Oberverwaltungsgericht Rheinland-Pfalz Urteil, 12. Dez. 2012 - 8 A 10875/12

ECLI:ECLI:DE:OVGRLP:2012:1212.8A10875.12.0A
bei uns veröffentlicht am12.12.2012

Tenor

Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 5. März 2012 abgeändert und die Klage abgewiesen.

Die Kläger tragen die Kosten beider Rechtszüge mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, die diese selbst tragen.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand

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Die Beteiligten streiten um die Rechtmäßigkeit einer bauaufsichtlichen Verfügung, mit der den Klägern die Verschließung eines Fensters in einer Brandwand aufgegeben wurde.

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Der Kläger sind Eigentümer des mit einem Wohnhaus bebauten Grundstücks K.straße … (Flurstück Nr. …) im historischen Ortskern von Neustadt-H. Das ca. 120 qm große Grundstück wird ausschließlich von Norden her über eine schmale, von der K.straße abzweigende Gasse erschlossen. Das bestehende, ursprünglich nach Westen und Süden hin grenzständige Wohnhaus wurde im Jahre 1975 um einen mit Bauschein vom 2. Juni 1975 genehmigten Anbau nach Osten erweitert; seither ist es insoweit auch nach Osten hin grenzständig; im Nordosten besteht eine unbebaute Hoffläche; nach Norden zur K.gasse hin hält die Bebauung einen geringen Grenzabstand ein. Das im Süden angrenzende Grundstück F.straße … (Flurstück-Nr. …) ist nach Norden zum klägerischen Grundstück hin ebenfalls grenzständig bebaut. Beide Grundstücke grenzen im Westen an das bisher im Eigentum der Beigeladenen stehende Grundstück F.straße … (Flurstück-Nr. …), das mit einem nach Westen und Osten hin grenzständigen Wohnhaus bebaut ist; im Norden zur K.gasse hin sowie im südöstlichen Bereich ist das Grundstück unbebaut.

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Die Grundstückssituation ergibt sich aus dem nachfolgenden Lageplanauszug:

Abbildung

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Die Beigeladenen haben im Jahre 2007 nach Norden zur unbebauten Gartenfläche hin einen Balkon errichtet, der mit Bauschein vom 28. August 2007 genehmigt wurde. Im Verlauf eines darüber zwischen den Klägern und den Beigeladenen geführten Nachbarrechtsstreits erfuhr die Beklagte, dass sich in der grenzständig stehenden Westwand des klägerischen Anwesens - und zwar im Erdgeschoss im Anschluss an die grenzständige Ostwand des Anwesens der Beigeladenen - ein einfach verglastes Fenster befindet. Im Zuge ihrer Anhörung durch die Beklagte zum beabsichtigten Erlass einer bauaufsichtlichen Beseitigungsverfügung trugen die Kläger u. a. vor, das Fenster könne nicht durch eine F-90-Verglasung ersetzt werden, weil sich im Raum dahinter ein Ofen zum Heizen mit Holz und Briketts sowie eine Dunstabzugshaube befänden. Ferner legten sie Erklärungen einer früheren Nachbarin sowie der Nichte der früheren Eigentümerin ihres Anwesens vor, wonach das Anwesen etwa 105 bis 115 Jahre alt und das strittige (Küchen-)Fenster schon bei dessen Errichtung eingebaut worden sei.

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Mit Verfügung vom 3. März 2011 forderte die Beklagte die Kläger auf, das baurechtswidrig eingesetzte Normalfenster im Erdgeschoss in der westlichen Grenzwand brandsicher zu verschließen. Dies könne z. B. derart erfolgen, dass die Öffnung zugemauert oder durch einen Einbau aus lichtdurchlässigen, nicht brennbaren Baustoffen der Feuerwiderstandklasse F-90 mit Einbaunachweis einer qualifizierten Fachfirma ersetzt werde. Die Durchführung dieser Anordnung habe innerhalb von drei Monaten nach Bestandskraft der Verfügung zu erfolgen. Für den Fall der nicht vollständigen oder nicht fristgerechten Befolgung wurde den Klägern ein Zwangsgeld i. H. v. 1.000,00 € angedroht. Zur Begründung wurde ausgeführt, Rechtsgrundlage der Verfügung sei § 59 Abs. 1 LBauO. Das Fenster sei formell baurechtswidrig, weil es insbesondere nicht von der Baugenehmigung aus dem Jahre 1975 erfasst worden sei, die nur den Anbau an der Ostseite betroffen habe. Das Fenster sei auch materiell baurechtswidrig, da die Westwand nach § 30 LBauO als Brandwand herzustellen sei, in der Öffnungen nicht zulässig seien. Die Zulassung einer Abweichung nach § 69 LBauO komme nicht in Betracht, nachdem die Beigeladenen ihre nachbarliche Zustimmung verweigert hätten. Auch könnten die Kläger aus der Tatsache, dass das Fenster nachweislich vor mehr als 35 Jahren eingebaut worden sei, keinen Bestandsschutz herleiten, da Fensteröffnungen in einer Brandwand schon während der Geltung der Bayerischen Bauordnung genehmigungspflichtig gewesen seien. Im Übrigen sei kein milderes, den Brandschutz ebenso effektiv gewährleistendes Mittel gegeben.

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Zur Begründung ihrer nach erfolglosem Widerspruchsverfahren erhobenen Klage haben die Kläger insbesondere vorgetragen: Die Fensteröffnung in der Brandwand sei bestandsgeschützt, weil sie über einen längeren Zeitraum formell und materiell rechtmäßig gewesen sei. Hierzu haben sie Kopien aus dem Urkataster von 1838 vorgelegt und geltend gemacht, aus diesem Plan ergebe sich, dass sowohl ihr Grundstück als auch dasjenige der Beigeladenen damals bereits bebaut gewesen seien und die Grundstücksgrenzen sich bis heute nicht verändert hätten. Dabei sei ihr Hausanwesen in ca. 60 cm Abstand zum nachbarlichen Grundstück erbaut worden und habe daher mit dem im Jahre 1838 geltenden Code Civil im Einklang gestanden, wonach man Häuser mit einem Abstand von 30 cm zur Grundstücksgrenze zur Gewährleistung des Regenwasserabflusses (Traufrecht) habe bauen dürfen. Im Übrigen wäre ein Schließen des Fensters mit feuersicherem Glas sehr teuer, zumal die dort aufgestellte Einbauküche abgebaut werden müsste.

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Die Kläger haben beantragt,

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den Bescheid der Beklagten vom 3. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Oktober 2012 aufzuheben.

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Die Beklagte hat beantragt,

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die Klage abzuweisen.

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Sie ist der Klage unter Bezugnahme auf die angefochtenen Verwaltungsentscheidungen entgegengetreten und hat nach Vorlage der Dokumente aus den 1830-er-Jahren noch darauf verwiesen, dass als Rechtsgrundlage für die Verfügung auch § 85 LBauO in Betracht käme.

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Die Beigeladenen haben keinen Antrag gestellt. Sie haben vorgetragen, die Wahrung des Brandschutzes sei zwingend notwendig, weil ihr Kinderzimmer direkt an die fragliche Brandwand grenze.

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Das Verwaltungsgericht Neustadt an der Weinstraße hat der Klage durch Urteil vom 5. März 2012 stattgegeben und die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Verfügung sei rechtswidrig, denn sie könne weder auf § 59 Abs. 1 LBauO noch auf § 85 LBauO gestützt werden. Zwar sei das beanstandete Fenster nicht von der den Klägern erteilten Baugenehmigung vom 2. Juni 1975 gedeckt, da der betreffende Gebäudeteil nicht Gegenstand der bauaufsichtlichen Zulassung gewesen sei. Auch sei nicht zweifelhaft, dass das beanstandete Fenster nicht genehmigungsfähig sei. Denn bei der nahezu unmittelbar auf der Grenze zum Nachbargrundstück stehenden Westwand des Hauses der Kläger handele es sich um eine Brandwand i. S. v. § 30 Abs. 2 Nr. 1 LBauO, in der gemäß § 30 Abs. 8 Satz 1 LBauO Öffnungen unzulässig seien. Die materiell-rechtliche Zulässigkeit des Fensters könne auch nicht über eine Abweichung nach § 69 Abs. 1 LBauO erreicht werden, denn angesichts des besonderen Gewichts des Brandschutzes bleibe über die in § 30 Abs. 9 LBauO bereits vorgesehenen, sehr restriktiven Ausnahmen hinaus für weitergehende Abweichungen kein Raum. Die Kläger könnten sich jedoch auf Bestandsschutz berufen, da das Fenster offenkundig bereits seit der 1. Hälfte des 19. Jahrhunderts in der Grenzwand vorhanden sei. Zwar treffe den Ordnungspflichtigen, der sich auf Bestandsschutz berufe, grundsätzlich auch bei älteren baulichen Anlagen im Falle der Unaufklärbarkeit der materiellen Baurechtsmäßigkeit die Beweislast. Doch seien vorliegend Umstände gegeben, nach denen sich ein Bestandsschutz nach der Lebenserfahrung aufdränge. Das Gericht habe aufgrund einer Reihe von Umständen die Überzeugung gewonnen, dass das Haus der Kläger zu einem unbekannten Zeitpunkt vor 1838 entstanden sei, der Einbau des Fensters in der Westwand schon zu diesem Zeitpunkt erfolgte und es sich bei dieser Wand schon damals um eine Grenzwand gehandelt habe. So belege der vorgelegte Auszug aus dem Urkataster von 1838, dass das jetzige Wohnhaus der Kläger zum Zeitpunkt der Entstehung des Katasters bereits errichtet worden sei, der Zuschnitt der Grundstücke sowohl der Kläger als auch der Beigeladenen sowie deren Flurstücknummern sich seither nicht verändert hätten und sich auch der Baubestand auf beiden Grundstücken – abgesehen von der östlichen Erweiterung des klägerischen Anwesens – bereits so wie heute dargestellt habe. Des Weiteren spreche nach dem Grundriss des Hauses, wie er sich aus den im Jahre 1975 zu den Akten gereichten Bestandsplänen ergebe, alles dafür, dass das heute als Küche genutzte Zimmer mit der vorhandenen Fensteröffnung schon zu einem unbekannten Zeitpunkt vor 1838 eingebaut worden sei. Denn eine andere Fensteranordnung zur Belichtung und Belüftung der heutigen Küche und Speisekammer als diejenige durch das eine kleine Fenster sei schon nach der sich aus dem Katasterplan von 1838 ergebenden Bausituation nicht denkbar, da der südliche Teil der Westwand schon danach zugebaut gewesen und die Südwand grenzständig zum ebenfalls grenzständigen Nebengebäude auf dem Flurstück Nr. … gestanden habe. Mangels eines Zugangs dieses Raumes von außen spreche zudem nichts dafür, dass der Raum seit Errichtung des Hauses anders als zu Wohnzwecken genutzt worden sei; dann aber sei das Fenster auch erforderlich gewesen. Auch die Nutzung als Küche deute darauf hin, dass das Fenster in der grenzständigen Wand von Anfang an bestanden habe. Angesichts dieser Umstände dränge sich auf, dass das Fenster in der Grenzwand schon vor 1838 bestanden habe. Es bestehe deshalb kein Anlass, von den Klägern zusätzliche Nachweise zu verlangen, etwa zu den im Entstehungszeitpunkt des Hauses geltenden baupolizeilichen Anforderungen. Der danach bestehende Bestandsschutz sei auch nicht nachträglich erloschen, nachdem keine Anhaltspunkte für einen Umbau der ursprünglichen Fensteröffnung oder für den Einbau eines geänderten Fensters bestünden. Auf § 85 Abs. 1 LBauO könne die Verfügung nicht gestützt werden, weil es an konkreten Feststellungen der Beklagten zum Vorliegen einer erheblichen Gefahr für Leben und Gesundheit fehle, insbesondere zu einer neuerdings verstärkten Brandgefahr. Die Verfügung sei im Übrigen auch ermessensfehlerhaft, weil die Beklagte ihr Einschreiten im Wesentlichen mit dem nachbarschützenden Charakter des § 30 LBauO begründet habe; indessen sei das nachbarliche Abwehrrecht der Beigeladenen, denen das Verhalten ihrer Rechtsvorgänger aus dem seit über 150 Jahren bestehenden nachbarlichen Gemeinschaftsverhältnis zuzurechnen sei, inzwischen verwirkt.

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Zur Begründung ihrer vom Senat zugelassenen Berufung trägt die Beklagte im Wesentlichen vor: Das Verwaltungsgericht habe weder eine konkrete Rechtsnorm ermittelt, auf die sich ein Bestandsschutz des klägerischen Anwesens stützen ließe, noch habe es hinreichende Indizien für die Annahme einer Beweiserleichterung festgestellt. Die vorgelegten Katasterpläne belegten allenfalls, dass die Grenzbebauung wohl schon um 1838 bestanden habe, ohne dass ihnen eine weitergehende Aussagekraft zukomme. Insbesondere sei es reine Spekulation, wenn das Gericht aufgrund der traditionellen Haus-Hof-Bauweise von einer schon damaligen Nutzung des fraglichen Raumes als Küche ausgehe. Es spreche auch kein Erfahrungswert dafür, dass bei fast 200 Jahre alten Wohngebäuden die Fenster in ihrer Ausgestaltung unverändert geblieben seien. Sofern nicht starke Indizien und belastbare Erkenntnisse über Bauzustände als Grundlage für die Annahme von Beweiserleichterungen vorlägen, müsse es daher auch bei sehr alten Anlagen bei der Zuweisung der Beweislast an den Ordnungspflichtigen bleiben.

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Darüber hinaus seien die Ausführungen des Verwaltungsgerichts zur Unzulässigkeit des Einschreitens der Beklagten auf der Grundlage des § 85 Abs. 1 LBauO nicht tragfähig. Es habe die Anforderungen an die Ermessensgerechtigkeit des Einschreitens insoweit überspannt. Um den Brandschutz effektiv zu fördern, sei die Bauaufsicht darauf angewiesen, auch in bestandsgeschützte Bereiche eingreifen zu können. Hierfür habe der Gesetzgeber mit § 85 LBauO die erforderliche Grundlage geschaffen.

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Die Beklagte beantragt,

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unter Abänderung des Urteils des Verwaltungsgerichts Neustadt an der Weinstraße vom 5. März 2012 die Klage abzuweisen.

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Die Kläger beantragen,

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die Berufung zurückzuweisen.

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Sie verteidigen das Urteil des Verwaltungsgerichts und tragen ergänzend vor, das Verwaltungsgericht habe keine konkrete Rechtsnorm ermitteln müssen, auf welche sich ein Bestandsschutz für das Anwesen der Kläger stützen ließe. Denn bei sehr alten baulichen Anlagen bestehe eine Vermutung dafür, dass sie seinerzeit im Einklang mit damals bestehenden Gesetzen errichtet worden sind, wenn sie seit unvordenklicher Zeit unter den Augen der Behörde bestanden hätten und von diesen als zu Recht bestehend angesehen worden seien. Diese Voraussetzungen habe das Verwaltungsgericht vorliegend zu Recht als gegeben angesehen, indem es davon ausgegangen sei, dass sich aufgrund der Indizienwirkung des Katasterplans von 1838 und der sich aus dem Bestandsplan ergebenden Gebäudesituation Umstände aufdrängten, aufgrund deren die Annahme berechtigt sei, dass das Fenster in der Grenzwand bereits vor 1838 bestanden habe.

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Die Beigeladenen stellen keinen Antrag. Sie haben sich im Berufungsverfahren zur Sache nicht geäußert, sondern lediglich mitgeteilt, dass sie das Eigentum an ihrem Anwesen zum 30. November 2012 veräußert haben.

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Die Beteiligten haben gemäß § 101 Abs. 2 VwGO auf die Durchführung der mündlichen Verhandlung verzichtet.

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Die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes ergeben sich aus der Gerichtsakte des vorliegenden Verfahrens und den beigezogenen Verwaltungsakten, die Gegenstand der Beratung waren.

Entscheidungsgründe

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Der Senat entscheidet über die Berufung gemäß § 101 Abs. 2 VwGO im schriftlichen Verfahren ohne mündliche Verhandlung, nachdem die Beteiligten auf die Durchführung einer mündlichen Verhandlung verzichtet haben.

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Die Berufung der Beklagten ist zulässig und begründet. Das Verwaltungsgericht hätte die Klage abweisen müssen. Denn die angefochtene bauaufsichtliche Verfügung der Beklagten vom 3. März 2011 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 6. Oktober 2012 ist rechtmäßig und verletzt die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 VwGO).

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Die Verfügung findet ihre Rechtsgrundlage zwar nicht in § 85 Abs. 1 Satz 1 der Landesbauordnung - LBauO - (1.), aber in § 59 Abs. 1 Satz 1 LBauO (2.). Sie weist auch keine Ermessensfehler auf (3.).

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1. Der Senat teilt zunächst die Auffassung des Verwaltungsgerichts, dass die angefochtene Verfügung nicht auf § 85 Abs. 1 Satz 1 LBauO als gegenüber § 59 Abs. 1 Satz 1 LBauO speziellerer Ermächtigungsgrundlage gestützt werden kann.

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Nach dieser Vorschrift können bei rechtmäßig begonnenen oder bestehenden baulichen Anlagen sowie anderen Anlagen und Einrichtungen im Sinne des § 1 Abs. 1 Satz 2 nachträglich Anforderungen nur gestellt werden, wenn dies zur Abwehr von erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit, insbesondere für Leben oder Gesundheit, erforderlich ist.

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Streitig ist bereits, ob diese Vorschrift auf lediglich materiellen Bestandsschutz genießende bauliche Anlagen und Einrichtungen Anwendung finden kann, oder ob die Vorschrift nur eine Einschränkung der formellen Legalisierungswirkung der Baugenehmigung bewirkt, bei genehmigungsbedürftigen Vorhaben also das Bestehen einer Baugenehmigung voraussetzt (so die Vorinstanz unter Hinweis auf VG Koblenz, Urteil vom 24. Mai 2011 - 7 K 1160/10.KO -, ESOVGRP und juris, Rn. 17; so auch Jeromin, in: Jeromin (Hrsg.), LBauO Rh-Pf, 3. Aufl. 2012, § 85, Rn. 1 und 3). Der Senat hat den Anwendungsbereich der Vorschrift indessen als weiter angesehen (vgl. den Senatsbeschluss vom 29. Juni 2004 - 8 A 10899/04.OVG -, NVwZ-RR 2005, 318 und juris, Rn. 3 und 6, wonach die Vorschrift für die Fälle gilt, in denen von der genehmigten oder bislang materiell legalen Nutzung einer Anlage Gefahren ausgehen; ebenso für das inhaltlich vergleichbare baden-württembergische Landesrecht: VGH BW, Beschluss vom 29. März 2011 - 8 S 2910/10.OVG -, BauR 2012, 473 und juris, Rn. 23 f.). Für diese Auffassung spricht neben dem Wortlaut („rechtmäßig bestehende bauliche Anlagen und Einrichtungen“) vor allem die Überlegung, dass anderenfalls Anlagen und Einrichtungen, die lediglich aufgrund einer nach früherem Recht gegebenen Genehmigungsfähigkeit materiellen Bestandsschutz genießen, gegenüber solchen, die sich auf die legalisierende Wirkung einer Baugenehmigung stützen können, hinsichtlich der Möglichkeit nachträglicher Anordnungen privilegiert würden, obwohl gerade bei älteren, nur aufgrund früherer Genehmigungsfähigkeit Bestandsschutz genießenden Anlagen häufig ein Bedürfnis für nachträgliche Anordnungen - nicht zuletzt aus Gründen des Brandschutzes - bestehen wird. Der Senat hält daher an der Auffassung fest, dass § 85 Abs. 1 Satz 1 LBauO grundsätzlich auch auf lediglich materiellen Bestandsschutz genießende bauliche Anlagen und Einrichtungen Anwendung findet.

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Indessen sind die materiellen Voraussetzungen für den Erlass nachträglicher Anordnungen nach § 85 Abs. 1 Satz 1 LBauO relativ streng: Um ein bauaufsichtliches Einschreiten mit dem Ziel der Veränderung rechtmäßig bestehender baulicher Anlagen und Einrichtungen zu rechtfertigen, genügt nach wohl allgemeiner Meinung eine bloß abstrakte Gefahr für erhebliche Rechtsgüter nicht, sondern es muss eine Gefahr für Leben und Gesundheit im konkreten Fall vorliegen (vgl. z.B. Jeromin, a.a.O., Rn. 8). In der obergerichtlichen Judikatur zu vergleichbaren Vorschriften anderer Bundesländer wird hierfür einerseits verlangt, dass die Bauaufsichtsbehörde das Gefährdungspotential im jeweiligen Einzelfall durch fachliche Begutachtung ihres Bauverständigen, gegebenenfalls auch unter Beteiligung der Feuerwehr oder durch Heranziehung von Sachverständigen zu ermitteln und zu bewerten hat (so VGH BW, Beschluss vom 29. März 2011, a.a.O., Rn. 24); andererseits setzt die nachträgliche Anordnung von Brandschutzmaßnahmen nicht die Feststellung einer hohen Wahrscheinlichkeit für einen Schadenseintritt in absehbarer Zeit voraus, sondern es genügt die fachkundige Feststellung, dass nach den örtlichen Gegebenheiten der Eintritt eines erheblichen Schadens nicht ganz unwahrscheinlich ist (so HessVGH, Beschluss vom 18. Oktober 1999 - 4 TG 3007/97 -, BauR 2000, 553 und juris, Rn. 18).

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Zwar spricht vorliegend Einiges dafür, dass angesichts der engen Gebäudesituation und des Umstands, dass der mit einem einfachen Fenster in der Brandwand versehene Raum im Anwesen der Kläger als Küche genutzt wird und nach Angaben im Verwaltungsverfahren überdies mit einem Ofen zum Heizen mit Holz und Briketts ausgestattet ist, ein konkretes Gefährdungspotential für Leben und Gesundheit gegeben sein könnte. Indessen hat die Beklagte - wie das Verwaltungsgericht insoweit zu Recht bemängelt hat - keinerlei konkrete, fachkundige Feststellungen vor Ort zur Brandgefahr und zur Wahrscheinlichkeit eines Schadenseintritts getroffen; vielmehr hat sich der Widerspruchsbescheid der restriktiven Auffassung des Verwaltungsgerichts Koblenz angeschlossen und den Anwendungsbereich des § 85 Abs. 1 LBauO als nicht eröffnet angesehen, weil es an einer Baugenehmigung fehle. Da § 85 Abs. 1 LBauO die Entscheidung über die Anordnung nachträglicher Anforderungen in das Ermessen der Bauaufsichtsbehörde stellt, die Beklagte aber die Anwendung der Vorschrift im Ausgangsbescheid nicht erwogen und im Widerspruchsbescheid ausdrücklich ausgeschlossen hat, fehlt es hier im maßgeblichen Zeitpunkt der letzten Behördenentscheidung an einer auf diese Vorschrift gestützten Ermessensentscheidung der Beklagten, zu der im gerichtlichen Verfahren nach § 114 Satz 2 VwGO noch ergänzende Erwägungen hätten angestellt werden können.

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2. Anders als das Verwaltungsgericht entschieden hat, findet die Verfügung jedoch ihre Rechtsgrundlage in § 59 Abs. 1 Satz 1 LBauO, der die Bauaufsichtsbehörden nach Art einer Generalklausel zum Erlass erforderlicher Maßnahmen ermächtigt. Tatbestandlich setzt ein Einschreiten nach dieser Vorschrift einen Verstoß einer baulichen Anlage oder einer anderen Anlage oder Einrichtung im Sinne von § 1 Abs. 1 Satz 2 LBauO gegen formelles oder materielles Baurecht oder sonstige materielle öffentlich-rechtliche Vorschriften voraus. Diese Voraussetzungen liegen hier vor:

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Zunächst begegnet die Feststellung des Verwaltungsgerichts, dass die Fensteröffnung in der Grenzwand zu keinem Zeitpunkt genehmigt worden ist, insbesondere von der Genehmigung des östlichen Anbaus vom 2. Juni 1975 nicht erfasst wurde und auch das Bestehen einer Baugenehmigung nach altem Recht (etwa nach der Bayerischen Bauordnung von 1901) von den insoweit darlegungs- und beweispflichtigen Klägern nicht dargelegt werden konnte, keinen Bedenken.

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Ebenso wenig begegnet die weitere Feststellung des Verwaltungsgerichts Zweifeln, dass die Fensteröffnung nach heutigem Recht nicht genehmigungsfähig ist, weil sie gegen das Verbot von Öffnungen in Brandwänden gemäß § 30 Abs. 8 Satz 1 LBauO verstößt und die Ausnahmen nach § 30 Abs. 8 Satz 2 und Satz 3 LBauO nicht einschlägig sind. Dass die Grenzwand gemäß § 30 Abs. 2 Nr. 1 LBauO mangels einer öffentlich-rechtlichen Sicherung durch eine Abstandsbaulast als Brandwand herzustellen ist, hat das Verwaltungsgericht ebenfalls zutreffend bejaht. Schließlich begegnet auch seine Feststellung keinen Bedenken, dass für eine Zulassung der Fensteröffnung im Wege einer Abweichung nach § 69 Abs. 1 Satz 1 LBauO aus den im Urteil des Verwaltungsgerichts genannten Gründen vorliegend kein Raum ist.

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Dem Verwaltungsgericht kann jedoch nicht darin gefolgt werden, dass die Kläger sich hinsichtlich der Fensteröffnung auf materiellen Bestandsschutz berufen können.

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Nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts und der wohl herrschenden Meinung besteht ein Bestandsschutz aus materieller Baurechtmäßigkeit (sog. materieller Bestandsschutz) für solche Bauvorhaben, die zwar nicht formell legalisiert (genehmigt) wurden, aber dennoch entweder im Zeitpunkt ihrer Errichtung oder zumindest später über einen hinreichend langen Zeitraum dem materiellen Recht entsprochen haben (zusammenfassend z.B. Gehrke/Brehsan, NVwZ 1999, 932, 933 und Finkelnburg/Ortloff, Öffentliches Baurecht, 6. Aufl. 2010, Band II, § 13, IV., 2 b, jeweils mit Rechtsprechungsnachweisen).

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Die Kläger können indessen nicht mit Erfolg geltend machen, dass das in der westlichen Grenzwand ihres Anwesens befindliche, einfach verglaste und zu öffnende Fenster im Errichtungszeitpunkt und danach über einen hinreichend langen Zeitraum dem materiellen Recht entsprochen hat.

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Festzuhalten ist zunächst, dass die Fensteröffnung jedenfalls seit dem Inkrafttreten der Bayerischen Bauordnung vom 17. Februar 1901 - BayBO 1901 - im Gebiet der Pfalz (vgl. dazu Englert-Mang, BayBO, 11. Aufl. 1957, Einleitung S. 1 f.) und auch zu jedem späteren Zeitpunkt bis heute immer materiell baurechtswidrig gewesen ist. Nach § 16 Abs. 4 Satz 1 BayBO 1901 waren Öffnungen in Brandmauern „im Allgemeinen unzulässig“; nach § 16 Abs. 4 Satz 4 BayBO 1901 konnte die Baupolizeibehörde zwar solche Öffnungen im Erdgeschoss bestimmter Gebäude gestatten, jedoch nur bei Vorliegen weiterer Voraussetzungen (insbesondere der Verschließbarkeit durch Türen oder Läden aus feuersicherem Material), für deren Vorliegen hier zum damaligen Zeitpunkt nichts ersichtlich ist. Die Kläger können im Übrigen auch keinen Nachweis darüber führen, dass unter der Geltung der Bayerischen Bauordnung überhaupt eine behördliche Gestattung erfolgte. Sofern daher das Gebäude mit dem Fenster in der Brandwand - wie sich aus den allerdings vagen Angaben von Zeuginnen vom Hörensagen, auf die sich die Kläger auch weiterhin berufen, ergibt - vor etwa 105 Jahren errichtet worden sein sollte, wäre für die Annahme materiellen Bestandsschutzes kein Raum. Mit Inkrafttreten der Landesbauordnung für Rheinland-Pfalz vom 15. November 1961 (GVBl. S. 229) - LBauO 1962 - galt dann gemäß dessen § 22 ein ausdrückliches grundsätzliches Verbot von Öffnungen in Brandwänden, von dem Ausnahmen nur unter den Voraussetzungen des § 22 Abs. 2 bis 5 LBauO 1962 zugelassen werden konnten (vgl. dazu OVG RP, Urteil vom 28. März 1974 - 1 A 116/73 -, AS 13, 374, 375). Diese Regelungssystematik galt auch unter den Landesbauordnungen von 1974, 1986, 1995 und 1998 weiter, wobei die Ausnahmetatbestände mit der LBauO 1998 ab 1. Januar 1999 nochmals enger gefasst wurden (vgl. dazu Lang, in: Jeromin, a.a.O., § 30, Rn. 31).

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Ein materieller Bestandsschutz der Fensteröffnung käme danach nur in Betracht, wenn positiv festgestellt oder zumindest aufgrund von Vermutungsregeln oder zu Gunsten der Kläger eingreifender Beweiserleichterungen angenommen werden könnte, dass das Anwesen der Kläger mit der heutigen Fensteröffnung bereits unter der Geltung der einschlägigen Bestimmungen des französischen Code Civil - CC -, wie er in den seit dem Frieden von Lunéville von 1801 von Frankreich annektierten linksrheinischen Gebieten galt, materiell legal errichtet wurde. Davon kann indessen nicht ausgegangen werden:

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Grundsätzlich gilt, dass ein Ordnungspflichtiger, der sich gegenüber einer bauaufsichtlichen Verfügung auf (gegebenenfalls nur materiellen) Bestandsschutz beruft, für die behauptete Rechtmäßigkeit der Anlage beweispflichtig ist und im Falle der Unaufklärbarkeit die (materielle) Beweislast trägt (vgl. z. B. BVerwG, Urteil vom 23. Februar 1979 - IV C 86.76 -, BauR 1979, 228 und juris, Rn. 14 sowie Beschluss vom 19. Februar 1988 - 4 B 33.88 -, juris, Rn. 3). Dies gilt auch bei älteren baulichen Anlagen, bei denen auch eine Beweiserleichterung nach den Regeln den Anscheinsbeweises nicht in Betracht kommt, weil die Gestaltung und Nutzung von Gebäuden auf von bewusstem individuellen Verhalten gesteuerten Vorgängen beruht und daher keinen typischen Ablauf darstellt, der von menschlichem Willen unabhängig gleichsam mechanisch abläuft (vgl. OVG NRW, Beschluss vom 30. März 2011 - 7 A 848/10 -, juris, Rn. 17, im Anschluss an BVerwG, Urteil vom 23. Februar 1979, a.a.O., Rn. 15). Anders als im angefochtenen Urteil dargestellt, ergibt sich aus dem zitierten Beschluss des OVG NRW kein allgemeiner Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass für den Ordnungspflichtigen bei älteren baulichen Anlagen Beweiserleichterungen gelten, wenn sich das Vorliegen des Bestandsschutzes nach der Lebenserfahrung aufdrängt. Das OVG Nordrhein-Westfalen hat in seinem Beschluss zunächst nur die Rechtsauffassung der damaligen Klägerin referiert (a.a.O., Rn. 16), wonach deren bauliche Anlage materiellen Bestandsschutz genieße, weil es sich um ein „historisches Gebäude“ handele, das in einer Zeit errichtet worden sei, zu der förmliche Baugenehmigungen nicht erteilt worden seien, und weil in einem solchen Fall anhand der Gebäudestruktur, der konkreten Ausgestaltung sowie der Berücksichtigung der zeitgemäßen Nutzung eines derartigen Gebäudes zu bewerten sei, welche konkrete Nutzung sich aufdränge. Dieser Auffassung hat das OVG Nordrhein-Westfalen sodann (a.a.O., Rn. 17) eine Absage erteilt und bekräftigt, dass der Grundsatz, wonach ein Ordnungspflichtiger, der sich gegenüber einer bauaufsichtlichen Verfügung auf Bestandsschutz berufe, hierfür im Falle der Unaufklärbarkeit die Beweislast trage, auch bei älteren baulichen Anlagen gelte. Nachfolgend hat es auch die Anwendung der Grundsätze des Anscheinsbeweises in solchen Fällen verworfen.

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Allerdings wird in der Rechtsprechung auch vertreten, dass bei „sehr alten Anlagen“ eine Rechtsvermutung dafür bestehe, dass sie seinerzeit ordnungsgemäß und in Übereinstimmung mit den damals bestehenden Gesetzen errichtet worden sind (vgl. VG Köln, Beschluss vom 16. Juli 2012 - 2 L 786/12 -, juris, Rn. 20 unter Hinweis auf OVG NRW, Urteil vom 30. Juli 1964 - VII A 656/62 - ,BRS 15, Nr. 25). Das zitierte Urteil des OVG NRW nimmt hinsichtlich dieser Vermutungsregel auf ein Urteil des Preußischen OVG aus dem Jahre 1915 Bezug; darin hatte dieses bekräftigt, es sei „stets davon ausgegangen, dass eine wohlbegründete Vermutung dafür spricht, dass Einrichtungen, insbesondere solche baulicher Natur, die seit unvordenklichen Zeiten unter den Augen der Behörden bestanden haben und von diesen fortdauernd als zu Recht bestehend behandelt worden sind, seinerzeit auch ordnungsgemäß und in Übereinstimmung mit den bestehenden Gesetzen zustande gekommen sind“ (Preußisches OVG, Urteil vom 4. Mai 1915, PROVGE 68, 369; zitiert nach Walter Jellinek, Verwaltungsrecht, 3. Aufl. 1948, S. 223). Folgt man dem, so setzt das Eingreifen einer solchen Vermutungsregel allerdings voraus, dass der Ordnungspflichtige, der sich auf sie beruft, die Existenz der konkreten baulichen Einrichtung, um deren materielle Legalität im Errichtungszeitpunkt es geht, zu der Zeit, an die die Vermutung anknüpfen soll, beweist. Demnach müssten die Kläger hier zunächst den Nachweis führen, dass das streitgegenständliche Fenster bereits zu einer Zeit, zu der noch kein grundsätzliches Verbot von Öffnungen in Brandwänden bestand, in der fraglichen Grenzwand existierte. Nur an die nachgewiesene Existenz der baulichen Einrichtung „Fenster in der Grenzwand“ zu jener Zeit könnte die Rechtsvermutung ihrer seinerzeitigen Legalität anknüpfen. Eine solche Beweisführung muss jedoch vorliegend von vornherein scheitern:

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Anders als das Verwaltungsgericht angenommen hat, kann zunächst auf den Inhalt der von den Klägern vorgelegten Auszüge aus dem Urkataster von 1838 die Überzeugung von der Existenz des Fensters in der westlichen Grenzwand zu jener Zeit nicht gestützt werden. Zwar ergibt sich aus dem vorgelegten Plan, dass sowohl das Grundstück der Kläger als auch dasjenige der Beigeladenen sowie das südlich angrenzende Flurstück Nr. … im wesentlichen (mit Ausnahme des östlichen Anbaus der Kläger) denselben Baubestand wie heute aufwiesen, der gekennzeichnet war durch eine grenzständige Westwand des klägerischen Anwesens, an die etwa bis zur Wandmitte eine ebenfalls grenzständige Ostwand des Anwesens der Beigeladenen angebaut war, sowie durch eine grenzständige Südwand des klägerischen Anwesens, an die die ebenfalls grenzständige Nordwand eines Anwesens auf dem Flurstück Nr. … etwa bis zur Wandmitte der Kläger angebaut war. Fensteröffnungen ergeben sich indessen aus diesem Plan nicht. Außerdem war das Gebäude auf dem Grundstück der Kläger nach Norden (wie heute) und nach Osten (anders als heute) nicht grenzständig. Allein aus dieser Gebäudesituation kann nicht sicher auf die Existenz des streitgegenständlichen Fensters in der westlichen Grenzwand zum damaligen Zeitpunkt geschlossen werden. Zwar mag eine gewisse Wahrscheinlichkeit dafür sprechen, dass es in dieser Wand ein Fenster gab; dieses kann aber durchaus an anderer Stelle des nicht verdeckten Teils dieser Wand und in anderer Form oder Größe bestanden haben. Durchaus möglich ist aber auch, dass es seinerzeit in der westlichen Grenzwand überhaupt kein Fenster gab, weil es eines solchen aufgrund einer seinerzeit anderen Raumaufteilung des Erdgeschosses nicht bedurfte. Nicht gefolgt werden kann nämlich der Annahme des Verwaltungsgerichts, es sei aus den im Jahre 1975 von den Klägern zu den Akten des Baugenehmigungsverfahrens für den östlichen Anbau gereichten Bestandsplänen aufgrund der sich daraus ergebenden Grundrisssituation des Bestandes im Erdgeschoss auf die Notwendigkeit und damit auf die Existenz der Fensteröffnung an ihrer heutigen Stelle schon zu einem unbekannten Zeitpunkt vor 1838 zu schließen. Die Kläger haben keinerlei Beweis dafür angetreten, dass etwa der Grundriss des Erdgeschosses zwischen 1838 und 1975 nicht verändert wurde, zum Beispiel durch das Einziehen von Zwischenwänden zur Abtrennung der heutigen Küche von einem größeren, anderweitig (etwa nach Norden oder Osten) belichteten und belüfteten Raum, durch die eine Fensteröffnung nach Westen an der heutigen Stelle erst erforderlich geworden sein könnte. Es spricht im Gegenteil nicht einmal eine hohe Wahrscheinlichkeit dafür, dass die Raumaufteilung und damit die Belichtungs- und Belüftungssituation in einem schon im Jahre 1975 mindestens seit 137 Jahren bestehenden Gebäude über den gesamten Zeitraum unverändert geblieben ist.

43

Doch selbst wenn man davon ausginge, dass eine Vermutung für die Existenz eines Fensters in der westlichen Grenzwand spricht, würde dies den Klägern nicht weiterhelfen. Denn das heute dort vorhandene, nicht vergitterte und zu öffnende Fenster entspricht nicht den rechtlichen Anforderungen, die nach dem Code Civil an Fensteröffnungen in einer Grenzwand zu stellen waren. Nach Art. 676 CC galt vielmehr folgende Regelung: „Der Eigentümer einer nicht gemeinschaftlichen Mauer, die unmittelbar an das Grundstück eines anderen grenzt, darf in dieser Mauer Lichtlöcher oder Fenster anbringen, die mit einem eisernen Gitter versehen sind, und sich nicht öffnen lassen. Diese Fenster müssen ein eisernes Gitter haben, dessen Stäbe höchstens einen Dezimeter (ungefähr 3 Zoll und 8 Linien) voneinander entfernt sind, und mit einem Rahmen befestigt sein, der sich nicht öffnen lässt“ (zitiert nach: Loew, Der Code Civil mit den durch die Reichs- und Landesgesetzgebung geschaffenen Änderungen und Zusätzen, 1. Aufl. 1883, S. 133 f., und Stern, Der Code Civil, mit den Abänderungen durch Reichs- und Bayerisches Landesrecht, 2. Aufl. 1891, S. 247; s.a.: Heinsheimer (Hrsg.), Die Zivilgesetze der Gegenwart, Band I: Frankreich, Code Civil, 1. Aufl. 1932, S. 189). Diesen Anforderungen entspricht das streitgegenständliche Fenster jedenfalls heute offensichtlich nicht; sofern es ihnen jemals entsprochen haben sollte - wofür die Kläger indessen nichts vorgetragen haben -, liegt jedenfalls eine spätere Änderung des Fensters vor, die einen etwaigen, aus Art. 676 CC abzuleitenden materiellen Bestandsschutz beseitigt hat. Denn sofern an der fraglichen Stelle in der Grenzwand ursprünglich ein den Anforderungen des Art. 676 CC entsprechendes, d. h. vergittertes und nicht zu öffnendes Fenster vorhanden gewesen sein sollte, ist dieses jedenfalls zu einem unbekannten späteren Zeitpunkt gegen ein zu öffnendes und nicht vergittertes Fenster ausgetauscht und dadurch in bestandsschutzschädlicher Weise in seiner Substanz verändert worden (vgl. dazu: BayVGH, Beschluss vom 12. Februar 2001 - 25 ZB 01.184 -, juris, Rn. 4).

44

Demnach bleibt es dabei, dass die Kläger für ihre Behauptung, das Fenster habe bereits unter der Geltung des Code Civil in einer dessen Anforderungen entsprechenden Form existiert, beweisfällig geblieben sind und daher die materielle Beweislast der Unaufklärbarkeit der für das von ihnen in Anspruch genommene Gegenrecht maßgeblichen Tatsachen tragen müssen. Damit liegt auch die weitere Voraussetzung des § 59 Abs. 1 Satz 1 LBauO, dass die Fensteröffnung zu keinem Zeitpunkt nachweislich dem materiellen Recht entsprochen hat, hier vor.

45

3. Das Urteil des Verwaltungsgerichts erweist sich auch nicht aus anderen Gründen als richtig. Zwar hat das Verwaltungsgericht seine Entscheidung selbstständig tragend auch darauf gestützt, dass die angefochtene Verfügung ermessensfehlerhaft sei. Die von ihm angeführten Ermessensfehler liegen jedoch nicht vor.

46

Die hier einschlägige Ermächtigungsgrundlage des § 59 Abs. 1 Satz 1 LBauO räumt der Bauaufsichtsbehörde hinsichtlich des Ob und des Wie einer Maßnahme Ermessen ein, das entsprechend dem Zweck der Ermächtigung, das öffentliche Baurecht und die das Baugeschehen berührenden sonstigen öffentlich-rechtlichen Vorschriften zu wahren, auszuüben ist. Dabei hat die Bauaufsichtsbehörde den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit besonders zu beachten; dies beinhaltet, dass die Behörde die berührten öffentlich-rechtlichen Belange in ihrer Bedeutung und Tragweite zutreffend zu erfassen, gewichten und gegenüber gegenläufigen, aber schutzwürdigen privaten Belangen abwägend zu berücksichtigen hat (vgl. Schmidt, in: Jeromin, a.a.O., § 59, Rn. 31 f.).

47

Das Verwaltungsgericht hat die Entscheidung der Beklagten über das Ob des Einschreitens für ermessensfehlerhaft erachtet, weil die Beklagte ihr Einschreiten im Wesentlichen mit der nachbarschützenden Wirkung des § 30 LBauO begründet und ihr Entschließungsermessen deshalb als zu Gunsten des Nachbarn eingeschränkt angesehen habe; das nachbarliche Abwehrrecht der Beigeladenen sei indessen aufgrund der Duldung des Fensters durch ihre Rechtsvorgänger verwirkt. Dem kann im Ergebnis nicht gefolgt werden. Vielmehr ist darauf abzustellen, dass das Entschließungsermessen der Bauaufsichtsbehörden bei Verstößen gegen den Brandschutz schon im öffentlichen Interesse eingeschränkt und im Sinne einer grundsätzlichen Pflicht zum Einschreiten intendiert ist, wenn nicht lediglich eine abstrakte, aufgrund der aktuellen Bebauung fernliegende Gefahr des Überschlagens eines Brandes besteht. Von Letzterem kann aber hier gerade nicht die Rede sein: Aufgrund der engen Bebauung der aneinander angrenzenden Grundstücke der Kläger und der Beigeladenen, der Nutzung des mit einem nur einfach verglasten Fenster ausgestatteten Raumes als Küche mit einem mit Holz und Briketts beheizbaren Ofen sowie des Angrenzens eines Kinderzimmers „über Eck“ im Anwesen der Beigeladenen lagen hier konkrete Anhaltspunkte für eine Gefahr des Überschlagens eines in der Küche entstandenen Brandes auf Wohnräume in der Nachbarschaft vor, so dass ein gesteigertes öffentliches Interesse an der Wahrung des Brandschutzes begründet war. Auf die Notwendigkeit eines effektiven Brandschutzes in der konkreten Situation hat der Ausgangsbescheid auch maßgeblich abgestellt; der Widerspruchsbescheid hat lediglich ergänzend darauf hingewiesen, dass das Entschließungsermessen regelmäßig (auch) zu Gunsten des Nachbarn eingeschränkt sei. Ist aber vorliegend das Entschließungsermessen bereits im öffentlichen Interesse eingeschränkt, so kommt es auf die Frage einer Verwirkung des nachbarlichen Anspruchs der Beigeladenen auf Einschreiten hier nicht entscheidungserheblich an.

48

Die Beklagte hat darüber hinaus bei der Entscheidung über das Wie ihres Einschreitens den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz gewahrt. Sie hat einerseits zutreffend darauf abgestellt, dass ein milderes Mittel als die Anordnung der feuersicheren Verschließung der Fensteröffnung zur effektiven Wahrung des Brandschutzes nicht in Betracht kommt. Andererseits hat sie den Interessen der Kläger an einer Belichtung des betroffenen Raumes dadurch Rechnung getragen, dass sie diesen die Verschließung der Öffnung auch durch einen Einbau aus lichtdurchlässigen, nicht brennbaren Baustoffen (z.B. Glasbausteinen) der Feuerwiderstandsklasse F-90 anheimgestellt hat.

49

Die Kostenentscheidung beruht auf §§ 154 Abs. 1 und Abs. 3, 162 Abs. 3 VwGO. Es entspricht der Billigkeit, die Kläger nicht auch mit etwaigen außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen zu belasten, da diese sich nicht durch Stellung eines eigenen Antrags am Prozesskostenrisiko beteiligt haben.

50

Der Ausspruch über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf §§ 167 Abs. 1 VwGO, 708 ff. ZPO.

51

Die Revision ist nicht zuzulassen, da keiner der in § 132 Abs. 2 VwGO hierfür genannten Gründe vorliegt.

52

Beschluss

53

Der Wert des Streitgegenstandes für das Berufungsverfahren wird auf 3.000,00 € festgesetzt (§§ 47 Abs. 1 und Abs. 2, 52 Abs. 1 GKG).

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Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens übersch

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(1) Das Gericht entscheidet, soweit nichts anderes bestimmt ist, auf Grund mündlicher Verhandlung. Die mündliche Verhandlung soll so früh wie möglich stattfinden.

(2) Mit Einverständnis der Beteiligten kann das Gericht ohne mündliche Verhandlung entscheiden.

(3) Entscheidungen des Gerichts, die nicht Urteile sind, können ohne mündliche Verhandlung ergehen, soweit nichts anderes bestimmt ist.

(1) Soweit der Verwaltungsakt rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, hebt das Gericht den Verwaltungsakt und den etwaigen Widerspruchsbescheid auf. Ist der Verwaltungsakt schon vollzogen, so kann das Gericht auf Antrag auch aussprechen, daß und wie die Verwaltungsbehörde die Vollziehung rückgängig zu machen hat. Dieser Ausspruch ist nur zulässig, wenn die Behörde dazu in der Lage und diese Frage spruchreif ist. Hat sich der Verwaltungsakt vorher durch Zurücknahme oder anders erledigt, so spricht das Gericht auf Antrag durch Urteil aus, daß der Verwaltungsakt rechtswidrig gewesen ist, wenn der Kläger ein berechtigtes Interesse an dieser Feststellung hat.

(2) Begehrt der Kläger die Änderung eines Verwaltungsakts, der einen Geldbetrag festsetzt oder eine darauf bezogene Feststellung trifft, kann das Gericht den Betrag in anderer Höhe festsetzen oder die Feststellung durch eine andere ersetzen. Erfordert die Ermittlung des festzusetzenden oder festzustellenden Betrags einen nicht unerheblichen Aufwand, kann das Gericht die Änderung des Verwaltungsakts durch Angabe der zu Unrecht berücksichtigten oder nicht berücksichtigten tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnisse so bestimmen, daß die Behörde den Betrag auf Grund der Entscheidung errechnen kann. Die Behörde teilt den Beteiligten das Ergebnis der Neuberechnung unverzüglich formlos mit; nach Rechtskraft der Entscheidung ist der Verwaltungsakt mit dem geänderten Inhalt neu bekanntzugeben.

(3) Hält das Gericht eine weitere Sachaufklärung für erforderlich, kann es, ohne in der Sache selbst zu entscheiden, den Verwaltungsakt und den Widerspruchsbescheid aufheben, soweit nach Art oder Umfang die noch erforderlichen Ermittlungen erheblich sind und die Aufhebung auch unter Berücksichtigung der Belange der Beteiligten sachdienlich ist. Auf Antrag kann das Gericht bis zum Erlaß des neuen Verwaltungsakts eine einstweilige Regelung treffen, insbesondere bestimmen, daß Sicherheiten geleistet werden oder ganz oder zum Teil bestehen bleiben und Leistungen zunächst nicht zurückgewährt werden müssen. Der Beschluß kann jederzeit geändert oder aufgehoben werden. Eine Entscheidung nach Satz 1 kann nur binnen sechs Monaten seit Eingang der Akten der Behörde bei Gericht ergehen.

(4) Kann neben der Aufhebung eines Verwaltungsakts eine Leistung verlangt werden, so ist im gleichen Verfahren auch die Verurteilung zur Leistung zulässig.

(5) Soweit die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig und der Kläger dadurch in seinen Rechten verletzt ist, spricht das Gericht die Verpflichtung der Verwaltungsbehörde aus, die beantragte Amtshandlung vorzunehmen, wenn die Sache spruchreif ist. Andernfalls spricht es die Verpflichtung aus, den Kläger unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts zu bescheiden.

Tenor

Die Klage wird abgewiesen.

Die Kläger haben die Kosten des Verfahrens zu tragen mit Ausnahme der außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen, welche diese selbst trägt.

Das Urteil ist wegen der Kosten vorläufig vollstreckbar.

Tatbestand

1

Die Kläger wenden sich gegen eine bauaufsichtliche Verfügung des Beklagten.

2

Sie sind Eigentümer des in S. gelegenen Grundstücks Z. Straße 14 (Flur 32, Flurstück-Nr. 111), das grenzständig zur - im Eigentum der Beigeladenen stehenden - südlich angrenzenden Parzelle Z. Straße 16 (Flur 32, Flurstück-Nr. 110) bebaut ist. Das dortige Mansarddach weist im Bereich des Dachgeschosses ca. 0,20 m von der Grundstücksgrenze zur Parzelle 110 entfernt ein Dachflächenfenster mit den Maßen von ca. 0,40 m x 0,60 m auf. Zwischen den Beteiligten ist streitig, ob das Fenster bereits bei Umbau des vormals als Speicher dienenden Dachgeschosses im Jahre 1993 vorhanden war. Der Beklagte hatte den Klägern unter dem 16. September 1993 die Baugenehmigung für den Ausbau des Dachgeschosses als Künstleratelier genehmigt. Die genehmigten Pläne weisen kein Dachflächenfenster auf.

3

Unter dem 19. Februar 2010 erließ der Beklagte gegenüber den Klägern eine auf §§ 1, 3, 30, 55 und 58 bis 63 Landesbauordnung (LBauO) gestützte bauaufsichtliche Verfügung mit der Aufforderung, bis spätestens vier Wochen nach Bestandskraft der Verfügung das vorgenannte Dachflächenfenster entsprechend der DIN 4102 Teil 7 zu schließen. Für den Fall der Nichtbefolgung wurde die Ersatzvornahme mit voraussichtlichen Kosten in Höhe von 1.000,-- € angedroht. Ferner wurden in einem gesonderten Bescheid vom 19. Februar 2010 Kosten in Höhe von 67,-- € festgesetzt. Zur Begründung der bauaufsichtlichen Verfügung verweist der Beklagte auf einen Verstoß gegen § 32 Abs. 7 Satz 2 Ziffer 1 LBauO, wonach Öffnungen, Lichtkuppeln und Oberlichte in der Dachfläche von Brandwänden mindestens 1,25 m entfernt sein müssen, wenn die Brandwände oder Gebäudetrennwände nicht mindestens 0,30 m über Dach geführt sind. Danach sei das Fenster hier unzulässig. Es sei auch mangels Einzeichnung in den Planunterlagen nicht von der 1993 erteilten Baugenehmigung erfasst und genieße ferner keinen Bestandsschutz.

4

Mit ihrem hiergegen eingelegten Widerspruch machten die Kläger geltend, das streitbefangene Fenster habe bereits vor Inkrafttreten der Landesbauordnung bestanden. Der danach anzunehmende Bestandsschutz sei unabhängig davon gegeben, ob das Dachflächenfenster im Rahmen des Baugenehmigungsverfahrens von 1993 in den vorgelegten Bauplänen enthalten gewesen sei oder nicht.

5

Der Kreisrechtsausschuss beim Beklagten wies den Widerspruch durch Bescheid vom 12. August 2010, zugestellt am gleichen Tage, zurück.

6

Die Kläger haben am Montag, den 13. September 2010, Klage erhoben, zu deren Begründung sie unter Wiederholung, Vertiefung und Ergänzung ihres bisherigen Vorbringens geltend machen: Entgegen der Annahme des Beklagten hätten sie das Dachflächenfenster nicht erstmals angelegt. Es sei bereits vor dem Inkrafttreten der Landesbauordnung 1961 vorhanden gewesen und lediglich in der Ausführung (Ersetzung durch ein neuzeitliches Fenster mit Isolierverglasung) verändert worden; Lage und Größe des Fensters seien unverändert geblieben. Die Ersetzung des bestandsgeschützten Fensters sei nicht genehmigungsbedürftig gewesen. Das neue Fenster gewähre auch besseren Brandschutz als das ursprüngliche Fenster. Mit der Nutzung des Dachgeschosses als Künstleratelier könne die Beseitigungsverfügung nicht begründet werden. Denn hiermit sei keine Verschlechterung des Brandschutzes oder eine Erhöhung der Brandgefahr verbunden, im Gegenteil sei die früher übliche Lagerung von Anzündholz auf dem Dachboden gefährlicher gewesen als der Betrieb eines Malerateliers. Das Dachflächenfenster sei auch mit Blick auf § 30 Abs. 5 LBauO zulässig. Denn das Gebäude der Kläger grenze an die Parzelle der Beigeladenen „über Eck“ an. Zwischen dem Dachflächenfenster und der inneren Ecke bestehe ein Abstand von mehr als 5 m, so dass ein Feuerüberschlagsweg von 5 m gewährleistet sei.

7

Die Kläger beantragen,

8

den Bescheid des Beklagten vom 19. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 12. August 2010 aufheben.

9

Der Beklagte beantragt,

10

die Klage abzuweisen.

11

Er nimmt Bezug auf die ergangenen Bescheide und ist dem Vorbringen der Kläger im Einzelnen entgegengetreten.

12

Die in der mündlichen Verhandlung nicht anwesende Beigeladene hat keinen Antrag angekündigt. Sie schließt sich schriftsätzlich den Ausführungen des Beklagten an.

13

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf 2 Hefte Bauakten und 1 Heft des Kreisrechtsausschusses Bezug genommen.

Entscheidungsgründe

14

Die zulässige Anfechtungsklage hat keinen Erfolg. Denn die bauaufsichtliche Verfügung vom 19. Februar 2010 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 12. August 2010 ist rechtmäßig und verletzt von daher die Kläger nicht in ihren Rechten (§ 113 Abs. 1 Satz 1 VwGO).

15

Ermächtigungsgrundlage ist § 59 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz LBauO. Nach dem 1. Halbsatz dieser Vorschrift haben die Bauaufsichtsbehörden u. a. bei der Errichtung, Änderung und Nutzungsänderung von baulichen Anlagen darüber zu wachen, dass die baurechtlichen Vorschriften eingehalten werden. Nach Halbsatz 2 der Vorschrift haben sie zu diesem Zweck nach pflichtgemäßem Ermessen die erforderlichen Maßnahmen zu treffen.

16

Gegenüber dieser Ermächtigungsgrundlage hat die spezielle Regelung des § 85 Abs. 1 LBauO keinen Vorrang, da ihr Anwendungsbereich nicht eröffnet ist, so dass es bei der allgemeinen Ermächtigung des § 59 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz LBauO verbleibt.

17

Nach § 85 Abs. 1 LBauO können bei rechtmäßig begonnenen oder bestehenden baulichen Anlagen nachträgliche Anforderungen nur gestellt werden, wenn dies zur Abwehr von erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit erforderlich ist. § 85 Abs. 1 LBauO bewirkt eine Einschränkung des formellen Bestandsschutzes und seine Anwendbarkeit setzt bei genehmigungsbedürftigen Vorhaben grundlegend das Bestehen einer Baugenehmigung voraus. Eine solche Baugenehmigung, die das hier fragliche Dachflächenfenster des zum Künstleratelier umgebauten Dachgeschosses umfassen würde, liegt indessen nicht vor. Die Baugenehmigung vom 16. September 1993 betreffend das Vorhaben „Ausbau Dachgeschoss als Künstleratelier“ genehmigt den Dachgeschossausbau ohne das fragliche Dachflächenfenster. Denn die genehmigten Planunterlagen weisen ein solches Fenster nicht aus. Vielmehr ist an der fraglichen Stelle eine durchgehende Dachfläche eingezeichnet. Der Dachausbau war im Übrigen ein nach § 60 Abs. 1 LBauO 1986 genehmigungsbedürftiges Vorhaben.

18

Eine Rechtmäßigkeit des hier streitigen Dachflächenfensters kann auch nicht nach den Grundsätzen des Bestandsschutzes angenommen werden. Zwar mag das Fenster bereits im Jahre 1993 vorhanden gewesen sein. Hierfür spricht ein Lichtbild auf Blatt 20 der vorgelegten Bauakte 449/2009. Das kann aber ebenso offen bleiben wie die Frage nach der Legalität oder einem Bestandsschutz für ein solches Fenster bis zum Umbau des Dachgeschosses im Jahre 1993. Selbst wenn das Dachflächenfenster in der Vergangenheit Bestandsschutz genossen hätte, wäre dieser aufgrund der Nutzungsänderung im Jahre 1993 erloschen. Denn der Bestandsschutz hätte sich auf ein Dach mit Dachflächenfenster für einen Speicher bezogen, nicht aber für ein Künstleratelier, d.h. einen Aufenthaltsraum im Sinne des § 2 Abs. 5 LBauO.

19

Die tatbestandlichen Voraussetzungen der danach einschlägigen Befugnisgeneralklausel des § 59 Abs. 1 Satz 1, 2. Halbsatz LBauO liegen vor. Denn in Bezug auf das Dachflächenfenster wird die Vorschrift des § 32 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 LBauO nicht eingehalten. Danach müssen Öffnungen, Lichtkuppeln und Oberlichte in der Dachfläche von Brandwänden 1,25 m entfernt sein, wenn die Brandwände nicht mindestens 0,30 m über Dach geführt sind. Die gesamte südliche Wand zum Grundstück der Beigeladenen stellt eine Brandwand im Sinne des § 30 Abs. 2 Nr. 1 LBauO dar. Danach sind Brandwände herzustellen zum Abschluss von Gebäuden, soweit die Abschlusswand in einem Abstand bis zu 2,50 m von der Nachbargrenze errichtet wird, es sei denn, dass ein Abstand von 5 m zu auf dem Nachbargrundstück bestehenden oder nach baurechtlichen Vorschriften zulässigen Gebäuden öffentlich-rechtlich gesichert ist; dies gilt nicht für Gebäude ohne Aufenthaltsräume, Toiletten oder Feuerstätten bis zu 50 cbm umbauten Raums. Die grenzständige Wand des klägerischen Anwesens erfüllt diese Voraussetzungen. Die Sicherung eines Abstandes von 5 m ist auch nicht öffentlich-rechtlich, d. h. durch eine Baulast nach § 86 LBauO, gesichert. Die übrigen Voraussetzungen des § 32 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 LBauO sind ebenfalls gegeben. Das Dachflächenfenster befindet sich in einem Abstand von weniger als 1,25 m von der Brandwand und die Brandwand ist nicht mindestens 0,30 m über Dach geführt.

20

Ohne Erfolg berufen sich die Kläger auf die Regelung des § 30 Abs. 5 LBauO. Diese Vorschrift lautet wie folgt:

21

Müssen auf einem Grundstück Gebäude oder Gebäudeteile, die über Eck zusammenstoßen, durch eine Brandwand getrennt werden, so muss der Abstand der Brandwand von der inneren Ecke 5 m betragen, wenn nicht durch andere bauliche Vorkehrungen ein Feuerüberschlagsweg von 5 m gewährleistet ist. Dies gilt nicht, wenn die Gebäude oder Gebäudeteile in einem Winkel von mehr als 120 ° über Eck zusammenstoßen.

22

Die Kläger wollen aus der Anwendung dieser Vorschrift eine Rechtmäßigkeit des streitigen Dachflächenfensters herleiten, weil zwischen diesem und der inneren Ecke der aneinander angrenzenden Gebäude ein Abstand von mehr als 5 m bestehe, so dass ein Feuerüberschlagsweg von 5 m gewährleistet sei. Dieser Rechtsansicht vermag sich die Kammer nicht anzuschließen. Denn § 30 Abs. 5 LBauO ist hier dem Grunde nach nicht anwendbar und im Übrigen führte seine Anwendung auch nicht zu einer Verringerung der Brandwandlänge auf 5 m.

23

§ 30 Abs. 5 LBauO erfasst von seinem Anwendungsbereich her bereits nicht die vorliegende Fallgestaltung. Die Norm behandelt nur den Fall, dass auf einem einzigen Grundstück Gebäude oder Gebäudeteile über Eck zusammenstoßen, nicht dagegen die Situation, dass zwei Nachbargebäude im Bereich der Grenze über Eck zusammenstoßen. Für diese Auslegung des Gesetzes spricht zunächst der Wortlaut, der von „einem“ Grundstück spricht, auf dem Gebäude oder Gebäudeteile über Eck zusammenstoßen. Diese Auslegung findet ihre Bestätigung in der Gesetzessystematik. § 30 Abs. 2 LBauO unterscheidet in den dort genannten Fallgruppen stets deutlich zwischen Gebäuden auf demselben Grundstück und denjenigen, an die Anforderungen in Bezug auf das Nachbargrundstück und dessen Bebauung gestellt werden. Darüber hinaus bezieht sich § 30 Abs. 5 LBauO auch auf Gebäudeteile, die über Eck zusammenstoßen. Solche Gebäudeteile befinden sich grundsätzlich nur auf einem einzigen Buchgrundstück. Sowohl das Bauplanungs- wie das Bauordnungsrecht gehen beim Baugrundstück prinzipiell vom Grundstücksbegriff des bürgerlichen Rechts aus, wie § 6 Abs. 1, Abs. 2 LBauO zeigt. Lediglich unter den Voraussetzungen der Ausnahmeregelung des § 6 Abs. 3 LBauO darf ein Gebäude auf mehreren Grundstücken errichtet werden, nämlich wenn durch Baulast gesichert ist, dass die Grundstücke für die Dauer der Bebauung als Grundstückseinheit zusammengefasst bleiben. Aber auch im Falle einer Vereinigungsbaulast würde es sich um ein einheitliches Baugrundstück handeln, auf dem die Gebäudeteile sich befinden.

24

Die Gesetzesauslegung, dass § 30 Abs. 5 LBauO nur den Fall der auf einem einzigen Grundstück über Eck zusammenstoßenden Gebäude oder Gebäudeteile betrifft, wird auch durch die Historie der Vorschriften über Brandwände gestützt. Die jetzige Regelung, wortgleich mit der Vorgänger-Bestimmung des § 26 Abs. 5 LBauO 1986, ist letztlich eine Konkretisierung des § 36 LBauO 1974/1982, der eine Vorschrift über aneinandergereihte Gebäude auf demselben Grundstück enthielt (vgl. LT-Drs. 10/1344, Seite 80 und Jekel/Schaefer/Sayn, Die neue Bauordnung für Rheinland-Pfalz, 1987, Seite 129).

25

Schließlich findet die vorstehend dargelegte Gesetzesauslegung ihre Bestätigung im Zweck der gesetzlichen Regelung des § 30 Abs. 5 LBauO. Die Bestimmung zielt darauf ab, das Übergreifen von Feuer an einer Brandwand vorbei auf den angrenzenden Brandabschnitt nachhaltig zu verhindern, wenn Gebäudeteile derart über Eck zusammenstoßen, dass der von den Außenwänden gebildete Winkel weniger als 120° beträgt und der Schnittpunkt der beiden Außenwände weniger als 5 m Abstand von der betroffenen Brandwand (bzw. von deren Ende) hat (vgl. Große-Suchsdorf/Lindorf/Schmaltz/Wiechert, Komm. zur niedersächsischen BauO, 8. Aufl. 2006, § 30 Rdnr. 13; Gädtke/Temme/Heintz/Czepuck, Komm. zur BauO Nordrhein-Westfalen, 11. Aufl. 2008, § 33 Rdnr. 24). Bei einer am Gesetzeszweck orientierten Auslegung des § 30 Abs. 5 LBauO ist zu beachten, dass der Bauherr durch verschiedene bauliche Vorkehrungen einen Feuerüberschlagsweg von 5 m gewährleisten kann. Diesbezüglich nimmt das Gericht Bezug auf die Abbildungen in der Kommentierung von Jeromin (Komm. zur LBauO Rhld.-Pf., 2. Aufl. 2008, § 30 Rdnr. 22) und von Gädtke/Temme/Heintz/Czepuck (a.a.O.). Die Auswahl zwischen den dort aufgezeigten vier verschiedenen Gestaltungsmöglichkeiten zur Gewährleistung des gesetzlich notwendigen Feuerüberschlagsweges kann den Gesetzesvollzug erschweren, wenn § 30 Abs. 5 LBauO auch auf den Fall Anwendung fände, dass eine Grundstücksgrenze durch ein über Eck zusammenstoßendes Gebäude verläuft. Die dann notwendige Koordination zwischen zwei Nachbarn oder die Möglichkeit der Entscheidung für die Heranziehung lediglich eines von beiden würde zu rechtlichen und praktischen Problemen in der Umsetzung der Brandschutzvorschriften führen. Eine erschwerte Verwaltungspraxis unterliefe aber den Sinn einer sicherheitsrelevanten Norm. Daher spricht auch dieser Aspekt für eine Auslegung des § 30 Abs. 5 LBauO dergestalt, dass dieser nur den Über-Eck-Zusammenstoß von Gebäuden oder Gebäudeteilen auf einem einzigen Grundstück regelt (vgl. auch Simon/Busse, Komm. zur BayBauO, Loseblattsammlung Stand: November 2004, Art. 31 Rdnr. 30).

26

Mangels Anwendbarkeit der Norm dem Grunde nach können die Kläger mithin aus § 30 Abs. 5 LBauO nichts für ihre Rechtsansicht herleiten, das hier streitige Dachfenster befinde sich nicht mehr über einer Brandwand im Sinne des § 30 Abs. 2 LBauO i.V.m. § 32 Abs. 7 Satz 2 Nr. 1 LBauO.

27

Ungeachtet dessen würde sich auch bei Anwendung des § 30 Abs. 5 LBauO keine Reduzierung der nach § 30 Abs. 2 LBauO erforderlichen Brandwand ergeben. Denn die Notwendigkeit einer Brandwand zum Grundstück der Beigeladenen besteht auf der gesamten Länge und wird durch § 30 Abs. 5 LBauO nicht reduziert. Die gesetzliche Regelung hat die Situation vor Augen, dass eine notwendige Brandwand nicht ausreichend ist für den besonderen Fall von über Eck zusammenstoßenden Gebäuden oder Gebäudeteilen. Für diese Situation muss die bereits nach § 30 Abs. 2 LBauO gebotene Brandwand verlängert werden. Erst dann ist für den „über-Eck-Fall“ ausreichender Brandschutz gewährleistet. § 30 Abs. 5 LBauO reduziert also nicht die Länge einer Brandwand. Vielmehr wird der gemäß § 30 Abs. 2 LBauO notwendige Umfang der Brandwand nach § 30 Abs. 5 LBauO erweitert.

28

Das dem Beklagten nach § 59 Abs. 1 Satz 1 2. Halbsatz LBauO zustehende Ermessen ist im Rahmen des dem Verwaltungsgericht nach § 114 VwGO eröffneten Prüfungsumfanges rechtmäßig ausgeübt worden. Auch im Übrigen bestehen keine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Entscheidung.

29

Die Kostenentscheidung beruht auf § 154 Abs. 1, § 162 Abs. 3 VwGO. Die außergerichtlichen Kosten der Beigeladenen waren den Klägern nicht aufzuerlegen, da dies unbillig im Sinne des § 162 Abs. 3 VwGO wäre. Denn die Beigeladene hat keinen Antrag angekündigt oder gestellt und sich somit keinem Kostenrisiko nach § 154 Abs. 3 VwGO ausgesetzt.

30

Die Entscheidung über die vorläufige Vollstreckbarkeit des Urteils wegen der Kosten beruht auf § 167 VwGO.

31

Beschluss

32

Der Wert des Streitgegenstandes wird auf 1.567,-- € festgesetzt (§§ 52, 63 Abs. 2 GKG).

33

Hiervon entfallen 1.000,-- € auf die bauaufsichtliche (Grund-)Verfügung. Denn das nach § 52 Abs. 1 GKG maßgebliche wirtschaftliche Interesse der Kläger geht dahin, der Verfügung nicht nachkommen zu müssen und damit die Kosten für die Schließung des Dachflächenfensters zu vermeiden. Bei deren Höhe orientiert sich die Kammer an den vom Beklagten genannten voraussichtlichen Kosten der Ersatzvornahme in Höhe von 1.000,-- €. Die Androhung der Ersatzvornahme wird in Anlehnung an Ziffer 1.6.1 des Streitwertkataloges 2004 mit der Hälfte der voraussichtlichen Ersatzvornahmekosten, also 500,-- €, berücksichtigt. Den Vorschlag unter Ziffer 1.6.2 des Streitwertkataloges, wonach es für die Streitwertfestsetzung grundsätzlich außer Betracht bleibt, wenn im angefochtenen Bescheid neben einer Grundverfügung zugleich ein Zwangsmittel angedroht wird, wendet die Kammer nicht an. Denn die im gleichen Bescheid enthaltene Zwangsmittelandrohung bedeutet einen selbständigen Verwaltungsakt, dessen Anfechtung die nach § 52 Abs. 1 GKG maßgebliche Bedeutung des klägerischen Antrags erweitert; dies ist angemessen zu berücksichtigen. Schließlich ist gemäß § 52 Abs. 3 GKG der im Gebührenbescheid festgesetzte Betrag in Höhe von 67,-- € zu berücksichtigen.

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Die Festsetzung des Streitwertes kann nach Maßgabe des § 68 Abs. 1 GKG mit derBeschwerde angefochten werden.

Soweit die Verwaltungsbehörde ermächtigt ist, nach ihrem Ermessen zu handeln, prüft das Gericht auch, ob der Verwaltungsakt oder die Ablehnung oder Unterlassung des Verwaltungsakts rechtswidrig ist, weil die gesetzlichen Grenzen des Ermessens überschritten sind oder von dem Ermessen in einer dem Zweck der Ermächtigung nicht entsprechenden Weise Gebrauch gemacht ist. Die Verwaltungsbehörde kann ihre Ermessenserwägungen hinsichtlich des Verwaltungsaktes auch noch im verwaltungsgerichtlichen Verfahren ergänzen.

(1) Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.

(2) Die Kosten eines ohne Erfolg eingelegten Rechtsmittels fallen demjenigen zur Last, der das Rechtsmittel eingelegt hat.

(3) Dem Beigeladenen können Kosten nur auferlegt werden, wenn er Anträge gestellt oder Rechtsmittel eingelegt hat; § 155 Abs. 4 bleibt unberührt.

(4) Die Kosten des erfolgreichen Wiederaufnahmeverfahrens können der Staatskasse auferlegt werden, soweit sie nicht durch das Verschulden eines Beteiligten entstanden sind.

(5) Soweit der Antragsteller allein auf Grund von § 80c Absatz 2 unterliegt, fallen die Gerichtskosten dem obsiegenden Teil zur Last. Absatz 3 bleibt unberührt.

(1) Soweit sich aus diesem Gesetz nichts anderes ergibt, gilt für die Vollstreckung das Achte Buch der Zivilprozeßordnung entsprechend. Vollstreckungsgericht ist das Gericht des ersten Rechtszugs.

(2) Urteile auf Anfechtungs- und Verpflichtungsklagen können nur wegen der Kosten für vorläufig vollstreckbar erklärt werden.

(1) Gegen das Urteil des Oberverwaltungsgerichts (§ 49 Nr. 1) und gegen Beschlüsse nach § 47 Abs. 5 Satz 1 steht den Beteiligten die Revision an das Bundesverwaltungsgericht zu, wenn das Oberverwaltungsgericht oder auf Beschwerde gegen die Nichtzulassung das Bundesverwaltungsgericht sie zugelassen hat.

(2) Die Revision ist nur zuzulassen, wenn

1.
die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat,
2.
das Urteil von einer Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts, des Gemeinsamen Senats der obersten Gerichtshöfe des Bundes oder des Bundesverfassungsgerichts abweicht und auf dieser Abweichung beruht oder
3.
ein Verfahrensmangel geltend gemacht wird und vorliegt, auf dem die Entscheidung beruhen kann.

(3) Das Bundesverwaltungsgericht ist an die Zulassung gebunden.

(1) Im Rechtsmittelverfahren bestimmt sich der Streitwert nach den Anträgen des Rechtsmittelführers. Endet das Verfahren, ohne dass solche Anträge eingereicht werden, oder werden, wenn eine Frist für die Rechtsmittelbegründung vorgeschrieben ist, innerhalb dieser Frist Rechtsmittelanträge nicht eingereicht, ist die Beschwer maßgebend.

(2) Der Streitwert ist durch den Wert des Streitgegenstands des ersten Rechtszugs begrenzt. Das gilt nicht, soweit der Streitgegenstand erweitert wird.

(3) Im Verfahren über den Antrag auf Zulassung des Rechtsmittels und im Verfahren über die Beschwerde gegen die Nichtzulassung des Rechtsmittels ist Streitwert der für das Rechtsmittelverfahren maßgebende Wert.