Sozialgericht Aachen Urteil, 31. Mai 2016 - A 11 BK 33/14
Tenor
Der Bescheid vom 09.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2014 wird aufgehoben. Die Beklagte trägt die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin dem Grunde nach.
1
Tatbestand:
2Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung und Rückforderung bewilligter Leistungen für den Zeitraum von April 2011 bis Februar 2012 in Höhe von 3.080,00 EUR streitig.
3Die am 00.00.0000 geborene Klägerin stellte am 11.10.2010 erstmalig einen Antrag auf Bewilligung von Kinderzuschlag. In diesem Antrag waren von der Beklagten der Name und das Geburtsdatum der Klägerin vorausgefüllt. Die Klägerin trug dann handschriftlich die Wohnadresse, den Familienstand, eine Bankverbindung, den Namen des Ehegatten sowie die Geburtsdaten, das Verwandtschaftsverhältnis, die Staatsangehörigkeit und den Familienstand ihrer beiden Kinder O. K. (geboren am 00.00.0000) und F. O. (geboren am 00.00.0000) ein. Die Kontonummer lautete 0000000000 bei der T. B., BLZ 00000000. Die Klägerin und ihre Familie lebte da-mals in der N.-straße 00 in Eschweiler.
4Mit Bescheid vom 20.10.2010 bewilligte die Beklagte der Klägerin Kinderzuschlag in Höhe von monatlich 240,00 EUR für den Zeitraum Oktober 2010 bis März 2011.
5Im Mai 2011 stellte die Klägerin einen weiteren Antrag auf Bewilligung von Kinderzuschlag. Die Klägerin und ihre Familie zogen zum 01.05.2011 um, so dass sich die Miete drastisch reduzierte. Unter Berücksichtigung des Einkommens des Ehemanns bewilligte die Beklagte mit Bescheid vom 13.05.2011 Kinderzuschlag in Höhe von 280,00 EUR monatlich für die Zeit von April 2011 bis März 2012.
6Ab dem 13.02.2012 war der Ehemann der Klägerin arbeitssuchend gemeldet.
7Mit Schreiben vom 12.04.2012 forderte die Beklagte einen Fragebogen zur Prüfung des Anspruchs, Lohnabrechnungen ab April 2011 bis laufend, Nachweise über den eventuellen Bezug von ALG I, ALG II oder Krankengeld des Ehemanns sowie eine Erklärung zu den Kosten der Unterkunft mit allen Nachweisen für 2012 an.
8Ab März 2012 bezog die Klägern Leistungen nach dem SGB II.
9Mit Bescheid vom 09.05.2012 hob der Beklagte die Bewilligung von Leistungen für die Zeit von April 2011 bis Februar 2012 gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X in vollem Umfang auf und forderte 3.080,00 EUR von ihr zurück.
10Die Einlegung eines Rechtsbehelfs durch die Klägerin erfolgte zunächst nicht.
11In dem durch die Agentur für Arbeit S. anschließend betriebenen Mahnverfahren bestellte sich der Prozessbevollmächtigte der Klägerin und trug vor, der Klägerin sei ein Aufhebungs- und Erstattungsbescheid niemals zugegangen. Sie habe im Übrigen auch zu keiner Zeit Anspruch auf Kinderzuschlag gehabt, sondern sich seit der Geburt beider Kinder ununterbrochen im Leistungsbezug nach dem SGB II befunden. Mit Schreiben vom 14.05.2014 forderte die Beklagte die Vorlage der Vollmacht des Prozessbevollmächtigten an, die dieser am 20.05.2014 an die per Telefax an die Nummer der Agentur für Arbeit S. übermittelte.
12Mit Schreiben vom 08.09.2014 übermittelte die Beklagte den Bescheid vom 09.05.2012 erneut an die Klägerin. Am 21.09.2014 erklärte der Prozessbevollmächtigte der Klägerin, diese lege "Einspruch" gegen den Bescheid vom 09.05.2012 ein. Die Klägerin habe zu keinen Zeitpunkt einen Antrag auf "Kindergeldzuschlag" gestellt und auch keine entsprechenden Leistungen erhalten. Darüber hinaus erhalte die Klägerin seit der Geburt ihrer Kinder Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II und erfülle daher gar nicht die Anspruchsvoraussetzungen für "Kindergeldzuschlag". Die Beklagte habe – entgegen einer entsprechenden Aufforderung der Klägerin – auch den Zufluss der Leistungen nicht nachgewiesen. Ergänzend erklärte er, die Klägerin habe auch das Schreiben vom 12.04.2012 nicht erhalten.
13Mit Widerspruchsbescheid vom 19.11.2014 wies die Beklagte den Widerspruch – als solchen hatte sie den "Einspruch" des Prozessbevollmächtigten zutreffend ausgelegt – als unbegründet zurück.
14Am 19.12.2014 hat die Klägerin, vertreten durch ihren Prozessbevollmächtigten, Klage erhoben. Sie führt aus, zwar sei ihr Kinderzuschlag bewilligt worden, dies allerdings als "unzutreffende Antragstellerin". Die Beklagte habe seinerzeit der Klägerin die Antragstellung vorgegeben und dies, obwohl diese - im Gegensatz zu ihrem damaligen Ehemann - nicht erwerbstätig gewesen sei. Nach Auffassung der Klägerin hätte vor diesem Hintergrund ihr Ehemann Antragsteller sein müssen. Darüber hinaus habe die Klägerin das Schreiben vom 12.04.2012 ebenso wenig wie den Aufhebungsbescheid vom 09.05.2012 erhalten. Dieser sei der Klägerin vielmehr unter bewusster Missachtung des § 13 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) am 08.09.2014 unmittelbar zugestellt worden, obwohl ihr Prozessbevollmächtigter bereits am 20.05.2014 eine entsprechende Vollmacht vorgelegt habe. Die Beklagte sei immer wieder darauf hingewiesen worden, dass die Klägerin die maßgeblichen Schreiben im Jahr 2012 nicht erhalten habe. Nun könne die Klägerin den Mitwirkungspflichten noch nicht mehr nachkommen da sie getrennt von ihrem Ehemann lebe. Der Scheidungstermin sei für Februar 2015 bestimmt.
15Mit Schreiben vom 20.04.2015 hat der Kammervorsitzende um Mitteilung der ladungsfähigen Anschrift des Ehemanns sowie um Vorlage des in Bezug genommenen Telefax Übersendungsberichts vom 20.05.2014 gebeten
16Mit Beschluss vom 07.12.2015 ist das JobCenter StädteRegion B. gemäß §§ 75 Abs. 1 Satz 1, 106 Abs. 3 Nr. 6 Sozialgerichtsgesetz (SGG) beigeladen worden.
17Am 31.05.2016 hat ein Termin zur mündlichen Verhandlung stattgefunden.
18Die Klägerin hat beantragt,
19den Bescheid der Beklagten vom 09.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2014 aufzuheben.
20Die Beklagte hat beantragt,
21die Klage abzuweisen.
22Zur Begründung wiederholt und vertieft sie ihr Vorbringen aus dem Verwaltungs- und Widerspruchsverfahren.
23Der Beigeladene hat keinen Antrag gestellt. Er hat darauf hingewiesen, dass die Klägerin in dem hier streitigen Zeitraum keine Leistungen nach dem SGB II erhalten hat.
24Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Rechtsstreits wird auf die Gerichtsakte sowie die beigezogene Verwaltungsakte der Beklagten, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
25Entscheidungsgründe:
26Die zulässige Klage ist begründet. Der Bescheid vom 09.05.2012 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 19.11.2014 ist aufzuheben, da er rechtswidrig und die Klägerin hierdurch in ihren Rechten gemäß § 54 Abs. 2 Sozialgericht (SGG) verletzt ist. Es fehlt an der für die Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 09.05.2012 erforderlichen Rechtsgrundlage.
27Der Bescheid vom 09.05.2012 ist nicht bestandskräftig. Jedenfalls kann die Beklagte, die insoweit nach allgemeinen verwaltungsprozessualen Grundsätzen darlegungs- und beweisbelastet ist, die Bestandskraft des Bescheides nicht nachweisen. Der Bescheid wurde mit einfachem Brief an die Klägerin versandt. Diese bestreitet den Zugang, so dass jedenfalls die Zugangsfiktion des § 37 Abs. 2 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) nicht eingreift, § 37 Abs. 2 Satz 3 SGB X.
28Das Gericht hat vor diesem Hintergrund davon auszugehen, dass der Bescheid da-mit zunächst nicht wirksam geworden ist.
29Am 08.09.2014 übersandte die Beklagte erneut den Bescheid vom 09.05.2012 an die Klägerin. Dieser Bescheid ging der Klägerin auch unstreitig zu. Soweit der Bevollmächtigte der Klägerin moniert, die Beklagte habe "unter bewusster Missachtung des § 13 SGB X" sich unmittelbar an die Klägerin gewandt, ist dies vorliegend unbeachtlich. Zum einen hatte der Prozessbevollmächtigte seine Vollmacht per Telefax an die Nummer 00000/000000 übermittelt. Dies war indes die Nummer der Agentur für Arbeit S. als regionaler Inkasso-Service X. und nicht die der Beklagten. Nun mag man erörtern, ob – trotz der verschiedenen Zuständigkeiten – gleichwohl damit die Bevollmächtigung auch der Beklagten gegenüber nachgewiesen war. Eine vom Klägerbevollmächtigen unterstellte "bewusste Missachtung" seiner Vollmacht vermag die Kammer hier jedenfalls nicht zu erkennen. Vielmehr hat der Prozessbevollmächtigte sie nicht an die an sich zuständige Stelle übermittelt.
30Hierauf kommt es im Ergebnis aber nicht an, da § 37 Abs. 1 Satz 2 SGB X lex specialis zu § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB X ist und diese Vorschrift verdrängt (Engelmann in, von Wulffen, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 37 Rn. 10). Die Bekanntgabe an den Adressaten steht im Ermessen der Behörde und zieht, sofern sie im Übrigen ordnungsgemäß erfolgt, die (formelle) Wirksamkeit nach sich (Engelmann in, von Wulffen, SGB X, 8. Aufl. 2014, § 37 Rn. 10a).
31Entgegen der Auffassung der Klägerin und ihres Prozessbevollmächtigten scheitert eine Rückforderung auch nicht etwa daran, dass die Klägerin die "falsche Antragstellerin" gewesen sei. Unabhängig davon, dass auch in diesem Fall eine Rückforderung als "actus contrarius" ihr gegenüber ergehen konnte und hätte ergehen müssen, ist die Rechtsauffassung, der Ehemann sei der richtige Antragsteller gewesen und die Beklagte hätte hierauf hinweisen müssen, unzutreffend.
32Einen Vorrang der Antragstellung des "Einkommen verdienenden Partners" sieht das Gesetz nicht vor und es ist für die Kammer auch nicht ersichtlich, aus welchen Gründen ein solcher Vorrang geboten sein sollte. Die Antragstellerin war offenbar die Kindergeldberechtigte. Aus diesem Grund war wahrscheinlich auch ihr Name beim Antrag auf Kinderzuschlag vorgegeben. Die weiteren Eintragungen hat aber die Klägerin gemacht. Sie hat auch eine Kontonummer angegeben, bei der es sich nach eigenen Angaben um ihr Konto handelte.
33Dass die Klägerin nun vortragen lässt, sie habe kein Konto und keinen Einblick in die Kontobewegungen gehabt, weswegen sie auch keinerlei Zahlungen durch die Beklagte erhalten habe, verwundert vor diesem Hintergrund.
34Selbst wenn dies aber – aufgrund eines zerrütteten Verhältnisses zwischen den Eheleuten - so gewesen sein sollte, konnte und hat die Beklagte durch das Überweisen des Geldes auf das von der Klägerin als ihres angegebenes Konto dieser Leistungen zukommen lassen. Das Innenverhältnis zwischen den Eheleuten war der Beklagten nicht offenbart worden und sie muss es auch nicht gegen sich gelten lassen. Eine Verletzung eine wie auch immer gearteten Aufklärungs- und Beratungspflicht ist nach alledem nicht im Ansatz zu erkennen.
35Es liegen aber – entgegen der Annahme der Beklagten – die Voraussetzungen der Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 SGB X nicht vor. Voraussetzung für die Aufhebung eines - ursprünglich rechtmäßigen - Verwaltungsaktes nach § 48 SGB X ist nach Abs. 1 Satz 1, dass eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eingetreten ist. Das Vorliegen der Voraussetzungen des Satz 1 ist - dies macht schon der Wortlaut der Norm deutlich - zwingende Voraussetzung für eine Anwendung des Satzes 2 (Aufhebung auch für die Vergangenheit). Demgegenüber darf ein - ursprünglich rechtswidriger - begünstigter Verwaltungsakt auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen des § 45 Abs. 2 bis 4 SGB X ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder die Vergangenheit zurückgenommen werden. Bewilligt die Beklagte "sehenden Auges", bei schwankendem monatlichem Einkommen Kinderzuschlag für einen Zeitraum von einem Jahr unter Berücksichtigung "alter" Daten, ist nach gängiger Rechtsprechung des Bundessozialgerichts von einer ursprünglich rechtswidrigen Bewilligung und mithin von einer Anwendbarkeit des § 45 SGB X auszugehen (vgl. Bundessozialgericht - BSG – Urteil vom 21.06.2011 – B 4 AS 22/10 R = juris; in diesem Sinne auch Sozialgericht – SG – Cottbus Gerichtsbescheid vom 16.12.2013 – S 9 BK 16/10 = juris).
36Vorliegend beruhte der Bewilligungsbescheid vom 09.05.2012 indes auf Daten, die ein grundsätzlich gleichbleibendes Einkommen des damaligen Ehemanns der Klägerin auswiesen. Es war auch nicht erkennbar, dass insoweit eine Änderung der Einkommenshöhe zu erwarten war, so dass vorliegend nach Auffassung der Kammer durchaus eine Aufhebung nach § 48 SGB dem Grunde nach in Betracht kam.
37Die Klägerin ist auch einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher Verhältnisse binnen der von der Beklagten gesetzten Frist nicht nachgekommen. Hier ist zwar nicht auf die ursprünglich gesetzte Frist abzustellen, da die Klägerin – durch den Beklagten unwiderlegt – erklärt hat, sie habe auch das Aufforderungsschreiben nicht erhalten. Die Klägerin hat aber auch im Nachgang zur erneuten Übersendung des Bescheides und im sich anschließenden Widerspruchsverfahren keinerlei Unterlagen vorgelegt. Soweit sie vorträgt, sie könne nach Trennung von ihrem Ehemann den Mitwirkungspflichten nicht mehr nachkommen, geht die Kammer jedenfalls nicht von einer objektiven oder subjektiven Unmöglichkeit aus. Zwar hat die Klägerin beschrieben, dass Verhältnis zu ihrem Ex-Ehemann sei extrem zerrüttet. Die Kammer geht aber davon aus, dass entsprechende Auskunftsansprüche sehr wohl von der Klägerin – ggf. mit gerichtlicher Hilfe – durchzusetzen gewesen wären.
38Voraussetzung für die Aufhebung eines – ursprünglich rechtmäßigen - Verwaltungsaktes nach § 48 SGB X ist aber nach Abs. 1 Satz 1, dass eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eingetreten ist.
39Die objektive Beweislast bzw. Feststellungslast für die wesentliche Änderung trägt – nach allgemeiner (sozial-)verwaltungsgerichtlicher Dogmatik - derjenige, der sich darauf beruft (vgl. hierzu schon BSG Urteil vom 24.10.1957 – 10 RV 945/55 = juris ; vgl. auch BSG Urteil vom 10.09.2013 - B 4 AS 89/12 R = juris; Schütze, in: von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010. § 48 Rn. 9; Merten, in: Hauck/Noftz, SGB X, Erg.-Lieferung 3/13 Dezember 2013, § 48 Rn. 29). Dies ist vorliegend die Beklagte.
40Ist die wesentliche Änderung nachgewiesen, käme – beim Vorliegen der Vorausset-zungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 – eine Aufhebung in Betracht, s o w e i t der Betroffene der durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen nicht nachgekommen ist.
41Im vorliegenden Fall hat der Beklagte das Vorliegen einer wesentlichen Änderung weder dem Grund noch der Höhe nach nachgewiesen.
42Die Beklagte hatte zum Zeitpunkt der Entscheidung gerade keine Kenntnisse darüber, dass der Anspruch der Klägerin nicht (mehr) gegeben war. Sie schließt vielmehr aus der Nichtvorlage der angeforderten Unterlagen, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Kinderzuschlag im streitigen Zeitraum nicht vorgelegen haben. Damit geht die Beklagte von einer Beweislastumkehr dergestalt aus, dass nunmehr nicht sie nachweisen muss, dass und in welcher Höhe die Voraussetzungen für die Bewilligung von Kinderzuschlag nicht mehr vorliegen. Die Beweislast, dass die Voraussetzungen weiterhin vorliegen, treffe nun vielmehr den Kläger.
43Nun ist in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in bestimmten Fallkonstellationen durchaus eine Beweislastumkehr anerkannt worden. Dies waren in der Tat auch Fälle, in denen der Gegner der beweisbelasteten Partei den Beweis vereitelt oder erschwert oder die Beweisführung unmöglich ist, weil die zu beweisenden Tatsachen sich im Bereich des Gegners abgespielt haben und dieser an der ihm möglichen Sachverhaltsaufklärung nicht oder nicht rechtzeitig mitgewirkt hat (vgl. etwa BSG Urteil vom 07.07.2005 – B 3 P 8/04 R = juris; auch BSG Urteil vom 02.09.2004 – B 7 AL 88/03 = juris). So etwa ausdrücklich in einem solchen Fall, in dem der Kläger bei Antragstellung Angaben, die in seiner Verantwortungssphäre lagen bei Antragstellung nicht angegeben hatte und diese nun – nach gewisser Zeit – nicht mehr aufklärbar waren (vgl. BSG Urteil vom 24.05.2006 B 11a AL 7/05 R = juris Rn. 33). Das Bundessozialgericht hat in diesen Fällen nach Auffassung der Kammer aber hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es sich hierbei aber nur um besonders gelagerte Einzelfälle handeln kann.
44Eine entsprechende Sonderkonstellation liegt hier nach Auffassung der Kammer hier nicht vor.
45Die Beklagte hat im vorliegenden Fall mit Bescheid vom 13.05.2011 der Klägerin aufgrund ihrer Angaben für ihre Kinder für einen Zeitraum von insgesamt zwölf Monaten Leistungen ohne jeglichen Vorbehalt, insbesondere auch ohne von der durch das Bundessozialgericht eingeräumten Möglichkeit der "Vorwegzahlung" im Wege der Nebenbestimmung (BSG Urteil vom 02.11.2012 - B 4 KG 2/11 R = juris; ablehnend SG Aachen Urteil vom 18.02.2014 – S 11 BK 24/13 = juris, st. Rspr.) Gebrauch zu machen, in Höhe von monatlich 280,00 EUR bewilligt. Die Beklagte hat damit nach Auffassung der Kammer mit zu dem Dilemma beigetragen, in dem sie sich zum Zeitpunkt der Aufhebungsentscheidung befand. In einer solchen Situation erscheint die Annahme einer Beweislastumkehr der Kammer nicht angezeigt.
46Die Beklagte hat somit schon die Änderung der wesentlichen Verhältnisse nicht nachgewiesen. Vor diesem Hintergrund scheitert auch die Aufhebung auf Grundlage etwa von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X. Die Anwendung von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X scheidet ebenfalls aus. Die Klägerin hat nicht etwa grob fahrlässig verkannt, dass sie keinen Anspruch mehr hatte. Die Klägerin hatte – unter Berücksichtigung der tatsächlichen Wohnungskosten und Einkommen – vielmehr weiterhin einen entsprechenden Anspruch.
47Die Klägerin hat im Widerspruchs- und auch noch im Klageverfahren durch ihren Prozessbevollmächtigten vortragen lassen, sie habe seit der Geburt ihrer Kinder durchgängig Leistungen nach dem SGB II bezogen, weswegen sie überhaupt keinen Anspruch auf Kinderzuschlag habe haben können. Stimmte dieser Vortrag, so würde dies freilich zu einer ursprünglichen Rechtswidrigkeit der Bewilligung führen, die nach den Regeln des § 45 SGB X zu behandeln wäre. Hier wäre freilich ein Vertrauen der Klägerin nicht schützenswert, hatte die Klägerin doch im maßgeblichen Antrag angegeben, entsprechende Leistungen nicht zu erhalten, § 45 Abs. 2 Satz 3 Nr. 2 SGB X. Im Ergebnis greift diese Norm freilich nicht ein, ist der beharrlich wiederholte Vortrag zum durchgängigen Bezug von Leistungen nach dem SGB II schlichtweg falsch. Die Klägerin erhielt im fraglichen Zeitraum keinerlei Leistungen nach dem SGB II, was sowohl der Beigeladene bestätigt und auch die Klägerin im Rahmen der mündlichen Verhandlung eingeräumt hat.
48Die Aufhebung des Bescheides war damit rechtwidrig. Eine Rückforderung nach § 50 Abs. 1 SGB X kam damit auch nicht in Betracht. Die entsprechenden Bescheide waren aufzuheben.
49ra.de-Urteilsbesprechung zu Sozialgericht Aachen Urteil, 31. Mai 2016 - A 11 BK 33/14
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(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit
- 1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, - 2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, - 3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder - 4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.
(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.
(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.
(1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, kann die Bekanntgabe ihm gegenüber vorgenommen werden.
(2) Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Ein Verwaltungsakt, der im Inland oder Ausland elektronisch übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Absendung als bekannt gegeben. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.
(2a) Mit Einwilligung des Beteiligten können elektronische Verwaltungsakte bekannt gegeben werden, indem sie dem Beteiligten zum Abruf über öffentlich zugängliche Netze bereitgestellt werden. Die Einwilligung kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden. Die Behörde hat zu gewährleisten, dass der Abruf nur nach Authentifizierung der berechtigten Person möglich ist und der elektronische Verwaltungsakt von ihr gespeichert werden kann. Ein zum Abruf bereitgestellter Verwaltungsakt gilt am dritten Tag nach Absendung der elektronischen Benachrichtigung über die Bereitstellung des Verwaltungsaktes an die abrufberechtigte Person als bekannt gegeben. Im Zweifel hat die Behörde den Zugang der Benachrichtigung nachzuweisen. Kann die Behörde den von der abrufberechtigten Person bestrittenen Zugang der Benachrichtigung nicht nachweisen, gilt der Verwaltungsakt an dem Tag als bekannt gegeben, an dem die abrufberechtigte Person den Verwaltungsakt abgerufen hat. Das Gleiche gilt, wenn die abrufberechtigte Person unwiderlegbar vorträgt, die Benachrichtigung nicht innerhalb von drei Tagen nach der Absendung erhalten zu haben. Die Möglichkeit einer erneuten Bereitstellung zum Abruf oder der Bekanntgabe auf andere Weise bleibt unberührt.
(2b) In Angelegenheiten nach dem Abschnitt 1 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes gilt abweichend von Absatz 2a für die Bekanntgabe von elektronischen Verwaltungsakten § 9 des Onlinezugangsgesetzes.
(3) Ein Verwaltungsakt darf öffentlich bekannt gegeben werden, wenn dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist. Eine Allgemeinverfügung darf auch dann öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist.
(4) Die öffentliche Bekanntgabe eines schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsaktes wird dadurch bewirkt, dass sein verfügender Teil in der jeweils vorgeschriebenen Weise entweder ortsüblich oder in der sonst für amtliche Veröffentlichungen vorgeschriebenen Art bekannt gemacht wird. In der Bekanntmachung ist anzugeben, wo der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können. Der Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach der Bekanntmachung als bekannt gegeben. In einer Allgemeinverfügung kann ein hiervon abweichender Tag, jedoch frühestens der auf die Bekanntmachung folgende Tag bestimmt werden.
(5) Vorschriften über die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes mittels Zustellung bleiben unberührt.
(1) Ein Beteiligter kann sich durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen. Die Vollmacht ermächtigt zu allen das Verwaltungsverfahren betreffenden Verfahrenshandlungen, sofern sich aus ihrem Inhalt nicht etwas anderes ergibt. Der Bevollmächtigte hat auf Verlangen seine Vollmacht schriftlich nachzuweisen. Ein Widerruf der Vollmacht wird der Behörde gegenüber erst wirksam, wenn er ihr zugeht.
(2) Die Vollmacht wird weder durch den Tod des Vollmachtgebers noch durch eine Veränderung in seiner Handlungsfähigkeit oder seiner gesetzlichen Vertretung aufgehoben; der Bevollmächtigte hat jedoch, wenn er für den Rechtsnachfolger im Verwaltungsverfahren auftritt, dessen Vollmacht auf Verlangen schriftlich beizubringen.
(3) Ist für das Verfahren ein Bevollmächtigter bestellt, muss sich die Behörde an ihn wenden. Sie kann sich an den Beteiligten selbst wenden, soweit er zur Mitwirkung verpflichtet ist. Wendet sich die Behörde an den Beteiligten, muss der Bevollmächtigte verständigt werden. Vorschriften über die Zustellung an Bevollmächtigte bleiben unberührt.
(4) Ein Beteiligter kann zu Verhandlungen und Besprechungen mit einem Beistand erscheinen. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit dieser nicht unverzüglich widerspricht.
(5) Bevollmächtigte und Beistände sind zurückzuweisen, wenn sie entgegen § 3 des Rechtsdienstleistungsgesetzes Rechtsdienstleistungen erbringen.
(6) Bevollmächtigte und Beistände können vom Vortrag zurückgewiesen werden, wenn sie hierzu ungeeignet sind; vom mündlichen Vortrag können sie nur zurückgewiesen werden, wenn sie zum sachgemäßen Vortrag nicht fähig sind. Nicht zurückgewiesen werden können Personen, die nach § 73 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 3 bis 9 des Sozialgerichtsgesetzes zur Vertretung im sozialgerichtlichen Verfahren befugt sind.
(7) Die Zurückweisung nach den Absätzen 5 und 6 ist auch dem Beteiligten, dessen Bevollmächtigter oder Beistand zurückgewiesen wird, schriftlich mitzuteilen. Verfahrenshandlungen des zurückgewiesenen Bevollmächtigten oder Beistandes, die dieser nach der Zurückweisung vornimmt, sind unwirksam.
(1) Ein Verwaltungsakt ist demjenigen Beteiligten bekannt zu geben, für den er bestimmt ist oder der von ihm betroffen wird. Ist ein Bevollmächtigter bestellt, kann die Bekanntgabe ihm gegenüber vorgenommen werden.
(2) Ein schriftlicher Verwaltungsakt, der im Inland durch die Post übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Aufgabe zur Post als bekannt gegeben. Ein Verwaltungsakt, der im Inland oder Ausland elektronisch übermittelt wird, gilt am dritten Tag nach der Absendung als bekannt gegeben. Dies gilt nicht, wenn der Verwaltungsakt nicht oder zu einem späteren Zeitpunkt zugegangen ist; im Zweifel hat die Behörde den Zugang des Verwaltungsaktes und den Zeitpunkt des Zugangs nachzuweisen.
(2a) Mit Einwilligung des Beteiligten können elektronische Verwaltungsakte bekannt gegeben werden, indem sie dem Beteiligten zum Abruf über öffentlich zugängliche Netze bereitgestellt werden. Die Einwilligung kann jederzeit mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden. Die Behörde hat zu gewährleisten, dass der Abruf nur nach Authentifizierung der berechtigten Person möglich ist und der elektronische Verwaltungsakt von ihr gespeichert werden kann. Ein zum Abruf bereitgestellter Verwaltungsakt gilt am dritten Tag nach Absendung der elektronischen Benachrichtigung über die Bereitstellung des Verwaltungsaktes an die abrufberechtigte Person als bekannt gegeben. Im Zweifel hat die Behörde den Zugang der Benachrichtigung nachzuweisen. Kann die Behörde den von der abrufberechtigten Person bestrittenen Zugang der Benachrichtigung nicht nachweisen, gilt der Verwaltungsakt an dem Tag als bekannt gegeben, an dem die abrufberechtigte Person den Verwaltungsakt abgerufen hat. Das Gleiche gilt, wenn die abrufberechtigte Person unwiderlegbar vorträgt, die Benachrichtigung nicht innerhalb von drei Tagen nach der Absendung erhalten zu haben. Die Möglichkeit einer erneuten Bereitstellung zum Abruf oder der Bekanntgabe auf andere Weise bleibt unberührt.
(2b) In Angelegenheiten nach dem Abschnitt 1 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes gilt abweichend von Absatz 2a für die Bekanntgabe von elektronischen Verwaltungsakten § 9 des Onlinezugangsgesetzes.
(3) Ein Verwaltungsakt darf öffentlich bekannt gegeben werden, wenn dies durch Rechtsvorschrift zugelassen ist. Eine Allgemeinverfügung darf auch dann öffentlich bekannt gegeben werden, wenn eine Bekanntgabe an die Beteiligten untunlich ist.
(4) Die öffentliche Bekanntgabe eines schriftlichen oder elektronischen Verwaltungsaktes wird dadurch bewirkt, dass sein verfügender Teil in der jeweils vorgeschriebenen Weise entweder ortsüblich oder in der sonst für amtliche Veröffentlichungen vorgeschriebenen Art bekannt gemacht wird. In der Bekanntmachung ist anzugeben, wo der Verwaltungsakt und seine Begründung eingesehen werden können. Der Verwaltungsakt gilt zwei Wochen nach der Bekanntmachung als bekannt gegeben. In einer Allgemeinverfügung kann ein hiervon abweichender Tag, jedoch frühestens der auf die Bekanntmachung folgende Tag bestimmt werden.
(5) Vorschriften über die Bekanntgabe eines Verwaltungsaktes mittels Zustellung bleiben unberührt.
(1) Ein Beteiligter kann sich durch einen Bevollmächtigten vertreten lassen. Die Vollmacht ermächtigt zu allen das Verwaltungsverfahren betreffenden Verfahrenshandlungen, sofern sich aus ihrem Inhalt nicht etwas anderes ergibt. Der Bevollmächtigte hat auf Verlangen seine Vollmacht schriftlich nachzuweisen. Ein Widerruf der Vollmacht wird der Behörde gegenüber erst wirksam, wenn er ihr zugeht.
(2) Die Vollmacht wird weder durch den Tod des Vollmachtgebers noch durch eine Veränderung in seiner Handlungsfähigkeit oder seiner gesetzlichen Vertretung aufgehoben; der Bevollmächtigte hat jedoch, wenn er für den Rechtsnachfolger im Verwaltungsverfahren auftritt, dessen Vollmacht auf Verlangen schriftlich beizubringen.
(3) Ist für das Verfahren ein Bevollmächtigter bestellt, muss sich die Behörde an ihn wenden. Sie kann sich an den Beteiligten selbst wenden, soweit er zur Mitwirkung verpflichtet ist. Wendet sich die Behörde an den Beteiligten, muss der Bevollmächtigte verständigt werden. Vorschriften über die Zustellung an Bevollmächtigte bleiben unberührt.
(4) Ein Beteiligter kann zu Verhandlungen und Besprechungen mit einem Beistand erscheinen. Das von dem Beistand Vorgetragene gilt als von dem Beteiligten vorgebracht, soweit dieser nicht unverzüglich widerspricht.
(5) Bevollmächtigte und Beistände sind zurückzuweisen, wenn sie entgegen § 3 des Rechtsdienstleistungsgesetzes Rechtsdienstleistungen erbringen.
(6) Bevollmächtigte und Beistände können vom Vortrag zurückgewiesen werden, wenn sie hierzu ungeeignet sind; vom mündlichen Vortrag können sie nur zurückgewiesen werden, wenn sie zum sachgemäßen Vortrag nicht fähig sind. Nicht zurückgewiesen werden können Personen, die nach § 73 Abs. 2 Satz 1 und 2 Nr. 3 bis 9 des Sozialgerichtsgesetzes zur Vertretung im sozialgerichtlichen Verfahren befugt sind.
(7) Die Zurückweisung nach den Absätzen 5 und 6 ist auch dem Beteiligten, dessen Bevollmächtigter oder Beistand zurückgewiesen wird, schriftlich mitzuteilen. Verfahrenshandlungen des zurückgewiesenen Bevollmächtigten oder Beistandes, die dieser nach der Zurückweisung vornimmt, sind unwirksam.
(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit
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die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, - 2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, - 3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder - 4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.
(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.
(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.
(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit
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er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, - 2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder - 3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn
- 1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder - 2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.
(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.
Tenor
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Auf die Sprungrevision des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 22. Dezember 2009 (S 40 AS 2408/08) aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Sozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Streitig ist die Aufhebung der Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II im Zeitraum vom 31.3.2005 bis 30.9.2005 und die Erstattung der gewährten Leistungen in Höhe von 2 832,95 Euro.
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Der alleinstehende Kläger stellte erstmals am 31.3.2005 einen Antrag auf Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II. Zu Einkünften aus selbstständiger oder anderer Tätigkeit machte er keine Angaben. Auf dem Zusatzblatt 2 findet sich mit grünem Stift - der Beraterin - die Einfügung: "Ich-AG 3.2.03 - 1 Jahr Förderung". Durch Bescheid vom 19.4.2005 bewilligte der Beklagte dem Kläger Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts in Höhe von 20,06 Euro für den Tag der Antragstellung und für die Monate April bis einschließlich September 2005 von monatlich jeweils 601,89 Euro (Regelleistung in Höhe von 331 Euro, KdU in Höhe von 270,89 Euro). Einkommen des Klägers berücksichtigte er bei der Berechnung nicht.
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Auf eine Einladung des Beklagten zu einem Gespräch über seine berufliche Situation und zur Vorlage seiner Bewerbungen legte der Kläger am 29.12.2005 eine Änderungsmitteilung vor und gab an, er werde vom 9.1.2006 bis 28.2.2006 selbstständig tätig sein (Abbruch, Entkernung, Maurerarbeiten). Zusammen mit dieser Änderungsmitteilung füllte der Kläger das Zusatzblatt 2.1. (Einkommenserklärung) aus und legte die Anlage GSE zu seiner Einkommensteuererklärung für 2004 vor. Er teilte zunächst voraussichtliche Betriebseinnahmen in Höhe von 750 Euro sowie -ausgaben in Höhe von 225 Euro mit. Der Gewinn habe sich gegenüber den Vorjahren verringert, weil sich die Auftragslage verschlechtert habe. Im Mai und August 2006 reichte der Kläger ferner Betriebswirtschaftliche Auswertungen (BWA) für die Jahre 2005 und für die bereits abgelaufenen Monate des Jahres 2006 ein und legte mit einem weiteren Fortzahlungsantrag im Januar 2007 eine am 3.1.2007 erstellte betriebswirtschaftliche Auswertung vor, aus der sich für das Jahr 2005 insgesamt ein vorläufiges positives betriebswirtschaftliches Ergebnis von 8581,40 Euro ergibt. Am 16.7.2007 gab der Kläger den Einkommensteuerbescheid für 2005 zu den Akten, der Einkünfte aus Gewerbebetrieb als Einzelunternehmer in Höhe von 10 405 Euro ausweist. In einem vom Kläger beigefügten Schreiben des Steuerberaters wird zur Erläuterung ausgeführt, dass der Gewinn nach § 4 Abs 3 EStG ermittelt worden sei und sich der in dem Steuerbescheid angesetzte Gewinn in Höhe von 10 405 Euro aus zwei Positionen zusammensetze - einem Gewinnanteil aus laufendem Geschäftsbetrieb in Höhe von 381 Euro und einem Gewinnanteil in Höhe von 10 024 Euro, der aus der Auflösung, Neubildung und Verzinsung von Sonderposten mit Rücklageanteil nach § 7g EStG (Ansparabschreibungen) entstanden sei. In dem Schreiben heißt es weiter: "Der hohe Gewinn des Jahres 2003 wurde im Rahmen der gesetzlichen Regelungen des § 7g EStG in die Folgejahre verschoben. Dieser Gewinnanteil ist im Jahr 2005 nicht zugeflossen und stand damit nicht zur Bestreitung des Lebensunterhaltes zur Verfügung."
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Unter Berücksichtigung der Gesamteinkünfte, die sich aus dem Steuerbescheid für 2005 ergeben, führte der Beklagte eine Neuberechnung für den Leistungszeitraum 31.3.2005 bis 30.9.2005 durch, hob mit dem hier streitbefangenen Bescheid vom 24.1.2008 den Bewilligungsbescheid vom 19.4.2005 vollständig auf und begründete dies mit § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X. Zugleich wurde der Kläger aufgefordert, eine Summe von insgesamt 2923,57 Euro zu erstatten. Mit dem Änderungsbescheid vom 24.4.2008 reduzierte der Beklagte die Erstattungsforderung auf 2832,95 Euro. Den Widerspruch des Klägers vom 28.1.2008 wies der Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 25.4.2008 zurück.
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Durch Urteil vom 22.12.2009 hat das SG die Klage abgewiesen. Die streitbefangenen Bescheide seien inhaltlich hinreichend bestimmt. Der Beklagte habe die rückwirkende Aufhebung des Bewilligungsbescheids vom 19.4.2005 zutreffend auf § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 3 SGB X gestützt. Der Bescheid vom 19.4.2005 sei bei seinem Erlass rechtmäßig gewesen. Im streitgegenständlichen Zeitraum sei nachträglich Einkommen erzielt worden, das zum Wegfall des Anspruchs geführt habe. Zu Recht habe der Beklagte das Einkommen ausgehend von dem im Einkommensteuerbescheid für das Jahr 2005 festgestellten steuerrechtlichen Gewinn ermittelt. Der auf die Auflösung der Ansparabschreibungen entfallende Gewinnanteil sei nicht abzuziehen. Die Auflösung der Rücklage fließe dem Steuerpflichtigen zu, weil Gelder, die ursprünglich für eine Investition vorgesehen und gebunden waren, nun wieder - auch zur Bestreitung des Lebensunterhalts - zur Verfügung stünden. Die von dem Beklagten vorgenommene Zwölftelung des berücksichtigungsfähigen Einkommens sei nicht zu beanstanden. Eine Aufteilung nach Zuflussmonaten habe hingegen nicht zu erfolgen, da der Kläger ersichtlich keine laufenden, dh regelmäßig zufließenden Einnahmen im Jahr 2005 gehabt habe. Das SG hat die Sprungrevision zugelassen. Der Beklagte hat der Einlegung zugestimmt.
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Der Kläger rügt mit der Revision (sinngemäß) eine Verletzung des § 11 Abs 1 SGB II. Zu Unrecht habe das SG die Feststellungen des Einkommensteuerbescheids für das Jahr 2005 zugrunde gelegt. Die Auflösung der im Jahr 2003 gebildeten Ansparabschreibung hätte nicht berücksichtigt werden dürfen. Hierbei handele es sich um einen im Jahr 2003 und nicht im maßgeblichen Zeitraum 2005 zugeflossenen Gewinn. Allein durch die Ausweisung der aufgelösten Ansparabschreibung stünden ihm keine bereiten Mittel zur Verfügung. Das Geld sei bereits im vorangegangenen Geschäftsjahr zur Deckung der laufenden Betriebskosten verwendet worden.
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Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Dresden vom 22. Dezember 2009 (S 40 AS 2408/08) sowie den Bescheid des Beklagten vom 24. Januar 2008 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 24. April 2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. April 2008 aufzuheben.
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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
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Die Sprungrevision ist im Sinne der Zurückverweisung zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das SG begründet.
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Der Senat vermochte nicht abschließend zu beurteilen, ob der aufgehobene Bewilligungsbescheid vom 16.8.2005 von Anfang an rechtswidrig war (§ 45 SGB X) oder durch eine wesentliche Änderung der Verhältnisse nachträglich rechtswidrig geworden ist (§ 48 SGB X). Es ist vom SG nicht festgestellt worden, ob bei Bescheiderteilung nach den objektiven Verhältnissen Hilfebedürftigkeit vorlag oder die Hilfebedürftigkeit ggf im Verlaufe des streitigen Zeitraumes entfallen ist.
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1. Das beklagte Jobcenter ist gemäß § 70 Nr 1 SGG beteiligtenfähig(vgl Urteile des Senats vom 18.1.2011, ua B 4 AS 99/10 R). Nach § 76 Abs 3 Satz 1 SGB II ist die gemeinsame Einrichtung als Rechtsnachfolger an die Stelle der bisherigen beklagten Arbeitsgemeinschaft getreten. Dieser kraft Gesetzes eintretende Beteiligtenwechsel wegen der Weiterentwicklung der Organisation des SGB II stellt keine im Revisionsverfahren unzulässige Klageänderung dar.
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Der Senat hat ebenfalls bereits entschieden, dass keine verfassungsrechtlichen Bedenken gegen die Vorschrift des § 44b SGB II bestehen, weil der Gesetzgeber sich bei der einfachgesetzlichen Ausgestaltung innerhalb des von Art 91e Abs 1 und 3 GG eröffneten Gestaltungsspielraums bewegt(BSG Urteile vom 18.1.2011, ua B 4 AS 99/10 R).
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2. Streitgegenstand ist der Bescheid des Beklagten vom 24.1.2008 in der Fassung des Änderungsbescheids vom 24.4.2008 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25.4.2008, mit dem der Beklagte die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II im Zeitraum vom 31.3.2005 bis 30.9.2005 aufgehoben hat und eine Erstattungsforderung in Höhe von 2832,95 Euro gegenüber dem Kläger geltend macht. Der Kläger hat ihn zutreffend mit der Anfechtungsklage angegriffen.
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3. Ob der Beklagte die Aufhebungsentscheidung - die Rechtswidrigkeit der Bewilligungsentscheidung unterstellt (s hierzu unter b) - auf § 48 SGB X stützen konnte, wie das SG annimmt, oder ob ggf § 45 SGB X als Rechtsgrundlage in Betracht kommt, kann vom erkennenden Senat mangels hinreichender tatsächlicher Feststellungen durch das SG ebenso wenig entschieden werden, wie die Frage, ob der Bewilligungsbescheid materiell-rechtlich rechtswidrig war.
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a) Nach § 48 SGB X ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. § 45 SGB X regelt, dass ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), soweit er rechtswidrig ist, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise zurückgenommen werden darf. § 45 SGB X findet also Anwendung, wenn der Verwaltungsakt bereits zum Zeitpunkt seines Erlasses rechtswidrig war und deswegen geändert werden soll. Beide Normen grenzen sich nach den objektiven Verhältnissen im Zeitpunkt des Erlasses des Verwaltungsakts, der aufgehoben werden soll, ab (vgl BSGE 96, 285 = SozR 4-4300 § 122 Nr 4 RdNr 13; BSGE 59, 206 = SozR 1300 § 45 Nr 20 S 68 und BSGE 65, 221 = SozR 1300 § 45 Nr 45 S 141; vgl auch Urteil des Senats vom 16.12.2008 - B 4 AS 48/07 R - und zuletzt BSG vom 24.2.2011 - B 14 AS 45/09 R, zur Veröffentlichung vorgesehen). Dabei ist die Verwaltung grundsätzlich verpflichtet, vor Erlass eines Bescheides die Sachlage vollständig aufzuklären (BSG Urteil vom 28.6.1990 - 4 RA 57/89 - BSGE 67, 104, 113 ff = SozR 3-1300 § 32 Nr 2; BSGE 82, 183 = SozR 3-4100 § 71 Nr 2 mwN; BSGE 93, 51 = SozR 4-4100 § 115 Nr 1), um die objektiven Verhältnisse festzustellen. Insoweit kommt es entgegen der Auffassung des SG nicht darauf an, zu welchen Vermutungen die Verwaltung aufgrund der klägerischen Angaben Anlass gehabt hatte. Erlässt die Verwaltung einen endgültigen Bescheid auf Grundlage eines nicht endgültig aufgeklärten Sachverhalts und stellt sich später - nach weiteren Ermittlungen - heraus, dass der Bescheid bereits im Zeitpunkt des Erlasses objektiv rechtswidrig war, ist ein Fall des § 45 SGB X gegeben. Mangelnde Amtsermittlung kann auch niemals Grund für eine nur vorläufige Leistungsbewilligung sein. Der endgültige Bescheid ist umgekehrt kein taugliches Instrumentarium in Fällen, in denen - nicht wegen fehlerhafter Ausübung der Amtsermittlungspflicht, sondern - objektiv nur die Möglichkeit einer prospektiven Schätzung etwa der Einkommenssituation besteht. Eine endgültige Bewilligung unter Abschlag von der Leistungshöhe aufgrund einer prospektiven Schätzung von Einkommen ohne rechtliche Befugnis hierzu ist rechtswidrig (BSGE 93, 51 = SozR 4-4100 § 115 Nr 1). Entscheidet der Träger jedoch endgültig und bewilligt nicht nur vorläufige Leistungen, sind Maßstab der Überprüfung der Aufhebungsentscheidung § 45 oder § 48 SGB X.
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Die objektiven Verhältnisse zum Zeitpunkt des Bewilligungsbescheids können den Feststellungen des SG nicht entnommen werden. Das SG hat ausgeführt, aufgrund der Angaben des Klägers in seinem Antrag auf Bewilligung von Alg II sei nicht zu vermuten gewesen, dass sich im Leistungszeitraum Einkünfte - in wechselnder Höhe - aus selbstständiger Tätigkeit ergeben könnten. Die Kammer glaube dem Kläger, dass er beim Ausfüllen des Antrags weder Einkünfte gehabt, noch solche erwartet und deswegen die entsprechenden Felder des Antrags nicht angekreuzt habe. Wenn das Gericht in seinen weiteren Ausführungen gleichwohl davon ausgeht, dass der Kläger Einkommen aus selbstständiger Beschäftigung hatte, brauchte es zwar von seinem Rechtsstandpunkt keine weitere Aufklärung der tatsächlichen Einkommens- und Vermögenssituation vorzunehmen. Insoweit verkennt es jedoch den rechtlichen Maßstab für die Beurteilung, ob eine zur Rechtswidrigkeit führende wesentlich Änderung der Verhältnisse oder eine anfängliche Rechtswidrigkeit gegeben waren.
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b) Ob der Bewilligungsbescheid vom 16.8.2005 rechtmäßig war, beurteilt sich zuvörderst danach, ob der Kläger die Anspruchsvoraussetzungen für die Leistungsbewilligung nach dem SGB II erfüllt hatte, insbesondere, ob er hilfebedürftig war. Nach § 7 Abs 1 Nr 3 iVm § 9 Abs 1 SGB II - jeweils in der Fassung des Gesetzes vom 24.12.2003, BGBl I 2954 - ist hilfebedürftig, wer seinen Lebensunterhalt, seine Eingliederung in Arbeit und den Lebensunterhalt der mit ihm in einer Bedarfsgemeinschaft lebenden Person nicht oder nicht ausreichend aus eigenen Kräften und Mitteln, vor allem nicht durch Aufnahme einer zumutbaren Arbeit (Nr 1), aus dem zu berücksichtigenden Einkommen oder Vermögen (Nr 2) sichern kann und die erforderliche Hilfe nicht von anderen, insbesondere von Angehörigen oder von Trägern anderer Sozialleistungen erhält.
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Nach § 11 Abs 1 Satz 1 SGB II - ebenfalls in der Fassung des Gesetzes vom 24.12.2003 - sind als Einkommen zu berücksichtigen Einnahmen in Geld oder Geldeswert, mithin auch Einnahmen aus selbstständiger Tätigkeit. Eine nähere Bestimmung, was als Arbeitseinkommen aus einer selbstständigen Beschäftigung zu berücksichtigen ist, findet sich in der Alg II-V in der im streitigen Zeitraum anzuwendenden Fassung vom 20.10.2004 (BGBl I 2622) nicht. Danach ist auch bei Selbstständigen von den Bruttoeinnahmen auszugehen (§ 2 Abs 1 Alg II-V). Nach § 2 Abs 2 Alg II-V sind laufende Einnahmen für den Monat zu berücksichtigen, in dem sie zufließen und einmalige Einnahmen von dem Monat an, in dem sie zufließen(§ 2 Abs 3 Alg II-V). Ansonsten war das Einkommen iS des § 11 Abs 2 SGB II um die dort benannten Absetzbeträge zu bereinigen und nach § 3 Nr 3 Alg II-V bei Einkommen aus selbstständiger Erwerbstätigkeit ein Pauschbetrag für die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen Betriebsausgaben in Höhe von 30 % der Betriebseinnahmen abzusetzen, soweit der erwerbsfähige Hilfebedürftige nicht höhere notwendige Ausgaben nachweist. Über welche Einkünfte in diesem Sinne der Kläger bei Bescheiderteilung verfügte oder ihm nachträglich - nicht vorhersehbar oder regelmäßig - im streitigen Bewilligungszeitraum zugeflossen sind, hat das SG nicht festgestellt. Es geht vielmehr davon aus, dass der im Einkommensteuerbescheid 2005 ausgewiesene Gewinn nach § 7g EStG als Einkommen auf das ganze Jahr 2005 zu verteilen und als wesentliche Änderung der Verhältnisse - unabhängig von seinem tatsächlichen Zufluss - zu werten sei. Für diese Rechtsauffassung mangelt es im streitigen Zeitraum jedoch bereits an einer Rechtsgrundlage.
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Die im streitigen Zeitraum anzuwendende Alg II-V in ihrer ursprünglichen Fassung vom 20.10.2004 (aaO) sieht - wie schon dargelegt - keine nähere Bestimmung des Arbeitseinkommens selbstständig Tätiger vor. § 2a Alg II-V in der Fassung vom 22.8.2005 (BGBl I 2499), der auf § 15 SGB IV und von dort aus auf die einkommensteuerrechtlichen Regelungen Bezug nimmt, ist erst am 1.10.2005 in Kraft getreten und misst sich keine Rückwirkung bei (vgl dazu bereits BSG Urteil vom 30.7.2008 - B 14 AS 44/07 R). Auch eine entsprechende Anwendung des § 4 Abs 1 der Verordnung (VO) zu § 76 BSHG kommt nicht in Betracht(Mecke in Eicher/Spellbrink, SGB II, 1. Aufl 2005, § 11 RdNr 38, 40; aA Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, § 11 RdNr 162 - Stand 32. EL VI/10). Ein Rückgriff auf die einkommensteuerrechtlichen Regelungen zur Gewinnermittlung und damit auch auf § 7g EStG war mithin - anders als vom SG angenommen - nicht vorgesehen.
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Es ist auch nicht ersichtlich, dass in § 2a Abs 1 Alg II-V in der ab 1.10.2005 geltenden Fassung ein allgemeiner Rechtsgedanke Ausdruck gefunden hätte dergestalt, dass für die Einkommensermittlung bei Selbstständigen jeweils das Einkommensteuerrecht maßgeblich sein solle (BSG Urteil vom 30.7.2008 - B 14 AS 44/07 R). Vielmehr hat der Verordnungsgeber zunächst in Abkehr von den differenzierten Verweisungen auf das Einkommensteuerrecht gem § 4 Abs 1 der VO zu § 76 BSHG(siehe Fichtner/Wenzel, BSHG, 2. Aufl 2003, § 76 RdNr 19) in den §§ 2, 3 Alg II-VO 2004 eine andere Konzeption verfolgt.
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Die Abgrenzung zwischen Einkommen und Vermögen nimmt das SGB II selbst zwar nicht vor. Wie der erkennende Senat im Urteil vom 30.9.2008 (B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15; vgl auch Urteil des Senats vom 13.5.2009 - B 4 AS 49/08 R -; BSG Urteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 48/07 R - FEVS 60, 546) dargelegt hat, ist Einkommen iS des § 11 Abs 1 SGB II jedoch grundsätzlich alles das, was jemand nach Antragstellung wertmäßig dazu erhält, und Vermögen das, was er vor Antragstellung bereits hatte(ebenso schon BSG Urteil vom 30.7.2008 - B 14 AS 26/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 17). Auszugehen ist vom tatsächlichen Zufluss, es sei denn, rechtlich wird ein anderer Zufluss als maßgeblich bestimmt. Durch den Verweis in § 2a Alg II-V auf die einkommensteuerrechtlichen Vorschriften wurde im Zeitraum ab dem 1.10.2005 normativ bestimmt, dass die aufgelöste oder aufzulösende Ansparrücklage, obwohl sie vor der Antragstellung gebildet wurde (s zum Sparguthaben BSG Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 57/07 R - SozR 4-4200 § 11 Nr 16) als Einkommen bei Zufluss im jeweiligen Steuerjahr zu berücksichtigen ist (vgl Entscheidung des Senat vom selben Tag - B 4 AS 21/10 R). Da diese Regelung, wie zuvor dargelegt, hier jedoch nicht anzuwenden ist und die Ansparrücklage in jedem Fall bereits vor der Antragstellung gebildet wurde, ist sie - soweit sie im hier streitigen Zeitraum noch vorhanden war - Vermögen und ist unter den Bedingungen des § 12 SGB II zur Lebensunterhaltssicherung zu verwerten.
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Der Senat führt insoweit seine bisherige Rechtsprechung fort. Im Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 57/07 R (SozR 4-4200 § 11 Nr 16)ist klargestellt worden, dass ein Sparguthaben eines Leistungsberechtigten, das vor der Antragstellung gebildet wurde, durchgehend Vermögen ist, auch wenn es nach der Antragstellung fällig wird und zufließt. Dieses gilt insbesondere in Fällen, in denen mit bereits erlangten Einkünften angespart wurde, zB bei Banken, Sparkassen oder Versicherungen. Denn anderenfalls wertete man den Rückgriff auf Erspartes unzulässig erneut als Einkommen. Dementsprechend bleibt ein auf längere Zeit angelegtes Sparguthaben auch bei seiner Auszahlung Vermögen (vgl BVerwG Urteile vom 18.2.1999 - 5 C 16/98 - NJW 1999, 3210 f = juris RdNr 16, und - 5 C 14/98 - NJW 1999, 3137 f = juris RdNr 15). Dieses gilt auch für die Ansparrücklage. Die Ansparrücklage entstammt Jahren zuvor - hier wohl 2003 - erwirtschaftetem Gewinn, war also zum damaligen Zeitpunkt Einkommen. Sie fließt bei ihrer Auflösung in den Betrieb/das Unternehmen als Investition zurück. Sie hat damit zwar steuerrechtlich lediglich "Stundungseffekt" (vgl Kratzsch in EStG, Praxiskommentar, Stand III/2008, § 7g RdNr 63c; s hierzu auch Entscheidung des erkennenden Senats vom selben Tag zum Aktenzeichen - B 4 AS 21/10 R), tatsächlich handelt es sich jedoch um die Freisetzung von angespartem Einkommen, also Vermögen. Hieraus folgt jedoch kein umfassender Schutz des Klägers davor, die Mittel zur Lebensunterhaltssicherung verwenden zu müssen. Soweit es sich um verwertbares Vermögen handelt, ist es zur Existenzsicherung einzusetzen (vgl Senatsurteil vom 30.8.2010 - B 4 AS 70/09 R). Vor dem Hintergrund des lediglich steuerrechtlichen Zwecks der Ansparrücklage, einen Anreiz für Investitionen zu setzen, unterliegt die bei Antragstellung oder im Bewilligungszeitraum noch vorhandene Ansparrücklage einem Verwertungsschutz daher wohl nur in den Grenzen des § 12 Abs 2 Nr 1 und 4 SGB II(in der Fassung des 4. Gesetzes zur Änderung des SGB III und anderer Gesetze vom 19.12.2004, BGBl I 2902).
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Dementsprechend wird das SG sowohl zu prüfen haben, ob die Ansparrücklage in dem hier streitigen Zeitraum noch vorhanden war, als auch, welche sonstigen Betriebseinnahmen der Kläger im Zeitraum 31.3.2005 bis 30.9.2005 hatte und ob davon auszugehen war, dass diese ab dem 31.3.2005 regelmäßig zufließen würden bzw absehbar waren. Die vom Kläger selbst erstellten betriebswirtschaftlichen Auswertungen können hierzu Anhaltspunkte liefern. Der Kläger wird mittels seiner Buchführung seine tatsächlichen Betriebseinnahmen offenzulegen bzw Kontoauszüge vorzulegen haben (vgl zu Ermittlungsmöglichkeiten Knoblauch/Hübner, NDV 2006, 375, 376).
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Festzustellen sein werden auch die mit der Erzielung des Einkommens verbundenen Betriebsausgaben. Des Weiteren fehlen Feststellungen zum sonstigen Vermögen des Klägers, obwohl hierzu nach dem eigenen Vorbringen des Klägers Anlass bestanden hätte. Der Kläger hat selbst vorgebracht, der "hohe Gewinn des Jahres 2003" aus seinem Gewerbebetrieb sei "in die Folgejahre verschoben" worden und er habe auf dieses Geld auch tatsächlich Zugriff gehabt und es verbraucht. Daher hätte Anlass zur Prüfung bestanden, wie hoch die Gewinne der letzten Jahre waren, wie viel davon in die Bildung von Ansparrücklagen geflossen ist und wie hoch das sonstige Vermögen des Klägers bei Antragstellung am 31.3.2005 war.
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4. Sollte § 45 SGB X Anwendung finden, wäre der Umstand, dass der Beklagte seinen Bescheid auf § 48 SGB X gestützt hat, alleine - im Gegensatz zur Auffassung des Klägers - nicht klagebegründend(Senatsurteil vom 16.12.2008 - B 4 AS 48/07 R -; vgl auch BSG Urteil vom 5.9.2006 - B 7a AL 38/05 R - SozR 4-4300 § 141 Nr 2). Denn das so genannte "Nachschieben von Gründen" (richtigerweise: Stützen der Entscheidung auf eine andere Rechtsgrundlage) ist zulässig, soweit der Verwaltungsakt dadurch nicht in seinem Regelungsumfang oder seinem Wesensgehalt verändert oder die Rechtsverteidigung des Betroffenen in nicht zulässiger Weise beeinträchtigt oder erschwert wird (BSGE 29, 129, 132 = SozR Nr 123 zu § 54 SGG; BSGE 87, 8, 12 = SozR 3-4100 § 152 Nr 9; BSG Urteil vom 18.9.1997 - 11 RAr 9/97 - juris RdNr 22; BSG Urteil vom 25.4.2002 - B 11 AL 69/01 R - juris RdNr 16 f). Weil die §§ 45, 48 SGB X auf dasselbe Ziel, nämlich die Aufhebung eines Verwaltungsaktes gerichtet sind, ist das Auswechseln dieser Rechtsgrundlagen grundsätzlich zulässig(BSG Urteil vom 25.4.2002, aaO).
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Wäre der rechtliche Maßstab für die Aufhebungsentscheidung vorliegend § 45 SGB X, so kann dies bei der Beurteilung der Rechtmäßigkeit der Entscheidung jedoch nur dann unbeachtet bleiben, wenn es einer Ermessensentscheidung nicht bedurfte, denn eine Ermessensentscheidung wurde hier von dem Beklagten nicht getroffen. § 40 Abs 1 Nr 1 SGB II verweist auf § 330 Abs 2 SGB III; dieser ordnet an, dass bei Vorliegen der in § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X genannten Voraussetzungen für die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes diese - im Wege einer gebundenen Entscheidung, also ohne Ermessen - auch mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist. Das SG hat bisher noch keine Tatsachen festgestellt, nach denen beurteilt werden kann, ob der Tatbestand des § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X erfüllt ist. Das SG wird - sollte es zur Anwendung des § 45 Abs 2 Satz 3 SGB X gelangen - auch zu prüfen haben, ob der Beklagte eine Anhörung zu den tatsächlichen Voraussetzungen dieser Vorschrift vorgenommen hat und die Frage zu klären haben, ob eine ggf fehlende Anhörung hierzu auch nach einer Zurückverweisung durch das BSG im weiteren Verfahren wirksam iS des § 41 Abs 1 Nr 3, Abs 2 SGB X durchgeführt werden kann.
(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit
- 1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, - 2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, - 3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder - 4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.
(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.
(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.
Tenor
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Die Revision der Klägerin gegen das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 19. September 2012 wird zurückgewiesen, soweit der Beklagte die Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts für den Zeitraum vom 1. Dezember 2005 bis 31. März 2006 aufgehoben hat.
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Im Übrigen wird das bezeichnete Urteil aufgehoben und der Rechtsstreit zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das Landessozialgericht zurückverwiesen.
Tatbestand
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Die Beteiligten streiten über die Aufhebung und Erstattung von SGB II-Leistungen für den Zeitraum vom 1.12.2005 bis 31.3.2007.
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Die 1958 geborene Klägerin lebte seit Oktober 2004 mit Herrn S. (im Folgenden "S") zusammen, den sie in ihrem Erstantrag zur Bewilligung von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes vom 15.10.2004 als ihren Lebensgefährten bezeichnet hatte. Die Klägerin erzielte Erwerbseinkommen aus einer geringfügigen Beschäftigung, S bis Ende 2005 aus einer Angestelltentätigkeit. Sein Einkommen war jeweils im Folgemonat fällig. Für den Zeitraum vom 1.10.2005 bis 31.3.2006 bewilligte der Beklagte weiterhin Leistungen nach dem SGB II (Bescheid vom 26.10.2005). Von dem Gesamtbedarf setzte er ein anrechenbares monatliches Erwerbseinkommen der Klägerin in Höhe von 51,82 Euro sowie des S in Höhe von 797,82 Euro ab und bewilligte monatliche Leistungen in Höhe von 344,36 Euro (davon für die Klägerin in Höhe von 231,18 Euro).
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Die Beschäftigung von S endete zum 31.12.2005. Auf sein Konto wurde am 5.12.2005 ein Betrag in Höhe von 1482,59 Euro (Verwendungszweck "Lohn- und Gehalt 11.2005") sowie am 19.12.2005 ein weiterer Betrag in Höhe von 23 838,11 Euro (Verwendungszweck "Lohn- und Gehalt 12.2005") gutgeschrieben. Hiervon hatte der Beklagte zunächst keine Kenntnis. Ab Januar 2006 erhielt S für die Dauer von 780 Kalendertagen Alg I in Höhe von monatlich 787,80 Euro. Nach Eingang des Alg-Bescheids bei dem Beklagten im Januar 2006 hörte dieser die Klägerin dazu an, dass S im Januar 2006 zwei Einkommen (Arbeitsentgelt und Arbeitslosengeld) erhalten habe und daher Leistungen zu Unrecht bezogen worden seien (Schreiben vom 31.3.2006). Hierzu erklärte S, er habe im Januar 2006 keine zwei Einkommen erzielt, sein letzter Verdienst sei am 19.12.2005 ausgezahlt worden. Sodann bewilligte der Beklagte unter Berücksichtigung des Alg I für den Zeitraum vom 1.2.2006 bis 31.3.2006 SGB II-Leistungen in Höhe von 354,58 Euro, der Klägerin davon in Höhe von 236,19 Euro (Änderungsbescheid vom 31.3.2006). Auf den Fortzahlungsantrag vom 7.4.2006 wurden vom 1.4.2006 bis 30.9.2006 Leistungen nach dem SGB II in Höhe von monatlich 404,95 Euro (davon für die Klägerin in Höhe von 261,48 Euro) unter Berücksichtigung eines anrechenbaren monatlichen Erwerbseinkommens der Klägerin sowie des Alg I von S festgesetzt (Bescheid vom 24./25.4.2006). Wegen der Anhebung der Regelleistungen ab 1.7.2006 erhöhte der Beklagte die monatlichen Leistungen für die Klägerin auf 274,48 Euro (Änderungsbescheid vom 13.5.2006). Für den weiteren Bewilligungszeitraum vom 1.10.2006 bis 31.3.2007 bewilligte er auf der Grundlage eines Fortzahlungsantrags vom 12.9.2006 weiterhin SGB II-Leistungen unter Anrechnung der Einkünfte (Bescheid vom 14.9.2006).
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Im Juni 2006 gingen bei dem Beklagten die geforderten Kontoauszüge von S für den Zeitraum vom 1.12.2005 bis 31.1.2006 ein, nach weiterer Anforderung am 26.9.2006 die Gehaltsabrechnung von S für Dezember 2005. Hieraus ergab sich, dass S neben seinem Lohn für Dezember 2005 in Höhe von 1079,86 Euro auch eine Abfindung in Höhe von 33 406,75 Euro brutto (= 22 758,25 Euro netto) erhalten hatte. Auf das Anhörungsschreiben des Beklagten vom 9.1.2007 zu einem unrechtmäßigen Leistungsbezug in Höhe von 4434,09 Euro in der Zeit vom 1.12.2005 bis 31.3.2007 und einer möglichen Erstattung teilte die Klägerin mit, ihr Lebensgefährte habe seine Unterlagen, auch die Papiere über die Abfindung, persönlich vorgelegt. Die bewilligten Leistungen seien verbraucht.
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Der Beklagte hob die Entscheidung über die Bewilligung von SGB II-Leistungen gemäß § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X ab dem 1.12.2005 ganz auf und ordnete die sofortige Vollziehung der Erstattung an. Wegen der Einkommensverhältnisse des Lebensgefährten sei die Klägerin nicht hilfebedürftig gewesen, weil im Dezember 2005 das Einkommen von November/Dezember 2005 angerechnet und ab Januar 2006 die Abfindung, aufgeteilt auf 15 Monate in Höhe von monatlich 1517,22 Euro, als Einkommen berücksichtigt werde (Bescheid vom 31.1.2007). Den Widerspruch wies der Beklagte mit der Begründung zurück, dass die Klägerin erst im Juni 2006 durch Vorlage der Kontoauszüge den Erhalt einer Abfindung und das zusätzliche Erwerbseinkommen des Partners im Dezember 2005 angezeigt habe. Wegen dieses Einkommens sei die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen vom 1.12.2005 bis 31.3.2007 aufzuheben. Es seien Leistungen in Höhe von 4434,09 Euro zu erstatten (Widerspruchsbescheid vom 11.12.2007).
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Das SG hat den Bescheid vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007 aufgehoben (Urteil vom 8.6.2010). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, es könne dahinstehen, ob die Voraussetzungen für eine Aufhebung oder Rücknahme vorlägen, weil der Aufhebungs- und Rückerstattungsbescheid sowohl hinsichtlich des Adressaten als auch inhaltlich zu unbestimmt sei und eine geltungserhaltende Reduktion ausscheide.
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In der mündlichen Verhandlung vor dem LSG hat der Beklagte die von ihm eingelegte Berufung teilweise zurückgenommen, soweit die Erstattungsforderung einen Betrag in Höhe von 2808,27 Euro (Leistungsanteil für S) überschreite und dessen Leistungsanteil geltend gemacht werde. Auf die Berufung des Beklagten hat das LSG das Urteil des SG abgeändert und die Klage abgewiesen, soweit sie sich nicht durch Berufungsrücknahme des Beklagten erledigt hat (Urteil vom 19.9.2012). Zur Begründung seiner Entscheidung hat es ausgeführt, Rechtsgrundlage der Aufhebung für die Zeit vom 1.12.2005 bis 31.3.2006 sei § 48 Abs 1 S 1 und 2 SGB X, weil durch die zusätzliche Lohnzahlung für den laufenden Monat und die Abfindungszahlung im Dezember 2005 eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen eingetreten sei. Die Klägerin und S bildeten eine Bedarfsgemeinschaft. Dessen Einkommen sei daher auch bei dem Leistungsanspruch der Klägerin zu berücksichtigen; dies führe zum Wegfall der Hilfebedürftigkeit ab 1.12.2005. Das sich aus den Lohnzahlungen für November und Dezember ergebende Einkommen von S übersteige den Gesamtbedarf der Bedarfsgemeinschaft. Ab Januar 2006 sei neben dem Alg I die im Dezember zugeflossene Abfindungszahlung mit einem monatlichen Teilbetrag anzurechnen. Die vom Beklagten vorgenommene Festlegung des Verteilzeitraums auf 15 Monate begegne keinen Bedenken. Der "Aggregatzustand" der nach Antragstellung zugeflossenen Abfindung habe sich nicht dadurch verändert, dass im Zuflussmonat auch ohne Berücksichtigung der einmaligen Einnahme die Hilfebedürftigkeit entfallen sei. Allein die vorgezogene Auszahlung des Dezemberlohns begründe keine derart geänderten Verhältnisse, die eine "Umwandlung" der einmaligen Einnahme in Vermögen rechtfertigen könne. Eine echte "Überwindung" der Hilfebedürftigkeit durch Erzielung von Erwerbseinkommen liege nicht vor. Die Klägerin sei ihrer Pflicht zur Mitteilung wesentlicher Änderungen mindestens grob fahrlässig nicht nachgekommen. Ihre Angabe, bereits im Januar 2006 sei eine Mitteilung über die Abfindungszahlung erfolgt, sei nicht nachvollziehbar. Mit der Einreichung von Kontoauszügen des Partners im April 2006 sei durch eine Manipulation der Kontostände offensichtlich versucht worden, den Erhalt der Abfindung zu verschleiern. Erstmals aus den am 1.6.2006 beim Beklagten eingegangenen Kontoauszügen sei die Zahlung der Nettoabfindung in Höhe von 23 838,11 Euro ersichtlich gewesen. Der Vortrag der Klägerin, über die genauen Einnahmen ihres Partners keine Kenntnis gehabt zu haben, widerspreche ihrem erstinstanzlichen Vorbringen zur Mitteilung der Abfindung bereits im Januar 2006. Es habe sich aufgrund ihrer Kenntnis vom Kauf eines neuen Pkw sowie einer neuen Küche Anfang 2006 mit Barzahlung durch ihren Partner aufdrängen müssen, dass dieser über zusätzliche Einnahmen verfügt habe. Rechtsgrundlage der Aufhebung für die Zeit vom 1.4.2006 bis 31.3.2007 sei § 45 Abs 2 S 3 Nr 2 SGB X. Die rechtswidrigen Leistungsbewilligungen für diesen Zeitraum hätten auf Angaben beruht, die die Klägerin mindestens grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht habe. Der angefochtene Bescheid vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007 werde hinsichtlich der Aufhebung und der Erstattungsforderung dem Bestimmtheitserfordernis wie auch dem Anhörungserfordernis gerecht. Die Revision sei zuzulassen. Klärungsbedürftig sei, ob eine einmalige Einnahme auch dann weiterhin als Einkommen zu berücksichtigen sei, wenn die Hilfebedürftigkeit für einen Monat nur wegen des Zuflusses von zwei Monatsentgelten aus derselben Beschäftigung (und ohne Berücksichtigung der einmaligen Einnahme) beseitigt werde.
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Mit ihrer Revision trägt die Klägerin vor, nach der Rechtsprechung des BSG werde der Verteilzeitraum dann unterbrochen, wenn für mindestens einen Monat die Hilfebedürftigkeit - ohne Berücksichtigung der einmaligen Einnahme - entfalle (Urteil vom 30.9.2008 - B 4 AS 29/07 R). Ihr Lebensgefährte habe Arbeitsentgelt erhalten, welches die Hilfebedürftigkeit für mindestens einen Monat aufgehoben habe, ohne dass die Abfindung dabei eine Rolle gespielt habe. Die Vorhersehbarkeit einer möglichen Hilfebedürftigkeit für den Folgemonat sei keine Voraussetzung für die weitere Behandlung der Abfindung als Einkommen. Entscheidend sei das Zuflussprinzip, welches stringent anzuwenden sei.
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Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Landessozialgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 19. September 2012 aufzuheben und die Berufung des Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Rostock vom 8. Juni 2010 zurückzuweisen.
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Der Beklagte beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Er bezieht sich auf die Ausführungen des Berufungsgerichts.
Entscheidungsgründe
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Die zulässige Revision der Klägerin ist unbegründet, soweit sie die Aufhebung der laufenden Bewilligung von SGB II-Leistungen für den Zeitraum vom 1.12.2005 bis zum 31.3.2006 betrifft. Insofern hat das LSG die Klage unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils zu Recht abgewiesen. Wegen der Erstattungsforderung des Beklagten für diesen Zeitraum ist die Revision im Sinne der Aufhebung des Berufungsurteils und Zurückverweisung der Sache an das LSG begründet (§ 170 Abs 2 S 2 SGG), weil der Senat mangels ausreichender Feststellungen nicht abschließend entscheiden konnte, in welcher Höhe die Erstattung für diese Zeit rechtmäßig ist. Auch soweit der Beklagte die Bewilligungsbescheide für die weiter streitigen Zeiträume vom 1.4.2006 bis 30.9.2006 und 1.10.2006 bis 31.3.2007 aufgehoben hat und die Erstattung der SGB II-Leistungen begehrt, ist die Revision im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet.
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1. Gegenstand des Verfahrens ist der Bescheid vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007, mit dem der Beklagte die Bewilligungsentscheidungen von Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II für die Klägerin ab 1.12.2005 in vollem Umfang aufgehoben und die Erstattung der ihr vom 1.12.2005 bis 31.3.2007 erbrachten Leistungen verlangt. Durch seine Erklärungen im Berufungsverfahren hat der Beklagte die Berufung gegen das zusprechende Urteil des SG zurückgenommen, soweit der angefochtene Bescheid die Aufhebung und Erstattung des Individualanspruchs von S betrifft (vgl hierzu BSG SozR 4-1300 § 33 Nr 1 RdNr 16). Gegen den Bescheid vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007 wendet sich die Klägerin zu Recht mit der isolierten Anfechtungsklage (§ 54 Abs 1 SGG). Entgegen der Ansicht des LSG enthielt der Ausgangsbescheid vom 31.1.2007 auch bereits eine Erstattungsverfügung und wahrt insgesamt das Bestimmtheitserfordernis. Bezogen auf die Klägerin ist er auch formell rechtmäßig.
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2. Der Aufhebungs- und Erstattungsentscheidung durch den Bescheid vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007 ist eine ordnungsgemäße Anhörung vorausgegangen. Nach § 24 SGB X ist, bevor ein Verwaltungsakt erlassen wird, der in Rechte eines Beteiligten eingreift, diesem Gelegenheit zu geben, sich zu den für die Entscheidung erheblichen Tatsachen zu äußern. Dies sind alle Tatsachen, die zum Ergebnis der Verwaltungsentscheidung beigetragen haben, dh auf die sich die Verwaltung auch gestützt hat (BSGE 69, 247 = SozR 3-1300 § 24 Nr 4 S 9; vgl zuletzt Urteil des Senats vom 28.3.2013 - B 4 AS 59/12 R - SozR 4-1300 § 45 Nr 13 RdNr 15, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen). Der Beklagte hat die Klägerin mit Schreiben vom 9.1.2007 zu dem Einkommenszufluss bei S im Dezember 2005 und zu der beabsichtigten Anrechnung, auch der Abfindung - aufgeteilt auf 15 Monate - für die Zeit ab 1.1.2006, angehört. Er hat ihr vorgehalten, eine Überzahlung verursacht zu haben, indem sie eine für den Leistungsanspruch erhebliche Änderung in ihren Verhältnissen nicht angezeigt habe. Schließlich umfasste das Anhörungsschreiben vom 9.1.2007 die Erstattungsforderung, indem der Beklagte darauf hinwies, dass die Klägerin in der Zeit vom 1.12.2005 bis 31.1.2007 Alg II in Höhe von 4434,09 Euro zu Unrecht bezogen und diesen Betrag zu erstatten habe. Hiermit eröffnete er in hinreichendem Umfang die Möglichkeit zur Stellungnahme zu den objektiven und subjektiven Merkmalen der maßgebenden Rechtsgrundlagen für die Aufhebungsentscheidung.
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3. Der Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007 genügt den Anforderungen an die Bestimmtheit von Verwaltungsakten. Als materielle Rechtmäßigkeitsvoraussetzung verlangt das Bestimmtheitserfordernis nach § 33 Abs 1 SGB X, dass der Verfügungssatz nach seinem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei ist. Dieses Erfordernis bezieht sich sowohl auf den Verfügungssatz der Entscheidung als auch auf den Adressaten des Verwaltungsaktes (BSG SozR 4-1300 § 33 Nr 1 RdNr 16). Der Betroffene muss bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers und unter Berücksichtigung der jeweiligen Umstände des Einzelfalls in die Lage versetzt werden, die in ihm getroffene Rechtsfolge vollständig, klar und unzweideutig zu erkennen und sein Verhalten daran auszurichten (BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2, RdNr 13 mwN; BSG SozR 4-4200 § 31 Nr 3 RdNr 16 mwN; BSG Urteil vom 15.12.2010 - B 14 AS 92/09 R - RdNr 18; BSGE 108, 289 ff = SozR 4-4200 § 38 Nr 2, RdNr 31). Ausreichende Klarheit kann auch dann bestehen, wenn zur Auslegung des Verfügungssatzes auf die Begründung des Verwaltungsaktes, auf früher zwischen den Beteiligten ergangene Verwaltungsakte oder auf allgemein zugängliche Unterlagen zurückgegriffen werden muss (vgl zuletzt Urteil des Senats vom 28.3.2013 - B 4 AS 59/12 R - SozR 4-1300 § 45 Nr 13 RdNr 16, zur Veröffentlichung auch in BSGE vorgesehen; BSGE 112, 221 = SozR 4-1300 § 45 Nr 12, RdNr 26; BSG SozR 4-2600 § 96a Nr 9 RdNr 38).
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Nach diesen Maßstäben geht aus dem angefochtenen Bescheid vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007 hinreichend bestimmt hervor, dass der Beklagte die Bewilligungsentscheidungen ab 1.12.2005 ausschließlich gegenüber der Klägerin in vollem Umfang aufheben wollte. Dies lässt sich - wie das LSG zutreffend festgestellt hat - seiner Adressierung, seinem Verfügungssatz sowie seiner Begründung entnehmen. Diese betreffen - ohne Erwähnung der Bedarfsgemeinschaft oder des S - jeweils nur die Klägerin. Der Bestimmtheit eines Aufhebungsbescheides steht insoweit nicht entgegen, dass er nur an ein Mitglied der Bedarfsgemeinschaft gerichtet ist, wenn die Auslegung - wie hier - ergibt, dass nur dieses Mitglied in Anspruch genommen werden soll (vgl BSG SozR 4-1300 § 33 Nr 1 RdNr 16 f). Ebenso ist das Maß der Aufhebung nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont für die Klägerin erkennbar auf den Zeitraum ab 1.12.2005 und eine Aufhebung sämtlicher Bewilligungen in vollem Umfang festgelegt. Zwar hat der Beklagte in der "Betreff-Zeile" des Bescheides vom 31.1.2007 nur die den jeweiligen Bewilligungsabschnitt insgesamt regelnden Bescheide vom 26.10.2005, 25.4.2006 und 14.9.2006 aufgeführt. Aus dem Inhalt der weiteren Begründung des Bescheides ergibt sich jedoch für den objektiven Empfänger unzweideutig, dass auch die Änderungsbescheide vom 31.3.2006 und 13.5.2006 erfasst sein sollten, die für jeweils kürzere Zeiträume innerhalb der jeweiligen Bewilligungsabschnitte geringfügig höhere Leistungen festlegten. Einer näheren Differenzierung nach Monaten sowie nach dem Umfang der Aufhebung bezüglich der Leistungsarten (Regelleistung, Kosten der Unterkunft und Heizung) bedurfte es hier wegen der vollumfänglichen Aufhebung nicht, weil für die Klägerin erkennbar war, welche Bezugsmonate von der Aufhebung in vollem Umfang betroffen waren (vgl BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 196/11 R - SozR 4-1300 § 33 Nr 2 RdNr 16).
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Der Bescheid vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007 ist auch bezüglich der Erstattungsforderung hinreichend bestimmt. Der Beklagte hat bereits durch die Angabe einer Erstattungsforderung in der "Betreffzeile" des Bescheides vom 31.1.2007 sowie die Anordnung der sofortigen Vollziehung der Erstattung eine Regelung iS von § 31 SGB X getroffen. Zwar ist die Höhe der zu erstattenden Beträge nicht bereits in diesem Bescheid, sondern erst im Widerspruchsbescheid genannt. Nach den vom LSG zutreffend gewürdigten Einzelfallumständen ist dies jedoch für die Annahme einer Regelung iS des § 31 SGB X sowie auch für die Bestimmtheit der Erstattungsforderung unschädlich, weil zur Höhe der Erstattungsforderung insbesondere auf den Inhalt des Anhörungsschreibens vom 9.1.2007 und die vorangegangenen Bewilligungsbescheide zurückgegriffen werden konnte.
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4. a) Rechtsgrundlage für die Aufhebung der mit Bescheid vom 26.10.2005 für den Zeitraum vom 1.10.2005 bis 31.3.2006 bewilligten Leistungen ist hier § 40 SGB II, § 330 Abs 3 SGB III, § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt mit Dauerwirkung aufzuheben, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die bei seinem Erlass vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt. Der Verwaltungsakt ist - ohne Ausübung von Ermessen - mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, soweit nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde. Bezogen auf den Bewilligungsbescheid vom 26.10.2005 ist erst nach dessen Bekanntgabe der Zufluss der doppelten Entgeltzahlung sowie der Abfindung an S erfolgt, sodass unter Berücksichtigung der maßgebenden objektiven tatsächlichen Verhältnisse, die bei Erlass des Bewilligungsbescheides vorgelegen haben (vgl nur BSG Urteil vom 21.6.2011 - B 4 AS 22/10 R - juris RdNr 16 mwN), eine wesentliche Änderung nach Erlass des Verwaltungsaktes, der aufgehoben werden soll, eingetreten ist. Die wesentliche Änderung lag hier darin, dass die Hilfebedürftigkeit der Klägerin und damit eine Anspruchsvoraussetzung für die bewilligten SGB II-Leistungen mit dem Zufluss dieser Beträge ab Dezember 2005 bis zum Ablauf des Bewilligungsabschnitts am 31.3.2006 entfallen ist (vgl für die Zeit ab 1.4.2006 unter 6).
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b) Zwar konnte die Klägerin ihren von dem Beklagten zutreffend ermittelten Bedarf nicht durch eigenes Einkommen oder Vermögen decken. Sie gehörte aber im gesamten hier streitigen Zeitraum einer Bedarfsgemeinschaft mit S an. Zur Bedarfsgemeinschaft gehört nach § 7 Abs 3 Nr 3 Buchst c SGB II(idF des Gesetzes vom 30.7.2004 - BGBl I 2014) als Partnerin oder Partner der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen eine Person, die mit der erwerbsfähigen Hilfebedürftigen in eheähnlicher Lebensgemeinschaft lebt. Das LSG hat nach Würdigung der vorliegenden Tatsachen das Vorliegen einer Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft positiv festgestellt. Es hat die erforderlichen Kriterien für das Vorliegen einer Einstands- und Verantwortungsgemeinschaft überprüft und diese im Ergebnis bejaht, indem es in der Art des Zusammenlebens der Klägerin und S eine Partnerschaft, eine Wohn- und Wirtschaftsgemeinschaft sowie ein gegenseitiges Einstehen bejaht hat. Neben der auch von der Klägerin nicht angegriffenen Feststellung einer Partnerschaft sah das LSG das erforderliche Einstehen aufgrund der Kontoauszüge des S bestätigt, woraus eine finanzielle Unterstützung der Klägerin ersichtlich war. Ferner wohnten die Klägerin und S seit Oktober 2004 in der gemeinsamen Wohnung (vgl zur auf Dauer angelegten Lebensgemeinschaft zuletzt BSGE 111, 250 ff = SozR 4-4200 § 7 Nr 32). Das Bestehen einer Bedarfsgemeinschaft führt nach § 9 Abs 2 S 1 SGB II dazu, dass bei der Prüfung der Hilfebedürftigkeit auch das Einkommen und Vermögen des Partners zu berücksichtigen sind.
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Für den Monat Dezember 2005 entfiel die Hilfebedürftigkeit der Klägerin bereits wegen des Zuflusses der Lohnzahlungen an S für November 2005 am 5.12.2005 und für Dezember 2005 am 19.12.2005. Diese stellten Einkommen iS von § 11 SGB II dar, welches als laufende Einnahme gemäß § 2 Abs 2 S 1 Alg II-V für den Monat zu berücksichtigen ist, in dem es zufließt. Bereits das auf den Gesamtbedarf der Klägerin und S anrechenbare Einkommen aus der Lohnzahlung für November 2005 betrug 1104,45 Euro. Auch unter Heranziehung des vom LSG zutreffend ermittelten Gesamtbedarfs von 1095,26 Euro ergibt sich ein Wegfall der Hilfebedürftigkeit der Klägerin in vollem Umfang.
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c) Auch die weitere vollständige Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 26.10.2005 (sowie des Änderungsbescheides vom 31.3.2006) bis zum Ablauf des Bewilligungsabschnitts am 31.3.2006 ist rechtmäßig. Die am 19.12.2005 mit einem Nettobetrag in Höhe von 22 758,25 Euro zugeflossene Abfindung ist anrechenbares Einkommen iS von § 11 SGB II. Zu Abfindungszahlungen haben die beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG bereits entschieden, dass für diese vom tatsächlichen Zufluss auszugehen ist und es sich nicht um von der Anrechnung ausgenommene zweckbestimmte Einnahmen nach § 11 Abs 3 Nr 1 Buchst a SGB II handelt(vgl BSGE 102, 295 = SozR 4-4200 § 11 Nr 24, RdNr 15, BSG Urteil vom 28.10.2009 - B 14 AS 64/08 R - juris RdNr 18).
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d) Der Verteilzeitraum, in dem das Einkommen aus der Abfindung zu berücksichtigen war, erstreckte sich unter voller Anrechnung auf den Zeitraum vom 1.1.2006 bis 31.12.2006. Nach der Rechtsprechung der beiden für die Grundsicherung für Arbeitsuchende zuständigen Senate des BSG bleibt eine nach Antragstellung zugeflossene einmalige Einnahme rechtlich auch über den Zuflussmonat und den Bewilligungsabschnitt hinaus zu berücksichtigendes Einkommen. Der Aggregatzustand der Einnahme verändert sich nicht durch eine neue Antragstellung. Das Einkommen mutiert nicht gleichsam zu Vermögen (vgl nur BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15, RdNr 20). Die konkrete Verteilung wird normativ durch § 2 Abs 3 Alg II-V in der Fassung vom 22.8.2005 (BGBl I 2499) bestimmt. Hiernach sind einmalige Einnahmen von dem Monat an zu berücksichtigen, in dem sie zufließen. Abweichend davon ist nach S 2 der Regelung eine Berücksichtigung der Einnahmen ab dem Monat, der auf den Monat des Zuflusses folgt, zulässig, wenn Leistungen für den Monat des Zuflusses bereits erbracht worden sind. Einmalige Einnahmen sind, soweit nicht im Einzelfall eine andere Regelung angezeigt ist, auf einen angemessenen Zeitraum aufzuteilen, dh monatlich mit einem entsprechenden Teilbetrag, anzusetzen (§ 2 Abs 3 S 3 Alg II-V). Als unbestimmter Rechtsbegriff ist der einzelfallbezogen zu bestimmende angemessene Zeitraum der Verteilung ausfüllungsbedürftig und unterliegt uneingeschränkter richterlicher Kontrolle. Zulässige Sachgesichtspunkte, die für die Angemessenheit einer Verteilung, die Belassung eines (geringfügigen) Anspruchs auf SGB II-Leistungen bei der Anrechnung und die zeitliche Dauer des Verteilzeitraums maßgebend sein können, sind die Höhe der einmaligen Einnahme, der mögliche Bewilligungszeitraum sowie der Umstand, ob der Hilfebedürftige durch die Höhe des festgesetzten monatlichen Teilbetrags seinen Krankenversicherungsschutz behalten kann (BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 16 RdNr 29). Zwar liegt grundsätzlich ein Regelfall mit einem Erfordernis zur Aufteilung nach § 2 Abs 3 S 3 Alg II-V vor, wenn der über den SGB II-Bezug vermittelte Krankenversicherungsschutz bei voller Berücksichtigung der Einnahme für mindestens einen Monat entfallen würde. Sind indes - wie hier - höhere Beträge im Streit, welche die Hilfebedürftigkeit der Bedarfsgemeinschaft bei prognostischer Betrachtung auf längere Dauer - hier konkret für einen Zeitraum von über einem Jahr - entfallen ließen, ist eine vollständige Anrechnung ohne Belassung von SGB II-Leistungen grundsätzlich nicht zu beanstanden. Ein solcher Fall liegt hier vor.
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Allerdings ist der Verteilzeitraum nach der Rechtslage bis zum 31.3.2011 auf ein Jahr, dh hier auf den Zeitraum vom 1.1.2006 bis 31.12.2006, zu beschränken. Aus dem Umstand, dass der Gesetzgeber mit dem am 1.4.2011 in Kraft getretenen § 11 Abs 3 S 2 SGB II nF(BGBl I 453) den "Verteilzeitraum" zeitlich eindeutig auf einen Zeitraum von sechs Monaten mit einer nachfolgend nur möglichen Berücksichtigung noch vorhandener Beträge als Vermögen eingegrenzt hat (vgl BT-Drucks 17/3404 S 94), können keine Rückschlüsse für die Bewertung der Rechtslage vor diesem Zeitpunkt gezogen werden (vgl BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 40 RdNr 32). Zu der bis dahin geltenden Rechtslage hat das BSG eine Verteilung über einen Zeitraum von mehr als sechs Monaten hinaus im Einzelfall als angemessen angesehen, ist jedoch nicht über den Zeitabschnitt von zwölf Monaten hinausgegangen (vgl BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 40 RdNr 32; sa BVerfG Beschluss vom 7.4.2010 - 1 BvR 688/10). Dies berücksichtigt, dass eine Erstreckung über den im Gesetz angelegten maximalen Bewilligungszeitraum von zwölf Monaten (§ 41 SGB II) hinaus Leistungsbezieher mit hohen einmaligen Einnahmen unbillig lange von der Möglichkeit einer Vermögensbildung ausnehmen würde.
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e) Die Bestimmung eines Verteilzeitraums und die Anrechnung der einmaligen Einnahme auf denselben entfällt hier auch nicht deshalb, weil die Abfindung in einem Monat zufloss, in dem bereits aufgrund der vorhergehenden Entgeltzahlungen an S die Hilfebedürftigkeit entfallen war. Soweit das LSG auf die Entscheidung des Senats vom 30.9.2008 (B 4 AS 29/07 R - BSGE 101, 291 = SozR 4-4200 § 11 Nr 15) Bezug genommen hat, lag ein (abweichender) Sachverhalt zugrunde, weil sich die für die Bewilligung maßgebenden Verhältnisse erst nach Beginn des Verteilzeitraums durch einen Steuerklassenwechsel mit einem höheren monatlichen Nettoeinkommen sowie Wohngeld verändert haben konnten. Die als mögliche Konsequenz diskutierte Unterbrechung des Verteilzeitraums wegen Überwindung der Hilfebedürftigkeit für einen Monat erfasst die vorliegende Konstellation nicht, weil die Hilfebedürftigkeit der Klägerin und S allein im Dezember 2005, also zeitlich bereits vor dem Beginn des Verteilzeitraums wegen der Abfindung im Januar 2006, unterbrochen war. Unabhängig hiervon liegt auch keine Überwindung der Hilfebedürftigkeit vor. Allein die Tatsache, dass die erhöhte Lohnzahlung für November 2005 aus dem Arbeitsverhältnis als einem Dauerrechtsverhältnis zu einem Wegfall der Hilfebedürftigkeit nur in diesem Monat führte, begründete keine geänderten Verhältnisse, die eine "Umwandlung" der einmaligen Einnahme in Vermögen zu rechtfertigen vermögen. Es lag keine echte "Überwindung" der Hilfebedürftigkeit durch Erzielung von Erwerbseinkommen vor, weil es sich um ein bloßes Aussetzen der Hilfebedürftigkeit wegen einer höheren Lohnzahlung und einen vom Normalverlauf abweichenden Auszahlungsvorgang ohne Änderung der tatsächlichen Verhältnisse handelte.
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f) Der vollständigen Aufhebung des Bewilligungsbescheides vom 26.10.2005 für den bis zum 31.3.2006 laufenden Bewilligungsabschnitt steht auch nicht entgegen, dass die Abfindungszahlung ausweislich der Feststellungen des LSG "für den Kauf eines neuen Pkw sowie einer neuen Küche Anfang 2006 durch ihren Partner" verwendet worden ist. Nähere Angaben zum Umfang des Verbrauchs der Abfindung und zum Zeitpunkt der Anschaffungen fehlen. Für den Bewilligungsabschnitt bis zum 31.3.2006 ist dies jedoch irrelevant. Die Aufhebung der laufenden Bewilligung nach § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X erfolgt schon deshalb, weil nach Erlass des Bewilligungsbescheides vom 26.10.2005 und während des laufenden Bewilligungsabschnitts Einkommen tatsächlich zugeflossen ist ("erzielt" im Sinne einer wesentlichen Änderung nach § 48 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X), zur Bedarfsdeckung zur Verfügung stand und daher im Verteilzeitraum zu berücksichtigen war. Bereits hierin lag die wesentliche Änderung, die dazu führte, dass der Beklagte den Bewilligungsbescheid unter den nunmehr objektiv vorliegenden Verhältnissen nicht oder nicht wie geschehen hätte erlassen dürfen (vgl BSG SozR 1300 § 48 Nr 44). Ein späterer Verbrauch als weiteres Ausgabeverhalten des Hilfebedürftigen während des Verteilzeitraums ist in diesem Zusammenhang ohne Bedeutung. Insofern hat der 14. Senat zu Recht betont, dass bei der Anwendung des § 48 SGB X - wegen Nichtanzeige der zugeflossenen Einnahme - mit Wirkung für die Vergangenheit nicht eine aktuelle Bedarfslage ungedeckt blieb - also eine Hilfebedürftigkeit tatsächlich bestand, sondern erst nach Aufhebung der Bewilligung bezogen auf die Vergangenheit und Rückforderung und daher regelmäßig und auch hier erst künftig eine Verbindlichkeit gegenüber dem Träger der Grundsicherung entstehe(vgl BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 33/12 R - BSGE 112, 229 = SozR 4-4200 § 11 Nr 57, RdNr 15).
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5. Ausgehend von einer rechtmäßigen Aufhebung der Bewilligung für den Zeitraum vom 1.12.2005 bis 31.3.2006 vermochte der Senat anhand der bisherigen tatsächlichen Feststellungen des Berufungsgerichts nicht abschließend zu entscheiden, in welcher Höhe die Erstattungsforderung für diesen Zeitraum rechtmäßig ist. Gemäß § 40 Abs 2 S 1 SGB II in der bis zum 31.3.2006 geltenden Fassung des Vierten Gesetzes für moderne Dienstleistungen am Arbeitsmarkt vom 24.12.2003 (BGBl I 2954) sind - abweichend von § 50 SGB X - 56 vom Hundert der bei der Leistung nach § 19 S 1 Nr 1 und S 2 sowie § 28 berücksichtigten Kosten für Unterkunft, mit Ausnahme der Kosten für Heizungs- und Warmwasserversorgung, nicht zu erstatten. S 1 gilt nicht in Fällen des § 45 Abs 2 S 3 SGB X(§ 40 Abs 2 S 2 SGB II). Bis zum 31.3.2006 war eine Rückausnahme von der nur reduziert möglichen Rückforderung von Unterkunftskosten bei einer Aufhebung nach § 48 Abs 1 S 2 SGB X gesetzlich nicht vorgesehen. Eine ohnehin nur in engen Grenzen mögliche analoge Anwendung einer Regelung zum Nachteil von Leistungsberechtigen (vgl BSG Urteil des Senats vom 23.8.2012 - B 4 AS 32/12 R - SozR 4-4200 § 22 Nr 61 RdNr 24 mwN) scheidet schon deshalb aus, weil die Bezugnahme auf § 48 Abs 1 S 2 SGB X aufgrund der Beschlussempfehlung des Ausschusses für Wirtschaft und Arbeit vom 15.10.2003 (vgl BT-Drucks 15/1728 S 190; BT-Drucks 15/1749 S 33) aus dem ursprünglichen Gesetzentwurf (BT-Drucks 15/1516 = BT-Drucks 15/1638 S 18) gestrichen worden ist (Hengelhaupt in Hauck/Noftz, SGB II, K § 40 RdNr 723, Stand 6/2012).
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Für den Aufhebungszeitraum vom 1.12.2005 bis 31.3.2006 ist die Erstattungsforderung daher um den in § 40 Abs 2 S 1 SGB II genannten Anteil zu reduzieren. Insofern sind noch Feststellungen des LSG zu den in den aufgehobenen Bewilligungsbescheiden vom 26.10.2005 und 31.3.2006 berücksichtigten (nicht den tatsächlichen) Unterkunftsbedarfen (Aubel in jurisPK-SGB II, § 40 RdNr 135, Stand 12/2012) sowie zur Höhe der für die Heizungs- und Warmwasserversorgung angesetzten Kosten erforderlich.
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6. a) Soweit die Aufhebung der Bewilligungsbescheide und die Erstattung für die weiter streitigen Bewilligungsabschnitte vom 1.4.2006 bis 30.9.2006 und 1.10.2006 bis 31.3.2007 betroffen ist, ist die Revision der Klägerin im Sinne der Aufhebung und Zurückverweisung begründet.
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Grundlage für die Rücknahme dieser Bescheide ist § 40 Abs 1 S 2 Nr 1 SGB II iVm § 330 Abs 2 SGB III iVm § 45 Abs 2 S 3 Nr 2 SGB X. Wegen der für einen angemessenen Verteilzeitraum zu berücksichtigenden einmaligen Einnahme aus der Abfindungszahlung können diese Bescheide nur von Beginn an rechtswidrig sein. Einer Rücknahme nach § 45 SGB X steht nicht schon entgegen, dass der Beklagte den Bescheid vom 31.1.2007 auf § 48 SGB X gestützt hat. Da der angefochtene Bescheid in seinem Verfügungssatz nicht geändert worden ist und die Rücknahme nur mit einer anderen Rechtsgrundlage begründet wird, sind die Voraussetzungen einer Umdeutung nach § 43 SGB X hier nicht zu prüfen(vgl BSG SozR 3-1300 § 45 Nr 42 S 138; BSG SozR 3-1300 § 24 Nr 21 S 61). Ein Austausch der Rechtsgrundlage aus dem Bescheid des Beklagten vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007 ist möglich, weil nach § 45 Abs 2 S 3 Nr 2 SGB X ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt - wegen § 330 Abs 2 SGB III - gleichfalls ohne Ermessensausübung - mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen ist, soweit er auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Dies ist hier der Fall (vgl hierzu unter d).
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b) Bezogen auf eine Rücknahme nach § 45 Abs 2 S 3 Nr 2 SGB X fehlt es aber an tatsächlichen Feststellungen dazu, ob die mit dem streitgegenständlichen Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 31.1.2007 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 11.12.2007 aufgehobenen Bewilligungsbescheide vom 24./25.4.2006 und 13.5.2006 (Bewilligungsabschnitt vom 1.4.2006 bis 30.9.2006) und vom 14.9.2006 (Bewilligungsabschnitt vom 1.10.2006 bis 31.3.2007) objektiv anfänglich rechtswidrig iS des § 45 SGB X waren. Dies war der Fall, wenn der Klägerin Leistungen bewilligt worden sind, obwohl sie aufgrund der Abfindungszahlung über noch ausreichend bedarfsdeckendes Einkommen verfügte, also nicht hilfebedürftig war. Zwar spricht hierfür die normative Verteilregelung des § 2 Abs 3 S 3 Alg II-V, die grundsätzlich vorsieht, dass eine einmalige Einnahme - unabhängig vom Ablauf eines Bewilligungsabschnitts und einer erneuten Antragstellung über den angemessenen Zeitraum von zwölf Monaten als oberste Grenze - zu verteilen und weiterhin zu berücksichtigen ist.
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Aufgrund der rechtlichen Ausgangslage bei § 45 SGB X ist jedoch zu prüfen, ob die von der Klägerin bei den erneuten Antragstellungen am 7.4.2006 und 12.9.2006 angegebene Hilfebedürftigkeit wegen des Nichtvorhandenseins von Mitteln zur Deckung des Lebensunterhalts dennoch tatsächlich gegeben war, weil hier ein (zwischenzeitlicher) Verbrauch der zugeflossenen Mittel geltend gemacht wird. Waren die Mittel aus der Abfindung tatsächlich und unwiederbringlich verbraucht, standen "bereite Mittel" also bei den erneuten Bewilligungen tatsächlich - auch nicht als Restbeträge - zur Verfügung, erweisen sich diese nicht als anfänglich rechtswidrig iS von § 45 Abs 1 S 2 Nr 3 SGB X. Insofern haben die tatsächlichen Verhältnisse gegenüber der nur normativen und als Berechnungsgrundlage zu verstehenden Regelung des § 2 Abs 3 Alg II-V den Vorrang(Geiger in LPK-SGB II, 5. Aufl 2013, RdNr 9 zu § 11; aA LSG Rheinland-Pfalz Urteil vom 27.4.2010 - L 3 AS 79/08 - und LSG Niedersachsen-Bremen Urteil vom 15.4.2011 - L 13 AS 333/10 - RdNr 34 f; vgl hierzu auch BSG Urteil vom 29.11.2012 - B 14 AS 33/12 R - BSGE 112, 229 = SozR 4-4200 § 11 Nr 57, RdNr 16 f mit Verweis auf § 34 SGB II). Ist nach weiteren Feststellungen des LSG eine anfängliche Rechtswidrigkeit der bezeichneten Bewilligungsbescheide zu bejahen, ist weiter zu prüfen, ob - nach Ablauf des zwölfmonatigen Verteilzeitraums zum 31.12.2006 - ein ggf noch vorhandener Betrag aus der Abfindung als zu berücksichtigendes Vermögen die Rücknahme der bestandskräftigen Bewilligung auch für den Zeitraum vom 1.1.2007 bis 31.3.2007 rechtfertigen konnte. Auch insofern müssten allerdings die formellen Voraussetzungen (§ 24 SGB X) zu bejahen sein.
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c) Das LSG wird also zu prüfen haben, ob, in welcher Höhe und wann die Abfindungszahlung für die Anschaffung eines Pkw sowie einer Küche bereits Anfang 2006 verwendet und daher (auch) etwaige Restbeträge aus der Abfindung bei der Antragstellung und Bewilligung im April 2006 bzw September 2006 nicht mehr vorhanden waren und auch nicht realisiert werden konnten. Insofern liegt die objektive Feststellungslast für das Vorliegen einer anfänglichen Rechtswidrigkeit - nach Ausschöpfung aller Ermittlungsmöglichkeiten zur Aufklärung des Sachverhalts - zwar grundsätzlich bei der Behörde. Es dürfte aber eine Beweislastumkehr zu erwägen sein. Diese hat das BSG zB für tatsächliche Fallgestaltungen anerkannt, in denen der Gegner der beweisbelasteten Partei den Beweis vereitelt oder erschwert oder die Beweisführung unmöglich ist, weil die zu beweisenden Tatsachen sich im Bereich des Gegners abgespielt haben und dieser an der ihm möglichen Sachverhaltsaufklärung nicht oder nicht rechtzeitig mitgewirkt hat (vgl insgesamt BSGE 95, 57, 64 = SozR 4-1300 § 48 Nr 6; auch BSG SozR 4-1500 § 128 Nr 5). Die in arbeitsförderungsrechtlichen Angelegenheiten zuständigen Senate haben dies vor allem bei unterlassenen Angaben zu Vermögenswerten bei der Antragstellung angenommen (BSGE 96, 238, 245 f = SozR 4-4220 § 6 Nr 4; BSG Urteil vom 28.8.2007 - B 7/7a AL 10/06 R).
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d) Kommt das LSG nach erneuter Prüfung zu dem Ergebnis, dass eine anfängliche Rechtswidrigkeit der aufgehobenen Bewilligungsbescheide vorlag, wird es davon ausgehen können, dass diese auf Angaben beruhte, die die Klägerin als Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat. Dem gleichzustellen ist eine vorsätzlich oder grob fahrlässig unterlassene Mitteilung von wesentlichen Änderungen in den Verhältnissen, welche kausal zu der Leistungsbewilligung geführt hat (vgl zuletzt Urteil des Senats vom 28.3.2013 - B 4 AS 59/12 R - SozR 4-1300 § 45 Nr 13 RdNr 22, zur Veröffentlichung in BSGE vorgesehen).
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Auf Grundlage der bindenden Feststellungen des LSG ist davon auszugehen, dass weder die Klägerin noch S die Zahlung der Abfindung vor Erlass der Bewilligungsbescheide vom 24./25.4.2006 und 14.9.2006 mitgeteilt haben. Hierzu wären sie jedoch verpflichtet gewesen, weil die Zahlung der Abfindung erkennbar eine wesentliche Veränderung in den Verhältnissen bewirkt hat. Das LSG hat zutreffend erst die Vorlage der Lohn- und Gehaltsabrechnung zum 26.9.2006 als maßgeblichen Zeitpunkt der Kenntniserlangung des Beklagten hinsichtlich der einmaligen Einnahme in Form der Abfindung angesehen. Vor diesem Zeitpunkt hatte der Beklagte nur bruchstückhafte Informationen über einen generellen Geldzufluss erhalten, ohne dass sich aus diesen die Zahlung einer einmaligen Einnahme hat erkennen lassen. Der Klägerin ist schließlich zumindest der Schuldvorwurf eines grob fahrlässigen Handelns zu machen. Den Antragsunterlagen zum Bewilligungsabschnitt ab dem 1.4.2006 waren die - vom LSG als manipuliert bewerteten - Kontoauszüge von S ua für den Monat Dezember 2005 beigefügt, die einen unzutreffenden Kontostand in Höhe von nur 959,73 Euro anstatt von 6959,73 Euro enthielten. Die unrichtige Angabe wirkte sich sowohl auf den Bewilligungsbescheid vom 24./25.4.2006 als auch auf denjenigen vom 14.9.2006 aus, weil die Angabe aus April 2006 bis zur Vorlage der Lohn- und Gehaltsabrechnung am 26.9.2006 "fortwirkte".
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7. Die Höhe der Erstattungsforderung ist von der weiteren Sachaufklärung des LSG zur Rechtmäßigkeit der Aufhebungsentscheidung abhängig. Das LSG hat zu Recht die bereits mit dem bestandskräftigen Bescheid vom 13.9.2006 für Juni bis September 2006 zurückgeforderten Leistungen in Höhe von 62,80 Euro berücksichtigt. Das LSG wird ggf auch über die Kosten des Revisionsverfahrens zu entscheiden haben.
Tenor
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Die Sprungrevision der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 10. Mai 2011 wird zurückgewiesen.
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Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Revisionsverfahrens zu erstatten.
Tatbestand
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Streitig ist die Rückforderung von Kinderzuschlag für den Zeitraum von Dezember 2009 bis April 2010 in Höhe von insgesamt 1250 Euro.
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Die Klägerin ist verheiratet und hat zwei minderjährige Kinder. Ihr Ehemann und sie sind erwerbstätig. Sie hatte im streitigen Zeitraum ein monatliches Bruttoarbeitsentgelt von 200 Euro und er erzielte Erwerbseinkommen in wechselnder Höhe. Die Eheleute erhielten zudem Wohn-geld in Höhe von 116 Euro monatlich. Nachdem die Klägerin im August 2009 Kinderzuschlag erhalten und die Beklagte einen solchen Anspruch für den Monat September 2009 wegen über-steigenden Einkommens abgelehnt hatte, beantragte die Klägerin im November 2009 erneut Kinderzuschlag. Für den Ehemann übersandte sie Verdienstbescheinigungen für die Monate Mai bis Oktober 2009. Dort waren ein Jahresgesamtbruttoentgelt von 10 039,21 Euro sowie die hieraus entrichteten Sozialversicherungsbeiträge ausgewiesen. Die Beklagte errechnete ein durchschnittliches monatliches Bruttoarbeitsentgelt des Ehemannes von 1673,20 Euro und einen Betrag von 337,03 Euro an Sozialversicherungsbeiträgen. Ihrer Berechnung legte sie alsdann ein Gesamteinkommen der Eheleute von 1873,20 Euro zugrunde und brachte hiervon bei der Klägerin Freibeträge in Höhe von 120 Euro und bei ihrem Ehemann von 664,25 Euro in Abzug. Sie ging von einem Unterkunftsbedarf in Höhe von 535 Euro monatlich aus. Auf dieser Grundlage bewilligte sie durch Bescheid vom 24.11.2009 Kinderzuschlag unter Rückforderungsvorbehalt für den Zeitraum vom 1.11.2009 bis 30.4.2010 in Höhe von monatlich 250 Euro. Ergänzend führte sie aus: "Da Sie schwankendes Einkommen bzw Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit beziehen, ist für die Berechnung der Höhe des zustehenden Kinderzuschlags zunächst das Durchschnittseinkommen der letzten drei Monate vor Antragstellung oder das Durchschnittseinkommen des letzten Bewilligungsabschnitts zugrunde gelegt worden. … Ergibt die Überprüfung, dass Ihr durchschnittliches Einkommen tatsächlich höher oder niedriger ist als für den oben genannten Bewilligungsabschnitt zugrunde gelegt wurde, kann dies zu einer teilweisen oder vollständigen Rückforderung des gezahlten Kinderzuschlags führen. Bestand aufgrund des tatsächlich erzielten Einkommens ein Anspruch auf höheren Kinderzuschlag, erhalten Sie den Ihnen zustehenden Differenzbetrag nachgezahlt. In beiden Fällen werden Sie schriftlich informiert." Später übersandte die Klägerin Verdienstbescheinigungen ihres Ehemannes für die Monate August 2009 bis März 2010 sowie ihre eigenen bis Februar 2010. Der Ehemann hatte im November 2009 eine Jahressonderzahlung von 1037,47 Euro erhalten. Unter Berücksichtigung dessen berechnete die Beklagte das durchschnittliche Einkommen des Ehemannes neu und gelangte zu dem Ergebnis, dass ein Anspruch auf Kinderzuschlag für die Zeit von Dezember 2009 bis April 2010 nicht bestanden habe. Nach Anhörung der Klägerin stellte die Beklagte im Bescheid vom 1.7.2010 fest, dass ausgehend von einem durchschnittlichen zu berücksichtigenden Einkommen der Eheleute von 1439,82 Euro das Einkommen den Gesamtbedarf überstiegen habe. Der unter dem Vorbehalt der Rückforderung gemäß § 32 SGB X gezahlte Kinderzuschlag sei daher zu erstatten. Der Widerspruch der Klägerin hiergegen blieb auch nach einer Neuberechnung der Beklagten, bei der sie monatlich unterschiedliches Bruttoeinkommen der Ehegatten zugrunde legte, erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 23.12.2010).
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Das SG hat auf die Klage den Bescheid vom 1.7.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.12.2010 aufgehoben (Urteil vom 10.5.2011). Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, der Beklagten mangele es an einer Rechtsgrundlage für ihr Rückforderungsbegehren. § 32 SGB X in Verbindung mit dem Bescheid vom 24.11.2009 scheide hierfür aus, denn es handele sich bei dem Rückforderungsvorbehalt nicht um eine zulässige Nebenbestimmung iS von § 32 SGB X iVm § 18 BKGG. Der Vorbehalt der Rückforderung zu Unrecht erbrachter Leistungen sei kein Widerrufsvorbehalt iS des § 32 SGB X. Auch die Rechtsprechung zur "Vorwegzahlung" stelle keine ausreichende Grundlage dar, denn der Bescheid sei nicht hinreichend bestimmt. Weder habe die Beklagte tatsächlich die Durchschnittseinkommen der letzten drei Monate zugrunde gelegt, noch sei die Höhe des berücksichtigten Einkommens aus dem Bescheid oder dem Berechnungsbogen ersichtlich. Zudem habe es die Beklagte versäumt, sich zu vergewissern, ob der Ehegatte der Klägerin Jahressonderzahlungen erhalten habe und nicht berücksichtigt, dass sich aus den Lohnabrechnungen seit August 2009 Nachverrechnungen von Entgelt für die Vormonate ergeben habe. Auch die Ermittlung der Freibeträge sei aus dem Berechnungsbogen nicht ersichtlich. Ebenso sei der eigentliche Rückforderungsvorbehalt zu unbestimmt. Die Beklagte habe für den Rückforderungsvorbehalt einen standardisierten Satz verwendet, der nicht auf die konkrete Situation der Klägerin zutreffe. Da die Beklagte lediglich formuliert habe, dass eine Rückforderung erfolgen könne, sei für die Klägerin nicht deutlich geworden, dass die Erstattung zwingend erfolge. Auf § 50 SGB X könne die Beklagte ihr Rückforderungsbegehren nicht stützen, denn der Bescheid vom 24.11.2009 sei von der Beklagten nicht nach §§ 45 oder 48 SGB X aufgehoben worden und eine Umdeutung des Bescheides vom 1.7.2010 nach § 43 SGB X nicht möglich.
- 4
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Die Beklagte hat hiergegen mit Zustimmung der Klägerin die vom SG zugelassene Sprungrevision eingelegt. Sie rügt die Verletzung von § 77 SGG und §§ 32, 33 SGB X. Zur Begründung macht sie geltend, die Ermächtigungsgrundlage für die Rückforderung seien der Bescheid vom 24.11.2009 iVm § 50 Abs 1 SGB X und § 32 Abs 1 Alt 2 SGB X. Der mit einer zulässigen Nebenbestimmung des Vorbehalts der Rückforderung versehene Bescheid sei bestandskräftig geworden und das SG daher an den Vorbehalt gebunden. Über die Zulässigkeit der Nebenbestimmung sei vom SG mithin nicht zu befinden gewesen. Zwar könne die Nebenbestimmung in dem Verfahren nach § 44 SGB X zur Überprüfung gestellt werden. Ihre Rechtswidrigkeit führe jedoch zur Rechtswidrigkeit des gesamten Bescheides, denn ohne den Vorbehalt habe die Bewilligung nicht ausgesprochen werden dürfen. Erst die Nebenstimmung gewährleiste die Rechtmäßigkeit des Ausgangsbescheides. Im Übrigen sei der Vorbehalt nicht unzulässig. Er sei durch § 32 Abs 1 Alt 2 SGB X gedeckt, denn durch ihn werde sichergestellt, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts erfüllt würden. Ausgehend von den materiell-rechtlichen Voraussetzungen für den Kinderzuschlag und dem Bewilligungszeitraum von sechs Monaten müsse die Verwaltung eine Einkommensprognose anstellen, bei der auf die Alg II-V zurückgegriffen werde. Grundlage hierfür sei der Verweis in § 6a BKGG auf die §§ 11, 12 SGB II. Um in dieser Situation jedoch zu einer zeitgerechten Leistungsgewährung zu gelangen, sei diese unter den Vorbehalt der Rückforderung zu stellen. Der Bewilligungsbescheid sei auch hinreichend bestimmt. Der Verfügungssatz des Verwaltungsakts vom 24.11.2009 spreche eine Bewilligung unter dem Vorbehalt der Rückforderung aus. Jedenfalls habe der Bescheid nicht als eine endgültige Bewilligung von Kinderzuschlag für den streitigen Zeitraum verstanden werden können.
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Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Duisburg vom 10. Mai 2011 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
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Die Klägerin beantragt,
die Revision zurückzuweisen.
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Sie führt aus, dass bei einem gebundenen Verwaltungsakt eine Bewilligung unter dem Vorbehalt ermessensfreier Rücknahme oder Rückforderung unzulässig sei. Anderenfalls würden die Voraussetzungen für die Rücknahme begünstigender Verwaltungsakte unterlaufen. Jedenfalls müssten bei der Ausübung des Vorbehalts die im Rahmen des § 45 SGB X maßgeblichen Ermessenserwägungen herangezogen werden. Im Übrigen hätte die Beklagte einen vorläufigen Bescheid erlassen können, um eine Leistung vor Abschluss der Sachverhaltsermittlungen gewähren zu können. Die Nebenbestimmung sei zudem nicht hinreichend bestimmt, sodass sie bereits aus den vom SG dargelegten Gründen rechtswidrig sei.
Entscheidungsgründe
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Die Sprungrevision der Beklagten ist unbegründet.
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Das SG hat im Ergebnis zutreffend entschieden, dass die Klägerin nicht verpflichtet ist, der Beklagten den im Zeitraum vom 1.12.2009 bis 30.4.2010 erbrachten Kinderzuschlag zu erstatten. Der Beklagten mangelt es für ihr Rückforderungsbegehren an einer Rechtsgrundlage.
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1. Streitgegenstand des Revisionsverfahrens ist der Bescheid vom 1.7.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.12.2010, mit dem die Beklagte die Erstattung des für den Zeitraum vom 1.12.2009 bis 30.4.2010 an die Klägerin gezahlten Kinderzuschlags in Höhe von insgesamt 1250 Euro, gestützt auf den Vorbehalt der Rückforderung im Bescheid vom 24.11.2009, verfügt hat.
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2. Ob die Klägerin im streitigen Zeitraum materiell-rechtlich einen Anspruch auf Kinderzuschlag hatte, vermochte der Senat an Hand der Feststellungen des SG zwar nicht abschließend zu beurteilen. Dies kann jedoch dahinstehen, denn der Beklagten mangelt es an einer Rechtsgrundlage für die Erstattung des gezahlten Kinderzuschlags.
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3. Die Beklagte kann sich entgegen der von ihr vertretenen Auffassung für das Rückforderungsverlangen nicht auf den Rückforderungsvorbehalt im Ausgangsbescheid vom 24.11.2009 stützen. Sollte der Anspruch auf Kinderzuschlag im Nachhinein entfallen sein oder sich zumindest niedriger als bewilligt herausstellen, könnte die Rückforderung zwar derzeit grundsätzlich noch Rechtsfolge einer Befugnis zur Vorwegzahlung gemäß § 32 Abs 1 SGB X sein (a). Hierauf kann die Beklagte sich jedoch nicht berufen, denn die Nebenbestimmung war im Hinblick auf eine Regelung der nur vorläufigen Leistungsgewährung nicht hinreichend bestimmt iS des § 33 SGB X (b).
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a) § 32 SGB X, der nach § 18 BKGG auch im Kinderzuschlagsrecht zur Anwendung gelangt, regelt die Zulässigkeit von Nebenbestimmungen unterschiedlich danach, ob es sich um einen gebundenen Verwaltungsakt(Abs 1) oder um einen Verwaltungsakt handelt, der in das pflichtgemäße Ermessen der Behörde gestellt ist (Abs 2). Beim Kinderzuschlag handelt es sich um eine Leistung, auf die ein Rechtsanspruch besteht (§ 38 SGB I). Die Zulässigkeit von Nebenbestimmungen bei Bewilligungen nach § 6a BKGG richtet sich daher nach § 32 Abs 1 SGB X. Eine Nebenbestimmung ist demnach nur zulässig, wenn sie sicherstellen soll, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsaktes erfüllt werden. Sicherstellung bedeutet, dass ein Verwaltungsakt vor Eintritt der gesetzlichen Voraussetzungen der in ihm getroffenen Regelung mit einer Nebenbestimmung ergehen darf, wenn eine abschließende Entscheidung dem Grunde nach noch nicht möglich ist, sodass durch Nebenbestimmungen sichergestellt werden muss, dass diese Regelung nur bei Eintritt dieser Voraussetzungen wirksam wird oder wirksam bleibt. Aus der Zulässigkeit von Nebenbestimmungen zur Sicherstellung der Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen folgt auch, dass der Gesetzgeber der Verwaltung die Befugnis einräumt, Verwaltungsakte bereits dann zu erlassen, wenn noch nicht alle gesetzlichen Tatbestandsmerkmale zu ihrer Überzeugung erfüllt sind. Im Bereich der gebundenen Entscheidungen lässt sich daher eine Befugnis zu Vorwegzahlungen in engen Grenzen aus § 32 Abs 1 SGB X herleiten.
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Eine Vorwegzahlung oder die vorläufige Gewährung von Kinderzuschlag als Nebenbestimmung in einem Bewilligungsbescheid zu regeln, folgt einerseits einem praktischen Bedürfnis und andererseits der mangelnden ausdrücklichen Normierung einer vorläufigen Leistungsgewährung im BKGG. So ist der Leistungsträger nach § 17 Abs 1 Nr 1 SGB I verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass jeder Berechtigte die ihm zustehenden Sozialleistungen in zeitgemäßer Weise, umfassend und zügig erhält. Auf Seiten der Leistungsberechtigten gilt, dass der Kinderzuschlag der Existenzsicherung iS des Art 1 Abs 1 iVm Art 20 Abs 1 GG dient und damit der entstandene Bedarf umgehend gedeckt werden muss. Eine Verwirklichung dessen stößt jedoch häufig auf praktische Schwierigkeiten. Die Gewährung von Kinderzuschlag ist nach § 6a Abs 1 BKGG von der Höhe des Einkommens des Antragstellers abhängig. Nach § 6a BKGG in der Neufassung des Bundeskindergeldgesetzes vom 28.1.2009 (BGBl I 142) ist das "Einkommensfenster", in dem entweder ein Anspruch auf Kinderzuschlag besteht, mit dem Hilfebedürftigkeit iS des SGB II vermieden wird oder bei Unterschreitung der Mindesteinkommensgrenze ein Leistungsanspruch zur Sicherung des Lebensunterhalts aus der Grundsicherung für Arbeitsuchende gegeben ist, sehr eng. Ohne konkrete Berechnungen im Einzelfall kann deshalb - zumindest bei schwankendem Einkommen - in der Regel nicht mit hinreichender Sicherheit prognostiziert werden, ob ein Anspruch auf Kinderzuschlag besteht. Hieraus folgt das Bedürfnis einer Bewilligung dieser Leistung bereits vor Abschluss aller notwendigen Ermittlungen zur Einkommenshöhe zu ermöglichen. § 6a BKGG trifft jedoch keine Regelung für eine solche "Vorwegzahlung". Er enthält anders als das SGB II (§ 40 Abs 2 Nr 1 SGB II) keinen Verweis auf § 328 SGB III, obwohl das Recht des Kinderzuschlags gerade dazu dient, Leistungen nach dem SGB II zu vermeiden und die Berechnung der Leistung über die Regeln der Einkommensberücksichtigung zwischen SGB II und § 6a BKGG in Teilbereichen identisch ist(s nur BSGE 108, 144 = SozR 4-5870 § 6a Nr 2, RdNr 13). Um gleichwohl der zuvor umschriebenen Problemlage gerecht zu werden, erachtet es der Senat bis zu einer gesetzlichen Regelung als notwendig, in Fortführung der Rechtsprechung des BSG insbesondere zum Schlechtwettergeldanspruch (BSGE 62, 32 = SozR 4100 § 71 Nr 2, juris RdNr 28 ff; kritisch hierzu, allerdings ohne Aufgabe der Rechtsprechung: BSGE 82, 183 = SozR 3-4100 § 71 Nr 2, juris RdNr 30, 32 ff; vgl auch SozR 3-1300 § 45 Nr 5, juris RdNr 35; s zum Altersruhegeld BSGE 67, 104 = SozR 3-1300 § 32 Nr 2, Leitsatz 3 und zur Beitragsentlastung in der landwirtschaftlichen Sozialversicherung: SozR 3-1300 § 32 Nr 4, Leitsatz 2)die grundsätzliche Ermächtigung für Vorwegzahlungen eines Leistungsträgers aus § 32 Abs 1 SGB X auch im Kinderzuschlagsrecht anzuerkennen. Da eine solche Nebenbestimmung und vor Allem die hierauf fußende Rechtsfolge der Rückforderung, sollte die spätere Feststellung des Einkommens zu einem Anspruchsverlust führen, in einem Spannungsverhältnis zu den Vertrauensschutzregelungen der §§ 45, 48 SGB X steht, bedarf die vorläufige Leistungsgewährung auf Dauer jedoch auch im Kinderzuschlagsrecht einer ausdrücklichen gesetzlichen Grundlage. Vorbild kann insoweit § 328 SGB III sein. Die Vorgängerregelung des § 147 AFG erfasste - dies war die Grundlage der zuvor zitierten Entscheidungen des BSG - das damalige "Schlechtwettergeld" ebenfalls nicht. Die Leistung des Schlechtwettergeldes ist bzw die sie ersetzenden Nachfolgeleistungen sind erst durch Art 1 Nr 79 des Ersten Gesetzes zur Änderung des SGB III und anderer Gesetze vom 16.12.1997 (BGBl I 2970) zum 1.1.1998 in § 328 SGB III - aus einer der Situation beim Kinderzuschlag durchaus vergleichbaren rechtlichen Lage heraus - aufgenommen worden. Zur Begründung heißt es in der Ausschussdrucksache hierzu: Die Gewährung dieser Leistungen erfordere eine zeitintensive Prüfung eingereichter Nachweise und Überprüfungen der Berechnungen. Die BA erbringe die Leistungen bereits, bevor die Feststellung der Voraussetzungen für den Anspruch abgeschlossen seien, wenn der Arbeitgeber sich verpflichte, überzahlte Leistungen zu erstatten. Gegen diese Praxis seien in jüngster Zeit Bedenken erhoben worden. Weil die Situation bei dieser "Arbeitgeberleistung" insoweit jedoch der des Alg oder der Alhi vergleichbar sei, solle § 328 SGB III für die zuvor benannten "Arbeitgeberleistungen/Nachfolgeleistungen zum Schlechtwettergeld" erweitert werden(BT-Drucks 13/8994, S 64 f zu Nr 42a).
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Die im SGB I geregelte Möglichkeit der Vorschusszahlung als die speziellere Regelung kann im Kinderzuschlagsrecht nicht zur Anwendung gelangen und steht auch der Vorwegzahlung auf Grundlage von § 32 Abs 1 SGB X nicht entgegen. Nach § 42 SGB I kann der zuständige Leistungsträger Vorschüsse zahlen, wenn ein Anspruch auf Geldleistungen dem Grunde nach besteht und zur Feststellung seiner Höhe voraussichtlich längere Zeit erforderlich ist. § 42 SGB I betrifft die Konstellation, dass zwar die Höhe des Anspruchs noch offen, die Leistungspflicht des Trägers hingegen geklärt ist. Dies ist der Fall, wenn die Anspruchsvoraussetzungen nach den allgemeinen Beweisgrundsätzen zur Überzeugung des Leistungsträgers festgestellt sind (s nur BSGE 62, 32 = SozR 4100 § 71 Nr 2, juris RdNr 29). Bei Leistungen aus einem System, in dem die Leistungsgewährung von der Bedürftigkeit des Leistungsberechtigten abhängig ist, ist das jedoch nicht immer der Fall. Falls die Höhe der Leistung noch nicht endgültig bestimmt werden kann, besteht die Möglichkeit, dass auch dem Grunde nach kein Anspruch auf die Leistung besteht. Andererseits folgt aus der Regelung des § 42 SGB I nicht, dass Sozialleistungen überhaupt nur erbracht werden dürften, wenn feststeht, dass ihre gesetzlichen Voraussetzungen vorliegen. Zweck der Vorschussregelung nach § 42 SGB I ist es zu vermeiden, dass der Leistungsberechtigte bei längerer Dauer des Verfahrens zur Feststellung der Höhe seines Anspruchs Nachteile dadurch erleidet, dass er die ihm dem Grunde nach zustehende Sozialleistung zunächst nicht erhält. Außerdem soll durch eine rechtzeitige und ausreichende Vorschussgewährung verhindert werden, dass sich zwei Leistungsträger mit derselben Angelegenheit befassen und zusätzlich einen Ausgleich untereinander herbeiführen müssen. Selbst wenn § 42 SGB I auf die Fallkonstellation einer bedürftigkeitsabhängigen Leistung vom Wortlaut her keine Anwendung finden kann, so rechtfertigt doch gerade die vom Gesetzgeber erkannte Notwendigkeit einer Vorschussregelung eine solche Möglichkeit auch in den Fällen, in denen der Leistungsanspruch dem Grunde nach noch nicht endgültig feststeht, weil der Anspruch auf die Leistung von der Höhe des noch nicht feststehenden Einkommens abhängig ist, einzuräumen und auf eine Vorwegzahlungsregelung auf Grundlage von § 32 Abs 1 SGB X zurückzugreifen.
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Auch die Aufzählung der unterschiedlichen Arten von zulässigen Nebenstimmungen in § 32 Abs 2 SGB X hindert nicht, eine eigenständige Regelung der Vorwegzahlung als zulässige Nebenbestimmung nach § 32 Abs 1 Alt 2 SGB X zu erkennen. Der Katalog in § 32 Abs 2 SGB X enthält keine auch für Abs 1 geltende abschließende Aufzählung der möglichen zulässigen Nebenbestimmungen(Krasney in Kasseler Kommentar zum Sozialrecht, 2012, § 32 RdNr 4; Engelmann in von Wulffen SGB X, 7. Aufl 2010, § 32 RdNr 30 mwN; s auch BSGE 62, 32 = SozR 4100 § 71 Nr 2, juris RdNr 33). Vielmehr richtet sich die im Einzelfall zulässige Nebenbestimmung nach der ermächtigenden Rechtsvorschrift, wie etwa § 6 Abs 4 BErzGG(idF des Tagesbetreuungsausbaugesetzes vom 27.12.2004, BGBl I 3852), oder der tatsächlichen Notwendigkeit eine Nebenbestimmung zu erlassen, um die gesetzlichen Voraussetzungen des jeweiligen VA sicherzustellen. Der erkennende Senat schließt sich daher bei der oben aufgezeigten Sachlage der Rechtsprechung von 4., 7. und 11. Senat des BSG an, wonach sich die Regelung des § 32 Abs 1 SGB X als die geeignete Grundlage für Vorwegzahlungen iS einer eigenständigen Nebenbestimmung erweist, wenn diese zur sachgerechten Erfüllung eines Gesetzesauftrags(BSGE 62, 32 = SozR 4100 § 71 Nr 2, juris RdNr 28 ff; BSGE 82, 183 = SozR 3-4100 § 71 Nr 2, juris RdNr 30, 32 ff; SozR 3-1300 § 45 Nr 5, juris RdNr 35; BSGE 67, 104 = SozR 3-1300 § 32 Nr 2, Leitsatz 3; SozR 3-1300 § 32 Nr 4, Leitsatz 2)erforderlich sind. Dies gilt jedenfalls bis zur Schaffung einer endgültigen gesetzlichen Grundlage für den Bereich der Regelungen über den Kinderzuschlag.
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Dabei darf die Nebenbestimmung allerdings nicht zu dem Zweck erlassen werden, die Leistungsbewilligung nur für den Fall aufrecht erhalten zu wollen, dass die Voraussetzungen für die Leistung erfüllt bleiben. Eine spätere Entwicklung kann regelmäßig nicht mit Nebenbestimmungen geregelt werden, wenn sie sich nicht bereits konkret abzeichnet. Denn dadurch würde die Regelung des § 48 SGB X umgangen(s BSGE 62, 32 = SozR 4100 § 71 Nr 2, juris RdNr 28; s auch Littmann in Hauck/Noftz SGB X § 32 RdNr 38, Stand 6/06). Die Nebenbestimmung muss zudem hinreichend bestimmt iS des § 33 SGB X sein, dh sie muss nach ihrem Regelungsgehalt in sich widerspruchsfrei sein und den Betroffenen bei Zugrundelegung der Erkenntnismöglichkeiten eines verständigen Empfängers in die Lage versetzen, die in ihr getroffene Rechtsfolge vollständig, klar und unzweideutig zu erkennen und sein Verhalten daran auszurichten(vgl BSGE 62, 32, 37 = SozR 4100 § 71 Nr 2, juris RdNr 23; BSGE 67, 104, 110 = SozR 3-1300 § 32 Nr 2, juris RdNr 34; BSGE 105, 194 = SozR 4-4200 § 31 Nr 2, RdNr 13 mwN; BSG SozR 4-4200 § 31 Nr 3 RdNr 16 mwN; BSG Urteil vom 15.12.2010 - B 14 AS 92/09 R - juris RdNr 18; BSGE 108, 289 ff = SozR 4-4200 § 38 Nr 2, RdNr 31; BSG vom 16.5.2012 - B 4 AS 154/11 R, SozR 4-1300 § 33 Nr 1 RdNr 16; s auch Engelmann in von Wulffen, SGB X, 7. Aufl 2010, § 32 RdNr 31; Krasney in Kasseler Kommentar zum Sozialrecht, 2012, § 32 SGB X RdNr 4). Soll ein Verwaltungsakt nur einstweilig wirken, müssen dem Adressaten Inhalt und Umfang der Vorläufigkeit hinreichend bestimmt iS des § 33 SGB X mitgeteilt werden. Das ist hier nicht der Fall.
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b) Die - dem Revisionsgericht obliegende - Auslegung des Verwaltungsaktes vom 24.11.2009 zeigt unter Berücksichtigung der Besonderheiten des materiellen Kinderzuschlagsrechts (BSG vom 16.5.2012 - B 4 AS 154/11 R, SozR 4-1300 § 33 Nr 1 RdNr 16; BSG SozR 4-5910 § 92c Nr 1 RdNr 11; vgl auch BSG SozR 4-1200 § 48 Nr 2 RdNr 15 zur nicht zulässigen Verfügung eines Gesamtbetrags bei Abzweigungen nach dem SGB I zu Gunsten eines Dritten, der mehreren Kindern des Leistungsempfängers Unterhalt gewährt), dass die Klägerin aus der Formulierung der Zahlung "unter Rückforderungsvorbehalt" keineswegs auf die nur vorläufige Leistungsgewährung, unter "Umgehung" des Vertrauensschutzes aus §§ 45, 48 SGB X, schließen musste. Ein derartiger bloßer "Rückforderungsvorbehalt" beinhaltet nicht zugleich auch eine Regelung einer "Vorwegzahlung".
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Die Nebenbestimmung eines Verwaltungsaktes muss so ausgelegt werden, wie sie nach dem objektiven, im Ausspruch geäußerten Erklärungswillen und Erklärungswert von einem verständigen Empfänger aufzufassen ist (BSGE 37, 155, 160 = SozR 4600 § 143f Nr 1; BSGE 62, 32 = SozR 4100 § 71 Nr 2, juris RdNr 23). Dem Wortlaut des Verfügungssatzes selbst kann im konkreten Fall kein Vorbehalt der Vorwegzahlung entnommen werden. Zur Bestimmung des Inhalts des Verfügungssatzes - der hier auf die Bewilligung von Kinderzuschlag für die beiden Kinder der Klägerin und den Zeitraum von November 2009 bis April 2010 in Höhe von monatlich 250 Euro unter dem Vorbehalt der Rückforderung lautet - ist zwar auch auf die beigefügte Begründung zurückzugreifen. Diese erschließt jedoch ebenso wenig die Vorläufigkeit der Bewilligung. Das SG hat insoweit zutreffend ausgeführt, dass die Beklagte mit der Formulierung: "Da Sie schwankendes Einkommen bzw Einkommen aus selbstständiger Tätigkeit beziehen, ist für die Berechnung der Höhe des zustehenden Kinderzuschlags zunächst das Durchschnittseinkommen der letzten drei Monate vor Antragstellung oder das Durchschnittseinkommen des letzten Bewilligungsabschnitts zugrunde gelegt worden" offensichtlich eine solche gewählt hat, die die konkrete Situation der Klägerin nicht traf. Auch aus dieser Formulierung war für die Klägerin jedoch nur zu schließen, dass im Falle einer später sich ergebenden anderen tatsächlichen Grundlage als der, die zum Zeitpunkt der Bewilligung bestand, mit einer Aufhebung der Leistungsbewilligung und Rückforderung der rechtswidrig bewilligten Leistungen zu rechnen war. Eine Verfügung der "Vorwegzahlung" oder nur vorläufigen Zahlung brauchte sie hieraus nicht zu erkennen. Auch durch den weiteren Text des Ausgangsbescheides wird nicht hinreichend deutlich, dass der Bewilligung die Berücksichtigung einer Einkommenssituation zugrunde gelegt worden ist, die nicht der realen für den Bewilligungszeitraum entsprach, weil die Höhe des Einkommens noch unbekannt und davon auszugehen war, dass die Prognose der Einkommensentwicklung zwar eine Bewilligung zuließ, gleichwohl eine, einen Vorbehalt rechtfertigende Unsicherheit bestand. Der Rückforderungsvorbehalt bezieht sich ausschließlich auf den Fall, dass das erzielte Einkommen tatsächlich höher ausfallen wird als das zugrunde gelegte und damit in der Folge zu einem teilweisen oder vollständigen Entfallen des Kinderzuschlagsanspruchs führen kann. Für diesen Fall hat die Beklagte im Bescheid vom 24.11.2009 angekündigt, die Rechtmäßigkeit der bewilligten Zahlung einer Überprüfung zu unterziehen, wenn die erforderlichen Unterlagen vorgelegt werden. Aus dieser Formulierung erschließt sich dem Adressanten zwar die Möglichkeit einer späteren Überprüfung, nicht jedoch einer nur vorläufigen Leistungsgewährung. Dass eine "Vorwegzahlung" für die Rückforderung eine Rechtsgrundlage bieten sollte - ohne Aufhebung des Bewilligungsbescheides -, war für die Klägerin aus dem Bescheidtext daher nicht zu erkennen. Eine derartige klare und eindeutige Regelung der "Vorwegzahlung" ist jedoch für einen darauf gestützten späteren Rückzahlungsanspruch zwingend erforderlich.
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Da es an einer Nebenbestimmung zur Vorwegzahlung im vorliegenden Fall mangelt, kommt es entgegen der Auffassung der Beklagten nicht mehr darauf an, dass die Klägerin den Bescheid vom 24.11.2009 und den darin enthaltenen Rückforderungsvorbehalt nicht mit einem Widerspruch angefochten hat, der bindend iS des § 77 SGG geworden ist. Zwar ist der Beklagten zuzugeben, dass auch nach der Rechtsprechung des erkennenden Senats im Rahmen der Überprüfung des Erstattungs- oder Rückforderungsbescheides der Anspruchsberechtigte nicht mehr damit gehört werden kann, die ursprüngliche Regelung hätte nicht unter einem Vorbehalt ergehen dürfen (vgl zu § 328 SGB III Eicher in Eicher/Schlegel, SGB III, RdNr 48 Stand XI/2011, § 328; BSG SozR 3-4100 § 147 Nr 1, juris RdNr 19; BSG SozR 4-4200 § 11 Nr 38, RdNr 15; s auch Hengelhaupt in Hauck/Noftz, § 328, RdNr 166, Stand 05/12; s auch zum Widerrufsvorbehalt BVerwG vom 21.11.1986 - 8 C 33/84, juris-RdNr 10, Buchholz 316, § 49 VwVfGNr 9). Wenn es jedoch bereits an einem einschlägigen Vorbehalt mangelt, auf den der Rückforderungsanspruch gegründet werden kann, kann sich die Beklagte - unabhängig davon, ob die Klägerin sich gegen diesen gewehrt hat - nicht darauf berufen.
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4. Die Beklagte kann ihre Erstattungsforderung auch nicht auf eine andere Rechtsgrundlage stützen.
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Der Ausgangsbescheid hat mit der Bekanntgabe (§ 39 Abs 1 SGB X) materielle Bestandkraft iS des § 39 Abs 2 SGB X erlangt. Die Beklagte muss den Bescheid vom 24.11.2009 also gegen sich gelten lassen, soweit sie ihn nicht später aufgehoben hat. Das ist hier jedoch nicht der Fall.
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a) Die Beklagte hat den Bescheid vom 24.11.2009 nicht aufgehoben. Sie gründet die Rückforderung nicht auf § 50 SGB X. Sie stützt sich im Gegenteil vielmehr auf den bindenden Bewilligungsbescheid vom 24.11.2009, mit dem Kinderzuschlag unter dem Vorbehalt der Rückforderung gemäß § 32 SGB X geleistet worden ist. Der insoweit eindeutige Wortlaut des Bescheides lässt keine andere - dem Revisionsgericht obliegende (BSGE 48, 56, 58 = SozR 2200 § 386a Nr 5; BSGE 62, 32, 36 = SozR 4100 § 71 Nr 2, juris RdNr 21) - Auslegung zu. Gegen diese Auslegung spricht nicht, dass die Beklagte in ihrem Anhörungsschreiben vom 28.4.2010 angekündigt hatte, die Bewilligung rückwirkend aufheben zu wollen. Im Wortlaut des Bescheides vom 1.7.2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.12.2010 kommt dies nicht zum Ausdruck. Er ist nicht auf die §§ 45 oder 48 SGB X iVm § 50 SGB X gestützt. Die Beklagte hat als ausdrückliche Rechtsgrundlage für das Rückforderungsbegehren den "Rückforderungsvorbehalt" gewählt.
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b) Bereits aus diesem Grunde kommt auch eine Umdeutung des Bescheides vom 1.7.2010 in einen solchen nach §§ 45 oder 48 iVm § 50 SGB X nicht in Betracht. Die Umdeutung eines fehlerhaften Verwaltungsakts in einen anderen Verwaltungsakt setzt nach § 43 Abs 1 SGB X voraus, dass der Verwaltungsakt, in den umgedeutet wird, auf das gleiche Ziel gerichtet ist, von der erlassenden Behörde in der geschehenen Verfahrensweise und Form rechtmäßig erlassen werden konnte und die Voraussetzungen für den Erlass dieses Verwaltungsaktes erfüllt sind. Dabei sind die Grundsätze des § 43 SGB X auch im gerichtlichen Verfahren anwendbar(so zuletzt BSG vom 24.2.2011 - B 14 AS 87/09 R - RdNr 20, BSGE 107, 255 = SozR 4-4200 § 60 Nr 1). Es kann hier dahinstehen, ob der Verwaltungsakt, in den der fehlerhafte Verwaltungsakt umzudeuten wäre, nicht schon der erkennbaren Absicht der Beklagten widerspräche (vgl § 43 Abs 2 S 1 Alt 1 SGB X). Der Rückforderungsvorbehalt im Ausgangsbescheid vom 24.11.2009 ist nach seinem Wortlaut nicht darauf gerichtet, eine Erstattung für den Fall der wesentlichen Änderung der Verhältnisse zu regeln.
Tenor
Der Bescheid vom 26.023.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.07.2013 wird aufgehoben. Der Beklagte trägt die außergerichtlichen Kosten der Klägerin dem Grunde nach.
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Tatbestand:
2Der am 00.00.0000 geborene Kläger ist verheiratet mit der am 00.00.0000 geborenen Frau F. Beide sind Eltern der am 00.00.0000 geborenen T. und der am 00.00.0000 geborenen T.
3Bei der erstmaligen Antragstellung bei der Beklagten gab der Kläger an, seine Frau erziele Einkommen aus selbständiger Tätigkeit, er selbst sowohl aus selbständiger als auch nichtselbständiger Tätigkeit. Die Wohnungsmiete belaufe sich auf 380,00 EUR die Nebenkosten inklusive Heizkosten beliefen sich auf 189,00 EUR. Der Kläger erhielt Wohngeld.
4Mit Bescheid vom 25.07.2012 lehnte die Beklagte die Bewilligung von Kinderzuschlag für den Zeitraum September 2011 bis Februar 2012 ab, da auch mit Kinderzuschlag eine Hilfebedürftigkeit nicht vermieden werde.
5Mit Schreiben vom 25.07.2012 forderte die Beklagte den Kläger zur Vorlage von weiteren Unterlagen zur Entscheidung über den Zeitraum ab März 2012 auf. So benötige sie eine Verdienstbescheinigung der L. ab Januar 2012, Nachweise betreffend das Einkommen aus selbständiger Tätigkeit von April 2012 bis Juni 2012 (Betriebseinnahmen und Betriebsausgaben) sowie eine Selbsteinschätzung betreffend das Einkommen aus selbständiger Tätigkeit für den Zeitraum Juli 2012 bis Dezember 2012. Die Beklagte wies hierbei auf die Mitwirkungspflichten nach § 60 des Ersten Buches des Sozialgesetzbuches – Allgemeiner Teil – (SGB I) hin.
6Gegen den Bescheid vom 25.07.2012 legte der Kläger Widerspruch ein. Er gab an, die Einkünfte seien unzutreffend berücksichtig worden. Er erhalte als angestellter Geschäftsführer der E. ein monatliches Nettogehalt von 600,00 EUR. Daneben erhalte er als Küster der Pfarre I. monatlich ein Nettoeinkommen von 310,00 EUR, seine Ehefrau monatlich 316,04 EUR netto. Das Wohngeld belaufe sich auf 300,00 EUR.
7Mit Bescheid vom 31.10.2012 bewilligte die Beklagte dem Kläger für seine beiden Kinder für die Zeit von März 2012 bis Dezember 2012 unter dem Vorbehalt der Rückforderung Kinderzuschlag in Höhe von monatlich 280,00 EUR. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein, da er die Auffassung vertrat, die Beklagte habe auch für den Zeitraum von August 2011 bis Februar 2012 Kinderzuschlag bewilligen müssen.
8Mit Schreiben vom 24.01.2013 forderte die Beklagte den Kläger zur Rücksendung des Fragebogens zur Prüfung des Anspruchs auf Kinderzuschlag, zur Vorlage von Nachweisen zu den Miet-, Heiz- und Nebenkosten im Jahr 2013, zur Vorlage von Lohnabrechnung von Juli 2012 bis aktuell aus der Tätigkeit bei der Pfarre I., zur Vorlage eines Nachweises betreffend die Geschäftsführerbezüge von Juni 2012 bis aktuell, zur Vorlage einer betriebswirtschaftlichen Auswertung von März 2012 bis Dezember 2012 sowie eine Prognose betreffend die Zeit von Januar 2013 bis Juni 2013, zur Vorlage von Lohnabrechnungen der Ehefrau für die Zeit von März 2012 bis aktuell sowie zur Vorlage des Wohngeldbescheides 2012/2013 auf. Dem Kläger wurde eine Frist bis zum 07.02.2013 gesetzt.
9Mit Widerspruchsbescheid vom 25.02.2013 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 25.07.2012 als unbegründet zurück.
10Mit Bescheid vom 26.02.2013 hob der Beklagte die Bewilligung von Kinderzuschlag für die Zeit von März 2012 bis Dezember 2012 auf Grundlage von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 des Zehnten Buches der Sozialgesetzbuches – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) auf. Der Kläger habe die erforderlichen Nachweise zur Überprüfung der rechtmäßigen Zahlung des Kinderzuschlags im oben genannten Bewilligungsabschnitt nicht vorgelegt. Es bestünden daher für diesen Zeitraum keine sicheren Erkenntnisse über das Vorliegen der Anspruchsvoraussetzungen. Besondere Umstände, nach denen von einer Aufhebung für die Vergangenheit abgesehen werden könnte, lägen nicht vor. Es sei daher Kinderzuschlag in Höhe von 2.800,00 EUR zu Unrecht gezahlt worden. Dieser Betrag werde nach § 50 SGB X zurückgefordert.
11Mit weiterem Bescheid vom 26.02.2013 versagte die Beklagte die Bewilligung von Leistungen für den Zeitraum ab dem 01.01.2013 nach § 66 SGB I.
12Am 27.03.2013 legte der Kläger Widerspruch gegen den Rückforderungsbescheid vom 26.02.2013 ein. Eine Begründung des Widerspruchs erfolgte – trotz gegenteiliger Ankündigung – nicht.
13Am 15.05.2013 stellte der Kläger erneut einen Antrag auf Bewilligung von Kinderzuschlag.
14Mit Widerspruchsbescheid vom 17.07.2013 wies die Beklagte den Widerspruch gegen den Bescheid vom 26.02.2013 als unbegründet zurück.
15Am 07.08.2013 hat der Kläger Klage erhoben. Eine Begründung der Klage ist nicht erfolgt.
16Der Kläger beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
17den Bescheid vom 26.02.2013 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 17.07.2013 aufzuheben.
18Die Beklagte beantragt,
19die Klage abzuweisen.
20Am 18.02.2014 hat ein Termin zur mündlichen Verhandlung stattgefunden, an dem der ordnungsgemäß geladene Kläger, dessen persönliches Erscheinen nicht angeordnet gewesen ist, nicht teilgenommen hat.
21Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die beigezogene Verwaltungsakte sowie die Gerichtsakte Bezug genommen, deren wesentlicher Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist.
22Entscheidungsgründe:
23Die zulässige Klage ist begründet. Der Kläger ist durch die angefochtenen Bescheide gemäß § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG) in seinen Rechten verletzt, da die Bescheide rechtswidrig sind.
24Es fehlt an der für eine Aufhebung des Bescheides vom 31.10.2012 erforderlichen Rechtsgrundlage. Insbesondere liegen – entgegen der Annahme der Beklagten – die Voraussetzungen der Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung gemäß § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches – Sozialverwaltungsverfahren und Sozialdatenschutz – (SGB X) nicht vor.
25Zwar ist der Kläger einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Verhältnisse nach Auffassung der Kammer mindestens grob fahrlässig nicht nachgekommen. Der Kläger ist mehrfach, zutreffend und nach Auffassung der Kammer unmissverständlich (vgl. dazu Merten, in: Hauck/Noftz, SGB X, Erg.-Lieferung 3/13 Dezember 2013, § 48 Rn. 39) darauf hingewiesen worden, dass ihn gemäß § 60 des Ersten Buch des Sozialgesetzbuches – Allgemeiner Teil – (SGB I) die Obliegenheit trifft, auf Anforderung Unterlagen vorzulegen, die für das Bestehen oder die Höhe des Anspruchs von Bedeutung sein können. Dieser Obliegenheit ist er nicht nachgekommen. Hierbei liegt auch der vom Bundessozialgericht (BSG) geforderte "Pflichtwidrigkeitszusammenhang" zur Leistungserbringung vor (vgl. dazu BSG Urteil vom 09.02.2006 – B 7a AL 58/05 R = juris Rn. 17; Waschull, in: LPK-SGB X, 3. Aufl. 2011, § 48 Rn. 64).
26Voraussetzung für die Aufhebung eines – ursprünglich rechtmäßigen - Verwaltungsaktes nach § 48 SGB X ist aber nach Abs. 1 Satz 1, dass eine wesentliche Änderung in den Verhältnissen, die beim Erlass des Verwaltungsaktes vorgelegen haben, eingetreten ist. Das Vorliegen der Voraussetzungen des Satz 1 ist – dies macht schon der Wortlaut der Norm deutlich – zwingende Voraussetzung für eine Anwendung des Satzes 2 (Aufhebung auch für die Vergangenheit).
27Die objektive Beweislast bzw. Feststellungslast für die wesentliche Änderung trägt – nach allgemeiner (sozial-)verwaltungsgerichtlicher Dogmatik - derjenige, der sich darauf beruft (vgl. hierzu schon BSG Urteil vom 24.10.1957 – 10 RV 945/55 = juris ; vgl. auch BSG Urteil vom 10.09.2013 - B 4 AS 89/12 R = juris; Steinwedel, in: Kasseler Kommentar Sozialversicherungsrecht, 76. Erg.-Lieferung Dezember 2012, § 48 Rn. 23; Schütze, in: von Wulffen, SGB X, 7. Aufl. 2010. § 48 Rn. 9; Merten, in: Hauck/Noftz, SGB X, Erg.-Lieferung 3/13 Dezember 2013, § 48 Rn. 29).
28Dies ist vorliegend die Beklagte.
29Ist die wesentliche Änderung nachgewiesen, käme – beim Vorliegen der Voraussetzungen des § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 2 – eine Aufhebung in Betracht, s o w e i t der Betroffene der durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen nicht nachgekommen ist.
30Im vorliegenden Fall hat die Beklagte das Vorliegen einer wesentlichen Änderung weder dem Grunde nach, noch der Höhe nach nachgewiesen. Die Beklagte hat keine Kenntnisse ob – und ggf. in welchem Umfang – eine Änderung der Einkommensverhältnisse beim Kläger vorgelegen hat. Sie schließt aus der Nichtvorlage der erbetenen Unterlagen vielmehr, dass die tatbestandlichen Voraussetzungen für die Bewilligung von Kinderzuschlag im streitigen Zeitraum nicht vorgelegen haben. Damit geht die Beklagte von einer Beweislastumkehr dergestalt aus, dass nunmehr nicht sie nachweisen muss, dass und in welcher Höhe die Voraussetzungen für die Bewilligung von Kinderzuschlag nicht mehr vorliegen. Die Beweislast, dass die Voraussetzungen weiterhin vorliegen, treffe nun vielmehr den Kläger.
31Nun ist in der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts in bestimmten Fallkonstellationen durchaus eine Beweislastumkehr anerkannt worden. Dies waren in der Tat auch Fälle, in denen der Gegner der beweisbelasteten Partei den Beweis vereitelt oder erschwert oder die Beweisführung unmöglich ist, weil die zu beweisenden Tatsachen sich im Bereich des Gegners abgespielt haben und dieser an der ihm möglichen Sachverhaltsaufklärung nicht oder nicht rechtzeitig mitgewirkt hat (vgl. etwa BSG Urteil vom 07.07.2005 – B 3 P 8/04 R = juris; auch BSG Urteil vom 02.09.2004 – B 7 AL 88/03 = juris). So etwa ausdrücklich in einem solchen Fall, in dem der Kläger bei Antragstellung Angaben, die in seiner Verantwortungssphäre lagen bei Antragstellung nicht angegeben hatte und diese nun – nach gewisser Zeit – nicht mehr aufklärbar waren (vgl. BSG Urteil vom 24.05.2006 B 11a AL 7/05 R = juris Rn. 33). Das Bundessozialgericht hat in diesen Fällen nach Auffassung der Kammer aber hinreichend deutlich zum Ausdruck gebracht, dass es sich hierbei aber nur um besonders gelagerte Einzelfälle handeln kann.
32Eine entsprechende Sonderkonstellation liegt hier nach Auffassung der Kammer hier nicht vor.
33Der Beklagte hat im vorliegenden Fall mit Bescheid vom 31.10.2012 dem Kläger aufgrund dessen Angaben für seine beiden Kinder für einen Zeitraum von insgesamt zehn Monaten Leistungen unter dem "Vorbehalt der Rückforderung" (dazu unten) in Höhe von monatlich 280,00 EUR bewilligt. Nach Auffassung der Kammer war – bei erkennbar unzureichender Darlegung der Einkommensverhältnisse – eine Bewilligung für einen solch langen Zeitraum nicht zwingend. Die Beklagte hat damit nach Auffassung der Kammer mit zu dem Dilemma beigetragen, in dem sie sich zum Zeitpunkt der Aufhebungsentscheidung befand. In einer solchen Situation erscheint die Annahme einer Beweislastumkehr der Kammer nicht angezeigt.
34Die Beklagte hat somit schon die Änderung der wesentlichen Verhältnisse nicht nachgewiesen. Es ist auch nicht erkennbar, in welchem Umfang – bei ordnungsgemäßer Mitteilung der Einkommensverhältnisse – ein Anspruch des Klägers noch bestanden hätte oder nicht.
35Vor diesem Hintergrund scheitert auch die Aufhebung auf Grundlage etwa von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 SGB X.
36Die Anwendung von § 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 SGB X scheidet ebenfalls aus. Der Kläger hat nicht etwa grob fahrlässig verkannt, dass er keinen Anspruch mehr hatte.
37Die Aufhebung des Bescheides war damit rechtwidrig. Der entsprechende Aufhebungsbescheid in Gestalt des Widerspruchsbescheides war daher seinerseits durch die Kammer aufzuheben.
38Die Kammer verkennt bei alledem nicht die schwierige Situation, in der sich die Beklagte aufgrund der unzureichenden materiell-rechtlichen Grundlage des BKGG befindet. Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil vom 02.11.2012 (B 4 KG 2/11 R) diese Situation zutreffend wie folgt beschrieben:
39"So ist der Leistungsträger nach § 17 Abs. 1 Nr. 1 SGB I verpflichtet, darauf hinzuwirken, dass jeder Berechtigte die ihm zustehenden Sozialleistungen in zeitgemäßer Weise, umfassend und zügig erhält. Auf Seiten der Leistungsberechtigten gilt, dass der Kinderzuschlag der Existenzsicherung i.S. des Art 1 Abs. 1 i.V.m. Art 20 Abs. 1 GG dient und damit der entstandene Bedarf umgehend gedeckt werden muss. Eine Verwirklichung dessen stößt jedoch häufig auf praktische Schwierigkeiten. Die Gewährung von Kinderzuschlag ist nach § 6a Abs. 1 BKGG von der Höhe des Einkommens des Antragstellers abhängig. Nach § 6a BKGG in der Neufassung des Bundeskindergeldgesetzes vom 28.1.2009 (BGBl. I 142) ist das "Einkommensfenster", in dem entweder ein Anspruch auf Kinderzuschlag besteht, mit dem Hilfebedürftigkeit i.S. des SGB II vermieden wird oder bei Unterschreitung der Mindesteinkommensgrenze ein Leistungsanspruch zur Sicherung des Lebensunterhalts aus der Grundsicherung für Arbeitsuchende gegeben ist, sehr eng. Ohne konkrete Berechnungen im Einzelfall kann deshalb - zumindest bei schwankendem Einkommen - in der Regel nicht mit hinreichender Sicherheit prognostiziert werden, ob ein Anspruch auf Kinderzuschlag besteht. Hieraus folgt das Bedürfnis einer Bewilligung dieser Leistung bereits vor Abschluss aller notwendigen Ermittlungen zur Einkommenshöhe zu ermöglichen. § 6a BKGG trifft jedoch keine Regelung für eine solche "Vorwegzahlung". Er enthält anders als das SGB II (§ 40 Abs. 2 Nr. 1 SGB II) keinen Verweis auf § 328 SGB III, obwohl das Recht des Kinderzuschlags gerade dazu dient, Leistungen nach dem SGB II zu vermeiden und die Berechnung der Leistung über die Regeln der Einkommensberücksichtigung zwischen SGB II und § 6a BKGG in Teilbereichen identisch ist (s nur BSGE 108, 144 = SozR 4-5870 § 6a Nr. 2, RdNr. 13)."
40Diese materiell-rechtlich in der Tat unbefriedigende Ausgangslage nimmt das Bundessozialgericht nun zum Anlass, dem Leistungsträger die Möglichkeit einer Befugnis zur Vorwegzahlung im Wege einer Nebenbestimmung nach § 32 Abs. 1 SGB X aufzuzeigen. Dies erscheint der Kammer dogmatisch bedenklich, ist doch eine entsprechende Zulassung durch Rechtsvorschrift nicht erkennbar (§32 Abs. 1 Alt. 1 SGB X). Dass durch die Nebenbestimmung einer Vorwegzahlung sichergestellt würde, dass die gesetzlichen Voraussetzungen des Verwaltungsakts erfüllt würde (§ 32 Abs. 1 Alt. 2 SGB X) sieht die Kammer ebenfalls nicht, werden hier doch Leistungen bewilligt, ohne dass feststünde, dass überhaupt ein Anspruch besteht (str, vgl. zum Streitstand etwa Burkiczak in: jurisPK-SGB X, § 32 Rn.84 ff.)
41Auch das Bundessozialgericht hat hinsichtlich der dogmatischen Tragfähigkeit der Konstruktion offensichtlich Bedenken, führt es in der genannten Entscheidung doch aus, diese Möglichkeit bestünde, "jedenfalls bis zur Schaffung einer endgültigen gesetzlichen Grundlage für den Bereich der Regelungen über den Kinderzuschlag" (BSG Urteil vom 02.11.2012 – B 4 KG 2/11 R = juris Rn. 16 a.E.).
42Eine Anpassung der Regelungen durch den Gesetzgeber ist im vorliegenden Fall auch nach Auffassung der Kammer der einzig gangbare Weg, die unstreitig vorhandenen Schwierigkeiten der Beklagten aus dem Weg zu räumen. Der Gesetzgeber ist dringend gefordert, den Leistungsträgern nach dem BKGG die Möglichkeit der vorläufigen Bewilligung von Leistungen einzuräumen, wie dies im Bereich der Grundsicherung für Arbeitsuchende durch den Verweis auf § 328 des Dritten Buches des Sozialgesetzbuches – Arbeitsförderung – (SGB III) bereits geschehen ist (so zutreffend BSG Urteil vom 02.11.2012 – B 4 KG 2/11 R = juris).
43Im vorliegenden Fall vermag die Kammer – wie oben ausgeführt – keine Rechtsgrundlage zu erkennen, aufgrund derer die Aufhebung des Bewilligungsbescheides Bestand haben könnte. Nach alledem waren die angefochtenen Bescheide aufzuheben. Eine Rückforderung nach § 50 Abs. 1 SGB X kam damit auch nicht in Betracht.
44Die Kammer konnte die Streitsache auch in Abwesenheit des Klägers entscheiden, ohne seinen Anspruch auf rechtliches Gehör (§ 62 SGG) zu verletzen. Der Kläger war zum Termin ordnungsgemäß geladen und gemäß § 110 Abs. 1 Satz 2 SGG auf die Möglichkeit der Entscheidung nach Aktenlage in seiner Abwesenheit hingewiesen worden.
45Die Kostenentscheidung beruht auf einer Anwendung von §§ 183, 193 SGG.
46Rechtsmittelbelehrung:
47Dieses Urteil kann mit der Berufung angefochten werden.
48Die Berufung ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils beim
49Landessozialgericht Nordrhein-Westfalen, Zweigertstraße 54, 45130 Essen,
50schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle einzulegen.
51Die Berufungsfrist ist auch gewahrt, wenn die Berufung innerhalb der Frist bei dem
52Sozialgericht Aachen, Adalbertsteinweg 92, 52070 Aachen,
53schriftlich oder mündlich zur Niederschrift des Urkundsbeamten der Geschäftsstelle eingelegt wird.
54Die Berufungsschrift muss bis zum Ablauf der Frist bei einem der vorgenannten Gerichte eingegangen sein. Sie soll das angefochtene Urteil bezeichnen, einen bestimmten Antrag enthalten und die zur Begründung dienenden Tatsachen und Beweismittel angeben.
55Die Einreichung in elektronischer Form erfolgt durch die Übertragung des elektronischen Dokuments in die elektronische Poststelle. Diese ist über die Internetseite www.sg-aachen.nrw.de erreichbar. Die elektronische Form wird nur gewahrt durch eine qualifiziert signierte Datei, die den Maßgaben der Verordnung über den elektronischen Rechtsverkehr bei den Sozialgerichten im Lande Nordrhein-Westfalen (ERVVO SG) vom 07.11.2012 (GV.NRW, 551) entspricht. Hierzu sind die elektronischen Dokumente mit einer qualifizierten Signatur nach § 2 Nummer 3 des Signaturgesetzes vom 16.05.2001 (BGBl. I, 876) in der jeweils geltenden Fassung zu versehen. Die qualifizierte elektronische Signatur und das ihr zugrunde liegende Zertifikat müssen durch das Gericht überprüfbar sein. Auf der Internetseite www.justiz.nrw.de sind die Bearbeitungsvoraussetzungen bekanntgegeben.
56Zusätzlich wird darauf hingewiesen, dass einem Beteiligten auf seinen Antrag für das Verfahren vor dem Landessozialgericht unter bestimmten Voraussetzungen Prozesskostenhilfe bewilligt werden kann.
57Gegen das Urteil steht den Beteiligten die Revision zum Bundessozialgericht unter Übergehung der Berufungsinstanz zu, wenn der Gegner schriftlich zustimmt und wenn sie von dem Sozialgericht auf Antrag durch Beschluss zugelassen wird. Der Antrag auf Zulassung der Revision ist innerhalb eines Monats nach Zustellung des Urteils bei dem Sozialgericht Aachen schriftlich zu stellen. Die Zustimmung des Gegners ist dem Antrag beizufügen.
58Lehnt das Sozialgericht den Antrag auf Zulassung der Revision durch Beschluss ab, so beginnt mit der Zustellung dieser Entscheidung der Lauf der Berufungsfrist von neuem, sofern der Antrag auf Zulassung der Revision in der gesetzlichen Form und Frist gestellt und die Zustimmungserklärung des Gegners beigefügt war.
59Die Einlegung der Revision und die Zustimmung des Gegners gelten als Verzicht auf die Berufung, wenn das Sozialgericht die Revision zugelassen hat.
(1) Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit
- 1.
die Änderung zugunsten des Betroffenen erfolgt, - 2.
der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist, - 3.
nach Antragstellung oder Erlass des Verwaltungsaktes Einkommen oder Vermögen erzielt worden ist, das zum Wegfall oder zur Minderung des Anspruchs geführt haben würde, oder - 4.
der Betroffene wusste oder nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der sich aus dem Verwaltungsakt ergebende Anspruch kraft Gesetzes zum Ruhen gekommen oder ganz oder teilweise weggefallen ist.
(2) Der Verwaltungsakt ist im Einzelfall mit Wirkung für die Zukunft auch dann aufzuheben, wenn der zuständige oberste Gerichtshof des Bundes in ständiger Rechtsprechung nachträglich das Recht anders auslegt als die Behörde bei Erlass des Verwaltungsaktes und sich dieses zugunsten des Berechtigten auswirkt; § 44 bleibt unberührt.
(3) Kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt nach § 45 nicht zurückgenommen werden und ist eine Änderung nach Absatz 1 oder 2 zugunsten des Betroffenen eingetreten, darf die neu festzustellende Leistung nicht über den Betrag hinausgehen, wie er sich der Höhe nach ohne Berücksichtigung der Bestandskraft ergibt. Satz 1 gilt entsprechend, soweit einem rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakt ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt zugrunde liegt, der nach § 45 nicht zurückgenommen werden kann.
(4) § 44 Abs. 3 und 4, § 45 Abs. 3 Satz 3 bis 5 und Abs. 4 Satz 2 gelten entsprechend. § 45 Abs. 4 Satz 2 gilt nicht im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nr. 1.
(1) Soweit ein Verwaltungsakt, der ein Recht oder einen rechtlich erheblichen Vorteil begründet oder bestätigt hat (begünstigender Verwaltungsakt), rechtswidrig ist, darf er, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, nur unter den Einschränkungen der Absätze 2 bis 4 ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft oder für die Vergangenheit zurückgenommen werden.
(2) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt darf nicht zurückgenommen werden, soweit der Begünstigte auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat und sein Vertrauen unter Abwägung mit dem öffentlichen Interesse an einer Rücknahme schutzwürdig ist. Das Vertrauen ist in der Regel schutzwürdig, wenn der Begünstigte erbrachte Leistungen verbraucht oder eine Vermögensdisposition getroffen hat, die er nicht mehr oder nur unter unzumutbaren Nachteilen rückgängig machen kann. Auf Vertrauen kann sich der Begünstigte nicht berufen, soweit
- 1.
er den Verwaltungsakt durch arglistige Täuschung, Drohung oder Bestechung erwirkt hat, - 2.
der Verwaltungsakt auf Angaben beruht, die der Begünstigte vorsätzlich oder grob fahrlässig in wesentlicher Beziehung unrichtig oder unvollständig gemacht hat, oder - 3.
er die Rechtswidrigkeit des Verwaltungsaktes kannte oder infolge grober Fahrlässigkeit nicht kannte; grobe Fahrlässigkeit liegt vor, wenn der Begünstigte die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat.
(3) Ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung kann nach Absatz 2 nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Satz 1 gilt nicht, wenn Wiederaufnahmegründe entsprechend § 580 der Zivilprozessordnung vorliegen. Bis zum Ablauf von zehn Jahren nach seiner Bekanntgabe kann ein rechtswidriger begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nach Absatz 2 zurückgenommen werden, wenn
- 1.
die Voraussetzungen des Absatzes 2 Satz 3 Nr. 2 oder 3 gegeben sind oder - 2.
der Verwaltungsakt mit einem zulässigen Vorbehalt des Widerrufs erlassen wurde.
(4) Nur in den Fällen von Absatz 2 Satz 3 und Absatz 3 Satz 2 wird der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Vergangenheit zurückgenommen. Die Behörde muss dies innerhalb eines Jahres seit Kenntnis der Tatsachen tun, welche die Rücknahme eines rechtswidrigen begünstigenden Verwaltungsaktes für die Vergangenheit rechtfertigen.
(5) § 44 Abs. 3 gilt entsprechend.
(1) Soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist, sind bereits erbrachte Leistungen zu erstatten. Sach- und Dienstleistungen sind in Geld zu erstatten.
(2) Soweit Leistungen ohne Verwaltungsakt zu Unrecht erbracht worden sind, sind sie zu erstatten. §§ 45 und 48 gelten entsprechend.
(2a) Der zu erstattende Betrag ist vom Eintritt der Unwirksamkeit eines Verwaltungsaktes, auf Grund dessen Leistungen zur Förderung von Einrichtungen oder ähnliche Leistungen erbracht worden sind, mit fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz jährlich zu verzinsen. Von der Geltendmachung des Zinsanspruchs kann insbesondere dann abgesehen werden, wenn der Begünstigte die Umstände, die zur Rücknahme, zum Widerruf oder zur Unwirksamkeit des Verwaltungsaktes geführt haben, nicht zu vertreten hat und den zu erstattenden Betrag innerhalb der von der Behörde festgesetzten Frist leistet. Wird eine Leistung nicht alsbald nach der Auszahlung für den bestimmten Zweck verwendet, können für die Zeit bis zur zweckentsprechenden Verwendung Zinsen nach Satz 1 verlangt werden; Entsprechendes gilt, soweit eine Leistung in Anspruch genommen wird, obwohl andere Mittel anteilig oder vorrangig einzusetzen sind; § 47 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 bleibt unberührt.
(3) Die zu erstattende Leistung ist durch schriftlichen Verwaltungsakt festzusetzen. Die Festsetzung soll, sofern die Leistung auf Grund eines Verwaltungsakts erbracht worden ist, mit der Aufhebung des Verwaltungsaktes verbunden werden.
(4) Der Erstattungsanspruch verjährt in vier Jahren nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Verwaltungsakt nach Absatz 3 unanfechtbar geworden ist. Für die Hemmung, die Ablaufhemmung, den Neubeginn und die Wirkung der Verjährung gelten die Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs sinngemäß. § 52 bleibt unberührt.
(5) Die Absätze 1 bis 4 gelten bei Berichtigungen nach § 38 entsprechend.
Das Verfahren vor den Gerichten der Sozialgerichtsbarkeit ist für Versicherte, Leistungsempfänger einschließlich Hinterbliebenenleistungsempfänger, behinderte Menschen oder deren Sonderrechtsnachfolger nach § 56 des Ersten Buches Sozialgesetzbuch kostenfrei, soweit sie in dieser jeweiligen Eigenschaft als Kläger oder Beklagte beteiligt sind. Nimmt ein sonstiger Rechtsnachfolger das Verfahren auf, bleibt das Verfahren in dem Rechtszug kostenfrei. Den in Satz 1 und 2 genannten Personen steht gleich, wer im Falle des Obsiegens zu diesen Personen gehören würde. Leistungsempfängern nach Satz 1 stehen Antragsteller nach § 55a Absatz 2 Satz 1 zweite Alternative gleich. § 93 Satz 3, § 109 Abs. 1 Satz 2, § 120 Absatz 1 Satz 2 und § 192 bleiben unberührt. Die Kostenfreiheit nach dieser Vorschrift gilt nicht in einem Verfahren wegen eines überlangen Gerichtsverfahrens (§ 202 Satz 2).
(1) Das Gericht hat im Urteil zu entscheiden, ob und in welchem Umfang die Beteiligten einander Kosten zu erstatten haben. Ist ein Mahnverfahren vorausgegangen (§ 182a), entscheidet das Gericht auch, welcher Beteiligte die Gerichtskosten zu tragen hat. Das Gericht entscheidet auf Antrag durch Beschluß, wenn das Verfahren anders beendet wird.
(2) Kosten sind die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Aufwendungen der Beteiligten.
(3) Die gesetzliche Vergütung eines Rechtsanwalts oder Rechtsbeistands ist stets erstattungsfähig.
(4) Nicht erstattungsfähig sind die Aufwendungen der in § 184 Abs. 1 genannten Gebührenpflichtigen.