Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Urteil, 23. März 2017 - 4 LB 6/15
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts – 8. Kammer, Einzelrichter – vom 17. Oktober 2014 geändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger trägt die Kosten des Verfahrens.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 % des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht die Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des jeweils zu vollstreckenden Betrages leistet.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
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Der aus dem Irak stammende Kläger begehrt seine Einbürgerung.
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Der Kläger reiste 1997 nach Deutschland ein, wurde als Asylberechtigter anerkannt und erhielt eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis. Seinen Namen gab er zunächst mit „A E B“ bzw. (im Asylverfahren) „A D“ an, geboren 1979 in Kirkuk.
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Im Jahr 2002 wurde über eine mit Frau … im Irak geschlossene Ehe ein Familienbuch angelegt. Der Kläger erklärte, er wolle den Namen „A“ als Vornamen und den Namen „B“ als Familiennamen führen. Den Namen „E“ lege er ab. Zum Ehenamen wurde der Name „B“ bestimmt. In der Folge wurde die Vaterschaft des Klägers für insgesamt vier Kinder im Familienbuch bzw. Geburtenregister beurkundet (…, geb. am 21. Oktober 2002; …, geb. am 9. Oktober 2004; Zwillinge … und …, geb. am 3. März 2010).
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Das Landeskriminalamt gelangte aufgrund einer kriminaltechnischen Untersuchung des klägerischen Reisepasses im Juni 2008 zu dem Ergebnis, der Passvordruck werde als echt bewertet. Bei der Ausreiseerlaubnis und der Quittung handele es sich um Totalfälschungen. Der Pass sei nicht amtlich ausgestellt worden. Es werde davon ausgegangen, dass es sich um ein in den Kriegswirren 1991 gestohlenes Blankodokument handele.
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Frau … und die Kinder … und .. wurden im Juni 2009 eingebürgert.
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Im Juni 2009 beantragte der Kläger (wiederholt) seine Einbürgerung. In seinem Lebenslauf gab er an, er habe im Irak die Hauptschule und die Berufsausbildung als Kfz-Mechaniker abgeschlossen. Nach der Einreise nach Deutschland habe er ab 2000 als Produktionshilfe, Reinigungskraft, Küchenhilfe, Fahrer, Lagerarbeiter, Pizzafahrer, Pizzabäcker, jeweils mit zwischenzeitlicher Arbeitslosigkeit gearbeitet.
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Im September 2009 legte der Kläger bei der Ausländerbehörde irakische Personaldokumente vor, die auf den Namen „C B D“ lauteten, geboren 1970 in Arbil. Das Landeskriminalamt kam in einer urkundentechnischen Voruntersuchung dieser Dokumente zu dem Ergebnis, ein Fälschungsverdacht bestehe nicht. Die Befunderhebung und -bewertung beinhalte nicht die Problematik einer widerrechtlichen Ausstellung im Heimatland.
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Die Asylanerkennung des Klägers wurde im Jahr 2010 widerrufen. In der Folge verzichtete der Kläger aufgrund einer Absprache mit der Ausländerbehörde (kein Widerruf der Niederlassungserlaubnis) auf den Flüchtlingsstatus.
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Mit Bescheid vom 13. Januar 2010 lehnte die Beklagte die Einbürgerung unter Hinweis auf nachrichtlichendienstliche Erkenntnisse ab. Nach erfolglosem Widerspruch hat der Kläger Klage erhoben.
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Einen Antrag, den Vatersnamen im Geburtseintrag der Kinder… und … in „C B D“ zu berichtigen, hat das Amtsgericht Kiel abgelehnt (Beschlüsse vom 17. April 2013 – 28 III 7/10 und 28 III 9/10 –). Die dagegen erhobene Beschwerde hat das Schleswig-Holsteinische Oberlandesgericht zurückgewiesen (Beschluss vom 11. Juli 2013 – 2 W 49/13; 2 W 48/13 –).
- 11
Der Kläger hat vorgetragen, sein Vater heiße B D E, seine Mutter …. Die Eltern seien verstorben. Er habe eine in Dänemark lebende Schwester … B D und im Irak noch zwei Brüder und vier Schwestern. Den Antrag auf Änderung des Geburtsregisters habe er im Jahr 2009 gestellt. Er habe vorher Angst gehabt, dass er abgeschoben werde, wenn er mitteile, dass seine Identität falsch sei.
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Der Kläger hat beantragt,
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die Beklagte zu verpflichten, dem Kläger unter Aufhebung des Bescheides vom 13.01.2010 in Form des Widerspruchsbescheides vom 31.03.2010 die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband zu gewähren.
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Die Beklagte hat beantragt,
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die Klage abzuweisen.
- 16
Das Verwaltungsgericht hat Frau … B D in der mündlichen Verhandlung angehört. Die Beklagte hat deren irakischen Personalausweis auf Echtheit untersuchen lassen. Der Kläger hat für die verwandtschaftliche Beziehung ein Abstammungsgutachten vorgelegt.
- 17
Mit Urteil vom 17. Oktober 2014 hat das Verwaltungsgericht den Bescheid vom 13. Januar 2010 und den Widerspruchsbescheid vom 31. März 2010 aufgehoben und die Beklagte verpflichtet, den Kläger einzubürgern. Zur Begründung hat das Gericht ausgeführt: Die Identität des Klägers sei gesichert. Der vorgelegte Personalausweis mit dem Vornamen „C“, dem Vatersnamen „B“ und dem Großvatersnamen „D“ sowie mit dem Geburtsdatum 1. Juli 1970 sei ebenso wie die entsprechende Staatsangehörigkeitsurkunde vom Landeskriminalamt als echt bewertet worden. Die Echtheit lasse keine Schlussfolgerung auf die inhaltliche Richtigkeit zu. Der Kläger habe die Verwendung falscher Papiere bei der Einreise plausibel erklärt. Er habe durch die DNA-Analyse nachgewiesen, dass die in der mündlichen Verhandlung anwesende Frau … B D seine Schwester sei. Schließlich habe der Kläger noch ein Zeugnis aus dem Irak und eine Bescheinigung der irakischen Botschaft übersandt. Könne die Identität eines Einbürgerungsbewerbers festgestellt werden, scheitere die Einbürgerung nicht daran, dass im standesamtlichen Verfahren Zweifel an der Richtigkeit der Angaben verblieben seien. Der Kläger erfülle auch die Voraussetzungen von § 10 StAG. Er habe insbesondere die Inanspruchnahme aufstockender SGB II-Leistungen nicht zu vertreten (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 StAG). Er sei gegenwärtig vollschichtig beschäftigt. Der Umstand, dass das damit erzielte Einkommen geringer sei als der maßgebliche Bedarf für seine Familie, sei nicht seiner Sphäre zuzurechnen, sondern Konsequenz des deutschen Arbeitsmarktes, der Arbeitsverhältnisse ermögliche, die bei vollschichtiger Tätigkeit Aufstockungsleistungen erforderlich mache. Der Kläger habe sich kontinuierlich um Arbeitsmöglichkeiten bemüht und sei von Anfang an bereit und in der Lage gewesen, einfache Tätigkeiten zu finden und zu übernehmen. Die Zeiten, in denen er arbeitssuchend gewesen sei, seien jeweils kurz gewesen. Es sei davon auszugehen, dass der derzeitige befristete Arbeitsvertrag verlängert werde oder der Kläger umgehend eine neue Beschäftigung finde. Anders als zunächst angenommen, sei die Einbürgerung auch nicht wegen einer Nähe zu Ansar al-Islam (AAI) ausgeschlossen. Es lägen keine hinreichend sicher festgestellten Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger zu Führungspersönlichkeiten dieser Gruppierung einen einbürgerungsschädlichen Kontakt gehabt habe. In den von der Beklagten angeführten Schreiben des Innenministeriums (des Verfassungsschutzes) werde lediglich in allgemeiner Form beschrieben, dass … bei dem Kläger übernachtet habe. Woher diese Erkenntnis stamme, werde nicht mitgeteilt. Der Kläger habe den Vorwurf substantiiert bestritten. Die Voraussetzungen für eine weitere Aufklärung der als Anknüpfungstatsachen in Frage kommenden Umstände lägen nicht vor. Unabhängig davon lägen keine Anhaltspunkte dafür vor, dass der Kläger gegenwärtig noch diese oder eine Nachfolgeorganisation unterstütze.
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Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat zugelassene Berufung der Beklagten.
- 19
Der Arbeitsvertrag des Klägers über eine Vollzeittätigkeit bei der Servicegesellschaft des UKSH ist bis zum 31. Oktober 2015 verlängert worden. Danach ist der Kläger arbeitslos gewesen.
- 20
Der Kläger ist im Frühjahr 2016 in den Irak gereist. Dort ist ihm am 24. April 2016 ein Pass ausgestellt worden. Eine weitere Irakreise hat im Sommer 2016 stattgefunden
- 21
Mit Schreiben vom 29. Juli 2016 hat die Kieler Verkehrsgesellschaft (KVG) die Absicht bekundet, den Kläger nach positiv verlaufenem Vorstellungsgespräch in ihrer Personalabteilung und erfolgreich abgeschlossener Qualifizierungsmaßnahme zum EU-Berufskraftfahrer im Personenverkehr beim TÜV-Nord-Schulungszentrum inklusive des Betriebspraktikums und im Falle, dass der Teilnehmer nachhaltig als geeignet erscheine, bei der KVG einzustellen.
- 22
Die Verfassungsschutzabteilung des Innenministeriums hat auf Anfrage der Beklagten mit Schreiben vom 3. November 2016 mitgeteilt, dass hinsichtlich der Einbürgerung keine Erkenntnisse zu Versagungsvoraussetzungen vorlägen.
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Ein Arbeitsvertrag über eine Vollzeittätigkeit als Fahrer ab dem 1. Dezember 2016 ist zum 4. Januar 2017 gekündigt worden. Gegenwärtig beziehen der Kläger und seine Familie Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende. Der Kläger hat mit einem Bildungsgutschein des Jobcenters am 13. März 2017 eine Qualifizierung zum EU-Berufskraftfahrer im Personenverkehr begonnen.
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Die Beklagte ist der Auffassung, vor der Einbürgerung bedürfe es der auf alle Lebensbereiche des Einbürgerungsbewerbers und seiner Familie bezogenen Identitätsvereinheitlichung. Die bisherigen Aliasidentitäten des Klägers seien mit Rechts- oder Bestandskraftwirkung für die deutschen Behörden durch das Verwaltungsgericht im Asyl- bzw. Asylwiderrufsverfahren, per Beschluss des Amtsgerichts Kiel und des Schleswig-Holsteinischen Oberlandesgerichts bzw. durch Sozialleistungsträger festgestellt worden. Mit der Verpflichtung zur Einbürgerung werde die Beklagte gezwungen, für den Kläger eine zusätzliche deutsche Identität zu schaffen, ohne die bisherigen abweichenden Identitäten bereinigen zu können. Dies verstoße gegen das Gebot, mit einer Einbürgerungsentscheidung nicht zusätzliche unterschiedliche deutsche oder EU-rechtliche Identitäten zu schaffen. Sozialrechtliche und familienrechtliche Ansprüche müssten auf der Grundlage richtig bezeichneter verwandtschaftlicher Beziehungen durchsetzbar sein. Es sei zweifelhaft, ob der 2009 vorgelegte Pass dem Kläger zugeordnet werden könne. Der Kläger habe sich 1997 als sein jüngerer Cousin ausgegeben, um mit einem auf diesen ausgestellten Visum scheinbar legal einreisen zu können. Er habe also nicht wie viele Iraker eine erfundene Identität zum Schutz seiner Angehörigen vor politischer Verfolgung im Irak oder zum Schutz vor irakischen Nachstellungen noch in Deutschland verwendet.
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Für die Frage der Unterhaltsfähigkeit müsse aufgeklärt werden, ob der Kläger seiner einbürgerungsrechtlichen Erwerbsobliegenheit auch unter dem Aspekt der Altersvorsorge ausreichend Rechnung getragen habe. Der Rentenversicherungsverlauf des Klägers müsse für den Zeitraum seit 2006 einer Prüfung unterzogen werden. Der Kläger beziehe mit seiner Familie ununterbrochen seit 2005 zumindest aufstockend SGB-II-Leistungen. Häufig hätten, wenn überhaupt, befristet oder unterbrochen Teilzeit- bzw. Minijob-Arbeitsverhältnisse bestanden. Die vorgelegten Bewerbungsschreiben bildeten eine Anpassung an die bürokratischen Erfordernisse der Arbeitsverwaltung ab, ein wirkliches Bemühen um Arbeit sei damit jedoch nicht zu behaupten.
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Die Beklagte beantragt,
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unter Abänderung des erstinstanzlichen Urteils die Klage abzuweisen.
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Der Kläger beantragt,
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die Berufung zurückzuweisen.
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Der Kläger trägt vor, die für die Einbürgerung erforderliche Identitätsklärung setze nicht voraus, dass er mit seinem richtigen Namen in dem für seine in Deutschland geborenen Kinder geführten Geburtsregister eingetragen sei. Die Zweifel daran, dass er eine Rentenanwartschaft erworben habe, seien spekulativ. Ob der Unterhalt gesichert sei, sei nicht entscheidend. Er habe sein Bestes gegeben, um den Unterhalt durch Arbeit zu sichern. In der Zeit der Arbeitslosigkeit ab November 2015 habe er sich freiwillig bei der Einrichtung Jobstart gemeldet und ein intensives Bewerbungstraining absolviert. Er habe auf eigene Initiative monatlich zwischen vier und fünf Bewerbungen geschrieben und zwei zweiwöchige Praktika bei der KVG und IHK absolviert. Er beginne jetzt eine Ausbildung als Busfahrer.
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Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Prozessakten zu diesem Verfahren (nebst Beiakte B) und zu dem Verfahren 14 A 10/07 sowie die Einbürgerungsvorgänge der Beklagten (Beiakten F, G, A, E, H, I und J) und die Ausländerakten (Beiakten D und C) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
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Die Berufung der Beklagten hat Erfolg. Die Klage ist unbegründet. Die Ablehnung der Einbürgerung ist rechtmäßig und verletzt den Kläger nicht in seinen Rechten (§ 113 Abs. 5 VwGO). Der Kläger hat keinen Anspruch auf Einbürgerung und auch keinen Anspruch auf ermessensfehlerfreie Neubescheidung.
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1. Der Kläger kann nicht nach § 10 StAG eingebürgert werden. Der Unterhalt seiner Familie ist nicht gesichert. Dies hat der Kläger zu vertreten (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 StAG).
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a) Gegenwärtig kann nicht festgestellt werden, dass der Kläger den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 Fall 1 StAG). Tatsächlich bezieht die Familie in vollem Umfang Leistungen nach dem Zweiten Buch Sozialgesetzbuch.
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Selbst wenn die gegenwärtige Situation allein nicht ausschlaggebend wäre, könnte die Sicherung des Lebensunterhalts nicht bejaht werden. Der gesetzliche Tatbestand stellt darauf ab, ob ein Einbürgerungsbewerber im Zeitpunkt der Einbürgerung entsprechende Leistungen in Anspruch nimmt oder hierauf in einem überschaubaren Zeitraum in der Zukunft angewiesen sein wird (BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2009 – 5 C 22/08 –, juris Rn. 27). Demnach ist eine gewisse Nachhaltigkeit zu fordern. Es ist eine Prognose darüber anzustellen, ob der Einbürgerungsbewerber voraussichtlich dauerhaft in der Lage ist, seinen Lebensunterhalt aus eigenen Einkünften zu sichern. Bei der Beurteilung, ob der Lebensunterhalt durch eine eigene Erwerbstätigkeit gesichert ist, muss sowohl die bisherige Erwerbsbiographie als auch die gegenwärtige berufliche Situation des Einbürgerungsbewerbers in den Blick genommen werden. Wenn jemand langfristig in einem gesicherten Arbeitsverhältnis steht, ist grundsätzlich davon auszugehen, dass dieses auch in Zukunft weiter bestehen wird (VGH Mannheim, Beschluss vom 2. April 2008 – 13 S 171/08 –, juris Rn. 10).
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Nach diesen Maßstäben ist der Lebensunterhalt des Klägers und seiner unterhaltsberechtigten Familienangehörigen auch bei einer längerfristigen Betrachtung nicht gesichert. Hierfür muss nicht auf die etwaige Notwendigkeit von aufstockenden Leistungen abgehoben werden, mit der bei dem Kläger infolge der Größe seiner Familie auch bei umfassendem Einsatz seiner Arbeitskraft zu rechnen ist – insofern ist von vornherein nicht anzunehmen, dass der Kläger dies zu vertreten hat (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 Fall 2 StAG). Auch ist unerheblich, ob der Kläger ausreichende Vorsorge für das Alter betrieben hat, da es sich insofern nicht mehr um die Prognose für einen „überschaubaren“ Zeitraum handelt (vgl. OVG Bautzen, Urteil vom 17. Juni 2010 – 3 A 439/09 –, juris Rn. 30). Entscheidend ist vielmehr, dass die bisherige Erwerbsbiographie nicht erwarten lässt, der Kläger werde dauerhaft und ohne nennenswerte Unterbrechungen einer Vollzeittätigkeit nachgehen. In den letzten acht Jahren ist der Kläger – von Fördermaßnahmen abgesehen – lediglich über einen Zeitraum von weniger als zwei Jahren vollschichtig tätig gewesen. Hinzu kommen rund zehn Monate mit Teilzeittätigkeiten sowie verschiedene geringfügige Beschäftigungen. In Zeiten von insgesamt mehr als drei Jahren ist der Kläger entweder keiner Arbeit nachgegangen oder hat an Maßnahmen zur Eingliederung oder Qualifizierung teilgenommen. Ferner ist zu beachten, dass eine Reihe von Vollzeitarbeitsverträgen (Vertrag mit … Reinigung und Dienstleistung vom 15. Februar 2011, Vertrag mit … GmbH vom 30. Januar 2014, Vertrag mit China Imbiss Lieferservice …vom 28. November 2016) tatsächlich nicht zur Erzielung eines gegenüber dem Gericht nachgewiesenen Einkommens geführt haben (vgl. auch die von der Beklagten einholten Lebensläufe der Bundesagentur). Aus alldem wird erkennbar, dass der Kläger in der Vergangenheit – trotz des gelegentlichen Abschlusses von Vollzeitarbeitsverträgen – in der Regel vor allem deshalb auf Leistungen der Grundsicherung für Arbeitssuchende angewiesen war, weil er seine Arbeitskraft nicht oder nicht voll eingesetzt hat. Für die Voraussage, dass sich dieses Defizit wahrscheinlich wird beseitigen lassen, fehlt es an einer hinreichenden Tatsachenbasis. Die Absichtserklärung der KVG ändert daran nichts.
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b) Der Kläger hat auch nicht nachgewiesen, dass er die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch nicht zu vertreten hat (§ 10 Abs. 1 Nr. 3 Fall 2 StAG).
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Der Begriff des „Vertretenmüssens“ beschränkt sich nicht auf vorsätzliches oder fahrlässiges Handeln (§ 276 Abs. 1 Satz 2 BGB). Erforderlich, aber auch ausreichend ist vielmehr, dass der Ausländer durch ein ihm zurechenbares Handeln oder Unterlassen adäquat-kausal die Ursache für den – fortdauernden – Leistungsbezug gesetzt hat. Die Regelvorstellung ist, dass der Einbürgerungsbewerber, der einen gegenwärtigen Leistungsbezug zu vertreten hat, dies durch eine Verhaltensänderung (z.B. hinreichend intensive Bemühungen um eine Beschäftigung) auch soll beeinflussen können. Der Einbürgerungsbewerber hat erhöhte Sozialleistungen allerdings nur zu vertreten, wenn er bei einer Gesamtbetrachtung aller Umstände mit seinem Verhalten eine wesentliche, prägende Ursache für den Leistungsbezug insgesamt gesetzt hat. Er hat zudem für ein ihm zurechenbares und für aktuelle Sozialhilfeleistungen mitursächliches Verhalten nach Ablauf einer Frist von acht Jahren nicht mehr einzustehen (BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2009 – 5 C 22/08 –, juris Rn. 23 f., 27 f.).
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Die Einbürgerungsbehörde ist grundsätzlich befugt, selbstständig und eigenverantwortlich zu prüfen, ob ein Einbürgerungsbewerber in der Vergangenheit gegen die Obliegenheit zum Einsatz seiner Arbeitskraft verstoßen hat. Die Verhängung von Sperrzeiten durch die Arbeitsverwaltung oder sonstige leistungsrechtliche Reaktionen auf die Verletzung sozialrechtlicher Obliegenheiten können hierfür zwar eine gewisse Indizwirkung haben, sind aber nicht zwingende Voraussetzung. Sind solche Maßnahmen nicht verhängt worden, entfaltet dies keine die Einbürgerungsbehörde bindende Feststellungs- oder Tatbestandswirkung. Für den nach allgemeinen Grundsätzen dem Einbürgerungsbewerber obliegenden Nachweis, dass er Zeiten der Nichtbeschäftigung nicht zu vertreten hat, ist allerdings zu berücksichtigen, dass dieser bei einer nachträglichen einbürgerungsrechtlichen Neubewertung seiner zurückliegenden Bemühungen um Arbeit in Beweisnot geraten kann, wenn er keinen Anlass hatte, entsprechende Bemühungen systematisch zu erfassen und beweissicher zu dokumentieren (BVerwG, Urteil vom 19. Februar 2009, a.a.O. Rn. 20).
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Bezogen auf den vorliegenden Fall ist zunächst zu festzustellen, dass der Kläger sich nach eigenen Angaben gegenwärtig als Busfahrer ausbilden lässt. Schon dieser Umstand erweckt Zweifel, ob sich der Kläger hinreichend bemüht, die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch zu vermeiden. Zwar sind grundsätzlich Fälle denkbar, in denen der Leistungsbezug nicht zu vertreten ist, wenn der Einbürgerungsbewerber eine Ausbildung absolviert. Das ist insbesondere bei Jugendlichen und Heranwachsenden anzunehmen, die noch keinen berufsbildenden Abschluss besitzen (vgl. VG Hannover, Urteil vom 26. Januar 2015 – 10 A 5224/14 –, juris Rn. 31; VAH-BMI Nr. 10.1.1.3; BT-Drs. 16/5065 S. 228). Ob dies auch für den Kläger gilt, der bereits ca. 20 Jahre in Deutschland lebt, nach eigenen Angaben 46 Jahre alt ist und in der Vergangenheit bereits zahlreiche Weiterbildungs- und Eingliederungsmaßnahmen mit Unterstützung der Arbeitsverwaltung durchlaufen hat, erscheint zweifelhaft. Für die Zweckmäßigkeit der Ausbildung spricht immerhin, dass die Kieler Verkehrsgesellschaft mit Schreiben vom 29. Juli 2016 die Absicht bekundet hat, den Kläger unter gewissen Voraussetzungen einzustellen, insbesondere nach erfolgreich abgeschlossener Qualifizierungsmaßnahme zum EU-Berufskraftfahrer im Personenverkehr.
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Jedenfalls die erforderliche Gesamtbetrachtung ergibt aber, dass der Kläger den Leistungsbezug zu vertreten hat. Es darf nämlich die Frage nicht ausgeblendet werden, warum die gegenwärtige Qualifizierungsmaßnahme überhaupt als sinnvoll und erforderlich betrachtet werden kann, d.h. warum es dem Kläger bisher trotz langjährigem Aufenthalt in Deutschland nicht gelungen ist, langfristig einer gesicherten Erwerbstätigkeit nachzugehen. Insofern ist das Verhalten des Klägers in der Vergangenheit über einen Zeitraum von maximal acht Jahren in die Beurteilung einzubeziehen.
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Zwar wurden von der Arbeitsagentur – von einem Fall wegen unerlaubter Ortsabwesenheit und Meldeversäumnisses im Jahr 2016 abgesehen - keine Sperrzeiten oder Leistungskürzungen verhängt. Das besagen die von der Beklagten mehrfach abgefragten Auskünfte des Jobcenters (vom 30. Juli 2012, 14. November 2013, 1. April 2015, 6. Januar 2016, 16. September 2016 und 15. Februar 2017). Auch bestätigen diese Auskünfte überwiegend, der Kläger nutze alle Möglichkeiten zur Beendigung oder Verringerung seiner Hilfebedürftigkeit. Dabei wird allerdings zum Teil lediglich auf bestehende Arbeitsverhältnisse hingewiesen. In der Auskunft vom 14. November 2013 heißt es dagegen, es sei zu häufigen Fehlzeiten bei der Maßnahme gekommen, der Kläger wirke abwesend und desinteressiert. Es hätten häufig Gespräche stattgefunden, dass er intensiver mitarbeiten wolle. Dies sei nicht umgesetzt worden. Die Auskunft vom 6. Januar 2016 wiederum bescheinigt dem Kläger, sich intensiv um eine Arbeitsaufnahme zu bemühen (deutschlandweiter Bewerbungsradius, Suche nach vielen Berufssparten, offen für unterschiedliche Vermittlungsvorschläge). Wenig aussagekräftig ist wiederum die Auskunft vom 16. September 2016. Danach hat der Kläger letztmalig am 23. Juni 2016 Nachweise über Bewerbungsbemühungen vorgelegt. Auch die Auskunft vom 15. Februar 2017 bezieht sich neben einem viertägigen Praktikum und einer kurzfristigen Tätigkeit beim China-Imbiss lediglich auf eine Stellensuche als Auslieferungsfahrer. Insgesamt ergibt sich daraus – abgesehen davon, dass die Beurteilung durch die Arbeitsverwaltung ohnehin keine Bindungswirkung für das Einbürgerungsverfahren entfaltet – kein klares Bild.
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Unter diesen Umständen ist von entscheidender Bedeutung, dass es dem Kläger gegenwärtig nicht gelingt, zumindest plausibel zu erläutern, dass die Zeiten ohne Beschäftigung bzw. ohne Vollzeitbeschäftigung nicht auf Obliegenheitsverletzungen zurückzuführen sind. Der Kläger hat keine ausreichenden Arbeitsbemühungen dargelegt. Sein konkreter Vortrag betrifft nicht den gesamten zu berücksichtigenden Achtjahreszeitraum, sondern nur die Zeit der Arbeitslosigkeit von November 2015 bis November 2016. Die hierzu vorgelegten durchschnittlich vier bis fünf Bewerbungen pro Monat sind zahlenmäßig zu gering, wenn man berücksichtigt, dass dem Kläger für die Arbeitssuche wöchentlich 40 Stunden zur Verfügung stehen. Es handelt sich darüber hinaus überwiegend um Initiativbewerbungen mit typischerweise geringen Erfolgsaussichten. Die Bewerbungen auf ausgeschriebene Stellen betreffen (fast) ausschließlich Tätigkeiten als Fahrer. Einerseits sind solche Bewerbungen zwar sinnvoll, weil der Kläger eine Fahrerlaubnis besitzt. Andererseits müssten die Bemühungen des Klägers um Arbeit aber ein breiteres Tätigkeitsspektrum abdecken.
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Schließlich kann nicht unberücksichtigt bleiben, dass der Kläger seine Bewerbungsbemühungen zum Teil nur vorgetäuscht hat. Ausweislich der Passstempel hat er sich zumindest vom 24. April bis 17. Mai und vom 31. Juli bis 6. September 2016 außerhalb Deutschlands aufgehalten. Dazu passen die angeblichen Bewerbungen vom 15. Mai und 8. August 2016 nicht.
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Nach alledem sind die Zweifel daran, dass der Kläger die Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch nicht zu vertreten, nicht ausgeräumt.
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2. Der Kläger kann auch nicht gemäß § 9 StAG i.V.m. § 8 Abs. 1 StAG eingebürgert werden. Der Kläger ist – wie ausgeführt – nicht imstande, sich und seine Angehörigen zu ernähren (§ 8 Abs. 1 Nr. 4 StAG). Auf ein Vertretenmüssen kommt es hier nicht an.
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Auch eine Einbürgerung nach Ermessen gemäß § 8 Abs. 2 StAG käme nicht in Betracht, denn dies würde voraussetzen, dass an der Einbürgerung ein öffentliches Interesse besteht oder eine besondere Härte vorliegt. Beides ist nicht der Fall.
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Ein öffentliches Interesse im Sinn des § 8 Abs. 2 StAG ist auch bei der Anwendung dieser Vorschrift auf den Ehegatten oder Lebenspartner eines Deutschen im Rahmen des § 9 Abs. 1 StAG nur gegeben, wenn nach dem konkreten Sachverhalt ein sich vom Durchschnittsfall eines Einbürgerungsbewerbers abhebendes spezifisch staatliches Interesse an der Einbürgerung besteht, das es ausnahmsweise rechtfertigen kann, den Ausländer trotz fehlender Unterhaltsfähigkeit - insoweit gegebenenfalls auch im Falle eines Vertretenmüssens - einzubürgern (OVG Saarlouis, Urteil vom 28. Juni 2012 – 1 A 35/12 –, juris Rn. 61; OVG Lüneburg, Beschluss vom 7. Januar 2013 – 13 PA 243/12 –, juris Rn. 4; VGH Mannheim, Beschluss vom 3. Juli 2014 – 1 S 1167/14 –, juris Rn. 9). Dafür ist nichts ersichtlich.
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Eine „besondere Härte“ muss durch atypische Umstände des Einzelfalles bedingt sein und gerade durch die Verweigerung der Einbürgerung hervorgerufen werden und deshalb durch eine Einbürgerung vermieden oder zumindest entscheidend abgemildert werden können (BVerwG, Beschluss vom 6. Februar 2013 – 5 PKH 13/12 –, juris Rn. 7). Für solche Umstände, deren Vorbringen der Mitwirkungsobliegenheit des Einbürgerungsbewerbers unterfällt (BVerwG, Urteil vom 20. März 2012 – 5 C 5/11 –, juris Rn. 39), gibt es ebenfalls keinen Anhalt.
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3. Da die Einbürgerung gegenwärtig bereits aus den vorstehenden Gründen nicht möglich ist, kann offenbleiben, ob die Identität des Klägers geklärt ist. Der Senat sieht sich jedoch durch das Berufungsvorbringen der Beklagten veranlasst, auf Folgendes hinzuweisen: Sollte die Identität des Klägers als „C B D“ geklärt sein, so scheitert die Einbürgerung nicht daran, dass keine darüber hinausgehende „Vereinheitlichung“ der Identität stattgefunden hat. Diese zusätzliche Anforderung ergibt sich weder aus dem Wortlaut des Gesetzes noch lässt sie sich mit der Erwägung begründen, dass die Einbürgerung nicht dazu dient, einer Person eine vollkommen neue Identität oder eine zusätzliche Alias-Identität zu verschaffen. Dieses öffentliche Interesse rechtfertigt es allerdings, eine Identitätsprüfung in Einbürgerungsverfahren zu verlangen (BVerwG, Urteil vom 1. September 2011 – 5 C 27/10 –, juris Rn. 13). Steht die Identität des Klägers jedoch fest, so wird gerade keine „neue“ Identität geschaffen. Zwar ändert dies nichts daran, dass der Kläger in den Geburtseinträgen seiner Kinder mit einem Namen geführt wird, der sich – unterstellt – als unzutreffend erwiesen hat. Das Einbürgerungsverfahren dient jedoch nicht dazu, diesen Fehler zu berichtigen. Im Übrigen steht es der Beklagten frei, nach der Einbürgerung des Klägers ggf. von Amts wegen ein öffentlich-rechtliches Verfahren zur allgemein verbindlichen Namensfeststellung gemäß § 8 NamÄndG durchzuführen. Die Beschlüsse des Amtsgerichts und des Oberlandesgerichts stehen dem nicht entgegen. Die Wirkung der gerichtlichen Entscheidung, mit der die Anordnung einer Berichtigung des Familienbuchs abgelehnt wird, erschöpft sich darin, dass die Unrichtigkeit der vorhandenen Eintragung jedenfalls nicht erwiesen ist (BayObLG, Beschluss vom 14. Januar 2000 – 1Z BR 45/99 –, juris Rn. 19). Eine darüber hinausgehende Bindungswirkung entfaltet sie nicht.
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Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1 VwGO, die Entscheidung zur vorläufigen Vollstreckbarkeit auf § 167 VwGO i.V.m. § 708 Nr. 11, § 711 ZPO.
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Gründe für die Zulassung der Revision (§ 132 Abs. 2 VwGO) liegen nicht vor.
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(1) Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, ist auf Antrag einzubürgern, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er
- 1.
sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt und erklärt, dass er keine Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die - a)
gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder - b)
eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder - c)
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
oder glaubhaft macht, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat, - 2.
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, eine Blaue Karte EU oder eine Aufenthaltserlaubnis für andere als die in den §§ 16a, 16b, 16d, 16e, 16f, 17, 18d, 18f, 19, 19b, 19e, 20, 22, 23 Absatz 1, den §§ 23a, 24, 25 Absatz 3 bis 5 und § 104c des Aufenthaltsgesetzes aufgeführten Aufenthaltszwecke besitzt, - 3.
den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat, - 4.
seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert, - 5.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist, - 6.
über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt, - 7.
über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland verfügt und
(2) Der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner und die minderjährigen Kinder des Ausländers können nach Maßgabe des Absatzes 1 mit eingebürgert werden, auch wenn sie sich noch nicht seit acht Jahren rechtmäßig im Inland aufhalten.
(3) Weist ein Ausländer durch die Bescheinigung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs nach, wird die Frist nach Absatz 1 auf sieben Jahre verkürzt. Bei Vorliegen besonderer Integrationsleistungen, insbesondere beim Nachweis von Sprachkenntnissen, die die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6 übersteigen, von besonders guten schulischen, berufsqualifizierenden oder beruflichen Leistungen oder von bürgerschaftlichem Engagement, kann sie auf bis zu sechs Jahre verkürzt werden.
(3a) Lässt das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit erst nach der Einbürgerung oder nach dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters zu, wird die Einbürgerung abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 unter vorübergehender Hinnahme von Mehrstaatigkeit vorgenommen und mit einer Auflage versehen, in der der Ausländer verpflichtet wird, die zum Ausscheiden aus der ausländischen Staatsangehörigkeit erforderlichen Handlungen unverzüglich nach der Einbürgerung oder nach Erreichen des maßgeblichen Lebensalters vorzunehmen. Die Auflage ist aufzuheben, wenn nach der Einbürgerung ein Grund nach § 12 für die dauernde Hinnahme von Mehrstaatigkeit entstanden ist.
(4) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 liegen vor, wenn der Ausländer die Anforderungen einer Sprachprüfung der Stufe B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen erfüllt. Bei einem minderjährigen Kind, das im Zeitpunkt der Einbürgerung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 bei einer altersgemäßen Sprachentwicklung erfüllt.
(5) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 7 sind in der Regel durch einen erfolgreichen Einbürgerungstest nachgewiesen. Zur Vorbereitung darauf werden Einbürgerungskurse angeboten; die Teilnahme daran ist nicht verpflichtend.
(6) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht erfüllen kann.
(7) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, die Prüfungs- und Nachweismodalitäten des Einbürgerungstests sowie die Grundstruktur und die Lerninhalte des Einbürgerungskurses nach Absatz 5 auf der Basis der Themen des Orientierungskurses nach § 43 Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu regeln.
(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.
(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.
(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.
(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.
(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.
(1) Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, ist auf Antrag einzubürgern, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er
- 1.
sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt und erklärt, dass er keine Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die - a)
gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder - b)
eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder - c)
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
oder glaubhaft macht, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat, - 2.
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, eine Blaue Karte EU oder eine Aufenthaltserlaubnis für andere als die in den §§ 16a, 16b, 16d, 16e, 16f, 17, 18d, 18f, 19, 19b, 19e, 20, 22, 23 Absatz 1, den §§ 23a, 24, 25 Absatz 3 bis 5 und § 104c des Aufenthaltsgesetzes aufgeführten Aufenthaltszwecke besitzt, - 3.
den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat, - 4.
seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert, - 5.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist, - 6.
über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt, - 7.
über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland verfügt und
(2) Der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner und die minderjährigen Kinder des Ausländers können nach Maßgabe des Absatzes 1 mit eingebürgert werden, auch wenn sie sich noch nicht seit acht Jahren rechtmäßig im Inland aufhalten.
(3) Weist ein Ausländer durch die Bescheinigung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs nach, wird die Frist nach Absatz 1 auf sieben Jahre verkürzt. Bei Vorliegen besonderer Integrationsleistungen, insbesondere beim Nachweis von Sprachkenntnissen, die die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6 übersteigen, von besonders guten schulischen, berufsqualifizierenden oder beruflichen Leistungen oder von bürgerschaftlichem Engagement, kann sie auf bis zu sechs Jahre verkürzt werden.
(3a) Lässt das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit erst nach der Einbürgerung oder nach dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters zu, wird die Einbürgerung abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 unter vorübergehender Hinnahme von Mehrstaatigkeit vorgenommen und mit einer Auflage versehen, in der der Ausländer verpflichtet wird, die zum Ausscheiden aus der ausländischen Staatsangehörigkeit erforderlichen Handlungen unverzüglich nach der Einbürgerung oder nach Erreichen des maßgeblichen Lebensalters vorzunehmen. Die Auflage ist aufzuheben, wenn nach der Einbürgerung ein Grund nach § 12 für die dauernde Hinnahme von Mehrstaatigkeit entstanden ist.
(4) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 liegen vor, wenn der Ausländer die Anforderungen einer Sprachprüfung der Stufe B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen erfüllt. Bei einem minderjährigen Kind, das im Zeitpunkt der Einbürgerung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 bei einer altersgemäßen Sprachentwicklung erfüllt.
(5) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 7 sind in der Regel durch einen erfolgreichen Einbürgerungstest nachgewiesen. Zur Vorbereitung darauf werden Einbürgerungskurse angeboten; die Teilnahme daran ist nicht verpflichtend.
(6) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht erfüllen kann.
(7) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, die Prüfungs- und Nachweismodalitäten des Einbürgerungstests sowie die Grundstruktur und die Lerninhalte des Einbürgerungskurses nach Absatz 5 auf der Basis der Themen des Orientierungskurses nach § 43 Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu regeln.
Tenor
Der Antrag des Klägers auf Zulassung der Berufung gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen vom 6. September 2007 - 5 K 715/05 - wird abgelehnt.
Der Kläger trägt die Kosten des Zulassungsverfahrens.
Der Streitwert für das Zulassungsverfahren wird auf 10.000,-- EUR festgesetzt.
Gründe
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(1) Ein Ausländer, der seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat und handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, ist auf Antrag einzubürgern, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er
- 1.
sich zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland bekennt und erklärt, dass er keine Bestrebungen verfolgt oder unterstützt oder verfolgt oder unterstützt hat, die - a)
gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung, den Bestand oder die Sicherheit des Bundes oder eines Landes gerichtet sind oder - b)
eine ungesetzliche Beeinträchtigung der Amtsführung der Verfassungsorgane des Bundes oder eines Landes oder ihrer Mitglieder zum Ziele haben oder - c)
durch Anwendung von Gewalt oder darauf gerichtete Vorbereitungshandlungen auswärtige Belange der Bundesrepublik Deutschland gefährden,
oder glaubhaft macht, dass er sich von der früheren Verfolgung oder Unterstützung derartiger Bestrebungen abgewandt hat, - 2.
ein unbefristetes Aufenthaltsrecht oder als Staatsangehöriger der Schweiz oder dessen Familienangehöriger eine Aufenthaltserlaubnis auf Grund des Abkommens vom 21. Juni 1999 zwischen der Europäischen Gemeinschaft und ihren Mitgliedstaaten einerseits und der Schweizerischen Eidgenossenschaft andererseits über die Freizügigkeit, eine Blaue Karte EU oder eine Aufenthaltserlaubnis für andere als die in den §§ 16a, 16b, 16d, 16e, 16f, 17, 18d, 18f, 19, 19b, 19e, 20, 22, 23 Absatz 1, den §§ 23a, 24, 25 Absatz 3 bis 5 und § 104c des Aufenthaltsgesetzes aufgeführten Aufenthaltszwecke besitzt, - 3.
den Lebensunterhalt für sich und seine unterhaltsberechtigten Familienangehörigen ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem Zweiten oder Zwölften Buch Sozialgesetzbuch bestreiten kann oder deren Inanspruchnahme nicht zu vertreten hat, - 4.
seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert, - 5.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist, - 6.
über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache verfügt, - 7.
über Kenntnisse der Rechts- und Gesellschaftsordnung und der Lebensverhältnisse in Deutschland verfügt und
(2) Der Ehegatte oder eingetragene Lebenspartner und die minderjährigen Kinder des Ausländers können nach Maßgabe des Absatzes 1 mit eingebürgert werden, auch wenn sie sich noch nicht seit acht Jahren rechtmäßig im Inland aufhalten.
(3) Weist ein Ausländer durch die Bescheinigung des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge die erfolgreiche Teilnahme an einem Integrationskurs nach, wird die Frist nach Absatz 1 auf sieben Jahre verkürzt. Bei Vorliegen besonderer Integrationsleistungen, insbesondere beim Nachweis von Sprachkenntnissen, die die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nummer 6 übersteigen, von besonders guten schulischen, berufsqualifizierenden oder beruflichen Leistungen oder von bürgerschaftlichem Engagement, kann sie auf bis zu sechs Jahre verkürzt werden.
(3a) Lässt das Recht des ausländischen Staates das Ausscheiden aus dessen Staatsangehörigkeit erst nach der Einbürgerung oder nach dem Erreichen eines bestimmten Lebensalters zu, wird die Einbürgerung abweichend von Absatz 1 Satz 1 Nummer 4 unter vorübergehender Hinnahme von Mehrstaatigkeit vorgenommen und mit einer Auflage versehen, in der der Ausländer verpflichtet wird, die zum Ausscheiden aus der ausländischen Staatsangehörigkeit erforderlichen Handlungen unverzüglich nach der Einbürgerung oder nach Erreichen des maßgeblichen Lebensalters vorzunehmen. Die Auflage ist aufzuheben, wenn nach der Einbürgerung ein Grund nach § 12 für die dauernde Hinnahme von Mehrstaatigkeit entstanden ist.
(4) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 liegen vor, wenn der Ausländer die Anforderungen einer Sprachprüfung der Stufe B 1 des Gemeinsamen Europäischen Referenzrahmens für Sprachen erfüllt. Bei einem minderjährigen Kind, das im Zeitpunkt der Einbürgerung das 16. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, sind die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 bei einer altersgemäßen Sprachentwicklung erfüllt.
(5) Die Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 7 sind in der Regel durch einen erfolgreichen Einbürgerungstest nachgewiesen. Zur Vorbereitung darauf werden Einbürgerungskurse angeboten; die Teilnahme daran ist nicht verpflichtend.
(6) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Satz 1 Nr. 6 und 7 wird abgesehen, wenn der Ausländer sie wegen einer körperlichen, geistigen oder seelischen Krankheit oder Behinderung oder altersbedingt nicht erfüllen kann.
(7) Das Bundesministerium des Innern, für Bau und Heimat wird ermächtigt, die Prüfungs- und Nachweismodalitäten des Einbürgerungstests sowie die Grundstruktur und die Lerninhalte des Einbürgerungskurses nach Absatz 5 auf der Basis der Themen des Orientierungskurses nach § 43 Abs. 3 Satz 1 des Aufenthaltsgesetzes durch Rechtsverordnung, die nicht der Zustimmung des Bundesrates bedarf, zu regeln.
(1) Der Schuldner hat Vorsatz und Fahrlässigkeit zu vertreten, wenn eine strengere oder mildere Haftung weder bestimmt noch aus dem sonstigen Inhalt des Schuldverhältnisses, insbesondere aus der Übernahme einer Garantie oder eines Beschaffungsrisikos, zu entnehmen ist. Die Vorschriften der §§ 827 und 828 finden entsprechende Anwendung.
(2) Fahrlässig handelt, wer die im Verkehr erforderliche Sorgfalt außer Acht lässt.
(3) Die Haftung wegen Vorsatzes kann dem Schuldner nicht im Voraus erlassen werden.
(1) Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner Deutscher sollen unter den Voraussetzungen des § 10 Absatz 1 eingebürgert werden, wenn sie seit drei Jahren ihren rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben und die Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft seit zwei Jahren besteht. Die Aufenthaltsdauer nach Satz 1 kann aus Gründen des öffentlichen Interesses verkürzt werden, wenn die Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft seit drei Jahren besteht. Minderjährige Kinder von Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartnern Deutscher können unter den Voraussetzungen des § 10 Absatz 1 mit eingebürgert werden, auch wenn sie sich noch nicht seit drei Jahren rechtmäßig im Inland aufhalten. § 10 Absatz 3a, 4, 5 und 6 gilt entsprechend.
(2) Die Regelung des Absatzes 1 gilt auch, wenn die Einbürgerung bis zum Ablauf eines Jahres nach dem Tod des deutschen Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartners oder nach der Rechtskraft des die Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft beendenden Beschlusses beantragt wird und der Antragsteller als sorgeberechtigter Elternteil mit einem minderjährigen Kind aus der Ehe oder eingetragenen Lebenspartnerschaft in einer familiären Gemeinschaft lebt, das bereits die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.
(1) Ein Ausländer, der rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland hat, kann auf seinen Antrag eingebürgert werden, wenn seine Identität und Staatsangehörigkeit geklärt sind und er
- 1.
handlungsfähig nach § 37 Absatz 1 Satz 1 oder gesetzlich vertreten ist, - 2.
weder wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt noch gegen ihn auf Grund seiner Schuldunfähigkeit eine Maßregel der Besserung und Sicherung angeordnet worden ist, - 3.
eine eigene Wohnung oder ein Unterkommen gefunden hat, - 4.
sich und seine Angehörigen zu ernähren imstande ist und
(2) Von den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nummer 2 und 4 kann aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte abgesehen werden.
(1) Ehegatten oder eingetragene Lebenspartner Deutscher sollen unter den Voraussetzungen des § 10 Absatz 1 eingebürgert werden, wenn sie seit drei Jahren ihren rechtmäßigen gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben und die Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft seit zwei Jahren besteht. Die Aufenthaltsdauer nach Satz 1 kann aus Gründen des öffentlichen Interesses verkürzt werden, wenn die Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft seit drei Jahren besteht. Minderjährige Kinder von Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartnern Deutscher können unter den Voraussetzungen des § 10 Absatz 1 mit eingebürgert werden, auch wenn sie sich noch nicht seit drei Jahren rechtmäßig im Inland aufhalten. § 10 Absatz 3a, 4, 5 und 6 gilt entsprechend.
(2) Die Regelung des Absatzes 1 gilt auch, wenn die Einbürgerung bis zum Ablauf eines Jahres nach dem Tod des deutschen Ehegatten oder eingetragenen Lebenspartners oder nach der Rechtskraft des die Ehe oder eingetragene Lebenspartnerschaft beendenden Beschlusses beantragt wird und der Antragsteller als sorgeberechtigter Elternteil mit einem minderjährigen Kind aus der Ehe oder eingetragenen Lebenspartnerschaft in einer familiären Gemeinschaft lebt, das bereits die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Verwaltungsgerichts des Saarlandes vom 27. September 2011 - 2 K 209/10 - wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Berufungsverfahrens fallen dem Kläger zur Last.
Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 3.3.2010 zu verpflichten, ihn einzubürgern,
hilfsweise,
den Beklagten unter Aufhebung des Bescheids vom 3.3.2010 zu verpflichten, über den Antrag auf Einbürgerung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
die Klage abzuweisen.
den Beklagten unter teilweiser Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts vom 27.9.2011 zu verpflichten, seinen Bescheid vom 3.3.2010 aufzuheben und über den Antrag auf Einbürgerung unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts erneut zu entscheiden.
die Berufung zurückzuweisen.
Entscheidungsgründe
Gründe
Tatbestand
- 1
-
Der Kläger begehrt die Einbürgerung in den deutschen Staatsverband.
- 2
-
Der 1977 in Bagdad geborene Kläger ist irakischer Staatsangehöriger. Er reiste im Dezember 2000 in das Bundesgebiet ein und beantragte Asyl. Das Bundesamt stellte auf diesen Antrag im Februar 2001 Abschiebungshindernisse fest. Der Kläger erhielt fortan Aufenthaltstitel, zuletzt im Dezember 2007 eine Niederlassungserlaubnis.
- 3
-
Das Amtsgericht verurteilte den Kläger Anfang 2004 wegen gefährlicher Körperverletzung zu einer Geldstrafe in Höhe von 120 Tagessätzen.
- 4
-
Im Dezember 2007 beantragte der Kläger seine Einbürgerung. Auf dem Formblatt der Beklagten füllte er die Rubrik für Strafverurteilungen nicht aus, sondern kreuzte das Feld "keine Straftaten" an. Ferner gab er an, seit September 2006 als freier Journalist bei der D. tätig zu sein, wobei sein journalistischer Arbeitsbereich den Nahen Osten betreffe. Er habe eine repräsentative Funktion für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland.
- 5
-
Mit Bescheid vom 16. Juni 2008 lehnte die Beklagte den Einbürgerungsantrag des Klägers ab, weil seine Strafverurteilung die Unbedenklichkeitsgrenze von 90 Tagessätzen mehr als geringfügig übersteige.
- 6
-
Das Verwaltungsgericht hat die Klage auf Einbürgerung mit Urteil vom 10. Februar 2010 abgewiesen. Auf die Berufung des Klägers hat das Oberverwaltungsgericht mit Urteil vom 14. März 2011 die Entscheidung der Vorinstanz geändert und die Beklagte unter Aufhebung ihres Ablehnungsbescheides verpflichtet, den Einbürgerungsantrag des Klägers unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu bescheiden. Der Kläger habe weder einen Einbürgerungsanspruch aus § 10 Abs. 1 StAG noch aus § 8 Abs. 1 StAG, weil er die Voraussetzung der Straffreiheit nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG nicht erfülle und die Bagatellgrenze des § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG (Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen) nicht einhalte. Er habe jedoch einen Anspruch auf Neubescheidung seines Einbürgerungsantrags aus § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG, da die gegen ihn verhängte Geldstrafe von 120 Tagessätzen den Rahmen von 90 Tagessätzen nur geringfügig übersteige. Das Tatbestandsmerkmal "geringfügig" im Sinne von § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG sei so auszulegen, dass es bei einer Überschreitung der Bagatellgrenze um nicht mehr als 30 Tagessätze Geldstrafe oder einen Monat Freiheitsstrafe noch erfüllt sei. Andernfalls werde der Vorschrift kein ausreichendes praktisches Anwendungsspektrum insbesondere bei Freiheitsstrafen belassen. Denn eine oberhalb der Bagatellgrenze von drei Monaten liegende Verurteilung zu einer Einzelfreiheitsstrafe betrage in der Praxis fast immer mindestens vier Monate, weil die Strafgerichte nahezu ausschließlich nach Monaten bemessene Einzelstrafen verhängten. Wenn demnach eine Überschreitung um einen Monat Freiheitsstrafe geringfügig sei, müsse dies auch für eine Überschreitung um 30 Tagessätze gelten. Denn die Geringfügigkeitsgrenze müsse für Geld- und Freiheitsstrafen einheitlich festgelegt werden.
- 7
-
Die Beklagte rügt mit ihrer Revision eine Verletzung des § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG. Bereits der Wortsinn des Merkmals "geringfügig" schließe es aus, dieses im Fall des Überschreitens der Bagatellgrenze um ein Drittel - wie hier - als erfüllt anzusehen. Was unter dem unbestimmten Rechtsbegriff geringfügig zu verstehen sei, sei nach dem Willen des Gesetzgebers der Präzisierung in einer Verwaltungsvorschrift, nämlich den Vorläufigen Anwendungshinweisen des Bundesministeriums des Innern, zu entnehmen. Deshalb sei eine Überschreitung nur geringfügig, wenn die Strafe oder die Summe der Strafen die Bagatellgrenze um nicht mehr als 21 Tagessätze Geldstrafe bzw. drei Wochen Freiheitsstrafe übersteige.
- 8
-
Der Kläger verteidigt das angegriffene Urteil. Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht schließt sich der Rechtsansicht der Beklagten an.
Entscheidungsgründe
- 9
-
Die Revision der Beklagten ist begründet. Das angefochtene Urteil des Oberverwaltungsgerichts steht mit Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) nicht in Einklang. Weil der Senat mangels ausreichender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend entscheiden kann, ist die Sache an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
- 10
-
Das Berufungsgericht hat zwar zutreffend ausgeführt, dass dem Kläger kein Anspruch auf Einbürgerung aus § 10 Abs. 1 StAG zusteht, weil er die Einbürgerungsvoraussetzung der Straffreiheit nach § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG nicht erfüllt und seine Verurteilung zu 120 Tagessätzen Geldstrafe nicht nach § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG unbeachtlich ist. Es hat jedoch zu Unrecht angenommen, dass der Kläger einen Anspruch auf Neubescheidung seines Einbürgerungsantrags nach § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG besitzt, weil die Überschreitung des Rahmens um 30 Tagessätze noch geringfügig im Sinne dieser Vorschrift sei (1.). Ob dem Kläger ein Anspruch auf eine Ermessensentscheidung der Beklagten nach § 8 Abs. 2 StAG zusteht, kann auf der Grundlage der vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen nicht abschließend beurteilt werden, so dass die Sache der Zurückverweisung bedarf (2.).
- 11
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1. Die Voraussetzungen für eine Ermessensentscheidung der Beklagten nach § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG liegen nicht vor. Nach dieser Vorschrift ist im Einzelfall zu entscheiden, ob eine Verurteilung außer Betracht bleiben kann, wenn die Strafe oder die Summe der Strafen geringfügig den Rahmen nach den Sätzen 1 und 2 übersteigt. Diese Tatbestandsvoraussetzung ist entgegen der Ansicht des Oberverwaltungsgerichts hier nicht erfüllt.
- 12
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a) Bei dem Merkmal geringfügig handelt es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff, der in vollem Umfang der gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Soweit sich die Verwaltungspraxis - auch der Beklagten - auf die Vorläufigen Anwendungshinweise des Bundesministeriums des Innern zum Staatsangehörigkeitsgesetz (in der Fassung des Gesetzes zur Änderung des Staatsangehörigkeitsgesetzes vom 5. Februar 2009
Stand: 17. April 2009 - VAH-StAG -) stützt, nach deren Ziffer 12a.1.3 eine geringfügige Überschreitung vorliegt, wenn die Strafe oder die Summe der Strafen die Bagatellgrenze um nicht mehr als 21 Tagessätze bzw. drei Wochen Freiheitsstrafe übersteigt, ist dies für die Gerichte nicht bindend. Daran vermag auch der Hinweis in der Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung vom 23. April 2007 (BTDrucks 16/5065 S. 230) zur neu gefassten Regelung des § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG, dass der unbestimmte Rechtsbegriff geringfügig durch Verwaltungsvorschriften präzisiert werde, nichts zu ändern. Zwar ist damit nicht ausgeschlossen, dass die in Ziffer 12a.1.3 VAH-StAG genannte Zahl von 21 Tagessätzen (bzw. 3 Wochen Freiheitsstrafe) eine gesetzeskonforme Bestimmung dieses Rechtsbegriffs enthält. Ob dies zutrifft, bedarf jedoch keiner Entscheidung, weil jedenfalls die hier in Rede stehende Überschreitung des gesetzlichen Rahmens bei Geldstrafen um 30 Tagessätze nicht mehr geringfügig ist.
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b) Eine Strafverurteilung, welche die gesetzliche Unbeachtlichkeitsgrenze von Geldstrafe bis zu 90 Tagessätzen oder Freiheitsstrafe bis zu drei Monaten (§ 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 StAG) um ein Drittel überschreitet, übersteigt diese nicht "geringfügig" im Sinne von § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG. Das ergibt sich aus einer Gesamtschau von Wortlaut, Systematik, Entstehungsgeschichte sowie Sinn und Zweck dieser Gesetzesbestimmung.
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aa) Bereits der Wortlaut des § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG weist deutlich in die Richtung, dass eine Verurteilung zu 120 Tagessätzen nicht vernachlässigt werden darf. Im allgemeinen Sprachgebrauch wird das Wort geringfügig in seinem Bedeutungsgehalt mit den Worten unbedeutend, unwesentlich, nicht ins Gewicht fallend und belanglos umschrieben; dementsprechend wird das Substantiv Geringfügigkeit mit Unbedeutendheit, Belanglosigkeit, Kleinigkeit und unwesentliche Sache gleichgesetzt (Duden, Deutsches Universalwörterbuch, 6. Aufl. 2006, S. 676; Wahrig, Deutsches Wörterbuch, 9. Aufl. 2011, S. 603.). Daran gemessen spricht ganz Überwiegendes dagegen, dass die Überschreitung eines vorgegebenen Rahmens um ein Drittel noch als geringfügig angesehen werden kann. 30 Tagessätze Geldstrafe (mehr) erweisen sich im Verhältnis zu dem Bezugsrahmen von 90 Tagessätzen nicht als eine Kleinigkeit, als unbedeutend oder als unwesentlich.
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Diese Bewertung entspricht der Bedeutung, die dem Begriff "geringfügig" in Vorschriften beigemessen wird, in denen das Wort - wie in § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG - auf eine quantitativ bestimmte oder bestimmbare Größe bezogen ist. So wird etwa für die Frage, ob eine Zuvielforderung kostenrechtlich noch verhältnismäßig "geringfügig" im Sinne von § 92 Abs. 2 ZPO ist, allgemein davon ausgegangen, dass die Grenze der Geringfügigkeit bei 10 % der Bezugsgröße verläuft (s. Hüßtege, in: Thomas/Putzo, ZPO, 32. Aufl. 2011, § 92 Rn. 8; Schneider, in: Prütting/Gehrlein, ZPO, 3. Aufl. 2011, § 92 Rn. 8; vgl. auch Bayerischer VerfGH, Entscheidung vom 20. November 2000 - Vf. 14-VI-00 - juris Rn. 6, 14 m.w.N.; vgl. ferner die weiteren Nachweise und Beispiele im Urteil des erstinstanzlich entscheidenden VG Köln vom 10. Februar 2010 - 10 K 4788/08 - juris Rn. 32 f.).
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Die klare Tendenz der Wortlautauslegung, dass eine Überschreitung um ein Drittel nicht mehr geringfügig ist, wird durch die Anwendung weiterer Auslegungskriterien bestätigt.
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bb) Dies gilt zunächst für die Auslegung am Maßstab der Gesetzessystematik. § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG steht in einem engen Kontext mit § 12a Abs. 1 Satz 1 und 2 StAG sowie mit § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG. Die zuletzt genannte Vorschrift statuiert den Grundsatz, dass Ausländer, die wegen einer rechtswidrigen Tat zu einer Strafe verurteilt worden sind, keinen Anspruch auf Einbürgerung haben. Eine Ausnahme macht das Gesetz in § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 StAG, indem es die sog. Bagatellgrenzen konkretisiert und anordnet, dass Verurteilungen von bis zu 90 Tagessätzen Geldstrafe oder 3 Monaten Freiheitsstrafe bei der Einbürgerung außer Acht bleiben. Werden diese Grenzen nicht eingehalten, so lässt § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG eine weitere Ausnahme zu, indem die Vorschrift noch eine Einzelfallprüfung ermöglicht; dies jedoch nur unter der einschränkenden Voraussetzung, dass die Überschreitung des Rahmens geringfügig ist. Diese systematische Stellung des § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG als (weitere) Ausnahme spricht dagegen, den Bedeutungsgehalt des Wortes geringfügig entgegen dem Befund der grammatikalischen Auslegung weit zu fassen.
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Die Gesetzessystematik streitet ferner dagegen, das Merkmal der Geringfügigkeit einer auf den Einzelfall bezogenen wertenden Betrachtung zu unterziehen (vgl. aber Berlit, in: GK-StAR, Stand: November 2010, § 12a Rn. 42; Hailbronner, in: Hailbronner/Renner/Maaßen, Staatsangehörigkeitsrecht, 5. Aufl. 2010, § 12a StAG Rn. 9). Zum einen liefe dies darauf hinaus, bereits bei der Prüfung des Tatbestandsmerkmals der Geringfügigkeit eine Interessenabwägung vorzunehmen, wie sie erst für die Ermessensentscheidung geboten ist. Hierdurch würde die oben beschriebene Normstruktur des § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG durchbrochen. Zum anderen bezieht sich die Vorschrift mit ihrer Verweisung auf den Rahmen der Sätze 1 und 2 gerade auf die dort vorgegebenen Quantitäten (nämlich die in § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und 3 StAG genannten 90 Tagessätze Geldstrafe bzw. 3 Monate Freiheitsstrafe). Diese Bezugnahme spricht dafür, auch den Begriff geringfügig in quantitativer Weise zu bestimmen. Der bei einer solchen Betrachtungsweise nahe liegende Schluss, dass jedenfalls eine Überschreitung der Bezugsgröße um ein Drittel nicht mehr geringfügig ist, trägt überdies auch dem im Staatsangehörigkeitsrecht bedeutsamen Bedürfnis nach Rechtssicherheit und Rechtsklarheit Rechnung (vgl. dazu Urteil vom 19. Oktober 2011 - BVerwG 5 C 28.10 - DVBl 2012, 106 Rn. 20).
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cc) Die Gesetzgebungsgeschichte bestätigt diese Auslegung. § 12a StAG hat seine hier anwendbare und seit dem 28. August 2007 geltende Fassung durch das Änderungsgesetz vom 19. August 2007 erhalten (Art. 5 Nr. 10 des EU-Richtlinienumsetzungsgesetzes - BGBl I S. 1970). Mit diesem Gesetz ist die Regelung in dreifacher Hinsicht verschärft worden. Zunächst sind die Grenzwerte für Bagatellstraftaten in § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 StAG deutlich herabgesetzt worden. Nach der bis August 2007 geltenden Fassung des Gesetzes blieben noch Verurteilungen zu Geldstrafe bis zu 180 Tagessätzen und zu Freiheitsstrafen bis zu sechs Monaten außer Betracht. Des Weiteren ist eine Verschärfung gegenüber der alten Rechtslage herbeigeführt worden, indem der Gesetzgeber im neu gefassten § 12a Abs. 1 Satz 2 StAG die Zusammenrechnung von Bagatellstraftaten vorgesehen hat, und zwar auch dann, wenn das Strafgericht keine Gesamtstrafe gebildet hat. Eine dritte und hier ebenfalls bedeutsame Verschärfung ist im Hinblick auf das Nichtberücksichtigungsermessen bei Verurteilungen zu einer höheren als der in Bezug genommenen Strafe eingetreten. Während nach der früheren Regelung (§ 12a Abs. 1 Satz 2 StAG a.F.) bei allen Überschreitungen eine Ermessensentscheidung zu treffen war, ob die Straftat im Einzelfall außer Betracht bleiben konnte, ordnet der Gesetzgeber nach dem nunmehr geltenden § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG nur noch dann eine Ermessensentscheidung über das Absehen von einer Verurteilung an, wenn die Strafe oder die Summe der Strafen den genannten Rahmen geringfügig überschreitet. Diese vom Gesetzgeber bewusst angestrebten Verschärfungen würden in ihrer Wirkung umso stärker relativiert werden, je weiter das Merkmal geringfügig ausgelegt wird. Deshalb gebietet es die in der Verschärfung zum Ausdruck kommende gesetzgeberische Intention, die Anzahl der Fälle, in denen trotz Überschreitung der Unbeachtlichkeitsgrenze noch eine Ermessensentscheidung über die Nichtberücksichtigung der Verurteilung nach § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG zu treffen ist, auf ein solches Maß zu beschränken, wie es der Wortlaut nahe legt.
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Der dahin gehende gesetzgeberische Wille kommt auch in den Gesetzesmaterialien zum Ausdruck. In der amtlichen Begründung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung (BTDrucks 16/5065 S. 229 f.) heißt es zur Änderung des Satzes 1 von § 12a Abs. 1 StAG, dass die bisherigen Grenzen für Bagatellstraftaten, die nicht einbürgerungshinderlich sind, als zu hoch angesehen werden und deshalb um die Hälfte gesenkt werden sollen. Dies entspreche auch einer Anregung der Innenministerkonferenz vom Mai 2006. Der damit in Bezug genommene Beschluss Nr. 7 der 180. Sitzung der Ständigen Konferenz der Innenminister und -senatoren der Länder stellte fest, dass die bisherigen Bagatellgrenzen, innerhalb derer Straftaten die Einbürgerung nicht hindern, unverhältnismäßig hoch seien. Um die Rechtstreue des Einbürgerungsbewerbers sicherzustellen, solle "in der Regel künftig bereits eine Verurteilung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen die Einbürgerung ausschließen". Wenn sich der Gesetzgeber durch diese Bezugnahme die Forderung der Innenministerkonferenz zu eigen gemacht hat, dass "in der Regel" bereits eine Verurteilung zu einer Geldstrafe von 90 Tagessätzen die Einbürgerung ausschließen soll, darf die im Gesetz vorgesehene Ausnahmeregelung des § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG (Einzelfallprüfung bei geringfügiger Überschreitung) nicht entgegen dem Ergebnis der Wortlautinterpretation weit verstanden werden.
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dd) Auch der Sinn und Zweck der Regelung steht einem weiten Verständnis entgegen.
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Mit dem grundsätzlichen Erfordernis der Straffreiheit in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG will der Gesetzgeber zum einen demjenigen Einbürgerungsbewerber keinen Anspruch auf Einbürgerung einräumen, der ein Rechtsgut verletzt hat, das die Bundesrepublik Deutschland als der Staat, in den er eingebürgert werden will, für so wesentlich hält, dass dessen Verletzung mit Strafe bewehrt ist. Zum anderen stellt der Gesetzgeber damit klar, dass es nicht Aufgabe der Einbürgerungsbehörde ist, selbst festzustellen, ob der Ausländer eine Straftat begangen hat. Erforderlich aber auch hinreichend ist, dass der Verstoß gegen ein Strafgesetz in einer strafgerichtlichen Entscheidung festgestellt worden ist (Urteil vom 29. März 2007 - BVerwG 5 C 33.05 - BVerwGE 128, 271 Rn. 18). Mit der Regelung in § 12a Abs. 1 Satz 1 StAG über die Unbeachtlichkeit sog. Bagatellstraftaten wird dabei im Interesse der Rechtssicherheit eine klare Grenze vorgegeben, welche Straftaten bei der Entscheidung über die Einbürgerung unbeachtlich sind und welche nicht. Dies erleichtert zugleich den Verwaltungsvollzug, zumal die Einbürgerungsbehörden und im Streitfall die Verwaltungsgerichte grundsätzlich von der Richtigkeit der (rechtskräftigen) Verurteilung und des Strafmaßes ausgehen dürfen (vgl. Beschluss vom 16. Juli 2010 - BVerwG 5 B 2.10 - juris Rn. 18).
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Der Zweck des § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG besteht vor diesem Hintergrund darin, in "Grenzfällen" eine (weitere) Ausnahme durch die Möglichkeit einer Einzelfallprüfung zuzulassen. Diese individuelle Prüfung soll aber - wie sich insbesondere aus der bewussten Verschärfung der Vorschrift durch die Einfügung des Merkmals der Geringfügigkeit ergibt - nur bei unbedeutenden bzw. marginalen Abweichungen von der Unbeachtlichkeitsgrenze stattfinden. Dieser Zwecksetzung entspricht das schon durch den allgemeinen Wortsinn nahe gelegte Auslegungsergebnis, dass eine Überschreitung der Bezugsgröße um 30 Tagessätze - also um ein Drittel - nicht mehr geringfügig ist.
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c) Das im Wege der grammatikalischen, systematischen, genetischen und teleologischen Auslegung gewonnene Ergebnis wird durch die Begründung des Berufungsgerichts nicht in Frage gestellt. Seinem hiergegen vorgebrachten Argument, dass der Vorschrift wegen der Praxis der Strafgerichte, Einzelfreiheitsstrafen nahezu ausschließlich in monatlicher Stufung zu verhängen, kein genügendes praktisches Anwendungsspektrum belassen werde (UA S. 11), vermag der Senat nicht zu folgen.
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Dabei geht der Senat für die revisionsgerichtliche Prüfung von der tatsächlichen Feststellung des Berufungsgerichts aus, dass die Strafgerichte in der Praxis "nahezu ausschließlich" nach Monaten bemessene (Einzel-)Freiheitsstrafen verhängen. Es bedarf insoweit keiner abschließenden Entscheidung, ob diese Feststellung für das Revisionsgericht bindend ist, weil es sich um eine Tatsachenfeststellung im Sinne von § 137 Abs. 2 VwGO handelt, die von der Beklagten nicht mit Verfahrensrügen angegriffen worden ist. Auch wenn es sich - wofür Überwiegendes spricht - bei den Erhebungen zur Strafzumessungspraxis der Strafgerichte um generelle, der allgemeinen Auslegung der materiellrechtlichen Rechtsnorm (hier des § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG) dienende Tatsachen (sog. legal facts) handelt, die von § 137 Abs. 2 VwGO nicht erfasst werden und vom Revisionsgericht im Zweifel selbst aufgeklärt werden dürften (vgl. Urteil vom 6. November 2002 - BVerwG 6 C 8.02 - Buchholz 402.5 WaffG Nr. 89 S. 24 f.; Beschluss vom 2. Februar 2011 - BVerwG 6 B 37.10 - juris Rn. 11), kann sie der Senat hier zugrunde legen. Denn die Feststellung des Berufungsgerichts über die Strafzumessungspraxis der Strafgerichte bei Freiheitsstrafen steht weder zwischen den Beteiligten im Streit noch ergeben sich sonst aufklärungsbedürftige Zweifel an ihrem Wahrheitsgehalt.
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aa) Im Hinblick auf die hier in Rede stehende Regelung über Geldstrafen liegt die Gefahr eines praktischen Leerlaufens des § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG aber auch dann nicht vor, wenn eine Überschreitung um 30 Tagessätze nicht mehr als geringfügig angesehen wird. Das Berufungsgericht hat nämlich nicht festgestellt, dass die Strafgerichte Geldstrafen nur in Stufen von 30 Tagessätzen verhängen. Hierfür gibt es auch sonst keinerlei Anhaltspunkte. Vielmehr kann es - wie in der mündlichen Verhandlung erörtert und zwischen den Beteiligten unstreitig - als offenkundig angesehen werden, dass in der Strafpraxis auch Abstufungen in geringeren Schritten (etwa von 10 Tagessätzen) häufig sind (vgl. VG Ansbach, Urteile vom 18. Mai 2011 - AN 15 K 10.01673 - juris Rn. 27 und vom 16. März 2011 - AN 15 K 10.02233 - juris Rn. 25). Die gesetzliche Regelung sieht vor, dass die Geldstrafe mindestens 5 Tagessätze beträgt (§ 40 Abs. 1 Satz 2 StGB).
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bb) Ebenso wenig besteht die Gefahr, dass bei Zugrundelegung der Auslegung des Senats die Regelung des § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG insgesamt leerläuft. Das Berufungsgericht hat nämlich auch nicht festgestellt, dass für das Merkmal der Geringfügigkeit im Sinne von § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG (insgesamt) kein praktischer Anwendungsbereich vorhanden sei. Neben den Anwendungsfällen im Hinblick auf Geldstrafen verbleibt ein solcher, wie auch das Berufungsgericht (UA S. 11) einräumt, sowohl im Hinblick auf die Bildung von Gesamtstrafen als auch auf diejenigen Fälle, in denen mehrere Geldstrafen oder Freiheitsstrafen und Geldstrafen gemäß § 12a Abs. 1 Satz 2 StAG zusammenzurechnen sind.
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cc) Dem Oberverwaltungsgericht ist auch nicht deshalb zu folgen, weil bei isolierter Betrachtung der Verurteilungen zu Freiheitsstrafe dem § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG insoweit nur dann ein ins Gewicht fallender praktischer Anwendungsbereich verbleibt, wenn die Geringfügigkeitsgrenze auf vier Monate festgesetzt wird. Zweifelhaft ist bereits, ob dem Hinweis auf die Strafzumessungspraxis der Strafgerichte bei Freiheitsstrafen überhaupt durchgreifende Bedeutung für die Auslegung des § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG zukommen kann. Es begegnet nicht unerheblichen Bedenken, die Bestimmung des Inhalts von § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG maßgeblich an der Verfahrensweise der Strafgerichte auszurichten, die von Gesetzes wegen nicht gehalten sind, (kürzere) Freiheitsstrafen allein in Monatsschritten zu verhängen. § 39 StGB sieht nämlich eine Bemessung der Freiheitsstrafe unter einem Jahr nach vollen Wochen und Monaten vor, weshalb in der Rechtspraxis auch Stufungen in Wochen vorgekommen und für zulässig erachtet worden sind (vgl. BayObLG, Urteil vom 10. Juni 1976 - RReg 2 St 73/76 - NJW 1976, 1951 f.; KG Berlin, Beschluss vom 15. November 2005 - (3) 1 Ss 398/05 - juris Rn. 3).
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Selbst wenn man unter Zurückstellung dieser Bedenken dem Ansatz des Berufungsgerichts folgt, greift seine Argumentation nicht durch. Aus seiner Feststellung zum praktischen Anwendungsbereich des § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG im Hinblick auf (Einzel-)Freiheitsstrafen folgt nicht, dass etwa aus teleologischen Gründen eine Auslegung geboten ist, welche eine Überschreitung des Bezugsrahmens um ein Drittel (also um einen Monat Freiheitsstrafe) noch als geringfügig im Sinne von § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG ansieht. Soweit aus der genannten Feststellung zu schließen ist, dass der Anwendungsbereich der Vorschrift bei (Einzel-)Freiheitsstrafen numerisch deutlich kleiner ist als bei Geldstrafen, steht dies mit dem Sinn und Zweck der Vorschrift gerade in Einklang.
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Denn die Freiheitsstrafe ist, auch wenn ihre Vollstreckung zur Bewährung ausgesetzt wird, gegenüber der Geldstrafe kein geringeres Übel (BGH, Urteil vom 17. Januar 1989 - 1 StR 730/88 - JR 1989, 425 f.), sondern regelmäßig die schwerere Strafe (vgl. BGH, Beschluss vom 8. Oktober 1997 - 2 StR 464/97 - wistra 1998, 58; Häger, in: Leipziger Kommentar zum StGB, 12. Aufl. 2007, Vor § 38 Rn. 39 m.w.N.). Sie darf gerade bei kurzen Freiheitsstrafen nur unter besonderen Voraussetzungen angeordnet werden. Diese Wertung kommt insbesondere in § 47 Abs. 1 StGB zum Ausdruck, wonach das Gericht eine Freiheitsstrafe unter sechs Monaten nur verhängen darf, wenn besondere Umstände, die in der Tat oder der Persönlichkeit des Täters liegen, die Verhängung einer Freiheitsstrafe zur Einwirkung auf den Täter oder zur Verteidigung der Rechtsordnung unerlässlich machen. Der zurückhaltende Gebrauch von der Freiheitsstrafe, die grundsätzlich nur als ultima ratio verhängt werden soll, ergibt sich im Verhältnis zur Geldstrafe als Folge des Grundsatzes, das zugefügte Übel möglichst gering zu halten (Theune, in: Leipziger Kommentar zum StGB, § 47 Rn. 2). Wenn aber die Freiheitsstrafe im Verhältnis zur Geldstrafe regelmäßig die schwerere Strafe ist, darf sie wegen der oben erörterten Zwecksetzung des § 12a Abs. 1 StAG im Hinblick auf die Überschreitung der Geringfügigkeitsgrenze nach Satz 3 nicht großzügiger behandelt werden als die Geldstrafe. Vielmehr ist die Ein-Drittel-Grenze für (Einzel-)Freiheitsstrafen - auch wenn es insoweit rechtstatsächlich nur wenige praktische Anwendungsfälle geben mag - erst recht anzuwenden.
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Diesem Ergebnis lässt sich - anders als das Berufungsgericht meint - nicht entgegenhalten, dass im Falle der Zusammenrechnung von Straftaten nach der Umrechnungsvorschrift des § 12a Abs. 1 Satz 2 Halbs. 2 StAG einem Tagessatz Geldstrafe ein Tag Freiheitsstrafe entspricht. Diese Regel findet ihre Vorbilder in den Umrechnungsregelungen des Strafgesetzbuchs (vgl. etwa § 54 Abs. 3, § 51 Abs. 4 Satz 1, § 47 Abs. 2 Satz 2 Halbs. 2, § 43 Satz 2 StGB). Dieser Umrechnungsfaktor liegt auch der Regelung des § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 und Nr. 3 StAG zugrunde, weil die Bagatellgrenzen für Freiheits- und Geldstrafen im Verhältnis zueinander dem Umrechnungsmaßstab entsprechen (90 Tagessätze = 3 Monate Freiheitsstrafe). Aus diesem systematischen Zusammenhang lässt sich zwar folgern, dass eine abstrakte Festlegung, wann eine Überschreitung bei Freiheitsstrafen einerseits und bei Geldstrafen andererseits noch geringfügig ist, der Umrechnungsregel entsprechen sollte. Dem wird jedoch gerade auch dadurch Rechnung getragen, dass eine Überschreitung des jeweiligen Rahmens um ein Drittel entsprechend dieser Regel sowohl für die Geldstrafe als auch für die Freiheitsstrafe als nicht mehr geringfügig anzusehen ist.
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Diese Begrenzung führt schließlich auch nicht zu vom Gesetz nicht gewollten Härtefällen. In zeitlicher Hinsicht ist zu berücksichtigen, dass einem Einbürgerungsbewerber die im Bundeszentralregister erfassten Straftaten nur solange entgegengehalten werden dürfen, wie die Tilgungsfristen noch laufen und das Verwertungsverbot des § 51 BZRG nicht eingreift (vgl. Urteil vom 20. März 2012 - BVerwG 5 C 1.11 - UA S. 37 ff., zur Veröffentlichung vorgesehen). Überdies können im Rahmen einer Entscheidung über die Ermessenseinbürgerung (§ 8 Abs. 1 StAG) - auch wenn Verurteilungen vorliegen, die den Rahmen mehr als geringfügig übersteigen - etwaige Besonderheiten des Einzelfalles nach § 8 Abs. 2 StAG (im Falle eines "öffentlichen Interesses" an der Einbürgerung oder "zur Vermeidung einer besonderen Härte") berücksichtigt werden.
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d) Gemessen an den vorstehenden Grundsätzen hatte die Beklagte hier keine Ermessensentscheidung nach § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG zu treffen, weil die Tatbestandsvoraussetzung des geringfügigen Übersteigens im Fall des Klägers wegen seiner Verurteilung zu einer Geldstrafe von 120 Tagessätzen nicht erfüllt ist.
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2. Gegenstand des Revisionsverfahrens ist weiterhin die Prüfung der Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG (a). Der Senat kann jedoch hierüber auf der Grundlage der vom Berufungsgericht getroffenen Tatsachenfeststellungen nicht selbst abschließend entscheiden (b).
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a) Ein Einbürgerungsbegehren ist grundsätzlich hinsichtlich aller in Betracht kommender Einbürgerungsgrundlagen zu prüfen (Urteile vom 17. März 2004 - BVerwG 1 C 5.03 - NVwZ 2004, 997; vom 20. April 2004 - BVerwG 1 C 16.03 - BVerwGE 120, 305 <308> und vom 20. Oktober 2005 - BVerwG 5 C 8.05 - BVerwGE 124, 268 <276>). Etwas anderes kann zwar ausnahmsweise gelten, wenn der Einbürgerungsbewerber seinen Antrag auf die Prüfung der Anspruchsnorm des § 10 StAG begrenzt. Für eine solche Begrenzung des Begehrens, die eine Prüfung der Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG ausnimmt, bedürfte es jedoch eindeutiger Hinweise (vgl. Urteil vom 20. März 2012 - BVerwG 5 C 1.11 - UA S. 13 f., zur Veröffentlichung vorgesehen). Daran fehlt es hier. Der Kläger hat seinen Antrag, wovon - wie in der mündlichen Verhandlung erörtert - auch die Beteiligten übereinstimmend ausgehen, weder im behördlichen noch im gerichtlichen Verfahren in dieser Weise beschränkt.
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b) Ob eine Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG in Betracht kommt, lässt sich mangels genügender Tatsachenfeststellungen nicht abschließend beurteilen.
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Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Voraussetzungen einer Ermessenseinbürgerung nach § 8 Abs. 1 StAG insofern nicht vorliegen, als der Kläger die Einbürgerungsvoraussetzung der Straffreiheit nach § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG i.V.m. § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 StAG nicht erfüllt. Daran ändert sich auch dadurch nichts, dass - wie das Berufungsgericht (UA S. 7) ebenfalls zutreffend ausführt - die Regelung des § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG in ihrer seit August 2007 geltenden Fassung ausweislich ihres klaren Wortlauts nicht mehr nur bei der Anspruchseinbürgerung nach § 10 Abs. 1 StAG, sondern auch bei der Ermesseneinbürgerung nach § 8 Abs. 1 StAG Anwendung findet (so zutreffend OVG Saarlouis, Beschluss vom 10. Juni 2010 - 1 A 88/10 - juris Rn. 6 ff.; Marx, in: GK-StAR, Stand: Oktober 2009, § 8 Rn. 93; Berlit, in: GK-StAR, Stand: November 2010, § 12a Rn. 13.3). Denn die Verurteilung des Klägers zu 120 Tagessätzen Geldstrafe ist - wie bereits dargelegt - nicht nach § 12a Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StAG unbeachtlich.
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Das Berufungsgericht hat hingegen nicht geprüft, ob die Beklagte verpflichtet war, eine Ermessensentscheidung nach § 8 Abs. 2 StAG zu treffen. Nach dieser Vorschrift kann im Einzelfall aus Gründen des öffentlichen Interesses oder zur Vermeidung einer besonderen Härte von der Voraussetzung der Straffreiheit in § 8 Abs. 1 Nr. 2 StAG abgesehen werden. § 8 Abs. 2 StAG ist auch dann noch anwendbar, wenn - wie hier - die Grenze der Bagatellstraftaten mehr als geringfügig im Sinne von § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG überschritten worden ist (vgl. OVG Saarlouis, Beschluss vom 10. Juni 2010 a.a.O. Rn. 10 ff.; Berlit, InfAuslR 2007, 457 <465>).
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Zwar lässt sich auf der Grundlage der vom Oberverwaltungsgericht getroffenen Feststellungen eine "besondere Härte" im Sinne von § 8 Abs. 2 StAG nicht annehmen. Denn eine solche Härte muss durch atypische Umstände des Einzelfalles bedingt sein und gerade durch die Verweigerung der Einbürgerung hervorgerufen werden und deshalb durch eine Einbürgerung vermieden oder zumindest entscheidend abgemildert werden können (so zutreffend etwa OVG Saarlouis, Urteil vom 12. Oktober 2011 - 1 A 246/11 - juris Rn. 79; OVG Berlin-Brandenburg, Beschluss vom 11. Juni 2009 - 5 M 30.08 - juris Rn. 2 m.w.N.). Für solche Umstände, deren Vorbringen der Mitwirkungsobliegenheit des Einbürgerungsbewerbers unterfällt, gibt es nach den bisherigen Feststellungen keinen Anhalt.
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Der Senat kann aber jedenfalls deshalb nicht abschließend in der Sache entscheiden, weil es an der nötigen Tatsachengrundlage für die Beurteilung fehlt, ob ein öffentliches Interesse im Sinne von § 8 Abs. 2 StAG besteht. Das Berufungsgericht (UA S. 4) hat lediglich auf den Vortrag des Klägers im Verwaltungsverfahren Bezug genommen, dass sein journalistischer Arbeitsplatz bei der D. den Nahen Osten betreffe und er eine repräsentative Funktion für das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland im Ausland erfülle. Es hat jedoch keine Feststellungen dazu getroffen, ob und inwieweit dieser Vortrag zutrifft, und es hat nicht geprüft, wie diese und gegebenenfalls weitere bedeutsame Umstände im Hinblick auf das Vorliegen eines öffentlichen Interesses im Sinne von § 8 Abs. 2 StAG zu bewerten sind. Dies führt zur Zurückverweisung der Sache (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
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Sollte das Berufungsgericht im Anschluss an die nachzuholende Prüfung zu der Einschätzung gelangen, dass der Kläger die Tatbestandsvoraussetzung des § 8 Abs. 2 StAG erfüllt und dementsprechend eine Ermessensentscheidung nach dieser Vorschrift zu treffen war, wird es im Rahmen der Kontrolle dieser Entscheidung zum einen zu berücksichtigen haben, dass die Beklagte im Zeitpunkt der Stellung des Einbürgerungsantrags im Dezember 2007 wie auch ihrer Entscheidung hierüber (am 16. Juni 2008) für die Ermessenseinbürgerung nach § 8 StAG noch nicht zuständig war (vgl. § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Zuständigkeit in Staatsangehörigkeitsangelegenheiten vom 5. Oktober 2004 - GVBl I S. 612), sondern diese Zuständigkeit erst ab 1. Juli 2008 erlangt hat (vgl. § 1 Abs. 1 der Verordnung über die Zuständigkeit in Staatsangehörigkeitsangelegenheiten vom 3. Juni 2008 - GVBl NRW I S. 468). Insoweit weist der Senat darauf hin, dass es § 114 Satz 2 VwGO in Fällen, in denen es für die Prüfung der Rechtmäßigkeit auf die Sach- und Rechtslage im Zeitpunkt der gerichtlichen Entscheidung ankommt, nicht ausschließt, dass die Behörde eine Ermessensentscheidung erstmals im gerichtlichen Verfahren trifft und zur gerichtlichen Überprüfung stellt, wenn sich aufgrund neuer Umstände die Notwendigkeit einer Ermessensausübung erst nach Klageerhebung ergibt (Urteil vom 13. Dezember 2011 - BVerwG 1 C 14.10 - juris Rn. 8). Zum anderen wird das Berufungsgericht - worauf es im Zusammenhang mit § 12a Abs. 1 Satz 3 StAG bereits eingegangen ist (UA S. 15) - im Fall einer etwaigen Kontrolle der Ermessensentscheidung nach § 8 Abs. 2 StAG zu berücksichtigen haben, dass die Behörde auch im Rahmen dieser Entscheidung als gewichtigen Gesichtspunkt zu Lasten des Klägers in Ansatz bringen darf, dass er die Strafverurteilung in seinem Einbürgerungsantrag verschwiegen hat.
Tatbestand
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Die Klägerin ist kurdische Volkszugehörige yezidischen Glaubens. Sie wurde nach eigenen Angaben am 17. Juli 1988 in der Türkei geboren. Als siebenjähriges Kind reiste sie gemeinsam mit ihren Eltern und Schwestern ohne Ausweispapiere in die Bundesrepublik Deutschland ein. Mit Bescheid vom 31. Mai 1999 wurde sie als Asylberechtigte anerkannt. Dem lag eine Entscheidung des Verwaltungsgerichts Lüneburg zu Grunde, nach der die Familie auf Grund ihres yezidischen Glaubens in der Türkei einer mittelbaren staatlichen Gruppenverfolgung ausgesetzt war.
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Die Klägerin ist Inhaberin eines Reiseausweises für Flüchtlinge. In ihrem im Juli 2004 ausgestellten Ausweis war vermerkt: "Identität nicht nachgewiesen". In dem Ausweis vom Oktober 2008 heißt es: "Die eingetragenen Personalien beruhen auf eigenen Angaben des Ausländers". Nach einer Mitteilung des türkischen Generalkonsulats vom 6. Juli 1995 sind die Klägerin und ihre Familie nicht in der Türkei registriert.
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Seit Juni 1999 besitzt die Klägerin eine unbefristete Aufenthaltserlaubnis, die seit Januar 2005 als Niederlassungserlaubnis fortgilt. Sie ist nicht vorbestraft, hat in Deutschland das Abitur abgelegt und erhält als Studentin für sich und ihren Sohn Leistungen nach dem Bundesausbildungsförderungsgesetz.
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Im September 2004 beantragte die Klägerin ihre Einbürgerung. Dabei legte sie das Bekenntnis zur freiheitlich demokratischen Grundordnung und die sogenannte Loyalitätserklärung ab. Auf Anfrage der Einbürgerungsbehörde erklärte sie, dass sie nicht in der Lage sei, ihre Identität nachzuweisen. Auf die Aufforderung des Beklagten, sich gegebenenfalls unter Einschaltung einer Mittelsperson um (amtliche) Dokumente zu bemühen, die Aufschluss über ihre Identität geben könnten, reagierte die Klägerin nicht. Die Beklagte lehnte die Einbürgerung der Klägerin mit Bescheid vom 22. Januar 2007 in erster Linie wegen der ungeklärten Identität ab. Die Klägerin habe trotz Hinweises auf ihre gesetzliche Mitwirkungs- und Nachweispflicht innerhalb der gesetzten Frist keine Identitätsnachweise vorgelegt. Ihr nicht näher begründeter Widerspruch blieb erfolglos.
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Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 6. Mai 2009 abgewiesen. Während des Berufungsverfahrens zog die Klägerin aus dem Bereich der Beklagten fort. Die Beklagte führte mit Zustimmung des nunmehr zuständigen Landkreises und der Klägerin das Verfahren fort. Das Oberverwaltungsgericht hat die Beklagte verpflichtet, die Klägerin in den deutschen Staatsverband einzubürgern. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Klägerin habe einen Anspruch auf Einbürgerung nach § 10 Abs. 1 StAG 2005. Sie erfülle alle ausdrücklich normierten Tatbestandsvoraussetzungen. Die Einbürgerung dürfe nicht wegen der ungeklärten Identität der Klägerin versagt werden. Der Wortlaut des § 10 Abs. 1 StAG 2005 fordere anders als § 5 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG keine Identitätsklärung als Regelvoraussetzung. Nach der Systematik des Gesetzes werde die Identität im ausländerrechtlichen Verfahren geklärt, während das Staatsangehörigkeitsrecht keine erneute Prüfung vorsehe. Das Staatsangehörigkeitsgesetz knüpfe an die von der Ausländerbehörde erteilten Aufenthaltstitel und Ausweispapiere an. In der Regel werde dadurch die Identität des Ausländers hinreichend bestimmt. Soweit dies nach § 5 Abs. 3 Satz 1 AufenthG ausnahmsweise nicht der Fall sei, habe der Gesetzgeber im aufenthaltsrechtlichen Verfahren bewusst darauf verzichtet und im Ausweiserteilungsverfahren nach Art. 28 GFK eine abgestufte Identitätsermittlungspflicht vorgesehen. Da ein Reiseausweis nach Art. 28 GFK erst ausgestellt werden dürfe, wenn die Identität des Ausländers hinreichend geklärt sei oder mit zumutbaren Mitteln nicht weiter aufgeklärt werden könne, sei eine erneute Überprüfung der Identität durch die Staatsangehörigkeitsbehörde nicht vorgesehen. Schließlich folge aus der Entstehungsgeschichte des § 10 StAG, dass die Einbürgerungsvoraussetzungen abschließend festgelegt worden seien. Für ein ungeschriebenes Tatbestandsmerkmal der geklärten Identität bestehe daher kein Raum. Im Übrigen spreche viel dafür, dass die Identität der Klägerin ausreichend geklärt und weitere Bemühungen um die Beschaffung von Dokumenten aussichtslos seien.
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Die Beklagte macht mit ihrer Revision geltend, die Prüfung der Identität sei nach der gesetzlichen Systematik nicht allein den Ausländerbehörden vorbehalten. Sinn und Zweck des gesamten Staatsangehörigkeitsrechts und des § 10 StAG 2005 erforderten eine Auslegung der Vorschrift, bei der zumindest in Zweifelsfällen - wenn durch die Ausländerbehörde etwa aus humanitären Gründen auf eine zweifelsfreie Identifizierung verzichtet worden sei - auch die Einbürgerungsbehörde eine Identitätsklärung vornehmen dürfe und müsse. Nur so könne sichergestellt werden, dass nicht Personen, die über ihre Identität gegenüber der Ausländerbehörde getäuscht hätten, deutsche Staatsangehörige würden. Soweit das Oberverwaltungsgericht die Identität der Klägerin als weitgehend geklärt angesehen habe, handele es sich nicht um eine selbstständig tragende Urteilsbegründung. Tatsächlich bestünden konkrete Verdachtsmomente für eine Identitätsfälschung, weil der Vater der Klägerin im Rahmen des Asylverfahrens ge- bzw. verfälschte Nüfen vorgelegt habe, seine Angaben mit denen des angeblichen Onkels der Klägerin in dessen Asylverfahren nicht übereinstimmten und die Familie nach Mitteilung des türkischen Generalkonsulats Hannover vom 6. Juli 1995 nicht in der Türkei registriert worden sei. Die Yeziden siedelten nicht nur im Südosten der Türkei, sondern auch im Nordosten Syriens und im Norden des Irak.
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Die Klägerin verteidigt das angegriffene Urteil.
Entscheidungsgründe
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Die Revision der Beklagten hat Erfolg. Die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, dass im Einbürgerungsverfahren nach § 10 Abs. 1 StAG keine Identitätsprüfung durchzuführen ist, verletzt Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO). Der Senat kann mangels ausreichender Feststellungen des Berufungsgerichts nicht abschließend entscheiden, ob die Klägerin einen Anspruch auf Einbürgerung hat. Die Sache ist deshalb an das Berufungsgericht zurückzuverweisen (§ 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO).
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1. Für die Beurteilung des Falles ist, weil die Klägerin ihren Einbürgerungsantrag bereits im September 2004 gestellt hat, die Übergangsregelung des § 40c StAG anzuwenden mit der Folge, dass § 10 Abs. 1 des Staatsangehörigkeitsgesetzes in der Fassung des Art. 5 des Zuwanderungsgesetzes vom 30. Juli 2004 (BGBl I S. 1950, im Folgenden: StAG 2005) maßgeblich ist. Nach dieser Vorschrift ist ein Ausländer, der seit acht Jahren seinen rechtmäßigen Aufenthalt im Inland hat, auf Antrag einzubürgern, wenn er sich erstens zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung bekennt und eine sogenannte Loyalitätserklärung abgibt, zweitens im Besitz einer Niederlassungserlaubnis oder eines vergleichbaren langfristigen Aufenthaltstitels ist, drittens seinen Lebensunterhalt ohne Inanspruchnahme von Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII bestreiten kann, viertens seine bisherige Staatsangehörigkeit aufgibt oder verliert und fünftens nicht wegen einer Straftat verurteilt worden ist.
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Im vorliegenden Fall steht außer Streit, dass die Klägerin seit mehr als acht Jahren rechtmäßig im Bundesgebiet lebt, ihre unbefristete Aufenthaltserlaubnis als Niederlassungserlaubnis fortgilt (§ 101 Abs. 1 Satz 2 AufenthG), sie die erforderlichen Bekenntnisse zur freiheitlichen demokratischen Grundordnung abgegeben hat und keine einbürgerungsschädlichen Sozialleistungen bezieht. Soweit sie für sich und ihren Sohn BAföG-Leistungen erhält, handelt es sich bereits nach dem Wortlaut des § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StAG 2005 nicht um Leistungen nach dem SGB II oder SGB XII. Unstreitig ist mittlerweile auch, dass die Klägerin ihre frühere Staatsangehörigkeit nach § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StAG (= § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 Halbs. 1 StAG 2005) nicht aufgeben muss, weil sie als Asylberechtigte einen Reiseausweis nach der Genfer Flüchtlingskonvention besitzt. Konkrete Anhaltspunkte für eine strafrechtliche Verurteilung oder für Ausschlussgründe nach § 11 StAG haben sich bei einer Überprüfung anhand der angegebenen Personalien der Klägerin ebenfalls nicht ergeben.
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2. Zwingende Voraussetzung einer Anspruchseinbürgerung nach § 10 StAG 2005 ist zudem, dass die Identität des Einbürgerungsbewerbers geklärt ist und feststeht. Zwar hat dieses Erfordernis im Wortlaut des § 10 Abs. 1 StAG 2005 keine ausdrückliche Erwähnung gefunden. Die Klärung offener Identitätsfragen ist jedoch notwendige Voraussetzung und unverzichtbarer Bestandteil der Prüfung der in §§ 10 und 11 StAG 2005 genannten Einbürgerungsvoraussetzungen und Ausschlussgründe.
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Die Angaben zur Person bilden gleichsam die Basis für alle weiteren Ermittlungen. Auf der Grundlage der angegebenen Personalien (wie Titel, Vorname, Nachname, Geburtsname, Geburtsdatum, Geburtsort, Familienstand) werden alle weiteren Anfragen bei in- und ausländischen Behörden durchgeführt. Nur wenn Gewissheit besteht, dass ein Einbürgerungsbewerber die Person ist, für die er sich ausgibt, kann nach Durchführung der erforderlichen Ermittlungen mit hinreichender Sicherheit beurteilt werden, ob und welche ausländische Staatsangehörigkeit der Einbürgerungsbewerber besitzt, ob er im In- oder Ausland wegen einer Straftat verurteilt worden ist, ob tatsächliche Anhaltspunkte für eine Verfolgung oder Unterstützung verfassungsfeindlicher Bestrebungen bestehen oder ob ein Ausweisungsgrund vorliegt. Die Identitätsprüfung stellt daher nicht nur einen unverzichtbaren Teil der in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 StAG vorgesehenen Statusprüfung dar (vgl. OVG Münster, Beschluss vom 5. März 2009 - 19 A 1657/06 - NVwZ-RR 2009, 661). Sie bildet auch eine notwendige Voraussetzung der in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 5 und § 11 StAG vorgesehenen Sicherheitsüberprüfung. In diesem Sinne wird die Identitätsprüfung im Gesetz unausgesprochen vorausgesetzt (VGH Mannheim, Urteil vom 17. März 2009 - 13 S 3209/08 - UA S. 20).
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Die Erforderlichkeit einer Identitätsprüfung erschließt sich auch aus dem Sinn und Zweck einer Verleihung der Staatsangehörigkeit durch rechtsgestaltenden Verwaltungsakt. Mit der am Ende des individuellen Einbürgerungsverfahrens stehenden Aushändigung der Einbürgerungsurkunde nach § 16 Satz 1 StAG wird einer bestimmten Person mit einer in der Urkunde festgehaltenen Identität eine neue Staatsangehörigkeit verliehen. Damit werden einerseits Identitätsmerkmale wie Name, Vorname und Geburtsdatum deklaratorisch beurkundet und andererseits wird die Staatsangehörigkeit konstitutiv geändert. Schon das öffentliche Interesse daran, dass die Einbürgerungsurkunde auch im Hinblick auf die beurkundeten Personalien richtig ist, macht eine Überprüfung der diesbezüglichen Identitätsangaben erforderlich. Eine Überprüfung der Frage, unter welchen Personalien ein Einbürgerungsbewerber im Ausland registriert ist, ist aber auch deswegen zwingend geboten, weil die Einbürgerung nicht dazu dient, einer Person eine vollkommen neue Identität oder eine zusätzliche Alias-Identität zu verschaffen. Es besteht ein erhebliches staatliches Interesse daran zu verhindern, dass ein und dieselbe Person im Rechtsverkehr mit mehreren unterschiedlichen Identitäten und amtlichen Ausweispapieren auftreten kann.
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Einer Klärung der Identität im Einbürgerungsverfahren steht nicht entgegen, dass diese bereits regelmäßig gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG im aufenthaltsrechtlichen Erlaubnisverfahren zu prüfen ist. § 5 Abs. 1 Nr. 1a AufenthG gilt allein für die Erteilung eines Aufenthaltstitels, nicht für die Einbürgerung. Dieser Vorschrift ist auch keine Zuständigkeitsverteilung zwischen Ausländer- und Einbürgerungsbehörde zu entnehmen. Identitätsfeststellungen der Ausländerbehörde haben auch keine Bindungswirkung für das nachfolgende Einbürgerungsverfahren. Erst recht hindert ein nach § 5 Abs. 3 AufenthG zulässiges Absehen von der Feststellung der Identität die Einbürgerungsbehörde nicht, eine solche Prüfung im staatsangehörigkeitsrechtlichen Verfahren durchzuführen.
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Eine Identitätsprüfung ist schließlich nicht deswegen generell ausgeschlossen, weil für die Klägerin als anerkannter Flüchtling nach Art. 34 Satz 1 GFK ein besonderes Wohlwollensgebot gilt. Nach dieser Vorschrift hat die Bundesrepublik Deutschland als vertragsschließender Staat so weit wie möglich die Eingliederung und Einbürgerung anerkannter Flüchtlinge zu erleichtern. Die Bestimmung wirkt zwar insbesondere auf die Betätigung des Einbürgerungsermessens ein (grundlegend Urteil vom 1. Juli 1975 - BVerwG 1 C 44.70 - BVerwGE 49, 44 <48>), setzt jedoch zwingende nationale Einbürgerungsvoraussetzungen für Flüchtlinge nicht außer Kraft und ermächtigt auch nicht die Einbürgerungsbehörden, sich im Einzelfall über sie hinwegzusetzen (vgl. Urteile vom 27. September 1988 - BVerwG 1 C 3.85 - Buchholz 130 § 9 RuStAG Nr. 10 und vom 10. Juli 1984 - BVerwG 1 C 30.81 - Buchholz 130 § 8 RuStAG Nr. 24 S. 37).
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Da die Prüfung der Identität notwendige Voraussetzung und unverzichtbarer Bestandteil der in § 10 Abs. 1 Satz 1 Nr. 4 und 5 und § 11 StAG zwingend vorgeschriebenen Status- und Sicherheitsprüfungen ist, kann sie auch bei anerkannten Flüchtlingen nicht entfallen. Zwar hat der Gesetzgeber die Einbürgerung von Flüchtlingen dadurch erleichtert, dass er in § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 StAG (= § 12 Abs. 1 Satz 2 Nr. 6 Halbs. 1 StAG 2005) auf die Aufgabe der fremden Staatsangehörigkeit verzichtet hat. Er hat damit den vielfach bestehenden Schwierigkeiten anerkannter Flüchtlinge, eine Entlassung aus dem Staatsverband ihres Herkunftsstaates zu erreichen, Rechnung getragen. Dies lässt jedoch die Notwendigkeit der Identitätsprüfung im Einbürgerungsverfahren nicht entfallen. Die völlig ungeprüfte Übernahme der Identitätsangaben von Flüchtlingen würde - wie das Bundesverwaltungsgericht bereits zur Erteilung eines Reiseausweises nach Art. 28 Abs. 1 GFK ausgeführt hat - erhebliche Missbrauchsgefahren nach sich ziehen (vgl. Urteil vom 17. März 2004 - BVerwG 1 C 1.03 - BVerwGE 120, 206 <213>). Daher kann den bei anerkannten Flüchtlingen typischerweise bestehenden Beweisschwierigkeiten in Bezug auf ihre Identität nur durch Erleichterungen bei der Beweisführung und durch deren Berücksichtigung bei der Mitwirkungspflicht, nicht aber durch einen generellen Verzicht auf die Identitätsprüfung Rechnung getragen werden.
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Dem grundsätzlichen Erfordernis einer Identitätsprüfung kann auch nicht entgegengehalten werden, dass im Falle des gesetzlichen Staatsangehörigkeitserwerbs durch Geburt gemäß § 4 Abs. 3 StAG keine Identitätsfeststellung vorgesehen ist und dass auch Kinder von Flüchtlingen mit ungeklärter Identität nach dieser Vorschrift kraft Gesetzes in den deutschen Staatsverband aufgenommen werden. Unabhängig davon, dass diese Rechtsfrage bislang nicht höchstrichterlich geklärt ist, könnte eine insoweit bestehende Ungleichbehandlung ohne Weiteres damit gerechtfertigt werden, dass die staatlichen Sicherheitsinteressen bei der Einbürgerung im Inland geborener Kinder ein geringeres Gewicht haben als bei der Einbürgerung von Erwachsenen und ihren im Ausland geborenen Kindern, die im Ausland regelmäßig mit bestimmter Identität registriert sind und eine für die Einbürgerung relevante Vorgeschichte haben könnten.
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3. Die Identität der Klägerin ist auch nicht in einem vorangegangenen Verfahren verbindlich festgestellt worden.
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Der vom Bundesamt für die Anerkennung ausländischer Flüchtlinge im Asylverfahren ausgestellte Bescheid vom 31. Mai 1999 entfaltet nach § 4 Satz 1 AsylVfG nur insoweit Bindungswirkung, als alle staatlichen Instanzen von der Asylberechtigung der Klägerin ausgehen müssen. Auch aus dem Urteil des Verwaltungsgerichts Lüneburg vom 21. April 1999 - 5 A 572/95 - im Asylrechtsstreit der Klägerin ergibt sich keine weitergehende Bindungswirkung. Die Rechtskraft dieser Entscheidung begründet eine verbindliche Feststellung nach § 121 VwGO nur im Verhältnis der damaligen Prozessbeteiligten, zu denen die beklagte Stadt nicht gehört (vgl. Urteil vom 17. Dezember 2002 - BVerwG 1 C 3.02 - BVerwGE 117, 276 <281>).
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Die von der Ausländerbehörde im Juni 1999 ausgestellte unbefristete Aufenthaltserlaubnis entfaltet nur insoweit Tatbestandswirkung, als darin die Rechtmäßigkeit des dauerhaften Aufenthalts der Klägerin begründet wird. Darin erschöpft sich der für die Tatbestandswirkung maßgebliche Regelungsgehalt des Verwaltungsakts im Sinne des § 35 Satz 1 VwVfG (vgl. zur Tatbestandswirkung allgemein Urteile vom 30. Januar 2003 - BVerwG 4 CN 14.01 - BVerwGE 117, 351 <354 f.> und vom 4. Juli 1986 - BVerwG 4 C 31.84 - BVerwGE 74, 315 <320>). Hingegen nimmt die Richtigkeit der in den Bescheiden festgehaltenen Personalien als bloße Vorfrage nicht an der Tatbestandswirkung teil.
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Ebenso wenig besitzt der im Oktober 2008 ausgestellte Reiseausweis für Flüchtlinge nach Art. 28 Abs. 1 GFK eine Bindungswirkung hinsichtlich der angegebenen Personalien. Zwar hat ein solcher Reiseausweis neben der Funktion, Konventionsflüchtlingen Reisen außerhalb des Aufnahmestaates zu ermöglichen, grundsätzlich auch die Funktion, die Identität des Ausweisinhabers zu bescheinigen. Er kann ebenso wie ein anderer Reisepass den (widerlegbaren) Nachweis erbringen, dass sein Inhaber die in ihm beschriebene und abgebildete Person ist (vgl. Urteil vom 17. März 2004 a.a.O. S. 212). Ist die Identität eines Flüchtlings jedoch ungeklärt und nicht weiter aufklärbar, kann diese Funktion als Legitimationspapier durch den Vermerk, dass die angegebenen Personalien auf eigenen Angaben beruhen, aufgehoben werden (Urteil vom 17. März 2004 a.a.O. S. 216 f.). Durch den entsprechenden Vermerk im Ausweis der Klägerin vom Oktober 2008 hat die Ausstellungsbehörde jede Gewähr für die Richtigkeit der Identitätsangaben abgelehnt, so dass auch keine andere Behörde auf die Richtigkeit dieser Angaben im Sinne eines auch nur widerlegbaren Nachweises vertrauen kann. In gleicher Weise hatte die Ausstellungsbehörde in dem nicht mehr gültigen früheren Reiseausweis vom Juli 2004 durch den Zusatz "Identität nicht nachgewiesen" die Identifikationsfunktion des Ausweises beseitigt.
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4. Es kann nicht ausgeschlossen werden, dass das Oberverwaltungsgericht bei Durchführung der erforderlichen Identitätsprüfung zu einem anderen Ergebnis in der Sache gekommen wäre. Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts bestehen begründete Zweifel an der Identität einer Person, wenn geeignete Dokumente zum Nachweis der Identität fehlen oder wenn gefälschte Urkunden vorgelegt werden (Urteil vom 17. März 2004 a.a.O. S. 215). Im Hinblick auf ihren Prüfauftrag nach § 10 Abs. 1 Nr. 4 und 5 sowie § 11 StAG dürfen sich die Einbürgerungsbehörden grundsätzlich nicht mit den eigenen Angaben des Einbürgerungsbewerbers zu seiner Person begnügen, sondern sie müssen regelmäßig die Vorlage eines Ausweises oder anderer Identitätsnachweise des Einbürgerungsbewerbers verlangen. Dies folgt auch aus § 37 Abs. 1 StAG i.V.m. § 82 Abs. 1 Satz 1 AufenthG, in dem von der Beibringung von Nachweisen zu den persönlichen Verhältnissen des Betroffenen die Rede ist. Dies gilt unabhängig davon, dass im Einzelfall die typischerweise bestehende Beweisnot von Flüchtlingen eine Beweiserleichterung gebieten kann.
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Zwar hat das Berufungsgericht in seiner Entscheidung hilfsweise ausgeführt, dass vieles für die Richtigkeit der von der Klägerin angegebenen Personalien und für eine ausreichende Klärung der Identität der Klägerin spreche. Es hat aber nicht im Rahmen einer Beweiserhebung verbleibende Identitätszweifel ausgeräumt. So hat die Beklagte nicht nur geltend gemacht, dass die Klägerin keinerlei Dokumente zum Identitätsnachweis vorgelegt habe, was mit der Beweisnot von Flüchtlingen und Flüchtlingskindern erklärt werden könne. Sie hat jedenfalls im Revisionsverfahren auch vorgetragen, dass der Vater der Klägerin bei seiner Einreise gefälschte Nüfen vorgelegt habe, dass bei der Familie bei Einreise ein arabisches (nicht türkisches) Adressbuch gefunden worden sei und dass erhebliche Unstimmigkeiten zwischen den identitätsrelevanten Aussagen des Vaters der Klägerin in seinem Asylverfahren und ihres Onkels in dessen Asylverfahren bestünden. Mit diesen Einwänden befasst sich das Berufungsurteil nicht.
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Auch bedarf es der Überprüfung, ob die Auskunft des türkischen Generalkonsulats vom 6. Juli 1995, dass die Familie der Klägerin nicht unter den angegebenen Personalien in der Türkei registriert sei, mit dem Hinweis auf die allgemein bestehenden Unzulänglichkeiten des türkischen Melderegisters ausgeräumt werden kann. Denn auch wenn das türkische Melderegister fehleranfällig geführt wird, erklärt dies nicht ohne Weiteres, dass gar kein Mitglied einer mehrköpfigen Familie unter den angegebenen Personalien erfasst ist. Das Oberverwaltungsgericht hat sich auch nicht dahingehend festgelegt, dass die Mitteilung des türkischen Generalkonsulats selbst als staatliche Verfolgungsmaßnahme türkischer Behörden gegenüber der yezidischen Minderheit zu werten sei. Ebenso wenig ist festgestellt worden, dass die türkischen Meldebehörden in der Heimatregion der Klägerin an der mittelbaren Gruppenverfolgung der Yeziden in der Form mitgewirkt hätten, dass sie sich generell nicht nur bei der Geburt der Klägerin, sondern auch schon bei der Geburt der Eltern der Klägerin geweigert hätten, Yeziden ins Melderegister einzutragen. Da somit Zweifel an der Identität der Klägerin nicht ausgeräumt sind, ist der Rechtsstreit nach § 144 Abs. 3 Satz 1 Nr. 2 VwGO zur Nachholung tatrichterlicher Feststellungen an das Oberverwaltungsgericht zurückzuverweisen.
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5. Für das weitere Verfahren wird darauf hingewiesen, dass das Berufungsgericht wegen der nicht ausgeräumten Zweifel an der Identität der Klägerin weitere Nachforschungen anzustellen hat (§ 86 Abs. 1 VwGO). Dem steht nicht entgegen, dass die Klägerin nach § 37 Abs. 1 StAG, § 82 Abs. 1 AufenthG an der Klärung ihrer Identität auch im Gerichtsverfahren mitzuwirken hat. Verweigert ein Einbürgerungsbewerber die ihm im Einzelfall zumutbare Mitwirkung, kann dies im Rahmen der Beweiswürdigung nach § 108 Abs. 1 VwGO berücksichtigt werden. Der Einbürgerungsbewerber trägt dann auch das Risiko, im Falle der Unaufklärbarkeit seiner wahren Identität zur vollen Überzeugung des Gerichts daran zu scheitern, dass ihm die materielle Beweislast für die Erfüllung der Einbürgerungsvoraussetzungen obliegt.
(1) Ist zweifelhaft, welchen Familiennamen ein Deutscher im Sinne des Grundgesetzes, ein Staatenloser oder heimatloser Ausländer mit gewöhnlichem Aufenthalt im Inland oder ein Asylberechtigter oder ausländischer Flüchtling mit Wohnsitz im Inland zu führen berechtigt ist, kann die nach Landesrecht zuständige Behörde den zu führenden Namen auf Antrag eines Beteiligten oder von Amts wegen mit allgemein verbindlicher Wirkung feststellen. Die Vorschriften der §§ 2, 3 Absatz 2, der §§ 4 und 5 finden entsprechende Anwendung.
(2) Ist in einem auf Antrag eines Beteiligten eingeleiteten Verfahren die Entscheidung von der Beurteilung einer familienrechtlichen Vorfrage abhängig, so kann die nach Landesrecht zuständige Behörde das Verfahren auf Antrag oder von Amts wegen aussetzen und den Antragsteller zur Herbeiführung einer Entscheidung über diese Vorfrage auf den Rechtsweg verweisen.
(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.
(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.
(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.
(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.
(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.
(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.
Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:
- 1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen; - 2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a; - 3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird; - 4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden; - 5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären; - 6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden; - 7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen; - 8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht; - 9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung; - 10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist; - 11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.
In den Fällen des § 708 Nr. 4 bis 11 hat das Gericht auszusprechen, dass der Schuldner die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung oder Hinterlegung abwenden darf, wenn nicht der Gläubiger vor der Vollstreckung Sicherheit leistet. § 709 Satz 2 gilt entsprechend, für den Schuldner jedoch mit der Maßgabe, dass Sicherheit in einem bestimmten Verhältnis zur Höhe des auf Grund des Urteils vollstreckbaren Betrages zu leisten ist. Für den Gläubiger gilt § 710 entsprechend.
(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.
(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn
- 1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat, - 2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder - 3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.
(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.