Oberverwaltungsgericht des Saarlandes Beschluss, 22. Jan. 2019 - 1 B 322/18

bei uns veröffentlicht am22.01.2019

Tenor

Die Beschwerde gegen den Beschluss des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 5. November 2018 - 3 L 1163/18 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Beschwerdeverfahrens fallen dem Antragsteller zur Last.

Der Streitwert wird für beide Instanzen auf 663,60 EUR festgesetzt.

Gründe

Die am 19.11.2018 eingegangene Beschwerde des Antragstellers gegen den im Tenor näher bezeichneten, dem Antragsteller am 8.11.2018 zugestellten Beschluss des Verwaltungsgerichts ist zulässig, hat aber in der Sache keinen Erfolg.

Durch den angefochtenen Beschluss hat das Verwaltungsgericht den auf § 80 Abs. 5 VwGO gestützten Antrag, die „Aussetzung der Vollstreckung des Gebührenbescheides des Antragsgegners vom 10.01.2014 anzuordnen“, seinem Sinn entsprechend der Sache nach zutreffend als Antrag auf Anordnung der aufschiebenden Wirkung der vom Antragsteller gleichzeitig gegen den vorgenannten Gebührenbescheid erhobenen Anfechtungsklage ausgelegt (§ 88 VwGO) und diesen für zulässig erachtet. Insoweit ist das Verwaltungsgericht im Anschluss an den Beschluss des erkennenden Senats vom 18.4.2018 – 1 B 23/18 –(veröffentlicht in juris), mit dem dieser dem Antragsgegner die Vollstreckung aus dem Gebührenbescheid vom 10.1.2014 mangels Vorliegens notwendiger Vollstreckungsvoraussetzungen einstweilen untersagt hat, davon ausgegangen, dass der Antragsteller gegen den Bescheid fristwahrend im Sinne des § 70 Abs. 1 VwGO Widerspruch erhoben hat.

In der Sache hat das Verwaltungsgericht den verfahrensgegenständlichen Antrag auf Gewährung vorläufigen Rechtsschutzes als unbegründet angesehen, da die Anordnung der aufschiebenden Wirkung gegen einen Heranziehungsbescheid zu öffentlichen Abgaben voraussetze, dass an seiner Rechtmäßigkeit ernstliche Zweifel bestehen oder die Vollziehung für den Abgabenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte, diese Voraussetzungen fallbezogen aber nicht erfüllt seien. Der angefochtene Bescheid finde seine Rechtsgrundlage in der aufgrund der §§ 12 KSVG, 2, 4, 6 KAG erlassenen Abwassersatzung der Gemeinde A-Stadt vom 20.12.2006 in Verbindung mit den §§ 2, 3, 4, 8 ff. und der Anlage I (Abwassergebührenverzeichnis) der Abwassergebührensatzung vom 19.11.2012 bezüglich der Kanalbenutzungsgebühren (Schmutzwassergebühr und Niederschlagswassergebühr) sowie hinsichtlich der Heranziehung zu Wassergebühren in der Wasserversorgungssatzung vom 22.11.2010 in Verbindung mit der Wassergebührensatzung vom 22.7.2010, hinsichtlich deren Rechtsgültigkeit Bedenken weder bestünden noch vorgetragen seien. Das Vorbringen des Antragstellers, der die dem angefochtenen Gebührenbescheid zugrunde gelegten Verbrauchswerte bestreite und im Übrigen davon ausgehe, hinsichtlich des Bescheides seien sowohl Verjährung als auch Verwirkung eingetreten, verfange nicht.

Maßgebend für die Wasserbezugsgebühr sei die von der Messeinrichtung als Wasserverbrauch gemessene Wassermenge (§ 21 Wasserversorgungssatzung in Verbindung mit § 2 Wassergebührensatzung), und für die Berechnung der Schmutzwassergebühren sei gemäß § 3 Abs. 3 der Abwassergebührensatzung auf die Wassermenge abzustellen, die sich aus den Messungen der Wasserzähler der jeweiligen Versorgungsunternehmen sowie anderer gleichwertiger Messeinrichtungen ergibt. Hinsichtlich des demnach maßgeblichen gemessenen Wasserbezugs gingen das Oberverwaltungsgericht des Saarlandes und ihm folgend die erkennende Kammer davon aus, dass die von geeichten Messeinrichtungen angezeigte Menge des den öffentlichen Versorgungsanlagen entnommenen Wassers maßgeblich sei und die Richtigkeit der Anzeige der Messeinrichtungen in aller Regel nicht mehr in Zweifel gezogen werden könne, insbesondere dann, wenn ein Antragsteller bezüglich der betreffenden Entnahmestelle niemals Beanstandungen hinsichtlich der Richtigkeit der Messungen des Wasserzählers geltend gemacht hat. Hiervon ausgehend sei eine weitere Sachverhaltsermittlung fallbezogen auch in Anbetracht des Amtsermittlungsgrundsatzes nicht geboten.

Auch seien weder die Voraussetzungen der Verjährung noch die der Verwirkung gegeben. Das aus dem Grundsatz von Treu und Glauben abgeleitete Institut der Verwirkung habe zwei tatbestandliche Voraussetzungen, die kumulativ vorliegen müssten. Zum einen müsse das verbürgte Recht über längere Zeit nicht geltend gemacht worden sein, nachdem dies dem Rechtsinhaber möglich war (Zeitmoment), und zum anderen müssten besondere Umstände hinzutreten, welche die verspätete Geltendmachung als Verstoß gegen Treu und Glauben erscheinen lassen (Umstandsmoment). Im vorliegenden Fall fehle es schon an einem unangemessenen Zeitablauf im Hinblick auf die Geltendmachung der verfahrensgegenständlichen Gebühren. Ein Anhaltspunkt für die Konkretisierung des Zeitmoments ergebe sich nach der neueren Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts aus den allgemeinen Verjährungsvorschriften. Mit Blick auf die gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 4b KAG in Verbindung mit §§ 169 Abs. 2, 170 Abs. 1 AO im Kanalbenutzungs- und Wasserbezugsgebührenrecht geltende vierjährige Verjährungsfrist, die fallbezogen für die im Jahre 2013 angefallenen Gebühren mit dem 1.1.2014 begonnen habe und erst am 31.12.2017 abgelaufen wäre, demgemäß durch den im November 2017 bekannt gegebenen Festsetzungsbescheid vom 10.1.2014 gewahrt worden sei, müsse davon ausgegangen werden, dass nur der Zeitablauf relevant sein könne, der einem Mehrfachen des Verjährungszeitraums entspricht. Danach sei eine Verwirkung schon wegen des Zeitmoments ersichtlich nicht eingetreten. Im Übrigen könne nach den von der Rechtsprechung zur Verwirkung im Abgabenrecht entwickelten Grundsätzen eine Verwirkung nur dann in Betracht kommen, wenn zusätzlich zu einem unangemessenen Zeitablauf die Gemeinde durch ihr Verhalten dem Abgabepflichtigen gegenüber zum Ausdruck gebracht hat, dass sie Abgaben nicht mehr erheben wird, wobei letzteres durch ein positives Verhalten, etwa eine Verzichtshandlung oder eine entsprechende Auskunft, erfolgen müsse. Dafür sei hier nichts vorgetragen oder sonst ersichtlich.

Ferner sei nicht erkennbar, dass der Antragsteller im Vertrauen darauf, zu den Gebühren nicht mehr herangezogen zu werden, nicht mehr rückgängig zu machende Dispositionen getroffen hat und ihm deshalb durch die Gebührenzahlung ein unzumutbarer Nachteil entstehen würde. Anhaltspunkte für eine Unbilligkeit der Vollziehung des Bescheides im Sinne von § 80 Abs. 4 Satz 3 VwGO bestünden ebenfalls nicht.

Das Vorbringen des Antragstellers in seiner mit der Beschwerdeschrift eingegangenen Beschwerdebegründung, das nach § 146 Abs. 4 Satz 6 VwGO den Umfang der vom Senat vorzunehmenden Prüfung begrenzt, gibt keine Veranlassung, die erstinstanzliche Entscheidung abzuändern.

Soweit sich das Beschwerdevorbringen des Antragstellers, den erstinstanzlichen Vortrag insoweit wiederholend, auf den Zeitpunkt der Bekanntgabe des Gebührenbescheides vom 10.1.2014 bezieht, sind Ausführungen hierzu nicht veranlasst, nachdem das Verwaltungsgericht in dem angefochtenen Beschluss vom 5.11.2018 in Übereinstimmung mit der im Beschluss des Senats vom 18.4.2018 – 1 B 23/18 – zum Ausdruck kommenden Auffassung von einer Bekanntgabe des Gebührenbescheides erst im November 2017 und dem entsprechend von einer rechtzeitigen Widerspruchserhebung am 10.11.2017 ausgegangen ist. Sollte das Beschwerdevorbringen dahingehend zu verstehen sein, dass eine Bekanntgabe des Bescheides überhaupt in Abrede gestellt wird, nimmt der Senat insoweit auf seine diesbezüglichen Ausführungen im Beschluss vom 18.4.2018 – 1 B 23/18 – Bezug.

Die die Richtigkeit der erhobenen Gebühr in Höhe von 2.654,39 EUR in Frage stellenden Ausführungen des Antragstellers in seiner Beschwerdebegründung verfangen nicht.

Hinsichtlich des dem Gebührenbescheid vom 10.1.2014 „Schlussabrechnung 2013“ zugrunde gelegten Verbrauchs im Jahre 2013 wendet der Antragsteller ein, der Bescheid weise einen angeblich telefonisch mitgeteilten Wert aus, der nicht nachvollzogen werden könne. Angegeben seien weder das Datum des Anrufs, noch die Person des Anrufers, noch der Zeitpunkt der Ablesung. Der Verbrauch belaufe sich auf 222 qm – gemeint sind 222 m³ –, gefordert werde allerdings ein Betrag von 2.654,39 EUR, der dem angegebenen Verbrauch nicht zugerechnet werden könne. Zum 1.10.2013 werde ein Zählerstand mit „0“ angegeben, was bei einem Stand von „529“ tags zuvor unrealistisch sei. Die angegebenen Werte könnten daher nicht richtig sein. Die Richtigkeit der Daten unterstellt würde die Nachforderung für 2013 sich auf 209,89 EUR belaufen. Gleichwohl laute die Gesamtforderung auf den Betrag von 2.654,39 EUR. Die Art und Weise der Berechnung sei nicht erkennbar und für den Verbraucher nicht überprüfbar. Unüblich sei auch eine Schätzung des Verbrauchs.

Mit diesen Einwänden vermag der Antragsteller nicht durchzudringen.

Die vom Antragsteller angesprochene, im Bescheid vom 10.1.2014 aufgeführte „angebliche“ telefonische Mitteilung vom 3.9.2013 (erste Zeile der Rubrik Zählerstand) ist eine telefonische Mitteilung des Antragstellers selbst, die ihre Rechtsgrundlage in § 20 Abs. 1 Satz 1 Alternative 2 der Verordnung über Allgemeine Bedingungen für die Versorgung mit Wasser (AVBWasserV) vom 20.6.1980 (BGBl. I, S. 750, 1067), zuletzt geändert durch Art. 3 des Gesetzes vom 21.1.2013 (BGBl. I, S. 91) findet. Nach § 20 Abs. 1 Satz 1 AVBWasserV werden die Messeinrichtungen vom Beauftragten des Wasserversorgungsunternehmens möglichst in gleichen Zeitabständen oder auf Verlangen des Unternehmens vom Kunden selbst abgelesen.

Der Einwand des Antragstellers, zum 1.10.2013 werde ein Zählerstand mit „0“ angegeben, was bei einem Stand von „529“ tags zuvor unrealistisch sei und belege, dass die zugrunde gelegten Werte unzutreffend seien, beruht auf einem falschen Verständnis des Gebührenbescheides. Die Angaben in der zweiten Zeile der den jeweiligen Zählerstand betreffenden Rubrik beziehen sich auf einen im Verlauf des Jahres 2013 neu in Betrieb genommenen anderen Zähler, der naturgemäß zum Zeitpunkt seiner Inbetriebnahme den Zählerstand „0“ aufgewiesen hatte und dessen Verbrauchswert zum Jahresende dem Endstand des ausgewechselten Zählers (Zeile 1) hinzuzurechnen war.

Fehl geht auch der Einwand des Antragstellers, der geforderte Betrag von 2.654,39 EUR könne dem angegebenen Verbrauch in Höhe von 222 m³ nicht zugeordnet werden, die Nachforderung für 2013 belaufe sich auf 209,89 EUR, während die Gesamtforderung auf den Betrag von 2.654,39 EUR festgesetzt werde. Aus der in der Rubrik „Berechnungsgrundlage“ dargestellten zutreffenden, auf der Abwassergebührensatzung (Anlage 1, Abwassergebührenverzeichnis) sowie der Anlage II (Benutzungsgebühren) zur AVBWasserV beruhenden Berechnung ergibt sich für das Bezugsjahr 2013 eine Gesamtgebühr in Höhe von 1.494,14 EUR. Die in der Gesamtforderung enthaltene Nachforderung von 209,89 EUR ergibt sich aus der Differenz der vorbezeichneten Gesamtgebühr und der für das Jahr 2013 errechneten Vorauszahlung von 1.284,25 EUR. Die Berechnung der Gesamtforderung lässt sich der Rubrik „Kontoauszug 2013“ entnehmen: Sie entspricht der Summe aus der für das Jahr 2013 errechneten Gesamtgebühr in Höhe von 1.494,14 EUR (noch offene Vorauszahlung von 1.284,25 EUR + Nachforderung in Höhe von 209,89 EUR) und den nach dem Kontoauszug 2013 noch offenen Zahlungen aus Vorjahren in Höhe von 1.160,25 EUR. Diese Summe offener Zahlungen aus Vorjahren ergibt sich aus der bei den Behördenakten befindlichen Aufstellung „Offene Posten“. Bestand und Höhe dieser Rückstände werden vom Antragsteller im Übrigen mit der Beschwerde nicht substantiiert bestritten.

Eines Eingehens auf die vom Antragsteller bemängelte Schätzung bedarf es nicht, weil der hier verfahrensgegenständliche Gebührenbescheid vom 10.1.2014 auf keiner Schätzung beruht.

Die dem Antragsteller gegenüber festgesetzte Gesamtgebühr von 2.654,39 EUR ist auch weder verjährt noch verwirkt. Insoweit kann zunächst auf die Ausführungen des Verwaltungsgerichts in dem angefochtenen Beschluss vom 5.11.2018 Bezug genommen werden.

Die in der Beschwerdebegründung insoweit vorgebrachten Einwände des Antragstellers führen nicht zu einer hiervon abweichenden Sichtweise. Der Antragsteller meint, er habe mit der Geltendmachung der Gebührenforderung nicht mehr rechnen müssen und die Nachprüfbarkeit ihrer Richtigkeit sei unzumutbar erschwert worden, was die Annahme einer Verwirkung rechtfertige. Das Verwaltungsgericht halte einen Gebührenanspruch erst nach 30 Jahren für nicht mehr durchsetzbar, nehme andererseits aber eine Verjährungsfrist von vier Jahren an. Diese Argumentation sei nicht verständlich. Nach dem Eintritt der Verjährung bedürfe es keiner Verwirkungsregelung mehr. Die Verwirkung müsse daher zu einem früheren Zeitpunkt eingreifen. Fallbezogen könne die vom Antragsgegner erhobene Gebührenforderung daher schon vor Ablauf von vier Jahren verwirkt sein. Das Verwaltungsgericht verkenne im Übrigen den Unterschied zwischen der Frist zur Abrechnung und der Verjährung der abgerechneten Kosten. Vorliegend gehe es nicht um die Verjährung abgerechneter Kosten, sondern um den Zeitraum, wie lange überhaupt eine Abrechnung erfolgen könne, um noch nachprüfbar zu sein. Das KAG bestimme in § 6, dass der der Gebührenrechnung zugrunde zu legende Kalkulationszeitraum drei Jahre nicht übersteigen solle. Damit solle dem Interesse des Beitragsschuldners daran, irgendwann Klarheit zu erlangen, ob und in welchem Umfang er zu einem Beitrag herangezogen werden kann, Rechnung getragen werden.

Diese Ausführungen führen nicht zu einem Erfolg der Beschwerde.

Zutreffend ist das Verwaltungsgericht zunächst von der Geltung einer vierjährigen Verjährungsfrist sowie davon ausgegangen, dass danach eine Verjährung der geltend gemachten Gebührenforderung zum Zeitpunkt ihrer Festsetzung nicht eingetreten war.

Fehl geht insoweit zunächst der Hinweis des Antragstellers auf § 6 Abs. 2 Satz 2 KAG. Die Vorschrift betrifft vor dem Hintergrund des im Abgabenrecht geltenden Kostendeckungsprinzips den der abstrakten Bemessung der Gebührenhöhe für die einzelnen Gebührentatbestände zugrunde zu legenden Kalkulationszeitraum und hat nichts mit der im Einzelfall dem Bürger gegenüber vorgenommenen Festsetzung der Gebühren und der hierfür geltenden Verjährungsfrist (Festsetzungsverjährung, § 12 Abs. 1 Nr. 4b KAG in Verbindung mit §§ 169 bis 171 AO) oder der für bereits festgesetzte Gebühren geltenden Zahlungsverjährungsfrist (§ 12 Abs. 1 Nr. 5a KAG in Verbindung mit §§ 228 bis 232 AO) zu tun.(vgl. Driehaus, Kommentar zum Kommunalabgabenrecht, Rdnrn. 1 ff. zu § 6 KAG NRW)

Die Festsetzungsverjährungsfrist, auf die die Ausführungen des Antragstellers in seiner Beschwerdebegründung ersichtlich abzielen, beträgt gemäß § 12 Abs. 1 Nr. 4b KAG in Verbindung mit § 169 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 AO vier Jahre und beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Gebührenanspruch entstanden ist (§ 170 Abs. 1 AO).(OVG des Saarlandes, Beschluss vom 24.8.2007 – 1 A 49/07 –, juris, Rdnr. 20) Hiervon ausgehend ist hinsichtlich der im Gebührenbescheid vom 10.1.2014 abgerechneten, im Bezugsjahr 2013 entstandenen Gebühren offensichtlich, dass die insoweit am 1.1.2014 begonnene und demgemäß mit Ablauf des 31.12.2017 abgelaufene Festsetzungsverjährungsfrist zum Zeitpunkt der im November 2017 erfolgten Bekanntgabe des Gebührenbescheides noch nicht abgelaufen war. Soweit mit dem Gebührenbescheid darüber hinaus „Reste aus Vorjahren“ in einer Gesamthöhe von 1.160,25 EUR geltend gemacht werden – ausweislich der Aufstellung „Offene Posten“ in der Verwaltungsakte des Antragsgegners betreffen diese Forderungen das Jahr 2012 (Vorauszahlungen Wasser, Abrechnungen Wasser sowie Vorauszahlungen und Abrechnungen von Abwasser) – ist zu berücksichtigen, dass nach der aus den vom Antragsgegner übersandten Verwaltungsunterlagen ersichtlichen Praxis des Antragsgegners jährlich entsprechende Gebührenbescheide ergehen, mit denen für das kommende Bezugsjahr aufgrund des Vorjahresverbrauchs die entsprechenden Vorauszahlungen festgesetzt werden und für das abgelaufene Bezugsjahr eine Endabrechnung unter Berücksichtigung insoweit gezahlter Vorauszahlungen erfolgt und eventuelle Nachforderungsbeträge festgesetzt werden. Dass bezüglich der hier in Rede stehenden „Reste“ aus dem Jahr 2012 nicht in dieser Weise verfahren worden wäre, ist weder vom Antragsteller vorgetragen, noch sonst erkennbar. Vielmehr entspricht die Summe der insoweit in der Aufstellung „Offene Posten“ aufgeführten Rückstände betreffend das Jahr 2012 exakt dem im Gebührenbescheid vom 10.1.2014 aufgeführten Betrag von 1.160,25 EUR. Der Umstand, dass die Zahlung dieser Beträge ausweislich der Aufstellung „Offene Posten“ dem Antragsteller gegenüber auch angemahnt werden musste, setzt voraus, dass die entsprechenden Zahlungen durch vorangegangene Bescheide jeweils bereits innerhalb der Festsetzungsverjährungsfrist festgesetzt waren.

Entgegen der Auffassung des Antragstellers hat das Verwaltungsgericht auch eine Verwirkung der mit Bescheid vom 10.1.2014 erhobenen Gebührenforderung mit Recht verneint.

Zutreffend ist zwar der Hinweis des Antragstellers darauf, dass die Verwirkung der Geltendmachung einer Forderung durchaus auch dann in Betracht kommen kann, wenn die Forderung der Verjährung unterliegt und eine Verjährung noch nicht eingetreten ist, beispielsweise dann, wenn das Entstehen eines Anspruchs – und damit auch dessen Verjährung – von einer Handlung des Gläubigers abhängt und dieser die entsprechende Handlung unüblich lange hinauszögert.(vgl. BVerwG, Beschluss vom 29.8.2018 – 3 B 24.18 –, juris) Richtig ist auch, dass es einer Anwendung der Grundsätze der Verwirkung für die Zeit nach Eintritt der Verjährung nicht mehr bedarf.

Hiermit stehen die Ausführungen des Verwaltungsgerichts indes nur in scheinbarem Widerspruch. Das Verwaltungsgericht hat in Übereinstimmung mit der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts(s. die Nachw. bei BVerwG, Beschluss vom 29.8.2018 – 3 B 24.18 –, juris, Rdnr. 16) zutreffend dargelegt, dass das Rechtsinstitut der Verwirkung ein „Zeitmoment“ und ein „Umstandsmoment“ voraussetzt. Ebenso zutreffend ist die Annahme des Verwaltungsgerichts, dass die für eine Forderung geltende Verjährungsfrist geeignet ist, einen Anhaltspunkt dafür zu bieten, welcher zeitliche Rahmen dem Zeitmoment zugrunde zu legen ist (etwa in den vorbeschriebenen Fällen, in denen der Beginn der Verjährungsfrist vom Forderungsinhaber hinausgezögert wird).

Entscheidend ist aber, dass die Verwirkung einer Forderung, die einer Verjährung unterliegt, vor Ablauf der Verjährungsfrist nicht in Betracht kommt, wenn es an dem Umstandsmoment fehlt, wenn also besondere Umstände, welche die Geltendmachung als treuwidrig erscheinen lassen, nicht vorhanden sind. Solche Umstände können dann anzunehmen sein, wenn der Verpflichtete infolge eines bestimmten Verhaltens des Berechtigten darauf vertrauen durfte, dass dieser seinen Anspruch nicht mehr geltend machen werde.

Mit Recht hat das Verwaltungsgericht festgestellt, dass fallbezogen derartige Umstände weder vom Antragsteller dargelegt, noch sonst ersichtlich sind. Auch im Beschwerdeverfahren hat der Antragsteller hierfür nichts dargetan.

Die Beschwerde unterliegt nach alldem der Zurückweisung.

Dessen ungeachtet sieht sich der Senat mit Blick auf das beim Verwaltungsgericht anhängige – vom Antragsgegner für erledigt erklärte – Verfahren 3 L 1114/18 (Antrag des Antragsgegners auf Abänderung des Senatsbeschlusses vom 18.4.2018 – 1 B 23/18 –) zu dem Hinweis veranlasst, dass der Antragsgegner aufgrund des vorgenannten Senatsbeschlusses nach wie vor gehindert ist, den Gebührenbescheid vom 10.1.2014 zu vollstrecken.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 2 VwGO.

Die Festsetzung des Streitwertes beruht auf den §§ 63 Abs. 2 Satz 1, 47 Abs. 1, 52 Abs. 1 GKG in Verbindung mit Nr. 1.5 Satz 1 Alternative 2 der Empfehlungen des Streitwertkatalogs für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.(zur Befugnis des Beschwerdegerichts zur Nachholung einer vom Erstgericht nicht getroffenen Streitwertfestsetzung im Beschwerdeverfahren: Bayerischer VGH, Beschluss vom 7.10.2017 – 10 CE 17.1491 –, juris, Rdnr. 7)

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

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(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

Das Gericht darf über das Klagebegehren nicht hinausgehen, ist aber an die Fassung der Anträge nicht gebunden.

Gründe

I

1

Die Klägerin ist nach eigenen Angaben syrische Staatsangehörige. Sie reiste im Mai 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte Asyl. Zuvor war ihr in Bulgarien die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden. Mit Bescheid vom 30. Dezember 2014 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) den Antrag als unzulässig ab (Ziffer 1.). Es drohte der Klägerin die Abschiebung nach Bulgarien oder einen anderen aufnahmebereiten Staat an, wenn sie das Bundesgebiet nicht innerhalb von 30 Tagen nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens verlässt. Nach Syrien dürfe sie nicht abgeschoben werden (Ziffer 2.). Zur Begründung führte das Bundesamt aus, der Asylantrag sei unzulässig, weil der Klägerin bereits in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union internationaler Schutz zuerkannt worden sei.

2

Das Verwaltungsgericht hat Ziffer 2 des angefochtenen Bescheids des Bundesamts aufgehoben und die Klage im Übrigen (Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Bulgarien) abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Beklagte verpflichtet festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Bulgarien besteht. Es hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Beschwerde.

II

3

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

4

1. Der geltend gemachte Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.

5

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn sich die aufgeworfene Frage im Revisionsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits geklärt ist bzw. aufgrund des Gesetzeswortlauts mithilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist (BVerwG, Beschlüsse vom 1. April 2014 - 1 B 1.14 - AuAS 2014, 110 und vom 14. Februar 2018 - 1 B 1.18 - juris Rn. 3).

6

a) Die Beschwerde hält zunächst hinsichtlich eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK für klärungsbedürftig,

"welchen Schweregrad eine auf die allgemeinen Verhältnisse zurückzuführende Situation jedenfalls erreichen muss, um der Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union mit Blick auf Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK entgegenzustehen"

und

"ob insoweit eine Eingriffsschwere erforderlich ist, die dem Grad der 'Extremgefahr', wie sie zur Durchbrechung der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG erforderlich wäre, gleichkommt?".

7

Diese Fragen rechtfertigen mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Denn sie sind bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Bundesverwaltungsgerichts geklärt.

8

aa) Für die Kriterien einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK ist auf die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK zurückzugreifen. Dieser fordert in ständiger Rechtsprechung nur für die Tatbestandsalternativen der "Folter" und der "unmenschlichen Behandlung" ein vorsätzliches Handeln, nicht hingegen für die Tatbestandsalternative der "erniedrigenden Behandlung". Hierzu führt er in seinem Urteil vom 21. Januar 2011 (GK) - Nr. 30696/09 - M.S.S./Belgien und Griechenland - (Rn. 220) aus: Es sei zwar zu berücksichtigen, ob es der Zweck der Behandlung gewesen sei, das Opfer zu erniedrigen oder zu demütigen, aber auch wenn das nicht gewollt war, schließe dies die Feststellung einer Verletzung von Art. 3 EMRK nicht zwingend aus ("the absence of any such purpose cannot conclusively rule out a finding of a violation of Article 3"). Der EuGH und das Bundesverwaltungsgericht sind dieser Rechtsprechung gefolgt. Der EuGH hat in seinem Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 und C-493/10 [ECLI:EU:C:2011:865], N.S. u.a. - (Rn. 86 bis 94 und 106) entschieden, dass die Überstellung von Asylbewerbern im Rahmen des Dublin-Systems unter bestimmten Umständen gegen das Verbot einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC/Art. 3 EMRK verstoßen kann, wenn sie an einen Mitgliedstaat überstellt werden, bei dem ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller systemische Mängel aufweisen. Diese Rechtsprechung führt der EuGH in Folgeentscheidungen fort und legt die Merkmale der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung in Übereinstimmung mit dem EGMR aus (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 16. Februar 2017 - C-578/16 PPU [ECLI:EU:C:2017:127], C.K. u.a. - Rn. 67). Entsprechendes gilt für die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 Rn. 22 ff.).

9

In der Rechtsprechung des EGMR ist weiter geklärt, dass die einem Ausländer im Zielstaat drohenden Gefahren ein gewisses "Mindestmaß an Schwere" (minimum level of severity) erreichen müssen, um ein Abschiebungsverbot nach Art. 3 EMRK/Art. 4 GRC zu begründen (vgl. EGMR , Urteil vom 13. Dezember 2016 - Nr. 41738/10, Paposhvili/Belgien - Rn. 174; EuGH, Urteil vom 16. Februar 2017 - C-578/16 PPU, C.K. u.a. - Rn. 68). Die Bestimmung dieses Mindestmaßes an Schwere ist relativ und hängt von allen Umständen des Falls ab, insbesondere von der Dauer der Behandlung, den daraus erwachsenen körperlichen und mentalen Folgen für den Betroffenen und in bestimmten Fällen auch vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Betroffenen (EGMR , Urteile vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - Rn. 219 und vom 13. Dezember 2016 - Nr. 41738/10, Paposhvili/Belgien - Rn. 174). Nach den Schlussanträgen des Generalanwalts beim EuGH Wathelet vom 25. Juli 2018 (C-163/17 - Rn. 143) muss sich der Betroffene in "einer besonders gravierenden Lage" befinden. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts können schlechte humanitäre Verhältnisse im Zielstaat der Abschiebung nur in besonderen Ausnahmefällen ein Abschiebungsverbot nach Art. 3 EMRK begründen (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 Rn. 23 und 25).

10

Allerdings enthält Art. 3 EMRK weder eine Verpflichtung der Vertragsstaaten, jedermann in ihrem Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen noch begründet Art. 3 EMRK eine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - Rn. 249). Der EGMR hat aber für die als besonders verletzlich gewertete Gruppe der Asylsuchenden eine gesteigerte Verantwortlichkeit der EU-Mitgliedstaaten gesehen, weil sich diese durch die Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten (ABl. L 31 S. 18) (heute: Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen ) zur Gewährleistung bestimmter Minimalstandards bei der Aufnahme von Asylsuchenden verpflichtet haben. Bei diesem besonders schutzbedürftigen Personenkreis können schlechte Lebensbedingungen im Zielstaat der Abschiebung das für Art. 3 EMRK erforderliche Mindestmaß an Schwere erfüllen, wenn die Betroffenen - in einem ihnen vollständig fremden Umfeld - vollständig von staatlicher Unterstützung abhängig sind und staatlicher Untätigkeit und Indifferenz gegenüberstehen, obwohl sie sich in ernsthafter Armut und Bedürftigkeit befinden (EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - Rn. 250 ff.; BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 Rn. 24).

11

Die vorstehend wiedergegebene Rechtsprechung von EGMR, EuGH und Bundesverwaltungsgericht ist auf anerkannte Flüchtlinge zu übertragen, die sich darauf berufen, dass die Lebensbedingungen, denen sie im Staat ihrer Flüchtlingsanerkennung ausgesetzt sind, Art. 3 EMRK widersprechen (so schon BVerwG, Beschluss vom 2. August 2017 - 1 C 37.16 - juris Rn. 20). Auch für diesen Personenkreis ergibt sich eine gesteigerte Schutzpflicht der EU-Mitgliedstaaten, der sie sich in Gestalt der Anerkennungsrichtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 S. 9) unterworfen haben. Auch bei ihnen kann das für Art. 3 EMRK erforderliche Mindestmaß an Schwere im Zielstaat der Abschiebung erreicht sein, wenn sie ihren existentiellen Lebensunterhalt nicht sichern können, kein Obdach finden oder keinen Zugang zu einer medizinischen Basisbehandlung erhalten. Die Unmöglichkeit der Sicherung des Lebensunterhalts kann auf der Verhinderung eines Zugangs zum Arbeitsmarkt oder auf dem Fehlen staatlicher Unterstützungsleistungen beruhen. Einer weitergehenden abstrakten Konkretisierung ist das Erfordernis, dass ein gewisses "Mindestmaß an Schwere" erreicht sein muss, nicht zugänglich. Vielmehr bedarf es insoweit der Würdigung aller Umstände des Einzelfalls.

12

Die Frage, ob die vom Berufungsgericht tatrichterlich festgestellten Aufnahmebedingungen für nach Bulgarien zurückkehrende anerkannte Schutzbedürftige unter Berücksichtigung der aufgezeigten rechtlichen Maßstäbe gegen Art. 3 EMRK verstoßen, betrifft die richterliche Tatsachenwürdigung und -bewertung. Diese Frage wird von den Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichten der einzelnen Bundesländer unterschiedlich beantwortet (eine vom Berufungsgericht abweichende Einschätzung trifft u.a. das OVG Magdeburg, Beschluss vom 31. August 2016 - 3 L 94/16 - juris; vgl. im Übrigen die Zusammenstellung im angefochtenen Urteil S. 11 f.). Tatsachenfragen - mögen sie auch von grundsätzlicher Bedeutung sein - reichen nach geltender Rechtslage für die Zulassung einer Revision nicht aus (s. nur BVerwG, Beschluss vom 24. April 2017 - 1 B 22.17 - InfAuslR 2017, 307). Eine etwa fehlerhafte Anwendung der rechtlich zu Art. 3 EMRK geklärten Maßstäbe im Einzelfall - mag sie auch die von individuellen Besonderheiten weitgehend unabhängige Beurteilung der Lage in einem bestimmten Abschiebungszielstaat betreffen - rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung.

13

bb) Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob die Annahme eines Abschiebungsverbots in Bezug auf § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK eine "Extremgefahr" voraussetzt, lässt sich mithilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens verneinen. Der Begriff der "Extremgefahr" wird im Zusammenhang mit dem nationalen Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG verwendet. Danach kann ein Ausländer im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die ihn im Abschiebezielstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Denn nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 Rn. 38). Dieser strengere Maßstab ist zur Rechtfertigung der Durchbrechung der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG geboten, lässt sich jedoch nicht auf die in § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK getroffene Regelung übertragen.

14

b) Die Beschwerde sieht weiteren rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf, ob

"in einer solchen Konstellation vom Bundesamt (...) im Sinn einer zielstaatsbezogenen Gefahrenursache das Vorhandensein einer Unterkunftsmöglichkeit in die Prognose für Abschiebungsschutzgründe i.S.d. § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG einzustellen ist"

und

"die der Gefahrrealisierung entgegenstehende Einholung einer Zusage über die Sicherstellung einer Unterkunftsmöglichkeit durch die Behörden des Mitgliedstaats (hier: Bulgarien) dem Aufgabenbereich des Bundesamtes oder dem Aufgabenbereich der für die Durchführung der Überstellung zuständigen Ausländerbehörde unterfällt".

15

Auch diese aufgeworfenen Rechtsfragen rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision.

16

aa) Die Frage, ob das Bundesamt das Vorhandensein einer Unterkunftsmöglichkeit in die Prognose für Abschiebungsschutzgründe im Sinne des § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG einzustellen hat, lässt sich bereits aufgrund des Gesetzeswortlauts mithilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten. Die Zuständigkeit des Bundesamts für die Feststellung, ob die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG vorliegen, folgt aus § 24 Abs. 2 und § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG. Aus dem Untersuchungsgrundsatz des § 24 Abs. 1 AsylG ergibt sich, dass das Bundesamt den Sachverhalt klärt und die erforderlichen Beweise erhebt. Für das hier relevante Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK bedeutet dies, dass alle für die Beurteilung des Vorliegens einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung relevanten Lebensbedingungen im Zielstaat der Abschiebung zu ermitteln und zu würdigen sind. Dafür ist unter anderem auch von Bedeutung, ob der rückkehrende Ausländer eine Unterkunft finden kann.

17

bb) Die weiter aufgeworfene Rechtsfrage, ob das Bundesamt oder die Ausländerbehörden für die Einholung einer der Gefahrrealisierung entgegenstehenden Zusage über die Sicherstellung einer Unterkunftsmöglichkeit durch die Behörden des Mitgliedstaats (hier: Bulgarien) zuständig ist, rechtfertigt schon deshalb nicht die Zulassung der Revision, weil diese Frage nicht entscheidungserheblich ist. Denn im vorliegenden Verfahren geht es nicht um die Einholung einer derartigen Zusicherung, sondern allgemein um die Verfügbarkeit einer Unterkunftsmöglichkeit. Hierbei handelt es sich um eine zielstaatsbezogene Tatsache, die das Bundesamt zu klären hat. In diesem Zusammenhang kann es gegebenenfalls auch zu der Feststellung gelangen, dass es zur Beseitigung eines ansonsten bestehenden Abschiebungsverbots einer Zusicherung bedarf. Etwas anderes gilt nur für Umstände, die Gefahren betreffen, die sich im Einzelfall im Zusammenhang mit der Durchführung einer Abschiebung ergeben. Hierzu zählt jedoch die Frage nicht, ob Flüchtlinge in Bulgarien Obdach finden können.

18

2. Die geltend gemachten Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) einer Verletzung der Pflicht zur Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) und eines Verstoßes gegen das Gebot rechtsfehlerfreier Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) sind nicht dargelegt bzw. liegen nicht vor.

19

a) Die geltend gemachte Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) genügt schon nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

20

Die Rüge einer solchen Verletzung erfordert eine substantiierte Darlegung, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären. Weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, durch einen Beweisantrag hingewirkt worden ist und die Ablehnung der Beweiserhebung im Prozessrecht keine Stütze findet, oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 15. Februar 2013 - 8 B 58.12 - ZOV 2013, 40 und vom 12. Juli 2018 - 7 B 15.17 - juris Rn. 23). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde ersichtlich nicht. Sie hat schon die für erforderlich gehaltenen weiteren Aufklärungsmaßnahmen nicht hinreichend konkretisiert und auch nicht vorgetragen, welche tatsächlichen Feststellungen bei deren Vornahme voraussichtlich getroffen worden wären. Zudem ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen nicht, dass die Beklagte durch einen Beweisantrag oder eine hinreichend bestimmte Beweisanregung im Berufungsverfahren auf eine Beweiserhebung hingewirkt hätte oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Berufungsgericht eine weitere Sachverhaltsaufklärung hätte aufdrängen müssen.

21

Bei der Frage, ob eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht vorliegt, ist im Übrigen auch zu berücksichtigen, dass es sich beim beklagten Bundesamt um eine spezialisierte Behörde handelt, zu deren Aufgabe die Ermittlung der allgemeinen Lage in den Herkunftsstaaten der Antragsteller sowie gegebenenfalls in den Staaten gehört, durch die sie gereist sind (Art. 10 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes ). Die Behörde muss kraft Unionsrechts angemessen ausgestattet sein und über kompetentes Personal in ausreichender Zahl verfügen. Ferner hat die Beklagte die prozessuale Obliegenheit, an der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken, was die gerichtliche Aufklärungspflicht begrenzt. Das Gericht kann daher im Regelfall davon ausgehen, dass das Bundesamt ergänzende Erkenntnisquellen, die ihm vorliegen oder für die Behörde erreichbar sind, auch in das Verfahren einführt, zumal dann, wenn eine bestimmte, erkennbar entscheidungserhebliche Tatsachenfrage - wie hier - gerichtlich umstritten ist, und dass sich weitere, von dem Bundesamt selbst nicht wahrgenommene oder für erforderlich gehaltene Aufklärungsmaßnahmen auch für das Gericht nicht aufdrängen.

22

b) Auch die Rüge eines Verstoßes gegen das Gebot rechtsfehlerfreier Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) greift nicht durch.

23

Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat das Gericht seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde zu legen. Es darf nicht einzelne erhebliche Tatsachen oder Beweisergebnisse aus seiner Würdigung ausblenden. Im Übrigen darf es zur Überzeugungsbildung die ihm vorliegenden Tatsachen und Beweise frei würdigen. Die Einhaltung der verfahrensrechtlichen Grenzen zulässiger Sachverhalts- und Beweiswürdigung ist nicht schon dann infrage gestellt, wenn ein Beteiligter das vorliegende Tatsachenmaterial anders würdigt oder aus ihm andere Schlüsse ziehen will als das Gericht. Diese Grenzen sind erst dann überschritten, wenn das Gericht nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder aktenwidrige Tatsachen annimmt, oder wenn die von ihm gezogenen tatsächlichen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen (vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 7. Februar 2017 - 6 B 30.16 - juris Rn. 10 und vom 20. Februar 2018 - 1 B 3.18 - juris Rn. 12). Nach diesen Maßgaben ergeben sich verfahrensrechtliche Mängel der Überzeugungsbildung aus der Beschwerdebegründung nicht.

24

Die Beschwerde sieht einen Verstoß gegen die sich aus § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO ergebenden Vorgaben darin, dass das Berufungsgericht die staatliche Gleichgültigkeit Bulgariens gegenüber schutzsuchenden Ausländern gerade mit Blick auf die fehlende Akzeptanz der im Juli 2017 in Bulgarien erlassenen Integrationsverordnung hergeleitet habe (faktische Nichtumsetzung), ohne dies tragfähig zu begründen. Aus den in den Urteilsgründen angeführten Erkenntnisquellen ergäben sich keine für den maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt der Berufungsverhandlung inhaltlich relevanten Aussagen zur Akzeptanz und tatsächlichen Umsetzung dieser neuen Integrationsverordnung. Teilweise stammten die Erkenntnisquellen aus einem Zeitraum vor dem Erlass der Verordnung am 19. Juli 2017, die daneben noch angeführten Mitteilungen aus dem Internet hätten allenfalls Geltung für einen ersten Umsetzungszeitraum bis zum 21. November 2017 und würden keine Informationen darüber enthalten, ob bzw. in welchem Umfang sich seitdem bis zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung mögliche Verbesserungen ergeben hätten. Es sei nicht auszuschließen, dass inzwischen sehr wohl Bemühungen des bulgarischen Staates zur effektiveren Umsetzung der Integrationsverordnung feststellbar sein könnten.

25

Der Senat hat im Rahmen der erhobenen Verfahrensrüge nicht über die dem materiellen Recht zuzuordnende Frage zu entscheiden, ob die Entscheidung des Berufungsgerichts auf einer zu schmalen Tatsachengrundlage beruht, wofür einiges sprechen könnte (keine genauen Aussagen zum Inhalt der Integrationsverordnung Bulgariens vom Juli 2017, nur zwei mit google translate übersetzte Erkenntnisquellen zu deren Anwendung). Maßgeblich für das Einhalten der verfahrensrechtlichen Grenzen der Überzeugungsbildung ist vielmehr, dass das Gericht auch nach dem Vorbringen der Beschwerde keinen entscheidungserheblichen Akteninhalt unberücksichtigt gelassen oder aktenwidrige Tatsachen zugrunde gelegt hat und die von ihm gezogenen tatsächlichen Schlussfolgerungen auch nicht gegen die Denkgesetze verstoßen. Insoweit ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht sich auch auf Erkenntnisquellen stützt, die vor dem Erlass der neuen Integrationsverordnung vom Juli 2017 datieren. Denn es verstößt nicht gegen die Denkgesetze, wenn für die tatrichterliche Schlussfolgerung, die Bemühungen der Republik Bulgarien zur Verbesserung der Unterbringung von anerkannten Schutzberechtigten seien unzureichend, neben den ersten Erfahrungen seit der Umsetzung der neuen Integrationsverordnung auch Erfahrungen im Umgang mit der früheren Integrationsverordnung einbezogen werden. Soweit die Beschwerde einwendet, das Berufungsgericht habe keine Informationen für den Zeitraum vom 21. November 2017 bis zum nach § 77 Abs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsverhandlung (hier am 31. Januar 2018) einbezogen, genügt die Beschwerde nicht den Darlegungsanforderungen. Sie hätte konkret aufzeigen müssen, aufgrund welcher Bemühungen des bulgarischen Staates zur effektiveren Umsetzung der Integrationsverordnung eine Verbesserung festzustellen ist, die für das Ergebnis der tatrichterlichen Würdigung von Bedeutung sein könnte. Die bloße Vermutung, es sei nicht auszuschließen, dass inzwischen Bemühungen des bulgarischen Staates feststellbar sein könnten, genügt dafür nicht.

26

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Satz 1 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.

(1) Der Widerspruch ist innerhalb eines Monats, nachdem der Verwaltungsakt dem Beschwerten bekanntgegeben worden ist, schriftlich, in elektronischer Form nach § 3a Absatz 2 des Verwaltungsverfahrensgesetzes oder zur Niederschrift bei der Behörde zu erheben, die den Verwaltungsakt erlassen hat. Die Frist wird auch durch Einlegung bei der Behörde, die den Widerspruchsbescheid zu erlassen hat, gewahrt.

(2) §§ 58 und 60 Abs. 1 bis 4 gelten entsprechend.

(1) Versicherte und Zuschußberechtigte haben der Künstlersozialkasse bis zum 1. Dezember eines Jahres das voraussichtliche Arbeitseinkommen, das sie aus der Tätigkeit als selbständige Künstler und Publizisten erzielen, bis zur Höhe der Beitragsbemessungsgrenze in der allgemeinen Rentenversicherung für das folgende Kalenderjahr zu melden. Die Künstlersozialkasse schätzt die Höhe des Arbeitseinkommens, wenn der Versicherte trotz Aufforderung die Meldung nach Satz 1 nicht erstattet oder die Meldung mit den Verhältnissen unvereinbar ist, die dem Versicherten als Grundlage für seine Meldung bekannt waren. Versicherte, deren voraussichtliches Arbeitseinkommen in dem in § 3 Abs. 2 genannten Zeitraum mindestens einmal die in § 3 Abs. 1 genannte Grenze nicht überschritten hat, haben der ersten Meldung nach Ablauf dieses Zeitraums vorhandene Unterlagen über ihr voraussichtliches Arbeitseinkommen beizufügen.

(2) Erstattet der Zuschußberechtigte trotz Aufforderung die Meldung nach Absatz 1 Satz 1 nicht, entfällt der Anspruch auf den Beitragszuschuß bis zum Ablauf des auf die Meldung folgenden Monats. Satz 1 gilt entsprechend, wenn er den Melde- und Nachweispflichten nach §§ 10 und 10a trotz Aufforderung nicht nachkommt. Die Rückforderung vorläufig gezahlter Beitragszuschüsse bleibt unberührt.

(3) Ändern sich die Verhältnisse, die für die Ermittlung des voraussichtlichen Jahresarbeitseinkommens maßgebend waren, ist auf Antrag die Änderung mit Wirkung vom Ersten des Monats an zu berücksichtigen, der auf den Monat folgt, in dem der Antrag bei der Künstlersozialkasse eingeht. Satz 1 gilt entsprechend, wenn das Jahreseinkommen geschätzt worden ist; Versicherte haben ihrer Meldung in diesen Fällen vorhandene Unterlagen beizufügen, aus denen sich die Änderung der Verhältnisse ergibt.

(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist

1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder
2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.

(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:

1.
ein Jahrfür Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen,
2.
vier Jahrefür Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind.
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.

(1) Widerspruch und Anfechtungsklage haben aufschiebende Wirkung. Das gilt auch bei rechtsgestaltenden und feststellenden Verwaltungsakten sowie bei Verwaltungsakten mit Doppelwirkung (§ 80a).

(2) Die aufschiebende Wirkung entfällt nur

1.
bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten,
2.
bei unaufschiebbaren Anordnungen und Maßnahmen von Polizeivollzugsbeamten,
3.
in anderen durch Bundesgesetz oder für Landesrecht durch Landesgesetz vorgeschriebenen Fällen, insbesondere für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die Investitionen oder die Schaffung von Arbeitsplätzen betreffen,
3a.
für Widersprüche und Klagen Dritter gegen Verwaltungsakte, die die Zulassung von Vorhaben betreffend Bundesverkehrswege und Mobilfunknetze zum Gegenstand haben und die nicht unter Nummer 3 fallen,
4.
in den Fällen, in denen die sofortige Vollziehung im öffentlichen Interesse oder im überwiegenden Interesse eines Beteiligten von der Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, besonders angeordnet wird.
Die Länder können auch bestimmen, daß Rechtsbehelfe keine aufschiebende Wirkung haben, soweit sie sich gegen Maßnahmen richten, die in der Verwaltungsvollstreckung durch die Länder nach Bundesrecht getroffen werden.

(3) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ist das besondere Interesse an der sofortigen Vollziehung des Verwaltungsakts schriftlich zu begründen. Einer besonderen Begründung bedarf es nicht, wenn die Behörde bei Gefahr im Verzug, insbesondere bei drohenden Nachteilen für Leben, Gesundheit oder Eigentum vorsorglich eine als solche bezeichnete Notstandsmaßnahme im öffentlichen Interesse trifft.

(4) Die Behörde, die den Verwaltungsakt erlassen oder über den Widerspruch zu entscheiden hat, kann in den Fällen des Absatzes 2 die Vollziehung aussetzen, soweit nicht bundesgesetzlich etwas anderes bestimmt ist. Bei der Anforderung von öffentlichen Abgaben und Kosten kann sie die Vollziehung auch gegen Sicherheit aussetzen. Die Aussetzung soll bei öffentlichen Abgaben und Kosten erfolgen, wenn ernstliche Zweifel an der Rechtmäßigkeit des angegriffenen Verwaltungsakts bestehen oder wenn die Vollziehung für den Abgaben- oder Kostenpflichtigen eine unbillige, nicht durch überwiegende öffentliche Interessen gebotene Härte zur Folge hätte.

(5) Auf Antrag kann das Gericht der Hauptsache die aufschiebende Wirkung in den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 bis 3a ganz oder teilweise anordnen, im Falle des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 4 ganz oder teilweise wiederherstellen. Der Antrag ist schon vor Erhebung der Anfechtungsklage zulässig. Ist der Verwaltungsakt im Zeitpunkt der Entscheidung schon vollzogen, so kann das Gericht die Aufhebung der Vollziehung anordnen. Die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung kann von der Leistung einer Sicherheit oder von anderen Auflagen abhängig gemacht werden. Sie kann auch befristet werden.

(6) In den Fällen des Absatzes 2 Satz 1 Nummer 1 ist der Antrag nach Absatz 5 nur zulässig, wenn die Behörde einen Antrag auf Aussetzung der Vollziehung ganz oder zum Teil abgelehnt hat. Das gilt nicht, wenn

1.
die Behörde über den Antrag ohne Mitteilung eines zureichenden Grundes in angemessener Frist sachlich nicht entschieden hat oder
2.
eine Vollstreckung droht.

(7) Das Gericht der Hauptsache kann Beschlüsse über Anträge nach Absatz 5 jederzeit ändern oder aufheben. Jeder Beteiligte kann die Änderung oder Aufhebung wegen veränderter oder im ursprünglichen Verfahren ohne Verschulden nicht geltend gemachter Umstände beantragen.

(8) In dringenden Fällen kann der Vorsitzende entscheiden.

(1) Gegen die Entscheidungen des Verwaltungsgerichts, des Vorsitzenden oder des Berichterstatters, die nicht Urteile oder Gerichtsbescheide sind, steht den Beteiligten und den sonst von der Entscheidung Betroffenen die Beschwerde an das Oberverwaltungsgericht zu, soweit nicht in diesem Gesetz etwas anderes bestimmt ist.

(2) Prozeßleitende Verfügungen, Aufklärungsanordnungen, Beschlüsse über eine Vertagung oder die Bestimmung einer Frist, Beweisbeschlüsse, Beschlüsse über Ablehnung von Beweisanträgen, über Verbindung und Trennung von Verfahren und Ansprüchen und über die Ablehnung von Gerichtspersonen sowie Beschlüsse über die Ablehnung der Prozesskostenhilfe, wenn das Gericht ausschließlich die persönlichen oder wirtschaftlichen Voraussetzungen der Prozesskostenhilfe verneint, können nicht mit der Beschwerde angefochten werden.

(3) Außerdem ist vorbehaltlich einer gesetzlich vorgesehenen Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision die Beschwerde nicht gegeben in Streitigkeiten über Kosten, Gebühren und Auslagen, wenn der Wert des Beschwerdegegenstands zweihundert Euro nicht übersteigt.

(4) Die Beschwerde gegen Beschlüsse des Verwaltungsgerichts in Verfahren des vorläufigen Rechtsschutzes (§§ 80, 80a und 123) ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe der Entscheidung zu begründen. Die Begründung ist, sofern sie nicht bereits mit der Beschwerde vorgelegt worden ist, bei dem Oberverwaltungsgericht einzureichen. Sie muss einen bestimmten Antrag enthalten, die Gründe darlegen, aus denen die Entscheidung abzuändern oder aufzuheben ist, und sich mit der angefochtenen Entscheidung auseinander setzen. Mangelt es an einem dieser Erfordernisse, ist die Beschwerde als unzulässig zu verwerfen. Das Verwaltungsgericht legt die Beschwerde unverzüglich vor; § 148 Abs. 1 findet keine Anwendung. Das Oberverwaltungsgericht prüft nur die dargelegten Gründe.

(5) u. (6) (weggefallen)

Gründe

I

1

Die Klägerin ist nach eigenen Angaben syrische Staatsangehörige. Sie reiste im Mai 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte Asyl. Zuvor war ihr in Bulgarien die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden. Mit Bescheid vom 30. Dezember 2014 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) den Antrag als unzulässig ab (Ziffer 1.). Es drohte der Klägerin die Abschiebung nach Bulgarien oder einen anderen aufnahmebereiten Staat an, wenn sie das Bundesgebiet nicht innerhalb von 30 Tagen nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens verlässt. Nach Syrien dürfe sie nicht abgeschoben werden (Ziffer 2.). Zur Begründung führte das Bundesamt aus, der Asylantrag sei unzulässig, weil der Klägerin bereits in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union internationaler Schutz zuerkannt worden sei.

2

Das Verwaltungsgericht hat Ziffer 2 des angefochtenen Bescheids des Bundesamts aufgehoben und die Klage im Übrigen (Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Bulgarien) abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Beklagte verpflichtet festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Bulgarien besteht. Es hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Beschwerde.

II

3

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

4

1. Der geltend gemachte Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.

5

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn sich die aufgeworfene Frage im Revisionsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits geklärt ist bzw. aufgrund des Gesetzeswortlauts mithilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist (BVerwG, Beschlüsse vom 1. April 2014 - 1 B 1.14 - AuAS 2014, 110 und vom 14. Februar 2018 - 1 B 1.18 - juris Rn. 3).

6

a) Die Beschwerde hält zunächst hinsichtlich eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK für klärungsbedürftig,

"welchen Schweregrad eine auf die allgemeinen Verhältnisse zurückzuführende Situation jedenfalls erreichen muss, um der Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union mit Blick auf Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK entgegenzustehen"

und

"ob insoweit eine Eingriffsschwere erforderlich ist, die dem Grad der 'Extremgefahr', wie sie zur Durchbrechung der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG erforderlich wäre, gleichkommt?".

7

Diese Fragen rechtfertigen mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Denn sie sind bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Bundesverwaltungsgerichts geklärt.

8

aa) Für die Kriterien einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK ist auf die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK zurückzugreifen. Dieser fordert in ständiger Rechtsprechung nur für die Tatbestandsalternativen der "Folter" und der "unmenschlichen Behandlung" ein vorsätzliches Handeln, nicht hingegen für die Tatbestandsalternative der "erniedrigenden Behandlung". Hierzu führt er in seinem Urteil vom 21. Januar 2011 (GK) - Nr. 30696/09 - M.S.S./Belgien und Griechenland - (Rn. 220) aus: Es sei zwar zu berücksichtigen, ob es der Zweck der Behandlung gewesen sei, das Opfer zu erniedrigen oder zu demütigen, aber auch wenn das nicht gewollt war, schließe dies die Feststellung einer Verletzung von Art. 3 EMRK nicht zwingend aus ("the absence of any such purpose cannot conclusively rule out a finding of a violation of Article 3"). Der EuGH und das Bundesverwaltungsgericht sind dieser Rechtsprechung gefolgt. Der EuGH hat in seinem Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 und C-493/10 [ECLI:EU:C:2011:865], N.S. u.a. - (Rn. 86 bis 94 und 106) entschieden, dass die Überstellung von Asylbewerbern im Rahmen des Dublin-Systems unter bestimmten Umständen gegen das Verbot einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC/Art. 3 EMRK verstoßen kann, wenn sie an einen Mitgliedstaat überstellt werden, bei dem ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller systemische Mängel aufweisen. Diese Rechtsprechung führt der EuGH in Folgeentscheidungen fort und legt die Merkmale der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung in Übereinstimmung mit dem EGMR aus (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 16. Februar 2017 - C-578/16 PPU [ECLI:EU:C:2017:127], C.K. u.a. - Rn. 67). Entsprechendes gilt für die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 Rn. 22 ff.).

9

In der Rechtsprechung des EGMR ist weiter geklärt, dass die einem Ausländer im Zielstaat drohenden Gefahren ein gewisses "Mindestmaß an Schwere" (minimum level of severity) erreichen müssen, um ein Abschiebungsverbot nach Art. 3 EMRK/Art. 4 GRC zu begründen (vgl. EGMR , Urteil vom 13. Dezember 2016 - Nr. 41738/10, Paposhvili/Belgien - Rn. 174; EuGH, Urteil vom 16. Februar 2017 - C-578/16 PPU, C.K. u.a. - Rn. 68). Die Bestimmung dieses Mindestmaßes an Schwere ist relativ und hängt von allen Umständen des Falls ab, insbesondere von der Dauer der Behandlung, den daraus erwachsenen körperlichen und mentalen Folgen für den Betroffenen und in bestimmten Fällen auch vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Betroffenen (EGMR , Urteile vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - Rn. 219 und vom 13. Dezember 2016 - Nr. 41738/10, Paposhvili/Belgien - Rn. 174). Nach den Schlussanträgen des Generalanwalts beim EuGH Wathelet vom 25. Juli 2018 (C-163/17 - Rn. 143) muss sich der Betroffene in "einer besonders gravierenden Lage" befinden. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts können schlechte humanitäre Verhältnisse im Zielstaat der Abschiebung nur in besonderen Ausnahmefällen ein Abschiebungsverbot nach Art. 3 EMRK begründen (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 Rn. 23 und 25).

10

Allerdings enthält Art. 3 EMRK weder eine Verpflichtung der Vertragsstaaten, jedermann in ihrem Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen noch begründet Art. 3 EMRK eine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - Rn. 249). Der EGMR hat aber für die als besonders verletzlich gewertete Gruppe der Asylsuchenden eine gesteigerte Verantwortlichkeit der EU-Mitgliedstaaten gesehen, weil sich diese durch die Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten (ABl. L 31 S. 18) (heute: Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen ) zur Gewährleistung bestimmter Minimalstandards bei der Aufnahme von Asylsuchenden verpflichtet haben. Bei diesem besonders schutzbedürftigen Personenkreis können schlechte Lebensbedingungen im Zielstaat der Abschiebung das für Art. 3 EMRK erforderliche Mindestmaß an Schwere erfüllen, wenn die Betroffenen - in einem ihnen vollständig fremden Umfeld - vollständig von staatlicher Unterstützung abhängig sind und staatlicher Untätigkeit und Indifferenz gegenüberstehen, obwohl sie sich in ernsthafter Armut und Bedürftigkeit befinden (EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - Rn. 250 ff.; BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 Rn. 24).

11

Die vorstehend wiedergegebene Rechtsprechung von EGMR, EuGH und Bundesverwaltungsgericht ist auf anerkannte Flüchtlinge zu übertragen, die sich darauf berufen, dass die Lebensbedingungen, denen sie im Staat ihrer Flüchtlingsanerkennung ausgesetzt sind, Art. 3 EMRK widersprechen (so schon BVerwG, Beschluss vom 2. August 2017 - 1 C 37.16 - juris Rn. 20). Auch für diesen Personenkreis ergibt sich eine gesteigerte Schutzpflicht der EU-Mitgliedstaaten, der sie sich in Gestalt der Anerkennungsrichtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 S. 9) unterworfen haben. Auch bei ihnen kann das für Art. 3 EMRK erforderliche Mindestmaß an Schwere im Zielstaat der Abschiebung erreicht sein, wenn sie ihren existentiellen Lebensunterhalt nicht sichern können, kein Obdach finden oder keinen Zugang zu einer medizinischen Basisbehandlung erhalten. Die Unmöglichkeit der Sicherung des Lebensunterhalts kann auf der Verhinderung eines Zugangs zum Arbeitsmarkt oder auf dem Fehlen staatlicher Unterstützungsleistungen beruhen. Einer weitergehenden abstrakten Konkretisierung ist das Erfordernis, dass ein gewisses "Mindestmaß an Schwere" erreicht sein muss, nicht zugänglich. Vielmehr bedarf es insoweit der Würdigung aller Umstände des Einzelfalls.

12

Die Frage, ob die vom Berufungsgericht tatrichterlich festgestellten Aufnahmebedingungen für nach Bulgarien zurückkehrende anerkannte Schutzbedürftige unter Berücksichtigung der aufgezeigten rechtlichen Maßstäbe gegen Art. 3 EMRK verstoßen, betrifft die richterliche Tatsachenwürdigung und -bewertung. Diese Frage wird von den Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichten der einzelnen Bundesländer unterschiedlich beantwortet (eine vom Berufungsgericht abweichende Einschätzung trifft u.a. das OVG Magdeburg, Beschluss vom 31. August 2016 - 3 L 94/16 - juris; vgl. im Übrigen die Zusammenstellung im angefochtenen Urteil S. 11 f.). Tatsachenfragen - mögen sie auch von grundsätzlicher Bedeutung sein - reichen nach geltender Rechtslage für die Zulassung einer Revision nicht aus (s. nur BVerwG, Beschluss vom 24. April 2017 - 1 B 22.17 - InfAuslR 2017, 307). Eine etwa fehlerhafte Anwendung der rechtlich zu Art. 3 EMRK geklärten Maßstäbe im Einzelfall - mag sie auch die von individuellen Besonderheiten weitgehend unabhängige Beurteilung der Lage in einem bestimmten Abschiebungszielstaat betreffen - rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung.

13

bb) Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob die Annahme eines Abschiebungsverbots in Bezug auf § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK eine "Extremgefahr" voraussetzt, lässt sich mithilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens verneinen. Der Begriff der "Extremgefahr" wird im Zusammenhang mit dem nationalen Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG verwendet. Danach kann ein Ausländer im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die ihn im Abschiebezielstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Denn nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 Rn. 38). Dieser strengere Maßstab ist zur Rechtfertigung der Durchbrechung der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG geboten, lässt sich jedoch nicht auf die in § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK getroffene Regelung übertragen.

14

b) Die Beschwerde sieht weiteren rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf, ob

"in einer solchen Konstellation vom Bundesamt (...) im Sinn einer zielstaatsbezogenen Gefahrenursache das Vorhandensein einer Unterkunftsmöglichkeit in die Prognose für Abschiebungsschutzgründe i.S.d. § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG einzustellen ist"

und

"die der Gefahrrealisierung entgegenstehende Einholung einer Zusage über die Sicherstellung einer Unterkunftsmöglichkeit durch die Behörden des Mitgliedstaats (hier: Bulgarien) dem Aufgabenbereich des Bundesamtes oder dem Aufgabenbereich der für die Durchführung der Überstellung zuständigen Ausländerbehörde unterfällt".

15

Auch diese aufgeworfenen Rechtsfragen rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision.

16

aa) Die Frage, ob das Bundesamt das Vorhandensein einer Unterkunftsmöglichkeit in die Prognose für Abschiebungsschutzgründe im Sinne des § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG einzustellen hat, lässt sich bereits aufgrund des Gesetzeswortlauts mithilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten. Die Zuständigkeit des Bundesamts für die Feststellung, ob die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG vorliegen, folgt aus § 24 Abs. 2 und § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG. Aus dem Untersuchungsgrundsatz des § 24 Abs. 1 AsylG ergibt sich, dass das Bundesamt den Sachverhalt klärt und die erforderlichen Beweise erhebt. Für das hier relevante Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK bedeutet dies, dass alle für die Beurteilung des Vorliegens einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung relevanten Lebensbedingungen im Zielstaat der Abschiebung zu ermitteln und zu würdigen sind. Dafür ist unter anderem auch von Bedeutung, ob der rückkehrende Ausländer eine Unterkunft finden kann.

17

bb) Die weiter aufgeworfene Rechtsfrage, ob das Bundesamt oder die Ausländerbehörden für die Einholung einer der Gefahrrealisierung entgegenstehenden Zusage über die Sicherstellung einer Unterkunftsmöglichkeit durch die Behörden des Mitgliedstaats (hier: Bulgarien) zuständig ist, rechtfertigt schon deshalb nicht die Zulassung der Revision, weil diese Frage nicht entscheidungserheblich ist. Denn im vorliegenden Verfahren geht es nicht um die Einholung einer derartigen Zusicherung, sondern allgemein um die Verfügbarkeit einer Unterkunftsmöglichkeit. Hierbei handelt es sich um eine zielstaatsbezogene Tatsache, die das Bundesamt zu klären hat. In diesem Zusammenhang kann es gegebenenfalls auch zu der Feststellung gelangen, dass es zur Beseitigung eines ansonsten bestehenden Abschiebungsverbots einer Zusicherung bedarf. Etwas anderes gilt nur für Umstände, die Gefahren betreffen, die sich im Einzelfall im Zusammenhang mit der Durchführung einer Abschiebung ergeben. Hierzu zählt jedoch die Frage nicht, ob Flüchtlinge in Bulgarien Obdach finden können.

18

2. Die geltend gemachten Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) einer Verletzung der Pflicht zur Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) und eines Verstoßes gegen das Gebot rechtsfehlerfreier Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) sind nicht dargelegt bzw. liegen nicht vor.

19

a) Die geltend gemachte Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) genügt schon nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

20

Die Rüge einer solchen Verletzung erfordert eine substantiierte Darlegung, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären. Weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, durch einen Beweisantrag hingewirkt worden ist und die Ablehnung der Beweiserhebung im Prozessrecht keine Stütze findet, oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 15. Februar 2013 - 8 B 58.12 - ZOV 2013, 40 und vom 12. Juli 2018 - 7 B 15.17 - juris Rn. 23). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde ersichtlich nicht. Sie hat schon die für erforderlich gehaltenen weiteren Aufklärungsmaßnahmen nicht hinreichend konkretisiert und auch nicht vorgetragen, welche tatsächlichen Feststellungen bei deren Vornahme voraussichtlich getroffen worden wären. Zudem ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen nicht, dass die Beklagte durch einen Beweisantrag oder eine hinreichend bestimmte Beweisanregung im Berufungsverfahren auf eine Beweiserhebung hingewirkt hätte oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Berufungsgericht eine weitere Sachverhaltsaufklärung hätte aufdrängen müssen.

21

Bei der Frage, ob eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht vorliegt, ist im Übrigen auch zu berücksichtigen, dass es sich beim beklagten Bundesamt um eine spezialisierte Behörde handelt, zu deren Aufgabe die Ermittlung der allgemeinen Lage in den Herkunftsstaaten der Antragsteller sowie gegebenenfalls in den Staaten gehört, durch die sie gereist sind (Art. 10 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes ). Die Behörde muss kraft Unionsrechts angemessen ausgestattet sein und über kompetentes Personal in ausreichender Zahl verfügen. Ferner hat die Beklagte die prozessuale Obliegenheit, an der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken, was die gerichtliche Aufklärungspflicht begrenzt. Das Gericht kann daher im Regelfall davon ausgehen, dass das Bundesamt ergänzende Erkenntnisquellen, die ihm vorliegen oder für die Behörde erreichbar sind, auch in das Verfahren einführt, zumal dann, wenn eine bestimmte, erkennbar entscheidungserhebliche Tatsachenfrage - wie hier - gerichtlich umstritten ist, und dass sich weitere, von dem Bundesamt selbst nicht wahrgenommene oder für erforderlich gehaltene Aufklärungsmaßnahmen auch für das Gericht nicht aufdrängen.

22

b) Auch die Rüge eines Verstoßes gegen das Gebot rechtsfehlerfreier Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) greift nicht durch.

23

Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat das Gericht seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde zu legen. Es darf nicht einzelne erhebliche Tatsachen oder Beweisergebnisse aus seiner Würdigung ausblenden. Im Übrigen darf es zur Überzeugungsbildung die ihm vorliegenden Tatsachen und Beweise frei würdigen. Die Einhaltung der verfahrensrechtlichen Grenzen zulässiger Sachverhalts- und Beweiswürdigung ist nicht schon dann infrage gestellt, wenn ein Beteiligter das vorliegende Tatsachenmaterial anders würdigt oder aus ihm andere Schlüsse ziehen will als das Gericht. Diese Grenzen sind erst dann überschritten, wenn das Gericht nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder aktenwidrige Tatsachen annimmt, oder wenn die von ihm gezogenen tatsächlichen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen (vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 7. Februar 2017 - 6 B 30.16 - juris Rn. 10 und vom 20. Februar 2018 - 1 B 3.18 - juris Rn. 12). Nach diesen Maßgaben ergeben sich verfahrensrechtliche Mängel der Überzeugungsbildung aus der Beschwerdebegründung nicht.

24

Die Beschwerde sieht einen Verstoß gegen die sich aus § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO ergebenden Vorgaben darin, dass das Berufungsgericht die staatliche Gleichgültigkeit Bulgariens gegenüber schutzsuchenden Ausländern gerade mit Blick auf die fehlende Akzeptanz der im Juli 2017 in Bulgarien erlassenen Integrationsverordnung hergeleitet habe (faktische Nichtumsetzung), ohne dies tragfähig zu begründen. Aus den in den Urteilsgründen angeführten Erkenntnisquellen ergäben sich keine für den maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt der Berufungsverhandlung inhaltlich relevanten Aussagen zur Akzeptanz und tatsächlichen Umsetzung dieser neuen Integrationsverordnung. Teilweise stammten die Erkenntnisquellen aus einem Zeitraum vor dem Erlass der Verordnung am 19. Juli 2017, die daneben noch angeführten Mitteilungen aus dem Internet hätten allenfalls Geltung für einen ersten Umsetzungszeitraum bis zum 21. November 2017 und würden keine Informationen darüber enthalten, ob bzw. in welchem Umfang sich seitdem bis zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung mögliche Verbesserungen ergeben hätten. Es sei nicht auszuschließen, dass inzwischen sehr wohl Bemühungen des bulgarischen Staates zur effektiveren Umsetzung der Integrationsverordnung feststellbar sein könnten.

25

Der Senat hat im Rahmen der erhobenen Verfahrensrüge nicht über die dem materiellen Recht zuzuordnende Frage zu entscheiden, ob die Entscheidung des Berufungsgerichts auf einer zu schmalen Tatsachengrundlage beruht, wofür einiges sprechen könnte (keine genauen Aussagen zum Inhalt der Integrationsverordnung Bulgariens vom Juli 2017, nur zwei mit google translate übersetzte Erkenntnisquellen zu deren Anwendung). Maßgeblich für das Einhalten der verfahrensrechtlichen Grenzen der Überzeugungsbildung ist vielmehr, dass das Gericht auch nach dem Vorbringen der Beschwerde keinen entscheidungserheblichen Akteninhalt unberücksichtigt gelassen oder aktenwidrige Tatsachen zugrunde gelegt hat und die von ihm gezogenen tatsächlichen Schlussfolgerungen auch nicht gegen die Denkgesetze verstoßen. Insoweit ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht sich auch auf Erkenntnisquellen stützt, die vor dem Erlass der neuen Integrationsverordnung vom Juli 2017 datieren. Denn es verstößt nicht gegen die Denkgesetze, wenn für die tatrichterliche Schlussfolgerung, die Bemühungen der Republik Bulgarien zur Verbesserung der Unterbringung von anerkannten Schutzberechtigten seien unzureichend, neben den ersten Erfahrungen seit der Umsetzung der neuen Integrationsverordnung auch Erfahrungen im Umgang mit der früheren Integrationsverordnung einbezogen werden. Soweit die Beschwerde einwendet, das Berufungsgericht habe keine Informationen für den Zeitraum vom 21. November 2017 bis zum nach § 77 Abs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsverhandlung (hier am 31. Januar 2018) einbezogen, genügt die Beschwerde nicht den Darlegungsanforderungen. Sie hätte konkret aufzeigen müssen, aufgrund welcher Bemühungen des bulgarischen Staates zur effektiveren Umsetzung der Integrationsverordnung eine Verbesserung festzustellen ist, die für das Ergebnis der tatrichterlichen Würdigung von Bedeutung sein könnte. Die bloße Vermutung, es sei nicht auszuschließen, dass inzwischen Bemühungen des bulgarischen Staates feststellbar sein könnten, genügt dafür nicht.

26

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Satz 1 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.

(1) Die Meßeinrichtungen werden vom Beauftragten des Wasserversorgungsunternehmens möglichst in gleichen Zeitabständen oder auf Verlangen des Unternehmens vom Kunden selbst abgelesen. Dieser hat dafür Sorge zu tragen, daß die Meßeinrichtungen leicht zugänglich sind.

(2) Solange der Beauftragte des Unternehmens die Räume des Kunden nicht zum Zwecke der Ablesung betreten kann, darf das Unternehmen den Verbrauch auf der Grundlage der letzten Ablesung schätzen; die tatsächlichen Verhältnisse sind angemessen zu berücksichtigen.

(1) Eine Steuerfestsetzung sowie ihre Aufhebung oder Änderung sind nicht mehr zulässig, wenn die Festsetzungsfrist abgelaufen ist. Dies gilt auch für die Berichtigung wegen offenbarer Unrichtigkeit nach § 129. Die Frist ist gewahrt, wenn vor Ablauf der Festsetzungsfrist

1.
der Steuerbescheid oder im Fall des § 122a die elektronische Benachrichtigung den Bereich der für die Steuerfestsetzung zuständigen Finanzbehörde verlassen hat oder
2.
bei öffentlicher Zustellung nach § 10 des Verwaltungszustellungsgesetzes die Benachrichtigung bekannt gemacht oder veröffentlicht wird.

(2) Die Festsetzungsfrist beträgt:

1.
ein Jahrfür Verbrauchsteuern und Verbrauchsteuervergütungen,
2.
vier Jahrefür Steuern und Steuervergütungen, die keine Steuern oder Steuervergütungen im Sinne der Nummer 1 oder Einfuhr- und Ausfuhrabgaben nach Artikel 5 Nummer 20 und 21 des Zollkodex der Union sind.
Die Festsetzungsfrist beträgt zehn Jahre, soweit eine Steuer hinterzogen, und fünf Jahre, soweit sie leichtfertig verkürzt worden ist. Dies gilt auch dann, wenn die Steuerhinterziehung oder leichtfertige Steuerverkürzung nicht durch den Steuerschuldner oder eine Person begangen worden ist, deren er sich zur Erfüllung seiner steuerlichen Pflichten bedient, es sei denn, der Steuerschuldner weist nach, dass er durch die Tat keinen Vermögensvorteil erlangt hat und dass sie auch nicht darauf beruht, dass er die im Verkehr erforderlichen Vorkehrungen zur Verhinderung von Steuerverkürzungen unterlassen hat.

(1) Die Festsetzungsfrist beginnt mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuer entstanden ist oder eine bedingt entstandene Steuer unbedingt geworden ist.

(2) Abweichend von Absatz 1 beginnt die Festsetzungsfrist, wenn

1.
eine Steuererklärung oder eine Steueranmeldung einzureichen oder eine Anzeige zu erstatten ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Steuererklärung, die Steueranmeldung oder die Anzeige eingereicht wird, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuer entstanden ist, es sei denn, dass die Festsetzungsfrist nach Absatz 1 später beginnt,
2.
eine Steuer durch Verwendung von Steuerzeichen oder Steuerstemplern zu zahlen ist, mit Ablauf des Kalenderjahrs, in dem für den Steuerfall Steuerzeichen oder Steuerstempler verwendet worden sind, spätestens jedoch mit Ablauf des dritten Kalenderjahrs, das auf das Kalenderjahr folgt, in dem die Steuerzeichen oder Steuerstempler hätten verwendet werden müssen.
Dies gilt nicht für Verbrauchsteuern, ausgenommen die Energiesteuer auf Erdgas und die Stromsteuer.

(3) Wird eine Steuer oder eine Steuervergütung nur auf Antrag festgesetzt, so beginnt die Frist für die Aufhebung oder Änderung dieser Festsetzung oder ihrer Berichtigung nach § 129 nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Antrag gestellt wird.

(4) Wird durch Anwendung des Absatzes 2 Nr. 1 auf die Vermögensteuer oder die Grundsteuer der Beginn der Festsetzungsfrist hinausgeschoben, so wird der Beginn der Festsetzungsfrist für die folgenden Kalenderjahre des Hauptveranlagungszeitraums jeweils um die gleiche Zeit hinausgeschoben.

(5) Für die Erbschaftsteuer (Schenkungsteuer) beginnt die Festsetzungsfrist nach den Absätzen 1 oder 2

1.
bei einem Erwerb von Todes wegen nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Erwerber Kenntnis von dem Erwerb erlangt hat,
2.
bei einer Schenkung nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem der Schenker gestorben ist oder die Finanzbehörde von der vollzogenen Schenkung Kenntnis erlangt hat,
3.
bei einer Zweckzuwendung unter Lebenden nicht vor Ablauf des Kalenderjahrs, in dem die Verpflichtung erfüllt worden ist.

(6) Für die Steuer, die auf Kapitalerträge entfällt, die

1.
aus Staaten oder Territorien stammen, die nicht Mitglieder der Europäischen Union oder der Europäischen Freihandelsassoziation sind, und
2.
nicht nach Verträgen im Sinne des § 2 Absatz 1 oder hierauf beruhenden Vereinbarungen automatisch mitgeteilt werden,
beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Kapitalerträge der Finanzbehörde durch Erklärung des Steuerpflichtigen oder in sonstiger Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

(7) Für Steuern auf Einkünfte oder Erträge, die in Zusammenhang stehen mit Beziehungen zu einer Drittstaat-Gesellschaft im Sinne des § 138 Absatz 3, auf die der Steuerpflichtige allein oder zusammen mit nahestehenden Personen im Sinne des § 1 Absatz 2 des Außensteuergesetzes unmittelbar oder mittelbar einen beherrschenden oder bestimmenden Einfluss ausüben kann, beginnt die Festsetzungsfrist frühestens mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem diese Beziehungen durch Mitteilung des Steuerpflichtigen oder auf andere Weise bekannt geworden sind, spätestens jedoch zehn Jahre nach Ablauf des Kalenderjahres, in dem die Steuer entstanden ist.

Tenor

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 9. Februar 2007 - 11 K 310/05 - wird zurückgewiesen.

Die Kosten des Zulassungsverfahrens fallen der Klägerin zur Last.

Der Streitwert wird für das Zulassungsverfahren auf 228.009,98 EUR festgesetzt.

Gründe

I.

Die Beteiligten streiten über die Heranziehung der Klägerin als Eigentümerin eines in der Gemeinde A-Stadt gelegenen Betriebsgeländes zu Niederschlagswassergebühren für die Jahre 1996 bis 2003 in einer Gesamthöhe von 228.009,98 EUR.

In der Gemeinde A-Stadt wurde zum 1.4.1995 mit der Satzung der Gemeinde A-Stadt über die Erhebung von Abwasserbeiträgen und -gebühren vom 21.3.1995 - AGS 1995 - anstelle der bis dahin einheitlich nach dem Frischwassermaßstab erhobenen Abwassergebühr eine nach Schmutz- und Niederschlagswasser „gesplittete“ Abwassergebühr eingeführt. Auf dieser Grundlage wurde die Klägerin mit Bescheiden vom 21.12.1995, 5.1.1996 und 8.2.1996 für die Zeit vom 1.4.1995 bis zum 31.12.1996 zu Niederschlagswassergebühren in Höhe von zusammen 118.127,52 DM herangezogen. Dagegen erhob die Klägerin nach erfolglosem Vorverfahren Klage, und mit Urteil vom 19.11.1999 - 11 K 254/97 - hob das Verwaltungsgericht die genannten Bescheide auf. Begründet wurde das damit, der in der Satzung festgelegte Maßstab für die Berechnung der Niederschlagswassergebühr verstoße gegen Art. 3 Abs. 1 GG; außerdem fehle es an einer angesichts der unvermittelten Einführung der Niederschlagswassergebühr mit Blick auf das Übermaßverbot erforderlichen schonenden Überleitungsbestimmung in der Satzung. Das Urteil vom 19.11.1999 wurde rechtskräftig.

Die Gemeinde A-Stadt erließ am 18.7.2000 mit Rückwirkung zum 1.4.1995 eine neue Satzung über die Erhebung von Abwassergebühren und Kostenersatz - AGS 2000 - und forderte von der Klägerin mit Bescheiden vom 20.9.2000, 12.10.2000 und 23.1.2001 für die Jahre 1996 bis 2001 Niederschlagswassergebühren in Höhe von insgesamt 221.959,17 EUR. Die Klägerin wandte sich nach erfolglosem Vorverfahren erneut an das Verwaltungsgericht. Mit Urteil vom 12.3.2004 - 11 K 51/02 - hob das Verwaltungsgericht die Gebührenbescheide auf; es fehle immer noch an der gebotenen Überleitungsvorschrift in der Satzung. Das Urteil vom 12.3.2004 wurde rechtskräftig.

Bereits zum 1.1.2004 hatten die Gemeinde A-Stadt und der Zweckverband Kommunale Entsorgung B-Stadt den Zweckverband Entsorgung A-Stadt, den Beklagten des vorliegenden Verfahrens, gegründet, der die Aufgaben des bisherigen Eigenbetriebs Kanalwerk der Gemeinde A-Stadt übernahm. Der Zweckverband Entsorgung A-Stadt beschloss am 3.12.2004 eine Satzung über die Erhebung von Abwassergebühren und Kostenersatz - AGS 2004 -, die in § 12 eine Übergangsregelung „zur Vermeidung einer übermäßigen Belastung der Gebührenpflichtigen“ enthält, und setzte sie mit Wirkung zum 1.1.1996 in Kraft. Mit Bescheiden vom 17.1.2005 zog der Beklagte die Klägerin zu Niederschlagswassergebühren für die Jahre 1996 bis 2003 in einer Gesamthöhe von 228.009,98 EUR heran. Die dagegen nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht durch Urteil vom 9.2.2007 - 11 K 310/05 - abgewiesen. In dem Urteil heißt es unter anderem: Die Satzung vom 3.12.2004 sei gültig und vom Beklagten zutreffend angewandt worden. Der Beklagte sei befugt gewesen, die Satzung vom 3.12.2004 überhaupt und mit Rückwirkung zum 1.1.1996 zu erlassen; auf ihn seien nämlich durch die Satzung für den Zweckverband Entsorgung A-Stadt vom 9.12.2003 wirksam alle zuvor der Gemeinde A-Stadt obliegenden Aufgaben der Abwasserbeseitigung einschließlich der Gebührenerhebung übertragen worden. Die Meinung der Klägerin, dass die Aufgabenübertragung mangels entsprechender ausdrücklicher weitergehender Aussage in der Satzung vom 9.12.2003 ausschließlich Aufgaben, die in der Zeit nach Gründung des Zweckverbandes angefallen seien, erfasse, gehe am Wortlaut der Satzung vorbei. Ebenfalls unbedenklich sei, dass sich die Gebührensatzung vom 3.12.2004 Rückwirkung ab 1.1.1996 beilege. Schutzwürdiges Vertrauen der Klägerin werde dadurch nicht beeinträchtigt, denn diese habe angesichts der früheren Veranlagungen und der auf ihre Klagen hin ergangenen Urteile des Verwaltungsgerichts vom 19.11.1999 und 12.3.2004 nie davon ausgehen können, endgültig gebührenfrei zu bleiben. Die angefochtenen Bescheide seien schließlich rechtzeitig, nämlich vor Eintritt von Festsetzungsverjährung, ergangen. Der Lauf der einschlägigen Frist von vier Jahren sei nämlich durch die rechtzeitig erfolgten früheren Bescheide gehemmt gewesen. Das ergebe sich aus § 12 Abs. 1 Nr. 4 lit.b KAG in Verbindung mit § 171 Abs. 3 a Satz 3 AO.

Dieses Urteil ist der Klägerin am 23.2.2007 zugestellt worden; am 19.3.2007 hat diese um die Zulassung der Berufung nachgesucht und ihren Antrag am 17.4.2007 näher begründet.

Der Beklagte sieht keinen Grund für die Zulassung der Berufung.

II.

Der Antrag der Klägerin auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 9.2.2007 ist zwar zulässig, aber unbegründet. Das, was die Klägerin in ihrem Schriftsatz vom 17.4.2007 vorgebracht hat und den Umfang der Prüfung durch den Senat im Zulassungsverfahren begrenzt (§ 124 a Abs. 5 Satz 2 VwGO), gibt keine Veranlassung, das erstinstanzliche Urteil einer Überprüfung in einem Berufungsverfahren zuzuführen. Die Ausführungen der Klägerin begründen keine - und erst recht keine ernstlichen - Zweifel an der Richtigkeit des erstinstanzlichen Urteils (§ 124 Abs. 2 Nr. 1 VwGO), wobei für diese Feststellung keine besonders schwierige Frage rechtlicher oder tatsächlicher Art zu beantworten ist (§ 124 Abs. 2 Nr. 2 VwGO); ebenso wenig kommt der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung zu (§ 124 Abs. 2 Nr. 3 VwGO). Die von der Klägerin problematisierten Rechtsfragen lassen sich schon im Zulassungsverfahren ohne weiteres aus dem Gesetz in Verbindung mit den einschlägigen Satzungen beantworten, wobei im Grunde bereits das Verwaltungsgericht alles Notwendige ausgeführt hat. Mit Blick auf die Zulassungsantragsbegründung bemerkt der Senat teils wiederholend, teils ergänzend:

a) Die Meinung der Klägerin, „ein Zweckverband ... (dürfe) keine Gebühren erheben für einen Zeitraum vor seiner Entstehung; wenn er insoweit Gebühren für eines seiner Mitglieder erheben will, muss es insoweit eine ausdrückliche Vereinbarung geben beziehungsweise er muss insoweit ausdrücklich ermächtigt worden sein; dies ist vorliegend nicht geschehen“, geht fehlt; sie findet insbesondere im Gesetz über die kommunale Gemeinschaftsarbeit - KGG - in der Fassung der Bekanntmachung vom 27.6.1997 (Amtsblatt S. 723) keine Stütze.

Nach den §§ 1 Abs. 1 Satz 1, 2 Abs. 1 KGG können Gemeinden und Gemeindeverbände zur Erfüllung bestimmter Aufgaben, zu deren Durchführung sie berechtigt oder verpflichtet sind, nach Maßgabe dieses Gesetzes Zweckverbände bilden. Das Recht und die Pflicht zur Erfüllung der Aufgaben der am Zweckverband beteiligten Gemeinden und Gemeindeverbände gehen - so § 4 Abs. 1 KGG - nach Maßgabe der Verbandssatzung auf den Zweckverband über. Vor diesem Hintergrund kommt den zwingend in der Verbandssatzung zu bestimmenden „Aufgaben“ des Zweckverbandes (§ 6 Abs. 2 Nr. 2 KGG) entscheidende Bedeutung zu. Dabei enthält das saarländische Landesrecht - anders als das hessische Landesrecht

dazu VGH Kassel, Urteil vom 25.2.1985 - V OE 41/82 -, DÖV 1986, 157 -

keine Vorgabe dahingehend, Aufgaben dürften einem Zweckverband lediglich mit Wirkung für die Zukunft übertragen werden. Angesichts der „offenen“ Formulierung in § 2 Abs. 1 KGG steht es nach saarländischem Landesrecht den Gemeinden und Gemeindeverbänden vielmehr frei, die Aufgabenübertragung nur für die Zukunft vorzunehmen oder auf noch unerledigte Angelegenheiten aus der Vergangenheit zu erstrecken. Das folgt eindeutig aus § 3 Abs. 3 Satz 1 KGG. Danach kann der Zweckverband in Erfüllung seiner Aufgaben Satzungen erlassen, soweit Gemeinden und Gemeindeverbände, die Mitglieder des Zweckverbandes sind, in Erledigung der dem Zweckverband übertragenen Aufgaben zum Erlass von Satzungen berechtigt waren, insbesondere über die Erhebung von Gebühren. Durch den Gebrauch des Wortes „waren“ wird - jeden Zweifel ausschließend - klargestellt, dass es für die Zulässigkeit der Übertragung der Befugnis, eine Gebührensatzung zu erlassen, von der Gemeinde auf den Zweckverband ausreicht, dass die Gemeinde zu irgend einem zurückliegenden Zeitpunkt in der betreffenden Angelegenheit satzungsbefugt war . Allein das ist sinnvoll, um ein - oft missliches - Nebeneinander von Gemeinde und Zweckverband in demselben Aufgabengebiet ausschließen zu können. Demgegenüber führt selbst die Klägerin keinen einleuchtenden Grund an, warum es verboten sein soll, einem Zweckverband die Erledigung auch solcher Angelegenheiten zu übertragen, die zwar vor seiner Gründung angefallen, aber noch nicht abschließend erledigt sind

zum Problem vgl. auch BVerwG, Beschluss vom 6.4.1992 - 7 B 47/92 -, NVwZ-RR 1992, 428; OVG Münster, Beschluss vom 7.9.2004 – 9 B 1551/04 -, NVwZ-RR 2005, 278, und Gern, Deutsches Kommunalrecht, 3. Auflage, Rdnr. 935.

Eine umfassende, also nicht auf erst nach dem 1.1.2004 angefallene Angelegenheiten beschränkte Aufgabenübertragung enthält die Satzung für den Zweckverband Entsorgung A-Stadt vom 9.12.2003. Dabei kann dahinstehen, ob nicht bereits eine Vermutung für einen dahingehenden Regelungswillen bei Gründung eines Zweckverbandes besteht

vgl. dazu für das bayerische beziehungsweise das sächsische Landesrecht Friedl/Wiethe-Körprich unter Hinweis auf VGH München, Urteil vom 23.4.1986 - 23 CS 85 A 2663 -, n.v., beziehungsweise Birk in Driehaus, Kommunalabgabenrecht - Stand: Januar 2007 -, § 8 Rdnr. 722 beziehungsweise Rdnr. 1255.

Der Wortlaut der Satzung vom 9.12.2003 spricht jedenfalls eindeutig für diese Auslegung. Zu Recht hat bereits das Verwaltungsgericht auf die keinerlei Einschränkung enthaltenden Aussagen des § 2 Abs. 1 Satz 1 und Abs. 3 Satz 1 der Satzung vom 9.12.2003 hingewiesen, wonach der Zweckverband die örtlichen Aufgaben der Abwasserbeseitigung wahrnimmt und alle der Gemeinde A-Stadt obliegenden Aufgaben der Abwasserbeseitigung übernimmt. Dass dies in der Vergangenheit begründete Rechte und Pflichten einschließt, macht für den Vertragsbereich § 2 Abs. 1 Satz 4 der Satzung mit der Aussage deutlich, der Zweckverband trete in alle Rechte und Pflichten der Verträge ein. Nichts anderes ergibt sich für die Abwassergebührenerhebung und das einschlägige Satzungsrecht. Die Verbandsversammlung entscheidet nämlich nach § 6 Abs. 1 Nr. 3 der Satzung über den Erlass von Satzungen über die Erhebung von Abwassergebühren – das schließt aufgrund der umfassenden Satzungsautonomie die Befugnis zum Erlass rückwirkender Satzungen selbstverständlich ein -, und bis zum Inkrafttreten eigener Satzungen des Zweckverbandes gelten nach § 6 Abs. 4 die den Aufgabenbereich des Zweckverbandes betreffenden Satzungen der Gemeinde A-Stadt fort. Dass damit nach dem in der Satzung verlautbarten Willen seiner Mitglieder der Zweckverband unter anderem berechtigt und verpflichtet sein soll, am 1.1.2004 noch unerledigte Gebührenangelegenheiten aus früherer Zeit zu regeln, liegt auch ohne dahingehende ausdrückliche Aussage offen zutage und ist unter den gegebenen Umständen einzig sinnvoll. Davon ist übrigens das Verwaltungsgericht - von der Klägerin unbeanstandet - bereits im Vorprozess ausgegangen

vgl. Urteil vom 12.3.2004 - 11 K 51/02 -, S. 8.

§ 8 Abs. 2 AGS 2004, wonach der Anspruch auf die Niederschlagswassergebühr mit dem Ablauf des einzelnen Kalenderjahrs entsteht, stellt die Richtigkeit der hier vertretenen Auffassung nicht in Frage. Dieselbe Satzung bestimmt nämlich in § 1 Abs. 1 und § 3 Abs. 1 den Beklagten - und gerade nicht die Gemeinde A-Stadt - zum Gläubiger unter anderem der Niederschlagswassergebühren, was offensichtlich Gebührenansprüche für vor Gründung des Zweckverbandes erfolgte Abwassereinleitungen einschließen soll. Insoweit bestätigt die AGS 2004 den vom Senat angenommenen umfassenden Aufgabenübergang von der Gemeinde A-Stadt auf den Zweckverband.

Im Weiteren ergibt die Aussage in § 1 Abs. 3 des Vertrags vom 19.11.2003, wonach die Kooperation zwischen den Zweckverbandsmitgliedern mit der Vertragsunterzeichnung beginnt, kein Argument gegen die hier vertretene Auffassung, da sie den Aufgabenkreis, auf den sich die künftige Zusammenarbeit bezieht, gerade nicht benennt.

b) Fehl geht auch die Kritik der Klägerin an der Auffassung des Verwaltungsgerichts, es liege kein Fall von Festsetzungsverjährung vor.

Die Festsetzungsverjährungsfrist für die Niederschlagswassergebühr beträgt nach § 12 Abs. 1 Nr. 4 lit.b KAG in Verbindung mit § 169 Abs. 1 und Abs. 2 Satz 1 AO vier Jahre und beginnt mit Ablauf des Kalenderjahres, in dem der Gebührenanspruch entstanden ist (§ 170 Abs. 1 AO). Die Niederschlagswassergebührenschuld entsteht mit dem Ablauf des einzelnen Kalenderjahres (§ 9 Abs. 2 AGS 2004). Das bedeutet, dass in Bezug auf die Niederschlagswassergebühren für die Jahre 2001, 2002 und 2003 die Festsetzungsverjährungsfrist am 31.12.2005, 31.12.2006 und 31.12.2007 abgelaufen wäre. Da die angefochtenen Bescheide am 17.1.2005 ergangen sind, stellt sich für den Erhebungszeitraum 2001 bis 2003 von vornherein kein Verjährungsproblem.

Bezüglich der Jahre 1996 bis 2000 hat das Verwaltungsgericht zu Recht auf die in § 12 Abs. 1 Nr. 4 lit.b KAG in Verbindung mit § 171 Abs. 3 a Satz 3 AO enthaltene Sonderregelung über die Ablaufhemmung der Festsetzungsverjährungsfrist hingewiesen und diese Bestimmung in Übereinstimmung mit der einhelligen Auffassung in Rechtsprechung

u.a. OVG Münster, Beschluss vom 30.6.1995 – 15 A 3337/92 -, zitiert nach Dietzel/Hinsen/Kallerhoff, Das Straßenbaubeitragsrecht nach § 8 des Kommunalabgabengesetzes NRW, 5. Auflage, Rdnr. 472; OVG Lüneburg, Urteil vom 26.6.1996 - 9 L 1781/94 -, NVwZ 1998, 427; OVG Magdeburg, Beschluss vom 12.7.2002 – 1 M 273/01 -, NVwZ-RR 2003, 233, und VGH Kassel, Beschluss vom 10.4.2007 – 5 TG 3116/06 -, KStZ 2007, 131,

und Literatur

u.a. Lauenroth/Sauthoff in Driehaus, a.a.O., § 12 Rdnrn. 35 bis 38; Driehaus, Erschließungs- und Ausbaubeiträge, 7. Auflage, § 19 Rdnr. 37, und Thiem, Allgemeines kommunales Abgabenrecht, S. 166/167,

ausgelegt. Danach dauert die durch Anfechtung eines ersten, vor Eintritt von Festsetzungsverjährung ergangenen Abgabenbescheids mittels Widerspruchs und Klage bewirkte Hemmung der Festsetzungsverjährungsfrist nach gerichtlicher Bescheidaufhebung an, bis die betreffende Angelegenheit durch einen neuen Bescheid unanfechtbar geregelt ist. Fallbezogen bedeutet dies, dass die Gemeinde A-Stadt beziehungsweise - seit dem 1.1.2004 - der an deren Stelle getretene Beklagte angesichts der jeweils vor Eintritt von Festsetzungsverjährung ergangenen Bescheide vom 5.1. und 8.2.1996 betreffend die Niederschlagswassergebühren für das Jahr 1996 und vom 20.9.2000, 12.10.2000 und 23.1.2001 betreffend die Niederschlagswassergebühren für die Jahre 1996 bis 2001 nach deren rechtskräftigen Aufhebung durch die Urteile des Verwaltungsgerichts vom 19.11.1996 - 11 K 254/97 - und 12.3.2004 - 11 K 51/02 - mit Blick auf die Festsetzungsverjährung unbegrenzt Zeit für eine Neuveranlagung hatte. Ausschließlich der Gesichtspunkt der Verwirkung stellte insoweit eine äußerste Grenze dar, die hier allerdings nicht überschritten ist, da die Gemeinde A-Stadt beziehungsweise der Beklagte jeweils alsbald nach Rechtskraft der genannten Urteile des Verwaltungsgerichts Anstrengungen unternahm, die in den Gerichtsentscheidungen angesprochenen Satzungsmängel zu beheben und neue Veranlagungen vorzunehmen. Die Klägerin selbst behauptet denn auch nicht, je angenommen zu haben, endgültig gebührenfrei zu bleiben, und beruft sich ausdrücklich nur auf Verjährung, nicht aber - auch - auf Verwirkung.

Der Versuch der Klägerin, nunmehr die Richtigkeit insbesondere der das Urteil des Verwaltungsgerichts vom 12.3.2004 - 11 K 51/02 - tragenden Annahme, die Gebührensatzung vom 18.7.2000 sei nichtig, in Frage zu stellen, um dadurch § 171 Abs. 3 a AO „auszuhebeln“, muss scheitern. Zwar kommt der Verwerfung der genannten Gebührensatzung durch das Verwaltungsgericht keine Allgemeinverbindlichkeit zu. Infolge der Rechtskraft des Urteils vom 12.3.2004 stehen aber im Verhältnis zwischen den Verfahrensbeteiligten bindend die Unwirksamkeit der Satzung vom 18.7.2000 sowie die Rechtswidrigkeit der Gebührenbescheide vom 20.9.2000, 12.10.2000 und 23.1.2001 fest. Einzig an die gerichtliche Aufhebung der genannten Abgabenbescheide knüpft aber die Vorschrift des § 171 Abs. 3 a Satz 3 AO an. Weitergehende Ausführungen zu dieser Vorschrift sind angesichts der zutreffenden Darlegungen des Verwaltungsgerichts sowie der einhelligen Norminterpretation durch Rechtsprechung und Literatur nicht veranlasst.

Schließlich ergibt sich aus dem Urteil des OVG Münster vom 18.5.1999 - 15 A 2880/96 -

OVGE 48,1; ebenso OVG Frankfurt/Oder, Urteil vom 8.6.2000 - 2 D 29/98 NE -, DVBl. 2001, 494 Leitsatz; diese Rechtsprechung ist mit Bundesrecht vereinbar, wie das Bundesverwaltungsgericht mit Beschluss vom 6.9.1999 - 11 B 40/99 -, Juris, festgestellt hat;

nichts zugunsten der Klägerin. Der Leitsatz des genannten Urteils lautet:

Das Tatbestandsmerkmal „ .... frühestens jedoch mit Inkrafttreten der Satzung ...“ in § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG NRW bedeutet nicht „frühestens mit Inkrafttreten der ersten gültigen Satzung“. Das Tatbestandsmerkmal bedeutet vielmehr, dass ... die Beitragspflicht erst in dem Zeitpunkt entsteht, in dem die Gemeinde eine Satzung in Kraft setzen will, die die Beitragspflicht entstehen lassen soll, sodass - sollte diese Satzung nichtig sein - eine für das Entstehen der Beitragspflicht erforderliche neue, wirksame Satzung Rückwirkung auf den Zeitpunkt des Inkrafttretens der ersten Satzung haben muss.

Damit bezieht sich diese Entscheidung erklärtermaßen einzig auf den Anwendungsbereich des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG NRW, also die Beitragspflicht bei leitungsgebundenen Einrichtungen. Eine weitergehende Geltung für das gesamte Kommunalabgabenrecht oder doch zumindest für das Abwassergebührenrecht postuliert das OVG Münster nicht und ist angesichts der auf Wortlaut, Systematik und Entstehungsgeschichte des § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG NRW abhebenden Entscheidungsgründe auch nicht mittelbar dem Urteil zu entnehmen. Der beschließende Senat

u.a. Entscheidungen vom 14.2.1991 - 1 R 621/88 -, n.v., vom 5.9.1991 - 1 W 41/91 -, SKZ 1992, 109 Leitsatz 9, vom 7.12.1992 - 1 W 50/92 -, SKZ 1993, 102 Leitsatz 6, und vom 21.5.1993 - 1 W 24/93 -, SKZ 1993, 272 Leitsatz 6; ebenso OVG Greifswald, Urteil vom 13.11.2001 - 4 K 16/00 -, KStZ 2002, 132; OVG Weimar, Beschluss vom 18.3.2002 - 4 ZEO 669/01 -, NVwZ-RR 2003, 91, und Becker, KStZ 2001, 161; dass diese Rechtsprechung ebenfalls bundesrechtskonform ist, hat das Bundesverwaltungsgericht mit Blick auf die zitierte Entscheidung des Senats vom 14.2.1991 mit Beschluss vom 13.11.1991 - 8 B 78/91 -, n.v., festgestellt;

hat zudem schon wiederholt entschieden, dass er, obwohl § 8 Abs. 7 Satz 2 KAG Saarland mit der entsprechenden Vorschrift des nordrhein-westfälischen Landesrechts übereinstimmt, die vom OVG Münster im Urteil vom 18.5.1999 vorgenommene Norminterpretation für falsch hält. All dies bedarf indes keiner Vertiefung. Die Klägerin übersieht bei ihrer Berufung auf das Urteil des OVG Münster vom 18.5.1999 nämlich völlig, dass sich der Beklagte bei Erlass der Gebührensatzung vom 3.12.2004 exakt so verhalten hat, wie es dem Leitsatz des Urteils vom 18.5.1999 entspricht. Die Gebührensatzung wurde nämlich rückwirkend zum 1.1.1996 in Kraft gesetzt mit der Folge, dass seit dem 1.1.1996 der Gebührenanspruch für das einzelne Kalenderjahr mit dessen Ablauf entstand und Festsetzungsverjährung folglich jeweils vier Jahre später eingetreten wäre. Indes wurde der Eintritt von Festsetzungsverjährung durch den rechtzeitigen Erlass von Gebührenbescheiden verhindert, und die durch die Anfechtung dieser Bescheide durch die Klägerin bewirkte Ablaufhemmung dauerte bei Erlass der jetzt angefochtenen Bescheide aufgrund der Regelung in § 171 Abs. 3 a Satz 3 AO noch an

in diesem Sinne wohl auch Becker, a.a.O., S. 161 unten/162 oben, wonach dem Urteil des OVG Münster vom 18.5.1999 vornehmlich dann Bedeutung zukommt, wenn der Abgabenanspruch – anders als hier - nicht unter Zugrundelegung der Bestimmungen der ersten Satzung rechtzeitig geltend gemacht wurde.

Angesichts der aufgezeigten eindeutigen Rechtslage in den von der Klägerin problematisierten Punkten besteht keine Veranlassung, die Berufung zuzulassen. Der Antrag der Klägerin muss vielmehr zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO.

Die Streitwertfestsetzung rechtfertigt sich aus den §§ 63 Abs. 2, 52 Abs. 3, 47 Abs. 3, 39 Abs. 1 GKG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar.

Gründe

I

1

Die Klägerin ist nach eigenen Angaben syrische Staatsangehörige. Sie reiste im Mai 2014 in die Bundesrepublik Deutschland ein und beantragte Asyl. Zuvor war ihr in Bulgarien die Flüchtlingseigenschaft zuerkannt worden. Mit Bescheid vom 30. Dezember 2014 lehnte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (im Folgenden: Bundesamt) den Antrag als unzulässig ab (Ziffer 1.). Es drohte der Klägerin die Abschiebung nach Bulgarien oder einen anderen aufnahmebereiten Staat an, wenn sie das Bundesgebiet nicht innerhalb von 30 Tagen nach dem unanfechtbaren Abschluss des Asylverfahrens verlässt. Nach Syrien dürfe sie nicht abgeschoben werden (Ziffer 2.). Zur Begründung führte das Bundesamt aus, der Asylantrag sei unzulässig, weil der Klägerin bereits in einem anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union internationaler Schutz zuerkannt worden sei.

2

Das Verwaltungsgericht hat Ziffer 2 des angefochtenen Bescheids des Bundesamts aufgehoben und die Klage im Übrigen (Verpflichtung zur Feststellung eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Bulgarien) abgewiesen. Das Oberverwaltungsgericht hat das Urteil des Verwaltungsgerichts geändert und die Beklagte verpflichtet festzustellen, dass ein Abschiebungsverbot gemäß § 60 Abs. 5 AufenthG in Bezug auf Bulgarien besteht. Es hat die Revision nicht zugelassen. Dagegen wendet sich die Beklagte mit der Beschwerde.

II

3

Die Beschwerde hat keinen Erfolg.

4

1. Der geltend gemachte Zulassungsgrund einer grundsätzlichen Bedeutung der Rechtssache (§ 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO) liegt nicht vor.

5

Eine Rechtssache hat grundsätzliche Bedeutung im Sinne des § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO, wenn sie eine abstrakte, in dem zu entscheidenden Fall erhebliche Frage des revisiblen Rechts mit einer über den Einzelfall hinausgehenden allgemeinen Bedeutung aufwirft, die im Interesse der Einheitlichkeit der Rechtsprechung oder im Interesse der Rechtsfortbildung in einem Revisionsverfahren geklärt werden muss. Diese Voraussetzungen sind nicht erfüllt, wenn sich die aufgeworfene Frage im Revisionsverfahren nicht stellen würde, wenn sie bereits geklärt ist bzw. aufgrund des Gesetzeswortlauts mithilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantwortet werden kann oder wenn sie einer abstrakten Klärung nicht zugänglich ist (BVerwG, Beschlüsse vom 1. April 2014 - 1 B 1.14 - AuAS 2014, 110 und vom 14. Februar 2018 - 1 B 1.18 - juris Rn. 3).

6

a) Die Beschwerde hält zunächst hinsichtlich eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK für klärungsbedürftig,

"welchen Schweregrad eine auf die allgemeinen Verhältnisse zurückzuführende Situation jedenfalls erreichen muss, um der Überstellung in einen anderen Mitgliedstaat der Europäischen Union mit Blick auf Art. 4 GRC bzw. Art. 3 EMRK entgegenzustehen"

und

"ob insoweit eine Eingriffsschwere erforderlich ist, die dem Grad der 'Extremgefahr', wie sie zur Durchbrechung der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG erforderlich wäre, gleichkommt?".

7

Diese Fragen rechtfertigen mangels Klärungsbedürftigkeit nicht die Zulassung der Revision gemäß § 132 Abs. 2 Nr. 1 VwGO. Denn sie sind bereits durch die Rechtsprechung des Gerichtshofs der Europäischen Union, des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte und des Bundesverwaltungsgerichts geklärt.

8

aa) Für die Kriterien einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK ist auf die Rechtsprechung des EGMR zu Art. 3 EMRK zurückzugreifen. Dieser fordert in ständiger Rechtsprechung nur für die Tatbestandsalternativen der "Folter" und der "unmenschlichen Behandlung" ein vorsätzliches Handeln, nicht hingegen für die Tatbestandsalternative der "erniedrigenden Behandlung". Hierzu führt er in seinem Urteil vom 21. Januar 2011 (GK) - Nr. 30696/09 - M.S.S./Belgien und Griechenland - (Rn. 220) aus: Es sei zwar zu berücksichtigen, ob es der Zweck der Behandlung gewesen sei, das Opfer zu erniedrigen oder zu demütigen, aber auch wenn das nicht gewollt war, schließe dies die Feststellung einer Verletzung von Art. 3 EMRK nicht zwingend aus ("the absence of any such purpose cannot conclusively rule out a finding of a violation of Article 3"). Der EuGH und das Bundesverwaltungsgericht sind dieser Rechtsprechung gefolgt. Der EuGH hat in seinem Urteil vom 21. Dezember 2011 - C-411/10 und C-493/10 [ECLI:EU:C:2011:865], N.S. u.a. - (Rn. 86 bis 94 und 106) entschieden, dass die Überstellung von Asylbewerbern im Rahmen des Dublin-Systems unter bestimmten Umständen gegen das Verbot einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung im Sinne von Art. 4 GRC/Art. 3 EMRK verstoßen kann, wenn sie an einen Mitgliedstaat überstellt werden, bei dem ernsthaft zu befürchten ist, dass das Asylverfahren und die Aufnahmebedingungen für Antragsteller systemische Mängel aufweisen. Diese Rechtsprechung führt der EuGH in Folgeentscheidungen fort und legt die Merkmale der unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung in Übereinstimmung mit dem EGMR aus (vgl. etwa EuGH, Urteil vom 16. Februar 2017 - C-578/16 PPU [ECLI:EU:C:2017:127], C.K. u.a. - Rn. 67). Entsprechendes gilt für die Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts (vgl. BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 Rn. 22 ff.).

9

In der Rechtsprechung des EGMR ist weiter geklärt, dass die einem Ausländer im Zielstaat drohenden Gefahren ein gewisses "Mindestmaß an Schwere" (minimum level of severity) erreichen müssen, um ein Abschiebungsverbot nach Art. 3 EMRK/Art. 4 GRC zu begründen (vgl. EGMR , Urteil vom 13. Dezember 2016 - Nr. 41738/10, Paposhvili/Belgien - Rn. 174; EuGH, Urteil vom 16. Februar 2017 - C-578/16 PPU, C.K. u.a. - Rn. 68). Die Bestimmung dieses Mindestmaßes an Schwere ist relativ und hängt von allen Umständen des Falls ab, insbesondere von der Dauer der Behandlung, den daraus erwachsenen körperlichen und mentalen Folgen für den Betroffenen und in bestimmten Fällen auch vom Geschlecht, Alter und Gesundheitszustand des Betroffenen (EGMR , Urteile vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - Rn. 219 und vom 13. Dezember 2016 - Nr. 41738/10, Paposhvili/Belgien - Rn. 174). Nach den Schlussanträgen des Generalanwalts beim EuGH Wathelet vom 25. Juli 2018 (C-163/17 - Rn. 143) muss sich der Betroffene in "einer besonders gravierenden Lage" befinden. Auch nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts können schlechte humanitäre Verhältnisse im Zielstaat der Abschiebung nur in besonderen Ausnahmefällen ein Abschiebungsverbot nach Art. 3 EMRK begründen (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 Rn. 23 und 25).

10

Allerdings enthält Art. 3 EMRK weder eine Verpflichtung der Vertragsstaaten, jedermann in ihrem Hoheitsgebiet mit einer Wohnung zu versorgen noch begründet Art. 3 EMRK eine allgemeine Verpflichtung, Flüchtlingen finanzielle Unterstützung zu gewähren oder ihnen einen bestimmten Lebensstandard zu ermöglichen (EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - Rn. 249). Der EGMR hat aber für die als besonders verletzlich gewertete Gruppe der Asylsuchenden eine gesteigerte Verantwortlichkeit der EU-Mitgliedstaaten gesehen, weil sich diese durch die Richtlinie 2003/9/EG des Rates vom 27. Januar 2003 zur Festlegung von Mindestnormen für die Aufnahme von Asylbewerbern in den Mitgliedstaaten (ABl. L 31 S. 18) (heute: Richtlinie 2013/33/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zur Festlegung von Normen für die Aufnahme von Personen, die internationalen Schutz beantragen ) zur Gewährleistung bestimmter Minimalstandards bei der Aufnahme von Asylsuchenden verpflichtet haben. Bei diesem besonders schutzbedürftigen Personenkreis können schlechte Lebensbedingungen im Zielstaat der Abschiebung das für Art. 3 EMRK erforderliche Mindestmaß an Schwere erfüllen, wenn die Betroffenen - in einem ihnen vollständig fremden Umfeld - vollständig von staatlicher Unterstützung abhängig sind und staatlicher Untätigkeit und Indifferenz gegenüberstehen, obwohl sie sich in ernsthafter Armut und Bedürftigkeit befinden (EGMR, Urteil vom 21. Januar 2011 - Nr. 30696/09, M.S.S./Belgien und Griechenland - Rn. 250 ff.; BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 Rn. 24).

11

Die vorstehend wiedergegebene Rechtsprechung von EGMR, EuGH und Bundesverwaltungsgericht ist auf anerkannte Flüchtlinge zu übertragen, die sich darauf berufen, dass die Lebensbedingungen, denen sie im Staat ihrer Flüchtlingsanerkennung ausgesetzt sind, Art. 3 EMRK widersprechen (so schon BVerwG, Beschluss vom 2. August 2017 - 1 C 37.16 - juris Rn. 20). Auch für diesen Personenkreis ergibt sich eine gesteigerte Schutzpflicht der EU-Mitgliedstaaten, der sie sich in Gestalt der Anerkennungsrichtlinie 2011/95/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 13. Dezember 2011 über die Normen für die Anerkennung von Drittstaatsangehörigen oder Staatenlosen als Personen mit Anspruch auf internationalen Schutz, für einen einheitlichen Status für Flüchtlinge oder für Personen mit Anrecht auf subsidiären Schutz und für den Inhalt des zu gewährenden Schutzes (ABl. L 337 S. 9) unterworfen haben. Auch bei ihnen kann das für Art. 3 EMRK erforderliche Mindestmaß an Schwere im Zielstaat der Abschiebung erreicht sein, wenn sie ihren existentiellen Lebensunterhalt nicht sichern können, kein Obdach finden oder keinen Zugang zu einer medizinischen Basisbehandlung erhalten. Die Unmöglichkeit der Sicherung des Lebensunterhalts kann auf der Verhinderung eines Zugangs zum Arbeitsmarkt oder auf dem Fehlen staatlicher Unterstützungsleistungen beruhen. Einer weitergehenden abstrakten Konkretisierung ist das Erfordernis, dass ein gewisses "Mindestmaß an Schwere" erreicht sein muss, nicht zugänglich. Vielmehr bedarf es insoweit der Würdigung aller Umstände des Einzelfalls.

12

Die Frage, ob die vom Berufungsgericht tatrichterlich festgestellten Aufnahmebedingungen für nach Bulgarien zurückkehrende anerkannte Schutzbedürftige unter Berücksichtigung der aufgezeigten rechtlichen Maßstäbe gegen Art. 3 EMRK verstoßen, betrifft die richterliche Tatsachenwürdigung und -bewertung. Diese Frage wird von den Verwaltungs- und Oberverwaltungsgerichten der einzelnen Bundesländer unterschiedlich beantwortet (eine vom Berufungsgericht abweichende Einschätzung trifft u.a. das OVG Magdeburg, Beschluss vom 31. August 2016 - 3 L 94/16 - juris; vgl. im Übrigen die Zusammenstellung im angefochtenen Urteil S. 11 f.). Tatsachenfragen - mögen sie auch von grundsätzlicher Bedeutung sein - reichen nach geltender Rechtslage für die Zulassung einer Revision nicht aus (s. nur BVerwG, Beschluss vom 24. April 2017 - 1 B 22.17 - InfAuslR 2017, 307). Eine etwa fehlerhafte Anwendung der rechtlich zu Art. 3 EMRK geklärten Maßstäbe im Einzelfall - mag sie auch die von individuellen Besonderheiten weitgehend unabhängige Beurteilung der Lage in einem bestimmten Abschiebungszielstaat betreffen - rechtfertigt ebenfalls nicht die Zulassung der Revision wegen grundsätzlicher Bedeutung.

13

bb) Die von der Beschwerde aufgeworfene Frage, ob die Annahme eines Abschiebungsverbots in Bezug auf § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK eine "Extremgefahr" voraussetzt, lässt sich mithilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung und auf der Grundlage der einschlägigen Rechtsprechung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens verneinen. Der Begriff der "Extremgefahr" wird im Zusammenhang mit dem nationalen Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 7 AufenthG verwendet. Danach kann ein Ausländer im Hinblick auf die Lebensbedingungen, die ihn im Abschiebezielstaat erwarten, insbesondere die dort herrschenden wirtschaftlichen Existenzbedingungen und die damit zusammenhängende Versorgungslage, Abschiebungsschutz in verfassungskonformer Anwendung des § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG nur ausnahmsweise beanspruchen, wenn er bei einer Rückkehr aufgrund dieser Bedingungen mit hoher Wahrscheinlichkeit einer extremen Gefahrenlage ausgesetzt wäre. Denn nur dann gebieten es die Grundrechte aus Art. 1 Abs. 1 und Art. 2 Abs. 2 Satz 1 GG, ihm trotz einer fehlenden politischen Leitentscheidung nach § 60a Abs. 1 Satz 1 i.V.m. § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG Abschiebungsschutz nach § 60 Abs. 7 Satz 1 AufenthG zu gewähren (BVerwG, Urteil vom 31. Januar 2013 - 10 C 15.12 - BVerwGE 146, 12 Rn. 38). Dieser strengere Maßstab ist zur Rechtfertigung der Durchbrechung der Sperrwirkung des § 60 Abs. 7 Satz 5 AufenthG geboten, lässt sich jedoch nicht auf die in § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK getroffene Regelung übertragen.

14

b) Die Beschwerde sieht weiteren rechtsgrundsätzlichen Klärungsbedarf, ob

"in einer solchen Konstellation vom Bundesamt (...) im Sinn einer zielstaatsbezogenen Gefahrenursache das Vorhandensein einer Unterkunftsmöglichkeit in die Prognose für Abschiebungsschutzgründe i.S.d. § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG einzustellen ist"

und

"die der Gefahrrealisierung entgegenstehende Einholung einer Zusage über die Sicherstellung einer Unterkunftsmöglichkeit durch die Behörden des Mitgliedstaats (hier: Bulgarien) dem Aufgabenbereich des Bundesamtes oder dem Aufgabenbereich der für die Durchführung der Überstellung zuständigen Ausländerbehörde unterfällt".

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Auch diese aufgeworfenen Rechtsfragen rechtfertigen nicht die Zulassung der Revision.

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aa) Die Frage, ob das Bundesamt das Vorhandensein einer Unterkunftsmöglichkeit in die Prognose für Abschiebungsschutzgründe im Sinne des § 60 Abs. 5 bzw. Abs. 7 Satz 1 AufenthG einzustellen hat, lässt sich bereits aufgrund des Gesetzeswortlauts mithilfe der üblichen Regeln sachgerechter Auslegung ohne Durchführung eines Revisionsverfahrens beantworten. Die Zuständigkeit des Bundesamts für die Feststellung, ob die Voraussetzungen eines Abschiebungsverbots nach § 60 Abs. 5 oder Abs. 7 AufenthG vorliegen, folgt aus § 24 Abs. 2 und § 31 Abs. 3 Satz 1 AsylG. Aus dem Untersuchungsgrundsatz des § 24 Abs. 1 AsylG ergibt sich, dass das Bundesamt den Sachverhalt klärt und die erforderlichen Beweise erhebt. Für das hier relevante Abschiebungsverbot des § 60 Abs. 5 AufenthG i.V.m. Art. 3 EMRK bedeutet dies, dass alle für die Beurteilung des Vorliegens einer unmenschlichen oder erniedrigenden Behandlung relevanten Lebensbedingungen im Zielstaat der Abschiebung zu ermitteln und zu würdigen sind. Dafür ist unter anderem auch von Bedeutung, ob der rückkehrende Ausländer eine Unterkunft finden kann.

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bb) Die weiter aufgeworfene Rechtsfrage, ob das Bundesamt oder die Ausländerbehörden für die Einholung einer der Gefahrrealisierung entgegenstehenden Zusage über die Sicherstellung einer Unterkunftsmöglichkeit durch die Behörden des Mitgliedstaats (hier: Bulgarien) zuständig ist, rechtfertigt schon deshalb nicht die Zulassung der Revision, weil diese Frage nicht entscheidungserheblich ist. Denn im vorliegenden Verfahren geht es nicht um die Einholung einer derartigen Zusicherung, sondern allgemein um die Verfügbarkeit einer Unterkunftsmöglichkeit. Hierbei handelt es sich um eine zielstaatsbezogene Tatsache, die das Bundesamt zu klären hat. In diesem Zusammenhang kann es gegebenenfalls auch zu der Feststellung gelangen, dass es zur Beseitigung eines ansonsten bestehenden Abschiebungsverbots einer Zusicherung bedarf. Etwas anderes gilt nur für Umstände, die Gefahren betreffen, die sich im Einzelfall im Zusammenhang mit der Durchführung einer Abschiebung ergeben. Hierzu zählt jedoch die Frage nicht, ob Flüchtlinge in Bulgarien Obdach finden können.

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2. Die geltend gemachten Verfahrensfehler (§ 132 Abs. 2 Nr. 3 VwGO) einer Verletzung der Pflicht zur Sachaufklärung (§ 86 Abs. 1 VwGO) und eines Verstoßes gegen das Gebot rechtsfehlerfreier Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) sind nicht dargelegt bzw. liegen nicht vor.

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a) Die geltend gemachte Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht (§ 86 Abs. 1 VwGO) genügt schon nicht den Darlegungsanforderungen des § 133 Abs. 3 Satz 3 VwGO.

20

Die Rüge einer solchen Verletzung erfordert eine substantiierte Darlegung, hinsichtlich welcher tatsächlichen Umstände Aufklärungsbedarf bestanden hat, welche für geeignet und erforderlich gehaltenen Aufklärungsmaßnahmen hierfür in Betracht gekommen wären und welche tatsächlichen Feststellungen bei Durchführung der unterbliebenen Sachverhaltsaufklärung voraussichtlich getroffen worden wären. Weiterhin muss entweder dargelegt werden, dass bereits im Verfahren vor dem Tatsachengericht, insbesondere in der mündlichen Verhandlung, auf die Vornahme der Sachverhaltsaufklärung, deren Unterbleiben nunmehr gerügt wird, durch einen Beweisantrag hingewirkt worden ist und die Ablehnung der Beweiserhebung im Prozessrecht keine Stütze findet, oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Gericht die bezeichneten Ermittlungen auch ohne ein solches Hinwirken hätten aufdrängen müssen (stRspr, vgl. BVerwG, Beschlüsse vom 15. Februar 2013 - 8 B 58.12 - ZOV 2013, 40 und vom 12. Juli 2018 - 7 B 15.17 - juris Rn. 23). Diesen Anforderungen genügt die Beschwerde ersichtlich nicht. Sie hat schon die für erforderlich gehaltenen weiteren Aufklärungsmaßnahmen nicht hinreichend konkretisiert und auch nicht vorgetragen, welche tatsächlichen Feststellungen bei deren Vornahme voraussichtlich getroffen worden wären. Zudem ergibt sich aus dem Beschwerdevorbringen nicht, dass die Beklagte durch einen Beweisantrag oder eine hinreichend bestimmte Beweisanregung im Berufungsverfahren auf eine Beweiserhebung hingewirkt hätte oder aufgrund welcher Anhaltspunkte sich dem Berufungsgericht eine weitere Sachverhaltsaufklärung hätte aufdrängen müssen.

21

Bei der Frage, ob eine Verletzung der gerichtlichen Aufklärungspflicht vorliegt, ist im Übrigen auch zu berücksichtigen, dass es sich beim beklagten Bundesamt um eine spezialisierte Behörde handelt, zu deren Aufgabe die Ermittlung der allgemeinen Lage in den Herkunftsstaaten der Antragsteller sowie gegebenenfalls in den Staaten gehört, durch die sie gereist sind (Art. 10 Abs. 3 der Richtlinie 2013/32/EU des Europäischen Parlaments und des Rates vom 26. Juni 2013 zu gemeinsamen Verfahren für die Zuerkennung und Aberkennung des internationalen Schutzes ). Die Behörde muss kraft Unionsrechts angemessen ausgestattet sein und über kompetentes Personal in ausreichender Zahl verfügen. Ferner hat die Beklagte die prozessuale Obliegenheit, an der Sachverhaltsaufklärung mitzuwirken, was die gerichtliche Aufklärungspflicht begrenzt. Das Gericht kann daher im Regelfall davon ausgehen, dass das Bundesamt ergänzende Erkenntnisquellen, die ihm vorliegen oder für die Behörde erreichbar sind, auch in das Verfahren einführt, zumal dann, wenn eine bestimmte, erkennbar entscheidungserhebliche Tatsachenfrage - wie hier - gerichtlich umstritten ist, und dass sich weitere, von dem Bundesamt selbst nicht wahrgenommene oder für erforderlich gehaltene Aufklärungsmaßnahmen auch für das Gericht nicht aufdrängen.

22

b) Auch die Rüge eines Verstoßes gegen das Gebot rechtsfehlerfreier Überzeugungsbildung (§ 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO) greift nicht durch.

23

Nach § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO hat das Gericht seiner Überzeugungsbildung das Gesamtergebnis des Verfahrens zugrunde zu legen. Es darf nicht einzelne erhebliche Tatsachen oder Beweisergebnisse aus seiner Würdigung ausblenden. Im Übrigen darf es zur Überzeugungsbildung die ihm vorliegenden Tatsachen und Beweise frei würdigen. Die Einhaltung der verfahrensrechtlichen Grenzen zulässiger Sachverhalts- und Beweiswürdigung ist nicht schon dann infrage gestellt, wenn ein Beteiligter das vorliegende Tatsachenmaterial anders würdigt oder aus ihm andere Schlüsse ziehen will als das Gericht. Diese Grenzen sind erst dann überschritten, wenn das Gericht nach seiner Rechtsauffassung entscheidungserheblichen Akteninhalt übergeht oder aktenwidrige Tatsachen annimmt, oder wenn die von ihm gezogenen tatsächlichen Schlussfolgerungen gegen die Denkgesetze verstoßen (vgl. nur BVerwG, Beschlüsse vom 7. Februar 2017 - 6 B 30.16 - juris Rn. 10 und vom 20. Februar 2018 - 1 B 3.18 - juris Rn. 12). Nach diesen Maßgaben ergeben sich verfahrensrechtliche Mängel der Überzeugungsbildung aus der Beschwerdebegründung nicht.

24

Die Beschwerde sieht einen Verstoß gegen die sich aus § 108 Abs. 1 Satz 1 VwGO ergebenden Vorgaben darin, dass das Berufungsgericht die staatliche Gleichgültigkeit Bulgariens gegenüber schutzsuchenden Ausländern gerade mit Blick auf die fehlende Akzeptanz der im Juli 2017 in Bulgarien erlassenen Integrationsverordnung hergeleitet habe (faktische Nichtumsetzung), ohne dies tragfähig zu begründen. Aus den in den Urteilsgründen angeführten Erkenntnisquellen ergäben sich keine für den maßgeblichen Entscheidungszeitpunkt der Berufungsverhandlung inhaltlich relevanten Aussagen zur Akzeptanz und tatsächlichen Umsetzung dieser neuen Integrationsverordnung. Teilweise stammten die Erkenntnisquellen aus einem Zeitraum vor dem Erlass der Verordnung am 19. Juli 2017, die daneben noch angeführten Mitteilungen aus dem Internet hätten allenfalls Geltung für einen ersten Umsetzungszeitraum bis zum 21. November 2017 und würden keine Informationen darüber enthalten, ob bzw. in welchem Umfang sich seitdem bis zum Zeitpunkt der Berufungsverhandlung mögliche Verbesserungen ergeben hätten. Es sei nicht auszuschließen, dass inzwischen sehr wohl Bemühungen des bulgarischen Staates zur effektiveren Umsetzung der Integrationsverordnung feststellbar sein könnten.

25

Der Senat hat im Rahmen der erhobenen Verfahrensrüge nicht über die dem materiellen Recht zuzuordnende Frage zu entscheiden, ob die Entscheidung des Berufungsgerichts auf einer zu schmalen Tatsachengrundlage beruht, wofür einiges sprechen könnte (keine genauen Aussagen zum Inhalt der Integrationsverordnung Bulgariens vom Juli 2017, nur zwei mit google translate übersetzte Erkenntnisquellen zu deren Anwendung). Maßgeblich für das Einhalten der verfahrensrechtlichen Grenzen der Überzeugungsbildung ist vielmehr, dass das Gericht auch nach dem Vorbringen der Beschwerde keinen entscheidungserheblichen Akteninhalt unberücksichtigt gelassen oder aktenwidrige Tatsachen zugrunde gelegt hat und die von ihm gezogenen tatsächlichen Schlussfolgerungen auch nicht gegen die Denkgesetze verstoßen. Insoweit ist nicht zu beanstanden, dass das Berufungsgericht sich auch auf Erkenntnisquellen stützt, die vor dem Erlass der neuen Integrationsverordnung vom Juli 2017 datieren. Denn es verstößt nicht gegen die Denkgesetze, wenn für die tatrichterliche Schlussfolgerung, die Bemühungen der Republik Bulgarien zur Verbesserung der Unterbringung von anerkannten Schutzberechtigten seien unzureichend, neben den ersten Erfahrungen seit der Umsetzung der neuen Integrationsverordnung auch Erfahrungen im Umgang mit der früheren Integrationsverordnung einbezogen werden. Soweit die Beschwerde einwendet, das Berufungsgericht habe keine Informationen für den Zeitraum vom 21. November 2017 bis zum nach § 77 Abs. 1 AsylG maßgeblichen Zeitpunkt der Berufungsverhandlung (hier am 31. Januar 2018) einbezogen, genügt die Beschwerde nicht den Darlegungsanforderungen. Sie hätte konkret aufzeigen müssen, aufgrund welcher Bemühungen des bulgarischen Staates zur effektiveren Umsetzung der Integrationsverordnung eine Verbesserung festzustellen ist, die für das Ergebnis der tatrichterlichen Würdigung von Bedeutung sein könnte. Die bloße Vermutung, es sei nicht auszuschließen, dass inzwischen Bemühungen des bulgarischen Staates feststellbar sein könnten, genügt dafür nicht.

26

3. Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 2 VwGO. Gerichtskosten werden gemäß § 83b AsylG nicht erhoben. Der Gegenstandswert ergibt sich aus § 30 Abs. 1 Satz 1 RVG. Gründe für eine Abweichung gemäß § 30 Abs. 2 RVG liegen nicht vor.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Sind Gebühren, die sich nach dem Streitwert richten, mit der Einreichung der Klage-, Antrags-, Einspruchs- oder Rechtsmittelschrift oder mit der Abgabe der entsprechenden Erklärung zu Protokoll fällig, setzt das Gericht sogleich den Wert ohne Anhörung der Parteien durch Beschluss vorläufig fest, wenn Gegenstand des Verfahrens nicht eine bestimmte Geldsumme in Euro ist oder gesetzlich kein fester Wert bestimmt ist. Einwendungen gegen die Höhe des festgesetzten Werts können nur im Verfahren über die Beschwerde gegen den Beschluss, durch den die Tätigkeit des Gerichts aufgrund dieses Gesetzes von der vorherigen Zahlung von Kosten abhängig gemacht wird, geltend gemacht werden. Die Sätze 1 und 2 gelten nicht in Verfahren vor den Gerichten der Finanzgerichtsbarkeit.

(2) Soweit eine Entscheidung nach § 62 Satz 1 nicht ergeht oder nicht bindet, setzt das Prozessgericht den Wert für die zu erhebenden Gebühren durch Beschluss fest, sobald eine Entscheidung über den gesamten Streitgegenstand ergeht oder sich das Verfahren anderweitig erledigt. In Verfahren vor den Gerichten für Arbeitssachen oder der Finanzgerichtsbarkeit gilt dies nur dann, wenn ein Beteiligter oder die Staatskasse die Festsetzung beantragt oder das Gericht sie für angemessen hält.

(3) Die Festsetzung kann von Amts wegen geändert werden

1.
von dem Gericht, das den Wert festgesetzt hat, und
2.
von dem Rechtsmittelgericht, wenn das Verfahren wegen der Hauptsache oder wegen der Entscheidung über den Streitwert, den Kostenansatz oder die Kostenfestsetzung in der Rechtsmittelinstanz schwebt.
Die Änderung ist nur innerhalb von sechs Monaten zulässig, nachdem die Entscheidung in der Hauptsache Rechtskraft erlangt oder das Verfahren sich anderweitig erledigt hat.

Tenor

I. Das Verfahren wird eingestellt.

II. Der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 20. Juli 2017 ist wirkungslos geworden.

III. Der Antragsteller und der Antragsgegner tragen die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen je zur Hälfte.

IV. Der Streitwert wird für beide Rechtszüge auf je 1.250,- Euro festgesetzt.

Gründe

Der Antragsteller und der Antragsgegner haben den Rechtsstreit mit ihren Erklärungen vom 21. September 2017 und 26. September 2017 übereinstimmend in der Hauptsache für erledigt erklärt. Daher war das Verfahren in entsprechender Anwendung von § 92 Abs. 3 VwGO durch Beschluss einzustellen und gemäß § 173 Satz 1 VwGO i.V.m. § 269 Abs. 3 Satz 1 Halbsatz 2 ZPO auszusprechen, dass der Beschluss des Bayerischen Verwaltungsgerichts München vom 20. Juli 2017 wirkungslos geworden ist.

Gemäß § 161 Abs. 2 Satz 1 VwGO ist ferner über die Kosten des Verfahrens unter Berücksichtigung des bisherigen Streitstandes nach billigem Ermessen zu entscheiden. Der in dieser Vorschrift zum Ausdruck kommende Grundsatz der Prozesswirtschaftlichkeit befreit das Gericht davon, abschließend über den Streitstoff zu entscheiden; es erfolgt vielmehr eine lediglich summarische Prüfung.

Billigem Ermessen entspricht es hier, die Kosten des Verfahrens in beiden Rechtszügen dem Antragsteller und dem Antragsgegner je zur Hälfte aufzuerlegen. Zur Erledigung des Rechtstreits hat letztlich der Bescheid des Bundesamts für Migration und Flüchtlinge vom 8. September 2017 geführt, mit dem zugunsten des Antragstellers ein Abschiebungsverbot nach § 60 Abs. 5 AufenthG festgestellt worden ist. Ob bereits zuvor – und insbesondere zum Zeitpunkt der vorgesehenen Abschiebung am 21. Juli 2017 – ein Duldungsgrund zugunsten des Antragstellers bestanden hat, hätte näherer Aufklärung bedurft, die nach der Erledigung der Hauptsache nicht mehr angezeigt ist. Die vorgelegte ärztliche Bescheinigung vom 20. Juli 2017 entspricht nicht den Anforderungen des § 60a Abs. 2c Satz 2 und 3 AufenthG; sie stammt aber andererseits von einem Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie und Chefarzt an der Klinik, in der sich der Antragsteller damals in stationärer Behandlung befand, und wurde offensichtlich unter erheblichem Zeitdruck verfasst. Andererseits ist der Antragsteller bereits wenige Tage später, am 2. August 2017, aus der Klinik entlassen worden. Der Arztbrief vom 8. August 2017, der (offenbar) dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge vorgelegen hat, ist im vorliegenden Verfahren nicht beigebracht worden.

Ob eine Abschiebung des Antragstellers nach dem Ablauf der Gültigkeitsdauer seines Reisepasses am 23. Juli 2017 auf absehbare Zeit tatsächlich nicht mehr möglich war, was vom Antragsgegner vorgetragen, vom Antragsteller aber bezweifelt wird, braucht vorliegend ebenfalls nicht mehr aufgeklärt zu werden.

Ebenso kann die vom Antragsgegner aufgeworfene Frage offen bleiben, ob durch die einstweilige Anordnung des Bundesverfassungsgerichts vom 20. Juli 2017 (2 BvR 1621/17), mit der die Abschiebung bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde untersagt worden ist, der Beschwerde das Rechtsschutzbedürfnis fehlte bzw. der Anordnungsgrund entfallen war.

Die Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 Satz 1, § 47 Abs. 1 Satz 1, § 53 Abs. 2 Nr. 1, § 52 Abs. 2 GKG in Verbindung mit dem Streitwertkatalog für die Verwaltungsgerichtsbarkeit.

Da das Verwaltungsgericht für das Verfahren in erster Instanz keinen Streitwert festgesetzt hat, macht der Senat in analoger Anwendung von § 63 Abs. 3 Satz 1 GKG von seiner Befugnis Gebrauch, den Streitwert auch für die erste Instanz erstmalig festzusetzen. Denn wenn das Rechtsmittelgericht eine erstinstanzliche Festsetzung abändern kann, muss es auch befugt sein, eine solche Festsetzung zu ersetzen; hierfür sprechen auch prozessökonomische Gründe, denn das Erstgericht muss sich nicht erneut mit einem bereits abgeschlossenen Verfahren befassen (NdsOVG, B.v. 29.4.2015 – 1 ME 43/15 – juris Rn. 10; SächsOVG, B.v. 2.4.2009 – 6 A 178/09 – juris Rn. 15; BSG, U.v. 5.10.2006 – B 10 LW 5/05 R – juris Rn. 23, m.w.N.).

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 152 Abs. 1 VwGO).