Sozialgericht Karlsruhe Beschluss, 04. Apr. 2018 - S 10 KR 729/18 ER

published on 04/04/2018 00:00
Sozialgericht Karlsruhe Beschluss, 04. Apr. 2018 - S 10 KR 729/18 ER
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Gericht

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Tenor

1. Der Antrag wird abgelehnt.

2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Gründe

 
I.
Die Beteiligten streiten über den Anspruch der Antragstellerin auf Behandlung mit dem Arzneimittel Mab Thera (Wirkstoff Rituximab) bei sekundär chronisch progredienter Multiplen Sklerose im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes.
Die 1980 geborene Antragstellerin ist bei der Antragsgegnerin gesetzlich krankenversichert. Sie bezieht eine Rente wegen voller Erwerbsminderung. Seit 2005 leidet sei an einer sekundär chronisch progredienten Multiplen Sklerose (SPMS). Sie befindet sich deshalb in Behandlung bei dem Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. E. Von 2005 – 2017 erfolgte eine Immuntherapie mit Glatirammeracetat, sowie mit Tysabri. Von Mai bis November 2015 wurde die Antragstellerin mit Tecfidera behandelt, die Therapie musste jedoch aufgrund von erheblichen Nebenwirkungen abgebrochen werden. Von Dezember 2014 bis August 2017 erfolgte die Therapie erneut mit Tysabri. Im Jahr 2013 wurde ein JC-Virus festgestellt, die Behandlung mit Tysabri musste daher abgebrochen werden. Zuletzt wurde die Antragstellerin mit Fampyra und Baclofen behandelt und erhielt bei Bedarf Cortisonstoßwellentherapie.
Am 16.08.2017 stellte sich die Antragstellerin im Neurozentrum des Universitätsklinikums F vor. Aus dem Arztbrief vom 31.08.2017 geht hervor, die Antragstellerin sei seit August 2016 auf den Rollator angewiesen. Die Gehstrecke sei auf 50-100 Meter beschränkt. In letzter Zeit sei eine progredient schleichende Verschlechterung eingetreten. Eine Cortison-Stoßtherapie habe nur eine leichte Besserung gebracht. Aufgrund von spastischen Paresen erhalte die Antragstellerin derzeit als Medikation Fampyra und Baclofen. Bezüglich der kausalen Therapie sei eine dreimonatige Cortison-Stoßwellentherapie die zugelassene Therapieoption. Dieser stehe die Antragstellerin jedoch skeptisch gegenüber. Als individueller Therapieversuch sei eine Behandlung mit Rituximab oder Ocrelizumab denkbar. Bereits bei primär chronisch progredienter MS (PPMS) habe sich in einer weltweit randomisierten Studie gezeigt, dass die Behandlung mit Ocrelizumab das Risiko des Fortschreitens der klinischen Behinderung deutlich reduziere. Gestützt auf diesen Arztbrief beantragte der behandelnde Neurologe Dr. E am 14.09.2017 bei der Antragsgegnerin die Kostenübernahme für das Medikament Rituximab. Die Antragsgegnerin beauftragte den Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg mit der Erstellung eines Gutachtens zu der Frage, ob und wenn ja in welchem Umfang die Kosten übernommen werden können, sowie welche Therapiealternativen vorliegen. In dem unter dem 27.09.2017 erstatteten Gutachten führte Dr. W aus, das rezeptpflichtige Arzneimittel MabThera sei in Deutschland zugelassen zur Behandlung von Patienten mit follikulären oder diffusen großzelligen Non-Hodgkin-Lymphomen, chronisch lymphatischer Leukämie, rheumatoider Arthritis und bestimmter Vaskulititden. Die Verordnung bei multipler Sklerose liege außerhalb der zugelassenen Indikation. Eine Empfehlung einer Expertengruppe für die Verordnung in einem nicht zugelassenen Anwendungsgebiet im Sinne der Arzneimittelrichtlinie liege nicht vor. Bei der sekundär progredienten Multiplen Sklerose handele es sich um eine schwere, die Lebensqualität nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung. Im vorliegenden Fall seien noch nicht alle zugelassenen Arzneimittel eingesetzt worden, wie bspw. Mitoxantron, Steroid-Stoßtherapie Interferone und Endoxan. Hinsichtlich der Wirksamkeit der beantragten Therapie ergäben sich aus der aktuellen medizinischen Literatur Hinweise darauf, dass Rituximab bei Patienten mit PPMS den Krankheitsverlauf positiv beeinflussen könne. Vergleichbar gute Ergebnisse fänden sich jedoch nicht für die sekundäre Form der MS (SPMS), an welcher die Antragstellerin erkrankt sei.
Mit Schreiben vom 28.09.2017 lehnte die Antragsgegnerin die Kostenübernahme mit der Begründung ab, es gäbe verschiedene andere Therapiemöglichkeiten, die von der AOK bezahlt werden könnten.
Die Antragstellerin erhob mit Schreiben vom 9.10.2017 Widerspruch. Sie führte hierzu aus, die Therapie mit dem Medikament Tysapri habe ihre Lebenssituation erleichtert. Da der JC-Virus festgestellt worden sei, habe die Therapie jedoch abgebrochen werden müssen. Vor einer Therapie mit Mitixandron habe sie aufgrund der vermuteten Nebenwirkungen Angst. Zudem sei die Anwendung dieses Präparats aufgrund der möglichen Auswirkungen auf Herz- und Kreislauf auf zwei Jahre begrenzt. Sie leide unter einem chronischen Niedrigblutdruck, daher komme dieses Medikament für sie nicht in Frage. Sie gehe regelmäßig zur Cortison-Pulsbehandlung, diese sei jedoch ohne Erfolg. Sie habe sich für eine Behandlung mit Rituximab entschieden, da dies einen ähnlichen Wirkstoff wie Tysapri enthalte, welches ihr jahrelang sehr gut geholfen habe.
Die Antragsgegnerin beauftragte daher erneut den medizinischen Dienst mit der Erstellung eines Gutachtens. Dr. P führte in seinem unter dem 02.01.2018 erstatteten Gutachten aus, es seien noch nicht alle zugelassenen Arzneimittel eingesetzt worden. Es stünden derzeit noch zugelassene, medizinisch sinnvolle Therapie-Alternativen zur Verfügung. Der Wunsch der Versicherten nach einer nicht zugelassenen Therapieform begründe beim Vorliegen zugelassener Alternativen keine Leistungspflicht der gesetzlichen Krankenversicherung.
Die Klägerin legte den Arztbrief des Universitätsklinikums F vom 16.11.2017 vor. Diesem lässt sich entnehmen, bei der sekundär chronisch-progredienten Multiplen Sklerose ab einem EDSS von 6,5 (wie bei der Antragstellerin) bestünden keine zugelassenen Behandlungsoptionen. Das von dem Medizinischen Dienst angesprochene Mitoxantron sei als einziges zugelassenes Präparat zur Behandlung bei SPMS nur bis zu einem EDSS von 6 zugelassen. Weitere Präparate existierten nicht. Aufgrund des deutlichen Progresses und des jungen Alters der Antragstellerin sei dringend eine immunmodulatorische Therapie anzuraten. Mitoxantron sei aufgrund der insbesondere kardialen Langzeitnebenwirkungen, der Systembelastung und der nur eingeschränkten Anwendbarkeit in Anbetracht des noch zu erwartenden Lebensalters sehr ungünstig. Dem gegenüber stünden die im Verhältnis deutlich nebenwirkungsärmeren Therapien mit Rituximab. Bezüglich der Behandlung bei schubförmiger MS sei die Wirksamkeit für Rituximab nachgewiesen. Auch bezüglich des chronischen Erkrankungsprozesses sei unter Rituximab eine positive krankheitsmodifizierende Wirkung bestätigt worden.
Die Antragstellerin reichte außerdem den vorläufigen Entlassbrief des Klinikums M vom 12.02.2018 ein. Aus diesem ergibt sich, dass sich die Antragstellerin dort vom 07.02.2018 bis 12.02.2018 in stationärer Behandlung befand. Es erfolgte eine Cortisonpulsbehandlung, durch welche subjektiv auch eine Verbesserung des Gehens für die Antragstellerin wahrnehmbar war.
Den Widerspruch der Antragstellerin wies die Antragsgegnerin mit Widerspruchsbescheid vom 23.02.2018 als unbegründet zurück. Es liege keine akut lebensbedrohliche Erkrankung vor. Der MDK habe in seinen Gutachten auf andere Behandlungsmöglichkeiten verwiesen, die kassenärztlich übernommen werden könnten. Die beantragte Kostenübernahme für das Arzneimittel könne daher nicht erfolgen.
10 
Am 02.03.2018 hat die Antragstellerin beim Sozialgericht Karlsruhe einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung gestellt, mit welchem sie ihr Begehren weiterverfolgt. Zur Begründung führt sie aus, die Ansicht des MDK, dass andere zugelassene Therapiealternativen bestehen, sei durch den Arztbrief des Universitätsklinikums F vom 16.11.2017 widerlegt. Die Behandlung mit MabThera müsse stationär erfolgen.
11 
Die Antragstellerin beantragt,
12 
die Antragsgegnerin im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes zu verpflichten, die Kosten für das Medikament Mab Thera mit dem Wirkstoff Rituximab zu übernehmen.
13 
Die Antragsgegnerin beantragt,
14 
den Antrag zurückzuweisen.
15 
Sie bezieht sich auf die vorliegenden Gutachten des Medizinischen Dienstes. Ergänzend führt sie aus, dass in dem Arztbrief des Universitätsklinikums F vom 31.08.2017 eine medikamentöse Therapie auch mit dem Wirkstoff Ocrelizumab denkbar wäre. Das Medikament mit dem Wirkstoff Ocrevus habe eine Zulassung in der Europäischen Union für schubförmig multiple Sklerose und PPMS.
16 
Das Gericht hat den behandelnden Neurologen Prof. Dr. D schriftlich als sachverständigen Zeugen befragt. Dieser hat in seiner Stellungnahme ausgeführt, Mitoxantron sei eine nach den Leitlinien angegebene Therapieoption. Die Behandlung sei jedoch mit einem substanziellen Risiko für eine Herzschädigung vergesellschaftet. Ocrelizumab sei seit Januar 2018 auch für PPMS zugelassen. Die Wirkmechanismen von Ocrelizumab seien weitgehend vergleichbar mit denjenigen von Rituximab. Insofern stelle Ocrelizumab nach formalen Kriterien eine Behandlungsalternative zu Rituximab dar. Für Rituximab seien keine formalen Studien zur Zulassung bei SPMS durchgeführt worden. Zu Ocrelizumab fänden sich zwei klinische Phasen-3-Studien (OPERA I und II) und eine Phase-3-Studie mit PPMS-Patienten (ORATORIO).
17 
Wegen der weiteren Einzelheiten zum Sach- und Streitstand wird auf die Gerichtsakten und auf die Verwaltungsakten der Antragsgegnerin Bezug genommen, die vorlagen und Gegenstand der Entscheidungsfindung gewesen sind.
II.
18 
Der Antrag ist zulässig aber unbegründet.
19 
Der Antrag ist zunächst als Regelungsanordnung gem. § 86b Abs. 2 Satz 2 SGG statthaft. Nach dieser Vorschrift können einstweilige Anordnungen zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen werden, wenn dies zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Die Regelungsanordnung nach § 86b Abs. 2 S. 2 SGG kann erlassen werden, wenn glaubhaft gemacht wird (§ 86b Abs. 2 S. 4 SGG i.V.m. § 920 Abs. 2 Zivilprozessordnung), dass ein geltend gemachtes Recht gegenüber der Antragsgegnerin besteht (Anordnungsanspruch) und die Antragstellerin ohne den Erlass der begehrten Anordnung, insbesondere bei Abwarten einer Entscheidung in der Hauptsache, wesentliche Nachteile i.S.v. § 86b Abs. 2 S. 2 SGG erleiden würde (Anordnungsgrund).
20 
Drohen im Einzelfall ohne die Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes schwere und unzumutbare, anders nicht abwendbare Beeinträchtigungen, die durch das Hauptsacheverfahren nicht mehr zu beseitigen wären, dürfen sich die Gerichte nur an den Erfolgsaussichten orientieren, wenn die Sach- und Rechtslage abschließend geklärt ist. Ist dem Gericht dagegen eine vollständige Aufklärung der Sach- und Rechtslage im Eilverfahren nicht möglich, so ist anhand einer Folgenabwägung zu entscheiden. Dabei sind die grundrechtlichen Belange des Antragstellers umfassend in die Abwägung einzustellen, da sich die Gerichte schützend und fördernd vor die Grundrechte zu stellen haben (vgl. BVerfG, Beschlüsse vom 12.05.2005 - 1 BvR 569/05 - und vom 29.11.2007 - 1 BvR 2496/07 -, jeweils m.w.N.).
21 
Vorliegend fehlt es an der Glaubhaftmachung eines Anordnungsanspruchs. Nach summarischer Prüfung ergibt sich, dass die Antragstellerin keinen Anspruch gegen die Antragsgegnerin auf Kostenübernahme für das Medikament MabThera mit dem Wirkstoff Rituximab hat.
22 
Ein solcher Anspruch ergibt sich nach summarischer Prüfung zunächst nicht aus § 31 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch (SGB V). Nach dieser Vorschrift können Versicherte die Versorgung mit vertragsärztlich verordneten Fertigarzneimitteln zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) grundsätzlich ungeachtet weiterer Einschränkungen (vgl. §§ 31, 34 SGB V) nur beanspruchen, wenn eine arzneimittelrechtliche Zulassung für das Indikationsgebiet besteht, in dem sie angewendet werden sollen. Fertigarzneimittel sind mangels Zweckmäßigkeit und Wirtschaftlichkeit (§§ 2 Abs. 1 S. 3, 12 Abs. 1 SGB V) dagegen nicht von der Leistungspflicht der GKV nach §§ 27 Abs. 1 S. 2 Nr. 1 und 3, 31 Abs. 1 S. 1 SGB V) umfasst, wenn ihnen die erforderliche (§ 21 Arzneimittelgesetz) arzneimittelrechtliche Zulassung fehlt (vgl. zur ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) z.B. BSGE 96,153, BSGE 97,112, BSGE 111,168). Bei Mab Thera handelt es sich um ein Fertigarzneimittel, welches für die SPMS nicht zugelassen ist. Dies ist zwischen den Beteiligten auch unstreitig.
23 
Die Antragstellerin hat jedoch auch keinen Anspruch aus den von der Rechtsprechung entwickelten Grundsätzen zum Off-Label-Use. Ein solcher Off-Label-Use kommt nach der höchstrichterlichen Rechtsprechung nur in Betracht, wenn es 1. um die Behandlung einer schwerwiegenden (lebensbedrohlichen oder die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigenden) Erkrankung geht, wenn 2. keine andere Therapie verfügbar ist und wenn 3. aufgrund der Datenlage die begründete Aussicht besteht, dass mit dem betreffenden Präparat ein Behandlungserfolg (kurativ oder palliativ) erzielt werden kann. Abzustellen ist dabei auf die im jeweiligen Zeitpunkt der Behandlung vorliegenden Erkenntnisse (vgl. zuletzt BSG, Urteil vom 03.07.2012 - B 1 KR 25/11 R = BSGE 111, 168-177, SozR 4-2500 § 31 Nr. 22, SozR 4-2500 § 19 Nr. 7, Rn. 16).
24 
Auf den vorliegenden Fall übertragen liegt hier zumindest die erste Voraussetzung vor. Zwar mag die Multiple Sklerose keine lebensbedrohliche oder regelmäßig tödlich verlaufende Erkrankung im engeren Sinne sein. Das Bundessozialgericht hat jedoch den Anwendungsbereich dieser Rechtsprechung nicht nur auf solche Erkrankungen begrenzt, sondern auf sonstige ganz gravierende gesundheitliche Beeinträchtigungen im Wege einer Gleichstellung erweitert (BSG, Urteil vom 4. April 2006 - B 1 KR 12/04 R -). Um eine solche die Lebensqualität auf Dauer nachhaltig beeinträchtigende Erkrankung handelt es sich bei der Multiplen Sklerose (hierzu auch: Schleswig-Holsteinisches Landessozialgericht, Urteil vom 31. Januar 2007 – L 5 KR 28/06 –, juris; Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 08. Februar 2008 – L 4 KR 2153/06 –, juris). Dies bestätigen auch die vorliegenden medizinischen Unterlagen, sowie die sachverständige Zeugenaussage des Prof. Dr. D.
25 
Offenbleiben kann, ob vorliegend die zweite Voraussetzung für den Off-Label-Use vorliegt. Dass keine andere Therapieoption für die Antragstellerin in Betracht kommt, erscheint vorliegend zumindest zweifelhaft. Bereits Prof. Dr. R ging in seinem Entlassungsbericht vom 31.08.2017 davon aus, dass eine Behandlung mit Rituximab oder mit Ocrelizumab bei der Antragstellerin erfolgsversprechend sein könnte. Auch dem vorläufigen Entlassbrief des Klinikums Mittelbaden lässt sich entnehmen, dass eine Therapie mit dem Arzneimittel Ocrelizumab empfohlen wird. Darüber hinaus sieht auch Prof. Dr. D Ocrelizumab als erfolgsversprechende Behandlungsalternative an. Das Medikament ist seit Januar 2018 für PPMS zugelassen. Es kann vorliegend offenbleiben, ob die an SPMS leidende Antragstellerin auf eine Therapie mit Ocrelizumab verwiesen werden kann. Denn es fehlt jedenfalls an der dritten Voraussetzung für den Off-Label-Use, nämlich die aufgrund der Datenlage begründete hinreichende Erfolgsaussicht.
26 
Von solchen hinreichenden Erfolgsaussichten kann nur dann ausgegangen werden, wenn Forschungsergebnisse vorliegen, die erwarten lassen, dass das Arzneimittel für die betreffende Indikation zugelassen werden kann. Dies kann angenommen werden, wenn entweder (1.) die Erweiterung der Zulassung bereits beantragt worden ist und die Ergebnisse einer kontrollierten klinischen Prüfung der Phase III (gegenüber Standard oder Placebo) veröffentlicht worden sind und eine klinisch relevante Wirksamkeit respektive einen klinisch relevanten Nutzen bei vertretbaren Risiken belegen oder (2.) außerhalb eines Zulassungsverfahrens gewonnene Erkenntnisse veröffentlicht worden sind, die über Qualität und Wirksamkeit des Arzneimittels in den neuen Anwendungsgebieten zuverlässige, wissenschaftlich nachprüfbare Aussagen zulassen und aufgrund derer in den einschlägigen Fachkreisen Konsens über einen voraussichtlichen Nutzen in dem vorgenannten Sinne bestehen (BSG 26.09.2006, B 1 KR 14/06 R, SozR 4-2500 § 31 Nr 6). Daran fehlt es. Die erste Alternative ist vorliegend nicht gegeben, weil die Erweiterung der Zulassung für Rituximab auf SPMS bisher nicht beantragt wurde. Auch die zweite Alternative liegt hier nicht vor. Die Antragstellerin beruft sich auf zwei Studien, zum einen die Veröffentlichung von Hauser in NEJM 2008, 358, zum anderen die Studie von Hawker in Annals of Neurology 2009, 76. Die Qualität der wissenschaftlichen Erkenntnisse über den Behandlungserfolg, die für eine zulassungsüberschreitende Pharmakotherapie auf Kosten der GKV nachgewiesen sein muss, entspricht derjenigen für die Zulassungsreife des Arzneimittels im betroffenen Indikationsbereich. Sie ist während und außerhalb eines arzneimittelrechtlichen Zulassungsverfahrens regelmäßig gleich. Der Schutzbedarf der Patienten, der dem gesamten Arzneimittelrecht zugrunde liegt und in das Leistungsrecht der GKV einstrahlt, unterscheidet sich in beiden Situationen nicht (vgl BSGE 97, 112 = SozR 4-2500 § 31 Nr 5, jeweils RdNr 24). Bei der Studie von Hauser handelt es sich um eine nunmehr zehn Jahre zurückliegende Studie, bei denen 69, an einer schubförmigen Multiplen Sklerose erkrankten Patienten, in einem Zeitraum von 48 Wochen mit Rituximab behandelt wurden. Weitere 35, an einer schubförmigen Multiplen Sklerose erkrankten Patienten, wurden mit einem Placebo-Präparat behandelt. Zum einen handelte es sich bei den Studienteilnehmern nicht um Patienten, welche an SPMS erkrankt waren, sondern an einer schubförmigen Multiplen Sklerose. Zum anderen sind die Daten zur generellen Beurteilung des Nutzens von Rituximab für die Behandlung der konkreten Krankheitsbilder nicht in vergleichbarer Weise geeignet wie im Zulassungsverfahren einzureichende Studien. Dies ergibt sich bereits aus der geringen Anzahl von Probanden. Die Studie von Hawker in Annals of Neurology 2009, 76 behandelt die Wirksamkeit von Rituximab für Patienten, welche an PPMS erkrankt sind. Die Studie ist daher für den vorliegenden Sachverhalt irrelevant, weil die Antragstellerin, wie bereits mehrfach ausgeführt, an SPMS erkrankt ist. Die ebenfalls von der Antragstellerin aufgeführte Studie von Montalban in NEJM 2017, 376 betrifft das Medikament Ocrelizumab, und nicht Rituximab. Insgesamt fehlt es daher an der aufgrund einer Datenlage begründeten Aussicht, dass mit dem Wirkstoff Rituximab ein Behandlungserfolg erzielt werden kann.
27 
Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch aus § 2 Abs. 1a SGB V nicht glaubhaft gemacht. Die Grundsätze des § 2 Abs. 1a SGB V gelten sinngemäß auch für die Versorgung mit Arzneimitteln (vgl BSG 04.04.2006, B 1 KR 7/05 R, juris). Speziell zur Multiplen Sklerose hat das BSG für einen Fall sekundär-progredienter Verlaufsform selbst in schweren Krankheitsfällen eine Lebensgefahr verneint. Begründet wird dies damit, dass eine verfassungskonforme Auslegung der einschlägigen gesetzlichen Regelungen nur gerechtfertigt ist, wenn eine notstandsähnliche Situation im Sinne einer in einem gewissen Zeitdruck zum Ausdruck kommenden Problematik vorliegt, wie sie für einen zur Lebenserhaltung bestehenden akuten Behandlungsbedarf typisch ist. Das bedeutet, dass nach den konkreten Umständen des Falles bereits drohen muss, dass sich der voraussichtlich tödliche Krankheitsverlauf innerhalb eines kürzeren, überschaubaren Zeitraums mit großer Wahrscheinlichkeit verwirklichen wird (BSG 17.03.2007, B 1 KR 17/06 R, juris Rn 23).
28 
Die Antragstellerin hat auch einen Anordnungsanspruch aus § 137c Abs. 3 Satz 1 SGB V nicht glaubhaft gemacht. Nach dieser Vorschrift dürfen Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss bisher keine Entscheidung getroffen hat, im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden, wenn sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig ist. Vorliegend muss die Therapie mit Rituximab zwar stationär erfolgen. Sie stellt jedoch keine Behandlungsmethode im Sinne der Vorschrift dar. Ärztliche Behandlungsmethode im Sinne der genannten Vorschriften ist eine medizinische Vorgehensweise, der ein eigenes theoretisch-wissenschaftliches Konzept zugrunde liegt, das sie von anderen Therapieverfahren unterscheidet und das ihre systematische Anwendung in der Behandlung bestimmter Krankheiten rechtfertigen soll (vgl. BSG, Urteil vom 13.12.2016, - B 1 KR 1/16 R -, in juris Rdnr. 23 m.w.N.). Demgegenüber stellt die (bloße) Gabe eines Arzneimittels, etwa zur Einnahme durch den Patienten, aber auch durch Injektion oder Infusion in den Körper (bei Infusion auch mit vorausgegangener Blutentnahme, ärztlicher Beratung und Überwachung), eine (reine) Pharmakotherapie dar; die (bloße) bestimmungsgemäße Anwendung eines für die betreffende Indikation zugelassenen Arzneimittels ist kraft arzneimittelrechtlicher Zulassung Leistungsbestandteil der gesetzlichen Krankenversicherung (vgl. BSG, Urteil vom 13.12.2016, a.a.O.). Nach den vorliegenden medizinischen Unterlagen ist davon auszugehen, dass sich die stationäre Therapie mit Rituximab auf die Infusion in den Körper beschränkt und damit eine Pharmakotherapie darstellt. Für die stationär erbrachte (reine) Pharmakotherapie hat das BSG entschieden, dass der Schutz gesetzlich Versicherter durch das materielle Arzneimittelrecht vor dem Krankenhaus nicht Halt macht (BSG, Urteil vom 13.12.2016, a.a.O.). Nach der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg, welcher sich die erkennende Kammer anschließt, ist dieser Grundsatz ist auch dann anzuwenden, wenn die Arzneimittelversorgung im Rahmen einer stationär erbrachten Behandlungsmethode (i.S.d. § 137c SGB V) stattfindet. Arzneimittel dürfen daher auch in der Krankenhausbehandlung nur zulassungskonform und zulassungsüberschreitend nur bei Vorliegen der Voraussetzungen des Off-Label-Use angewendet werden, wobei es unerheblich ist, ob die Arzneimittelversorgung als (reine) Pharmakotherapie oder als (Teil einer) Behandlungsmethode i.S.d. §§ 135, 137 c SGB V stattfindet (Landessozialgericht Baden-Württemberg, Urteil vom 31. Januar 2018 – L 5 KR 2399/16 –, juris; LSG Thüringen, Urteil vom 25.04.2017, - L 6 KR 1870/13 -, in juris Rdnr. 22). Selbst wenn also die Therapie mit Rituximab eine Behandlungsmethode i. S. v. § 137c SGB V darstellt, wäre ein Anordnungsanspruch vorliegend dennoch nicht gegeben, da wie oben dargelegt, die Voraussetzungen des Off-Label-Use nicht vorliegen.
29 
Da also hinsichtlich aller in Betracht kommenden Anspruchsgrundlagen kein Anordnungsanspruch glaubhaft gemacht ist, muss auf die Glaubhaftmachung eines Anordnungsgrundes nicht mehr eingegangen werden. Der Antrag war damit abzulehnen.
30 
Über den Anspruch der Antragstellerin auf Kostenübernahme für die Behandlung mit dem Medikament Ocrelizumab war vorliegend nicht zu entscheiden, da dies nicht beantragt war.
31 
Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung von § 193 SGG.
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Annotations

(1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag

1.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen,
2.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen,
3.
in den Fällen des § 86a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder die Anordnung der sofortigen Vollziehung kann mit Auflagen versehen oder befristet werden. Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag die Maßnahmen jederzeit ändern oder aufheben.

(2) Soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Absatz 1 und 3, die §§ 930 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(3) Die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 sind schon vor Klageerhebung zulässig.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

(1) Das Gesuch soll die Bezeichnung des Anspruchs unter Angabe des Geldbetrages oder des Geldwertes sowie die Bezeichnung des Arrestgrundes enthalten.

(2) Der Anspruch und der Arrestgrund sind glaubhaft zu machen.

(3) Das Gesuch kann vor der Geschäftsstelle zu Protokoll erklärt werden.

(1) Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag

1.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage aufschiebende Wirkung haben, die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise anordnen,
2.
in den Fällen, in denen Widerspruch oder Anfechtungsklage keine aufschiebende Wirkung haben, die aufschiebende Wirkung ganz oder teilweise anordnen,
3.
in den Fällen des § 86a Abs. 3 die sofortige Vollziehung ganz oder teilweise wiederherstellen.
Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen oder befolgt worden, kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung oder die Anordnung der sofortigen Vollziehung kann mit Auflagen versehen oder befristet werden. Das Gericht der Hauptsache kann auf Antrag die Maßnahmen jederzeit ändern oder aufheben.

(2) Soweit ein Fall des Absatzes 1 nicht vorliegt, kann das Gericht der Hauptsache auf Antrag eine einstweilige Anordnung in Bezug auf den Streitgegenstand treffen, wenn die Gefahr besteht, dass durch eine Veränderung des bestehenden Zustands die Verwirklichung eines Rechts des Antragstellers vereitelt oder wesentlich erschwert werden könnte. Einstweilige Anordnungen sind auch zur Regelung eines vorläufigen Zustands in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis zulässig, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Das Gericht der Hauptsache ist das Gericht des ersten Rechtszugs und, wenn die Hauptsache im Berufungsverfahren anhängig ist, das Berufungsgericht. Die §§ 920, 921, 923, 926, 928, 929 Absatz 1 und 3, die §§ 930 bis 932, 938, 939 und 945 der Zivilprozessordnung gelten entsprechend.

(3) Die Anträge nach den Absätzen 1 und 2 sind schon vor Klageerhebung zulässig.

(4) Das Gericht entscheidet durch Beschluss.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Versorgung mit apothekenpflichtigen Arzneimitteln, soweit die Arzneimittel nicht nach § 34 oder durch Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 ausgeschlossen sind, und auf Versorgung mit Verbandmitteln, Harn- und Blutteststreifen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 festzulegen, in welchen medizinisch notwendigen Fällen Stoffe und Zubereitungen aus Stoffen, die als Medizinprodukte nach § 3 Nr. 1 oder Nr. 2 des Medizinproduktegesetzes in der bis einschließlich 25. Mai 2021 geltenden Fassung zur Anwendung am oder im menschlichen Körper bestimmt sind, ausnahmsweise in die Arzneimittelversorgung einbezogen werden; § 34 Abs. 1 Satz 5, 7 und 8 und Abs. 6 sowie § 35 und die §§ 126 und 127 in der bis zum 10. Mai 2019 geltenden Fassung gelten entsprechend. Für verschreibungspflichtige und nicht verschreibungspflichtige Medizinprodukte nach Satz 2 gilt § 34 Abs. 1 Satz 6 entsprechend. Der Vertragsarzt kann Arzneimittel, die auf Grund der Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 von der Versorgung ausgeschlossen sind, ausnahmsweise in medizinisch begründeten Einzelfällen mit Begründung verordnen. Für die Versorgung nach Satz 1 können die Versicherten unter den Apotheken, für die der Rahmenvertrag nach § 129 Abs. 2 Geltung hat, frei wählen. Vertragsärzte und Krankenkassen dürfen, soweit gesetzlich nicht etwas anderes bestimmt oder aus medizinischen Gründen im Einzelfall eine Empfehlung geboten ist, weder die Versicherten dahingehend beeinflussen, Verordnungen bei einer bestimmten Apotheke oder einem sonstigen Leistungserbringer einzulösen, noch unmittelbar oder mittelbar Verordnungen bestimmten Apotheken oder sonstigen Leistungserbringern zuweisen. Die Sätze 5 und 6 gelten auch bei der Einlösung von elektronischen Verordnungen.

(1a) Verbandmittel sind Gegenstände einschließlich Fixiermaterial, deren Hauptwirkung darin besteht, oberflächengeschädigte Körperteile zu bedecken, Körperflüssigkeiten von oberflächengeschädigten Körperteilen aufzusaugen oder beides zu erfüllen. Die Eigenschaft als Verbandmittel entfällt nicht, wenn ein Gegenstand ergänzend weitere Wirkungen entfaltet, die ohne pharmakologische, immunologische oder metabolische Wirkungsweise im menschlichen Körper der Wundheilung dienen, beispielsweise, indem er eine Wunde feucht hält, reinigt, geruchsbindend, antimikrobiell oder metallbeschichtet ist. Erfasst sind auch Gegenstände, die zur individuellen Erstellung von einmaligen Verbänden an Körperteilen, die nicht oberflächengeschädigt sind, gegebenenfalls mehrfach verwendet werden, um Körperteile zu stabilisieren, zu immobilisieren oder zu komprimieren. Das Nähere zur Abgrenzung von Verbandmitteln zu sonstigen Produkten zur Wundbehandlung regelt der Gemeinsame Bundesausschuss bis zum 31. August 2020 in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6; Absatz 1 Satz 2 gilt für diese sonstigen Produkte entsprechend. Bis 48 Monate nach dem Wirksamwerden der Regelungen nach Satz 4 sind solche Gegenstände weiterhin zu Lasten der Krankenkassen zu erbringen, die vor dem Wirksamwerden der Regelungen nach Satz 4 erbracht wurden. Der Gemeinsame Bundesausschuss berät Hersteller von sonstigen Produkten zur Wundbehandlung im Rahmen eines Antragsverfahrens insbesondere zu konkreten Inhalten der vorzulegenden Unterlagen und Studien. § 34 Absatz 6 gilt entsprechend. Für die Beratung sind Gebühren zu erheben. Das Nähere zur Beratung und zu den Gebühren regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung.

(1b) Für Versicherte, die eine kontinuierliche Versorgung mit einem bestimmten Arzneimittel benötigen, können Vertragsärzte Verordnungen ausstellen, nach denen eine nach der Erstabgabe bis zu dreimal sich wiederholende Abgabe erlaubt ist. Die Verordnungen sind besonders zu kennzeichnen. Sie dürfen bis zu einem Jahr nach Ausstellungsdatum zu Lasten der gesetzlichen Krankenkasse durch Apotheken beliefert werden.

(2) Für ein Arznei- oder Verbandmittel, für das ein Festbetrag nach § 35 festgesetzt ist, trägt die Krankenkasse die Kosten bis zur Höhe dieses Betrages, für andere Arznei- oder Verbandmittel die vollen Kosten, jeweils abzüglich der vom Versicherten zu leistenden Zuzahlung und der Abschläge nach den §§ 130, 130a und dem Gesetz zur Einführung von Abschlägen der pharmazeutischen Großhändler. Hat die Krankenkasse mit einem pharmazeutischen Unternehmen, das ein Festbetragsarzneimittel anbietet, eine Vereinbarung nach § 130a Abs. 8 abgeschlossen, trägt die Krankenkasse abweichend von Satz 1 den Apothekenverkaufspreis dieses Mittels abzüglich der Zuzahlungen und Abschläge nach den §§ 130 und 130a Absatz 1, 1b, 3a und 3b. Diese Vereinbarung ist nur zulässig, wenn hierdurch die Mehrkosten der Überschreitung des Festbetrages ausgeglichen werden. Die Krankenkasse übermittelt die erforderlichen Angaben einschließlich des Arzneimittel- und des Institutionskennzeichens der Krankenkasse an die Vertragspartner nach § 129 Abs. 2; das Nähere ist in den Verträgen nach § 129 Abs. 2 und 5 zu vereinbaren. Versicherte und Apotheken sind nicht verpflichtet, Mehrkosten an die Krankenkasse zurückzuzahlen, wenn die von der Krankenkasse abgeschlossene Vereinbarung den gesetzlichen Anforderungen nicht entspricht.

(2a) (weggefallen)

(3) Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, leisten an die abgebende Stelle zu jedem zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordneten Arznei- und Verbandmittel als Zuzahlung den sich nach § 61 Satz 1 ergebenden Betrag, jedoch jeweils nicht mehr als die Kosten des Mittels. Satz 1 findet keine Anwendung bei Harn- und Blutteststreifen. Satz 1 gilt auch für Medizinprodukte, die nach Absatz 1 Satz 2 und 3 in die Versorgung mit Arzneimitteln einbezogen worden sind. Der Spitzenverband Bund der Krankenkassen kann Arzneimittel, deren Abgabepreis des pharmazeutischen Unternehmers ohne Mehrwertsteuer mindestens um 20 vom Hundert niedriger als der jeweils gültige Festbetrag ist, der diesem Preis zugrunde liegt, von der Zuzahlung freistellen, wenn hieraus Einsparungen zu erwarten sind. Für andere Arzneimittel, für die eine Vereinbarung nach § 130a Abs. 8 besteht, kann die Krankenkasse die Zuzahlung um die Hälfte ermäßigen oder aufheben, wenn hieraus Einsparungen zu erwarten sind. Absatz 2 Satz 4 gilt entsprechend. Muss für ein Arzneimittel auf Grund eines Arzneimittelrückrufs oder einer von der zuständigen Behörde bekannt gemachten Einschränkung der Verwendbarkeit erneut ein Arzneimittel verordnet werden, so ist die erneute Verordnung zuzahlungsfrei. Eine bereits geleistete Zuzahlung für die erneute Verordnung ist dem Versicherten auf Antrag von der Krankenkasse zu erstatten.

(4) Das Nähere zu therapiegerechten und wirtschaftlichen Packungsgrößen bestimmt das Bundesministerium für Gesundheit durch Rechtsverordnung ohne Zustimmung des Bundesrates. Ein Fertigarzneimittel, dessen Packungsgröße die größte der auf Grund der Verordnung nach Satz 1 bestimmte Packungsgröße übersteigt, ist nicht Gegenstand der Versorgung nach Absatz 1 und darf nicht zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung abgegeben werden.

(5) Versicherte haben Anspruch auf bilanzierte Diäten zur enteralen Ernährung nach Maßgabe der Arzneimittel-Richtlinie des Gemeinsamen Bundesausschusses nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 in der jeweils geltenden und gemäß § 94 Absatz 2 im Bundesanzeiger bekannt gemachten Fassung. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat die Entwicklung der Leistungen, auf die Versicherte nach Satz 1 Anspruch haben, zu evaluieren und über das Ergebnis der Evaluation dem Bundesministerium für Gesundheit alle drei Jahre, erstmals zwei Jahre nach dem Inkrafttreten der Regelungen in der Verfahrensordnung nach Satz 5, zu berichten. Stellt der Gemeinsame Bundesausschuss in dem Bericht nach Satz 2 fest, dass zur Gewährleistung einer ausreichenden, zweckmäßigen und wirtschaftlichen Versorgung der Versicherten mit bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung Anpassungen der Leistungen, auf die Versicherte nach Satz 1 Anspruch haben, erforderlich sind, regelt er diese Anpassungen spätestens zwei Jahre nach Übersendung des Berichts in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Der Gemeinsame Bundesausschuss berücksichtigt bei der Evaluation nach Satz 2 und bei der Regelung nach Satz 3 Angaben von Herstellern von Produkten zu bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung zur medizinischen Notwendigkeit und Zweckmäßigkeit ihrer Produkte sowie Angaben zur Versorgung mit Produkten zu bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung der wissenschaftlich-medizinischen Fachgesellschaften, des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der Kassenärztlichen Bundesvereinigung und der Deutschen Krankenhausgesellschaft. Das Nähere zum Verfahren der Evaluation nach Satz 2 und der Regelung nach Satz 3 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss in seiner Verfahrensordnung. Für die Zuzahlung gilt Absatz 3 Satz 1 entsprechend. Für die Abgabe von bilanzierten Diäten zur enteralen Ernährung gelten die §§ 126 und 127 in der bis zum 10. Mai 2019 geltenden Fassung entsprechend. Bei Vereinbarungen nach § 84 Absatz 1 Satz 2 Nummer 1 sind Leistungen nach Satz 1 zu berücksichtigen.

(6) Versicherte mit einer schwerwiegenden Erkrankung haben Anspruch auf Versorgung mit Cannabis in Form von getrockneten Blüten oder Extrakten in standardisierter Qualität und auf Versorgung mit Arzneimitteln mit den Wirkstoffen Dronabinol oder Nabilon, wenn

1.
eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung
a)
nicht zur Verfügung steht oder
b)
im Einzelfall nach der begründeten Einschätzung der behandelnden Vertragsärztin oder des behandelnden Vertragsarztes unter Abwägung der zu erwartenden Nebenwirkungen und unter Berücksichtigung des Krankheitszustandes der oder des Versicherten nicht zur Anwendung kommen kann,
2.
eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf oder auf schwerwiegende Symptome besteht.
Die Leistung bedarf bei der ersten Verordnung für eine Versicherte oder einen Versicherten der nur in begründeten Ausnahmefällen abzulehnenden Genehmigung der Krankenkasse, die vor Beginn der Leistung zu erteilen ist. Verordnet die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt die Leistung nach Satz 1 im Rahmen der Versorgung nach § 37b oder im unmittelbaren Anschluss an eine Behandlung mit einer Leistung nach Satz 1 im Rahmen eines stationären Krankenhausaufenthalts, ist über den Antrag auf Genehmigung nach Satz 2 abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 innerhalb von drei Tagen nach Antragseingang zu entscheiden. Leistungen, die auf der Grundlage einer Verordnung einer Vertragsärztin oder eines Vertragsarztes zu erbringen sind, bei denen allein die Dosierung eines Arzneimittels nach Satz 1 angepasst wird oder die einen Wechsel zu anderen getrockneten Blüten oder zu anderen Extrakten in standardisierter Qualität anordnen, bedürfen keiner erneuten Genehmigung nach Satz 2. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte wird mit einer bis zum 31. März 2022 laufenden nichtinterventionellen Begleiterhebung zum Einsatz der Leistungen nach Satz 1 beauftragt.Die Vertragsärztin oder der Vertragsarzt, die oder der die Leistung nach Satz 1 verordnet, übermittelt die für die Begleiterhebung erforderlichen Daten dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte in anonymisierter Form; über diese Übermittlung ist die oder der Versicherte vor Verordnung der Leistung von der Vertragsärztin oder dem Vertragsarzt zu informieren.Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte darf die nach Satz 6 übermittelten Daten nur in anonymisierter Form und nur zum Zweck der wissenschaftlichen Begleiterhebung verarbeiten. Das Bundesministerium für Gesundheit wird ermächtigt, durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, den Umfang der zu übermittelnden Daten, das Verfahren zur Durchführung der Begleiterhebung einschließlich der anonymisierten Datenübermittlung sowie das Format des Studienberichts nach Satz 9 zu regeln. Auf der Grundlage der Ergebnisse der Begleiterhebung nach Satz 5 regelt der Gemeinsame Bundesausschuss innerhalb von sechs Monaten nach der Übermittlung der Ergebnisse der Begleiterhebung in Form eines Studienberichts das Nähere zur Leistungsgewährung in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Der Studienbericht wird vom Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte auf seiner Internetseite veröffentlicht. Abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 ist über den Antrag auf Genehmigung innerhalb von zwei Wochen nach Antragseingang zu entscheiden. Sofern eine gutachtliche Stellungnahme, insbesondere des Medizinischen Dienstes, eingeholt wird, ist abweichend von § 13 Absatz 3a Satz 1 über den Antrag auf Genehmigung innerhalb von vier Wochen nach Antragseingang zu entscheiden; der Medizinische Dienst nimmt, sofern eine gutachtliche Stellungnahme eingeholt wird, innerhalb von zwei Wochen Stellung.

(7) Der Gemeinsame Bundesausschuss regelt bis zum 1. Oktober 2023 in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Nummer 6 das Nähere zu einzelnen Facharztgruppen und den erforderlichen ärztlichen Qualifikationen, bei denen der Genehmigungsvorbehalt nach Absatz 6 Satz 2 entfällt.

(1) Nicht verschreibungspflichtige Arzneimittel sind von der Versorgung nach § 31 ausgeschlossen. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in den Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 fest, welche nicht verschreibungspflichtigen Arzneimittel, die bei der Behandlung schwerwiegender Erkrankungen als Therapiestandard gelten, zur Anwendung bei diesen Erkrankungen mit Begründung vom Vertragsarzt ausnahmsweise verordnet werden können. Dabei ist der therapeutischen Vielfalt Rechnung zu tragen. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat auf der Grundlage der Richtlinie nach Satz 2 dafür Sorge zu tragen, dass eine Zusammenstellung der verordnungsfähigen Fertigarzneimittel erstellt, regelmäßig aktualisiert wird und im Internet abruffähig sowie in elektronisch weiterverarbeitbarer Form zur Verfügung steht. Satz 1 gilt nicht für:

1.
versicherte Kinder bis zum vollendeten 12. Lebensjahr,
2.
versicherte Jugendliche bis zum vollendeten 18. Lebensjahr mit Entwicklungsstörungen.
Für Versicherte, die das achtzehnte Lebensjahr vollendet haben, sind von der Versorgung nach § 31 folgende verschreibungspflichtige Arzneimittel bei Verordnung in den genannten Anwendungsgebieten ausgeschlossen:
1.
Arzneimittel zur Anwendung bei Erkältungskrankheiten und grippalen Infekten einschließlich der bei diesen Krankheiten anzuwendenden Schnupfenmittel, Schmerzmittel, hustendämpfenden und hustenlösenden Mittel,
2.
Mund- und Rachentherapeutika, ausgenommen bei Pilzinfektionen,
3.
Abführmittel,
4.
Arzneimittel gegen Reisekrankheit.
Von der Versorgung sind außerdem Arzneimittel ausgeschlossen, bei deren Anwendung eine Erhöhung der Lebensqualität im Vordergrund steht. Ausgeschlossen sind insbesondere Arzneimittel, die überwiegend zur Behandlung der erektilen Dysfunktion, der Anreizung sowie Steigerung der sexuellen Potenz, zur Raucherentwöhnung, zur Abmagerung oder zur Zügelung des Appetits, zur Regulierung des Körpergewichts oder zur Verbesserung des Haarwuchses dienen. Das Nähere regeln die Richtlinien nach § 92 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6.

(2) Abweichend von Absatz 1 haben Versicherte, bei denen eine bestehende schwere Tabakabhängigkeit festgestellt wurde, Anspruch auf eine einmalige Versorgung mit Arzneimitteln zur Tabakentwöhnung im Rahmen von evidenzbasierten Programmen zur Tabakentwöhnung. Eine erneute Versorgung nach Satz 1 ist frühestens drei Jahre nach Abschluss der Behandlung nach Satz 1 möglich. Der Gemeinsame Bundesausschuss legt in den Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6 fest, welche Arzneimittel und unter welchen Voraussetzungen Arzneimittel zur Tabakentwöhnung im Rahmen von evidenzbasierten Programmen zur Tabakentwöhnung verordnet werden können.

(3) Der Ausschluss der Arzneimittel, die in Anlage 2 Nummer 2 bis 6 der Verordnung über unwirtschaftliche Arzneimittel in der gesetzlichen Krankenversicherung vom 21. Februar 1990 (BGBl. I S. 301), die zuletzt durch die Verordnung vom 9. Dezember 2002 (BGBl. I S. 4554) geändert worden ist, aufgeführt sind, gilt als Verordnungsausschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses und ist Teil der Richtlinien nach § 92 Absatz 1 Satz 2 Nummer 6. Bei der Beurteilung von Arzneimitteln der besonderen Therapierichtungen wie homöopathischen, phytotherapeutischen und anthroposophischen Arzneimitteln ist der besonderen Wirkungsweise dieser Arzneimittel Rechnung zu tragen.

(4) Das Bundesministerium für Gesundheit kann durch Rechtsverordnung mit Zustimmung des Bundesrates Hilfsmittel von geringem oder umstrittenem therapeutischen Nutzen oder geringem Abgabepreis bestimmen, deren Kosten die Krankenkasse nicht übernimmt. Die Rechtsverordnung kann auch bestimmen, inwieweit geringfügige Kosten der notwendigen Änderung, Instandsetzung und Ersatzbeschaffung sowie der Ausbildung im Gebrauch der Hilfsmittel von der Krankenkasse nicht übernommen werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht für die Instandsetzung von Hörgeräten und ihre Versorgung mit Batterien bei Versicherten, die das achtzehnte Lebensjahr noch nicht vollendet haben. Für nicht durch Rechtsverordnung nach Satz 1 ausgeschlossene Hilfsmittel bleibt § 92 unberührt.

(5) (weggefallen)

(6) Pharmazeutische Unternehmer können beim Gemeinsamen Bundesausschuss Anträge zur Aufnahme von Arzneimitteln in die Zusammenstellung nach Absatz 1 Satz 2 und 4 stellen. Die Anträge sind ausreichend zu begründen; die erforderlichen Nachweise sind dem Antrag beizufügen. Sind die Angaben zur Begründung des Antrags unzureichend, teilt der Gemeinsame Bundesausschuss dem Antragsteller unverzüglich mit, welche zusätzlichen Einzelangaben erforderlich sind. Der Gemeinsame Bundesausschuss hat über ausreichend begründete Anträge nach Satz 1 innerhalb von 90 Tagen zu bescheiden und den Antragsteller über Rechtsmittel und Rechtsmittelfristen zu belehren. Eine ablehnende Entscheidung muss eine auf objektiven und überprüfbaren Kriterien beruhende Begründung enthalten. Für das Antragsverfahren sind Gebühren zu erheben. Das Nähere insbesondere zur ausreichenden Begründung und zu den erforderlichen Nachweisen regelt der Gemeinsame Bundesausschuss.

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

(1) Versicherte haben Anspruch auf Krankenbehandlung, wenn sie notwendig ist, um eine Krankheit zu erkennen, zu heilen, ihre Verschlimmerung zu verhüten oder Krankheitsbeschwerden zu lindern. Die Krankenbehandlung umfaßt

1.
Ärztliche Behandlung einschließlich Psychotherapie als ärztliche und psychotherapeutische Behandlung,
2.
zahnärztliche Behandlung,
2a.
Versorgung mit Zahnersatz einschließlich Zahnkronen und Suprakonstruktionen,
3.
Versorgung mit Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmitteln sowie mit digitalen Gesundheitsanwendungen,
4.
häusliche Krankenpflege, außerklinische Intensivpflege und Haushaltshilfe,
5.
Krankenhausbehandlung,
6.
Leistungen zur medizinischen Rehabilitation und ergänzende Leistungen.
Zur Krankenbehandlung gehört auch die palliative Versorgung der Versicherten. Bei der Krankenbehandlung ist den besonderen Bedürfnissen psychisch Kranker Rechnung zu tragen, insbesondere bei der Versorgung mit Heilmitteln und bei der medizinischen Rehabilitation. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur Herstellung der Zeugungs- oder Empfängnisfähigkeit, wenn diese Fähigkeit nicht vorhanden war oder durch Krankheit oder wegen einer durch Krankheit erforderlichen Sterilisation verlorengegangen war. Zur Krankenbehandlung gehören auch Leistungen zur vertraulichen Spurensicherung am Körper, einschließlich der erforderlichen Dokumentation sowie Laboruntersuchungen und einer ordnungsgemäßen Aufbewahrung der sichergestellten Befunde, bei Hinweisen auf drittverursachte Gesundheitsschäden, die Folge einer Misshandlung, eines sexuellen Missbrauchs, eines sexuellen Übergriffs, einer sexuellen Nötigung oder einer Vergewaltigung sein können.

(1a) Spender von Organen oder Geweben oder von Blut zur Separation von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen (Spender) haben bei einer nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes erfolgenden Spende von Organen oder Geweben oder im Zusammenhang mit einer im Sinne von § 9 des Transfusionsgesetzes erfolgenden Spende zum Zwecke der Übertragung auf Versicherte (Entnahme bei lebenden Spendern) Anspruch auf Leistungen der Krankenbehandlung. Dazu gehören die ambulante und stationäre Behandlung der Spender, die medizinisch erforderliche Vor- und Nachbetreuung, Leistungen zur medizinischen Rehabilitation sowie die Erstattung des Ausfalls von Arbeitseinkünften als Krankengeld nach § 44a und erforderlicher Fahrkosten; dies gilt auch für Leistungen, die über die Leistungen nach dem Dritten Kapitel dieses Gesetzes, auf die ein Anspruch besteht, hinausgehen, soweit sie vom Versicherungsschutz des Spenders umfasst sind. Zuzahlungen sind von den Spendern nicht zu leisten. Zuständig für Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 ist die Krankenkasse der Empfänger von Organen, Geweben oder Blutstammzellen sowie anderen Blutbestandteilen (Empfänger). Im Zusammenhang mit der Spende von Knochenmark nach den §§ 8 und 8a des Transplantationsgesetzes, von Blutstammzellen oder anderen Blutbestandteilen nach § 9 des Transfusionsgesetzes können die Erstattung der erforderlichen Fahrkosten des Spenders und die Erstattung der Entgeltfortzahlung an den Arbeitgeber nach § 3a Absatz 2 Satz 1 des Entgeltfortzahlungsgesetzes einschließlich der Befugnis zum Erlass der hierzu erforderlichen Verwaltungsakte auf Dritte übertragen werden. Das Nähere kann der Spitzenverband Bund der Krankenkassen mit den für die nationale und internationale Suche nach nichtverwandten Spendern von Blutstammzellen aus Knochenmark oder peripherem Blut maßgeblichen Organisationen vereinbaren. Für die Behandlung von Folgeerkrankungen der Spender ist die Krankenkasse der Spender zuständig, sofern der Leistungsanspruch nicht nach § 11 Absatz 5 ausgeschlossen ist. Ansprüche nach diesem Absatz haben auch nicht gesetzlich krankenversicherte Personen. Die Krankenkasse der Spender ist befugt, die für die Leistungserbringung nach den Sätzen 1 und 2 erforderlichen personenbezogenen Daten an die Krankenkasse oder das private Krankenversicherungsunternehmen der Empfänger zu übermitteln; dies gilt auch für personenbezogene Daten von nach dem Künstlersozialversicherungsgesetz Krankenversicherungspflichtigen. Die nach Satz 9 übermittelten Daten dürfen nur für die Erbringung von Leistungen nach den Sätzen 1 und 2 verarbeitet werden. Die Datenverarbeitung nach den Sätzen 9 und 10 darf nur mit schriftlicher Einwilligung der Spender, der eine umfassende Information vorausgegangen ist, erfolgen.

(2) Versicherte, die sich nur vorübergehend im Inland aufhalten, Ausländer, denen eine Aufenthaltserlaubnis nach § 25 Abs. 4 bis 5 des Aufenthaltsgesetzes erteilt wurde, sowie

1.
asylsuchende Ausländer, deren Asylverfahren noch nicht unanfechtbar abgeschlossen ist,
2.
Vertriebene im Sinne des § 1 Abs. 2 Nr. 2 und 3 des Bundesvertriebenengesetzes sowie Spätaussiedler im Sinne des § 4 des Bundesvertriebenengesetzes, ihre Ehegatten, Lebenspartner und Abkömmlinge im Sinne des § 7 Abs. 2 des Bundesvertriebenengesetzes haben Anspruch auf Versorgung mit Zahnersatz, wenn sie unmittelbar vor Inanspruchnahme mindestens ein Jahr lang Mitglied einer Krankenkasse (§ 4) oder nach § 10 versichert waren oder wenn die Behandlung aus medizinischen Gründen ausnahmsweise unaufschiebbar ist.

(1) Die Krankenkassen stellen den Versicherten die im Dritten Kapitel genannten Leistungen unter Beachtung des Wirtschaftlichkeitsgebots (§ 12) zur Verfügung, soweit diese Leistungen nicht der Eigenverantwortung der Versicherten zugerechnet werden. Behandlungsmethoden, Arznei- und Heilmittel der besonderen Therapierichtungen sind nicht ausgeschlossen. Qualität und Wirksamkeit der Leistungen haben dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Erkenntnisse zu entsprechen und den medizinischen Fortschritt zu berücksichtigen.

(1a) Versicherte mit einer lebensbedrohlichen oder regelmäßig tödlichen Erkrankung oder mit einer zumindest wertungsmäßig vergleichbaren Erkrankung, für die eine allgemein anerkannte, dem medizinischen Standard entsprechende Leistung nicht zur Verfügung steht, können auch eine von Absatz 1 Satz 3 abweichende Leistung beanspruchen, wenn eine nicht ganz entfernt liegende Aussicht auf Heilung oder auf eine spürbare positive Einwirkung auf den Krankheitsverlauf besteht. Die Krankenkasse erteilt für Leistungen nach Satz 1 vor Beginn der Behandlung eine Kostenübernahmeerklärung, wenn Versicherte oder behandelnde Leistungserbringer dies beantragen. Mit der Kostenübernahmeerklärung wird die Abrechnungsmöglichkeit der Leistung nach Satz 1 festgestellt.

(2) Die Versicherten erhalten die Leistungen als Sach- und Dienstleistungen, soweit dieses oder das Neunte Buch nichts Abweichendes vorsehen. Die Leistungen werden auf Antrag durch ein Persönliches Budget erbracht; § 29 des Neunten Buches gilt entsprechend. Über die Erbringung der Sach- und Dienstleistungen schließen die Krankenkassen nach den Vorschriften des Vierten Kapitels Verträge mit den Leistungserbringern.

(3) Bei der Auswahl der Leistungserbringer ist ihre Vielfalt zu beachten. Den religiösen Bedürfnissen der Versicherten ist Rechnung zu tragen.

(4) Krankenkassen, Leistungserbringer und Versicherte haben darauf zu achten, daß die Leistungen wirksam und wirtschaftlich erbracht und nur im notwendigen Umfang in Anspruch genommen werden.

(1) Der Gemeinsame Bundesausschuss nach § 91 überprüft auf Antrag eines Unparteiischen nach § 91 Absatz 2 Satz 1, des Spitzenverbandes Bund der Krankenkassen, der Deutschen Krankenhausgesellschaft oder eines Bundesverbandes der Krankenhausträger Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenkassen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt werden oder angewandt werden sollen, daraufhin, ob sie für eine ausreichende, zweckmäßige und wirtschaftliche Versorgung der Versicherten unter Berücksichtigung des allgemein anerkannten Standes der medizinischen Erkenntnisse erforderlich sind. Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode nicht hinreichend belegt ist und sie nicht das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, insbesondere weil sie schädlich oder unwirksam ist, erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss eine entsprechende Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der Krankenkassen erbracht werden darf. Ergibt die Überprüfung, dass der Nutzen einer Methode noch nicht hinreichend belegt ist, sie aber das Potenzial einer erforderlichen Behandlungsalternative bietet, beschließt der Gemeinsame Bundesausschuss eine Richtlinie zur Erprobung nach § 137e. Nach Abschluss der Erprobung erlässt der Gemeinsame Bundesausschuss eine Richtlinie, wonach die Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zulasten der Krankenkassen erbracht werden darf, wenn die Überprüfung unter Hinzuziehung der durch die Erprobung gewonnenen Erkenntnisse ergibt, dass die Methode nicht den Kriterien nach Satz 1 entspricht. Die Beschlussfassung über die Annahme eines Antrags nach Satz 1 muss spätestens drei Monate nach Antragseingang erfolgen. Das sich anschließende Methodenbewertungsverfahren ist in der Regel innerhalb von spätestens drei Jahren abzuschließen, es sei denn, dass auch bei Straffung des Verfahrens im Einzelfall eine längere Verfahrensdauer erforderlich ist.

(2) Wird eine Beanstandung des Bundesministeriums für Gesundheit nach § 94 Abs. 1 Satz 2 nicht innerhalb der von ihm gesetzten Frist behoben, kann das Bundesministerium die Richtlinie erlassen. Ab dem Tag des Inkrafttretens einer Richtlinie nach Absatz 1 Satz 2 oder 4 darf die ausgeschlossene Methode im Rahmen einer Krankenhausbehandlung nicht mehr zu Lasten der Krankenkassen erbracht werden; die Durchführung klinischer Studien bleibt von einem Ausschluss nach Absatz 1 Satz 4 unberührt.

(3) Untersuchungs- und Behandlungsmethoden, zu denen der Gemeinsame Bundesausschuss bisher keine Entscheidung nach Absatz 1 getroffen hat, dürfen im Rahmen einer Krankenhausbehandlung angewandt und von den Versicherten beansprucht werden, wenn sie das Potential einer erforderlichen Behandlungsalternative bieten und ihre Anwendung nach den Regeln der ärztlichen Kunst erfolgt, sie also insbesondere medizinisch indiziert und notwendig ist. Dies gilt sowohl für Methoden, für die noch kein Antrag nach Absatz 1 Satz 1 gestellt wurde, als auch für Methoden, deren Bewertung nach Absatz 1 noch nicht abgeschlossen ist.

(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.

(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.

(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.

(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.