Schleswig Holsteinisches Oberverwaltungsgericht Urteil, 21. Juli 2016 - 3 LB 15/15

ECLI:ECLI:DE:OVGSH:2016:0721.3LB15.15.0A
21.07.2016

Tenor

Das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts vom 7. Januar 2014 wird geändert.

Der Widerrufsbescheid vom 5. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Oktober 2012 wird aufgehoben.

Die Beklagte trägt die Kosten des Verfahrens beider Rechtzüge.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Der Beklagten wird nachgelassen, die Vollstreckung durch Sicherheitsleistung in Höhe der vollstreckbaren Kosten abzuwenden, wenn nicht der Kläger zuvor Sicherheit in gleicher Höhe geleistet hat.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

1

Mit seinem Berufungsverfahren wehrt sich der Kläger gegen den Widerruf seiner Betrauung als Prüfingenieur.

2

Der Kläger hat in A-Stadt ein Ingenieurbüro als selbständiger Prüfingenieur für die Beklagte in Schleswig-Holstein betrieben. Der Prüfingenieur-Vertrag wurde am 26. Juni 2012 gekündigt. Zuvor, nämlich mit Bescheid der Beklagten vom 22. Dezember 1994, war der Kläger mit Zustimmung des Ministeriums für ... des Landes Schleswig-Holstein vom 12. Dezember 1994 mit der Durchführung von amtlichen Fahrzeuguntersuchungen betraut worden. In der Zeit vom 31. Dezember 1996 bis 29. Januar 1997 war die Betrauung des Klägers wegen Beanstandungen ausgesetzt worden.

3

Seit dem Jahr 2008 wurden seitens der Beklagten bezüglich der Tätigkeit des Klägers zahlreiche verdeckte Tests durchgeführt, es fanden Mentorbegleitungen und Qualitätsgespräche statt.

4

Mit Beschluss des Amtsgerichtes A-Stadt vom 10. Februar 2012 wurde ein Strafverfahren gegen den Kläger wegen Falschbeurkundung im Amt gemäß § 348 StGB gegen Geldbuße gemäß § 153 a StPO eingestellt. Dem Kläger wurden weitere nicht vorschriftenkonforme Untersuchungen nach der StVZO vorgeworfen:

5

So hätte er am 15. Juni 2011 in der Werkstatt „Autodienst K.“ in G. anlässlich eines verdeckten Tests für das betreffende, zur Hauptuntersuchung angemeldete Fahrzeug, einen Prüfbericht gefertigt ohne den PKW eigenhändig zuvor vollständig geprüft zu haben. Am 13. November 2011 nahm der Kläger als Pflichtkandidat an einem Qualitätszirkel teil, am 30. November 2011 wurde mit ihm ein Qualitätsgespräch u.a. hinsichtlich des Ergebnisses bei dem Qualitätszirkel und des verdeckten Tests vom 15. Juni 2011 geführt.

6

Am 15. Dezember 2011 fand eine unangekündigte Nachkontrolle bezüglich der Prüftätigkeit des Klägers in der Werkstatt T. in G. statt. An einem Fahrzeug, dem vom Kläger eine positive Hauptuntersuchung beschieden worden war, wurden seitens der von der Beklagten beauftragten Prüfer Mängel festgestellt - insbesondere eine überlackierte Fahrgestellnummer - aufgrund derer die HU - Plakette aus Sicht der Prüfer nicht hätte erteilt werden dürfen.

7

Mit Schreiben vom 17. Januar 2012 teilte die Beklagte dem Kläger mit, dass ihm aufgrund des Ergebnisses des Qualitätsgespräches und der anschließenden unangekündigten Nachkontrolle vom 15. Dezember 2011 eine Abmahnung erteilt und im Wiederholungsfall die Prüftätigkeit ausgesetzt werde.

8

Das Ministerium für … des Landes Schleswig-Holstein widerrief in Anbetracht der erhobenen Vorwürfe mit Schreiben vom 3. April 2012 die Zustimmung zur Betrauung von Prüfingenieuren bezüglich des Klägers. Daraufhin widerrief die Beklagte mit Bescheid vom 5. April 2012 die Betrauung des Klägers unter Anordnung des Sofortvollzuges. Zur Begründung führte sie u. a. aus, dass das Ministerium für … als zuständige Aufsichts- bzw. Anerkennungsbehörde die wiederholten Pflichtverletzungen nunmehr zum Anlass genommen habe, die der GTÜ gegenüber erteilte Zustimmung zur Betrauung zurückzunehmen. Sie, die nunmehr beklagte GTÜ, sei damit gezwungen, den Widerruf der Betrauung vorzunehmen. Dazu komme, dass auch sie zu der Bewertung gelangt sei, dass Tatsachen vorlägen, die zu einer Versagung der Betrauung hätten führen müssen. Der Kläger besitze nicht die erforderliche Zuverlässigkeit. Es sei zu berücksichtigen, dass die Durchführung von Hauptuntersuchungen und Sicherheitsprüfungen dem Schutz wichtiger Belange der Allgemeinheit dienten; ohne den Widerruf der Betrauung bestehe die Gefahr, dass Kraftfahrzeuge ohne ordnungsgemäß durchgeführte Hauptuntersuchung und Sicherheitsprüfung in nicht mehr verkehrssicherem Zustand am Straßenverkehr teilnähmen und damit Leben und Leib anderer Verkehrsteilnehmer gefährdeten.

9

Der Kläger legte gegen den Bescheid Widerspruch ein und begründete diesen im Wesentlichen damit, dass er weiterhin zuverlässig sei; er habe seine Leistung stets ordnungsgemäß erbracht. Die Zahlung eines Geldbetrages von 800,-- € im Rahmen der Einstellung des gegen ihn eingeleiteten Strafverfahrens gemäß § 153a StPO sei ausschließlich zur Vermeidung einer umfangreichen Beweisaufnahme durch Sachverständigengutachten in Abstimmung mit dem Gericht und der Staatsanwaltschaft erfolgt. Bei Durchführung des Verfahrens wäre er von den erhobenen Vorwürfen freigesprochen worden. Die gegen ihn erhobenen Vorwürfe in Verbindung mit seiner Tätigkeit als Prüfingenieur Mitte Juni 2011 bzw. Mitte Dezember 2011 seien unzutreffend dargestellt worden. Er habe die erforderlichen Prüfungsmaßnahmen ordnungsgemäß durchgeführt; die beanstandete Hupe habe zunächst funktioniert, die Fahrzeugidentnummer sei zwar nur teilweise lesbar, indes identifizierbar gewesen.

10

Er beantragte bei Gericht, die aufschiebende Wirkung des Widerspruches gegen den Widerruf der Betrauung wieder herzustellen. Der Antrag wurde mit Beschluss vom 3. Mai 2012 abgelehnt, die dagegen erhobene Beschwerde vom Schleswig-Holsteinischen Oberverwaltungsgericht mit Beschluss vom 7. August 2012 zurückgewiesen (Verfahren Az. 3 B 47/12 und 2 MB 31/12).

11

Der Widerspruch gegen den Bescheid vom 5. April 2012 wurde mit Widerspruchsbescheid vom 4. Oktober 2012 als unbegründet zurückgewiesen. Zur Begründung wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass nach der Betrauung des Klägers für amtliche Fahrzeuguntersuchungen Tatsachen eingetreten seien, aufgrund derer die Beklagte berechtigt wäre den Kläger nicht mit amtlichen Fahrzeuguntersuchungen zu betrauen. Ohne den Widerruf der Betrauung wäre das öffentliche Interesse gefährdet. Das öffentliche Interesse daran, dass nur verkehrssichere Fahrzeuge am Straßenverkehr teilnähmen, überwiege das Interesse des Klägers an der Fortführung seiner Berufstätigkeit als Prüfingenieur. Der Kläger habe sich während seiner Tätigkeit als mit amtlichen Fahrzeuguntersuchungen betrauter Kraftfahrzeugsachverständiger als unzuverlässig erwiesen. Im Widerspruchsbescheid wurden verschiedene ihm vorgeworfene Pflichtverletzungen aufgeführt. In Anbetracht dieser Pflichtverletzungen sei der Widerruf der Betrauung zum Schutz der Verkehrssicherheit erforderlich. Es seien alle maßgeblichen Umstände im Rahmen der zu treffenden Ermessensentscheidung über den Widerruf berücksichtigt worden. Der Widerruf der Betrauung erfolge nicht nur deshalb, weil die Aufsichtsbehörde die Zustimmung zur Betrauung widerrufen habe. Auch die Beklagte habe insbesondere aufgrund der Ergebnisse des verdeckten Tests vom 15. Juni 2011 und der unangekündigten Nachkontrolle vom 15. Dezember 2011 Umstände festgestellt, die die fehlende Zuverlässigkeit des Widerspruchsführers begründeten. Bei der Ausübung des der Beklagten eingeräumten Ermessens hinsichtlich des Widerrufs der Betrauung des Widerspruchsführers mit der Durchführung von amtlichen Fahrzeuguntersuchungen seien das öffentliche Interesse an einer zuverlässigen Prüfung von Kraftfahrzeugen einerseits und das Interesse des Widerspruchsführers an einer Fortsetzung seiner Berufstätigkeit andererseits gegeneinander abzuwägen. Der Verlust seiner bisherigen Tätigkeit treffe den Widerspruchsführer hart, aber das öffentliche Interesse daran, dass nur verkehrssichere Kraftfahrzeuge am Straßenverkehr teilnähmen, überwiege. Es gehe letztlich um Leib und Leben der Verkehrsteilnehmer, so dass ein milderes Mittel als der Widerruf der Betrauung nicht in Betracht komme. Auch werde mit dem Widerruf der Betrauung kein Berufsverbot ausgesprochen, da der Widerspruchsführer nur in einem ganz speziellen Bereich des Berufsbildes des Kraftfahrzeugsachverständigen gehindert sei. Schließlich komme ein milderes Mittel als der Widerruf der Betrauung auch deshalb nicht in Betracht, weil der Widerspruchsführer in der Vergangenheit bereits mehrfach aufgefallen sei und die zahlreichen Abmahnungen bzw. Ermahnungen sowie die zahlreichen Qualitätsmaßnahmen, denen sich der Widerspruchsführer in der Vergangenheit habe unterziehen müssen, keine Verhaltensänderung herbeigeführt hätten.

12

Der Kläger hat am 25. Oktober 2012 Klage erhoben.

13

Der Kläger hat geltend gemacht, dass es an einer ordnungsgemäßen Ermessensausübung durch die Beklagte fehle. Sämtliche in dem Ausgangsbescheid vorgebrachten Vorwürfe seien bereits umfassend kommentiert und zum allergrößten Teil widerlegt worden. Soweit geringfügige Beanstandungen in der Vergangenheit vorgekommen seien, rechtfertigten diese bei Anwendung ordnungsgemäßen Ermessens nicht den Widerruf der Betrauung, da all dies zu einer ungleichen Behandlung führen würde. Bei Anwendung des hier herangezogenen Beurteilungsmaßstabes müsste nämlich ein großer Teil der Prüfingenieure eliminiert werden. Bereits aus den Statistiken ergebe sich, dass er, der Kläger, mit überdurchschnittlichen Werten ausgestattet sei. Würde man die punktuellen Beanstandungen, die bei jedem Prüfer aufträten, zum Anlass nehmen, Betrauungen zu widerrufen, gebe es praktisch keine Prüfingenieure mehr in Deutschland. Bei den im Widerspruchsbescheid hervorgehobenen Punkten handele es sich durchweg entweder um falsche Behauptungen oder um solche Beanstandungen, die in der Regel bei jedem Prüfer ab und an aufträten.

14

Er hat beantragt,

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den Bescheid der Beklagten - Widerruf der Betrauungen - vom 5. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Oktober 2012 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, unter Aufrechterhaltung der Betrauungen, einen Prüfingenieurausweis zu erteilen und die Prüfstempel auszuhändigen.

16

Die Beklagte hat beantragt,

17

die Klage abzuweisen.

18

Zur Begründung hat sie sich auf die Gründe des Widerspruchsbescheides bezogen bzw. diese weiter ausgeführt.

19

In der mündlichen Verhandlung am 13. August 2013 wurde Beweis erhoben über die Durchführung von Prüftätigkeiten durch den Kläger am 15. Juni 2011 durch Vernehmung des Herrn M. N. und des Herrn H. K. als Zeugen. Über die Durchführung von Prüftätigkeiten durch den Kläger am 15. Dezember 2011 wurde Beweis erhoben durch Vernehmung der Herren R. T., A. L. sowie U. N. als Zeugen. Darüber hinaus wurde Beweis erhoben über die Prüftätigkeit des Klägers sowie durch diesen absolvierte Nachschulungen und Qualitätsmaßnahmen durch Vernehmung des Herrn M. als Zeugen.

20

Hinsichtlich des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die entsprechende Anlage zum Protokoll der mündlichen Verhandlung vom 13. August 2013 verwiesen.

21

Das Verwaltungsgericht hat die Klage mit Urteil vom 7. Januar 2014 abgewiesen. Die Beklagte habe den Widerruf zwar zu Unrecht auf § 49 Abs. 2 Nr. 3 VwVfG gestützt; die Voraussetzungen der hier anwendbaren und deckungsgleichen Rechtsgrundlage des § 117 Abs. 2 Nr. 3 LVwG seien jedoch erfüllt. Zwar sei die Beklagte entgegen ihren Ausführungen nicht gezwungen gewesen, die Betrauung deshalb aufzuheben, weil die zuständige Anerkennungsbehörde die seinerzeit zur Betrauung erteilte Zustimmung widerrufen habe. Zuständig für den Widerruf der Betrauung sei nämlich ausschließlich die Überwachungsorganisation. Aufgrund der durchgeführten Beweisaufnahme stehe indes fest, dass der Kläger die erforderliche Zuverlässigkeit nicht mehr besitze, so dass die Betrauung widerrufen werden dürfe. So sei aufgrund der Vernehmung des Zeugen N. erwiesen, dass der Kläger am 15. Juni 2011 in der Werkstatt „Autodienst K.“ in G. als Prüfingenieur den Prüfbericht anlässlich einer Hauptuntersuchung unterschrieben und die von der Werkstatt zuvor dokumentierten Mängel in diesen Bericht übernommen habe, ohne selbst die vorgeschriebenen Prüfhandlungen durchgeführt zu haben. Darüber hinaus stehe für das Gericht aufgrund der Beweisaufnahme fest, dass am 15. Dezember 2011 in der Untersuchungsstelle der Kfz-Werkstatt T. in G. ein vom Kläger überprüfter Lkw VW T 4 eine Hauptuntersuchung positiv beschieden bekommen hätte, obwohl Mängel an dem Fahrzeug gewesen seien. Insbesondere sei die Fahrgestell-Nummer soweit überlackiert, dass sie nicht komplett erkennbar gewesen sei. Dies belege die Unzuverlässigkeit des Klägers, wobei dieser Begriff auf das jeweilige Gewerbe auszurichten sei. Die Frage der Zuverlässigkeit eines Prüfingenieures richte sich aus an den Aufgaben und Verpflichtungen, die mit der Betrauung dieses Amtes einhergingen. Mit den jeweils nicht ordnungsgemäß durchgeführten Hauptuntersuchungen habe der Kläger gegen seine Amtspflicht verstoßen, die Verkehrstauglichkeit von Kraftfahrzeugen im Rahmen einer sorgfältigen und gewissenhaften Hauptuntersuchung zu überprüfen und so Gefahren von der Allgemeinheit abzuwenden. Aufgrund der festgestellten Unzuverlässigkeit sei für die Beklagte das Ermessen eröffnet gewesen, die Betrauung zu entziehen. Hiervon habe sie ordnungsgemäß Gebrauch gemacht, indem sie den Widerruf der Betrauung zum Schutze der Verkehrssicherheit für erforderlich gehalten und keine mildere Maßnahme als ausreichend erachtet habe. Seit 2008 seien verschiedene Qualitätsmaßnahmen durchgeführt worden, die keine Verbesserung der praktischen Untersuchungstätigkeit des Klägers nach sich gezogen hätten. Nach Aussage des Zeugen M. seien seit 2010 - teilweise mehrfach im Jahr - Qualitätsgespräche geführt, sowie eine Schulung und eine Ermahnung ausgesprochen worden. Ende November 2011 seien ein weiteres Qualitätsgespräch durchgeführt und Maßnahmen festgelegt worden. Dass die Beklagte aufgrund dieser ohne nachhaltigen Erfolg geführten Qualitätsgespräche zu der Überzeugung gelangt sei, dass kein milderes Mittel als der Widerruf der Betrauung zur Verfügung stehe, werde für das Gericht insbesondere dadurch nachvollziehbar belegt, dass am 30. November 2011 ein Qualitätsgespräch mit dem Kläger geführt worden sei, in dem Gegenstand die jüngst festgestellten Mängel bei der Prüftätigkeit gewesen seien. Trotz Absolvierung dieses Gesprächs sei es am 15. Dezember 2011 wiederum zu einer Pflichtverletzung anlässlich der Prüfung des T4 in der Werkstatt T. gekommen. Gerade dieser enge zeitliche Zusammenhang zeige, dass die Beklagte zu Recht davon ausgegangen sei, dass ein milderes Mittel als der Widerruf der Betrauung nicht zur Verfügung stehe, um die hochwertigen Rechtsgüter aller Verkehrsteilnehmer zu schützen.

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Soweit der Kläger ausführe, der Widerruf der Betrauung habe schon deswegen nicht erfolgen dürfen, weil ihm mit Schreiben vom 17. Januar 2012 eine Abmahnung erteilt und allenfalls eine Aussetzung der Betrauung, aber nicht der Widerruf in Aussicht gestellt worden sei, sei festzustellen, dass dem Schreiben für die Frage der Rechtmäßigkeit des Widerrufs rechtlich keine Bedeutung zukomme. Es stelle nicht etwa eine Zusicherung dar auf Fortführung der Tätigkeit und allenfalls Aussetzung der Betrauung.

23

Gegen dieses Urteil richtet sich die vom Senat zugelassene Berufung.

24

Der Kläger wiederholt und vertieft sein bisheriges Vorbringen. Das Rechtsschutzinteresse sei gegeben, denn er, der Kläger, habe Anspruch auf Abschluss eines Prüfvertrages, wenn festgestellt werde, dass die Kündigung zu Unrecht erfolgt sei. Das Urteil leide an Verfahrensfehlern, weil es die Aussage des Zeugen N. nicht zutreffend gewürdigt habe. Auch habe sich das Gericht mit seinem Vorbingen in 1. Instanz nicht auseinandergesetzt. Es sei zu seinen Gunsten zu berücksichtigen, dass das Strafverfahren bei einer streitigen Verhandlung mit einem Freispruch beendet worden wäre. Hierzu sei Beweis angetreten worden. Ebenso sei einem Beweisantritt zur Vorlage von statistischen Untersuchungen nicht Folge geleistet worden. Das Vorgehen beim Entzug der Betrauung sei systemwidrig erfolgt. Darüber hinaus sei die Betrauung nur wegen der behördlichen Anweisung entzogen worden. Die Beklagte habe weitere im Widerspruchsbescheid angeführte Gründe lediglich zur Stützung ihrer ansonsten rechtswidrigen Verhaltensweise herangezogen. Es habe keine Ermessensprüfung stattgefunden. Der vom Verwaltungsgericht angesetzte Maßstab müsse dazu führen, dass eine Vielzahl von Prüfern durch einen Widerruf der Betrauung außer Dienst genommen werden müsste. Der Vorfall am 15. Juni 2011 sei nicht eindeutig erwiesen; darüber hinaus sei er durch das Qualitätsgespräch im Rahmen des Maßnahmenkataloges der Beklagten erledigt. Dieser Vorfall könne daher nicht mehr zur Begründung der Unzuverlässigkeit herangezogen werden. Der weitere Vorfall vom 15. Dezember 2012 berechtige nicht zum Widerruf; als stärkstes Mittel hätte (allenfalls) die vierwöchige Aussetzung der Betrauung ausgereicht. Diese sei in dem vorangegangenen Qualitätsgespräch als (weitere) Maßnahme angekündigt worden. Das Schreiben vom 17. Januar 2012 treffe eine abschließende Maßnahme in Form einer Abmahnung. Auch dieser Vorfall könne daher für die Begründung seiner Unzuverlässigkeit nicht herangezogen werden. Bereits durch Maßnahmen des Maßnahmenkataloges geklärte Sachverhalte könnten im Nachhinein nicht noch einmal für den Entzug der Betrauung herangezogen werden. Aus diversen Schreiben ergebe sich in der Folgezeit zudem eine positive Entwicklung.

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Der Kläger beantragt,

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das Urteil des Schleswig-Holsteinischen Verwaltungsgerichts zu ändern und den Bescheid der Beklagten - Widerruf der Betrauungen - vom 5. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 4. Oktober 2012 aufzuheben.

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Die Beklagte beantragt,

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die Berufung zurückzuweisen.

29

Aufgrund der wirksamen Kündigung des GTÜ-Prüfingenieur-Vertrages vom 26. Juni 2012 fehle es bereits am Vorliegen des Rechtsschutzbedürfnisses. Darüber hinaus sei das Ermessen im Widerspruchsbescheid ordnungsgemäß ausgeübt worden. Es sei kein milderes Mittel als der Widerruf der Betrauung in Betracht gekommen. Wesentlich hierfür seien die Vorfälle am 15. Juni 2011 und am 15. Dezember 2011. Auch danach sei es zu weiteren Vorfällen gekommen. Der dem Strafverfahren zugrunde liegende Sachverhalt habe verwertet werden dürfen. Der vom Kläger angeführte Freispruch im Strafverfahren vor dem Amtsgericht A-Stadt sei für die Prognose im Rahmen der Unzuverlässigkeit irrelevant. Ein weiterer Vorfall habe sich am 29. März 2012 ereignet. Die Vorfälle am 15. Dezember 2011 und am 29. März 2012 seien zudem nach dem Qualitätssicherungsgespräch vom 30. November 2011 erfolgt. Seit 2008 hätten immer wieder Vorfälle Anlass für regelmäßige Nachschulungs- und Qualitätssicherungsmaßnahmen gegenüber dem Kläger geboten. Somit sei es zu zahlreichen Pflichtenverstößen aufseiten des Klägers gekommen, die zur Annahme der Unzuverlässigkeit geführt hätten. Der Widerruf sei auch selbständig tragend auf die fehlende Unzuverlässigkeit des Klägers gestützt. Das Urteil setze sich mit dem Vorbringen des Klägers auseinander. Das Schutzgut der Sicherheit des Straßenverkehrs erfordere absolute charakterliche Zuverlässigkeit. Die gegen den Kläger ergriffenen Maßnahmen seien Beleg für seine Unzuverlässigkeit. Für die Bewertung und Annahme der Unzuverlässigkeit komme es nach höchstrichterlicher Rechtsprechung auf eine Gesamtbewertung des Verhaltens an. Erforderlich sei - wie auch im Gewerberecht üblich - eine Gesamtschau über einen längeren Zeitraum. Sonst dürfe sie, die Beklagte, auf einzelne Verstöße nicht reagieren, wolle sie diese für einen möglichen Widerruf nicht verbrauchen. Dies stelle kein sachgerechtes Vorgehen angesichts des hohen Schutzgutes der Verkehrssicherheit dar. Das pflichtgemäße Ermessen gebiete angesichts des hohen Gefahr- und Schadenspotentials regelmäßig den Widerruf der Betrauung. Es sei auch keine Selbstbindung eingetreten, indem dem Kläger im Qualitätsgespräch vom 30. November 2011 die Aussetzung der Betrauung in Aussicht gestellt worden sei, denn es habe sich nur um eine einzelfallbezogene Maßnahme gehandelt. Im Übrigen habe der Zeuge M. im Rahmen seiner Vernehmung als Zeuge darauf hingewiesen, dass auch ein Widerruf der Betrauung in Betracht komme. Das Verwaltungsgericht habe sich bei seiner Beweiswürdigung auch nicht auf unzutreffende Annahmen gestützt. Aus den aufgelisteten Pflichtenverstößen und Qualitätssicherungsmaßnahmen ergebe sich zudem, dass eine positive Entwicklung des Klägers gerade nicht feststellbar sei. Im Übrigen könne sich der Kläger nicht auf eine Gleichbehandlung im Unrecht in Bezug auf andere Prüfingenieure berufen.

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Wegen der weiteren Einzelheiten des Vorbringens wird Bezug genommen auf die Gerichtsakten und die Verwaltungsvorgänge der Beklagten. Die Gerichtsakten der Verfahren Az. 3 B 47/ 12 und Az. 3 MB 31/12 sind beigezogen worden.

Entscheidungsgründe

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Die Berufung ist zulässig und begründet.

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Das Rechtsschutzinteresse für die Durchführung des Berufungsverfahrens ist nicht dadurch entfallen, dass der Prüfingenieurvertrag mit der GTÜ mittlerweile gekündigt worden ist. Der Kläger hat ein Interesse daran gerichtlich überprüfen zu lassen, ob der Widerruf der Betrauung zu Recht erfolgt ist. Nur so kann er entscheiden, ob eine berufliche Tätigkeit als Prüfingenieur künftig zulässigerweise von ihm ausgeübt werden kann, und sollte dies der Fall sein, er von dieser Möglichkeit wieder Gebrauch machen will durch Abschluss eines erneuten Prüfingenieurvertrages bei der Beklagten oder einer anderen anerkannten Überwachungsorganisation.

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Die Berufung ist auch begründet.

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Das Urteil des Verwaltungsgerichts begegnet hinsichtlich der Feststellung des zugrundeliegenden Sachverhalts und der rechtlichen Würdigung der festgestellten Pflichtenverstöße des Klägers keinen Bedenken (dazu unter 1.) Es war indes abzuändern, weil der auf der Ermächtigungsgrundlage des § 117 Abs. 2 Nr. 3 LVwG ausgesprochene Widerruf der Betrauung unter einer nicht sachgerechten Ausübung des Ermessens leidet. In Folge dessen war der für rechtswidrig erkannte Widerrufsbescheid vom 5. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Oktober 2012 aufzuheben (vgl. § 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO (dazu unter 2.).

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1. Das Verwaltungsgericht hat zutreffend dargestellt, dass sich die Ermächtigungsgrundlage für den Widerruf einer Betrauung mit den Aufgaben eines Prüfingenieurs nach der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) mangels spezialgesetzlicher Regelungen in § 117 Abs. 2 Nr. 3 LVwG findet und es hierfür nicht der Zustimmung der Aufsichts- bzw. Anerkennungsbehörde bedarf (vgl. BVerwG, Urt. vom 26.01.2012 - 3 C 8/11- juris Rn. 14f.; vgl. auch OVG Schl.-Holst., Beschl. v. 06.08.2012 - 3 MB 31/12). Dass die tatbe-standlichen Voraussetzungen für den Widerruf der Betrauung - Widerruf eines rechtmäßigen begünstigenden Verwaltungsakts, dessen Erlass die Behörde aufgrund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre zu verweigern, kumulativ dass ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet wäre - vorliegen, hat das Verwaltungsgericht mit zutreffender Begründung festgestellt. Die Sachverhaltsermittlung durch die Vernehmung von an den einzelnen dem Kläger vorgehaltenen Vorgängen beteiligten Prüfpersonen und Inhabern von Kfz-Werkstätten sowie die vorgenommene Beweiswürdigung begegnet keinen Bedenken. Die hiergegen vom Kläger vorgebrachten Einwände (unrichtige Würdigung der Zeugenaussage N., nicht hinreichende Würdigung des klägerischen Vorbringens nebst entsprechender Beweisantritte) sind unsubstantiiert. Es ist für den Senat nicht erkennbar, was der Kläger aus dem nach seiner Auffassung zu nachsichtigen und ihn benachteiligenden Umgang der Beklagten mit anderen Prüfingenieuren für sich ableiten will. Ein Anspruch auf Gleichbehandlung im Unrecht würde im Übrigen nicht bestehen.

36

Gelangt der Senat zu der Überzeugung, dass die dem Kläger vorgeworfenen Vorgänge im Zusammenhang mit der Ausübung seiner Tätigkeit als Prüfingenieur sich so zugetragen haben, wie es das Verwaltungsgericht in seinen Urteilsgründen dargestellt hat und überdies von dem Kläger hinsichtlich des ihm vorgeworfenen Vorganges am 15. Dezember 2011 (positive Bescheidung einer Hauptuntersuchung trotz vorhandener Mängel, insbesondere einer nicht komplett erkennbaren Fahrgestell-Nummer) auch selbst eingeräumt worden ist, so ist dem Verwaltungsgericht weiterhin insoweit beizutreten, dass der Tätigkeit eines Prüfingenieurs nach der StVZO aufgrund des herausragenden Schutzgutes, von der Allgemeinheit Gefahren abzuwenden, die durch den Betrieb von gefährlichen, nicht verkehrstauglichen Fahrzeugen entstehen können, eine besondere Verantwortung innewohnt (vgl. UA Seite 12). Der Kläger nimmt die Prüfung von Kraftfahrzeugen auf ihren verkehrssicherheitstechnischen und immissionsschutzrechtlichen Zustand, der unmittelbar der Erhaltung der Sicherheit und Ordnung auf den öffentlichen Straßen dient, als sog. Beliehener wahr. Ihm sind hoheitliche Befugnisse übertragen (vgl. hierzu OVG Nordrhein-Westfalen, Urt. v. 22.09.2000 - 8 A 2429/99 -, juris Rn. 66, 77; Hentschel, König, Dauer, Straßenverkehrsrecht, 43. Aufl., § 29 StVZO, Rn. 22). Der Prüfingenieur ist daher wie jede Behörde (vgl. § 3 Abs. 2 LVwG) an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) gebunden (vgl. für den Bezirksschornsteinfegermeister BVerwG, Urt. v. 07.11.2012 - 8 C 28/11 -, BVerwGE 145, 67-79, zitiert nach juris Rn. 18). Die Anforderungen an Prüfingenieure (und Überwachungsorganisationen, die diese mit der Durchführung der Hauptuntersuchung und der Sicherheitsprüfung betrauen) sind in Anlage VIIIb (Anlage VIII Nummer 3.1 und 3.2) zur Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) geregelt. Zu diesen an Prüfingenieure zu stellenden Anforderungen gehört, dass diese zuverlässig sind (vgl. Nr. 3.2). Der unbestimmte Rechtsbegriff der Zuverlässigkeit ist - wie auch in weiteren (spezial-) gesetzlichen Regelungen (vgl. etwa § 35 GewO) - nicht näher definiert. Aufgrund der dem Prüfingenieur übertragenen hoheitlichen Befugnisse und dem herausragenden Schutzgut der Unversehrtheit der Allgemeinheit erscheint es angesichts der durchaus vergleichbaren Stellung des Bezirksschornsteinfegermeisters sachgerecht, auf den hierzu von der höchstrichterlichen Rechtsprechung entwickelten Maßstab bei der Beurteilung der Zuverlässigkeit zurückzugreifen. Dessen Zuverlässigkeit beurteilt sich danach anhand von Tatsachen, welche auf sein künftiges Verhalten in Ausübung seines Berufes schließen lassen (vgl. § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO). Von der Behörde wird also eine Wertung von Tatsachen verlangt, verbunden mit der Prognose auf das künftige Verhalten. Dabei entspricht es den allgemeinen Grundsätzen des Rechts der Gefahrenabwehr, umso strengere Anforderungen an die Zuverlässigkeit zu stellen, je schutzwürdiger die Rechtsgüter sind, die gefährdet werden können, und je höher der mögliche Schaden ist (BVerwG, Urt. vom 07.11.2012, a.a.O., Rn. 19 mwN). Der Senat gelangt mit den diesen Maßgaben entsprechenden Erwägungen des Verwaltungsgerichts zu der Überzeugung, dass die dem Kläger vorgeworfenen Vorgänge (insbesondere Ergebnisse des verdeckten Tests am 05. Juni 2011 und der unangekündigten Nachkontrolle am 15. Dezember 2011) nachträglich eingetretene Tatsachen im Sinne des § 117 Abs. 2 Nr. 3 LVwG darstellen, die geeignet sind, seine Unzuverlässigkeit zu begründen (vgl. UA, Seite 9 bis 12).

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Soweit der von Seiten des Fachministeriums erklärte Widerruf der Zustimmung zur Betrauung als geeignet erscheinen könnte, eine nachträglich eingetretene Tatsache im Sinne von § 117 Abs. 2 Nr. 3 LVwG darzustellen, ließe sich daraus jedenfalls keine, die Beklagte in der Ausübung ihres Ermessens bindende Wirkung ableiten. Wie ausgeführt, ist der Widerruf der Zustimmung quasi als actus contrarius gerade nicht erforderlich, so dass er keine Wirkungen im Rechtssinne zu entfalten vermag. Vielmehr ist die für den Widerruf sachlich zuständige Beklagte gehalten, ihr Ermessen eigenständig zu betätigen.

38

2. Die Beklagte hat - wenn auch mit recht knapp gehaltenen Ermessenserwägungen - den Widerruf der Betrauung selbständig tragend darauf gestützt, dass die dem Kläger vorgeworfenen Vorgänge Tatsachen darstellen, die nach Auffassung der Beklagten geeignet seien, (nunmehr) die Unzuverlässigkeit des Klägers zu begründen und angesichts des hohen Schutzgutes der Unversehrtheit der anderen Verkehrsteilnehmer zu einem Widerruf der Betrauung führen müssten. Es ist daher jedenfalls nichts Durchgreifendes für die vom Kläger angestellte Annahme ersichtlich, dass die Beklagte sich gehalten gefühlt hat, wegen der seitens des Fachministeriums widerrufenen Zustimmung zu seiner Betrauung diese ihrerseits zu widerrufen, ohne eigene Ermessenserwägungen anzustellen.

39

Entgegen der weiterhin vom Verwaltungsgericht angestellten Annahme stellt sich der Widerruf der Betrauung mit den Aufgaben eines Prüfingenieurs nach der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO) indes als nicht ermessensgerecht dar. Die Annahme, die Beklagte habe pflichtgemäß von dem ihr eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht und es sei kein milderes Mittel als der Widerruf vorhanden, um wirksam Gefahren von anderen Verkehrsteilnehmern abzuwenden, begegnet nach Maßgabe der nachstehenden Erwägungen durchgreifenden Bedenken, so dass die erstinstanzliche Entscheidung abzuändern und die streitigen Bescheide aufzuheben waren. Dazu im Einzelnen:

40

Zur Überzeugung des Senats ist es bereits zweifelhaft, ob nach den festgestellten Vorgängen am 15. Juni 2011 und am 15. Dezember 2011 das Entschließungsermessen eröffnet war. Dass die Beklagte angesichts der schwerwiegenden Verstöße gegen elementare Amtspflichten des Klägers grundsätzlich auch außerhalb ihres Qualitätssicherungssystems liegende (ordnungs-)rechtliche Maßnahmen gegen den Kläger in die Wege leiten durfte, ist unzweifelhaft. Der von der Beklagten hierzu vertretenen Auffassung ist dabei insoweit zuzustimmen, als sich rechtliche Reaktionsmöglichkeiten nicht lediglich auf die Umsetzung von Maßnahmen aus ihrem Qualitätsmanagementsystem (vgl. hierzu auch Anlage VIIIb, Nr. 2.1b) beschränken. Bei - wie hier - festgestellten erheblichen Pflichtenverstößen können auch außerhalb des Qualitätsmanagementsystems liegende Maßnahmen durchaus in Betracht gezogen werden. Ansonsten hätte die Argumentation des Klägers, die Pflichtenverstöße seien durch das Ergreifen von Maßnahmen auf der Basis des Qualitätssicherungssystems der Beklagten erledigt, zur Folge, dass bei einer Häufung von (gravierenden) Pflichtenverstößen keine weitergehenden Konsequenzen gezogen werden dürften und verwaltungsverfahrensrechtliche Maßnahmen wie etwa ein Widerruf der Betrauung nicht zur Anwendung gelangen könnten; entsprechende Vorschriften also gleichsam leerlaufen würden.

41

Hier ist jedoch zu beachten, dass die Beklagte ihr Ermessen unmittelbar nach dem Ergebnis der unangekündigten Nachkontrolle vom 15. Dezember 2011 betätigt (und mit Schreiben vom 17. Januar 2012 (Bl. 327f. der Gerichtsakten) eine Abmahnung ausgesprochen) hat. Ob der weitere von der Beklagten unter Punkt 1.a)cc) im Widerspruchsbescheid aufgeführte Vorgang der unangekündigten Nachkontrolle am 29. März 2012, bei dem festgestellt worden war, dass der Kläger die lichttechnischen Einrichtungen nicht ordnungsgemäß überprüft hatte, für sich genommen geeignet war, wiederum das Ermessen zu betätigen, kann der Senat dahinstehen lassen. Denn jedenfalls stellt der Widerruf der Betrauung nicht das mildeste in Betracht kommende Mittel dar. Das Abmahnschreiben vom 17. Januar 2012 endet nämlich mit folgender Passage:

42

„Im Wiederholungsfall und bei jeder anderweitigen Abweichung von verordnungs-rechtlichen Vorschriften sowie bei Verstoß gegen unsere Vereinbarung hinsichtlich der Minimalprüfzeiten werden wir sofort bis zur Absolvierung angemessener Schulungs- und Korrekturmaßnahmen die Betrauung als Prüfingenieur aussetzen.“

43

Daher hätte die Beklagte ihr Ermessen allenfalls dahingehend ausüben dürfen, nunmehr die Betrauung für einen gewissen Zeitraum auszusetzen.

44

Soweit die Beklagte ausgeführt hat, ein milderes Mittel als der Widerruf der Betrauung komme auch deshalb nicht in Betracht, weil der Kläger in der Vergangenheit bereits mehrfach aufgefallen sei und die zahlreichen Abmahnungen bzw. Ermahnungen sowie die zahlreichen Qualitätsmaßnahmen zu keiner Verhaltensänderung geführt hätten, vermag dies auch angesichts der Bedeutung und Konsequenzen des Widerrufs für die Grundrechtsposition des Klägers nicht zu überzeugen. Die Tätigkeit eines Prüfingenieurs fällt - unabhängig von der Ausübung hoheitlicher Befugnisse - in den Schutzbereich der Berufsausübungsfreiheit (Art. 12 Abs. 1 GG). Mithin muss das ausgewählte Mittel verhältnismäßig sein. Als solches wäre bei dem aufgezeigten Gang des (Verwaltungs-)Verfahrens und der Schwere des weiteren Pflichtenverstoßes vom 29. März 2012 allenfalls die Aussetzung der Betrauung, nicht hingegen der Widerruf der Betrauung als ultima ratio, das angemessene Mittel gewesen. Soweit die Beklagtenvertreter in der mündlichen Verhandlung darauf abgestellt haben, dass das Instrument der Aussetzung der Betrauung rechtlich nicht existent sei, ist dem entgegenzuhalten, dass diese Maßnahme nach ihrem Qualitätssicherungssystem vorgesehen ist und daher auch zur Anwendung gelangen kann. Soweit der Zeuge M. - entgegen den im Protokoll des Qualitätsgesprächs vom 30. November 2011 enthaltenen Feststellungen - den Kläger darauf hingewiesen haben will, dass die Möglichkeit des Widerrufs der Betrauung bestehe, ist diese Aussage in Anbetracht der gegen den Kläger „ausgesprochenen“ Abmahnung nicht geeignet, eine andere rechtliche Bewertung zuzulassen. Denn der Zeuge M. hatte diese Möglichkeit lediglich in Aussicht gestellt; die Beklagte hatte mit der Abmahnung jedoch eine rechtlich verbindliche Entscheidung getroffen. Daher lag eine Ermessensreduzierung auf Null dergestalt, dass kein milderes Mittel als der Widerruf der Betrauung in Betracht kam, gerade nicht vor. Der vom Verwaltungsgericht vertretenen Auffassung, das Abmahnschreiben vom 17. Januar 2012 sei für die Frage der Rechtmäßigkeit des Widerrufs rechtlich ohne Bedeutung, folgt der Senat nach alledem ausdrücklich nicht.

45

Klarstellend weist der Senat abschließend darauf hin, dass das (vorherige) Ergehen eines Abmahnschreibens nicht zwingend ist, um auf festgestellte Pflichtverstöße zu reagieren und bei weiteren Verstößen härtere Sanktionen ergreifen zu können. Geht die Überwachungsorganisation indes wie hier vor und kommt es in der Folgezeit nicht zu gravierenden Pflichtverstößen, stellt sich jedenfalls der als ultima ratio in Betracht kommende Widerruf der Betrauung als unverhältnismäßige Maßnahme dar.

46

Das Urteil des Verwaltungsgerichts war daher abzuändern mit der Folge, dass der streitige Widerrufsbescheid vom 5. April 2012 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Oktober 2012 aufzuheben war.

47

Die Kostenentscheidung folgt aus § 154 Abs. 1 VwGO. Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit im Kostenpunkt folgt aus § 167 Abs. 1 VwGO i. V. m. §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die Revision war nicht zuzulassen, weil keiner der Zulassungsgründe des § 132 Abs. 2 Nrn. 1 bis 3 VwGO vorliegt.


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(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens. (2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat. (3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, we

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Gewerbeordnung - GewO | § 35 Gewerbeuntersagung wegen Unzuverlässigkeit


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Strafprozeßordnung - StPO | § 153a Absehen von der Verfolgung unter Auflagen und Weisungen


(1) Mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts und des Beschuldigten kann die Staatsanwaltschaft bei einem Vergehen vorläufig von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen und zugleich dem Beschuldigten Auflagen u

Strafgesetzbuch - StGB | § 348 Falschbeurkundung im Amt


(1) Ein Amtsträger, der, zur Aufnahme öffentlicher Urkunden befugt, innerhalb seiner Zuständigkeit eine rechtlich erhebliche Tatsache falsch beurkundet oder in öffentliche Register, Bücher oder Dateien falsch einträgt oder eingibt, wird mit Freiheits

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Bundesverwaltungsgericht Urteil, 07. Nov. 2012 - 8 C 28/11

bei uns veröffentlicht am 07.11.2012

Tatbestand 1 Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Bestellung zum Bezirksschornsteinfegermeister.

Bundesverwaltungsgericht Urteil, 26. Jan. 2012 - 3 C 8/11

bei uns veröffentlicht am 26.01.2012

Tatbestand 1 Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Betrauung mit den Aufgaben eines Prüfingenieurs nach der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO).

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(1) Ein Amtsträger, der, zur Aufnahme öffentlicher Urkunden befugt, innerhalb seiner Zuständigkeit eine rechtlich erhebliche Tatsache falsch beurkundet oder in öffentliche Register, Bücher oder Dateien falsch einträgt oder eingibt, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(2) Der Versuch ist strafbar.

(1) Mit Zustimmung des für die Eröffnung des Hauptverfahrens zuständigen Gerichts und des Beschuldigten kann die Staatsanwaltschaft bei einem Vergehen vorläufig von der Erhebung der öffentlichen Klage absehen und zugleich dem Beschuldigten Auflagen und Weisungen erteilen, wenn diese geeignet sind, das öffentliche Interesse an der Strafverfolgung zu beseitigen, und die Schwere der Schuld nicht entgegensteht. Als Auflagen oder Weisungen kommen insbesondere in Betracht,

1.
zur Wiedergutmachung des durch die Tat verursachten Schadens eine bestimmte Leistung zu erbringen,
2.
einen Geldbetrag zugunsten einer gemeinnützigen Einrichtung oder der Staatskasse zu zahlen,
3.
sonst gemeinnützige Leistungen zu erbringen,
4.
Unterhaltspflichten in einer bestimmten Höhe nachzukommen,
5.
sich ernsthaft zu bemühen, einen Ausgleich mit dem Verletzten zu erreichen (Täter-Opfer-Ausgleich) und dabei seine Tat ganz oder zum überwiegenden Teil wieder gut zu machen oder deren Wiedergutmachung zu erstreben,
6.
an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen oder
7.
an einem Aufbauseminar nach § 2b Abs. 2 Satz 2 oder an einem Fahreignungsseminar nach § 4a des Straßenverkehrsgesetzes teilzunehmen.
Zur Erfüllung der Auflagen und Weisungen setzt die Staatsanwaltschaft dem Beschuldigten eine Frist, die in den Fällen des Satzes 2 Nummer 1 bis 3, 5 und 7 höchstens sechs Monate, in den Fällen des Satzes 2 Nummer 4 und 6 höchstens ein Jahr beträgt. Die Staatsanwaltschaft kann Auflagen und Weisungen nachträglich aufheben und die Frist einmal für die Dauer von drei Monaten verlängern; mit Zustimmung des Beschuldigten kann sie auch Auflagen und Weisungen nachträglich auferlegen und ändern. Erfüllt der Beschuldigte die Auflagen und Weisungen, so kann die Tat nicht mehr als Vergehen verfolgt werden. Erfüllt der Beschuldigte die Auflagen und Weisungen nicht, so werden Leistungen, die er zu ihrer Erfüllung erbracht hat, nicht erstattet. § 153 Abs. 1 Satz 2 gilt in den Fällen des Satzes 2 Nummer 1 bis 6 entsprechend. § 246a Absatz 2 gilt entsprechend.

(2) Ist die Klage bereits erhoben, so kann das Gericht mit Zustimmung der Staatsanwaltschaft und des Angeschuldigten das Verfahren vorläufig einstellen und zugleich dem Angeschuldigten die in Absatz 1 Satz 1 und 2 bezeichneten Auflagen und Weisungen erteilen. Absatz 1 Satz 3 bis 6 und 8 gilt entsprechend. Die Entscheidung nach Satz 1 ergeht durch Beschluß. Der Beschluß ist nicht anfechtbar. Satz 4 gilt auch für eine Feststellung, daß gemäß Satz 1 erteilte Auflagen und Weisungen erfüllt worden sind.

(3) Während des Laufes der für die Erfüllung der Auflagen und Weisungen gesetzten Frist ruht die Verjährung.

(4) § 155b findet im Fall des Absatzes 1 Satz 2 Nummer 6, auch in Verbindung mit Absatz 2, entsprechende Anwendung mit der Maßgabe, dass personenbezogene Daten aus dem Strafverfahren, die nicht den Beschuldigten betreffen, an die mit der Durchführung des sozialen Trainingskurses befasste Stelle nur übermittelt werden dürfen, soweit die betroffenen Personen in die Übermittlung eingewilligt haben. Satz 1 gilt entsprechend, wenn nach sonstigen strafrechtlichen Vorschriften die Weisung erteilt wird, an einem sozialen Trainingskurs teilzunehmen.

(1) Ein rechtmäßiger nicht begünstigender Verwaltungsakt kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft widerrufen werden, außer wenn ein Verwaltungsakt gleichen Inhalts erneut erlassen werden müsste oder aus anderen Gründen ein Widerruf unzulässig ist.

(2) Ein rechtmäßiger begünstigender Verwaltungsakt darf, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise mit Wirkung für die Zukunft nur widerrufen werden,

1.
wenn der Widerruf durch Rechtsvorschrift zugelassen oder im Verwaltungsakt vorbehalten ist;
2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat;
3.
wenn die Behörde auf Grund nachträglich eingetretener Tatsachen berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
4.
wenn die Behörde auf Grund einer geänderten Rechtsvorschrift berechtigt wäre, den Verwaltungsakt nicht zu erlassen, soweit der Begünstigte von der Vergünstigung noch keinen Gebrauch gemacht oder auf Grund des Verwaltungsaktes noch keine Leistungen empfangen hat, und wenn ohne den Widerruf das öffentliche Interesse gefährdet würde;
5.
um schwere Nachteile für das Gemeinwohl zu verhüten oder zu beseitigen.
§ 48 Abs. 4 gilt entsprechend.

(3) Ein rechtmäßiger Verwaltungsakt, der eine einmalige oder laufende Geldleistung oder teilbare Sachleistung zur Erfüllung eines bestimmten Zwecks gewährt oder hierfür Voraussetzung ist, kann, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, ganz oder teilweise auch mit Wirkung für die Vergangenheit widerrufen werden,

1.
wenn die Leistung nicht, nicht alsbald nach der Erbringung oder nicht mehr für den in dem Verwaltungsakt bestimmten Zweck verwendet wird;
2.
wenn mit dem Verwaltungsakt eine Auflage verbunden ist und der Begünstigte diese nicht oder nicht innerhalb einer ihm gesetzten Frist erfüllt hat.
§ 48 Abs. 4 gilt entsprechend.

(4) Der widerrufene Verwaltungsakt wird mit dem Wirksamwerden des Widerrufs unwirksam, wenn die Behörde keinen anderen Zeitpunkt bestimmt.

(5) Über den Widerruf entscheidet nach Unanfechtbarkeit des Verwaltungsaktes die nach § 3 zuständige Behörde; dies gilt auch dann, wenn der zu widerrufende Verwaltungsakt von einer anderen Behörde erlassen worden ist.

(6) Wird ein begünstigender Verwaltungsakt in den Fällen des Absatzes 2 Nr. 3 bis 5 widerrufen, so hat die Behörde den Betroffenen auf Antrag für den Vermögensnachteil zu entschädigen, den dieser dadurch erleidet, dass er auf den Bestand des Verwaltungsaktes vertraut hat, soweit sein Vertrauen schutzwürdig ist. § 48 Abs. 3 Satz 3 bis 5 gilt entsprechend. Für Streitigkeiten über die Entschädigung ist der ordentliche Rechtsweg gegeben.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Betrauung mit den Aufgaben eines Prüfingenieurs nach der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (StVZO).

2

Die Beklagte ist eine nach dieser Verordnung anerkannte Überwachungsorganisation in der Rechtsform einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung. Sie schloss mit dem Kläger ab 1997 mehrfach Partnerschafts- und andere Verträge über eine Zusammenarbeit und betraute ihn - mit Zustimmung der jeweiligen Aufsichtsbehörde des Landes - als Prüfingenieur mit Fahrzeuguntersuchungen in den Ländern Rheinland-Pfalz, Hessen und Baden-Württemberg. Nachdem die Beklagte Informationen erhalten hatte, dass es beim Kläger im Rahmen seiner Gutachtertätigkeit zu Unregelmäßigkeiten gekommen sei, widerrief sie dessen Betrauung mit Bescheid vom 1. Februar 2008 wegen Unzuverlässigkeit und kündigte später auch den mit ihm geschlossenen Partnerschaftsvertrag.

3

Nach erfolglosem Vorverfahren hat das Verwaltungsgericht den Widerrufsbescheid mit Urteil vom 7. Dezember 2009 aufgehoben. Zum Widerruf nach § 49 VwVfG sei nicht die Beklagte, sondern die jeweilige Aufsichtsbehörde befugt. Wenn man dies anders sehe, fehle jedenfalls die erforderliche Zustimmung der Aufsichtsbehörde.

4

Das Oberverwaltungsgericht hat diese Entscheidung mit Urteil vom 28. Juni 2010 aufgehoben und die Sache an das Verwaltungsgericht zurückverwiesen. Zuständig für den Widerruf sei nach allgemeinen verwaltungsrechtlichen Grundsätzen die Behörde, die für die Betrauung zuständig sei, hier die Beklagte. Etwas anderes ergebe sich weder aus § 68 StVZO, der durch die speziellere Regelung in Nr. 3 der Anlage VIIIb zu § 29 StVZO verdrängt werde, noch aus Nr. 5 dieser Anlage, der nur den Widerruf der Bestellung des technischen Leiters der Überwachungsorganisation und seines Vertreters regele. Nach dem Zweck des Beteiligungsrechts bedürfe der Widerruf, anders als die ursprüngliche Betrauung, auch nicht der Zustimmung durch die Aufsichtsbehörde. Abgesehen davon hätten die zuständigen Ministerien nachträglich zugestimmt. Das Verwaltungsgericht, das den Widerruf zu Unrecht aus formalen Gründen aufgehoben habe, müsse daher in tatsächlicher Hinsicht klären, ob die Vorwürfe gegen den Kläger zuträfen.

5

Mit der Revision verfolgt der Kläger seine Auffassung weiter, eine Überwachungsorganisation wie die Beklagte sei für den Widerruf der Betrauung nicht zuständig. Dies hätte ausdrücklich geregelt werden müssen; der vom Oberverwaltungsgericht herangezogene allgemeine Grundsatz genüge nicht. Eine Zuständigkeitsbestimmung zugunsten der Überwachungsorganisation fehle aber sowohl im Verwaltungsverfahrensgesetz wie in der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung. Deren Anlage VIIIb regele die Befugnis zum Widerruf nur für den technischen Leiter der Organisation, nicht aber für Prüfingenieure. Der Verordnungsgeber verfolge nicht die vom Berufungsgericht angenommene Absicht, die rechtlichen Beziehungen zwischen den Organisationen und ihren Prüfingenieuren von unmittelbarer staatlicher Einflussnahme frei zu halten. Unzutreffend sei auch die Annahme des Oberverwaltungsgerichts, es sei keine Zustimmung erforderlich. Der Widerruf sei in dieser Hinsicht genauso zu behandeln wie die Betrauung, bei der die Anerkennungsbehörde ihre Zustimmung erteilen müsse. Der Mangel fehlender ursprünglicher Zustimmung habe nicht durch ihre nachträgliche Erteilung geheilt werden können.

6

Der Vertreter des Bundesinteresses hält das angegriffene Urteil für zutreffend und weist darauf hin, dass die Beklagte als Beliehene selbst Behörde sei und die von ihr erlassenen Verwaltungsakte im Rahmen des allgemeinen Verwaltungsverfahrensrechts widerrufen könne. Der Widerruf sei nicht an die Zustimmung der Anerkennungsbehörde gebunden. Daran ändere nichts, dass die Betrauung für den Kläger positiv, der Widerruf hingegen negativ sei. Zweck der Zustimmung sei nicht der Schutz der Prüfer vor wirtschaftlichen Nachteilen, sondern die Gewährleistung einer ordnungsgemäßen Aufgabenerfüllung. Der Verordnungsgeber habe die Kontroll- und Eingriffsbefugnisse der Aufsichtsbehörde für ausreichend erachtet und deshalb kein Zustimmungserfordernis für den Entzug der Betrauung vorgesehen.

Entscheidungsgründe

7

Die Revision ist unbegründet. Das Berufungsurteil beruht nicht auf einer Verletzung von Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO).

8

Das Berufungsgericht hat zutreffend angenommen, dass die Beklagte für den Widerruf zuständig war (1.) und dass sie dabei keiner Zustimmung einer übergeordneten Behörde bedurfte (2.).

9

Die Ermächtigungsgrundlage für den Widerruf einer Betrauung mit den Aufgaben eines Prüfingenieurs nach der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung ist dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Landes zu entnehmen, dessen Behörde den Widerruf verfügt hat (§ 1 Abs. 3 des Verwaltungsverfahrensgesetzes des Bundes). Die Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung, auf deren Grundlage die Betrauung ausgesprochen wird, enthält insofern keine Sonderregelung. Die Anlage VIIIb zur Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung (BGBl I 2002 S. 3580) in der bei Erlass des Widerspruchsbescheides geltenden Fassung vom 25. September 2008 (BGBl I S. 1878) regelt lediglich materielle Voraussetzungen für den Widerruf der Bestellung des technischen Leiters der Überwachungsorganisation und seines Vertreters (Nr. 5) sowie für den Widerruf der Anerkennung der Überwachungsorganisation selbst (Nr. 8). Sie setzt damit erkennbar voraus, dass der Widerruf seine materiell-rechtliche Grundlage im allgemeinen Verwaltungsverfahrensrecht findet.

10

Dementsprechend ist der Widerruf wegen Unzuverlässigkeit eines Prüfingenieurs auf das Verwaltungsverfahrensrecht desjenigen Landes zu stützen, für das die Überwachungsorganisation gehandelt hat. Das sind hier die Länder Hessen, Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz, für welche die Beklagte als dort anerkannte Überwachungsorganisation den Kläger mit der Durchführung der Aufgaben eines Prüfingenieurs betraut hatte. Einschlägig ist damit § 49 Abs. 2 Satz 1 Nr. 3 der hessischen und baden-württembergischen Verwaltungsverfahrensgesetze sowie für Rheinland-Pfalz die entsprechende Bestimmung des Bundes, auf die § 1 des dortigen Landesverwaltungsverfahrensgesetzes verweist. Diese Vorschriften sind gemäß § 137 Abs. 1 Nr. 2 VwGO revisibel, weil sie im Wortlaut mit dem Verwaltungsverfahrensgesetz des Bundes übereinstimmen. Die im Revisionsverfahren zu klärende Frage entscheidet sich aber nach Maßgabe der Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung, also nach Bundesrecht.

11

1. Die Beklagte war für den Widerruf sachlich zuständig.

12

a) Die Zuständigkeit für den Widerruf eines Verwaltungsaktes richtet sich in erster Linie nach den Zuständigkeitsregelungen des anzuwendenden Fachrechts. Lässt sich diesem keine hinreichend klare Aussage entnehmen, ist auf allgemeine verwaltungsverfahrensrechtliche Grundsätze zurückzugreifen. Danach hat über die Aufhebung eines Verwaltungsaktes diejenige Behörde zu befinden, die zum Zeitpunkt der Aufhebungsentscheidung für den Erlass des aufzuhebenden Verwaltungsaktes sachlich zuständig wäre (stRspr, vgl. Urteile vom 20. Dezember 1999 - BVerwG 7 C 42.98 - BVerwGE 110, 226 = juris Rn. 14, 16 = Buchholz 316 § 48 VwVfG Nr. 97 und vom 18. April 1991 - BVerwG 6 C 20.89 - BVerwGE 88, 130 <133> m.w.N.).

13

b) Für die in Rede stehende Betrauung enthalten weder das Verwaltungsverfahrensrecht der Länder noch das Straßenverkehrsrecht des Bundes eine ausdrückliche Zuständigkeitsregelung. Allerdings lässt sich dem Regelungskomplex über die Anerkennung von Überwachungsorganisationen nach der genannten Anlage VIIIb zur Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung hinreichend klar entnehmen, dass der Erlass eines Verwaltungsaktes nach dieser Anlage und dessen Widerruf grundsätzlich in derselben Hand liegen sollen. Dies wird in den Widerrufsbestimmungen der Anlage deutlich. Nr. 5 Satz 5 setzt als selbstverständlich voraus, dass die Bestellung des technischen Leiters und seines Vertreters von derjenigen Überwachungsorganisation zu widerrufen ist, die diese Personen bestellt hat. Im gleichen Sinne bestimmt Nr. 8 der Anlage sogar ausdrücklich die Zuständigkeit der Anerkennungsbehörde für den Widerruf einer von ihr ausgesprochenen Anerkennung. Das entspricht nicht nur dem in der Rechtsprechung entwickelten Grundsatz, sondern vor allem der Regelungsabsicht der Verordnung, die rechtlichen Beziehungen zwischen den Überwachungsorganisationen und ihren Prüfingenieuren von direkter staatlicher Einflussnahme so weit wie möglich frei zu halten. Das Berufungsgericht hat es zu Recht als Beleg dieser Absicht angesehen, dass die Befugnisse gegenüber den Prüfingenieuren bei dem technischen Leiter der Überwachungsorganisationen konzentriert sind und sich die Anerkennungsbehörde auf Befugnisse im Verhältnis zur Organisation beschränken muss. Dieses Verständnis entspricht auch der in den Erläuterungen der Anerkennungsrichtlinie für Überwachungsorganisationen des Bundesministeriums für Verkehr, Bau und Wohnungswesen vom 5. Juni 2009 (VkBl S. 364) zum Ausdruck kommenden Verwaltungspraxis.

14

2. Die Anerkennungsbehörden der Länder mussten dem Widerruf nicht zustimmen. Es bedarf daher keiner Erörterung, ob nach dem Rechtsgedanken des § 184 BGB nachträgliche Zustimmungen - die hier erteilt wurden - möglich sind oder ob der Mangel fehlender vorheriger Zustimmung geheilt werden könnte (vgl. § 45 Abs. 1 Nr. 5 VwVfG).

15

Die Anlage VIIIb begründet Zustimmungserfordernisse durch die zuständige Anerkennungsbehörde (Nr. 1 der Anlage) als Voraussetzung nur für die Betrauung von Prüfingenieuren mit bestimmten Untersuchungen und Abnahmen (Nr. 3.7 und Nr. 4.1.3). Daraus lässt sich nicht folgern, dass Entsprechendes für den Widerruf als actus contrarius gelten müsse, wie der Kläger meint. Für andere als die ausdrücklich vorgesehenen Fälle ließe sich ein Zustimmungserfordernis nur durch erweiternde Auslegung oder Analogie rechtfertigen. Dafür besteht kein Anlass. Die Straßenverkehrs-Zulassungs-Ordnung verfolgt nicht die Absicht, den Anerkennungsbehörden ein umfassendes Mitwirkungsrecht bei Betrauungen einzuräumen. Das ergibt sich schon aus der genannten Intention, die staatliche Einflussnahme auf die Rechtsbeziehungen zwischen Überwachungsorganisationen und ihren Ingenieuren auf das Notwendige zu beschränken. Demgemäß sieht die Anlage VIIIb sogar dort, wo sie einen Widerruf durch die Überwachungsorganisation regelt, kein Zustimmungserfordernis vor (vgl. Nr. 5). Vor allem aber gebietet der Zweck der Zustimmung keine Mitwirkung am Widerruf von Betrauungen, wie das Berufungsgericht zutreffend herausstellt. Das Zustimmungserfordernis bei der Betrauung soll eine staatliche Überprüfung der Eignung und Zuverlässigkeit solcher Personen ermöglichen, die als Prüfingenieure mit Außenwirkung hoheitlich tätig werden. Entfällt diese Tätigkeit - etwa durch den Widerruf der Betrauung -, so besteht kein gleichartiges staatliches Interesse; denn dieses wird durch die Gemeinwohlbelange einer funktionierenden Fahrzeugüberwachung begründet und nicht durch private Interessen des betrauten Prüfingenieurs an einer Kontrolle der Überwachungsorganisation. Daher lässt sich eine umfassende Mitwirkung der Anerkennungsbehörde nicht dadurch rechtfertigen, dass ein Prüfingenieur durch den Widerruf in seiner beruflichen Sphäre beeinträchtigt wird. Insofern gilt nichts anderes als bei der Ablehnung einer erstrebten Betrauung, für die ebenfalls kein Zustimmungserfordernis vorgesehen ist.

16

3. Das Berufungsgericht war auch gemäß § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO zur Zurückverweisung berechtigt.

17

Nach dieser Vorschrift darf das Berufungsgericht zurückverweisen, wenn das Verwaltungsgericht noch nicht in der Sache selbst entschieden hat. Unmittelbar werden damit Fälle erfasst, in denen das Verwaltungsgericht keine Sachentscheidung über einen Streitgegenstandsteil getroffen hat, sei es, dass das Gericht ein Prozessurteil erlassen oder aus anderen Gründen (wie Fehldeutung des Klageziels) das Klagebegehren nicht oder nur teilweise beschieden hat (z.B. Happ, in: Eyermann, VwGO, 13. Aufl. 2010, § 130 Rn. 12 m.w.N.).

18

Um einen solchen Fall handelt es sich hier nicht. Das Verwaltungsgericht hat das Begehren - Aufhebung des Widerrufsbescheides und des dazu ergangenen Widerspruchsbescheides - in der Sache beschieden, den Widerrufsbescheid allerdings wegen angenommener formeller Rechtswidrigkeit der Widerrufsentscheidung aufgehoben. In der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts ist freilich eine sinngemäße Anwendung des § 130 Abs. 2 Nr. 2 VwGO anerkannt, wenn das Verwaltungsgericht zum eigentlichen Gegenstand des Streites deshalb nicht vorgedrungen ist, weil es in einer rechtlichen Vorfrage die Weiche falsch gestellt und sich infolgedessen den Zugang zum Kern des Streites versperrt hat (Urteil vom 26. Mai 1971 - BVerwG 6 C 39.68 - BVerwGE 38, 139 <146> = Buchholz 232 § 86 BBG Nr. 3; Beschluss vom 27. November 1981 - BVerwG 8 B 189.81 - NVwZ 1982, 500 = Buchholz 406.11 § 131 BBauG Nr. 44). In einem solchen Fall überschreitet die Entscheidung des Oberverwaltungsgerichts, die Sache zurückzuverweisen, statt gemäß § 130 Abs. 1 VwGO selbst aufzuklären und in der Sache zu entscheiden, jedenfalls dann in der Regel nicht die Grenzen des in § 130 Abs. 2 VwGO eingeräumten Ermessens, wenn die Beteiligten, wie hier, die Zurückverweisung übereinstimmend beantragt haben.

19

Abschließend ist darauf hinzuweisen, dass es auf das Vorliegen von Widerrufsgründen nicht ankommen dürfte, wenn der Kläger der Organisation der Beklagten im maßgeblichen Beurteilungszeitpunkt bereits nicht mehr angehört haben sollte. In diesem Falle dürfte sich die Betrauung erledigt haben (§ 43 Abs. 2 VwVfG), weil die mit ihr verbundenen Aufgaben ausschließlich von in eine anerkannte Überwachungsorganisation eingebundenen Personen wahrgenommen werden dürfen (Nr. 3 der Anlage VIIIb). Einem Widerruf käme in einem solchen Fall lediglich klarstellende Bedeutung zu.

Tatbestand

1

Der Kläger wendet sich gegen den Widerruf seiner Bestellung zum Bezirksschornsteinfegermeister.

2

Der im Jahre 1958 geborene Kläger ist seit dem Jahr 1987 als Bezirksschornsteinfegermeister bestellt und ist derzeit für einen Kehrbezirk im Burgenlandkreis zuständig.

3

Der Kläger betätigt sich aktiv für die Nationaldemokratische Partei (NPD), ohne deren Mitglied zu sein. Er ist seit dem Jahr 2004 Vorsitzender der NPD-Fraktion im Stadtrat von L., seit 2007 Mitglied der NPD-Fraktion im Kreistag des Burgenlandkreises und kandidierte im Jahr 2005 als Unabhängiger auf der Landesliste Sachsen-Anhalt der NPD für die Wahlen zum Deutschen Bundestag.

4

In den Jahren 2001 bis 2004 sowie 2006 und 2007 nahm er an Veranstaltungen zum Gedenken an die Mörder des Außenministers der Weimarer Republik Walther Rathenau in Bad Kösen, Ortsteil Saaleck, teil, wo er 2004 an einer Kranzniederlegung mitwirkte und 2007 zudem eine Rede hielt. Weitere außerberufliche Aktivitäten des Klägers sind zwischen den Beteiligten umstritten.

5

Der Beklagte widerrief mit Bescheid vom 10. April 2008 die Bestellung des Klägers als Bezirksschornsteinfegermeister mit der Begründung, dass dieser nicht die erforderliche persönliche Zuverlässigkeit für die Ausübung seines Berufes besitze. Im Hinblick auf die von dem Bezirksschornsteinfegermeister wahrzunehmenden öffentlichen Aufgaben bestehe eine besondere Loyalitätspflicht zum Staat und zum Gefüge seiner Ordnung. Durch die exponierte Betätigung für die rechtsextremistische NPD habe er sich für das Amt des Bezirksschornsteinfegermeisters untragbar gemacht.

6

Auf die hiergegen erhobene Klage hat das Verwaltungsgericht Halle mit Urteil vom 29. April 2010 den Bescheid des Beklagten aufgehoben. Das Oberverwaltungsgericht des Landes Sachsen-Anhalt hat mit Urteil vom 10. November 2011 die Berufung des Beklagten zurückgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, das Verwaltungsgericht sei zu Recht davon ausgegangen, dass die Voraussetzungen für den Widerruf der Bestellung als Bezirksschornsteinfegermeister nicht erfüllt seien. Es sei nicht dargetan, dass der Kläger die ihm nach dem Schornsteinfegergesetz übertragenen Aufgaben nicht erfüllt oder etwa die damit verbundenen steuer- oder sozialversicherungsrechtlichen Pflichten vernachlässigt habe. Die dem Kläger zur Last gelegten politischen Aktivitäten seien kein hinreichender Grund dafür, seine Bestellung als Bezirksschornsteinfegermeister wegen fehlender persönlicher Zuverlässigkeit zu widerrufen. Zwar sei der Senat davon überzeugt, dass der Kläger sich mit den Zielen der NPD identifiziere und sich aktiv für diese Partei einsetze. Es sei aber nicht festzustellen, dass er im Rahmen der Erfüllung seiner Aufgaben Bürgern gegenüber unangemessen, insbesondere aktiv werbend für die Ziele der NPD bzw. für rechtsextremistische Auffassungen, aufgetreten sei. Auch die - nach Auffassung des Senats zu Recht bestehenden - Zweifel an der Verfassungstreue des Klägers seien für sich genommen nicht geeignet, seine Zuverlässigkeit infrage zu stellen, weil die Aufgabenerfüllung des Bezirksschornsteinfegermeisters kein aktives Eintreten für die freiheitlich-demokratische Grundordnung voraussetze. Dies gelte ungeachtet des Umstands, dass Bezirksschornsteinfegermeistern hoheitliche Befugnisse eingeräumt seien. Die dem Kläger zur Last gelegten Verhaltensweisen im privaten Bereich belegten zwar, soweit sie ihm denn zugerechnet werden könnten, eine ausländerfeindliche und antisemitische Grundhaltung. Sie stünden aber nicht im Zusammenhang mit seiner beruflichen Tätigkeit und seien damit nicht geeignet, eine gröbliche Verletzung seiner Berufspflichten zu begründen.

7

Mit seiner Revision macht der Beklagte geltend: Das angefochtene Urteil gehe zu Unrecht davon aus, dass die Feststellung der Unzuverlässigkeit wegen eines Verhaltens im privaten Bereich einen Zusammenhang mit einer zu befürchtenden Verletzung beruflicher Pflichten voraussetze. Aufgrund seiner Beleihung mit hoheitlichen Aufgaben seien an die persönliche Zuverlässigkeit des Bezirksschornsteinfegermeisters höhere Anforderungen als an einen "normalen" Gewerbetreibenden zu stellen. Der Bezirksschornsteinfegermeister müsse auch durch sein außerberufliches Verhalten in der Öffentlichkeit Gewähr dafür bieten, dass Eigentümer und Besitzer von Grundstücken und Räumen im Kehrbezirk das notwendige Vertrauen besitzen und dem Bezirksschornsteinfegermeister ohne berechtigte Bedenken Zutritt zu ihren Grundstücken und Räumen verschaffen. Die vom Berufungsgericht festgestellten rechtsextremistischen Aktivitäten des Klägers und sein aktives politisches Engagement für die NPD ließen schon für sich genommen die Befürchtung entstehen, dass er nicht die erforderliche Neutralität bei der Wahrnehmung seines öffentlichen Amtes wahre. Darauf, dass der Kläger nicht strafrechtlich verurteilt worden sei, komme es nicht an. Im Übrigen wiesen die vom Berufungsgericht festgestellten Tatsachen teilweise den vom Gericht geforderten Zusammenhang mit einer Verletzung der Pflichten des Bezirksschornsteinfegermeisters auf. Der Internetauftritt der NPD-Kreistagsfraktion beinhalte schmähende und beleidigende Aussagen ("Wadenbeißer", "Kriminelle" sowie "Hanf zu Seilen, Laternen zu Galgen") gegenüber dem damaligen Wirtschaftsminister, dem ranghöchsten Vertreter der obersten Aufsichtsbehörde. Weiterhin sei der Kläger im Internet in Berufskleidung mit der sogenannten "Schulhof-CD" der NPD abgebildet gewesen. Das Berufungsgericht habe insoweit gegen den Untersuchungsgrundsatz verstoßen, als es nicht aufgeklärt habe, ob es sich - wie der Kläger behauptet - hierbei um eine Fotomontage handele. Schließlich sei für die Beurteilung der Rechtslage auf den Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung abzustellen, da es sich bei dem Widerrufsbescheid um einen Dauerverwaltungsakt handele, weshalb das Berufungsgericht auch Vorfälle nach 2008 hätte in den Blick nehmen müssen.

8

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Oberverwaltungsgerichts Sachsen-Anhalt vom 10. November 2011 und das aufgrund der mündlichen Verhandlung vom 29. April 2010 ergangene Urteil des Verwaltungsgerichts Halle zu ändern und die Klage abzuweisen.

9

Der Kläger beantragt,

die Revision zurückzuweisen.

10

Er verteidigt das angegriffene Urteil.

11

Der Vertreter des Bundesinteresses beim Bundesverwaltungsgericht beteiligt sich am Verfahren. Er verteidigt ebenfalls das Berufungsurteil.

Entscheidungsgründe

12

Die Revision hat Erfolg. Das angegriffene Urteil verstößt gegen Bundesrecht (§ 137 Abs. 1 Nr. 1 VwGO) und erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig (§ 144 Abs. 4 VwGO). Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen ist die Klage gegen den Bescheid des Beklagten vom 10. April 2008 unbegründet. Der Beklagte hat die Bestellung des Klägers als Bezirksschornsteinfegermeister zu Recht widerrufen.

13

1. Da es sich um eine Anfechtungsklage handelt und das einschlägige materielle Recht keine anderweitige Regelung trifft, ist für die Beurteilung der Sach- und Rechtslage der Zeitpunkt der letzten behördlichen Entscheidung maßgeblich (vgl. Urteil vom 8. April 1997 - BVerwG 1 C 7.93 - Buchholz 451.29 Schornsteinfeger Nr. 41). Entgegen der Auffassung der Revision handelt es sich bei dem Widerruf der Bestellung nicht um einen Dauerverwaltungsakt, sondern um einen rechtsgestaltenden Verwaltungsakt, mit dem in Form einer einmaligen Regelung eine Rechtsposition wieder entzogen wird (vgl. auch Musielak/Schira/Manke, Schornsteinfegergesetz, 6. Aufl. 2003, § 11 Rn. 9). Schon deshalb geht die vom Beklagten gezogene Parallele zur Gewerbeuntersagung nach § 35 GewO fehl. Die nach einem Widerruf der Bestellung als Bezirksschornsteinfegermeister gegebene Wiedereintragungsmöglichkeit in die Bewerberliste ist zudem von einem an die Behörde zu stellenden Antrag abhängig (vgl. § 4 Abs. 2 Nr. 3 Buchst. b, Abs. 3 i.V.m. § 1 Nr. 2 der Verordnung über das Schornsteinfegerwesen vom 19. Dezember 1969 - SchfVO 1969 ). Dieses Antragserfordernis schließt es nicht anders als bei der Wiedergestattung einer zuvor untersagten Gewerbeausübung (vgl. zu § 35 Abs. 5 und 6 GewO Urteil vom 2. Februar 1982 - BVerwG 1 C 146.80 - BVerwGE 65, 1 <2 f.> = Buchholz 451.20 § 35 GewO Nr. 37 S. 8) aus, die für eine Wiedergestattung relevanten Umstände im laufenden Anfechtungsprozess zu berücksichtigen. Der angefochtene Bescheid beurteilt sich somit nach dem Gesetz über das Schornsteinfegerwesen (Schornsteinfegergesetz - SchfG) in der Fassung der Bekanntmachung vom 10. August 1998 (BGBl I S. 2071), geändert durch Art. 147 der Neunten Zuständigkeitsanpassungsverordnung vom 31. Oktober 2006 (BGBl I S. 2407); auf nach dem Widerruf eingetretene tatsächliche Umstände lässt er sich nicht stützen.

14

2. Nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 SchfG 1998 ist - nach Anhörung des Vorstandes der Schornsteinfegerinnung - die Bestellung als Bezirksschornsteinfegermeister zu widerrufen, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, dass der Bezirksschornsteinfegermeister nicht die erforderliche persönliche Zuverlässigkeit für die Ausübung seines Berufes besitzt. Entgegen der Auffassung der Vorinstanzen liegen diese Voraussetzungen hier vor.

15

a) Allerdings ist dem Berufungsgericht darin Recht zu geben, dass die Anforderungen an die persönliche Zuverlässigkeit funktions-, das heißt berufsbezogen zu bestimmen sind. Das ergibt sich schon aus dem Wortlaut des § 11 Abs. 2 Nr. 1 SchfG 1998, der die erforderliche persönliche Zuverlässigkeit des Bezirksschornsteinfegermeisters "für die Ausübung seines Berufes" voraussetzt. Entgegen der Ansicht des Beklagten unterliegt der Bezirksschornsteinfegermeister damit nicht einer politischen Treuepflicht gegenüber dem Staat und seiner Verfassung, wie sie nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts zu den hergebrachten Grundsätzen des Berufsbeamtentums gemäß Art. 33 Abs. 5 GG den Beamten als solchen - (auch) unabhängig von dessen Funktion - trifft (BVerfG, Beschluss vom 22. Mai 1975 - 2 BvL 13/73 - BVerfGE 39, 334 <346 ff.>). Nach dieser Rechtsprechung hat der Beamte den Staat und seine geltende Verfassungsordnung zu bejahen; sie fordert insbesondere, dass er sich eindeutig von Gruppen und Bestrebungen distanziert, die diesen Staat, seine verfassungsmäßigen Organe und die geltende Verfassungsordnung angreifen, bekämpfen und diffamieren (a.a.O. S. 348). Zwar ist gemäß Art. 33 Abs. 5 GG das Recht des öffentlichen Dienstes unter Berücksichtigung der hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu regeln und fortzuentwickeln, und gemäß Art. 33 Abs. 4 GG ist die Ausübung hoheitsrechtlicher Befugnisse als ständige Aufgabe in der Regel Angehörigen des öffentlichen Dienstes zu übertragen, die in einem öffentlich-rechtlichen Dienst- und Treueverhältnis stehen. Der Bezirksschornsteinfegermeister ist jedoch nicht Angehöriger des öffentlichen Dienstes. Zwar übt er ebenfalls hoheitliche Befugnisse aus; doch ist er deshalb nicht in den öffentlichen Dienst eingegliedert, sondern wird als Privater mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse beliehen (vgl. Urteil vom 18. März 1994 - BVerwG 8 C 15.93 - Buchholz 451.29 Schornsteinfeger Nr. 37). Die Beleihung Privater mit der Ausübung hoheitlicher Befugnisse stellt gerade die Ausnahme von der Regel des Art. 33 Abs. 4 GG dar (vgl. BVerfG, Urteil vom 18. Januar 2012 - 2 BvR 133/10 - , NJW 2012, 1563 = JZ 2012, 676 m. Anm. Waldhoff).

16

Aus Art. 33 Abs. 2 GG ergibt sich nichts Anderes. Zwar mag die Betrauung mit öffentlichen Aufgaben unter gleichzeitiger Ermächtigung zur Ausübung hoheitlicher Befugnisse als Übertragung eines öffentlichen Amtes im Sinne dieser Vorschrift angesehen werden; dementsprechend bestimmt § 9 Abs. 4 des Schornsteinfeger-Handwerksgesetzes vom 26. November 2008 (BGBl I S. 2242) nunmehr, dass die Auswahl zwischen den Bewerbern und Bewerberinnen zum bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegermeister nach ihrer Eignung, Befähigung und fachlichen Leistung vorzunehmen ist. Das lässt jedoch offen, nach welchen Gesichtspunkten die Anforderungen an die persönliche Eignung des bevollmächtigten Bezirksschornsteinfegermeisters des Näheren zu bestimmen sind. Namentlich ist damit nicht gesagt, dass hierbei auch bei Personen, die nicht dem öffentlichen Dienst zuzurechnen sind, die hergebrachten Grundsätze des Berufsbeamtentums zu berücksichtigen sind.

17

b) Der Bezirksschornsteinfegermeister besitzt nur dann die erforderliche (fachliche und persönliche) Zuverlässigkeit für die Ausübung seines Berufes, wenn er die Gewähr dafür bietet, jederzeit seine Berufspflichten zu erfüllen. Diese ergeben sich aus den §§ 3 und 13 SchfG 1998. Hiernach hat der Bezirksschornsteinfegermeister eine Doppelstellung: Gemäß § 3 Abs. 2 SchfG 1998 gehört er als Gewerbetreibender dem Handwerk an, nimmt aber bei der Feuerstättenschau (§ 13 Abs. 1 Nr. 2 SchfG 1998), bei der Bauabnahme (§ 13 Abs. 1 Nr. 4 und 9 SchfG 1998) und bei Tätigkeiten auf dem Gebiet des Immissionsschutzes sowie der rationellen Energieverwendung (§ 13 Abs. 2 Nr. 10, 11 und 12 SchfG 1998) öffentliche Aufgaben wahr. Der Bezirksschornsteinfegermeister hat demnach im Vergleich zu anderen Handwerkern eine Sonderstellung inne, bei der die privatrechtlichen Wesenszüge ganz zurücktreten, die öffentlich-rechtlichen Elemente durchaus überwiegen (Urteil vom 19. Dezember 1957 - BVerwG 1 C 241.54 - BVerwGE 6, 72 <75> = Buchholz 451.20 § 39 GewO Nr. 1 S. 3; Beschluss vom 23. Februar 1972 - BVerwG 1 B 13.72 - GewArch 1972, 184). Dementsprechend gelten für ihn nicht nur die Anforderungen des allgemeinen Handwerks- und Gewerberechts; zusätzlich muss er auch Gewähr dafür bieten, diejenigen spezifischen Berufspflichten zu erfüllen, die sich gerade aus der Wahrnehmung öffentlicher Aufgaben begründen.

18

Der Bezirksschornsteinfegermeister nimmt seine öffentlichen Aufgaben unter Ausübung hoheitlicher Befugnisse wahr; er ist insofern Beliehener (stRspr; vgl. Beschlüsse vom 23. Februar 1972 a.a.O. und vom 18. Dezember 1989 - BVerwG 8 B 141.89 - BVerwGE 84, 244 <247> = Buchholz 451.29 Schornsteinfeger Nr. 32 S. 20; Urteil vom 18. März 1994 - BVerwG 8 C 15.93 - Buchholz 451.29 Schornsteinfeger Nr. 37 S. 6). Das gilt unabhängig davon, ob er selbst Verwaltungsakte erlassen darf oder auf schlicht-hoheitliches Handeln beschränkt ist (vgl. hierzu Huber/Schorr, Die Zukunft des Schornsteinfegerhandwerks im Binnenmarkt, 2006, Rn. 32 ff., 51 ff.). Ihm wird gemäß § 2 SchfG 1998 ein Kehrbezirk zugewiesen, in dem er zur Vornahme der in § 1 SchfG 1998 geregelten Kehr- und Überprüfungsarbeiten unter Ausschluss jeden Wettbewerbs allein befugt ist. Die Eigentümer und Besitzer von Grundstücken und Räumen sind nach § 1 Abs. 3 SchfG verpflichtet, dem Bezirksschornsteinfegermeister und seinen Bediensteten zur Ausübung dieser Kehr- und Überwachungsaufgaben den Zutritt zu ihren Grundstücken und Räumen zu gestatten. Der Bezirksschornsteinfegermeister tritt den Eigentümern und Besitzern von Grundstücken und Räumen damit hoheitlich gegenüber. Er ist deshalb wie jede Behörde (vgl. § 1 Abs. 4 VwVfG) an Gesetz und Recht (Art. 20 Abs. 3 GG), namentlich an die Grundrechte gebunden (Art. 1 Abs. 3 GG). Ein Bezirksschornsteinfegermeister, der nicht die Gewähr bietet, die geltende Rechtsordnung, insbesondere die Grundrechte der Eigentümer und Besitzer von Grundstücken und Räumen in seinem Kehrbezirk jederzeit verlässlich zu beachten, ist im Sinne von § 11 Abs. 2 Nr. 1 SchfG 1998 persönlich unzuverlässig.

19

c) Ob der Bezirksschornsteinfegermeister unzuverlässig ist, beurteilt sich anhand von Tatsachen, welche auf sein künftiges Verhalten in Ausübung seines Berufes schließen lassen (vgl. § 35 Abs. 1 Satz 1 GewO). Von der Behörde wird also eine Wertung von Tatsachen verlangt, verbunden mit einer Prognose auf das künftige Verhalten des Bezirksschornsteinfegermeisters (vgl. Marcks, in: Landmann/Rohmer, GewO, Band I, Stand Februar 2012, § 35 Rn. 31 f.). Dabei entspricht es den allgemeinen Grundsätzen des Rechts der Gefahrenabwehr, umso strengere Anforderungen an die Zuverlässigkeit zu stellen, je schutzwürdiger die Rechtsgüter sind, die gefährdet werden können, und je höher der mögliche Schaden ist (vgl. Marcks, a.a.O. Rn. 32 m.w.N.).

20

Hierbei ist auch vergangenes außerberufliches - in diesem Sinne privates - Verhalten in den Blick zu nehmen, sofern dieses Anhaltspunkte für künftiges berufliches Verhalten bietet. Aus der Regelungsgeschichte lässt sich nicht herleiten, dass der Normgeber privates Verhalten hätte vollständig ausblenden wollen. Zwar hat die Neufassung der Schornsteinfegerverordnung vom 12. November 1964 (BGBl I S. 874) nicht mehr verlangt, dass sich der Bezirksschornsteinfegermeister durch einen "vorbildlichen Lebenswandel" auszeichne. Indes schrieb § 27 Abs. 3 Satz 2 SchfVO 1964 vor, dass er auch außerhalb seiner Berufstätigkeit der Achtung und dem Vertrauen gerecht werden müsse, die sein Beruf erfordern. Dass diese Bestimmung nicht in das Schornsteinfegergesetz vom 15. September 1969 (BGBl I S. 1634) übernommen wurde, bringt entgegen der Ansicht des Berufungsgerichts nicht zum Ausdruck, dass das private Verhalten nunmehr für die Frage der Zuverlässigkeit des Schornsteinfegermeisters außer Acht zu lassen wäre. Der Satz wurde vielmehr auf Anregung des Bundesjustizministeriums gestrichen, weil er "unerheblich" sei (Deutscher Bundestag, Ausschuss für Wirtschaft und Mittelstandsfragen, Aktenvermerk vom 12. und 13. März 1969, S. 3); es sollte mithin insofern bei der allgemeinen gewerberechtlichen Rechtslage verbleiben, wonach privates Verhalten aber ebenfalls nicht von vornherein ausgeblendet wurde und wird.

21

Entgegen der Annahme des Berufungsgerichts ist auch nicht nur solches private Verhalten relevant, das schon selbst einen "unmittelbaren" Berufsbezug aufweist. Abgesehen davon, dass sich "unmittelbar" berufsbezogenes Verhalten selten hinlänglich genau von nur "mittelbar" berufsbezogenem Verhalten wird abgrenzen lassen, besteht für eine derartige Blickverengung kein Anlass. Der nötige Berufsbezug wird dadurch hergestellt, dass auch privates Verhalten das Urteil der Unzuverlässigkeit nur dann zu tragen vermag, wenn es die Sorge begründet, der Bezirksschornsteinfegermeister werde künftig seinen beruflichen Pflichten nicht jederzeit zuverlässig nachkommen. Aus demselben Grunde besteht auch kein Anlass, vergangenes (privates) Verhalten nur dann zur Grundlage für die nötige Prognose zu nehmen, wenn es strafbar war oder gar wenn es - wie der Kläger meint - tatsächlich bestraft wurde. Aufschluss über künftiges berufliches Verhalten vermag nicht nur strafbares Verhalten zu bieten.

22

Allerdings haben behördliche Maßnahmen im Bereich des Gewerberechts und damit auch solche nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 SchfG 1998 die Grundrechte des Betroffenen zu wahren, unter anderem die Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) und die Freiheit, sich in einer oder für eine nicht nach Art. 21 Abs. 2 GG verbotene Partei zu engagieren. Solche Maßnahmen dürfen deshalb nicht allein an die politische oder weltanschauliche Gesinnung anknüpfen. Bei der Prüfung und Beurteilung der persönlichen Zuverlässigkeit eines Bezirksschornsteinfegermeisters geht es allein darum, eine - auf der Grundlage seines bisherigen Verhaltens zu befürchtende - Verletzung berufsbezogener Pflichten zu verhindern.

23

d) Die bloße Mitgliedschaft in der NPD oder Anhängerschaft für diese Partei könnte nach dem Vorstehenden die Unzuverlässigkeit eines Bezirksschornsteinfegermeisters für die Ausübung seines Berufes ebenso wenig begründen wie die Kandidatur zu kommunalen Vertretungskörperschaften oder staatlichen Parlamenten, die Wahrnehmung von Mandaten aus einer solchen Wahl oder die Mitgliedschaft in einer Fraktion der NPD.

24

Zulässig ist jedoch eine Anknüpfung an öffentliche antisemitische Aktivitäten des Klägers im außerberuflichen Bereich. Das Berufungsgericht hat zu den einzelnen, vom Beklagten vorgetragenen Aktivitäten keine näheren Feststellungen getroffen, so dass als gesichert nur diejenigen Aktivitäten zugrundegelegt werden können, die der Kläger selbst eingeräumt hat. Hiernach ist davon auszugehen, dass der Kläger in den Jahren 2001 bis 2004 sowie erneut 2006 und 2007 an den jährlichen "Totenehrungen" an den (mittlerweile eingeebneten) Gräbern der Mörder Walther Rathenaus teilgenommen, dort 2004 einen Kranz mit der Aufschrift "Wenn alle untreu werden, bleiben wir doch treu" niedergelegt und 2007 eine Rede gehalten hat. Das Berufungsgericht hat hierin den Beleg für eine rassistische und antisemitische Grundhaltung gesehen. Hiergegen hat der Kläger Verfahrensrügen nicht erhoben.

25

Gegen die Sachwürdigung des Berufungsgerichts lässt sich auch nichts erinnern. Durch seine aktive Beteiligung an den "Totenehrungen" hat der Kläger zum Ausdruck gebracht, dass für ihn selbst schwerste antisemitische Straftaten billigenswert und die Täter verehrungswürdig sind, sofern die Taten den von ihm für richtig gehaltenen politischen Zielen dienen. Der im Jahr 1922 auf den Reichsaußenminister Dr. Walther Rathenau verübte Mordanschlag zielte nicht nur auf die Destabilisierung und Beseitigung der Republik und der Demokratie, sondern war antisemitisch motiviert. Dr. Rathenau war wegen seines jüdischen Glaubens Ziel hasserfüllter antisemitischer Hetzkampagnen gewesen und wurde deren Opfer (vgl. dazu u.a. Gotthard Jasper, Der Schutz der Republik. Studien zur staatlichen Sicherung der Demokratie in der Weimarer Republik 1922 - 1930, Tübingen 1963, S. 57 m.w.N.; Clemens Picht in: Hans Wilderotter , Walther Rathenau 1867 - 1922. Die Extreme berühren sich, 1997, S. 117 <125 f.>). Bekannt wurde vor allem das von den nationalistisch-terroristischen Freikorps verbreitete Schmählied: "Auch der Rathenau, der Walther, / erreicht kein hohes Alter. / Knallt ab den Walther Rathenau, / die gottverfluchte Judensau!" (vgl. u.a. Gotthard Jasper, a.a.O. S. 57). Gerade wegen dieser doppelten Bedeutung veranstaltete die NSDAP seit 1933 alljährliche "Totenehrungen" am Todestag der beiden Täter, dem 17. Juli, an deren Grab in Saaleck. Hitler ließ dort sogar einen Gedenkstein aufstellen.

26

Nach 1990 stellte sich die extreme Rechte in diese Tradition, indem sie alljährlich wiederum am 17. Juli "Totenehrungen" in Saaleck durchführte. Durch ihr Gesamtgepräge und die Anknüpfung an die früheren Gedenkveranstaltungen in der NS-Zeit erlangen sie ihren spezifischen Erklärungsinhalt. Die für die "Totenehrungen" in Saaleck Verantwortlichen und die daran aktiv Mitwirkenden machten damit öffentlich deutlich, dass sie den Mördern ihre Ehrerbietung bezeugten und dass sie sich bewusst in die Tradition der früheren NS-Gedenkveranstaltungen stellten. So wurde dies auch in der Öffentlichkeit wahrgenommen (vgl. u.a. die Berichte in der "Zeit" vom 30. März 2000 und in der "Badischen Zeitung" vom 13. August 2012). Wie sich aus den Einlassungen des anwaltlich vertretenen Klägers im Anhörungs- und im Klagverfahren ergibt, waren und sind ihm die historischen Fakten und Zusammenhänge des Mordanschlags auf Dr. Rathenau sowie die nationalsozialistische Tradition, in der die "Totenehrungen" standen, im Wesentlichen bekannt und bewusst. Er hat sich an diesen Veranstaltungen aktiv beteiligt und sich damit öffentlich antisemitisch betätigt. Seine Einlassung, er habe sich lediglich mit dem historischen Sachverhalt auseinandersetzen wollen, stellt nach den berufungsgerichtlichen Tatsachenfeststellungen eine Schutzbehauptung dar, die erkennbar das Ziel hat, die seinem Verhalten zugrunde liegenden Beweggründe zu verschleiern; sie sucht den Erklärungsinhalt seines Verhaltens herunterzuspielen. Das ergibt sich bereits daraus, dass er nicht nur einmal und als schweigender Besucher, sondern wiederholt teilnahm und sich auch mit einer Kranzniederlegung mit einer Aufschrift, welche den Eingangsvers des von der SS missbrauchten Studentenliedes "Wenn alle untreu werden, so bleiben wir doch treu" wiederholt, sowie einer öffentlichen Rede hervorgetan hat.

27

Einem Bezirksschornsteinfegermeister, der in dieser Weise antisemitische und rassistische schwerste Straftaten öffentlich billigt, fehlt die erforderliche persönliche Zuverlässigkeit für die Ausübung seines Berufes. Er bietet nicht die Gewähr dafür, dass er die Grundrechte der Eigentümer und Besitzer von Grundstücken und Räumen, denen er in Ausübung seines Berufes gegenübertritt, jederzeit verlässlich achtet. Vielmehr besteht die Gefahr, dass er sich diesen Personen gegenüber - entgegen seiner Bindung auch an Art. 3 Abs. 3 GG - jedenfalls dann voreingenommen und diskriminierend verhält, wenn diese einer ethnischen oder religiösen Minderheit angehören. Eine Verletzung der besonderen Grundrechte aus Art. 3 Abs. 3 GG wäre zudem von besonderem Gewicht; das Vertrauen der Bevölkerung und gerade von ethnischen oder religiösen Minderheiten in eine neutrale und unvoreingenommene Amtsführung deutscher Amtsträger ist nach den Erfahrungen der deutschen Geschichte stets prekär und gerade deshalb besonders wertvoll. Angesichts dessen sind an die nach § 11 Abs. 2 Nr. 1 SchfG 1998 "erforderliche" Zuverlässigkeit gerade in dieser Hinsicht besonders hohe Anforderungen zu stellen. Deshalb genügen die beschriebenen Anhaltspunkte, um den Kläger als unzuverlässig erscheinen zu lassen. Die zuständige Behörde muss nicht abwarten, bis sich die Gefahr einer konkreten Verletzung der Berufspflichten realisiert.

28

3. Grundrechte des Klägers stehen dem Widerruf seiner Bestellung als Bezirksschornsteinfegermeister nicht entgegen.

29

a) Art. 12 Abs. 1 GG ist nicht verletzt. Indem die Vorschrift des § 11 Abs. 2 Nr. 1 SchfG 1998 den Widerruf der Bestellung als Bezirksschornsteinfegermeister bei Vorliegen bestimmter Voraussetzungen anordnet, schränkt sie die Freiheit der Berufswahl auf der Stufe einer subjektiven Zulassungsvoraussetzung ein. Solche Einschränkungen sind nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts nur statthaft, soweit dadurch ein überragendes Gemeinschaftsgut, das der Freiheit des Einzelnen vorgeht, geschützt werden soll, sie nicht außer Verhältnis zu dem angestrebten Zweck der ordnungsgemäßen Erfüllung der Berufstätigkeit stehen und keine übermäßige unzumutbare Belastung enthalten (BVerfG, Beschluss vom 12. März 1985 - 1 BvL 25, 45, 52/83 - BVerfGE 69, 209 <218>). Es steht nicht im Widerspruch zu Art. 12 Abs. 1 GG, Personen nicht mit den Hoheitsbefugnissen eines Bezirksschornsteinfegermeisters zu beleihen, die Anlass bieten, an ihrer Bereitschaft und Fähigkeit zu zweifeln, ihre Amtspflichten uneingeschränkt zu erfüllen und insbesondere ihre beruflichen Aufgaben unparteiisch und frei von jeglicher Diskriminierung ihrer Kunden, auch wenn sie ethnischen oder religiösen Minderheiten angehören, wahrzunehmen. Die Gewährleistung einer unparteiischen und rechtsstaatlichen Aufgabenwahrnehmung stellt ein überragend wichtiges Gemeinschaftsgut dar, hinter das das Interesse des Bezirksschornsteinfegermeisters, mit Hoheitsbefugnissen beliehen zu werden, zurückzustehen hat. Mildere, ebenso geeignete Maßnahmen zum Schutz des Gemeinschaftsguts sind nicht ersichtlich. Eine vorherige Pflichtenmahnung (vgl. § 27 SchfG 1998 und hierzu Beschluss vom 8. September 1959 - BVerwG 1 CB 91.59 - GewArch 1959/60, 160; Dohrn, Das deutsche Schornsteinfegerwesen, Stand Juli 2012, 750 § 11 Rn. 5) wäre nicht geeignet gewesen, eine Verhaltensänderung zu bewirken. Denn der anwaltlich vertretene Kläger hat auf das Anhörungsschreiben des Beklagten vom 28. Januar 2008 sein Verhalten durch das Schreiben seines Prozessbevollmächtigten vom 18. Februar 2008 ausdrücklich rechtfertigen lassen. Er sah keine Veranlassung, sein Verhalten zu korrigieren. Auch im Klageverfahren hat der Kläger hieran festgehalten. Mit dem Widerruf der Bestellung wird dem Kläger zudem nicht die Möglichkeit genommen, seinem Beruf als Schornsteinfeger in anderer Weise, etwa in einem Angestelltenverhältnis oder als selbstständiger Handwerker ohne Bestellung zum Bezirksschornsteinfegermeister mit Hoheitsbefugnissen nachzugehen.

30

b) Der Widerruf der Bestellung des Klägers als Bezirksschornsteinfegermeister wegen seiner festgestellten mehrfachen aktiven Beteiligung an den "Totenehrungen" für die Rathenau-Attentäter in Saaleck verstößt auch nicht gegen sein Grundrecht auf freie Meinungsäußerung (Art. 5 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 GG). Dabei kann offen bleiben, ob die Maßnahme überhaupt in den Schutzbereich dieses Grundrechts eingreift; das könnte bezweifelt werden, weil sie dem Kläger nicht verbietet, eine bestimmte Meinung überhaupt oder in einer bestimmten Art und Weise zu äußern, und auch nicht das Äußern einer bestimmten Meinung mit einer Sanktion belegt. Selbst wenn der Widerruf der Bestellung wegen der damit verbundenen nachteiligen wirtschaftlichen Auswirkungen in den Schutzbereich dieses Grundrechts eingreifen sollte, ist dies gerechtfertigt. Die Meinungsäußerungsfreiheit findet ihre Grenze unter anderem in den "allgemeinen Gesetzen" nach Art. 5 Abs. 2 GG. Hierzu gehören diejenigen Gesetze, die nicht eine Meinung als solche verbieten und die sich nicht gegen die Äußerung einer Meinung als solche richten, sondern dem Schutze eines schlechthin, ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung zu schützenden Rechtsguts dienen (stRspr; vgl. BVerfG, Urteil vom 15. Januar 1958 - 1 BvR 400/51 - BVerfGE 7, 198 <209 f.> m.w.N.). Das betreffende Rechtsgut muss in der Rechtsordnung allgemein und damit ohne Rücksicht auf eine bestimmte Meinung sowie unabhängig davon geschützt sein, ob es durch Meinungsäußerungen oder auf andere Weise verletzt werden kann (vgl. BVerfG, Urteil vom 27. Februar 2007 - 1 BvR 538, 2045/06 - BVerfGE 117, 244 <260> und Beschluss vom 26. Februar 2008 - 1 BvR 1602, 1606, 1626/07 - BVerfGE 120, 180). Für Eingriffe in Art. 5 Abs. 1 GG folgt hieraus, dass ihre Zielsetzung nicht darauf gerichtet sein darf, Schutzmaßnahmen gegenüber rein geistig bleibenden Wirkungen von bestimmten Meinungsäußerungen zu treffen (vgl. BVerfG, Beschluss vom 4. November 2009 - 1 BvR 2150/08 - BVerfGE 124, 300 <332>). Das ist bei § 11 Abs. 2 Nr. 1 SchfG nicht der Fall. Der Widerruf der Bestellung dient der Gefahrenabwehr und zielt allein darauf ab sicherzustellen, dass nur solche Personen die Aufgaben und Befugnisse eines Bezirksschornsteinfegermeisters wahrnehmen, die die Gewähr bieten, dass sie die damit verbundenen beruflichen Pflichten uneingeschränkt und verlässlich erfüllen. Ein Amtsträger wie der Bezirksschornsteinfegermeister darf unter Berufung auf seine Meinungsäußerungsfreiheit seine berufliche Verpflichtung nicht infrage stellen, dass er die Grundrechte der Eigentümer und Besitzer von Grundstücken und Räumen, denen er bei der Ausübung seines Berufes hoheitlich gegenübertritt, uneingeschränkt und jederzeit verlässlich achtet. Da dieser Rechtsgüterschutz beim Kläger nicht gewährleistet ist, fehlt es an einer wesentlichen Voraussetzung für seine Bestellung zum Bezirksschornsteinfegermeister. Eine den Kläger weniger belastende, jedoch gleich wirksame Maßnahme als der Widerruf der Bestellung ist nicht ersichtlich. Der Widerruf ist auch verhältnismäßig im engeren Sinne, da dem Kläger nicht die Ausübung des Schornsteinfegerhandwerks generell untersagt wird.

31

c) Etwas anderes ergibt sich auch nicht aus den Garantien der Meinungsfreiheit in Art. 10 Abs. 1 EMRK, deren Inhalt und Entwicklungsstand bei der Auslegung des Grundgesetzes in Betracht zu ziehen sind (vgl. BVerfG, Kammerbeschluss vom 6. Mai 2008 - 2 BvR 337/08 - NJW 2008, 2568 <2572>).

32

Nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte (EGMR) (Urteil vom 23. September 1998 - Nr. 55/1997/839/1045, Lehideux und Isomi/Frankreich - ÖJZ 1999, 656 <658>; Entscheidung vom 24. Juni 2003 - Nr. 65831/01, Garaudy/Frankreich - NJW 2004, 3691 <3692>) genießt eine Äußerung gegen die Grundwerte der Europäischen Menschenrechtskonvention (EMRK), worunter auch die Rechtfertigung einer pro-nationalsozialistischen Politik fällt, bereits nicht den Schutz des Art. 10 Abs. 1 EMRK. Selbst wenn man davon ausginge, dass der Widerruf der Bestellung hier in den Schutzbereich der Meinungsfreiheit eingreifen würde, läge ein Verstoß gegen Artikel 10 Abs. 1 EMRK nur dann vor, wenn der Eingriff nicht gesetzlich vorgesehen ist, kein legitimes Ziel nach Absatz 2 verfolgt und in einer demokratischen Gesellschaft zur Erreichung dieses Ziels oder dieser Ziele nicht notwendig ist. Der Widerruf der Bestellung ist jedoch in § 11 Abs. 2 Nr. 1 SchfG 1998 gesetzlich vorgesehen. Damit wird auch ein im Sinne von Art. 10 Abs. 2 EMRK legitimes Ziel verfolgt; es soll sichergestellt werden, dass die Grundrechte der Eigentümer und Besitzer von Grundstücken und Räumen, denen der Kläger bei der Ausübung seines Berufes hoheitlich gegenübertritt, uneingeschränkt und jederzeit verlässlich geachtet werden. Dieses Ziel ist in einer demokratischen Gesellschaft notwendig. Das bedarf keiner näheren Darlegung. Der Widerruf ist auch nicht im Sinne von Art. 10 Abs. 2 EMRK unverhältnismäßig. Insofern gilt nichts anderes als hinsichtlich der Beschränkung des Grundrechts aus Art. 5 Abs. 1 GG.

(1) Die Ausübung eines Gewerbes ist von der zuständigen Behörde ganz oder teilweise zu untersagen, wenn Tatsachen vorliegen, welche die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden oder einer mit der Leitung des Gewerbebetriebes beauftragten Person in bezug auf dieses Gewerbe dartun, sofern die Untersagung zum Schutze der Allgemeinheit oder der im Betrieb Beschäftigten erforderlich ist. Die Untersagung kann auch auf die Tätigkeit als Vertretungsberechtigter eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung eines Gewerbebetriebes beauftragte Person sowie auf einzelne andere oder auf alle Gewerbe erstreckt werden, soweit die festgestellten Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß der Gewerbetreibende auch für diese Tätigkeiten oder Gewerbe unzuverlässig ist. Das Untersagungsverfahren kann fortgesetzt werden, auch wenn der Betrieb des Gewerbes während des Verfahrens aufgegeben wird.

(2) Dem Gewerbetreibenden kann auf seinen Antrag von der zuständigen Behörde gestattet werden, den Gewerbebetrieb durch einen Stellvertreter (§ 45) fortzuführen, der die Gewähr für eine ordnungsgemäße Führung des Gewerbebetriebes bietet.

(3) Will die Verwaltungsbehörde in dem Untersagungsverfahren einen Sachverhalt berücksichtigen, der Gegenstand der Urteilsfindung in einem Strafverfahren gegen einen Gewerbetreibenden gewesen ist, so kann sie zu dessen Nachteil von dem Inhalt des Urteils insoweit nicht abweichen, als es sich bezieht auf

1.
die Feststellung des Sachverhalts,
2.
die Beurteilung der Schuldfrage oder
3.
die Beurteilung der Frage, ob er bei weiterer Ausübung des Gewerbes erhebliche rechtswidrige Taten im Sinne des § 70 des Strafgesetzbuches begehen wird und ob zur Abwehr dieser Gefahren die Untersagung des Gewerbes angebracht ist.
Absatz 1 Satz 2 bleibt unberührt. Die Entscheidung über ein vorläufiges Berufsverbot (§ 132a der Strafprozeßordnung), der Strafbefehl und die gerichtliche Entscheidung, durch welche die Eröffnung des Hauptverfahrens abgelehnt wird, stehen einem Urteil gleich; dies gilt auch für Bußgeldentscheidungen, soweit sie sich auf die Feststellung des Sachverhalts und die Beurteilung der Schuldfrage beziehen.

(3a) (weggefallen)

(4) Vor der Untersagung sollen, soweit besondere staatliche Aufsichtsbehörden bestehen, die Aufsichtsbehörden, ferner die zuständige Industrie- und Handelskammer oder Handwerkskammer und, soweit es sich um eine Genossenschaft handelt, auch der Prüfungsverband gehört werden, dem die Genossenschaft angehört. Ihnen sind die gegen den Gewerbetreibenden erhobenen Vorwürfe mitzuteilen und die zur Abgabe der Stellungnahme erforderlichen Unterlagen zu übersenden. Die Anhörung der vorgenannten Stellen kann unterbleiben, wenn Gefahr im Verzuge ist; in diesem Falle sind diese Stellen zu unterrichten.

(5) (weggefallen)

(6) Dem Gewerbetreibenden ist von der zuständigen Behörde auf Grund eines an die Behörde zu richtenden schriftlichen oder elektronischen Antrages die persönliche Ausübung des Gewerbes wieder zu gestatten, wenn Tatsachen die Annahme rechtfertigen, daß eine Unzuverlässigkeit im Sinne des Absatzes 1 nicht mehr vorliegt. Vor Ablauf eines Jahres nach Durchführung der Untersagungsverfügung kann die Wiederaufnahme nur gestattet werden, wenn hierfür besondere Gründe vorliegen.

(7) Zuständig ist die Behörde, in deren Bezirk der Gewerbetreibende eine gewerbliche Niederlassung unterhält oder in den Fällen des Absatzes 2 oder 6 unterhalten will. Bei Fehlen einer gewerblichen Niederlassung sind die Behörden zuständig, in deren Bezirk das Gewerbe ausgeübt wird oder ausgeübt werden soll. Für die Vollstreckung der Gewerbeuntersagung sind auch die Behörden zuständig, in deren Bezirk das Gewerbe ausgeübt wird oder ausgeübt werden soll.

(7a) Die Untersagung kann auch gegen Vertretungsberechtigte oder mit der Leitung des Gewerbebetriebes beauftragte Personen ausgesprochen werden. Das Untersagungsverfahren gegen diese Personen kann unabhängig von dem Verlauf des Untersagungsverfahrens gegen den Gewerbetreibenden fortgesetzt werden. Die Absätze 1 und 3 bis 7 sind entsprechend anzuwenden.

(8) Soweit für einzelne Gewerbe besondere Untersagungs- oder Betriebsschließungsvorschriften bestehen, die auf die Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden abstellen, oder eine für das Gewerbe erteilte Zulassung wegen Unzuverlässigkeit des Gewerbetreibenden zurückgenommen oder widerrufen werden kann, sind die Absätze 1 bis 7a nicht anzuwenden. Dies gilt nicht für die Tätigkeit als vertretungsberechtigte Person eines Gewerbetreibenden oder als mit der Leitung des Betriebes oder einer Zweigniederlassung beauftragte Person sowie für Vorschriften, die Gewerbeuntersagungen oder Betriebsschließungen durch strafgerichtliches Urteil vorsehen.

(9) Die Absätze 1 bis 8 sind auf Genossenschaften entsprechend anzuwenden, auch wenn sich ihr Geschäftsbetrieb auf den Kreis der Mitglieder beschränkt; sie finden ferner Anwendung auf den Handel mit Arzneimitteln, mit Losen von Lotterien und Ausspielungen sowie mit Bezugs- und Anteilscheinen auf solche Lose und auf den Betrieb von Wettannahmestellen aller Art.

(1) Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen. Die Berufsausübung kann durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes geregelt werden.

(2) Niemand darf zu einer bestimmten Arbeit gezwungen werden, außer im Rahmen einer herkömmlichen allgemeinen, für alle gleichen öffentlichen Dienstleistungspflicht.

(3) Zwangsarbeit ist nur bei einer gerichtlich angeordneten Freiheitsentziehung zulässig.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

Für vorläufig vollstreckbar ohne Sicherheitsleistung sind zu erklären:

1.
Urteile, die auf Grund eines Anerkenntnisses oder eines Verzichts ergehen;
2.
Versäumnisurteile und Urteile nach Lage der Akten gegen die säumige Partei gemäß § 331a;
3.
Urteile, durch die gemäß § 341 der Einspruch als unzulässig verworfen wird;
4.
Urteile, die im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen werden;
5.
Urteile, die ein Vorbehaltsurteil, das im Urkunden-, Wechsel- oder Scheckprozess erlassen wurde, für vorbehaltlos erklären;
6.
Urteile, durch die Arreste oder einstweilige Verfügungen abgelehnt oder aufgehoben werden;
7.
Urteile in Streitigkeiten zwischen dem Vermieter und dem Mieter oder Untermieter von Wohnräumen oder anderen Räumen oder zwischen dem Mieter und dem Untermieter solcher Räume wegen Überlassung, Benutzung oder Räumung, wegen Fortsetzung des Mietverhältnisses über Wohnraum auf Grund der §§ 574 bis 574b des Bürgerlichen Gesetzbuchs sowie wegen Zurückhaltung der von dem Mieter oder dem Untermieter in die Mieträume eingebrachten Sachen;
8.
Urteile, die die Verpflichtung aussprechen, Unterhalt, Renten wegen Entziehung einer Unterhaltsforderung oder Renten wegen einer Verletzung des Körpers oder der Gesundheit zu entrichten, soweit sich die Verpflichtung auf die Zeit nach der Klageerhebung und auf das ihr vorausgehende letzte Vierteljahr bezieht;
9.
Urteile nach §§ 861, 862 des Bürgerlichen Gesetzbuchs auf Wiedereinräumung des Besitzes oder auf Beseitigung oder Unterlassung einer Besitzstörung;
10.
Berufungsurteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten. Wird die Berufung durch Urteil oder Beschluss gemäß § 522 Absatz 2 zurückgewiesen, ist auszusprechen, dass das angefochtene Urteil ohne Sicherheitsleistung vorläufig vollstreckbar ist;
11.
andere Urteile in vermögensrechtlichen Streitigkeiten, wenn der Gegenstand der Verurteilung in der Hauptsache 1.250 Euro nicht übersteigt oder wenn nur die Entscheidung über die Kosten vollstreckbar ist und eine Vollstreckung im Wert von nicht mehr als 1.500 Euro ermöglicht.