichen lebenspraktischen Tätigkeiten. Aufgrund der eingeschränkten Fähigkeiten des Klägers im Bereich der Grob- und Feinmotorik und der eingeschränkten Sehfähigkeit kommt das Ziel, den Kläger mit pädagogischen Mitteln dahingehend anzuleiten, dass er bei der Injektion der Thrombosespritzen eine gewisse Selbstständigkeit erreicht, nicht ernsthaft in Betracht. Während bei der Gabe von Tabletten zur oralen Einnahme mit pädagogischen Mitteln auf einen Menschen mit geistiger Behinderung in der Weise eingewirkt werden kann, dass dieser die ihm gereichten Tabletten nach Anleitung oral einnimmt, kann bei der Injektion einer Spritze – insbesondere wenn neben einer geistigen Behinderung auch motorische Einschränkungen und Einschränkungen der Sehfähigkeit bestehen – mit pädagogischen Mitteln allenfalls auf mögliche Gegenwehr eingewirkt werden. Die Injektion der Spritze selbst muss in jedem Fall durch eine dritte Person erfolgen. Dies ist aber ausschließlich pädagogisch ausgebildetem Personal regelmäßig nicht zumutbar, insbesondere nicht bei Patienten, denen für die Verabreichung der erforderlichen Medikamente die notwendige Einsicht und Compliance fehlt. Sollte der nicht einsichtsfähige Patient bei der Verabreichung Gegenwehr zeigen, ist beim Umgang mit einer Spritze ein reales Verletzungspotenzial gegeben. Dieses ist auch durch die Verwendung einer Fertigspritze mit Selbstapplikationshilfe und unter Einsatz der bestmöglichen pädagogischen Mittel nicht immer auszuschließen. Die Injektion einer Spritze ist – auch wenn diese unter Verwendung einer Fertigspritze mit Selbstapplikationshilfe nicht nur von medizinischem Fachpersonal gegeben werden kann – immer mit einem Eingriff in die körperliche Unversehrtheit und deshalb mit einem gewissen Gefahrenpotenzial verbunden. Besonders im Falle der Realisierung einer solchen Gefahr ist die Anwesenheit von medizinischem Fachpersonal erforderlich (vgl. zum Ganzen auch LSG Berlin-Brandenburg, a.a.O., das ebenfalls zwischen der Gabe von Medikamenten in Form von Tabletten und der Gabe von Insulin durch Injektionen einschließlich der hierfür durchzuführenden Blutzuckermessungen unterscheidet).

63

cc) Kann die von der Beigeladenen zu 2 betriebene Einrichtung aus den genannten Gründen nicht den Einrichtungen nach I. 6. Satz 1 Krankenpflege-RL zugeordnet werden, in denen die Verordnung von häuslicher Krankenpflege grundsätzlich ausgeschlossen ist, handelt es sich um einen zur Erbringung von häuslicher Krankenpflege grundsätzlich geeigneten Ort im Sinne des § 37 Abs. 2 SGB V (so im Ergebnis auch LSG Sachsen-Anhalt, Beschl. v. 26.08.2010 – L 8 SO 4/10 B ER; a. A. LSG Niedersachsen-Bremen, Urt. v. 23.04.2009 – L 8 SO 1/07, jeweils zitiert nach juris). Zwar ist die Ausschlussnorm der Krankenpflege-RL nach ihrem Wortlaut nicht zwingend abschließend formuliert. Ein Ausschluss von Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung durch eine Richtlinie ist aber grundsätzlich eng auszulegen.

64

Das BSG (Urt. v. 01.09.2005 – B 3 KR 19/04 R, zitiert nach juris) hatte zwar keine Bedenken gegen die Verfassungsmäßigkeit der alten Fassung des § 37 SGB V im Hinblick auf Art. 3 Abs. 3 Grundgesetz, obwohl diese Vorschrift Menschen mit Behinderungen, die in einem Wohnheim der Eingliederungshilfe wohnten, grundsätzlich von einem Anspruch auf häusliche Krankenpflege ausgeschlossen hat und ein Anspruch gegen den Sozialhilfeträger materielle Bedürftigkeit des Betroffenen voraussetzt. Die Beurteilung einer Richtlinie unterliegt jedoch anderen Maßstäben. Während der demokratisch legitimierte Gesetzgeber einen erheblichen Gestaltungsspielraum im Hinblick auf den Leistungsumfang bzw. auf den Ausschluss von Leistungen der gesetzlichen Krankenkassen hat, können Richtlinien nur im Rahmen des Gesetzes verbindliche Regelungen über die zu erbringenden Leistungen im Rahmen der häuslichen Krankenpflege enthalten (vgl. BSG, Urt. v. 17.03.2005 - B 3 KR 35/04 R, sowie Urt. v. 01.09.2005 – B 3 KR 19/04 R, jeweils zitiert nach juris). § 37 SGB V in der seit 1. April 2007 geltenden Fassung ist eine solche Differenzierung jedenfalls nicht zu entnehmen, solange die betroffenen behinderten Menschen die Leistung nicht ohne Abstriche vom Einrichtungsträger verlangen können. Es war gerade Sinn und Zweck der Gesetzesänderung, den Leistungsausschluss aufzuheben, soweit er zu einer Benachteiligung besonderer Wohnformen gegenüber konventionellen Haushalten führte. Auch nach den Gesetzesmaterialien ist ein "geeigneter Ort" für die Leistung häuslicher Krankenpflege durch die gesetzliche Krankenversicherung jedenfalls dann nicht gegeben, wenn sich der Versicherte in einer Einrichtung befindet, in der er Anspruch auf die Erbringung medizinischer Behandlungspflege durch die Einrichtung hat. Auf eine weitergehende gesetzliche Festlegung hat der Gesetzgeber zu Gunsten des Gemeinsamen Bundesausschusses ausdrücklich verzichtet (vgl. zum Ganzen GKV-WSG-Begr. – zu Art. 1 Nr. 22, BT-Drucks. 16/3100, S. 104 f. = Hauck/Noftz, SGB V, Komm., 6. Bd., Materialien, M 16 S. 42 f.). Im Allgemeinen Teil der Gesetzesbegründung wird die Änderung bei der häuslichen Krankenpflege als Maßnahme zur Überwindung der Probleme an Schnittstellen aufgeführt. An dieser Stelle hat der Gesetzgeber bereits zum Ausdruck gebracht, dass in besonderen Ausnahmefällen die Leistung auch in Heimen gewährt werden könne (vgl. Hauck/Noftz, a.a.O., M 16 S. 11 f.).

65

Aus diesem Grund kann der Argumentation der Beklagten und des LSG Niedersachsen-Bremen (a.a.O.), es müsse eine Vergleichbarkeit mit den in § 37 Abs. 2 SGB V beispielhaft genannten Orten gegeben sein, nur eingeschränkt gefolgt werden. Eine Vergleichbarkeit muss lediglich in Bezug auf die Frage gegeben sein, ob die notwendige Behandlungspflege "nach den gesetzlichen Bestimmungen" durch die Einrichtung zu erbringen ist oder nicht, während es auf eine Vergleichbarkeit im Hinblick auf die Möglichkeit der eigenen Haushaltsführung neben der Einbindung in die Einrichtung nicht ankommen kann. Damit übereinstimmend kommt ein Anspruch auf häusliche Krankenpflege in Werkstätten für Menschen mit Behinderungen nach I. 6. Krankenpflege-RL nur in Betracht, wenn die Werkstatt nicht verpflichtet ist, die Leistung selbst zu erbringen.

66

dd) Die von der Beigeladenen zu 2 betriebene Einrichtung verfügt über die zur Erbringung von häuslicher Krankenpflege erforderlichen konkreten (räumlichen) Verhältnisse im Sinne von I. 2. Krankenpflege–RL und ist daher auch unter diesem Gesichtspunkt ein "geeigneter Ort". Die Bewohner – auch der Kläger – halten sich regelmäßig wiederkehrend dort auf. Die verordnete Maßnahme der häuslichen Krankenpflege kann in dieser Wohnstätte zuverlässig durchgeführt werden, insbesondere bestehen keine Zweifel daran, dass zum Beispiel im Hinblick auf hygienische Voraussetzungen, Wahrung der Intimsphäre und Beleuchtung geeignete räumliche Verhältnisse vorhanden sind. Aus medizinisch-pflegerischen Gründen ist die Leistung während des Aufenthaltes des Klägers im Wohnheim notwendig. Denn grundsätzlich ist die häusliche Krankenpflege am Wohnort oder einem anderen Ort des täglichen Aufenthaltes zu erbringen. In der Werkstatt für behinderte Menschen halten sich die Betroffenen regelmäßig nicht täglich auf, nämlich beispielsweise nicht an den Wochenenden.

67

b) Häusliche Krankenpflege war für den Kläger zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich. Der Senat hat keine Zweifel, dass die Injektion von Thrombosespritzen im ärztlich verordneten Umfang medizinisch notwendig gewesen ist. Der Facharzt für Allgemeinmedizin G. hat hierzu ausgeführt, nach einer Bauchoperation habe ein erhöhtes Thromboserisiko bestanden, welches auch durch eine Adipositas, Varicosis und Bewegungseinschränkung bedingt gewesen sei. Mit dieser Erklärung wird nachvollziehbar, dass die Thromboseinjektionen in der Zeit vom 26. Februar bis 10. März 2009 nach den ärztlichen Verordnungen zweimal täglich, später nur noch einmal täglich erforderlich waren. Unerheblich ist, dass die häusliche Krankenpflege zunächst "anstelle von Krankenhausbehandlung" verordnet wurde, obwohl ein Thromboserisiko allein regelmäßig nicht zu Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit führt. Es ist aber auch für den Zeitraum vom 26. Februar bis 10. März 2009 davon auszugehen, dass die häusliche Krankenpflege zur "Sicherung der ambulanten ärztlichen Behandlung", d. h. als Behandlungssicherungspflege medizinisch erforderlich war. Für alle nachfolgenden Verordnungen wurde dieses Ziel der häuslichen Krankenpflege angekreuzt.

68

Der Senat ist davon überzeugt, dass der Kläger aufgrund seiner geistigen und körperlichen Einschränkungen nicht in der Lage war, sich die ärztlich verordneten Thrombosespritzen selbst zu injizieren. Er erfüllt die in der Anlage der Krankenpflege–RL, Verzeichnis verordnungsfähiger Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege, unter Nr. 18 für subkutane Injektionen ärztlich verordneter Medikamente aufgestellten Voraussetzungen. Insbesondere kann er die Injektionen aufgrund der erheblichen Einschränkungen der Grob- und Feinmotorik der oberen Extremitäten nicht selbst aufziehen, dosieren und fachgerecht injizieren und seine Compliance bei der medikamentösen Therapie ist aufgrund seiner starken Einschränkung der geistigen Leistungsfähigkeit nicht sichergestellt. Eine eigenständige Durchführung ist auch mit einer Selbstapplikationshilfe und nach Anleitung nicht möglich.

69

4. Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Da die Beigeladene zu 2 keinen Antrag gestellt hat und damit kein Kostenrisiko eingegangen ist, hat die Beklagte deren Kosten nicht zu tragen.

70

5. Die Revision ist nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG wegen grundsätzlicher Bedeutung zuzulassen, denn die Frage, ob ein Wohnheim der Eingliederungshilfe ein geeigneter Ort für die Erbringung von häuslicher Krankenpflege im Sinne von § 34 Abs. 2 Satz 1 SGB V sein kann, ist von grundsätzlicher Bedeutung und bislang höchstrichterlich nicht geklärt.


(1) Versicherte erhalten in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen neben der ärztlichen Behandlung häusliche Krankenpflege durch geeignete Pflegekräfte, wenn Krankenhausbehandlung geboten, aber nicht ausführbar ist, oder wenn sie durch die häusliche Krankenpflege vermieden oder verkürzt wird. § 10 der Werkstättenverordnung bleibt unberührt. Die häusliche Krankenpflege umfaßt die im Einzelfall erforderliche Grund- und Behandlungspflege sowie hauswirtschaftliche Versorgung. Der Anspruch besteht bis zu vier Wochen je Krankheitsfall. In begründeten Ausnahmefällen kann die Krankenkasse die häusliche Krankenpflege für einen längeren Zeitraum bewilligen, wenn der Medizinische Dienst (§ 275) festgestellt hat, daß dies aus den in Satz 1 genannten Gründen erforderlich ist.

(1a) Versicherte erhalten an geeigneten Orten im Sinne von Absatz 1 Satz 1 wegen schwerer Krankheit oder wegen akuter Verschlimmerung einer Krankheit, insbesondere nach einem Krankenhausaufenthalt, nach einer ambulanten Operation oder nach einer ambulanten Krankenhausbehandlung, soweit keine Pflegebedürftigkeit mit Pflegegrad 2, 3, 4 oder 5 im Sinne des Elften Buches vorliegt, die erforderliche Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung. Absatz 1 Satz 4 und 5 gilt entsprechend.

(2) Versicherte erhalten in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist. § 10 der Werkstättenverordnung bleibt unberührt. Der Anspruch nach Satz 1 besteht über die dort genannten Fälle hinaus ausnahmsweise auch für solche Versicherte in zugelassenen Pflegeeinrichtungen im Sinne des § 43 des Elften Buches, die auf Dauer, voraussichtlich für mindestens sechs Monate, einen besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben; § 37c Absatz 3 gilt entsprechend. Die Satzung kann bestimmen, dass die Krankenkasse zusätzlich zur Behandlungspflege nach Satz 1 als häusliche Krankenpflege auch Grundpflege und hauswirtschaftliche Versorgung erbringt. Die Satzung kann dabei Dauer und Umfang der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung nach Satz 4 bestimmen. Leistungen nach den Sätzen 4 und 5 sind nach Eintritt von Pflegebedürftigkeit mit mindestens Pflegegrad 2 im Sinne des Elften Buches nicht zulässig. Versicherte, die nicht auf Dauer in Einrichtungen nach § 71 Abs. 2 oder 4 des Elften Buches aufgenommen sind, erhalten Leistungen nach Satz 1 und den Sätzen 4 bis 6 auch dann, wenn ihr Haushalt nicht mehr besteht und ihnen nur zur Durchführung der Behandlungspflege vorübergehender Aufenthalt in einer Einrichtung oder in einer anderen geeigneten Unterkunft zur Verfügung gestellt wird. Versicherte erhalten in stationären Einrichtungen im Sinne des § 43a des Elften Buches Leistungen nach Satz 1, wenn der Bedarf an Behandlungspflege eine ständige Überwachung und Versorgung durch eine qualifizierte Pflegefachkraft erfordert.

(2a) Die gesetzliche Krankenversicherung beteiligt sich an den Kosten der medizinischen Behandlungspflege in vollstationären Pflegeeinrichtungen mit einem jährlichen Pauschalbetrag in Höhe von 640 Millionen Euro, der an den Ausgleichsfonds der sozialen Pflegeversicherung zu leisten ist. Die Zahlung erfolgt anteilig quartalsweise. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen erhebt hierzu von den Krankenkassen eine Umlage gemäß dem Anteil der Versicherten der Krankenkassen an der Gesamtzahl der Versicherten aller Krankenkassen. Das Nähere zum Umlageverfahren und zur Zahlung an die Pflegeversicherung bestimmt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen.

(2b) Die häusliche Krankenpflege nach den Absätzen 1 und 2 umfasst auch die ambulante Palliativversorgung. Für Leistungen der ambulanten Palliativversorgung ist regelmäßig ein begründeter Ausnahmefall im Sinne von Absatz 1 Satz 5 anzunehmen. § 37b Absatz 4 gilt für die häusliche Krankenpflege zur ambulanten Palliativversorgung entsprechend.

(3) Der Anspruch auf häusliche Krankenpflege besteht nur, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang nicht pflegen und versorgen kann.

(4) Kann die Krankenkasse keine Kraft für die häusliche Krankenpflege stellen oder besteht Grund, davon abzusehen, sind den Versicherten die Kosten für eine selbstbeschaffte Kraft in angemessener Höhe zu erstatten.

(5) Versicherte, die das 18. Lebensjahr vollendet haben, leisten als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 3 ergebenden Betrag, begrenzt auf die für die ersten 28 Kalendertage der Leistungsinanspruchnahme je Kalenderjahr anfallenden Kosten an die Krankenkasse.

(6) Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in Richtlinien nach § 92 fest, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach den Absätzen 1 und 2 auch außerhalb des Haushalts und der Familie des Versicherten erbracht werden können.

(7) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt in Richtlinien nach § 92 unter Berücksichtigung bestehender Therapieangebote das Nähere zur Versorgung von chronischen und schwer heilenden Wunden. Die Versorgung von chronischen und schwer heilenden Wunden kann auch in spezialisierten Einrichtungen an einem geeigneten Ort außerhalb der Häuslichkeit von Versicherten erfolgen.

(8) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt in der Richtlinie über die Verordnung häuslicher Krankenpflege nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 bis zum 31. Juli 2022 Rahmenvorgaben zu einzelnen nach dem Leistungsverzeichnis der Richtlinie nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 verordnungsfähigen Maßnahmen, bei denen Pflegefachkräfte, die die in den Rahmenempfehlungen nach § 132a Absatz 1 Satz 4 Nummer 7 geregelten Anforderungen erfüllen, innerhalb eines vertragsärztlich festgestellten Verordnungsrahmens selbst über die erforderliche Häufigkeit und Dauer bestimmen können, sowie Vorgaben zur Notwendigkeit eines erneuten Arztkontaktes und zur Information der Vertragsärztin oder des Vertragsarztes durch den Leistungserbringer über die erbrachten Maßnahmen.

(9) Zur Feststellung des tatsächlichen Ausgabenvolumens für die im Rahmen einer Versorgung nach Absatz 8 erbrachten Leistungen pseudonymisieren die Krankenkassen die Angaben zu den Ausgaben jeweils arztbezogen sowie versichertenbezogen. Sie übermitteln diese Angaben nach Durchführung der Abrechnungsprüfung dem Spitzenverband Bund der Krankenkassen, der diese Daten für den Zweck der nach Absatz 10 durchzuführenden Evaluierung kassenartenübergreifend zusammenführt und diese Daten dem nach Absatz 10 Satz 2 beauftragten unabhängigen Dritten übermittelt. Das Nähere zur Datenübermittlung und zum Verfahren der Pseudonymisierung regelt der Spitzenverband Bund der Krankenkassen. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen und der beauftragte unabhängige Dritte nach Absatz 10 Satz 2 haben die ihnen nach Satz 2 übermittelten pseudonymisierten Daten spätestens ein Jahr nach Abschluss der Evaluierung zu löschen.

(10) Drei Jahre nach Inkrafttreten der Regelungen nach Absatz 8 evaluieren der Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die in § 132a Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer unter Berücksichtigung der nach Absatz 9 Satz 2 übermittelten Daten insbesondere die mit der Versorgung nach Absatz 8 verbundenen Auswirkungen auf das Versorgungsgeschehen im Bereich der häuslichen Krankenpflege, die finanziellen Auswirkungen auf die Krankenkassen, die Wirtschaftlichkeit der Versorgung nach Absatz 8 sowie die Auswirkungen auf die Behandlungs- und Ergebnisqualität. Die Evaluierung hat durch einen durch den Spitzenverband Bund der Krankenkassen, die Kassenärztliche Bundesvereinigung und die in § 132a Absatz 1 Satz 1 genannten Organisationen der Leistungserbringer gemeinsam zu beauftragenden unabhängigen Dritten zu erfolgen.

Tenor

Auf die Revision der Beklagten wird das Urteil des Landessozialgerichts Hamburg vom 24. April 2014 aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen, soweit Kostenerstattung für die Zeit von Oktober 2008 bis August 2009 beansprucht wird. Im Übrigen wird das Urteil geändert und die Klage abgewiesen.

Der Streitwert für das Revisionsverfahren wird auf 18 289,54 Euro festgesetzt.

Tatbestand

1

Die als örtlicher Sozialhilfeträger klagende Stadt macht gegen die beklagte Krankenkasse einen Anspruch auf Erstattung von Kosten geltend, die sie für die Versorgung eines Versicherten der Beklagten mit häuslicher Krankenpflege durch einen Pflegedienst in der Zeit von Oktober 2008 bis Mai 2011 getragen hat.

2

Die beigeladene Wohltätigkeitsorganisation, eine Körperschaft des öffentlichen Rechts, ist Trägerin des J.-J.-H. (JJH) in H., einer stationären sozialtherapeutischen Einrichtung der Wohnungslosenhilfe mit 71 Plätzen, in der wohnungslosen Männern mit psychischen Auffälligkeiten eine sozialpädagogisch betreute Unterbringung angeboten wird. In der Zeit vom 20.10.2008 bis 31.5.2011 lebte dort ein Versicherter der beklagten Krankenkasse (R. R., geboren 1956), der seit 1996 mit kleineren Unterbrechungen obdachlos war. Der Versicherte litt unter mehreren, teilweise schon chronifizierten Krankheiten (Herzrhythmusstörungen, Geschwür am Außenknöchel des rechten Fußes, Gastritis), die ständiger Behandlung bedurften. Er bezog Arbeitslosengeld II und erhielt seine Unterbringung im JJH auf Kosten der Klägerin als Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten nach §§ 67 ff SGB XII. Pflegebedürftigkeit nach §§ 14, 15 SGB XI war nicht festgestellt. Seit dem 1.6.2011 lebt er als mittlerweile "trockener" Alkoholiker wieder in einer eigenen Wohnung.

3

Aufgrund vertragsärztlicher Verordnungen erhielt der Versicherte während der gesamten Zeit des Aufenthalts im JJH häusliche Krankenpflege zur Sicherung des Ziels der ambulanten ärztlichen Behandlung (§ 37 Abs 2 SGB V) durch einen Pflegedienst (Ambulante Krankenpflege H. GbR), und zwar durchgängig zweimal täglich durch das Herrichten und Verabreichen von vier und zeitweise sogar fünf Medikamenten. Der Blutdruck musste täglich einmal (Oktober 2008 bis Februar 2009), im März 2009 täglich dreimal und sodann bis Juni 2009 täglich zweimal gemessen werden; danach waren regelmäßige Blutdruckmessungen nicht mehr erforderlich. Dazu kamen vorübergehend Injektionen (März bis Juni 2009). Ferner waren wegen des Geschwürs am Fuß zeitweise auch tägliche Verbandwechsel erforderlich (Oktober bis Dezember 2008 sowie März bis August 2009). Die Kosten in Höhe von insgesamt 18 289,54 Euro hat die Klägerin getragen, nachdem die Beklagte die bei ihr quartalsweise beantragten Kostenübernahmen jeweils abgelehnt hatte.

4

Die Beklagte verweigert die begehrte Kostenerstattung, weil sie die Voraussetzungen des § 37 Abs 2 SGB V als nicht erfüllt ansieht. Bei einem Daueraufenthalt in einer Einrichtung der Eingliederungshilfe ohne eigene Haushaltsführung des Versicherten bestehe gegenüber der Krankenkasse grundsätzlich kein Anspruch auf häusliche Behandlungssicherungspflege. Der Ausnahmefall eines besonders hohen Bedarfs an medizinischer Behandlungspflege für mindestens sechs Monate liege nicht vor. Die Behandlungspflege des Versicherten habe daher die Klägerin als eigene sozialhilferechtliche Leistung sicherstellen müssen.

5

Das SG hat die Beklagte verurteilt, an die Klägerin 18 289,54 Euro nebst Zinsen zu zahlen (Urteil vom 20.2.2012). Das LSG hat die Berufung der Beklagten zurückgewiesen (Urteil vom 24.4.2014). Es hat ausgeführt, die Klägerin habe nach § 104 Abs 1 SGB X einen Erstattungsanspruch gegen die Beklagte, weil diese zur Gewährung häuslicher Krankenpflege vorrangig verpflichtet sei. Einrichtungen der Eingliederungshilfe könnten "sonst geeignete Orte" iS des § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V sein, wenn der Versicherte keinen Anspruch auf Leistungen der Behandlungspflege gegen den Einrichtungsträger habe und eine Leistungspflicht der Pflegekasse nach § 43a SGB XI schon mangels Pflegebedürftigkeit des Versicherten(§§ 14, 15 SGB XI) ausscheide. Dies ergebe sich aus der insoweit mit der Ermächtigungsgrundlage in Einklang stehenden Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses (G-BA) über die Verordnung von häuslicher Krankenpflege (Häusliche Krankenpflege-Richtlinie; im Folgenden: HKP-Richtlinie). Die Einrichtung, in der sich der Versicherte aufgehalten habe, sei nicht zur Erbringung von Behandlungspflege verpflichtet. Etwas anderes gelte auch nicht bei den oralen Medikamentengaben und den Blutdruckmessungen als einfachsten Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege. Der Zinsanspruch ergebe sich aus § 108 Abs 2 SGB X.

6

Mit ihrer Revision macht die Beklagte geltend, der Begriff "Haushalt" iS des § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V dürfe auch nach der Gesetzesänderung zum 1.4.2007 nicht undifferenziert ausgeweitet werden. Der Gesetzgeber habe lediglich eine vorsichtige Erweiterung des Haushaltsbegriffs, nicht aber seine vollständige Aufgabe bezweckt. Der Bezug der "häuslichen" Krankenpflege zu einem eigenen Haushalt des Versicherten dürfe nicht vollständig aufgegeben werden. Bei den im Gesetz ausdrücklich aufgeführten Einrichtungen handele es sich um solche, in denen sich die Versicherten nur zeitweise aufhielten, während ihr Lebensmittelpunkt im häuslichen Umfeld gewahrt bleibe. Für den Fall, dass - wie hier - ein eigener Haushalt nicht mehr bestehe, enthalte § 37 Abs 2 Satz 7 SGB V eine Ausnahmeregelung nur unter der Voraussetzung, dass sich der Versicherte nicht auf Dauer in einer Einrichtung aufhalte. Diese Vorschrift habe der Gesetzgeber unverändert beibehalten. Auf einen Anspruch des Versicherten gegen den Einrichtungsträger könne es zur Bestimmung des Leistungsumfangs nach § 37 Abs 2 SGB V nicht ankommen, sonst läge der Anspruch in der Hand der Partner der Verträge nach §§ 75 ff SGB XII, mit denen die Leistungspflichten des Einrichtungsträgers festgelegt würden. Für die vom LSG angenommene Absicht des Gesetzgebers auf Lückenschluss zwischen ambulanter und stationärer Behandlungspflege mit vollständiger Entlastung der Sozialhilfeträger von den Kosten der häuslichen Krankenpflege bei Versicherten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) gebe es keine hinreichenden Anhaltspunkte. Im Übrigen gehöre zumindest die Hilfe zur Einnahme von Tabletten nach ärztlicher Anweisung sowie das Blutdruckmessen regelmäßig zu der von Einrichtungen der Eingliederungshilfe geschuldeten Unterstützung bei den lebenspraktischen Verrichtungen.

7

Die Beklagte beantragt,
die Urteile des Landessozialgerichts Hamburg vom 24. April 2014 und des Sozialgerichts Hamburg vom 20. Februar 2012 zu ändern und die Klage abzuweisen.

8

Die Klägerin verteidigt das angefochtene Urteil und beantragt,
die Revision zurückzuweisen.

Entscheidungsgründe

9

Die Revision der Beklagten ist begründet, soweit der Erstattungsanspruch den Zeitraum von September 2009 bis Mai 2011 betrifft. In dieser Zeit bestand die häusliche Krankenpflege ausschließlich in der Hilfestellung bei der Einnahme von Medikamenten, wofür dem Pflegedienst 9971,42 Euro gezahlt worden waren. Der Klägerin steht insoweit kein Erstattungsanspruch gegen die Beklagte zu, weil der Versicherte seinerseits keinen Anspruch auf häusliche Krankenpflege für das Herrichten und Verabreichen von Medikamenten gegen die Beklagte hatte. Zwar kann eine Einrichtung der Eingliederungshilfe ein geeigneter Ort zur Erbringung von häuslicher Krankenpflege iS des § 37 SGB V sein(hierzu 1.), wenn die Einrichtung nicht selbst zur Erbringung medizinischer Behandlungspflege verpflichtet ist (hierzu 2.). Eine Hilfeleistung bei der oralen Einnahme von Tabletten nach ärztlicher Anweisung gehört aber - ebenso wie zB die Unterstützung beim Blutdruckmessen - regelmäßig zu der von Einrichtungen der Eingliederungshilfe geschuldeten pädagogischen Beratung, Betreuung und Unterstützung bei den lebenspraktischen Verrichtungen (hierzu 3.).

10

Die Revision der Beklagten führt hingegen zur Aufhebung des angefochtenen Urteils und zur Zurückverweisung des Rechtsstreits an das LSG zur erneuten Verhandlung und Entscheidung (§ 170 Abs 2 Satz 2 SGG), soweit der Erstattungsanspruch den Zeitraum von Oktober 2008 bis August 2009 umfasst. Die Klage ist begründet, soweit sich die geltend gemachten Aufwendungen auf die verabreichten Injektionen (März bis Juni 2009) und die Verbandwechsel wegen des Geschwürs am Fuß (Oktober bis Dezember 2008 sowie März bis August 2009) beziehen. Da in dieser Zeit aber auch ständig Hilfeleistungen bei der Medikamenteneinnahme und beim Blutdruckmessen angefallen sind, und in den Rechnungen des Pflegedienstes die hierfür berechneten Kosten, die nicht erstattungsfähig sind, aufgrund der Abrechnung nach Leistungskomplexen nicht gesondert ausgewiesen sind, musste der Rechtsstreit insoweit an das LSG zurückverwiesen werden, um die zur exakten Berechnung des Erstattungsanspruchs notwendigen Feststellungen zu den Kosten der Injektionen und der Verbandwechsel nachzuholen.

11

1. Nach § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V(idF des Gesetzes zur Stärkung des Wettbewerbs in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 26.3.2007, BGBl I 2007, 378) erhalten Versicherte in ihrem Haushalt, ihrer Familie oder sonst an einem geeigneten Ort, insbesondere in betreuten Wohnformen, Schulen und Kindergärten, bei besonders hohem Pflegebedarf auch in Werkstätten für behinderte Menschen als häusliche Krankenpflege Behandlungspflege, wenn diese zur Sicherung des Ziels der ärztlichen Behandlung erforderlich ist (Behandlungssicherungspflege). Nach § 37 Abs 6 SGB V legt der G-BA in Richtlinien nach § 92 SGB V fest, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen nach den Abs 1 und 2 des § 37 SGB V auch außerhalb des Haushaltes und der Familie des Versicherten erbracht werden können.

12

a) Bis zum 31.3.2007 erhielten Versicherte häusliche Krankenpflege (nur) "in ihrem Haushalt oder ihrer Familie" (vgl § 37 Abs 1 und 2 SGB V idF des Gesetzes zur Modernisierung der gesetzlichen Krankenversicherung vom 14.11.2003, BGBl I 2190). Schon nach § 185 RVO aus dem Jahr 1911 konnten solche Pflegeleistungen gewährt werden, wenn ein wichtiger Grund vorlag, "den Kranken in seinem Haushalt oder in seiner Familie zu belassen" und nicht im Krankenhaus zu behandeln. Seitdem war dieses Tatbestandsmerkmal bis zum 31.3.2007 nicht erweitert worden. Zu dieser Gesetzeslage hatte das BSG entschieden, dass es zwar - sofern nicht Krankenhausbehandlung oder vollstationäre Pflege vorliege - nicht auf den Aufenthaltsort des Versicherten ankomme und daher häusliche Krankenpflege auch während des Kindergarten- oder Schulbesuchs zu leisten sei (BSGE 90, 143 = SozR 3-2500 § 37 Nr 5 = SozR 3-1500 § 96 Nr 11). Aufgrund des engen Wortlauts der Vorschrift sah sich die Rechtsprechung aber bis zur Änderung durch das GKV-WSG vom 26.3.2007 (BGBl I 2007, 378) daran gehindert, den Anspruch auf häusliche Krankenpflege darüber hinaus auch auf Zeiten des Aufenthalts in einer stationären Einrichtung auszudehnen (BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 5). Bei der Umschreibung des Aufenthaltsortes der Versicherten "in ihrem Haushalt oder ihrer Familie" ging es dem Gesetzgeber vor allem um die Abgrenzung zur Leistungserbringung im stationären Bereich. Schon in der Ursprungsfassung des § 185 RVO aus dem Jahr 1911 wurde der Begriff als Unterscheidung von der Krankenhausversorgung(vgl Poske, Hauspflege, 1990, S 70 ff, 112 ff) verwendet: "Die Kasse kann mit Zustimmung des Versicherten Hilfe und Wartung durch Krankenpfleger, Krankenschwestern oder andere Pfleger namentlich auch dann gewähren, wenn die Aufnahme des Kranken in ein Krankenhaus geboten, aber nicht ausführbar ist, oder ein wichtiger Grund vorliegt, den Kranken in seinem Haushalt oder seiner Familie zu belassen". Diese Formulierung wurde als Voraussetzung für den Anspruch auf Behandlungssicherungspflege übernommen, die zunächst als Satzungsleistung eingeführt (§ 185 Abs 1 Satz 2 RVO idF des Gesetzes zur Dämpfung der Ausgabenentwicklung und zur Strukturverbesserung in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 27.6.1977, BGBl I 1069; vgl zum Gesetzgebungsverfahren Zipperer, DOK 1978, 11, 20) und später in § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V(durch das Gesetz über die neunzehnte Anpassung der Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz sowie zur Änderung weiterer sozialrechtlicher Vorschriften vom 26.6.1990, BGBl I 1211) zum gesetzlichen Anspruch bestimmt wurde. Schon damals wurde die Notwendigkeit einer Abgrenzung zum stationären Bereich der Heimpflege diskutiert, und bei einem Daueraufenthalt in Einrichtungen der Alten- oder Behindertenhilfe sahen zahlreiche Autoren den Anspruch auf Fälle beschränkt, in denen die Einrichtung dem Versicherten (vertraglich) keine umfassende Versorgung schulde (vgl Hanau/Rolfs, VSSR 1993, 237, 252; Gerlach in Hauck/Noftz, SGB V, Stand: 1.8.1999, K § 37 RdNr 15; Höfler in Kasseler Komm, Bd 1, Stand: Einzelkommentierung Dezember 2004, § 37 SGB V RdNr 14). Nach der bis zum 31.3.2007 geltenden Gesetzesfassung war aber die vom Gesetzgeber beabsichtigte Abgrenzung zur stationären Krankenhausbehandlung in gleicher Weise geeignet, sonstige stationäre Einrichtungen von den Leistungen der häuslichen Krankenpflege auszunehmen (vgl BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 5). Der Gesetzgeber hatte noch bei der Änderung des § 37 Abs 2 Satz 2 SGB V durch das GMG vom 14.11.2003 (BGBl I 2190) keinen Handlungsbedarf dafür gesehen, Menschen in Einrichtungen der Behindertenhilfe ohne eigenen Haushalt Anspruch auf häusliche Krankenpflege einzuräumen. Nach dieser Regelung, die unverändert bis heute fortgilt (§ 37 Abs 2 Satz 7 SGB V), erhalten Versicherte, die nicht auf Dauer in Einrichtungen nach § 71 Abs 2 und 4 SGB XI aufgenommen sind, Leistungen der häuslichen Krankenpflege auch dann, wenn ihr Haushalt nicht mehr besteht und ihnen zur Durchführung der Behandlungspflege vorübergehender Aufenthalt in einer Einrichtung oder einer anderen geeigneten Unterkunft zur Verfügung gestellt wird. Bei dieser Regelung ging es insbesondere um die Sicherstellung medizinischer Behandlungspflege für alleinstehende Wohnungslose, um kostentreibende Krankenhauseinweisungen zu verhindern (vgl BT-Drucks 15/1525 S 90). Nach der Gesetzesbegründung wurde damit aber zugleich "klargestellt, dass bei Daueraufenthalt ohne eigenen Haushalt, zB in Heimen, weiterhin kein Anspruch auf Leistungen der Behandlungspflege besteht" (BT-Drucks 15/1525 S 90 zu Buchst a).

13

b) Erst mit dem GKV-WSG vom 26.3.2007 (BGBl I 2007, 378) hat der Gesetzgeber den Anspruch auf sonstige geeignete Orte, insbesondere betreute Wohnformen, Schulen, Kindergärten und bei besonders hohem Pflegebedarf auch auf Werkstätten für behinderte Menschen erweitert und dem G-BA aufgegeben festzulegen, an welchen Orten und in welchen Fällen Leistungen der häuslichen Krankenpflege auch außerhalb des Haushaltes und der Familie des Versicherten erbracht werden können. In der Gesetzesbegründung ist hierzu ausgeführt, die Beschränkung der Leistungen zur häuslichen Krankenpflege auf Haushalt und Familie des Versicherten habe sich im Hinblick auf das Ziel, vorschnelle stationäre Einweisungen zu vermeiden, als kontraproduktiv erwiesen. Die Neuregelung bewirke durch eine vorsichtige Erweiterung des Haushaltsbegriffs, dass neue Wohnformen, Wohngemeinschaften und betreutes Wohnen hinsichtlich der Erbringung von häuslicher Krankenpflege gegenüber konventionellen Haushalten nicht benachteiligt würden. Betreute Wohnformen, deren Bewohner ambulante Leistungen der sozialen Pflegeversicherung erhalten, sollten verbesserte Angebote für ambulant Pflegebedürftige darstellen. Darüber hinaus werde im Hinblick auf bestimmte, eng begrenzte Personengruppen durch den erweiterten Haushaltsbegriff eine vorschnelle Einweisung in stationäre Einrichtungen verhindert. Ein "geeigneter Ort" für die Leistung häuslicher Krankenpflege durch die GKV sei jedenfalls dann nicht gegeben, wenn sich der Versicherte in einer Einrichtung befinde, in der er nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung medizinischer Behandlungspflege durch die Einrichtung selbst habe. Um die notwendige Flexibilität bei der Bestimmung der geeigneten Erbringungsorte zu wahren, werde auf eine gesetzliche Festlegung verzichtet und die nähere Ausgestaltung dem G-BA übertragen. Dieser Lösungsweg vermeide Lücken im Zwischenbereich von ambulanter und stationärer Versorgung (BT-Drucks 16/3100 S 104).

14

c) Der G-BA ist seinem Regelungsauftrag durch die zum 11.6.2008 in Kraft getretene Änderung der HKP-Richtlinie (HKP-Richtlinie idF vom 16.2.2000, zuletzt geändert am 17.1.2008/10.4.2008, veröffentlicht im BAnz 2008, Nr 84, S 2028, 2029 und 2030) nachgekommen. Unter I. 2. ist bestimmt:
"Häusliche Krankenpflege wird im Haushalt des Versicherten oder seiner Familie erbracht. Anspruch auf häusliche Krankenpflege besteht auch an sonstigen geeigneten Orten, an denen sich der Versicherte regelmäßig wiederkehrend aufhält und an denen
- die verordnete Maßnahme zuverlässig durchgeführt werden kann und
- für die Erbringung der einzelnen Maßnahmen geeignete räumliche Verhältnisse vorliegen (z. B. im Hinblick auf hygienische Voraussetzungen, Wahrung der Intimsphäre, Beleuchtung),
wenn die Leistung aus medizinisch-pflegerischen Gründen während des Aufenthaltes an diesem Ort notwendig ist. Orte im Sinne des Satz 2 können insbesondere Schulen, Kindergärten, betreute Wohnformen oder Arbeitsstätten sein."
Unter I. 6. ist bestimmt:
"Für die Zeit des Aufenthalts in Einrichtungen, in denen nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtungen besteht (z. B. Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen, Pflegeheimen), kann häusliche Krankenpflege nicht verordnet werden. Ob ein solcher Anspruch besteht, ist im Einzelfall durch die Krankenkassen zu prüfen. Abweichend davon kann häusliche Krankenpflege in Werkstätten für behinderte Menschen verordnet werden, wenn die Intensität oder Häufigkeit der in der Werkstatt zu erbringenden Pflege so hoch ist, dass nur durch den Einsatz einer Pflegefachkraft Krankenhausbehandlungsbedürftigkeit vermieden oder das Ziel der ärztlichen Behandlung gesichert werden kann und die Werkstatt für behinderte Menschen nicht auf Grund des § 10 der Werkstättenverordnung verpflichtet ist, die Leistung selbst zu erbringen. Eine Verordnung von Behandlungspflege ist auch für Versicherte in Pflegeheimen zulässig, die auf Dauer, voraussichtlich für mindestens 6 Monate, einen besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben (§ 37 Abs. 2 S. 3 SGB V). Dies ist der Fall, wenn (…)."

15

Der G-BA hatte in seinem Beschlusstext ursprünglich folgende Regelung vorgesehen: "Für die Zeit des Aufenthaltes in Einrichtungen, in denen nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtungen besteht (zB Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen, Pflegeheimen oder Behinderteneinrichtungen), kann häusliche Krankenpflege nicht verordnet werden" (vgl https://www.g-ba.de/informationen/beschluesse/598/. Dort finden sich die "Tragenden Gründe zum Beschluss vom 17.1.2008" als PDF-Datei, Beschlusstext, S 9). Die ausdrückliche Aufführung der Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen ist trotz zahlreicher kritischer Stellungnahmen (aaO, S 12 ff) erst aufgrund einer Prüfung durch das Bundesministerium für Gesundheit (BMG) gemäß § 94 SGB V gestrichen worden(vgl https://www.g-ba.de/informationen/beschluesse/598/. Dort findet sich die "Prüfung gem. § 94 SGB V durch das BMG" als PDF-Datei, Schreiben vom 20.3.2008). Zudem wurde der Satz: "Ob ein solcher Anspruch besteht, ist im Einzelfall durch die Krankenkasse zu prüfen" aufgrund der Prüfung aufgenommen. Das BMG hat von einer Beanstandung der vorgesehenen Regelung nur unter der Auflage abgesehen, die Regelung bei nächster Gelegenheit so zu überarbeiten, dass Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen nicht grundsätzlich von der Verordnung häuslicher Krankenpflege ausgeschlossen werden und dass vom G-BA sichergestellt wird, dass die Regelung bis zu ihrer Überarbeitung ohne den grundsätzlichen Ausschluss von Behinderteneinrichtungen angewandt wird. Das BMG hat hierzu ausgeführt, eine rechtliche Begründung dafür, dass grundsätzlich in allen (dh in der Regel oder in der großen Mehrheit der nicht näher definierten) ambulanten und stationären Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen ein Anspruch auf Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtung bestehe, sei nicht ersichtlich. Die vom G-BA beschlossene Formulierung könne dazu führen, dass häusliche Krankenpflege für Versicherte in diesen Einrichtungen regelmäßig abgelehnt werde, ohne dass tatsächlich im Einzelfall geprüft werde, ob anderweitige Ansprüche auf die Erbringung von Behandlungspflege bestehen. Deshalb sei klarzustellen, dass im Einzelfall zu prüfen sei, ob nach gesetzlichen Bestimmungen ein Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtung bestehe.

16

d) Nach dem Regelungsgefüge, das sich aus den gesetzlichen Vorschriften iVm mit den Normen der HKP-Richtlinie ergibt, besteht der Anspruch zunächst an allen geeigneten Orten, an denen sich der Versicherte regelmäßig wiederkehrend aufhält, wenn die Leistung aus medizinisch-pflegerischen Gründen während des Aufenthaltes an diesem Ort notwendig ist. Einschränkungen in Bezug auf den Aufenthaltsort ergeben sich - abgesehen von der Geeignetheit der räumlichen Verhältnisse - erst aus den Regelungen unter I. 6., dh für die Zeit des Aufenthaltes in Einrichtungen nur dann, wenn nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung von Behandlungspflege durch die Einrichtung besteht (wie zB in Krankenhäusern, Rehabilitationseinrichtungen, Hospizen, Pflegeheimen). Ob ein solcher Anspruch besteht, ist im Einzelfall durch die Krankenkasse zu prüfen. Einrichtungen der Eingliederungshilfe werden in den HKP-Richtlinien den Krankenhäusern und Pflegeheimen ausdrücklich nicht (mehr) gleichgestellt. In dieser Fassung ist die HKP-Richtlinie gesetzeskonform.

17

e) Der Vorschrift des § 37 Abs 2 Satz 1 SGB V und der Bezeichnung der dort nach der Verwendung des Begriffs "insbesondere" beispielhaft aufgeführten "geeigneten Orte" lässt sich nicht die Beschränkung entnehmen, häusliche Krankenpflege könne weiterhin nur beansprucht werden, wenn noch ein Mindestmaß eines eigenen Haushalts (oder ein Leben in der Familie) geführt wird, und weitere Leistungen ggf ambulant in Anspruch genommen werden. Gegen die Auffassung der Beklagten, eine stationäre Einrichtung, in der sich ein Versicherter dauerhaft aufhält, ohne an einem anderen Ort noch einen Haushalt zu führen oder in einem solchen zu leben, könne nie ein sonstiger geeigneter Ort iS des § 37 Abs 2 SGB V sein, sprechen die Gesetzesbegründung und der vom Gesetzgeber mit der Erweiterung des Anspruchs verfolgte Zweck. Auch dem Wortlaut der Vorschrift lässt sich eine solche Einschränkung nicht entnehmen.

18

Dem Gesetzgeber war es nach der Gesetzesbegründung zur Ausweitung des Anspruchs auf häusliche Krankenpflege auf sonstige geeignete Orte durch das GKV-WSG vom 26.3.2007 (BGBl I 2007, 378) ein besonderes Anliegen, Lücken im Zwischenbereich von ambulanter und stationärer Versorgung zu vermeiden. Bei ambulanten Einrichtungen, insbesondere auch bei ambulant betreuten Wohnformen, wird aber regelmäßig (allein oder gemeinsam mit anderen) ein eigener Haushalt geführt, sodass bereits vor der Gesetzesänderung auch für dort lebende Versicherte ein Anspruch auf häusliche Krankenpflege bestehen konnte. Zudem war nach der Rechtsprechung des BSG der Anspruch auch schon vor der Neuregelung zum 1.4.2007 nicht auf die Erbringung der Leistung in der Wohnung des Versicherten beschränkt; vielmehr konnte häusliche Krankenpflege auch in der Schule oder im Kindergarten erbracht werden (so ausdrücklich BSGE 90, 143 = SozR 3-2500 § 37 Nr 5 = SozR 3-1500 § 96 Nr 11). Wenn die vom Gesetzgeber beabsichtigte vorsichtige Erweiterung des Anspruchs auch auf sonstige geeignete Orte nicht weitgehend leerlaufen soll, müssen grundsätzlich auch die stationären Einrichtungen einbezogen werden, in denen sich ein Versicherter auf unabsehbare Zeit aufhält und betreut wird, ohne noch anderswo zu leben und zu wohnen. Die Beklagte hat Recht mit ihrer Auffassung, dass es in den bisher vom Senat entschiedenen Fällen darum ging, Versicherte auch in Einrichtungen wie Schulen und Kindergärten mit Krankenpflege zu versorgen, in denen sich diese lange, aber eben nicht ausschließlich im Sinne eines Lebensmittelpunktes aufhalten. Genau diese Situation sollte indessen durch die Neuregelung des § 37 Abs 2 SGB V erfasst werden, und zwar für die Konstellation, dass in der vollstationären Einrichtung keine umfassende pflegerische Versorgung stattfindet und gesetzlich auch nicht geschuldet wird. Denn nur dadurch kann dem Sinn und Zweck der Vorschrift, durch (ambulante) häusliche Krankenpflege vorschnelle stationäre Einweisungen zu vermeiden, entsprochen werden. Bei den zu vermeidenden stationären Einweisungen kann es sich nur um Einweisungen in Einrichtungen handeln, in denen die Versicherten medizinische Behandlungspflege erhalten, wie Krankenhäuser, medizinische Rehabilitationseinrichtungen oder Pflegeheime. Die Aufnahme in andere Einrichtungen, die regelmäßig schon nicht auf ärztliche Veranlassung erfolgt, kann (und soll) nicht durch die Erbringung ambulanter Leistungen der häuslichen Krankenpflege vermieden werden. Vielmehr soll die nach der Gesamtsituation des Versicherten sinnvolle Aufnahme zB in eine stationäre Einrichtung der Eingliederungshilfe nicht daran scheitern, dass zusätzlich zum Eingliederungsbedarf auch ein Bedarf an Krankenpflegeleistungen besteht, der von der Eingliederungseinrichtung nicht gedeckt werden kann. Es kann (auch) für die Krankenkasse wirtschaftlich sinnvoll sein, Versicherte in solchen Einrichtungen, in denen sie keinen Anspruch auf medizinische Behandlungspflege gegen die Einrichtung haben, mit häuslicher Krankenpflege zu versorgen, um eine vorschnelle Einweisung in ein Krankenhaus zu vermeiden.

19

Auch dem Wortlaut der Vorschrift lässt sich seit der Ausweitung des Anspruchs auf sonstige geeignete Orte nicht entnehmen, dass stationäre Einrichtungen etwa der Eingliederungshilfe dafür grundsätzlich nicht in Betracht kommen. Die beispielhafte Aufzählung enthält hierfür keine Anhaltspunkte. Der im Gesetz verwandte Begriff der "betreuten Wohnformen" ist gesetzlich nicht definiert. Die Übergänge von einer Wohngemeinschaft mit ambulanten Betreuungshilfen zu einer stationären Einrichtung sind inzwischen fließend. Daher werden in den Landesheimgesetzen neben stationären Einrichtungen regelmäßig auch andere Formen des betreuten Wohnens erfasst (vgl Weber NZS 2011, 650, 651 mwN), und längst nicht alle Formen des betreuten Wohnens weisen eine größere Nähe zur eigenständigen Haushaltsführung auf als herkömmliche stationäre Einrichtungen. Eine eindeutige Zuordnung jeder Einrichtung entweder als stationäres Heim oder als ambulantes Angebot mit Betreuungshilfen wird durch die andauernde Entwicklung neuer Wohnformen zunehmend schwierig. Auch in betreuten Wohnformen haben Versicherte keinen Anspruch auf häusliche Krankenpflege, wenn sie bereits Anspruch auf die Maßnahme durch die Einrichtung bzw den Betreuungsdienst haben, weil häusliche Krankenpflege dann nicht erforderlich ist. Gerade im Grenzbereich verschiedener Wohnformen ist es aber sachgerecht, nach dem Anspruch gegen die Einrichtung bzw den Betreuungsdienst zu differenzieren und nicht dem Begriff "betreute Wohnformen" eine Festlegung dahin zu entnehmen, dass in vollstationären Betreuungseinrichtungen keine häusliche Krankenpflege erbracht werden kann.

20

Es ist daher konsequent, den Anspruch auf häusliche Krankenpflege in Einrichtungen nur dann und insoweit zu beschränken, als nach den gesetzlichen Bestimmungen Anspruch auf die Erbringung medizinischer Behandlungspflege durch die Einrichtung selbst besteht. Der Gesetzgeber hat auf eine gesetzliche Festlegung der geeigneten Leistungsorte bewusst verzichtet. Er wollte damit im Hinblick auf die Vielzahl unterschiedlicher Einrichtungen jeglichen Eingriff in die bestehenden Strukturen der Einrichtungen und insbesondere in ihre Leistungspflichten im Hinblick auf die medizinische Behandlungspflege vermeiden und die Präzisierung der Einrichtungen, in denen die Versicherten Anspruch auf häusliche Krankenpflege nach dem SGB V haben, dem G-BA überlassen.

21

f) Die Richtlinien des G-BA haben normativen Charakter und sind für die Beteiligten verbindlich (BSG SozR 3-2500 § 135 Nr 21; BSG SozR 3-2500 § 92 Nr 12; BSGE 96, 261 = SozR 4-2500 § 92 Nr 5; BSG SozR 4-2500 § 132a Nr 3; BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 7; BSG SozR 4-2500 § 27 Nr 8; vgl auch amtl Begründung zu den Ergänzungen von § 92 Abs 1 SGB V durch das GMG - BT-Drucks 15/1525 oder die Ergänzungen des Gesetzes zur Verbesserung der Wirtschaftlichkeit in der Arzneimittelversorgung und des GKV-WSG). Der Senat hat keine Zweifel an der verfassungsrechtlichen Legitimation des G-BA als untergesetzlichem Normgeber in der Form, wie sie inzwischen gesetzlich festgelegt ist (so auch BSGE 112, 257 = SozR 4-2500 § 137 Nr 2, RdNr 22; BSGE 112, 251 = SozR 4-2500 § 106 Nr 38, RdNr 14; BSGE 111, 155 = SozR 4-2500 § 31 Nr 21, RdNr 26; vgl auch Beier in jurisPK-SGB V, online-Ausgabe § 92 SGB V, RdNr 31.1, Stand 25.6.2013).

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2. Einrichtungen der Eingliederungshilfe sind nach den gesetzlichen Bestimmungen grundsätzlich nur soweit zur Erbringung von medizinischer Behandlungspflege verpflichtet, wie diese aufgrund der sächlichen und personellen Ausstattung von der Einrichtung erbracht werden kann.

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a) Erbringt der Träger der Sozialhilfe die Leistungen der Eingliederungshilfe in einer vollstationären Einrichtung (§ 13 SGB XII, zum Einrichtungsbegriff iS des SGB XII vgl BSGE 106, 264 = SozR 4-3500 § 19 Nr 2 RdNr 13) der Hilfe für behinderte Menschen, wird grundsätzlich der gesamte Bedarf des Hilfebedürftigen nach § 9 Abs 1 SGB XII in der Einrichtung in einrichtungsspezifischer Weise befriedigt. Die Einrichtung übernimmt für den Hilfebedürftigen von dessen Aufnahme bis zur Entlassung die Gesamtverantwortung für seine tägliche Lebensführung (vgl Luthe in Hauck/Noftz, SGB XII, Stand November 2014, K § 13 RdNr 58, 59 mwN). Leistungen der Eingliederungshilfe umfassen nach § 54 Abs 1 Satz 1 SGB XII, § 26 SGB IX auch Leistungen zur medizinischen Rehabilitation, zu denen nach § 26 Abs 2 SGB IX ua auch die Behandlung durch Angehörige von Heilberufen gehört, soweit deren Leistungen unter ärztlicher Aufsicht oder auf ärztliche Anordnung ausgeführt werden, wie es bei der häuslichen Krankenpflege der Fall ist. Nach § 55 Satz 1 SGB XII umfassen die Leistungen der Eingliederungshilfe für behinderte Menschen in einer vollstationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen iS des § 43a SGB XI auch die Pflegeleistungen in der Einrichtung. Ist der behinderte Mensch allerdings so pflegebedürftig, dass die Pflege in der Einrichtung nicht sichergestellt werden kann, vereinbaren der Träger der Sozialhilfe und die zuständige Pflegekasse mit dem Einrichtungsträger, dass die Leistung in einer anderen Einrichtung erbracht wird, wobei den angemessenen Wünschen des behinderten Menschen Rechnung zu tragen ist (§ 55 Satz 2 SGB XII).

24

b) Danach hat der Träger der Sozialhilfe zwar letztlich alle Teilhabebedarfe der Eingliederungshilfe zu decken und kann dies durch Leistungen für Einrichtungen (§ 13 Abs 1 SGB XII) gewährleisten, zu beachten ist aber der Nachrang der Sozialhilfe (§ 2 SGB XII). Leistungen anderer Sozialleistungsträger gehen grundsätzlich den Leistungen der Sozialhilfe vor (§ 2 Abs 1 SGB XII), und auf Rechtsvorschriften beruhende Leistungen anderer dürfen nicht deshalb versagt werden, weil nach dem Recht der Sozialhilfe entsprechende Leistungen vorgesehen sind (§ 2 Abs 2 Satz 2 SGB XII). Die medizinische Behandlungspflege ist Aufgabe der GKV, die daher diese Leistung vorrangig vor dem Träger der Sozialhilfe zu erbringen hat. Deshalb hat der Sozialhilfeträger im Verhältnis zur GKV nicht die Aufgabe, durch entsprechende Verträge mit den Einrichtungen der Eingliederungshilfe dafür zu sorgen, dass diese regelmäßig auch Leistungen der medizinischen Behandlungspflege erbringen. Die Verpflichtung der Einrichtung zur Übernahme der Gesamtverantwortung für die tägliche Lebensführung sowie zur Deckung der Bedarfe in einrichtungsspezifischer Weise weist den Einrichtungen daher keine weitergehenden Pflichten zu, als sie aufgrund ihrer Ausrichtung, des Eingliederungszwecks, dem sie dienen, und nach den Vereinbarungen nach §§ 75 ff SGB XII schulden. Einrichtungen der Eingliederungshilfe schulden danach regelmäßig selbst keine medizinischen Behandlungsmaßnahmen, sondern haben lediglich organisatorisch dafür Sorge zu tragen, dass die Bewohner der Einrichtung neben den von der Einrichtung selbst geschuldeten Leistungen auch solche anderer Träger in Anspruch nehmen können. So schulden solche Einrichtungen keine ärztliche Behandlung, sie haben aber ggf Arztbesuche zu organisieren bzw zu ermöglichen und die notwendigen Rahmenbedingungen dafür zu schaffen. Gleiches gilt grundsätzlich auch für die medizinische Behandlungspflege, es sei denn, aus den Vereinbarungen nach den §§ 75 ff SGB XII ergeben sich weitergehende Leistungsverpflichtungen.

25

c) Einrichtungen der Eingliederungshilfe sind auch nicht allein aufgrund der von den Pflegekassen für Pflegebedürftige nach § 43a Satz 1 SGB XI zu gewährenden pauschalen Abgeltung verpflichtet, grundsätzlich alle im Einzelfall notwendigen Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege zu erbringen. Nach § 43a Satz 1 SGB XI übernimmt die Pflegekasse zur Abgeltung der in § 43 Abs 2 SGB XI genannten Aufwendungen 10 vH des nach § 75 Abs 3 SGB XII vereinbarten Heimentgeltes für Pflegebedürftige in einer stationären Einrichtung der Hilfe für behinderte Menschen, in der die Teilhabe am Arbeitsleben und am Leben in der Gemeinschaft, die schulische Ausbildung oder die Erziehung behinderter Menschen im Vordergrund des Einrichtungszwecks stehen(§ 71 Abs 4 SGB XI). Dabei dürfen aber die Aufwendungen der Pflegekasse im Einzelfall je Kalendermonat 256 Euro (ab 1.1.2015 266 Euro) nicht übersteigen (§ 43a Satz 2 SGB XI). Zu den in § 43 Abs 2 SGB XI genannten Aufwendungen gehören die pflegebedingten Aufwendungen, die Aufwendungen der sozialen Betreuung und die Aufwendungen für Leistungen der medizinischen Behandlungspflege.

26

Trotz der ausdrücklichen Erwähnung auch der medizinischen Behandlungspflege zeigt die Verortung der Vorschrift im SGB XI, dass es dabei lediglich um die von der Pflegeversicherung abzudeckenden Bedarfe geht. Die Pauschale wird auch nur für Pflegebedürftige (§§ 14, 15 SGB XI) geleistet. Stationäre Pflegeeinrichtungen iS des § 71 Abs 2 und 4 SGB XI haben grundsätzlich auch medizinische Behandlungspflege zu erbringen; erst bei einem dauerhaften, voraussichtlich mindestens sechs Monate währenden besonders hohen Bedarf an medizinischer Behandlungspflege haben Versicherte in Pflegeheimen Anspruch auf häusliche Krankenpflege. Hier kommt es nicht zu einer Lücke zwischen ambulanter und stationärer Versorgung. Einrichtungen der Eingliederungshilfe schulden nach § 43a SGB XI zwar grundsätzlich Leistungen der Grundpflege und der hauswirtschaftlichen Versorgung. Die medizinische Behandlungspflege iS des § 37 Abs 2 SGB V kann aber durch diese an die Pflegeversicherung gerichtete Vorschrift grundsätzlich nicht vom Zuständigkeitsbereich der GKV auf Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen übertragen werden. Dies ist schon deshalb ausgeschlossen, weil die Eingliederungseinrichtungen dann nur gegenüber pflegebedürftigen Bewohnern zur Erbringung von Behandlungspflege nach § 37 Abs 2 SGB V verpflichtet wären und auch nur für diese Personen das pauschalierte Entgelt erhalten(so im Ergebnis bereits BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 5 RdNr 9). Ansprüche auf medizinische Behandlungspflege können auch Versicherten zustehen, die - wie hier - nicht pflegebedürftig sind.

27

d) Das ergibt sich auch aus den Regelungen des § 55 SGB XII. Danach haben Einrichtungen der Eingliederungshilfe auch die (notwendigen) Pflegeleistungen zu erbringen. Wird der behinderte Mensch aber so pflegebedürftig, dass die Pflege in der Einrichtung nicht sichergestellt werden kann, vereinbaren der Träger der Sozialhilfe und die zuständige Pflegekasse mit dem Einrichtungsträger, dass die Leistung in einer anderen Einrichtung erbracht wird (§ 55 Satz 2 SGB XII). Auch diese Vorschrift knüpft zunächst nur an die Pflegebedürftigkeit und Pflege im Sinne des SGB XI an, nicht an Behandlungspflege. Insbesondere aus § 55 Satz 2 SGB XII ist aber abzuleiten, dass der Gesetzgeber nicht beabsichtigt hat, jede Einrichtung der Eingliederungshilfe personell und sächlich so auszustatten, dass sie neben der üblichen Pflege auch Leistungen der medizinischen Behandlungspflege erbringen kann. Trägerübergreifend betrachtet wäre das unwirtschaftlich. Hilfen zur Grundpflege und zur hauswirtschaftlichen Versorgung können innerhalb bestimmter Grenzen regelmäßig von Personen erbracht werden, die diesbezüglich keine besondere Ausbildung haben. Hierzu gehören insbesondere die Hilfen bei den Verrichtungen des täglichen Lebens. Erst wenn es darum geht, aktivierende Pflege zu leisten, weitere Pflegebedürftigkeit zu verhüten oder akute Beschwerden zu lindern oder medizinische Behandlungspflege zu leisten, die nicht ohne Weiteres vom Personal einer Eingliederungseinrichtung erbracht werden kann, und die Pflege daher in der Einrichtung nicht mehr sichergestellt werden kann, ist der Hilfebedürftige in einer anderen Einrichtung unterzubringen.

28

e) Die Leistungspflichten der Eingliederungseinrichtungen ergeben sich für deren Nutzer aus zivilrechtlichen Verträgen mit der Einrichtung und gegenüber dem Träger der Sozialhilfe ausschließlich aus dem SGB XII iVm den auf diesen gesetzlichen Grundlagen basierenden Verträgen (zum sozialhilferechtlichen Dreiecksverhältnis BSGE 102, 1 = SozR 4-1500 § 75 Nr 9, RdNr 15 ff). Entscheidend für die Leistungspflichten der Einrichtungen zur Hilfe behinderter Menschen ist danach das in den Vereinbarungen nach den §§ 75 ff SGB XII festgelegte Ziel und der Zweck der Einrichtung, ihr Aufgabenprofil, die vorgesehene sächliche und personelle Ausstattung sowie der zu betreuende Personenkreis. Handelt es sich danach zB um eine Einrichtung, deren vorrangige Aufgabe darin besteht, Hilfen zum Erwerb praktischer Kenntnisse und Fähigkeiten zu leisten, die erforderlich und geeignet sind, behinderten Menschen die für sie erreichbare Teilnahme am Leben in der Gemeinschaft zu ermöglichen (vgl § 55 Abs 2 Nr 3 SGB IX), gehören einfachste medizinische Maßnahmen (vgl dazu auch BSG SozR 3-2500 § 53 Nr 10), die für Versicherte im eigenen Haushalt praktisch von jedem erwachsenen Haushaltsangehörigen erbracht werden können und keine medizinische Fachkunde erfordern, wie die Einnahme von Medikamenten und das Blutdruckmessen, regelmäßig der Natur der Sache nach zum Aufgabenkreis der Einrichtung. Sie sind mit der Gewährung von Eingliederungshilfe durch den Sozialhilfeträger in einer stationären Einrichtung untrennbar verbunden und daher objektiv bereits Bestandteil der Eingliederungshilfe. Dies gilt auch für betreute Wohnformen, wenn dort nach Inhalt und Umfang vergleichbare Eingliederungsleistungen erbracht werden. Zum Erwerb lebenspraktischer Kenntnisse und Fähigkeiten gehört auch die Hilfe bei der Führung eines gesunden Lebens einschließlich der Vermittlung von Einsicht für gesundheitsförderliches Verhalten allgemein und speziell für die Notwendigkeit bestimmter medizinischer Maßnahmen. Bei den einfachsten Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege handelt es sich häufig, wie etwa beim An- und Ausziehen von Thrombosestrümpfen, um verrichtungsbezogene krankheitsspezifische Pflegemaßnahmen, die ohnehin sowohl dem Aufgabenbereich der Krankenversicherung als auch dem der Pflegeversicherung gleichermaßen zugeordnet und daher - soweit kein Fachpersonal erforderlich ist - auch bereits von der Pauschale nach § 43a SGB XI mitumfasst sind. Danach verläuft die Grenze der von einer Einrichtung geschuldeten Leistungen genau dort, wo diese vom Personal der Einrichtung der Eingliederungshilfe erbracht werden können und müssen. Muss die Einrichtung kein medizinisch ausgebildetes Personal vorhalten, sind regelmäßig nur einfachste Maßnahmen der Krankenpflege von der Einrichtung selbst zu erfüllen. Leistungspflichten, die nur von medizinisch ausgebildetem Fachpersonal erfüllt werden könnten, scheiden dann regelmäßig aus. Ist die Einrichtung hingegen nach ihrem Aufgabenprofil auf eine besondere Zielgruppe ausgerichtet, bei der ständig bestimmte behandlungspflegerische Maßnahmen erforderlich werden, und ist die Einrichtung deshalb entsprechend sächlich und personell auszustatten, hat sie diese behandlungspflegerischen Maßnahmen auch zu erbringen, weil ohne sie die Eingliederungsaufgabe im Hinblick auf die Zielgruppe der Einrichtung nicht erreicht werden kann. Es ist daher - so wie es die HKP-Richtlinie vorgibt - im jeweiligen Einzelfall zu prüfen, ob die Einrichtung die konkrete behandlungspflegerische Maßnahme nach ihrem Aufgabenprofil, der Ausrichtung auf ein bestimmtes Bewohnerklientel und insbesondere aufgrund ihrer sächlichen und personellen Ausstattung selbst zu erbringen hat. Der Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe wird dadurch nicht betroffen, weil die sächliche und personelle Ausstattung dieser Einrichtungen für die Eingliederungsleistungen ohnehin vorzuhalten ist, die Gewährung von Eingliederungshilfe deutlich im Vordergrund steht und die Leistungen der Behandlungspflege dann untrennbarer Bestandteil der Eingliederungshilfe sind.

29

f) Dieses Ergebnis führt zu einer Parallele zu den Pflegehilfsmitteln, die nach der Rechtsprechung des BSG (vgl hierzu BSGE 85, 287 = SozR 3-2500 § 33 Nr 37) von Einrichtungen vorzuhalten sind. Danach hat der Träger eines Pflegeheimes alle Hilfsmittel bereitzustellen, die zur sachgerechten Durchführung der in zugelassenen Pflegeheimen gewöhnlich anfallenden Pflegeleistungen erforderlich sind. Obwohl die Pflegeheime nach § 43 SGB XI nicht nur zur Pflege und sozialen Betreuung, sondern auch zur medizinischen Behandlungspflege verpflichtet sind, gehören Hilfsmittel, die der Durchführung von Behandlungspflege dienen, nur dann zu dem vom Heimträger vorzuhaltenden Inventar, wenn sich dies im Einzelfall aus dem Versorgungsvertrag bzw der Leistungs- oder Qualitätsvereinbarung ergibt. Die Vorhaltepflicht eines Pflegeheims, in dem überwiegend Pflegebedürftige nach der Pflegestufe I leben, sieht danach zB anders aus als bei Pflegeheimen mit beatmungsbedürftigen Schwerstpflegebedürftigen oder Apallikern (BSGE 89, 271 = SozR 3-2500 § 33 Nr 43).

30

g) In Einrichtungen, die aufgrund entsprechender Verträge auch medizinische Behandlungspflege zu erbringen haben, besteht für Versicherte ein Anspruch hierauf gegen die Einrichtung "nach den gesetzlichen Bestimmungen" im Sinne von I. 6. Satz 1 HKP-Richtlinie. Denn wirksame und rechtmäßige vertragliche Regelungen können Ansprüche "nach gesetzlichen Bestimmungen" begründen, soweit diese eine Regelung durch entsprechende Verträge ausdrücklich vorsehen. Daher wird in der Literatur und der Rechtsprechung nicht zwischen vertraglichen und gesetzlichen Ansprüchen auf Behandlungspflege gegen den Einrichtungsträger unterschieden (vgl zB BSG SozR 4-2500 § 37 Nr 2 sowie Weber, NZS 2011, 650, 653; ausdrücklich auch LSG Sachsen-Anhalt, Urteil vom 24.10.2012 - L 4 KR 30/10 - Juris; LSG Sachsen-Anhalt, Beschluss vom 22.11.2011 - L 10 KR 32/11 B ER - Juris).

31

h) Aus den vorstehenden Erwägungen folgt, dass Einrichtungen der Hilfe für behinderte Menschen grundsätzlich geeignete Orte für die Erbringung von häuslicher Krankenpflege nach § 37 SGB V durch die gesetzliche Krankenversicherung sein können, wenn der Versicherte im Einzelfall keinen Anspruch auf die Erbringung der Maßnahme durch die Einrichtung hat. Im Rahmen der von der Einrichtung geschuldeten Pflege hat diese grundsätzlich nur einfachste Maßnahmen der medizinischen Behandlungspflege zu erbringen, für die es keiner besonderen medizinischen Sachkunde oder medizinischer Fertigkeiten bedarf und die daher regelmäßig von dem in der Einrichtung beschäftigten Personal, wie von jedem erwachsenen Haushaltsangehörigen, ohne Weiteres ausgeführt werden können. Insoweit ist zur Abgrenzung auch § 37 Abs 3 SGB V heranzuziehen. Danach ist der Anspruch auf häusliche Krankenpflege ausgeschlossen, soweit eine im Haushalt lebende Person den Kranken in dem erforderlichen Umfang pflegen und versorgen kann. Das bedeutet nicht, wie die Klägerin meint, dass die Betreuer in den Eingliederungseinrichtungen damit in jeder Hinsicht pflegebereiten Haushaltsangehörigen iS des § 37 Abs 3 SGB V gleichgestellt werden. Soweit die Klägerin dies schon im Hinblick auf das "professionelle Selbstverständnis" der Mitarbeiter/innen der Einrichtungen ausschließen will, besteht Anlass zu dem Hinweis, dass sich dieses "Selbstverständnis" nur im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben entfalten kann. Im Übrigen entnimmt der Senat § 37 Abs 2 SGB V im hier maßgeblichen Zusammenhang nur, dass es nach den gesetzlichen Regelungen Maßnahmen der häuslichen Krankenpflege gibt, die ohne medizinische Vorkenntnisse von Laien erbracht werden können. Das gilt auch für Mitarbeiter in Einrichtungen der Eingliederungshilfe. Dazu gehört zB regelmäßig die Gabe von Tabletten nach ärztlicher Anweisung, das Messen des Blutdrucks oder des Blutzuckergehalts, das Anziehen von Thrombosestrümpfen, das An- und Ablegen einfach zu handhabender Stützverbände, das Einreiben mit Salben (soweit es sich nicht um schwierige Wundversorgung handelt), die Verabreichung von Bädern. Weitergehende medizinische Behandlungspflege schuldet die Einrichtung hingegen nur, wenn sich dies aus ihren Verträgen, ihrer Leistungsbeschreibung, ihrem Aufgabenspektrum auch unter Berücksichtigung ihrer Zielgruppe und ihrer sächlichen und personellen Ausstattung ergibt. Die Injektionen und die Verbandwechsel bei der medizinischen Versorgung eines Fußgeschwürs gehören danach in der Regel nicht zum Aufgabenbereich von Einrichtungen der Wohnungslosenhilfe.

32

3. Nach dem sich aus der Vereinbarung nach § 75 Abs 3 SGB XII zwischen der Klägerin und dem beigeladenen Einrichtungsträger ergebenden Aufgabenspektrum der Einrichtung, ihrer Zielgruppe, der von ihr zu erbringenden Leistungen und vorzuhaltenden personellen Ausstattung handelt es sich um ein niederschwelliges Leistungsangebot für obdachlose Menschen mit einer psychischen Auffälligkeit(vgl Anlage 1 zur Vereinbarung nach § 75 Abs 3 SGB XII, 3.). Die von der Einrichtung zu leistenden Hilfen (vgl Anlage 1 zur Vereinbarung nach § 75 Abs 3 SGB XII, 4.) beziehen sich daher insbesondere auf Störungen in sozialen, psychischen und auch körperlichen Bereichen und bewegen sich somit ua auch in einem Grenzbereich zur Hilfe bei Krankheit. Ausdrücklich werden Hilfen bei der Gesundheitsversorgung benannt und darunter zB die Hilfestellung bei der Einhaltung der notwendigen gesundheitlichen Maßnahmen aufgeführt. Die Hilfe wird in Form von Beratung, Unterstützung, Förderung, Organisation, Planung sowie stellvertretender Ausführung gewährt (vgl Anlage 1 zur Vereinbarung nach § 75 Abs 3 SGB XII, 5.). Zur personellen Ausstattung gehört Fachpersonal aus den Bereichen Sozialarbeit, Sozialpädagogik und Pädagogik (vgl Anlage 1 zur Vereinbarung nach § 75 Abs 3 SGB XII, 6.).

33

Eine Hilfeleistung bei der oralen Einnahme von Tabletten nach ärztlicher Anweisung sowie beim Blutdruckmessen gehört danach zu der von dem beigeladenen Einrichtungsträger im JJH geschuldeten pädagogischen Beratung, Betreuung und Unterstützung bei der Alltagsbewältigung und den lebenspraktischen Verrichtungen. Für das Herrichten und Verabreichen von Tabletten nach ärztlicher Anweisung und das Blutdruckmessen ist regelmäßig keine medizinische Fachkunde erforderlich, und die in der Einrichtung tätigen, vorwiegend pädagogisch oder sozialpädagogisch ausgebildeten Mitarbeiter dürften nach kurzer Einweisung in der Lage sein, dafür zu sorgen, dass jeder Bewohner die ihm verordneten Medikamente entsprechend der ärztlichen Anordnung einnimmt und ggf seinen Blutdruck misst bzw messen lässt. Denn für jeden Hilfeberechtigten ist ein individueller Hilfeplan aufzustellen. Darin kann auch die einzunehmende Medikation eingetragen werden, zumal nach der mit dem Versicherten abgeschlossenen Beratungs- und Betreuungsvereinbarung die notwendige, ärztlich verordnete Medikation einzuhalten ist.

34

Der Erstattungsanspruch der Klägerin beschränkt sich somit auf jene Kosten, die zur häuslichen Krankenpflege in Form der Verabreichung der Injektionen und der regelmäßigen Verbandwechsel aufgewendet worden sind; denn nur insoweit bestand ein Sachleistungsanspruch des Versicherten gegen die Beklagte nach § 37 Abs 2 SGB V. Die Leistung häuslicher Krankenpflege in Form der Hilfe bei der oralen Einnahme von Medikamenten und beim Blutdruckmessen ist von der Beklagten hingegen zu Recht abgelehnt worden, weil diese Maßnahmen in die Zuständigkeit der von der Beigeladenen betriebenen Einrichtung fielen. Die Höhe der erstattungsfähigen Kosten wird nunmehr das LSG zu ermitteln haben.

35

4. Das LSG hat im Zuge des erneut durchzuführenden Berufungsverfahrens auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu befinden.

36

5. Der Streitwert ergibt sich aus § 197a Abs 1 SGG iVm § 63 Abs 2, § 47 Abs 1, § 52 Abs 1, 3 GKG.

(1) Ziel der Unterstützten Beschäftigung ist es, Leistungsberechtigten mit besonderem Unterstützungsbedarf eine angemessene, geeignete und sozialversicherungspflichtige Beschäftigung zu ermöglichen und zu erhalten. Unterstützte Beschäftigung umfasst eine individuelle betriebliche Qualifizierung und bei Bedarf Berufsbegleitung.

(2) Leistungen zur individuellen betrieblichen Qualifizierung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um sie für geeignete betriebliche Tätigkeiten zu erproben, auf ein sozialversicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis vorzubereiten und bei der Einarbeitung und Qualifizierung auf einem betrieblichen Arbeitsplatz zu unterstützen. Die Leistungen umfassen auch die Vermittlung von berufsübergreifenden Lerninhalten und Schlüsselqualifikationen sowie die Weiterentwicklung der Persönlichkeit der Menschen mit Behinderungen. Die Leistungen werden vom zuständigen Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 für bis zu zwei Jahre erbracht, soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung erforderlich sind. Sie können bis zu einer Dauer von weiteren zwölf Monaten verlängert werden, wenn auf Grund der Art oder Schwere der Behinderung der gewünschte nachhaltige Qualifizierungserfolg im Einzelfall nicht anders erreicht werden kann und hinreichend gewährleistet ist, dass eine weitere Qualifizierung zur Aufnahme einer sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung führt.

(3) Leistungen der Berufsbegleitung erhalten Menschen mit Behinderungen insbesondere, um nach Begründung eines sozialversicherungspflichtigen Beschäftigungsverhältnisses die zu dessen Stabilisierung erforderliche Unterstützung und Krisenintervention zu gewährleisten. Die Leistungen werden bei Zuständigkeit eines Rehabilitationsträgers nach § 6 Absatz 1 Nummer 3 oder 5 von diesem, im Übrigen von dem Integrationsamt im Rahmen seiner Zuständigkeit erbracht, solange und soweit sie wegen Art oder Schwere der Behinderung zur Sicherung des Beschäftigungsverhältnisses erforderlich sind.

(4) Stellt der Rehabilitationsträger während der individuellen betrieblichen Qualifizierung fest, dass voraussichtlich eine anschließende Berufsbegleitung erforderlich ist, für die ein anderer Leistungsträger zuständig ist, beteiligt er diesen frühzeitig.

(5) Die Unterstützte Beschäftigung kann von Integrationsfachdiensten oder anderen Trägern durchgeführt werden. Mit der Durchführung kann nur beauftragt werden, wer über die erforderliche Leistungsfähigkeit verfügt, um seine Aufgaben entsprechend den individuellen Bedürfnissen der Menschen mit Behinderungen erfüllen zu können. Insbesondere müssen die Beauftragten

1.
über Fachkräfte verfügen, die eine geeignete Berufsqualifikation, eine psychosoziale oder arbeitspädagogische Zusatzqualifikation und eine ausreichende Berufserfahrung besitzen,
2.
in der Lage sein, den Menschen mit Behinderungen geeignete individuelle betriebliche Qualifizierungsplätze zur Verfügung zu stellen und ihre berufliche Eingliederung zu unterstützen,
3.
über die erforderliche räumliche und sächliche Ausstattung verfügen sowie
4.
ein System des Qualitätsmanagements im Sinne des § 37 Absatz 2 Satz 1 anwenden.

(6) Zur Konkretisierung und Weiterentwicklung der in Absatz 5 genannten Qualitätsanforderungen vereinbaren die Rehabilitationsträger nach § 6 Absatz 1 Nummer 2 bis 5 sowie die Bundesarbeitsgemeinschaft der Integrationsämter und Hauptfürsorgestellen im Rahmen der Bundesarbeitsgemeinschaft für Rehabilitation eine gemeinsame Empfehlung. Die gemeinsame Empfehlung kann auch Ausführungen zu möglichen Leistungsinhalten und zur Zusammenarbeit enthalten. § 26 Absatz 4, 6 und 7 sowie § 27 gelten entsprechend.

(1) Der Träger der Sozialhilfe darf Leistungen nach dem Siebten bis Neunten Kapitel mit Ausnahme der Leistungen der häuslichen Pflege, soweit diese gemäß § 64 durch Personen, die dem Pflegebedürftigen nahe stehen, oder als Nachbarschaftshilfe übernommen werden, durch Dritte (Leistungserbringer) nur bewilligen, soweit eine schriftliche Vereinbarung zwischen dem Träger des Leistungserbringers und dem für den Ort der Leistungserbringung zuständigen Träger der Sozialhilfe besteht. Die Vereinbarung kann auch zwischen dem Träger der Sozialhilfe und dem Verband, dem der Leistungserbringer angehört, geschlossen werden, soweit der Verband eine entsprechende Vollmacht nachweist. Die Vereinbarungen sind für alle übrigen Träger der Sozialhilfe bindend. Die Vereinbarungen müssen den Grundsätzen der Wirtschaftlichkeit, Sparsamkeit und Leistungsfähigkeit entsprechen und dürfen das Maß des Notwendigen nicht überschreiten. Sie sind vor Beginn der jeweiligen Wirtschaftsperiode für einen zukünftigen Zeitraum abzuschließen (Vereinbarungszeitraum); nachträgliche Ausgleiche sind nicht zulässig. Die Ergebnisse sind den Leistungsberechtigten in einer wahrnehmbaren Form zugänglich zu machen.

(2) Sind geeignete Leistungserbringer vorhanden, soll der Träger der Sozialhilfe zur Erfüllung seiner Aufgaben eigene Angebote nicht neu schaffen. Geeignet ist ein Leistungserbringer, der unter Sicherstellung der Grundsätze des § 9 Absatz 1 die Leistungen wirtschaftlich und sparsam erbringen kann. Geeignete Träger von Einrichtungen dürfen nur solche Personen beschäftigen oder ehrenamtliche Personen, die in Wahrnehmung ihrer Aufgaben Kontakt mit Leistungsberechtigten haben, mit Aufgaben betrauen, die nicht rechtskräftig wegen einer Straftat nach den §§ 171, 174 bis 174c, 176 bis 180a, 181a, 182 bis 184g, 184i bis 184l, 201a Absatz 3, §§ 225, 232 bis 233a, 234, 235 oder 236 des Strafgesetzbuchs verurteilt worden sind. Die Leistungserbringer sollen sich von Fach- und anderem Betreuungspersonal, die in Wahrnehmung ihrer Aufgaben Kontakt mit Leistungsberechtigten haben, vor deren Einstellung oder Aufnahme einer dauerhaften ehrenamtlichen Tätigkeit und in regelmäßigen Abständen ein Führungszeugnis nach § 30a Absatz 1 des Bundeszentralregistergesetzes vorlegen lassen. Nimmt der Leistungserbringer Einsicht in ein Führungszeugnis nach § 30a Absatz 1 des Bundeszentralregistergesetzes, so speichert er nur den Umstand der Einsichtnahme, das Datum des Führungszeugnisses und die Information, ob die das Führungszeugnis betreffende Person wegen einer in Satz 3 genannten Straftat rechtskräftig verurteilt worden ist. Der Träger der Einrichtung darf diese Daten nur verändern und nutzen, soweit dies zur Prüfung der Eignung einer Person erforderlich ist. Die Daten sind vor dem Zugriff Unbefugter zu schützen. Sie sind unverzüglich zu löschen, wenn im Anschluss an die Einsichtnahme keine Tätigkeit für den Leistungserbringer wahrgenommen wird. Sie sind spätestens drei Monate nach der letztmaligen Ausübung einer Tätigkeit für den Leistungserbringer zu löschen. Die durch den Leistungserbringer geforderte Vergütung ist wirtschaftlich angemessen, wenn sie im Vergleich mit der Vergütung vergleichbarer Leistungserbringer im unteren Drittel liegt (externer Vergleich). Liegt die geforderte Vergütung oberhalb des unteren Drittels, kann sie wirtschaftlich angemessen sein, sofern sie nachvollziehbar auf einem höheren Aufwand des Leistungserbringers beruht und wirtschaftlicher Betriebsführung entspricht. In den externen Vergleich sind die im Einzugsbereich tätigen Leistungserbringer einzubeziehen. Tariflich vereinbarte Vergütungen sowie entsprechende Vergütungen nach kirchlichen Arbeitsrechtsregelungen sind grundsätzlich als wirtschaftlich anzusehen, auch soweit die Vergütung aus diesem Grunde oberhalb des unteren Drittels liegt.

(3) Sind mehrere Leistungserbringer im gleichen Maße geeignet, hat der Träger der Sozialhilfe Vereinbarungen vorrangig mit Leistungserbringern abzuschließen, deren Vergütung bei vergleichbarem Inhalt, Umfang und vergleichbarer Qualität der Leistung nicht höher ist als die anderer Leistungserbringer.

(4) Besteht eine schriftliche Vereinbarung, ist der Leistungserbringer im Rahmen des vereinbarten Leistungsangebotes verpflichtet, Leistungsberechtigte aufzunehmen und zu betreuen.

(5) Der Träger der Sozialhilfe darf die Leistungen durch Leistungserbringer, mit denen keine schriftliche Vereinbarung getroffen wurde, nur erbringen, soweit

1.
dies nach der Besonderheit des Einzelfalles geboten ist,
2.
der Leistungserbringer ein schriftliches Leistungsangebot vorlegt, das für den Inhalt einer Vereinbarung nach § 76 gilt,
3.
der Leistungserbringer sich schriftlich verpflichtet, die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Qualität der Leistungserbringung zu beachten,
4.
die Vergütung für die Erbringung der Leistungen nicht höher ist als die Vergütung, die der Träger der Sozialhilfe mit anderen Leistungserbringern für vergleichbare Leistungen vereinbart hat.
Die allgemeinen Grundsätze der Absätze 1 bis 4 und 6 sowie die Vorschriften zum Inhalt der Vereinbarung (§ 76), zur Verbindlichkeit der vereinbarten Vergütung (§ 77a), zur Wirtschaftlichkeits- und Qualitätsprüfung (§ 78), zur Kürzung der Vergütung (§ 79) und zur außerordentlichen Kündigung der Vereinbarung (§ 79a) gelten entsprechend.

(6) Der Leistungserbringer hat gegen den Träger der Sozialhilfe einen Anspruch auf Vergütung der gegenüber dem Leistungsberechtigten erbrachten Leistungen.

(1) Pflegebedürftige haben Anspruch auf einen pauschalen Zuschlag in Höhe von 214 Euro monatlich, wenn

1.
sie mit mindestens zwei und höchstens elf weiteren Personen in einer ambulant betreuten Wohngruppe in einer gemeinsamen Wohnung zum Zweck der gemeinschaftlich organisierten pflegerischen Versorgung leben und davon mindestens zwei weitere Personen pflegebedürftig im Sinne der §§ 14, 15 sind,
2.
sie Leistungen nach den §§ 36, 37, 38, 45a oder § 45b beziehen,
3.
eine Person durch die Mitglieder der Wohngruppe gemeinschaftlich beauftragt ist, unabhängig von der individuellen pflegerischen Versorgung allgemeine organisatorische, verwaltende, betreuende oder das Gemeinschaftsleben fördernde Tätigkeiten zu verrichten oder die Wohngruppenmitglieder bei der Haushaltsführung zu unterstützen, und
4.
keine Versorgungsform einschließlich teilstationärer Pflege vorliegt, in der ein Anbieter der Wohngruppe oder ein Dritter den Pflegebedürftigen Leistungen anbietet oder gewährleistet, die dem im jeweiligen Rahmenvertrag nach § 75 Absatz 1 für vollstationäre Pflege vereinbarten Leistungsumfang weitgehend entsprechen; der Anbieter einer ambulant betreuten Wohngruppe hat die Pflegebedürftigen vor deren Einzug in die Wohngruppe in geeigneter Weise darauf hinzuweisen, dass dieser Leistungsumfang von ihm oder einem Dritten nicht erbracht wird, sondern die Versorgung in der Wohngruppe auch durch die aktive Einbindung ihrer eigenen Ressourcen und ihres sozialen Umfelds sichergestellt werden kann.

Leistungen der Tages- und Nachtpflege gemäß § 41 können neben den Leistungen nach dieser Vorschrift nur in Anspruch genommen werden, wenn gegenüber der zuständigen Pflegekasse durch eine Prüfung des Medizinischen Dienstes nachgewiesen ist, dass die Pflege in der ambulant betreuten Wohngruppe ohne teilstationäre Pflege nicht in ausreichendem Umfang sichergestellt ist; dies gilt entsprechend für die Versicherten der privaten Pflege-Pflichtversicherung.

(2) Die Pflegekassen sind berechtigt, zur Feststellung der Anspruchsvoraussetzungen bei dem Antragsteller folgende Daten zu verarbeiten und folgende Unterlagen anzufordern:

1.
eine formlose Bestätigung des Antragstellers, dass die Voraussetzungen nach Absatz 1 Nummer 1 erfüllt sind,
2.
die Adresse und das Gründungsdatum der Wohngruppe,
3.
den Mietvertrag einschließlich eines Grundrisses der Wohnung und den Pflegevertrag nach § 120,
4.
Vorname, Name, Anschrift und Telefonnummer sowie Unterschrift der Person nach Absatz 1 Nummer 3 und
5.
die vereinbarten Aufgaben der Person nach Absatz 1 Nummer 3.

Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.